1910 / 43 p. 11 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 19 Feb 1910 18:00:01 GMT) scan diff

Was nun unsere Landwirtschaft betrifft, so liegt auch hier ein heblicher Teil der Erfolge, auf die wir zurückblicken dürfen, nicht direlt in der Tätigkeit des Reichs, sondern zu einem erheblichen Teile in der Fürsorge der Bundesstaaten. Aber auch das Reich hat mit seiner Zollpolitik und mit seinen sonstigen wirtschaftlichen Maß⸗ nahmen stets mit vollem Verständnis für die Landwirtschaft gearbeitet; und wenn wir heute sagen dürfen, daß diese 25 Jahre des Kampfes der Landwirtschaft und für die Landwirtschaft zu einem gewissen Ab— schluß geführt haben, so müssen wir uns dabei folgendes gegenwärtig halten. Wir müssen uns gegenwärtig halten, daß am meisten zu diesen Erfolgen beigetragen hat die entschlossene Arbeit der Landwirte,

er Landwirte im einzelnen und der Landwirte im großen, in ihren ertretungen; und wir dürfen nicht vergessen, daß wir dieser entschlossenen Arbeit unserer Landwirtschaft und der stützenden und helfenden Tätigkeit der Bundesstaaten und des Reichs eine Summe von materiellen und sittlichen Werten verdanken, die preiszugeben wir nicht in der Lage sind, ohne unser olksleben schweren Gefahren auszusetzen. (Sehr wahr! rechts.) Vir werden also, selbst wenn wir anerkennen müssen, daß die Sorge, ie wir vor 15 und 20 Jahren um die Zukunft unserer Landwirtschaft hatten, heute nicht mehr auf unt lastet, doch niemals vergessen dürfen, duß hier Werte liegen, die zu verderben das deutsche Volk sich nicht ctkihnen soll. (Bravo! rechts und in der Mitte. Lachen bei den ozialdemokraten.)

. Und nun komme ich zur Industrie und zum Handel. In dem aer blick, als Ende der 70er Jahre unsere Eisen⸗ und unsere Textil⸗ ö als schwer notleidend die Hilfe des Reichs in Anspruch 2 . und den Anstoß zu der Zoll- und Wirtschaftspolitit gaben, ust 6. heute noch folgen, hat man nicht geahnt, daß sich unsere In⸗ . in so kurzer Zeit zu einer Weltmacht entwickeln würde, wie ir sie heute vor uns sehen. Aber ich habe den Eindruck, daß diese gli ende Entwicklung bis auf einen gewissen Punkt uns allen den Blick getrübt hat für die Schwierigkeiten, mit denen unsere Industrie hon seit langem zu kämpfen gehabt hat, und den Blick getrübt hat fin die Gefahren, die aus der Eigenart unserer Entwicklung für die Zukunft unserer Industrie und des damit unmittelbar zusammenhängenden andels entstehen. Hier liegen die Ansätze zu einer ganzen Reihe . uer Probleme. Ich halte es nicht für einen Zufall, nicht lediglich für eine Folge der augenblicklichen geschäftlichen Dispositionen dieses ohen Hauseg, wenn der verehrte Redner aus der Mitte dieses Dauses, der vor mir gesprochen hat, mit einer großen handels⸗ politischen Rede die Debatte zum Etat des Reichtsamts des Innern eröffnet hat. Wir werden uns darüber im klaren sein müssen, daß umsere Industrie und und unser Handel zwar auch gewaltige Werte Ischaffen haben und sich eines finanziellen Glanzes ihrer Entwicklung keuen können, daß aber gerade hier ein sorgendes Auge darüber achen muß, daß diese stolze Entwicklung, welche die Grundlage zum eil für unsere Kriegsbereitschaft auf wirtschaftlichem und auf militärischem Gebiete ist, und von deren Aufrechterhaltung und rrtführung das Leben von Millionen von Arbeitern abhängt, keinen Schaden leidet. (Sehr gut) Es wird also unser aller Bestreben sein müssen, auf allen Gebieten, die wir hier zu bearbeiten haben, ernstlich zu fragen, welche Einwirkung unsere Entschlüsse auf die Zukunft unserer Industrie haben werden. (Sehr gut!)

Nun, meine Herren, werden Sie mir sagen: ja, das ist sehr schon, daß vom Vertreter des Reichsamts des Innern alle diese Aus⸗ sichten hier eröffnet sind, jeder hat etwas bekommen lsehr richtig! bei den Sozialdemokraten), aber in Wirklichkeit schneiden sich diese Auf— gaben, und sie werden nebeneinander von einem einzelnen nicht gelöst werden können. Das ist zweifellos richtig; aber Sie dürfen auch nicht dergessen, daß keine von den Parteien dieses hohen Hauses, die sich m einzelnen für diese Fragen interessieren, in der dage sein würde, dllin auf diesem Gebiete etwas durchzusetzen oder allein auf diesem

ebiete etwas zu verhindern. Sie werden auch, wenn Sie kann Sie ja darum bitten unbefangen die Tätigkeit

er verbündeten Regierungen und speziell meiner Vorgänger m Amte betrachten, mir zugeben, daß hier auf allen diesen Gebieten dine gewisse Stetigkeit des Fortschreitens festzustellen gewesen ist. wies ist dem Umstande zu verdanken, daß die verbündeten Regierungen . ihrer verfassungsmäßigen Stellung und der damit gegebenen Pflicht ets bewußt gewesen sind, die Gesamtheit der dem Reiche gegebenen usgaben mit Ihnen zufammen zu lösen und in ernsten, ruhiger 1 die bei Ihnen häufig divergierenden Wünsche und Neigungen 6 wieder zusammenzufassen auf das eine Ziel einer gesunden, vi, und gleichmäßigen Entwicklung derwirtschaftlichen . inner; ö. 6. Verhältnisse des deutschen Vaterlandes. . rechts.) gänger dtren, ich werde bestrebt sein, diese Wege, die meine Amts vor⸗ all en , sind, weiter zu wandeln; ich werde bemüht sein, auf Gebieten, die ich hier gestreift habe, ö 9 allen

zufi Hauses zu gemeinschaftlicher Arbeit zulammen— 1 Ich kann das elt nur, wenn auch von Ihrer Seite urses ännt wird, daß die Stetigkeit unseres gesamten politischen und da einem guten Teil abhängt von der Stärke der Regierung, unserer . der an einer konstanten und sicheren Entwicklung . erhaltnisse interessiert ist, nicht an den verfassungsmäßigen

3. gen rühren sollte, auf denen diese Stärke beruht. Ich . a die . don allen Seiten den verbündeten Regierungen übera Neuerun ithilfe nicht versagt wird, wo sie sich entschlossen haben, yolitis . zu fordern, die sie für notwendig halten, nicht um innere ‚. heorien in die Praxis umzusetzen, sondern um unserer

n politischen Entwicklung diejenige Stetigkeit zu geben, die uns stören 3. zu Neuem führt, ohne materielle und ideelle Werte zu zer— pfl hte le wir von der Vergangenheit überkommen haben und ver⸗ sind sind, lebendig zu erhalten, solange sie am Leben zu halten GEebhafter Beifall rechts und in der Mitte)

nt el'gs Pauli Potedam (dkons.: Für die Darlegung seines Stand⸗ 9 ö kölmnen wir dem Staatssekretär nur Dank sagen, besonders lite Interesse, das er dem Mittelstande entgegenbringt. Die Ind standsfragen sind darum am schwierigsten zu lösen, weil dadurch dürfen rwerbsgruppen, oben und unten, berührt werden; aber wir daß j uns des guten Willens der Regierung freuen und glauben, Soze uch der Weg zur Lösung dieser Fragen finden wird. In der n glitt haben wir Deutsche, ja viel erreicht; wir Deutsche Rull, tolz sein, daß wir hier mehr erreicht haben wie jedes andere archi , und wir haben es erreicht in dem Staate mit mon i Spitze, während andere, demokrgtisch regierte Länder weit zu egen, 5 die Kluft zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer geld hpücken nicht gelungen i hat nicht an den Unternehmern ge—⸗ Rang ben luf das handelspolitische Gebiet folge ich dem Abg. Mayer⸗ ren nicht. Der Hanfabund vertritt die Interessen des Hand⸗

werks nicht. Von ihm können wir die rettende Hand nicht annehmen. Der will uns nicht retten, er will uns einschläfern. Das Geld hat er ja, aber nicht die Leute; die Handwerker werden ihm nicht die Armee . die er gern kommandieren möchte. Ein Teil der Wünsche des Handwerks ist erfüllt worden, aber nur ein kleiner. Die Interessenvertretung des Handwerks muß gekräftigt werden; das andwerkerrecht muß gefördert werden durch die allerdings schwierige charfe Scheidung der Begriffe Fabrik und Handwerk, die tig des Drängens des Hauses noch immer nicht zu erreichen gewesen ist. Die Innungen und die Handwerkskammern können ihre Aufgabe, erzieherisch . das Handwerk zu wirken, nicht erfüllen, solange die Gefahr besteht, daß die einigermaßen erstarkten Handwerks⸗ betriebe dem Handwerk entzogen und als Fabriken behandelt werden, Die Scheidungslinie muß möglichst nach oben gezogen werden, damit auch die größeren Betriebe, die sich als Handwerk charakterisieren, dem Handwerk verbleiben. Ein Kriterium für den handwerks⸗ mäßigen Betrieb ist das, daß die Arbeit von Anfang bis zu Ende in dem Betriebe, gleichviel ob er mit maschinellen Hilfsmitteln arbeitet oder nicht, fertig gestellt wird, daß keine Halbfabrikate geschaffen werden. Die Regierung hat uns in einer Denkschrift gesagt, die Frage könne nicht generell, sondern müsse von Fall zu 9 gelöst werden; aber auch dafür müssen doch den unteren Verwaltungs- behörden gewisse generelle Merkmale an die, Hand gegeben werden. Die Handwerker müssen in das Handelsregister . werden können, soweit sie nebenbei auch kaufmännisch sich betätigen und dadurch handelskammerbeitragspflichtig werden, aber auch nur dann; zurzeit besteht hier eine sehr ungngenehme. RNechtsunsicher= heit. Die Tarifverträge zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer⸗ Srganisationen halte ich für gut und segentreich. Leider hat sich die Tarifgemeinschaft sehr ausgedehnt und auch Ausiwüchse gezeitigt, indem in den meisten Fällen bei Ablauh der Tarife sie gekündigt werden, und zwar fast immer seitens der Arbeitnehmer. Das bringt sehr viel UÜngelegenheiten mit sich; für die langwierigen, unendlichen Ver⸗ handlungen, wie sie jetzt seit Nobember in der Holzindustrie schweben, hat der Ünternehmer schon gar nicht die Zeit. Schließlich kommt man doch zu der Erkenntnis, daß guf die Dauer es doch möglich sein wird, mit. den Arbheitererganisationen verkräge abzuschließen. Ruhe soll für die Dauer des trages eintreten, also im . für drei Jahre; ein' halbes Jahr vorher fängt doch schon die Bewegung wieder an, und ist in Wahrheit doch von Ruhe nicht recht die Rede. Bei den Verhandlungen kommt es den Arbeitern und ihren Vertretern auch nicht so sehr auf den Lohn, als auf die Verkürzung der Arbeitszeit an. Mit aller Gewalt, wird auf die er der Arbeitszeit hin⸗ edrängt. Die , halten in den nicht gesund⸗ , liche, Betrieben eine Arbeitszeit von 9 Stunden in den größeren Städten für nicht zu lang und werden und müssen sich egen deren Verkürzung wehren, weil sie sonst nicht mehr konkurrenzfähig Il rn würden. Im Gebiete der Arbeitsnachweise sind ja Miß⸗ stände vorhanden; aber mit dem pParitätischen Arbeitsnachweis ist die Frage nicht gelöst. In der Holzindustrie haben wir mit Len paritätischen Arbeitsnachweisen, die trübsten Erfahrungen gemacht; auch hier liegt die Schwierigkeit meistens darin, daß der Arbeitgeber keine Zeit hat. In manchen paritätischen Arbeitsnachweisen wird die Arbeit nicht nach der Reihenfolge der Meldungen, sondern nach der Zugehörigkeit zur Organisatkon oder zur Partei

nicht Tarif⸗ Ver⸗ aber

bergeben. Besser wird es erst. werden, wenn man die Kommunen ermächtigt oder er te Arbeitsnachweise ein⸗ zurichten. In Potsdam haben wir solchen Nachweis, den boykottieren

aber die Arbeiter, ohne zu bedenken, daß da auch die Arbeitgeber nichts drein zu reden haben. Der Abg. Naumann sollte einmal ein Jahr hindurch einen Betrieb von 206 Mann auf sein Risiko und seine Rechnung führen, dann würde ihm die rauhe Praxis ein anderes Bild von den Verhältnissen beibringen, als seine . Theorie über den Arbeitsnachweis; aber leider wird er sich hüten, diese Probe aufs Exempel zu machen. Die Handwerkskammern haben sich durchaus bewährt. Natürlich kommen auch in diesem neuen Institut Reibungen und Unstimmigkeiten vor. In Wiesbaden hat ein Hand⸗ werkskammersekretär gegen den Vorsitzenden agitiert und dabei leider auch die Unt rstitzug des Staatskommissars erfahren; das dürfte nicht vorkommen. en Wunsch des Handwerks und der, Berufs genossenschaften in bezug auf die Abänderung des 8 34 des Gewerbe⸗ unfallpersicherungsgesetzes wegen des Reservefonds kann ich nur wiederum unterstreichen. Auf dem Gebiete der . sollte die Regierung doch endlich einmal ernstlich einschreiten, um die Schäden zu beseitigen, die dem Handwerk daraus erwachsen. . Abg. Fis her Berlin Soz: : Die Rede des Staatssekretärs zeigt eine gewisse Homogenität mit dem Reichskanzler, namentlich in seinen phikosophischen Üusführungen. Er hätte diese Rede ebenso ut bei einem Festessen halten können, nur nicht beim an le, Nell ch war es die erste Strafe, die ihn traf, daß der Abg, Pauli sagte, wenn er an der Stelle des Staatssekretärs stünde, so hätte er genau so gesprochen. Die Rede des Staatssekretärs kam im Grunde darauf hinaus; es bleibt alles beim alten. Was er sobialistisch genannt hat, ist etwas, was wir kapitalistisch nennen. Er sprach von der zunehmenden Industrialisierung, Ganz richtig. Aber wenn Deutschland auf dem Wege ist, aus einem Agrarstaat ein Industrie. staat zu werden, wie kann der Staatssekretär dann sagen, daß dieselben Grundlinien für uns maßgebend sind, die zu der Zeit des Agrarstaats maßgebend waren? Er sagte, das. kleine Handwerk, der wichtigfte Stand, werde zerrieben. Diese Entwicklung ist unvermeldlich, das liegt im Wesen der Industrie. Der Staats. fekretär sprach auch von der Industrie. Mir scheint das eine Art Entschuldigung vor der Landwirtschaft, zu sein. Der Staatssekretär wird wohl genötigt sein, seinen philosophischen Erkurs, zu kem⸗ mentieren, wie es der Reichskanzler gegenüber den süddeutschen Staaten getan hat. Von der Arbeiterklasse hat der Stagtssekretär fein Work gesprochen, und von der Stellung, die die neue Regierung gegenüber den Forderungen der Arbeiterklasse einnimmt. Gewiß, er sprach von der liefen Kluft, die sich zwischen den verschiedenen Klassen aufgetan hat. Hat die preußische Regierung nicht Schuld daran? Maßgebend war für die Regierung ihr Verhältnis zum Zentral— verband deutscher Industrieller. War dessen Verhalten ein gutes, so trat ein Stillstand in der sozialen Reform ein, und umgekehrt. In der letzten Jeit hat der Jentralterband einen Dr. Bartels in das Reichsverficherungsamt, in die Firma, wie es heißt, hineingebracht. Die Regierung treibt jetzt in der Sozialpolitit eine gewisse Weiße⸗Salben⸗ Politik. Als Staatssekretär sprach der Reichskanzler bon Bethmann bei einem Feftefsen des Zentralberbandes nicht, wie auf dem Arheiter= kongreß 1905 bon Goktesfurcht usw., sondern er bekannte sich als einen Kameraden. Als der Graf Posadowsky sein Amt antrat, sprach er fo weltfremd, wie der Staatssekretär Delbrück; aber er meinte es ernst mit seinem Amt und trieb eine ernste Sozialreform, darum mußte er dem Drucke des Jentralverbandes weichen. Er stellte sich uf einen Fatriarchalischen Standpunkt den Arbeitern gegenüber, sein Nachfolger auf einen militärischen. Ruhe soll herrschen, das ist die jetzige Parole. Darum wird auch ein Reichsberggesetz nicht vorgelegt, und ebensowenig die geheime Wahl bei der Wahl der Knappschafts—⸗ ältesten. Der Zentralverband will das nicht. Dabei hatte der Handelsminister im Preußischen Abgeordnetenhause diese geheime Wahl selber empfohlen. Ohne J ist auch die Juziehung der Arbeiterkontrolleure und Gewerbeinspektoren abgelehnt worden in den Gntschließungen des Bundesrats zu den Beschlüssen des Reichstages. Warum ist die Zuziehung von Aerzten und Gewerheinspektoren ab gelehnt worden? Auch hier ist Preußen das Hemmnis; man hat sich auf Zuständigkeitsbedenken. zurückgezogen. Von einem solchen Staate kann man allerdings politische Kultur und Erziehung nicht verlangen. Es sind auch ledi lich fadenscheinige Gründe, die man gegen die Arbeiterkontrolle erhebt. Weniger Vertrguen sollen die Arbeiter⸗ kontrolleure genießen als die akademisch gebildeten Beamten! Dies fordert geradezu den Spott heraus, den Protest aber, wenn gesagt wird, man könne Sozialdemokraten nicht zulassen; denn vor dem Gesetz sind alle Bürger gleich, auch, vor der Regierung in einem Kulturstaat, und . will doch ein Kulturstaat sein. Die Regie⸗ rung biegt und beugt sich ja vor dem Zentrum. Ich mache ihr daraus

keinen Vorwurf und hoffe, daß die Zeit kommen wird, wo wir dieselbe herrschende Stellung einnehmen. Warum übt das Zentrum nicht seinen Einfluß zugunsten dieser Forderung aus? Wir unserseits wollen die Welt so gestalten, daß Sie es im Himmel gar nicht hesser finden, Für so kurzsichtig und, verblendet halte ich die preußische Regierung nicht, daß sie jene Gründe für die Ablehnung der Arbeiterkontrolleure für richtig hält. Sie könnten ja gar keinen Krieg führen, wenn wir wirklich die vagterlandslosen Gesellen wären, als welche man uns beschimpft. Ohne, uns können Sie überhaupt keine Politik machen. Auch die Parteien werden in dieser Beziehung umlernen und sich daran gewöhnen müssen, in den Sozialdemokraten die gleichberech= tigten Mitbürger anzuerkennen. Wir sitzen in den Landtagen und in Tausenden von Stadtparlamenten, und da wollen Sie uns . kleinlichen Quisquilien von der Kontrolle., bei der Gwerbeeaufsicht fernhalten. Das Zentrum hat im bayerischen Landtage dem Minister von Podewilz vorgeworfen, er begünstige die Sozialdemokratie, weil er gesagt hat, sie habe auf sozialem Gebiete manche dankens= werte Anregung gegeben. Der Zentrumsabgeordnete Professor Reel hatte früher der Sozialdemokratie Gerechtigkeit widerfahren lassen, insofern sie das Zentrum auf den Weg der Sozialreform ge⸗ drängt habe. In bezug auf die Zulassung von Sozialdemokraten zur Arbeiterkontrolle und, anderen Aufgaben ist die bayerische Regierung nicht so engherzig, wie die preußische, und doch hat man nie gehört, daß dadurch die Existenz des Staates gefährdet werden würde. Die Gewerbeinspektoren sind schon so gezogen, daß die Arbeitgeber von ihnen nicht viel zu befürchten aben. Das enügt aber den Unternehmern nicht. Der befannte Agitator des Scharfmacher verbandes Bueck hat in einer Eingabe an den Handelsminister

die Stirn gehabt, dem Reichstag unterzulegen, daß er die Verkürzung der Arbeitszeit in den Hüttenwerken nicht aus sachlichen Gründen, sondern nur aus Spekulgtion auf die Gunst, der Massen unterstützt habe. Der Handelsminister hat dieser niedrigen Verdächtigung und Verleumdung nicht die Antwort gegeben, die der Reichskanzler der be⸗ kannten Eingabe des Alldeutschen Verbandes hat zu teil werden lassen.

Bueck bekommt es auch fertig, den Arbeitern unterzuschieben, sie ber⸗

langten nur die Verlängerung der Mittagspause, um sie zur Agitation zu

benutzen! In den Berichten der Gewerbeinspektoren, und sogar der sächsi=

schen, überwiegen die kleinlichen, nörgelnden, gehässigen Bemerkungen

gegen die Arbeiter. Charakteristisch für den Geist der

preußischen Berichte ist die eine Tatsache, daß in dem General⸗

register des Reichsamts des Innern unter dem Stichwort, hemerkens=

werte Einwirkung der Organisationen zwischen Arbeitern und

Arbeitgebern“ nur ein einzig Fall, von dem Gewerbeinspektor in

Merseburg, verzeichnet ist. Alle Bemerkungen haben einen Stich ins

Gehässige, aus allen spricht die Absicht, den Arbeiterorganisationen eins

,, Die Gewerbeinspektoren fassen ihren Beruf dahin auf,

als wären sie die Agitatoren für die nichtorganisierten Arbeiter,

Wir müssen gegen diese Art tendenziöser Berichterstattung Protest

einlegen. Die Kaiserlichen Erlasse sind heute vermodert und ver⸗

schinimelt, kein Mensch spricht mehr von ihnen. Der Zentralverband

der Industriellen sendet seine Vertreter in das Reichsamt des

Innern, über dessen Tür kann man schreiben: Laßt alle Hoffnunf

hinter euch, die ihr hier eintretet.! Die Arbeiter müssen . organisieren und ihre Organisationen immer weiter ausbauen, damit auch für sie eine Regierung vorhanden ist und nicht nur für den Zentral⸗

verband der Industriellen. .

Abg. Linz (Rp.): Der Staatssekretär ist in seinem jetzigen Amt erst so kurze Zeit, daß man nicht ein abschließendes Urteil fällen und eine solche Kritik wie bei seinem Vorgänger üben kann. Wenn er gute Beziehungen zu der Industrie unterhält, so sollte man ihm dafür dankbar sein. Es ist selbstverständlich, daß ein Staatsselretär zu jämtlichen Erwerbsgruppen eine freundliche Stellung einnehmen muß, und daß er dabei auch die Industriellen nicht aus= schlleßen kann. Es gibt keinen Interessentenkreis der im Hause, so schwach vertreten wäre, als gerade die Industriellen. Bei einer ganzen Reihe von Verhandlungen, und erst kürzlich beim portugiesischen Handelsvertrag, hat sich wieder gezeigt, daß die Industriellen, die in derartigen Fragen am besten versiert sind, nicht zum Worte gekommen sind. Es wäre sehr erfreulich, wenn eine größere Reihe von sozial empfindenden und arbeiter. reundlichen Arbeitgebern hier im Hause wäre. Der Vorredner hat ö. angedeutet, als sei der Staatssekretär ein Werkzeug in der Hand des Jentralverbandes der Industriellen; ein derartiger Vorwurf ist durch nichts begründet. Die Verhandlungen hier und hesonders im Abgeordnetenhause haben das gerade Gegenteil erwiesen. Der Staatz sekretär hat erst vor kurzem hier erklärt, daß er eine große Zahl sozialpolitischer Maßnahmen im Widerspruch zu Industrlellen durchgesetzt hat. er Vorredner hätte auch anerkennen müssen, . uns in den letzten Tagen gerade eine Reihe wichtiger sozial= politischer Vorlagen zugegangen sind, und daß uns die, Reichs- versicherungsordnung und die Pensions- und Hinterbliebenen ver⸗ sicherung der Privatbeamten in Aussicht gestellt sind. Ich habe im Gegensatz zum Vorredner das Vertrauen, . der Staatssekretär, soweit es die Stetigkeit und Sicherheit unserer Industrie und ihre Konkurrenzfähigkeit im Auslande gestatten, die Interessen auch der Arbeiter nach besten Kräften zu fördern bemüht sein wird. Zum Etat selbst möchte ich an die Wünsche des Abg. Mayer⸗-Kaufbeuren über unsere handelspolitischen Beziehungen zu Frankreich und die Nesolution Bassermann auf event. Erhöhung unserer Zollsätze für Schaumwein usw. anknüpfen. Zu den durch den Handelsbertrag nicht gebundenen Einfuhrartikeln, auf die ich in dieser Beziehung die Aufmerksamkeit der Regierung lenken möchte, gehören von den Erzeugnissen der rheinischen Industrie unter anderen die Artikel der Möbelstoffindustrie; seidene, halbseidene und wollene Stoffe. Diese rheinische Industrie führt, seit vielen Jahren einen Ver⸗ . gegen die ühermächtige französische Konkurrenz. Es handelt sich bei ihren Wünschen um einen Akt ausgleichender Ge— rechtigkeit, denn sie ist durch, ihre Unkenntnis über die parla— mentarischen Einrichtungen bei, dem Abschluß der Handels verträge, zu spät gekommen. Die Positionen Selde und Halbseide waren bereits erledigt. Seit jener Zeit haben die schwer geschädigten Firmen nichts versäumt, eine Besserung zu erreichen, aber man kann s verstehen, daß das Reichkamt des Innern und das preußische Handelsministerium Bedenken tragen, von sich aus eine Nobelle zum Yolltarif einzubringen. Von Jahr zu Jahr hat sich die Lage dieser Industrie verschlechtert. In wenigen Jahren haben alte hoch=

angesehene Firmen, in Elberfeld, die früher eltfirmen waren, ihre, Betriebe einstellen müssen. . r , unter erheblich günstigeren Bedingungen. Die DOrganisations⸗ derhalinisse des. französischen Handels, die Tonzentration des Verkaufs, sind viel günstiger, und die Seidenfärhung berursacht nicht annähernd die Kosten wie bier. Dazu kommen noch indirekte Ersparnisse. Nach dem Gutachten von

Sachverständigen betragen die Selbstkosten bei der Herstellung von Seidenstoffen dort 27 oM weniger. Aehnlich liegt es bei Halbseide und Wolle. Auch der Inlandsmarkt geht der Industrie durch den mangelhaften Zollschutz immer mehr verloren. Daher muß durch eine rh hung des Zollschutzes die Möglichkeit gegeben werden, die aus⸗ sindische Einfuhr zurückzudrängen und die Ausfuhr zu stärken. Der, Untergang dieser Industrie wäre nicht nur für die Unternehmer 8 . sondern auch im Interesse der zahlreichen hochbezahlten Y cher, deren Existenz auf dem Spiele steht. Die Positionen für Möbelstoffe sind ja durch Handelsberträge nicht gebunden, sondern können jederzeit heraufgesetzt werden. Zu dem Gehalt des Staats sekretärs sind, alle sozialpolitischen Gebiete mit Anträgen beracht worden; es ist unmöglich, auf alle diese Anträge auch nur obe

flächlich in dem Rahmen dieser Diskussion einzugehen. *. würde hier mehr gewesen sein; man sollte untersuchen, ob micht dn Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerk e. Anwendung finden könnten. Ueber die Regelung der Pe r, ner Hinterbliebenenversicherung der Privatheamten hoffe ,, ,, Ffsen Hit, nech.

Laufe dieser Session eine Vorlage zu erhalten. . Dandwerk und die Innungen in weit höh träge bei Lieferungen an die Reichs berwaltung und Umfang dieser LWeferungen; wir wünsch

Weniger

ten. Wir verlangen für das herem Maße als bisher Auf— Nachweise über den zen auch die Eröffnung eines