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verzichten. Nach eigener Angabe der .
wird es mit dem Antrage und
Ferner beantragt Abg. Boeh mer folgende . die Regierung zu ersuchen, mit Rücksicht darauf, daß eine weitere Zutellung zum Landgericht Crefeld höchst wünschenswert ist, die Juteilung des Amtsgerichts Mörs zum Landgericht Crefeld, die von der , n s wiederholt zugesichert worden ist, tunlichst bald zur Ausführung zu bringen.“
Der Antrag und die Resolution sind von Mitgliedern aus
n e en unterstützt.
bg. Dr. König-Crefeld (Zentr.): Der Kampf um die Wb und, um das Amtsgericht Viersen war sehr scharf, er war fast so heftig wie der um die Wahlrechtsborlage; wir sind froh, daß die Sache zu Ende ist. Nachdem sich die Regierung dafür entschieden hat,, daß Viersen zu München in gelegt werden soll, möchte ich jetzt auf die nochmalige Darlegung der Gegengründe wäre 1906 das neue Landgericht Crefeld ohne Viersen nicht lebensfähig gewesen. Nach der Jahl der Geschäfts nummern ist kaum anzunehmen, daß das Land⸗ gericht Crefeld lebensfähig bleibt. Wie aber die Dinge jetzt liegen ĩ mit der Resolution Böhmer möglich sein, die Sache relativ befriedigend zu ordnen; ich stimme beiden in
der Vorausfetzung bei, daß auch die Regierung auf den Boden der
Resolution tritt.
Justizminister Dr. Beseler:
Meine Herren! Die Ausgestaltung des Oberlandesgerichtsbezirks Düsseldorf hat seinerzeit viele Schwierigkeiten gemacht, weil zugleich
zwei neue Landgerichte, Crefeld und München-Gladbach, errichtet werden sollten, und weil es sich darum handelte, für sie Bezirke zu
schaffen. Es war dabei darauf Bedacht zu nehmen, daß das kleine
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Landgericht Kleve, welches seit langer Zeit besteht, lebensfähig blieb. Betrachtete man die Angelegenheit vom örtlich⸗sachlichen Standtpunkt, so erschien es notwendig, die Bezirke, welche dicht an Crefeld an⸗ grenzten, und ebenso die unmittelbar an München⸗Gladbach anstoßenden zu diesen Städten zu legen. Dies ging aber nicht: denn hätte man damals die Bezirke Kempen, Lobberich und Dülken von Kleve ab⸗ getrennt, so würde das Landgericht Kleve nicht lebensfähig geblieben sein. Man mußte daher Crefeld mit einem Bezirk ausstatten, dessen Grenze nach Norden zum Teil unmittelbar vor den Toren von Crefeld liegt und dort an Bezirke stößt, bei denen alle Verhältnisse dafür sprechen, daß sie nach Crefeld kommen.
Geradeso ist es bei Viersen gegenüber München-Gladbach. Auch das liegt unmittelbar vor München-Gladbach und gehört, wie man schon auf den ersten Blick erkennen kann, dahin. Es war aber nicht möglich, es dahin zu legen, weil sonst Crefeld zu klein geworden wäre. Die Regelung konnte also nur provisorisch sein und mußte geändert werden, sobald die Verhältnisse dies gestatteten. Der Zeit⸗ punkt dazu ist jetzt gekommen. Crefeld kann heute etwas von seinem
Bezirk abgeben, ohne daß es seine Lebensfähigkeit verliert. Ebenso
sind selbstperständlich auch Kempen und Lobberich nach Crefeld zu legen; dort gehören sie hin, und das ist denn auch in die Vorlage aufgenommen. Ebenso richtig aber mußte es der Staatsregierung er⸗
scheinen, Viersen nach München ⸗ Gladbach zu legen. Das entsprach nicht
nur den geographischen Verhältnissen, sondern es entsprach auch durchaus den Wünschen der Viersener Bevölkerung, die sie mit großem Nach—⸗ druck immer wieder zu unserer Kenntnis gebracht hat.
Dagegen wünscht Crefeld, daß es Viersen noch behalten möge, weil ihm Lobberich und Kempen zusammen kein genügender Ersatz er⸗ scheinen. Das ist auch die Ansicht des Herrn Vorredners, der sie soeben begründet hat. Die Regierung steht nicht auf diesem Stand⸗
punkt. Es würde, wenn man Viersen zu München⸗Gladbach legte,
durch Kempen und Lobberich für Crefeld ausreichender Ersatz gewährt werden. Die Zahlen, die der Herr Vorredner angegeben hat, fallen nicht ins Gewicht. Wir haben ja in Crefeld 1909 für 105 Land⸗ richter Arbeit gehabt und haben es nur mit 9 Richtern besetzt. Es ist also nicht im entferntesten anzunehmen, daß 9 Richter für die demnächstigen Arbeitsverhältnisse beim Landgericht Crefeld zu viel sein würden. Die Regierung hat aber jetzt von verschiedenen Seiten den Wunsch gehört, daß mit diesem Teile der Organisation insofern ge⸗ wartet werden möge, als Viersen vor der Hand bei Crefeld belassen werden möge. Für die Justizverwaltung hat das schließlich keine hohe Bedeutung. Sie vertritt in erster Linie das Interesse der Be⸗ völkerung, wenn sie den Bezirk Viersen nach München⸗-Gladbach legt. Erträgt es aber das Interesse der Bevölkerung, daß Viersen noch einige Zeit beim Landgericht Crefeld bleibt, so hat die Regierung keinen Anlaß, dem zu widersprechen. Auch dem Vorschlage, es auf 3 Jahre zu tun, will ich mich nicht entgegenstellen.
Es ist ferner eine Resolution eingebracht worden, worin gesagt wird, es möge der Amtsgerichtsbezirk Mörs baldtunlichst zum Land⸗ gericht Crefeld gelegt werden. Da Viersen demnächst abgetrennt werden wird, will ich auch diesem Wunsche der Stadt Crefeld näher— treten, daß man ihr, falls möglich, mehr zur Entschädigung geben möge, als Kempen und Lobberich, Ich habe von jeher betont, daß die König— liche Staatsregierung auf dem Standpunkt steht, daß Crefeld ein größeres Landgericht verdient, und daß es das Bestreben der Regierung sein werde, dem zu entsprechen, indem sie, sobald das ausführbar sei, mit der Zeit neue Bezirke hinzulege. Da ist allerdings an den Kreis Mört gedacht. Zurzeit kann er indes nicht von Kleve abgetrennt werden, weil sonst letzterer zu klein werden würde; es muß abgewartet werden, wie der Bezirk Kleve sich weiter entwickeln wird; man kann ja annehmen, daß auch da die Geschäfte sich steigern, und wenn etwa ferner einige Bezirke vom rechten Rheinufer hinzugelegt werden, so wird es vielleicht möglich sein, Mörg, ohne daß Kleve irgend welchen Nachteil erleidet, abzujweigen und nach Grefeld zu legen. Dann wird die Regierung dem Gedanken gewiß wiederum näher treten und mit einem entsprechenden Antrage kommen. Wann daß möglich sein wird, das zu sagen, ist unmöglich; es kommt darauf an, wie sich die ¶Verhãältnisse nördlich von Mörs gestalten werden, und wenn wir es übersehen können, wird die Regelung in Angriff genommen werden. Ich kann nur betonen, daß wir jedenfalls darauf Bedacht nehmen werden, Crefelds Wunsch zu erfüllen, das Landgericht noch etwas zu vergrößern. (Bravo Aus diesem Gesichtspunkte kann ich dem An⸗ trage, der gestellt ist, zustimmen und hinsichtlich der Resolution er= klären, daß ich das „sobald tunlich“ so verstehe, daß dem Wunsche näher getreten werden soll, sobald die Entwicklung der Verhältnisse es nach vernünftigem Ermessen möglich macht. (Übg. Dr. König: Bravo!)
Abg. Boisly (nl): Wir haben keine Veranlassung, der zustande, gekommenen Einigung zu widersprechen; wir werden die Vorlage mit den Anträgen Boehmer annehmen.
Abg. Mer tin⸗Dels (freikonf): Auch meine Freunde freuen sich,
daß etz anscheinend gelungen ist, diesmal eine Einigung herbeizuführen.
Wir stimmen durchaus dem Justizminister bei, daß Viersen zu München= Gladbach gehört. Anderseits enthält die Loslösung von Viersen vom
Landgericht Crefeld eine Härte; man kann den Schmerz der Crefelder verstehen, und es erscheint angezeigt, der Stadt den Uebergang möglichst zu erleichtern. Wir stimmen dem Antrage Boehmer bei, nicht aber der Resolution. Die Zuteilung von Mörs ist eine Frage der Zukunft, und eine Resolution, welche hier eine Beschleunigung empfiehlt, halten wir für überflüssig, zumal ein viel näher, erreich barez Ziel winkt, wenn das zukünftige Amtsgericht Homberg an— gegliedert wird. Seit 6 Jahren ist ein solches bereits in Aussicht n f. auch diesmal unterstützt die Crefelder Handelskammer diesen Wunsch auf lebhafteste, da es sich um ein dringendes Bedürfnis handelt. Mit einem solchen Arrangement wäre allen Beteiligten eholfen. ;. 3 Abg. Dr. von Kries (kons.): Meine politischen Freunde sind bei der Beratung dieses Entwurfs davon ausgegangen, daß man tunlichst die örtlichen Interessen ausgleichen soll. Aus diesem Grunde haben wir auch den Antrag Boehmer mitunterschriehen. Es hat sich aber nachträglich herausgestellt, daß die örtlichen Interessen in der Reso⸗ lution Boehmer nicht genügend berücksichtigt sind. Infolgedessen werden wir nur für den Antrag selbst stimmen, der im wesentlichen die Vorlage der Regierung wiederherstellt. Wenn die Interessen von Viersen elne derartige Hinausschiebung des Gesetzes dulden, so soll diesseits nicht eingegriffen werden. Wir werden aber gegen die Reso⸗ lution Boehmer , da Interessen des Amtsgerichts Mörs verletzz; werden. Nach den Ausführungen des Justizministers sind wir der Auffassung, daß, von seiten der Justizverwaltung den berechtigten Interessen von Crefeld Rechnung getragen werden wird. Der Resolution der Kommission werden meine Freunde eben⸗ falls zustimmen. ;
Abg. Peltasohn (fortschr. Volksp.): Ich begrüße es mit Freuden, daß in dem Antrag Boehmer ein Weg gefunden ist, der die örtlichen Interessen ausgleicht, und daß dieser . die Billigung der Regierung
efunden hat. Der Resolution der Kommission werden wir zu⸗ en. Durch die Resolution Boehmer scheinen die Interessen von Mörg nicht gewahrt zu sein.
g. Dr. Hitze (Zentr.): Ich bin den Vorrednern dafür dankbar, daß sie diesem Kompromißantrag zustimmen wollen. Es ist München⸗ Gladbach nicht leicht geworden, nachzugeben. Aus den Erklärungen des Ministers geht 3. hervor, daß der Landgerichtsbezirk Kleve nicht
eschädigt werden soll. Nur dann soll eine weitere Abtrennung ins uge gefaßt werden, wenn Kleve aus sich heraus sich entwickelt. Ich bedauere, daß der Vertreter der konservativen Partei sich ern die Resolution Boehmer erklärt hat. Ich bitte Sie, nicht bloß den Gesetzentwurf in der Form des Antrags Boehmer anzunehmen, sondern auch um Annahme der Resolution.
Abg. Ho eve ler Zentr.): Die Zuteilung von Kempen und Lobberich zum Landgerichtsbezirk Crefeld ist geradezu eine innere Notwendigkeit. Ich möchte deshalb um Annahme des Antrags Boehmer bitten, ebenso um Annahme der Resolution der Justizkommission betreffs Er⸗ richtung eines Amt gerichte bezirk Süchteln, der dem Landgerichte Crefeld zuzuteilen ist. Auch die Resolution C kann unsere Zu⸗ stimmung sinden.
Abg. Freiherr von Los (Zentr.): Den beiden Großstädten 5 und Muͤnchen⸗Gladbach werden fortwährend gr Wohltaten erwiesen. Denn Wohltaten waren es, daß sie erst vor kurzem Landgerichte be⸗ kommen haben. Die historische Bedeutung Kleves wird aher gar nicht berücksichtigt. Im Jahre 1841 hat man Kleve das Oherlandes⸗ gericht genommen, die Domänenkammer in Kleve ist gehe worden, während die Großstädte Crefeld und München- Gladbach vom Staate mit Wohltaten überhäuft werden. Für die öffentlichen Paläste, die dort gebaut worden sind, sind Millionen ausgegeben worden. Wir wollen für den großen Abbruch für Kleve wenigstens einen kleinen Ersatz bekommen und erstreben zunächst — ich sage ausdrücklich zu⸗ nächst. — die . der Amtsgerichtsbezirke Emmerich und Rees. Daß ist ein sehr bescheidener ö Die uns erst im 6. ö blick zu an zn Resolution Boehmer hat uns im höchsten Maße ö er Antrag Boehmer entspricht vielleicht den Interessen der beiden Großstädte, aber mein Bezirk würde bei der Resolution der leidtragende sein. Im übrigen sind nicht die Interessen der Groß⸗ städte maßgebend, sondern die Interessen der Bevölkerung. Ich möchte Sie bitten, die Resolution Boehmer abzulehnen.
. Underberg, (Zentr.) spricht sich ö. den Antrag und die Resolution Boehmer aus. ;
Der Gesetzentwurf wird darauf in der Fassung des Antrags Boehmer angenommen, die Resolution Boehmer wird abgelehnt, die Nesolutionen der Kommission b und e werden angenommen, die Resolution a ist durch die Annahme des Antrags Boehmer erledigt, Ueber die Petitionen beschließt das Haus nach dem Kommissionsantrag.
Es folgt die Beratung der Denkschrift über die gemäß 5§ 20 des Gebäudaͤsteuergesetzes vom 21. Mai 1861 ausgeführte dritte Revision der Gebäudesteuerveranlagung. Abg. Dr. Heisig (Zentr) bemerkt, die Denkschrift erwähne, daß die Gemeinden immer mehr besondere Steuern vom Grundbesitz eingeführt hätten und die staatlich veranlagte Grund- und Gebäudesteuer als Ünterlage für kommunale Steuerzwecke nicht mehr . Trotzdem werde immer noch die Veranlagung nach dem alten Ver fahren vorgenommen. Bei den Eingemeindungen würden landwirt⸗ schaftliche , plötzlich nach den Grundsätzen für städtische Mietsgebäude veranlagt; es müßte dabei aber Rücksicht auf die Art der Nutzung genommen werden. ,, solle der Wert der Gebäude unter Rücksichtnahme auf die Abnutzung und den hau⸗ lichen Zustand berechnet werden; vielfach werde das aber bei alten Ge⸗ bäuden gar nicht befolgt, sondern es fei sogar vorgekommen, daß deren Wert höher angesetzt worden sei. , sei aber doch die Art der Feststellung der Gebäudesteuer nach dem Nutzungswerte wertvoll, und . koͤnne gerade bei der Ermittlung des Wertzuwachses für die Wertzuwachs teuer eine Unterlage bieten. Jedenfalls fei es gut, daß der Nutzungs⸗ wert der Gebäude einigermaßen genau festgestellt werde, aber bei den landwirtschaftlichen Besitzungen . es noch an festen Grundsätzen für die Schätzung des Gebäudewertes. Grundsätze güfgestellt werden, : ;
Generaldirektor der direkten Steuern Heinke erwidert, daß er eine Aenderung darin nicht in Aussicht stellen könne, denn es werde . nach den Bestimmungen des Gebäudesteuergesetzes ver⸗ ahren.
Abg. Kirsch (Zentr) widerspricht dem Standpunkt des Abg. Heisig. Diese Revistonen der Gebäudesteuerveranlagung seien mit erheblichen Kosten verbunden, leider würden die Kosten in der Denkschrift nicht angegeben, aber sie seien sicherlich nicht un⸗ erheblich. Da in den Gemeinden immer mehr nach dem gemeinen Wert die Steuern bemessen würden, so hätte eigentlich die Bewertung nach dem Grundsteuerreinertrag nur noch einen nebensächlichen Wert. Auch für die Wertzuwachssteuer biete die Berechnung des Nutzungs« wertes keine Unterlage, da es sich dabei um die Festsetzung des Wertes zwischen zwei Kaufpreisen handle; was das Grundstück sonst ir einen Wert habe, darauf komme es dabei nicht an. Der Redner bittet die Regierung, eine Reform des Gebäudesteuergesetzes nach der Richtung zu erwägen, daß durch andere Methoden als die mit so er⸗ heblichen Kosten verbundenen Revisionen die Feststellung des Gebäude⸗ wertes ermöglicht wird.
x Die Denkschrift wird durch Kenntnisnahme für erledigt erklärt. ; ö
Darauf wird die am 24. Mai begonnene Beratung des Antrages der Abgg. Borgmann (Soz.) und Gen. be⸗ treffs Aufhebung? von Bestimmungen des Auf⸗ nahmegesetzetäz vom 31. Dezember 1812 (Vagabunden Paragraph) fortgefetz;. Nach s 1 dieses Gesetzes darf keinem selbständigen preußischen Untertan an dem Orte, wo er eine eigene Wohnung oder ein Unterkommen sich selbst zu be⸗ schaffen imstande ist, der , verweigert oder durch
Es müßten dafür bestimmte
lästige Bedingungen erschwert werden. Nach 2 finden Ausnahmen hiervon statt: 1) . jemand durch ein Strafurteil in der
freien Wahl seines Aufenthalts beschränkt ist; ö wenn die Landes⸗ polizeibehörde es für nötig findet, einen ent assenen Sträfling von dem Aufenthalt an gewissen Orten auszuschließen. Hierzu ist die Landespolizeibehörde jedoch nur in Ansehung solcher Sträflinge befugt, welche zu Zuchthaus oder wegen eines e g n wodurch der Täter sich als einen für die öffentliche Sicherheit oder Moralität gefährlichen Menschen darstellt, zu irgend einer anderen Strafe verurteilt worden oder in einer Korrektionsanstalt eingesperrt gewesen sind, Ueber die Gründe einer solchen Maßregel ist die Landespolizeibehörde nur dem vorgesetzten Ministerium, nicht aber der Partei Rechen⸗ schaft zu geben schuldig. . .
Der Antrag Borgmann fordert die möglichst baldige Vor⸗ legung eines Gesetzentwurfs, durch den die Nr. 2 des 82 auf⸗ gehoben wird.
Abg. Gyßling (fortschr. Volksp.): Nach der Begründung des Antrags durch den Abg. Liebknecht hat neulich der konservative Redner von dem Knesebeck namens seiner Freunde den Antrag abgelehnt, weil heute noch dieselben Voraussetzungen wie bei Emanation des Gesetzes für diese Bestimmung beständen. Meine Freunde dagegen meinen, daß diese Bestimmung mindestens n,, ist, und ich beantrage, den Antrag Borgmann der Gemeindekommission zu überweisen, die dazu um sieben Mitglieder zu verstärken ist. Unbedingt zustimmen können wir dem Antrag nicht, aber er bedarf einer eingehenden Prüfung in der Kommission. Das Oberverwaltungs⸗ gericht hat zwar entschieden, daß die Bestimmung, auf die sich der An⸗ krag Borgmann bezieht, auch nach dem Freizügigkeitsgesetz noch zu Recht besteht, aber Autoritäten der Wissenschaft halten sie nicht mehr für rechtsgültig. Deshalb müssen wir eine Prüfung eintreten lassen, denn es ist nicht wünschenswert, daß die Rechtsgültigkeit dieser Bestimmung fraglich ist. Die Befugnis der Polizeibehörde geht überhaupt zu weit, denn es könnten auch politische Gründe bei der Entscheidung, ob jemandem der Aufenthalt an einem Orte f verweigern ist, ins Gewicht fallen. Mindestens sollte nicht die A weisung sofort beim Anzuge erfolgen, sondern eine gewisse Frist erst abgewartet werden, ob die Abweisung erfolgen soll. Zu Bedenken
ibt auch die Bestimmung Anlaß, daß die Polizeibehörde den Parteien eine Rechenschaft zu geben braucht. Der Abgewiesene muß mindestens die Gründe hören, damit er Einwendungen erheben kann.
Unterstagtssekretär Holtz: Bei der Beratung dieses Gegen standes im Jahre 1907 erkannte die Majorität des Hauses an, daß die fragliche Bestimmung auch ferner aufrecht erhalten werden müsse= Injwischen haben sich die Verhältnisse nicht geändert. Wir müssen mit der Neigung der schweren Verbrecher 32 die großen Ver⸗ kehrszentren aufzusuchen, weil sie glauben, in den großen Städten ihren verbrecherischen Neigungen besser und unbeobachteter folgen n können oder auch dort leichter Unterkunft und Arbeit zu finden.
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Deshalb dürfen wir nicht schematisieren, sondern müssen streng individualisieren. Das ist auch geschehen in einem 94 der vor⸗ schreibt, daß die Polizei nicht aus Bequemlichkeit eine Ausweisung
verfügen soll, sondern sich auf das eingehendste nach der Individualität des Betreffenden erkundigen soll; sie soll also z. B. prüfen, ob der Betreffende eine geregelte Arbeit hat, und besonders, oh ein An⸗ schluß an einen ien re, vorliegt. Ist dies der e, dann soll bon der Abweisung Abstand genommen werden. Beschwerden über die . des Gesetzes sind in den letzten Jahren über⸗ haupt nicht mehr bekannt geworden, und jedem Betroffenen stehen auch die Rechtsmittel im geordneten Verfahren zur Verfügung. Wir haben ein solches Verfahren in der letzten Zeit überhaupt nicht mehr gehabt. Im Jahre 1909 handelte es sich um 1751 Verbrecher, Au⸗ weisungen sind aber nur in einigen dreißig Fällen erfolgt. Die Be⸗ hörden handhaben das Gesetz also milde. Es wäre nicht zweck⸗ ma ig in der Kommission darüber zu verhandeln, ob die Bestimmung aufzuheben ist, dagegen könnte gepruft werden, ob die Polizeiaufsicht anders zu gestalten ist.
Abg. Lusensky (ul): Eg besteht allerdings bei manchem die Meinung, daß die fen Bestimmung mit dem Freizügi eee unvereinbar ist; aber die Meinung wird von anderen . geteilt, und das Qberberwaltungsgericht hat aus sachlichen Gründen ent⸗ schieden, daß die Bestimmung noch in Kraft ist. Dem Antrag, die Bestimmung schlechtweg aufzuheben, können wir nicht zustimmen. Die Palizeigufsicht reicht nicht für die Sicherheit des Gemeinwohls aus. Allerdings ist, das 9 von 1842 sehr weit gefaßt, es gibt der Pylizei eine fast schrankenlose Vollmacht und sagt nichte über die Modalitäten, unter denen davon Gebrauch zu machen ist; es unterscheidet sich darin nachteilig von den Gesetzen anderer Bundes⸗ staaten, z. B. Sachsens. Eine eig Einschränkung wäre also zu erwägen. Wir stimmen, deshalb dem Antrag auf Kommissionsberatung zu; meine Freunde hätten die Justizkommission vorgeschlagen, sink aber auch mit der Gemeindekommission einverstanden.
Abg. Dr, Liebknecht (Soz.): Wenn die Gesichtspunkte, von denen der Unterstaatssekretär sprach, jetzt Anwendung finden sollten, so haben sie früher sicherlich keine Anwendung gefunden. Es wurden früher auch wegen Körperverletzung und Beleidigung bestrafte und auch solche Personen ausgewiesen, die nur wegen politischer Vergehen verfolgt worden sind. Ein Fall betraf sogar unseren Parteifreund Hoffmann. Er war wegen öffentlicher Beleidigung durch die Presse zu Geldstrafen und kurzfristigen fra gf rn, verurteilt worden. Am 3. November 1894 erhielt er von dem Berliner Polizeipräsidium eine Verfügung, wonach ihm versuchsweise gestgttet wurde, in Berlin zu bleiben, aber unter der Voraussetzung, daß weder die Polizei noch die Gerichte eine K um Einschreiken hätten. Diese Ver⸗ fügung widersprach den gesetzlichen Bestimmungen. Die Ausmweisung ist nur gestattet gegenüber neu Anziehenden. Im übrigen ist Hoffmann ein geborener Berliner, und infolgedessen war es der Berliner Polizei außerordentlich schwer gemacht, ihn aus Berlin auszuweisen. Herr Hoffmann begab sich auf das Polizeipräsidium und suchte dem Grafen Stillfried auseinanderzusetzen, ea eine Ausweisung gegen ihn nicht in Frage kommen könné. Graf Stillfried verwies ihn darauf, daß er zehn Jahre pon Berlin abwesend gewesen sei. Herr Hoffmann konnte ihm in der ihm eigenen sarkastischen Weise nachweisen, daß er sieben Wochen gefehlt und diese sieben Wochen im Untersuchungs⸗ gefängnis in Moabit zugebracht habe. Herr Hoffmann jst damals nicht ausgewiesen worden. Wir dürfen aber unter keinen Ümständen eine solche Machtbefugnis in den Händen einer Polizei lassen, bie nach ihrem Belieben eine solche Bestimmung wieder aus der Rumpelkammer herausholen kann,. Die Selbstkorrektur der Preusischen Regierung genügt uns nicht, die Reform muß gesetzlich festgelegt werden. Wenn in der letzten Zeit die Zahl der Beschwerden abgenommen hat, so liegt dies daran, daß die Unterdrückten und Elenden gar nicht mehr die moralische Fähigkeit besitzen, zu remonstrieren. Sie wagen wie weggejagte Hunde nicht zu mucksen.
Der Antrag Gyßling auf Kommissionsberatung wird ab⸗
ö ebenso der Antrag Borgmann gegen die Stimmen der ozialdemokraten und Freisinnigen.
Es folgt die Beratung des Antrags der Abgg. Bor
mann ( . (Soz. );: . 3
„»die Regierung zu ersuchen, ungesäumt dafür Sorge zu tragen
daß dem Treiben von Beam ken und Agenten der dont ff,,
Polizei außerdentscher Staaten in Preußen ein Ende gemacht wird.
Abg. Dr. Liebkne cht Soz ): Bereits am 3. Januar 1904 schrieb der Vorwärts in einem Artikel Preußen eine russische Spitzelprobinz⸗, es gebe einen Herrn in Berlin, der von seinen Untergebenen mit Exzellenz angeredet werde und jährlich 36 000 4 erhalte, genau wie ein preußischer
Minister damals. Es handelte sich um einen Herrn Har⸗ ting. Am 16. Januar 1904 brachte, die sozialdemokratische 5 des Reichstags eine Resolution ein, welche, den eichskanzler fragte, ob es ihm bekannt sei, daß die
russische . auf deutschem Reichsgebiete Poltzeiagenken zur Ueberwachung deutscher Staatzangehörigen unterhalte, die Verbrechen verübt und versucht haben, andere Personen zu Verbrechen zu be=