1908 / 86 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 09 Apr 1908 18:00:01 GMT) scan diff

mein en Der gl es auf den Kalibergbau autzudehnen; die Temperaturverhaältnisse in den Kalibergwerken seien vielfach nicht besser als im Steinkohlenbergbau, die Ventilation sei mitunter sogar noch schlechter, an jahlreichen Betriebspunkten herrsche eine Temperatur Kl 28 Grad Celstug.

Die Kommission beantragt Uebergang zur Tagezordnung.

Abg. Brust (Zentr. ; Die Petition geht von einem soßial⸗ demokratischen Verband guts; das kann uns aber nicht davon abhalten, sie obiektlv ju prüfen. Wir hatten schon bei der Beratung des Berg⸗ esetzes beantragt, das Gesetz auf alle Bergwerkebetriebe auszudehnen. * Antrag wurde abgelehnt und die Regierungevorlage sogar außerordentlich abgeschwächt. Wenn jetzt die PDetenten sich darauf beschränken, ju bitten, daß dieses so abgeschwächte 65 auf den Kalibergbau auggedehnt werde, so hätten wir gewünscht, da diese Petition zur Berücksichtigung überwiesen werde, Nach Lage der Rommifstongberhandlungen, besonders nachdem die Regierung erklärt hat, daß daz Berggesetz nach jwel Jahren nicht schon wieder abgeändert werden könne, halten wir es für aussichtslos, unseren Antrag guf Ueberwelssung zur Berücksichtigung zu wiederholen. Wir werden aber gegen den Kommisstongantrag stimmen.

Dag Haug beschließt nach dem Antrage der Kommission,

Der Beutsche Handwerkg⸗ und Gewerbekammertag in Hannober petltioniert I) um Erweiterung des Gesetzes vom 10. Juni 1874 dahin, daß unmittelbare Staatsbeamte, und zwar aktive sowohl wie pensionterte, nicht Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsratz von grwerbs⸗ und Wirtschafts⸗ genoffenschaften sein und nicht in Komiteeg zur Gründung solcher Genossenschaften eintreten dürfen, und 2) darum, daß sämt—⸗ liche Staatzbebörden angewiesen werden, den Kon sum⸗ vereinen und Konsumanstalten . an dem Grundsatze strengster Reutralität festzuhalten und eine amtliche Unter— 66 derartiger Veranstaltungen, sei es in sachlicher, sei es in persönlicher Hinsicht, zu unterlassen. ö

Das Haus beschließt nach dem Antrage der Kommission, über den ersten Teil der Petition zur Tagesordnung überzugehen, den zweiten der Staatgregterung zur Erwägung zu überweisen.

Das Präsidium der rheinischen Provinzialsynode in Hottenbach (Bez. Trier) bittet um Rückgabe der im Geltungsbereiche des französischen Rechtes am Ende des XVIII. und am Anfange des XIX. Jahrhunderts in staatlichen Gewahrsam ge⸗ nommenen Kirchenbücher an die betreffenden Kirchen⸗ ge meinden.

Die Kommission beantragt, die Petition der Staats regierung als Material zu überweisen.

Abg. Dr. Berndt (ul.) will dem Vorschlage der Ueberweisung als Material nicht widersprechen. Er tritt der Auffaffung entgegen, die in der Kommission gegen die Petition zum Ausdruck gekommen ist, und bittet die Regierung dringend, die Petition nochmals einer gründlichen und wohlwollenden Prüfung zu unterziehen. ;

Abg. Eickhoff (fr. Volksp.) weist darauf hin, daß gerade die bürgerlichen Gemeinden ein großes Interesse daran hätten, alles urkundliche Material jusammen zu haben, um es für geschichtliche Studien zur Verfügung stellen zu können. Die Stadt Remscheld

abe den Wunsch, die Kirchenbücher aus dem XVII. und XVIII. Jahr-

undert zu erhalten. Der Präsident des Landgerichts Elberfeld habe aber die gewünschte Rückgabe mit Rücksicht auf eine Verordnung vom 86 des XIX. Jahrhunderts abgelehnt. Diese Verordnung sollte aufgehoben werden.

as Haus beschließt nach dem Antrage der Kommission.

Der Bund deutscher Militäranwärter in Berlin petitioniert um Beseitigung der Arreststrafe für die unteren Beamten. Berichterstatter Abg. von Heyking beantragt, die Petition der Regierung zur Berücksichtigung zu überweisen.

Abg. Witz mann (al.) macht darauf aufmerksam, daß das Haus zu wiederholten Malen den Wunsch der Beseitigung dieser Arrest⸗ strafen ausgesprochen und daß bereits am 4. November 1904 die Re⸗ gierung eine Erwägung zugesagt hahe. Zu bedauern sei, daß jetzt in der Kommission die Regierung erklärt habe, sie könne im Interesse der Disziplin auf diese Strafe nicht ganz verzichten. Hoffentlich werde die Regierung dem Wunsche des Hauses nach einer darauf bezüglichen Gesetzesvorlage bald Folge geben.

Abg. Strosser (kons) unterstützt ebenfalls lebhaft den Antrag auf Berücksichtigung der Petition und erwähnt einen Fall, in dem ein Gendarm, der bis in sein hohes Alter keine Strafe erhalten batte, mit Arrest bestraft worden sei, weil er aus Versehen einen Offtzter nicht gegrüßt habe; das sei für den alten Beamten sehr schmerzlich gewesen.

Das Haus beschließt nach dem Kommissiongantrage.

In mehreren Petitionen wird die Neberweisung eines Hauses in Hanau an das Konsistortum oder an die Disjesanverbände gewünscht. Die Petitionskommission empfiehlt ici denselben Berichterstatter die Berücksichtigung auch diefer

etition.

Abg. Schiffer (ul) beantragt den Uebergang zur Tages⸗ ordnung, da die Angelegenheit noch nicht im Rechtsstreit endgültig entschieden sei; von jeher habe man sich in solchen Fällen der Ent⸗ scheidung enthalten.

Nachdem seitens der Regierung durch jwel Kommissare dieser Antrag unterstützt worden ist, wird auf Antrag des Abg. Dr. Arendt sfreikons.) die Petition an die Kommisston zurückverwiesen, da nach der Meinung des Antragstellers bei einem schwachbesetzten Hause der⸗ artige wichtige Beschlüsse nicht angebracht seien.

Der Lehrerverein zu Stettin petstioniert um Gleichlegung der Ferien in Orten mit verschiedenen Schulgattungen. Die Unterrihtskommisston beantragt Uebergang zur Tagezordnung.

Abg. Dr. Arendt freikons. );: Bie hat ihren Beschluß mit sehr großer Mehrheit gefaßt; gleichwohl muß ich dag Petstum als berechtigt anerkennen und den Beschluß der Kommisstion bedauern. Allerdings werden nicht die höheren Schulen und die Volksschulen in der Ferienordnung durchgängig gleich behandelt werden können, aber in Orten, wo beide Schuf⸗ gattungen vorhanden sind, sprechen doch erhebliche Zweckmäßigkeitg. gründe für die Gleichlegung der Ferien, nicht nur im Intereffe der Lehrer, sondern namentlich im Intereffe der Familien, die unter Umständen sehr benachteiligt werden, wenn die Ferien verschleden sind. Ich möchte wünschen, daß die Unterrichts berraltung die Sache

im Auge behält und wenigftens in den nicht fehr zahlreichen Srten,

wo belde Schulgattungen vorhanden sind, eine Gleichlegung der Ferlen herbeiführt. Ich beantrage, die Petition der Regierung als Materlal zu überweisen.

Abg. Cassel (rr. Velkzp.): Bei der Geschäftslage will ich mich namens meiner Freunde lediglich den Ausführungen des Vorrednerz anschließen; quch wir meinen, daß die Frage durch den Beschluß der Kommisston nicht erledigt ist, und ich beantrage, die Petstion der Regierung zur n n zu überweisen.

Abg. Dr. Berndt (nl macht darauf aufmerksam, daß die melsten Schüler der höheren Schulen aug der Volksschule hervor- gehen, was für die Berücksichtigung der Petition spreche.

Dag Haus beschließt nach dem Antrage deg Abg. Dr. Arendt die Ueberweisung als Material.

Eine Petition von Oberlehrern in Danzig um Aenderung der Bestim mungen über die Anrechnung der Hilfsrehrerzeit auf das Besoldungsdienstalter wird durch dle Erklärung des Regierungsbertreters in der Plenarsitzung om 25 Februgr 1905 über teilweise Anrechnung der Hilfslehrerzeit für erledigt erklärt.

Eine Petition von Magistratghuregugssistenten in Berlin, betreffend die Anstellungsverhältnisse der aug dem Militäranwärterstande hervorgegangenen Magistratg— bureauassistenten zu Berlin wird der Regierung zur Erwägung dahin überwiesen, ob nicht bei Verhandlungen mit der Stadt Berlin den Wünschen der Petenten entgegengekommen werden kann.

Eine Petttion des Zentralverbandes der Gemeindebeamten 6 eng zu Trier um Abänderung des Gesetzes, betreffend ie Anstellung und Verforgung der Komm unalbeamten, wird der Reglerung als Material überwiesen.

Unterrichts kommission

Eine Petition der Fischereigenossenschaft zu Nickelgwalde und der Fischer am Weich seldurchst ich um Verbesserung ihrer Er- werbzverhästnisse und Gewährung einer Unterstützung oder Entschädigung für infolge von Baggerung erlittene Verluste an Fischereinutzung und Fischereigeräten wird' aus Billig⸗ keitz gründen der Regierung zur Berücksichtigung überwiesen.

Eine Petition detz Verbandes der Fluß, und Seebadeanstalts besitzer Deutschlands in Berlin um Festfetzung der gleichen Be⸗ dingungen für die Einrichtung von Freibädern wie bei den Privatbadean stalten wird zur Erwägung überwiesen.

Ueber eine Petition des Tischlermeisters Münkeln in Frank⸗ furt g. M. um Aufhebung der Sicherheitsleistung bei Zwangs ver steigerungen von Grundstücken wird zur Tagegordnung übergegangen, ebenso über eine Petition des Verbandes deutscher Zigarrenladeninhaber in Altona um Besteue⸗ tung der Konsum⸗, Beam ten- und Offiztersvereine, fow le Verbot dez Vertriebs von Zigarren und anderen Tabar⸗ fabrikaten durch Stagts und Kom munalbeam te.

Eine Petition des Bürgermeisterg . D. Aßmann in Jena um gesetzliche Regelung der Unfallfürsorge für die Ge— meindebeam ten wird mit Rücksicht auf die in Aussicht stehende Vorlegung eines Reichsgesetzes als Material überwiesen.

Eine Petition des Zentralverbandes der Gemeindebeamten Preußens in Trier um Übschaffung der Arreststrafe für 9 w wird der Regierung zur Berücksichtigung überwiesen.

(Schluß des Blattes.)

Statistik und Volkswirtschaft.

Einkommensteuer⸗ Befreiungen und ⸗Frmäßigungen auf Grund der 19 und 20 des Einkommensteuerzgefetz ez jo? ).

Gemäß z 19 Absatz 1 des Einkommensteuergesetzes neuer Fassung, wonach den Steuerpflichtigen mit nicht mehr als 3050 6 CGinkommen für jedes Kind oder jeden anderen Familienangehörigen, dem sie auf Grund gesetzlicher Verpflichtung (658 1601 bis 1615 B. G⸗B3) Unterhalt gewähren, der Betrag von 50 Sc von dem an sich steuerpflichtigen Einkommen in Abzug zu bringen ist, sind im Steuer⸗ jahre 1907 325 470 Steuerpflichtige, und zwar in den Städten 140 598, auf dem Lande 184 872, von der Steuer freigestellt und 1359 757, und zwar in den Städten 737 649, auf dem Lande 622 148, auf eine niedrigere Steuerstufe herabgesetzt worden. Der hierdurch bedingte Ausfall an Steuer, welcher durch die Berück⸗ sichtigung von insgesamt 6379 863 Familtenangehörigen entstanden ist, beträgt 8 811 698 , insbesondere in den Städten 4512 334, auf dem Lande 4298 764 M½56. Dagegen wurden im vorange⸗ langenen Steuerjahre 1906 auf Grund des § 18 des Einkommen ee e alter Fassung, nach welchem bei den Steuerpflichtigen mit einem Einkommen von nicht mehr als 3090 für . Fa milienglied unter 14 Jahren 50 ½ vom steuerpflichtigen Ein⸗ kommen abgezogen wurden, 312 137 Steuerpflichtige, und zwar in den Städten 136 153, auf dem Lande 175 984, freigestellt und 1068 438, und zwar in den Städten 562 322, auf dem Lande o6 116, er⸗ mäßigt. Der hierdurch veranlaßte Steuerausfall betrug 6 705 009 6, ingbesondere in den Städten 3316058, auf dem Lande 3 388 951 6.

Ferner sind im Berichtsjahr gemäß § 19 Absatz 2 des Ein⸗ kommensteuergesetzes neuer Fassung, wonach auch bet Einkommen von mehr als 3000 ges, aber nicht mehr als 6500 S unter den im Absatz 1 4. a. D. gedachten Voraugsetzungen eine Ermäßi⸗ gung des Steuersatzes um eine Stufe bei Vorhandenfein von 3 oder 4, um zwei Stufen bei Vorhandensein von 5 oder mehr Kindern oder anderen Familienangehörigen zu gewähren ist, 70 406 Zensiten, und zwar in den Städten 48 450, auf dem Lande 21 g46, herabgesetzt worden. Der hiernach durch die erstmalige Berücksichtigung bon insgesamt 281 664 Familienangehörigen entstandene Steuerausfall beträgt 980 706 S6, insbesondere in den Städten 668 648, auf dem Lande 312058 6.

Vergleicht man das Ergebnis der Ermäßigungen und Frei—⸗ stellungen gemäß 5 18 des Einkommensteuergesetzes alter Faffung im Steuerjahre 1906 mit demjenigen gemäß z 15 des Einkommen steuergesetzeg neuer Fassung im Steuerjahre 1967, so zeigt sich, daß 1907 auf Grund des Absatzes 1“ des neuen § 19 allein 364 693 oder 22,1 v. H., hij geg auf Grund der Absätze 1 und 2 des neuen 5 19 jusammen 375 098 Steuerpflichtige oder 27, v. H. mehr freigestellt oder ermäßigt wurden als 196 nach dem alten 18 und daß 1907 der Steuerausfall infolge der Freistellungen und Ermaͤßigungen auf Grund des Absatzes 1“ des neuen 5 19 um 2 106 089 5, d. i. 314 v. H., auf Grund der Absätze 1 und 2 des neuen 519 zusammen hingegen um 3 086 795 S6, d. i. 46,090 v. H., großer war als 1905 unter der Geltung des alten 5 18. Während ferner in der Einkommenggruppe bis zu 3009 ½ 1965 auf je 100 Steuerpflichtige) 303, insbesondere in den Städten 25,2), auf dem Lande 3597, nach dem alten § 18 Frelgestellte oder Ermäßigte und auf 1e 100 : der veranlagten Steuer 11,1, in den Städten 8, 4, auf dem Lande 161 . Steuerausfall kamen, stellten sich 1907 die ent- sprechenden Verhältnisziffern auf 32,5 bezw. 27,5 und 40,7 gemäß Absatz 1 des neuen 5 19 Freigestellte oder Ermäßigte und auf 12365 bejw. A4 und 16,9 6 Steuerausfall. Inzbefondere auf Grund der neuen Bestimmung des § 19 Abfatz 2 a. 4. O. wurden von je 100 der Gesamtzahl der Steuerpflichtigen mit Einkommen von über 3000 bis 6509 9 18,2, und zwar in den Städten 16,8, auf dem Lande 226, Zensiten ermäßigt und fielen auf je 100 6 der Steuersumme dieser Ginkommenggruppe 2, bezw. 25 und 3,7 M aug.

Gemäß §z 20 des Einkommensteuergesetzez neuer (bezw. Fz 19 alter) Fassung, wonach die Berücksichtigung befonderer, die Leistungsfähigkett der Steuerpflichtigen wesentlich beeinträchtigen der wirtschaftlicher Verhältnisse bel einem steuerpflichtigen Einkommen bis zu 9509 „6 gestattet ist, sind im Steuerjahr 1907 25 708 (im Vor- jahre 27 652) Zensiten, und zwar in den Städten 14780 666 auf dem Lande 16 928 (11 595), freigestellt und 162 311 (156 636), und, zwar in den Städten job 573 (987 076), auf dem Lande 61 738 (59 450), ermäßigt worden. Der dadurch veranlaßte Ausfall an Steuer, beträgt 1352 531 (1434 890) 6, ingbesondere in den Städten 873 347 (948 999), auf dem Lande 459 184 (485 891) 6. Die Zahl der auf Grund des 8 26 (beiw. 19) des Cin kommen feuer gesetzes durch Freistellung oder Ermäßlgung insgesamt Berücsichtigten ist hiernach bon 1906 auf 1907 zwar von 184 188 auf 188 olg oder um 21 v. H. also nicht erheblich gestiegen, im Ver- hältnisse zur Gesamtzahl der Zensiten mit Einkommen big zu 609 S2) indes von 37 auf 3,3 v. H. der Angehörigen dieser Einkommensgruppe zurückgegangen; der Steueraufall ist sowohl absolut wie auch im Verhältniffe zu der in der Zensttenklaffe mit Einkommen bis ju 96500 Ss veranlagten Steuersumme, nämlich von 1,3 auf 1,1 v. H. der letzteren, gesunken. Der im einzelnen wahr- nehmbare Rückgang der Jahl der Frelgestellten und die gegen früher geringere Zunahme der Ermäßlgungen dürften lediglich darauf zurück= uführen fein, daß vielfach Steuerpflichtige, welche früher auf Grund des alten 8 19 des Gesetzes nach dem Grmessen der Steuerbehörde bon der Steuer befreit oder im Steuersatze ermäßigt wurden, * schon gemäß dem erweiterten neuen 5 19 des Gesetzes Steuerfrei oder Herabfetzung genießen. (Stat. Korr.

) Vergl. Nr. 71 des Reichs und Staatgzanzeigers? vom . . 1 36 si Eink st veranlagt oder auf Grund el es, daß sie zur Einkommensteuer der 8 19 oder h (früher 18 oder 19) des Ginkommensteuer⸗ gesetzes freigestellt sind.

Zur Arbeiterbewegung.

In der deutschen Holzindustrie kann der Friede als ge⸗ sichert gelten. Das Schiedsgericht in Leipzig (ogl. Nr. 34 d. Bl), das über die noch strittigen örtlichen Fragen entscheiden sollte, hat seine Beratungen nach dreitägigen Verhandlungen für beendet er⸗ klärt. Diese leitete bekanntlich der frühere Handelsminister Freiherr von Berlepsch, und seiner umsichligen Leitung soll es zu danken sein, daß es gelang, beide Parteien zu weiterem Entgegenkommen zu ver—⸗ anlassen. Ueber folgende Städte: Stuttgart, Caf sel, Chemnitz, Stralsund, Jena, Eisenach, Elbing, Posen, Elberfeld, , a. M., Forst i. L., Herford, Zoppot, Darm⸗ tadt, Essen, Detmold, Neu münster, Luckenwalde, Osnabrück, Wiesbaden, Magdeburg und Potsdam wurde ein Schiedgspruch gefällt. Beide Parteien erklärten sich mit den Schledssprüchen einverstanden und sagten zu, ihren Einfluß aufzu— bieten, damit auch ihre Organisationen diese Schiedzsprüche als bindend anerkennen.

Der Ausstand in der Akkumulatorenfabrik in Ober⸗ Schöneweide bei Berlin (o9gl. Nr. 79 d. Bl.) wird, der „Post“ zufolge, voraussichtlich mit dem heutigen Tage für beendet erklärt werden. Die Pirektion hat eine Bekanntmachung erlassen, wonach sie von den bisherigen Arbeitern 160 Leute welter beschäftigen will. Wer bis gestern vormittag die Arbelt nicht wieder aufgenommen hatte, gilt als entlassen. Als ö für die Streikenden werden Arbeitskraͤfte vom Verband der gelben Arbeitervereine bejogen. Ein Teil hat schon Plätze, die bisher die Ausständigen innehatten, eingenommen.

Der Ausstand der Damenschneider bet der Firma Heuer u. Schön in Frankfurt a. M. (vgl. Nr. 84 d. Bl.) ist, wie die Köln. Ztg. berichtet, durch Entgegenkommen der Arbeitgeber beendet worden. Dagegen haben die Schnelder von der Firma Lohn jun. wegen Lohnstreltigkelten die Arbeit niedergelegt.

Zu Beginn der vorgestern in Essen gepflogenen Verhand lungen zur Herbeiführung eines Kollektivarbeitgver⸗ trags für dag Baugewerbe in Rheinland und West falen (ͤopgl. Nr. 85 d. Bl) erklärten, wie die Rh. Westf. Ztg. be⸗ richtet, die Vertreter der Arbeitnehmer, daß ein Vertrag ohne Lohnerhöhung für sie ungnnehmbar sei. Die Arbeitgeber gaben darauf die Erklärung ab, daß ohne Erledigung der Lohnfrage dem Vertrage nicht zugestlumt werden könne. Im Übrigen fei im Sinne der Beschlüsse der Berliner Einigung kommisston in die Ver⸗ handlungen einzutreten. Die Versammlung wählte eine Komifsion, die die für das Vertragsgebiet in Frage kommenden prinzipiellen Einzelheiten festzusetzen hat.

Wie in elner zahlreich besuchten Versammlung der Faß- und Flaschenbierarbeiter Leipzigs (gl. Nr. 78 d. Bl.) berichtet wurde, hat die Organisation der Arbeitgeber, der Braueresberein, die Forderungen der Arbeitnehmer abgelebnt und alle weiteren Ver⸗ handlungen über die Regelung der Lohn. und Arbeltsverhältnfffe durch einen einheitlichen Tarif davon abhängig gemacht, daß die Arbeitnehmer auf den Haustrunk verzichten. Als Entschädigung wird eine Lohnzulage von 3 S wöchentlich angeboten; auch sind die Prinzspale einer später noch zu vereinbarenden Lohnerhöhung nicht abgeneigt. Die Versammlung beschloß, das Anerbieten der Prinzipale anzunehmen und auf den Haugtrunk zu berzichten. In einer Resolution gab sie jedoch ihrem Bedauern darüber Ausdruck, daß die Prinziwale nicht mehr bewilligen wollen, und beauftragte die Lohnkommssston, alles daranzusetzen, um noch weitere Zugeständnisse im Sinne der auf⸗

gestellten Forderungen zu erzielen.

Die Mannheimer Holzindustriellen haben die Arbeiter aufgefordert, nach dem alten Tarif weiter zu arbeiten, und für den Fall der Ablehnung die Kündigung ausgesprochen. (Vgl. Nr. 84 d. Bl.)

Aus Antwerpen wird der Köln. Ztg.“ telegraphiert: Die Diamantarbeiter⸗Gilde sucht mit allen Mitteln dem vom Diamantarbeiterbund (vgl. Nr. 81 d. Bl) verhängten allgemeinen Ausstand entgegenzuarbelten. In Antwerpen arbeiken gegenwärtig 150 Mann der Gilde, außerdem arbeiten die Mitglieder der Gilde in den kleinen Werkstätten zu Berchem bei Antwerpen. Die Gilde befürchtet daß bel einer Durchführung des Generalstreiks die Industrie ein ach von dem Zentrum Antwerpen wegwandern würde. Der Diamant⸗ arbeiterbund stellt überall Streikposten auf und läßt in den Fabrtken der Umgegend kontrollieren, ob dort gearbeitet werde.

gunst und Wissenschaft.

Der Geheime Regierungsrat, Professor Dr. Loeschcke in Bonn ist statutenmäßig aus der Zentraldirektton des Kaiserlichen archäo⸗ logischen Instituts und damit auch aus der Römisch Germanischen Kommission ausgeschieden. An seiner Stelle ist Professor Dr. 1 in Freiburg in die Zentraldirektion und Professor Dr⸗

onze in Berlin in die Römisch⸗Germanische Kommission einge⸗ treten.

Ein Kurs über Familienforschung und Vererbungs⸗ lehre wird in Gießen vom 3.—6. August 1908 auf Anregung von Professor Sommer abgehalten. Es soll dabei die angeborene Anlage und ihre Bedeutung für das Gebiet der . der Medizin im allgemeinen und der Psychlatrie im besonderen, ferner der Pädagoglk mik Berücksichtigung des angeborenen Schwachsinnes sowie der Kriminalpfychologie dargestellt werden. Der Kurs ist daher in erster Linie für Aerzte, spezlell Irrenärzte, Lehrer, besonders an Hilfs⸗ schulen und Idtotenanstalten, Juristen, die mit dem Strafverfahren zu tun haben, und Geistliche bestimmt, sodann für alle sonstigen Ge⸗ bildeten, welche die Bedeutung der angeborenen Anlage, der Ab⸗ stammung und amilie erkannt haben. Das. Studium der angeborenen nlage führt zur Familienforschung. Bei dieser müssen einerfeits die Genealogie, andererselts die naturwissenschaftlichen Erfahrungen im Gebiet der körper⸗ lichen Medizin, der Entwicklungsgeschichte sowie der Botanik und

ologie berücksichtigt werden. Es werden vortragen: Professor Dr.

ommer und Professor Dr. Dannemann in Gießen: Die an⸗ geborene Anlage im Gebiet der Psychologie, Pfychlatrie, Pädagogik (in bezug auf den angeborenen Schwachsinn) und Kriminalp 255 Dr. Kekule von Stradonitz, Groß-⸗Lichterfelde bet Berlin: Grundbegriffe und Methoden der Genealogie. Dr. Strahl, Professor der Anatomie in Gießen: Die Kelmzellen und ihre Ent⸗ wicklung. Dr. Han fen, Professor der Botanik in Gießen: Ueber Variation, Vererbung und Artenbildung bei den Pflanzen. Dr. Martin, Professor der Veterinäranakomie in Gießen: Die Ent- wicklung und Züchtung von Tierarten. Vorläufige Anmeldungen ohne bindende Verpflichtung können an Professor Dr. Dannemann, Gießen, Klinik für psychische und nervöse Krankheiten, gerichtet werden. Zur Deckung der Kosten, Vortragshonorare ufw. wird eine Gebühr don 20 S6 erhoben.

Literatur.

Die Volksschule Preußens in ihrem Verhältnis zu Staat und Kirche nach Erlaß des Volksschulunterhaltungs⸗ esetzes vom 28. Juli 1906. Mit dem Text dieses Gesetzes und den serzu erlassenen Ausführungsanweisungen. En f nl e Darftellung von Dr. V. Rintelen, Geheimem Oberjustizrat, itglied des preußischen Abgeordnetenhauses. (Verlag von Hermann Behr, Berlin. 5,50 SÆ.) Nachdem das Volksschulunterhaltungsgesetz am 1. d. M. in Kraft getreten ist, wird das vorliegende Buch, das eine zuperlässige Einführung in den neuen Stand der Dinge auf dem behandelten Gebiete gibt, jedenfalls in den beteiligten Kreisen willkommen geheißen werden. Der erste Teil bringt die gesetzlichen Bestimmungen und grundsätzlich wichtigen Anordnungen der ohersten Verwaltungz⸗ behörden, betreffend das Schulwesen, sowohl für das landrechtliche Gebiet ber Monarchie, als auch ö. die einjelnen älteren und nen⸗ erworbenen Provinzen, gesondert nach Perioden. Der jweite Teil be⸗ handelt nach elner kurzen Betrachtung der historischen Entwicklung den gegenwärtigen Rechtsjustand.