1907 / 99 p. 9 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 24 Apr 1907 18:00:01 GMT) scan diff

Zweite Beilage

zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.

Mn 99. Berlin, Mittwoch, den 24. April 1907. 8

(Fortsetzung aus der Ersten Beilage)

Daß gerade in diesem Augenblick, meine Herren, wo wir im vorigen ahre dem Reichstage mehrere Gesetze vorgelegt haben, vor allem das Roß Versicherungsgesetz von denen im Laufe der vielmonatlichen Sessson keines erledigt worden ist, weil der Reichstag die Zeit dazu ncht fand, daß von dem Herrn Abg. Müller (Meiningen) gerade dicser Augenblick, wo nicht wir, sondern eher der Reichstag im Rück nnd ist (Widerspruch linke), benutzt wird, ung einen Vorwurf zu machen, weine Herren, das halte ich doch nicht für richtig. Der Herr Abg. üller (Meiningen) hätte wenigstens konstatieren sollen, um unsere Atbeitzenergie anzuzweifeln, daß wir im vorigen Jahre Gesetze von edeutung vorgelegt haben, ohne daß im Reichstag ihre Erledigung mreicht werden konnte. (Zuruf links: Justijreform ) Das ist nicht iictig, Herr Abgeordneter; wenn Sie das Reichsjustizamt in so all⸗ demeiner Weise zensurieren, dann müssen Sie auch alle großen gesetz⸗ Eberischen Arbeiten aufführen, die wir dem Reichstag zugebracht ö Ich muß das zu unserer Rechtfertigung anführen. Viel⸗ ꝛicht wird das Urteil des Herrn Abgeordneten etwas milder ausfallen, ner dieses Moment mit in seine Erwägungen hineinzieht.

Nun gingen aber, im Grunde genommen, wie mir scheint, die micfihrungen des Herrn Abgeordneten weniger gegen das Reichtz⸗ äuttzamt, als gegen den Herrn Reichskanzler, und er richtete an den trn Reichtkanzler den Appell, doch endlich jene Verpflichtung be⸗ Aidlich der gesetzgeberischen Tätigkeit des Reichssustizamts zu erfüllen, 6 er durch seine Erklärung vom Frühjahr übernommen habe. I, der Herr Abgeordnete ist doch ein viel zu guter Jurist, um an⸗ nehmen, daß dle Arbeiten für die großen Rechtgreformen, die der derr Reichskanzler hier im Frühjahr berührt hat, in der kurzen Zeit

zum jetzigen Tag zu erledigen seien. Wie rasch sie aber zur Er⸗ le igung kommen werden, das zu beurteilen, wolle er zunächst mal freundlichst uns überlafsen. Er wird vielleicht überrascht sein, sobald ie verbündeten Regierungen fertig sein werden.

Er hat den Vorwurf erhoben, daß ich dilatorische Bemerkungen gemacht hätte über den Strafprozeß. Nein, meine Herren, ich habe keine dilatorischen Bemerkungen gemacht, ich habe nur ausgesprochen, wie die Geschäftslage augenblicklich ist, um keine Täuschungen auf- kommen zu lassen über den Zeitpunkt, zu welchem Ihnen der Gesetz⸗ entwurf nach menschlichen Kräften und nach der Art unserer bundes— mäßigen Institutionen zugehen kann. Nun möchte ich Sie aber fragen, meine Herren: wenn ich Ihnen erkläre, daß Sie in der nächsten Session die Strafprozeßordnung ein Werk, daz allein den Reichstag eine Session hindurch beschäftigen könnte noch nicht erhalten werden, kann dann der Reichstag das beanstanden? Der Herr Staatssekretär des

nern hat Ihnen neulich schon vorgehalten, welche Gesetzentwürfe aus seinem Ressort an den Reichstag kommen werden. Wir, meine derren, werden Ihnen außerdem noch einiges bringen: das Ver⸗ scherngsgeset das Gesetz über den Wechselprotest, (Zuruf links.) Meine Herren, in diesem Augenblick können Sie doch den Straf⸗, n nicht erwarten! Der Herr Abgeordnete hat gerade auf den Dane dieß Bezug genommen und mir den Vorwurf dilatorischer nean lng gemacht, well die Vorlegung des Strafprozeffes immer fan hinausgeschoben werde. (Zuruf links) Ich bitte um Ent ber gung; ich möchte mich aber doch so weit rechtfertigen, daß in zu wan lum des Strafprozesses doch für uns ein Vorwurf nicht zra nden ist. Selbst wenn wir in der nächten Session den Straf. . schon fertig hätten, würde es ganz ungesunde Politik sein, 9 anderen Vorlagen, die wir bringen müssen, auch diesen Ent⸗= em Reichttag vorzulegen. Er wird schon zur rechten Zeit ohne ag, und wenn der Reichstag die Muße dafür hat, vorgelegt ö. link) Wenn ich den Herrn Abgeordneten 3. ' dann begehen sich seine Vorwürfe, die anfangs so große r e e , nur noch auf das Versicherungsgesetz denn auf das 8 h Gesetze liegen doch nicht vor vielleicht auch noch auhand auhandwerlergesetz Daß er so große Neigung zeigt, das eigenili ch 3. ergesetz zur Beratung zu bringen, das wundert mich En wurj denn bis dahin hat er nicht dazu beigetragen, gerade diesen Vorwa 6 begünstigen. (Sehr richtig! rechts) Heute muß es zum machen nd dienen, um dem Reichsjustizamt eine übelwollende Kritlk zu

fue e ne Herren, was die Stellung des Reichskanzlers zu den Justiz⸗ Stell detrifft so möchte ich Sie doch bitten, die verfassungßmäßige 3 des Herrn Reichskanzlers zu berücksichtigen. Die ors ö darlagen gehen nicht von dem Herrn Reichskaniler als als i. der Reichsberwaltung aus; sie werden von ihm vorgelegt lan eschlisfe der verbündeten Regierungen. Wenn der Herr Reichs Ie ö mn Frühjahr d. J. Versprechungen abgegeben hat, so wird er sass flßhten soweit es an ihm liegt. Aber er kann über die ver⸗ und emäige Mitwirkung der verbündeten Regierungen nicht hinweg, nach ö müßsen schon die Geduld haben, daß auch diese Regierungen daß di ken verfafsungsmäßlgen Befugniffen mitwirken. Wie ich meine bersas derbndeten Regierungen in der gesetzgeberischen Arbeit die tieren ungsmäßige Stellung deg Reichstags berkcksichtigen und respel⸗= lo müssen Sie auch bei der Beurteilung der Dispositionen des

3 eiche lanilerg berücksichtigen, welche Stellung die verbündeten ungen einnehmen. .

; 6 meine Herren, soweit es sich nicht um eine momentane Ungeduld . um Vorlagen, die augenblicklich daz Haus gern noch erhalten e, so weit, glaube ich, sind die Vorwürfe des Herrn Abgeordneten

ch id uber nicht berechtigt, sowelt es sich aber und damit will dauer eßen um die Frage handelt, wie lange die jetzige Session dostun⸗ wird und welche Vorlagen Ihnen mit Rücksicht auf die Dis- lßnne en über die Dauer der Sesston jetzt noch gemacht werden Sonn ö so schneiden Sie damit eine Frage an, die, wie ich schon am hard bemerkt habe, über die Kompeten; des Reichtzutimimit solg ke ebt. und beim Etat der Reichsjustizverwaltung nicht mit Er⸗ 53 werden kann. Ich stelle Ihnen anheim, sich in dieser ung an den Herrn Reichskanzler zu wenden. Ich habe keine

Legitimation, mich über etwaige Wünsche zu äußern. Nachdem früher

die Dispositionen getroffen waren, wie sie dem Reichstage bekannt sind, hat das Reichsjustizamt sich lediglich da nach zu richten. (Bravol rechts.)

Abg. Dr. Frank (Soz.); In der Brust des Abg. Dr. Müller⸗ Menn ngen og. mir jwei Seelen zu wohnen, die eine zieht ihn nach links, die andere zum Block, also ins Ungewisse. Die linke Seele hat ihm sehr kräftige Worte eingegeben zur Geißlung gewisser Mißstände in der Justiz, die andere Seele hat ihn ver⸗ anlaht, meinem Freunde Heine Vorwürfe zu machen, weil er den deutschen Richterstand angegriffen habe. Die linke Seele hat dann aber dem Abg. Müller Worte in den Mund gelegt, die biel schärfer waren als alles, was Heine gegen die Richter gesagt hat. Dr. Müller hat behauptet, daß sogar in der Verhandlungsführung ein besonderer Unterschied bezüglich des Standes der Zeugen usw. sfeitens der Richter gemacht wird. Seine Bemerkungen über den Nürnberger Fall müssen mit Mißtrauen aufgenommen werden, schon weil er dabei immer bon Rädelsführern sprach, Keiner der Angeklagten ist als Rädelsführer verurteilt worden. Er hat nichts wesentlich Falsches in der Darstellung des Falles vorgebracht, aber Wesentliches verschwiegen. Er hat den Bericht des Gutachters nicht erwähnt, der angibt, daß der erste Schuß durchs Herz gegangen, der zweite von hinten und von der Seite gekommen sein muß. Danach kann von einer Handlung aus Notwehr nicht die Rede sein. Den Streikbrechern wurde gesagt; Geht hin und haut sie zusammen; ihr seid doch genug, es geschieht euch nichts. Sie wurden auch mit Brechstangen ausgerüstet, natürlich nur zur Abwehr! Seit Jahren ist für die hreiten Massen des Volkes so gut wie nichts geschehen. Den einzigen Fortschritt von Bedeutung hat die Arbeiterschaft selbst aus eigener Kraft geschaffen: die Arbeitersekretariate. Diese 186 Sekretarigte, die über alle Landes⸗ teile verteilt sind, haben eine eminente positibe Arbeit geleistet, sie sind getragen bon dem allgemeinen Vertrauen der Arbeiterschaft und der kleinen Leute üherhaupt. Wenn es noch eines Beweises bedürfte für die ö an Begabung, die in den Tiefen unseres Volkslebens ruhen, so wäre er hiermit erbracht. Die Arbeitersekretariat? haben immer noch tausendmal mehr ge— leistet als mancher Minister, der gegen uns den Vorwurf der mangelnden positiven Arbeit erhob. Wir, verlangen ja von der Regierung nicht viel, wir sind überhaupt bescheiden. Eine Reform der Justiz an Haupt und Gliedern muß und wird mit der Umbildung des ganzen öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens kommen. Aber die AÄrbeiter wollen auch subjektiv an der Rechtsprechung beteiligt sein. Wann wird der neue Adickes kommen, der nicht bloß die äußeren Formen, sondern auch den Geift des englischen Rechts auf das deutsche verpflanzen will? Kommt es bei uns doch noch vor, daß Angehörige der unteren Stände bei Gerichts. berhandlungen mit Du angeredet werden, und gibt es doch noch Richter, die es für angebracht halten, unbeholfenen Angellagten und Zeugen gegenüber ihren oft recht zweifelhaften Witz zu üben! Wieviel Vor⸗ sitzende ißt es, die ihrem Aerger, wenn ste überstimmt sind, im Urteil Ausdruck geben! Schlimmer ist noch ein Uebel, das geradezu eine schwere Krankheit unserer Rechtsprechung ist: Über allen Gefetzen und Verordnungen steht Seine Mtajestät der souverane Schutzmann. Die Gerichte haben zu seinen Gunsten vollständig abgedankt, an Stelle des richterlichen Ermessens ist vielfach das frele Schutzmanng. ermessen getreten. Der Redakteur eines hiesigen bürgerlichen Blattes, Erdmannsdörfer, glaubte nicht recht daran, daß die vielen Ge= schichten, die der Vorwärts darüber erzählte, der Wahrheit ent prächen. Deshalb begab er sich gelegen lich eines Buchbinder⸗ streik in die Kochstraße vor das Haug diefer Buchbinderei. Ein Schutzmann forderte ihn auf, nicht nur diefen Platz, ondern auch die ganze lange Kochstraße zu räumen, und da der edakteur sich etwas Zeit ließ, erhielt er einen Strafbefehl. Daz Gerscht stellte sich auf den Standpunkt: der Herr Schutzmann hat befohlen, der Herr Bürger hat zu gehorchen. Diese Sonderftellung der Uniformierten bringt es mit sich, daß subalterne Rechtz⸗= anschauungen sich immer mehr in den Gerichtsurtellen geltend machen. Proben hiervon erlebt man aus Anlaß von sozialdemokratischen und gewerkschaftlichen Begräbnissen. Bei einem solchen legte ein Sozial- demokrgt einen Kranz nieder mit den Worten: Im Namen des Zentralperbandes der Maurer Deutschlandzs. Er wurde bestraft Degen dieser Reder, denn das Gericht entschied dahin, daß es bei einer Rede nicht auf deren Länge ankäme; die Rede sei vielmehr der Ausdruck eines Gedankens gegenüber einer J Ich will nicht den Gedanken Ausdruck geben, die Pie Arbeiter, Denn sie solch Urteil lesen, empfinden. Ein Arbeiter, der eine Ahne, die 15 3 kostete, mit einem Jehnpfennig⸗ hillett gefahren war, wurde als, fällig wegen. Betrugeg dez Fiskuz, also um 5. , mit 3 Monaten Gefängnig bestraft. Der Mundraub wird doch vom Strafgefetz milde . warum führt man nicht endlich auch eine analoge Bestimmung hinsichtlich bes Feuerungsmaterialeß ein? Alle diese Fälle bewelsen, wie not wendig es . daß der Staatesekretär uns nicht immer nur vertröstet und nur den Mund spitzt, anstatt zu pfelfen. Ich weiß nicht, worauf die Regierungen noch warten. S'lbst der Abg. Dr. Müller- Meiningen als Richter hat, wenn nicht von Trotteln, so doch von einer leicht. sinnigen Schlamperei der Richter gesprochen. Täglich bekommen Hunderte von Jugendlichen Strafbefehle. Wann und wo will der Richter geprüft . ob der Jugendliche überhaupt die nötige Ginficht gehabt hat? Wir müssen feststellen, daß, während viele e Tig. mit eminent hohen Strafen belegt werden, diejenigen Arbeit geber, die im Widerspruch zu dem Gesetz Jugendliche über die zu. laͤffige Jelt hinaus beschüftigt haben, außerordentlich mil de peurtenlt werden. Das Schöffengericht in Kulmbach, dasselbe, das auch die Zeugnis⸗ zwangghaft anordnete, hat einen Unternehmer, der K taglich bon 7 biß 12 und hon 1 bis 6 Uhr gegen einen Wochenlohn von bis 7,50 M beschäftigt hatte, mit einer Geldstrafe von 6 4 belegt! Noch heute hofft wie sonst das Volk auf ein einheitliches Gesinde⸗ recht. Die Regierung ist seit Jahren immer mit Vorarbesten be⸗ chäftigt. Von dem Versprechen einer Strasprozeßreform kann man . Schier 30 Jahre bist du alt! Ich fürchte, j es noch das Schwabenalter von 40 Jahren erreichen wird. Die Iiffern, die uns über die Anwendung des Zeugniszwangsberfahrens gegen die Redakteure vom Staatssekretär gegeben sind, sind wenigstens um die Hälfte zu niedrig gewesen. Optimisten, haben geglaubt, daß auf diesem Gebiete es noch eine Malnlinte gäbe, aber nachdem man ung in Baden das Kilometerheft und neuerdingt auch den Simplicissimuß genommen hat, läßt man auch die Redakteure einsperren. Der Redner . auf den Fall Geck ein und den schon vom Abg. Dr. Müller⸗Meiningen erwähnten Fall des Redalteurs Schlegel, der, trotzdem er in derselben Sache ver' urteilt war, noch einmal in ö genommen wurde. Mit dem Belagerungsöustand kann jeder Csel regleren, ist einma gesagt worden; iwag der Belagerungszustand für die Polizei, das ift der Zeugnitzwang für die Gerichte. Dabei hat man dem einen Redakteur nicht einmal die Lektüre einer soꝛialdemokratischen Zeitung estattet, ja, man wollte ihn nicht nur zum Nichtsozial demzkraten, ö auch zum Nichtraucher erziehen, 2 in beiden Fällen bedurfte

es (st. einer Beschwwerde an den Justümminsster, um Abhilfe zu schaffen. Zwel Teilnehmer an der jängsten e ag r enommen

in oder bei Mannheim sind von der Poktzei in aft worden, der Dr. Friedeberg und ein gewiffer gacf f ein; auf

dem Wege zum Amtsgericht hat man den Dr. Friedeberg wie einen schweren Verbrecher gefesselt, man hat seinen Verkehr mit dem erteidiger erschwert, und schließlich hat man sogar gegen den Willen des Dr. Friedeberg und unter Androhung der An⸗ wendung körperlicher Gewalt ihn phötographiert! Dr. Frie eberg hat Beschwerde erhoben, aber jetzt will es keiner gewesen sein; es habe ch bloß um Poltzeimaßregeln gehandelt! Und das in einem Ge⸗ ängnis, wo ohne den Willen des Justizminsfters überhaupt nichts eschehen kann! Uebrigens haben die Polizeibehörden jüngst die rfahrung machen müssen, daß das Photographieren eine zwel⸗

neidige Waffe ist, indem auch einmal Poltzeispitzel gegen ihren

illen photographiert werden können. Als . dem Karfunkelstein Lektüre brachte, wurde die mit einer Aengstlichkeit geprüft, als ob zwischen den Blättern eine Bombe steckte. Ich will zum Schluß kommen (Heiterkeit rechts?... wenn Sie noch nicht genug haben, ich habe hier noch eine ziemliche Menge Material? (Der Redner halt einen Stoß Papiere und Drucksachen hoch.) Ich erkläre nur noch dem Staatssekretär; ich würde an feiner Stelle die Geduld nicht haben, hier jebes Jahr dleselben endlosen Klagen immer wieder anzuhören.

Hierauf schlägt Präsident Graf zu Stolberg die Ver⸗ tagung vor. Das Haus ist damit einverstanden.

Persönlich bemerkt der

Abg. Hei ne (Soz); Wenn der Abg. Graef meine Ausführungen mit Beleidigungen beantwortet, so beweist er nur, wie unrecht er mit seinen Widerlegungen hatte. Der Abg. Müller Meiningen hat wiederholt von meinen Angriffen gegen den Nichterstand gesprochen, bie ich in einer persönlichen Bemerkung eingeschränft hätte! Ich habe

leich bei Beginn meiner Ausführungen, weil ich die Verdrehungen enne, die man mit meinen Worten vornimmt, ausdrücklich darauf hingewiesen, in welchem Sinn und Umfange mein Vorwurf gelten solle. habe nichts eingeschränkt und habe auch nichts zurück zunehmen. Der Redner wendet fich dann gegen eine Ausführung des Staatssekretärs und bemerkt weiter, daß er die Akten des Nürnberger Falles nicht gehabt habe, fondern auf Grund der überein stimmenden Berichte der gesamten Presse sich hier geäußert habe. Was würde übrigens einem Arbeiter führer passteren, der einen Streilkbrecher nieder= 1 4. . räsident erklärt diese letzte Bemerkung für nicht mehr persöͤnlich.

Abg. Dr. Müll er-Meiningen (frs, Volley): Im Zeitalter der Telegraphie und Telephonte hätte der baherische Vertreter, denke ich, vom Sonnahend his heute nachmittag die Aten wohl requirleren könne! (Der Präsident erklärt auch diese Bemerkung für nicht persönlich) Wenn der Staatsfekretär meinte, ich spräche ihm gegenüber in einem schärferen Tone, als dem Abg. Heine gegen⸗ über, so liegt das nur an seiner größeren Empfindlichkeit. Troß der persönlichen Bemerkung deg Abg. Heine wird das Haus den Eindruck gewonnen haben, daß er mit einen Angriffen gegen den deutschen Richterstand generalissert hat.

g. Dr. Wag ner (kons.) bestrejtet, gesagt zu haben, der ganze deutsche Anwaltstand befände sich in einer sehr mißlichen Lage.

Abg. Graef (Wictsch. Vgg.) bemerkt, daß der Prästdent ihn zur Ordnung gerufen haben würde, wenn er den Abg. Heine beleidigt hätte, er, Redner, habe lediglich die beleldigenden Aus ührungen des Abg. Heine gegen den Richterstand zurückgewsesen.

Abg. Heine (Ses): Ich konstatiere, daß der Abg. Graef wieder behauptet hat, ich hätte den deutschen Richterstand beleidigt, obwohl ich die Unwahrheit dieser Behauptung bereits konstatiert habe.

Schluß nach 6i/ Uhr. gf Sitzung Dienstag 1 Uhr. (Fortsetzung der Beratung des Justizetats; ilitäretat.)

36. Sitzung vom 25. April 1907, Nachmittags 1 Uhr. (GBericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Tagesordnung: Fortsetzung der zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die . des Reichs⸗ haushaltsetats für das Rechnungsjahr 1507, und zwar: Etat für die Reichsjustizerwaltung“ und „Etats für die Verwaltung des Reichsheeres“ . ;

Ueber den Anfang ber Sitzung ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Abg. Kreth 6 kons.) fortfahrend: Durch die Sozialpolitik der anderen Parteien sind der Sohlaldemoktrgtie bei den Wahlen keine Stimmen abwendig gemacht; unsere Sozlaspolitfk ist an dem Rückgang der so i , fc, Stimmen ganz unschuldig. Wir treiben Sozial politik nicht aus opportunistischen Ansichten, fondern um bes Gewissens willen, um dem Schwachen zu helfen. Die agrarischen Wãählerschaften sind gewiß nicht in erster Int berufen, die Industrie zu vertret n; denngch bertreten ihre Anwälte die Sozialpolltik, weil es für ste ausschlaggebend ist, daß alle Berufgstände deg Landeg und Reiches prgsperieren. Der Rede des Abg. Heine müssen wir trotz des estrigen Plaidoyers des Abg. Dr. gran mildernde Umstände ver 6. Dem Abg. Heine spreche ich die bona Kdes auch meisnerseits nicht ab; meine Bob che gegen ihn sollen ihn weder persönlich noch seine bong fides treffen, sondern einzig und allein die Soʒzialdemo⸗ kratie. Ich werde eventuell 53 noch in persönlichen Bemerkungen betonen, daß ich ihn und die Sozialdemokraten gar nicht gemelnt babe. Nachdem ich mich so salbiert habe, gehe ich dazu über, mich mit einer Sonnabendrede etwas näher zu beschäftigen. Er prach von der oliseimillkür in bezug auf die lutzwefung augländischer Arbeiter die sich politisch oder wirtschaftlich mißliebig machen. Vie Fülle von Material, die ich als Bewels erwartete schrumpfte f nns elhhige elner Jail zusammen, moo dem iz. Hehn, ir hahms der betreffenden Auzme funggperfuügung gel ien mer, n, Le melfähn bann for her mie hlfse ns enten, w. Rechtsgewalt haben, können diefe Ziel nicht erreichen . Keine Spur eines Beweises ist! dafär erbracht worden in die Oeffentlichkeit und in den Reichstag steht in solchen doch den Anwälten dieser Arbeiter vollständig frei; trotzhem bieser eine Falll Aber es galt za auch nur, der Polizel eing autzuwischen oder unter die Jafe in relben· Der Vorwhär n, brachte einen Arfikel Die Klassenjustiz auf der Anklagebank · und unterschiebt uns auf der

echten zornige Ausbrüche gegen iber! dem, „vernichtenden Anklage. material. Taisache ift daß wir ung leb glich höchlich amüstert haben über die Aeußerung des Abg. Heine. Er spielte und hantterte wie ein Jongleur mit dem Begiff? der bonn! Kidz der Richter; er nannte dies etwas furchtbar Hi iges“, was sich jeden , einstelle, wo man es brauche. Der Richter . 2 ein Arheiter voc ihni stehe, nur noch mit getrlbtem Blich und einseitig, fo führte der Abg. Heine aus, und so ging es weiter; jebenfalls haben i mmer in dem Aug bit wo es nötig war, die richtigen juristischen Ueberzeugungen eingestellt. Den Richtern des Reichs gerichts hat der . eine ganz direkt den Vorwurf pe— wußter Fälschung gemach Die Begrünbung des betreffenden Urteils, meinte er, lese sich wie der Schriftsatz eines sch echten Winkelkonsulenten. Ich hofft, daß die Winkelkonsulenten Ker Abg.

ine je J zum Ehrenmitglied ernennen werben, wie einst die

anziger Sackträger den Fürsten Bismarck zum Ehrenmit liede ernannt

9 9 mnnten. Auf den Nürnberger Fall, das Paradepferd des Äbg. Heine, will ich

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