Dritte Beilage
zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger.
(Schluß aus der Zweiten Beilage.)
.. Was die Löhne der Bahnunterhaltungearbeiter betrifft, für die Derr Delius sich interessierte, so will ich anerkennen, daß diese Löhne . gewesen sind. Aber von den Lohnaufbesserungen, die wir in diesem Jahre verfügt haben, ist ein nicht unwesentlicher Teil — es find zwischen 3 und 4 Millionen — auf die Bahnunterhaltungs⸗ arbeiter entfallen. Es ist meine Absicht, gerade die Löhne dieser Angestellten weiter einer sorgfältigen Nachprüfung zu unterziehen.
a Auch der Abg. Delius hat wiederholt die Leistungen der Pensions⸗ asse der preußischen Staatsbahnen bemängelt. Wenn ich auf diese Frage nochmals zurückkomme, so will ich damit nur den Beweis liefern, daß ich einmal seinen Auffassungen durchaus nicht beipflichte und weitens lebhaft bemüht bin, diese großartige Einrichtung der breußischen Staatsbahnen nlcht diskreditieren zu lassen. Er meinte: wir thesaurierten hier, wir sammelten in unzulässigerweise Bestände an. Er beruft sich darauf, daß im Laufe des. letzten Jahres nicht weniger als 6 Millionen den vorhandenen Beständen zugeflossen sind, er meinte: es wäre richtiger, die Leistungen zu steigern. Ja, ist der err Abg. Delius in der Lage, mir zu sagen, daß die Kassen sufficient leiben würden, wenn wir die Leistungen steigern würden? Wird er es nicht akzeptieren müssen, wenn ich ihm sage, daß Versicherungs⸗ techniker — und das sind doch die Sachverständigen, auf die wir uns nur verlassen können — überzeugend nachgewiesen haben, daß die Kasse nur dann sufficient bleibt, wenn sie ihre Leistungen nicht weiter erhöht. Die Leistungen der Kasse sind ja noch nicht entfernt auf ihrem Höhe⸗ punkt angelangt. Ihren wahren Segen wird die Kasse erst in
bis 20 Jahren zeigen. Gerade darum müssen wir die großen Bestände ansammeln, damit die Kasse dann, wenn e auf ihrem Höhepunkt angelangt ist, auch leistungs⸗ fähig verbleibt. (Abg. Wagner Breslau: Sehr richtig)
ö. da darf man sich auch dadurch nicht schrecken und einschüchtern
. daß diese Bestände unter Umständen auf 130 oder 1560 Mil-
lionen anwachsen; es kommt nur darauf an, ob die Kasse dereinst
. sein wird, die Leistungen zu erfüllen, die ihr obliegen. (Sehr 1
nñ Ebenso bin ich nicht seiner Auffassung, daß wir in der Lage ien öie Krankenkassen im Sinne einer weiteren Leistungssteigerung , Arbeiterschaft auszubauen. Die 21 Betriebskrankenkassen der en i chen Staatseisenbahnverwaltung leisten sämtlich erheblich mehr s ihnen gesetzlich obliegt; das hat gestern auch der Vertreter & Zentrums, der Herr Abg. Beyer, anerkannt. Wenn wir die reitägige Karenzzeit beseitigten, würden wir diese Kassen auf as äußerste gefährden; das wissen wir aus Erfahrungen, die auf diesem Gebiete gemacht worden sind. Ich muß zugeben, daß es in hohem Maße bedauerlich ist, daß wir diesen Wunsch nicht erfüllen können; wenn wir es aber täten, würden wir den Bestand der Kassen gefährden.
Die Frage der freien Arztwahl will ich hier heute nicht erörtern. Sie wird ja in der Reichsversicherungsordnung behandelt werden, und es wird abzuwarten sein, ob und wann der dem Reichstage vorliegende Entwurf Gesetz werden wird. (Bravo)
Abg. Korfanty (Pole): Die Ostmarkenzulagen dürfen nicht widerruflich sein, wenn sie überhaupt beibehalten werden. Durch die Ostmarkenzulagen wird die Denunziationssucht unter den Beamten großgezogen. Die Eisenbahnverwaltung versucht mit allen Mitteln, die polnische Sprache auszumerzen. Es sind von ver⸗ schiedenen Eisenbahndirektionen Erlasse ergangen, welche nicht nur den Gebrauch der polnischen Sprache im Verkehr mit dem Publikum verbieken, fondern es den Eisenbahnarbeitern und Beamten auch verbieten, in ihrer Familie sich der pPolnischen Sprache un bedienen. Ehe Arbeiter in das Beamtenverhältnis über⸗ Eten, müssen fie eine Prüfung ablegen, ob sie die deutsche Dbrache beherrschen. Ja nach einiger Zeit müssen die Beamten uch eine Prüfung ablegen, ob sie die deutsche Sprache nicht ver= rnt haben. Vom kaufmännischen Gesichtspunkte aus müßten alle Beamten in den Fstlichen Probinzen die polnische Sprache
. errschen, damit der Verkehr mit dem Publikum sich mög⸗ ihst glatt abwickelt. In Rußland herrschen ganz andere erhältnisse, in Warschau und Krakau ist man gegen die
e mische Bevölkerung viel liberaler. In Galizien, bedienen sich 366 viele Beamte der deutschen Sprache, Ziehen Sie (nach rechts) 6 nur die Konsequenzen daraus! Ich bin in Peters⸗ . auf. der Bahn unter ö der deutschen Sprache uns gut bedient worden. Ein Eisenbahngrbeiter, der sein Frühstäck 6 polnischen Zeitung eingewickelt hatte, wurde mit 15 6 Geld⸗ . belegt. Es, ist unwürdig einer . Verwaltung, mit Ri n Kleinlichkeiten und solchen Nadelstichen vorzugehen. Der e br sagte in der Kommission. Wenn wir die Wahl 9 . einem Polen und einem Deutschen haben, ziehen wir den n schen vor. Das ist direkt ein Verstoß gegen die Verfasung. Sen yr ge. sind vor dem Gesetz, gleich, und alle öffentlichen é en stehen allen Preußen gi ng, zur Verfügung. Die Ver⸗ gi kennt keine Deutschen und sondern nur preußische fat ürger. Jeder Pole, der der deutschen Sprache in Wort n g griff mächtig ift, ist dem. Deutschen vollkommen gleich. in izt. Die poölnischen Staatsbürger, die bestraft werden, weil (Erklüen Familien polnisch gesprochen wird, können sich auf die gn arung des Miniflers in der Budgetkommission berufen, wo er nh hai, daß die Eisenbahnverwaltung sich um das Privatleben gar? eamten nicht kümmere. In einem Falle ist eine Bestrafung .der lingetreten weil ein Familienmitglied mit einem polnischen Dor uch in den polnischen Gottesdienst gegangen ist. Das f . der Gisenbahnverwaltung richtet sich auch, gegen ein katholische Religion. Die Germanisierung. der Qstmarken Boh in eine Proteslantisterung auszuarten. Mit dem Bau der u ungen, für die Cifenbahnbeamten wird den Folmschen Ban
onkurrenz gemacht; es werden nur deutsche Beamte und angesiedelt, die Regierung vf ht auch hiermit eine anti⸗ e Politik. Der Minister hat die Enteignung von polnischem . Zweck der Erbauung von Beamten und Arbeiterhäusern als zu Recht bestehend anerkannt.
Minister der öffentlichen Arbeiten von Breitenbach: macht (. Verfügung der Direktion Bromberg, die zur Bedingung werhe⸗ die Arbeiter, die auf den kleineren Rentengütern angesiedelt ollen, exangelisch fein müssen, hat keineswegs die Absicht, kon. ö Gegensůtze zu betonen; daz muß ich ausdrücklich feststellen,
gegenteiligen Ausführungen des Herrn Abg. Korfanty. Es
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Berlin, Donnerstag, den 23. Februar
handelt sich hier um die Schaffung von Rentengütern kleinster Art, die sogenannten Zwergrentengüter. Diese werden von der Ansiedlungs⸗ kommission und von Ansiedlungsgenossenschaften auch in der Nähe der Bahn gegründet. Diese Rentengüter müssen sich naturgemäß an deutsche Ansiedlungen anschließen. Nun sind aber bestimmte Teile im Direktionsbezirk Bromberg vorhanden, in denen die Anlage dieser Zwergrentengüter nur in rein polnischen Landesteilen erfolgen kann. Wenn wir dort unsere Angestellten ansiedeln, die Deutsch-Katholiken sind, so fehlt ihnen die deutsch-katholische Kirchenfürsorge. (Eachen bei den Polen und sehr richtig! rechts) Das ist der einzige Grund, weshalb der Direktionsbezirk Bromberg bekannt gegeben hat, es sollten sich nur epangelische Angestellte melden. Jede andere Auslegung ist unzutreffend, und ich verwahre mich ausdrücklich dagegen.
Wenn dann Herr Korfanty den Ostmarkenfonds einen Korruptions⸗ fonds genannt hat, so muß ich als Vertreter der Staatsregierung ausdrücklich dagegen protestieren. Die gesetzgebenden Faktoren haben infolge einer Notwendigkeit diesen Fonds geschaffen, und ich brauche mich über die Zwecke nicht auszulassen, sie sind bekannt. Die Fonds erfüllen nur die Zwecke, die von ihnen vorausgesetzt sind.
Was das Verhalten der Staatseisenbahnbehörde gegenüber den Angestellten polnischer Zunge betrifft, so habe ich meinen Ausführungen in der Budgetkommission nichts hinzuzufügen. Die Sache liegt so, daß unsere gesamten Angestellten im Dienst deutsch sprechen müssen, damit sie in der Lage sind, mit dem Publikum deutsch zu sprechen, deutsch zu verhandeln. Um das sestzustellen, scheint es mir ganz berechtigt, daß die zuständige Verwaltungsbehörde zeitweilig prüft, ob die Beamten und Angestellten polnischer Zunge sich auch noch die Kenntnis der deutschen Sprache konserviert haben; denn die geht selbst⸗ verständlich unter Umständen verloren. Von einer Ausmerzung der polnischen Sprache kann gar nicht die Rede sein. Ich möchte Herrn Korfanty bitten, mir die Abschrift der Verfügung der Direktion Bromberg mitzuteilen, in der die Direktion Einwirkung nehmen will auf die polnische Sprache in den Familien. Ein derartiges Verbot, die polnische Sprache in der Familie zu sprechen, würde ich nicht gutheißen können. ;
Wenn der Herr Abgeordnete uns dann die Geschichte erzählt hat, die sehr hübsch klang, von der Wurst, die in der polnischen Zeitung eingewickelt war, so muß er mir in der Tat den Nachweis liefern, daß dieser Angestellte nur um dieses Umstandes willen in eine Dis⸗ ziplinarstrafe von 10 6 genommen ist. Das ist eine sehr hohe Dis⸗ ziplinarstrafe, und schon die Höhe dieser angeblichen Strafe scheint mir nicht zur Unterstützung der Richtigkeit der Beschwerde des Abg. Korfanty beizutragen. Die Grundsätze, nach denen die preußische Eisenbahn⸗ verwaltung und die preußische Staatsverwaltung in den polnischen Bezirken handelt und handeln muß, stehen fest für mich wie für jeden anderen Staatsminister. Ich bin nicht in der Lage, hier eine Aenderung zuzusichern. (Bravo! rechts.)
K . den Koönserbativen noch nicht gehört. Es geschieht gerade hier, wo die Löhne der Beamten und Arbeiter erhöht werden sollen. Es ist sehr wohlwollend von dem Minister, wenn er uns Abgeordneten erlaubt, in die Versammlungen der Beamten und Arbeiter zu gehen, aber wir unterstehen ihm nicht und lehnen eine solche Erlaubnis ab; wir werden in die Versammlungen gehen, wann es uns beliebt. Für die Eisenbahnassistenten hat der Reichstag besser gesorgt als der pPreußische Landtag, und er hätte noch besser gesorgt, wenn nicht die Konservativen und das Zentrum umgefallen wären, als die Gefahr der Auflösung des Reichstages beseitigt war. Der Minister behauptete in einer früheren Sitzung, es werde gar nicht hoch genug bewertet, daß den Eisenbahnarbeitern 115 600 Unter⸗ beamkenstellen offen ständen, in die sie aufrücken könnten. Wir haben 119 000, Unterbeamtenstellen, aber 325 00 Hilfs— bedienstete und Arbeiter. Wenn nun in den letzten 10 Jahren von diesen 6 900 in Unterbeamtenstellen aufgerückt sind, so sind ez in jedem Jahr nur 6000 gewesen bei einer Gesamtzahl von 325 009. Danach ist dieser ganze Vorteil nur mit einer sehr schlechten Lotterie zu vergleichen. Die. Verhältnisse. der Hilfsschaffner werden immer schlechter, sie werden erst nach 19 bis 15 Jahren
angestellt, die meisten werden ar nicht angestellt. Die Höͤchstgehälter erreichen die Unter eamten nur in ganz ver— schwindendem Maße, weil sie zu spät angestellt werden. Ueber die
Lohnerhöhungen, bon denen so viel geredet wird, herrscht im Etat ein ziemliches Dunkel; es kommen höchstens 10 Millionen dafür heraus, das macht Pro Kopf der Arbeiter im Jahr 33 6 und für den Tag 10 3. Das ist ein reines Almosen gegenüber den er— wähnten Aufbesserungen von wenigstens 200 6, und das in einer Verwaltung mit so großen Ueberschüsen!, Cin großer Teil der Arbeiter bekommt üherhaupt keine , nur die älteren Arbeiter werden dabei, bedacht. Der höchste Lohnsatz ist nur um 30 Z für den Tag erhöht worden, Bei den Beamten sind gerade das Anfangsgehalt und, die mittleren Gehaltsstufen erhöht worden, der Anfangslohn der Arbeiter ist aber so geblieben, wie er war. Wenn man wegen der Lebensmitteltenerung dem Könige von Preußen I) Millionen mehr gegeben hat, so hätte man auch bei den Arbeitern die Tebensmittelteuerung anerkennen müssen, und wenn man sagt, die Arbeiter müßten sich nach der Decke strecken, so hätte man dag nur nach anderer Stelle hin sagen müssen. Und da kommt noch Herr Beyer und sagt dem Minister tiefgefühlten Dank für die Behandlung der Arbeiter! Durch die Umwandlung von Alkordlöhnen in feste Löhne sind Verschlechterungen des Lohnes um 12416 im Monat herausgekommen. Soweit die Akkordlöhne beibehalten werden, müßten wenigstens die Stücklöhne unter Mitwirkung der Arbeiterausschüsse festgesetzt werden, der Minister hat aber fig daß die Arbeiterausschüsse darüber nicht. gehört werden, weil sie nicht sachverständig. wären, Ein Wunder, daß es in einem solchen Betriebe keine sachberständigen Ärbeiter gibt! Die Arbeiter verlangen überhaupt die Beseitigung aller Akköordlöhne. Der Minister sagt, nach den, ortsüblichen Tagelöhnen könne er sich nicht richten. Die ortsühlichen Tage— löhne find aber nicht aus der Luft gegriffen, sondern vom Regierungspräsidenten nach, Anhtrung der Arbeiter und Arbeit= eber festgefetzt worden. Es ist traurig, daß die Arbeiter der taatsberwalkung immer nach einer Lohnerhöhung rufen müssen und wenn den staatlichen Arbeitern gesagt wird, sie sollten do ihre Frauen mitarbeiten lassen, so ist das unter aller Kritik. In der url i, die eine Steigerung der Löhne nachweisen soll, ist vieles hineingenommen worden, was gar nicht zum Lohn gehört, wie Reisekosten, Tagegelder bej Teilnahme an Versammlungen usw; wir verlangen eine klare Nachweisung der wirklichen Löhne. Gbenso ist die Nachweisung der Dienststunden unklar. Die Lokomotivführer, die wegen der Sicherheit des Dienstes gerade einer Verkürzung der
1911.
Dienstzeit bedürften, haben in Berlin im Monat 25 Diensttage von II Stunden und 20 Minuten zu leisten. Der Minister will nicht höhere Löhne zahlen, damit nicht die Arbeiter in der Industrie und Landwirtschaft sich darauf berufen und ihrerseits J,, langen können. Der Minister ist also der Schutzpatron der Groß⸗ industrie und der Tandwirtschaft. In einigen Essenbahnwerkstätten sind die Einrichtungen so mangelhaft, daß Erkrankungen, namentlich an Tuberkulose vorgekommen ö. Man hat diesen Arbeitern empfohlen, die Streckenarbeit in der frischen Luft zu übernehmen, aber sie haben dafür geringere Löhne als in der Werkstatt bekommen. Wenn Ausschußmitglieder Beschwerden vorbringen, wird mit einer kleinlichen Denunziationspolitik versucht, die Urheber der Beschwerden zu ermitteln. Oft finden Lohnherabsetzungen statt, ohne daß den Arbeitern mitgeteilt wird, wodurch die Abzüge zu erklären sind, so daß sie auf alle möglichen Vermutungen kommen. Arbeiter werden fogar zum Uebertritt in den Reichswahrheitsverband“ gegen die Sozialdemokratie aufgefordert. In Stendal soll der 40. Geburtstag
der Strecke durch ein großes Fest gefeiert werden. Zu diesem Zwecke follten den Arbeitern wöchentlich 15 3 abgezogen werden. Von diesen Bkitrãgen sollte dann auch noch die neue
Fahne bezahlt werden. Die Arbeiter haben daran gar kein Interesse. (Zuruf: Wie machen Sie es denn) Ja, an unserer Irganisatign haben die Arbeiter ein großes Jnterese, Weil die Ärbelter sich weigerten, diesen Beitrag zu zahlen, ist schließlich der ö aufgehoben worden. Man zwingt die Arbeiter ferner, aus den konfumpereinen auszutreten, und übt auf diese Weise einen unberech⸗ tigten Terrorismus aus. Mit kleinlichen und. wenig, vor⸗ nehmen Mitteln sucht man die moderne Arbeiterorganisation zu bekämpfen. Von den Rollfuhrgesellschaften verlangt man, daß ihre Arbeiter nicht dem Transportarbeiterverbande angehören dürfen. Wenn Sie die Sozialdemokraten ganz fernhalten wollen, dann schließen Sie doch auch die Beförderung sozialdemokratischer Schriften, ja auch die Beftrderung von Sozialdemokraten auf der Bahn aus. Warum hat man die Eisenbahnarbeiter nicht in das Arbeitskammergesetz hineinbezogen? Der Minister hofft, daß es bei uns nicht zu einem Streik kommt. Wenn die Un⸗ zufriedenheit in dieser Weise aber weiter aufgestachelt wird, kommt es zu einer gewaltigen Erplosisn. Außer dem Streik gibt es ja noch die Möglichkeit der paffiwen Resistenz. Der Willkür muß ein Ende gemacht werden, wir wollen freie Arbeiter in einem freien Staate. Aber Preußen ist kein freier Staat. Diejenigen, die jetzt die Herr⸗ schaft in der Hand haben, werden bei den nä sten Reichtztagswahlen Quittung erhalten. Minister der öffentlichen Arbeiten von Breitenbach:
Meine Herren! Der Herr Abg. Leinert richtete an Sie den Appell: Freie Arbeiter in einem freien Staat! Ich kann ihm nur erwidern: geben Sie Czu den Sozialdemokraten) die Arbeiter frei, dann sind sie frei. (Sehr richtig! rechts, im Zentrum und bei den Nationalliberalen.)
Die Kritik des Herrn Abg. Leinert kann sich nur in begrenzten Richtungen bewegen; sie ist in seinem Sinne sicher eine erschöpfende, aber darum doch nicht zutreffend. Meine Herren, wenn die Staats eisenbahnverwaltung so wäre, wie er sie schildert, dann frage ich: wie ist es möglich, daß die Staatseisenbahnverwaltung zu allen Zeiten, besonders in den Zeiten des größten Arbeitermangels, in der Lage gewesen ist, ihr großes Personal zu halten, es ständig zu vermehren, ganz nach ihrem Bedarf (hört, hört! rechts), und auch zu jeder Zeit einen großen Zulauf an Arbeitskräften zu haben? (Sehr richtig! rechts) Meine Herren, wir befinden uns augenblicklich unter dem Zeichen einer aufsteigenden Konjunktur, und da wird es doch von Interesse sein, wenn ich feststelle, daß wir am 1. Januar d. J. nicht weniger als 30 000 Anwärter für Arbeiterstellen aufgezeichnet hatten (hört, hört! rechts), und in dem vorhergehenden Vierteljahr nicht weniger als 15 000 Arbeitsuchende zurückgewiesen hatten. — Das nur zur Einleitung und zur Beleuchtung der Gesamtkritik des Herrn Abgeordneten!
Der Herr Abgeordnete hat sich, wie andere der Herren Vor⸗ redner, mit meinen Aeußerungen in der Budgetkommission befaßt, die meiner Sorge Ausdruck gaben, daß die Stellung der Verwaltung erschwert werden könne durch das Erscheinen der Herren Parla= mentarier in den Versammlungen unserer Angestellten. Nun bezüglich der Herren Vertreter der Sozialdemokratie haben wir keine Sorge. (Bravo! rechts) Unsere Beamten wissen es ja, daß sie Ihre (zu den Sozialdemokraten) Versammlungen nicht aufsuchen dürfen — (Lebhafte Rufe bei den Sozialdemokraten: Hört, hört! — Sehr richtig! rechts. Zurufe bei den Sozialdemokraten) — meine Herren, Sie sind ja in der Lage, mir nachher zu erwidern, unterbrechen Sie mich doch nicht fortdauernd! — sie kennen die Konsequenzen und richten sich danach. Ich wundere mich nicht, daß dem Herrn Abg. Leinert mein Hinweis, daß unsere Arbeiter eine große Sicherung dadurch erfahren, daß ihnen eine erhebliche Zahl unserer Unterbeamtenstellen zugänglich ist, sehr unbequem gewesen ist. Ich konnte voraussehen, daß er die Methode anwenden würde, die er angewandt hat, um diese meine Aeußerung zu diskreditieren. Alles, was er in dieser Beziehung gesagt hat, ist hinfällig. Es stehen nicht bloß, wie ich neulich sagte, 115 000, sondern 120 000 Stellen für die Arbeiter offen, und es sind nicht nux 60 000 Arbeiter in den letzten 10 Jahren eingerückt, sondern, wie ich auf Grund einer Nach⸗ prüfung festgestellt habe, 6 bis 70 000. (Hört, Hört! rechts) Herr Abg. Leinert sagt, was will das besagen? — das macht nur 6000 oder 65600 Köpfe pro Jahr — was will das besagen gegenüber einer Zahl von 330 000 Angestellten, die im Arbeiter und Hilfsbeamtenverhältnis sich befinden? Er stellt die beiden Zahlen 6000 oder 6500 gegenüber 330 000. Ich möchte den Herrn Abgeordneten fragen, ob es in irgendeinem Berufe möglich ist, fofort in die Lebensstellung einzurücken, auf die man ab zielt, ob nicht jeder pon uns eine lange Wartezeit gehabt hat (sehr richtig!), ehe er die Berufsstellung errang, die er sich vorgenommen hat. Wir stellen unsere Arbeiter ein in einem Alter von 18 Jahren bis 20 Jahren; das bildet die Regel. Wenn die Arbeiter 10 oder auch 12 Jahre warten müssen, bis sie in eine Beamtenstellung ein⸗ rücken können, so ergibt sich aus diefer Rechnung, wenn Sle von den jährlichen Zahlen Goh) oder bo) ausgehen, daß Jo, bis 2000 An⸗ wärter in die Stellen eingerückt sind, auf die sie reflektiert haben. Es ist also ein starker Prozentsatz von Angestellten, denen wir inner⸗ halb einer gegebenen Frist diese Sicherung für ihr Dasein schaffen können. Das kann niemand hinwegreden; das ist eine Tatsache, und