1883 / 6 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 08 Jan 1883 18:00:01 GMT) scan diff

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Tellung der von Gemeinden und Einzelnen erlittenen Wasserschäden an. Die Feststellung soll sich auch darauf erstrecken, ob die Staatehülfe unabweisbar sei oder nicht und in welcher Weise die geeignetste Unterstützung zu geschehen

Hessen. Darmstadt, 8. Januar. (W. T. B.) Die Staatsregierung hat in einer Vorlage an die Stände die Bewilligung eines durch Anleihen zu beschaffenden Betrags von 500 000 MM zur Hebung des durch die Ueberschwem mung verursachten Nothstandes beantragt. Die Beschaffung vorläufiger Unterkunftsräume, insbesondere von Baracken, die künstliche Beförderung der Entleerung der überschwemmten Gebiete von Wasser, die Wiederherstellung der zerstörten Häuser und event. der Ersatz des verloren gegangenen Viehes, Futters und der Früchte werden als Zweck der Verwendung der ge⸗ forderten Summe bezeichnet.

Mecklenburg. Schwerin, 5. Januar, Abends 7 Uhr. (Mecl. Anz) Von dem Befinden Sr. Königlichen Hoheit des Erbgroßherzogs ist zu berichten, daß dasselbe sich im Allgemeinen zusehends gebessert hat. Die Kräfte heben sich; der Erbgroßherzog kann etwas umhergehen, ohne zu ermüden. Der bereits gemeldete Nachlaß in den wesentlichen Krankheits— fymptomen hat Bestand gewonnen; indessen darf die Brust⸗ affektion noch immer nicht als vollständig beseitigt angesehen werden.

Elsaß⸗ Lothringen. Straßburg, 5. Januar. Wie die „Els.⸗Lothr. Ztg.“ mittheilt, wird der Landesausschuß zum 15. d. Mts. einberufen werden.

Niederlande. Haag, 6. Januar. (W. T. B.) Die Regierung hat bei der Kammer einen Gesetzentwurf, be⸗ treffend die Revision der Eintheilung der Wahlbezirke, eingebracht; in demselben werden im Allgemeinen einfache Wahlbezirke vorgeschlagen, mit Ausnahme der fünf größeren Städte, welche mehrere Deputirte wählen sollen.

Großbritannien und Irland. London, 6. Januar. (W. T. B.) Die Königin hat den Herzog von Cam— bridge in Anerkennung seiner Verdienste anläßlich des egyp— tischen Krieges zu ihrem persönlichen Adjutanten ernannt.

8. Januar. (W. T. B.) Der Hausarzt des Premiers Gladstone, Sir Andrew Clarke, welcher nach Hawarden gerufen wurde, erklärte, Gladstone sei in Folge angestrengter Arbeit leidend und bedürfe der Ruhe. Der Besuch Glad⸗ stone's bei seinen Wählern in Midlothian ist deshalb aufge⸗ geben worden.

Frankreich. Ueber das feierliche Leichen begängniß Gambetta's wird vom „W. T. B.“ weiter berichtet:

Paris, 6. Januar, Nachmittags 1 Uhr. Die Spitze des Trauerzuges langte um 121 Uhr auf dem Boulevard Se⸗ bastopol an, während auf der Invaliden-Esplanade noch eine große Anzahl von Delegationen den Zug erwartete, um sich demselben anzuschließen. Der Leichenwagen traf schon auf dem Pere Lachaise ein, bevor die letzten Leidtragenden das

Palais Bourbon verlassen hatten. Außer den Militärmusik—

corps befanden sich noch zahlreiche Musikkapellen von Vereinen und Gesellschaften im Zuge, welche Trauerweisen spielten.

6. Januar, Nachmittags. Den Leichenzug begleiteten auf dem ganzen Wege die Zurufe: Es lebe Frankreich! Es lebe die Republik! Die elsaß⸗lothringische Delegation wurde mit sympathischen Kundgebungen empfangen. Um 1 Uhr traf der Leichenwagen bei dem Pere Lachaise ein.

Der Kammerpräsident Brisson, welcher am Eingange des Pere Lachaise die Reihe der Trauernden eröffnete, erinnerte an die heldenmüthigen Anstrengungen Gambetta's im Jahre 1870, um . zu retten. Sein Tod sei ein nationaler Trauerfall; Frank eich beweine den für seinen Ruhm bege sterten Sohn; die Tribüne stehe in Trauer. Redner erinnerte ferner an Gam— betta's Bemühungen, eine Vereinigung innerhalb der republi— kanischen Partei herzustellen, und schloß seine Rede etwa folgendermaßen: Unser Schmerz sei kein unfruchtbarer! Auf den Sarg, welchen die Freunde, Mitbürger, Männer von allen Parteien, Vertreter der Armee, sowie Kinder unserer so theuren Provinzen umgeben, lassen Sie uns den Schwur niederlegen, daß wir arbeiten wollen, um diese Ver— einigung herbeizuführen, welche der Wunsch Gambetta's war! Es lebe Frankreich! es lebe die Republik!“ (Beifall, welcher von der Menge wiederholt wurde.) Hierauf sprachen der Justiz— Minister Deres und der Vize⸗Präsident des Senats, Peyrat. Der Kriegs-Minister Billot sagte Gambetta Lebewohl im Namen der Armee, welche er so sehr geliebt und welche ihn ebenfalls so sehr geliebt habe. (Rufe: es lebe die Armee! Die folgenden Redner waren Cazot, Henri Martin, Chauffour, Falatéuf, Métivier.

Der Justiz⸗Minister Devss begrüßte Namens der Regierung die sierbliche Hülle des großen Bürgers. Der Verlust eines solchen Mannes sei eine nationale Trauer. Das Vaterland trage Trauer um einen Sohn, der es geliebt und leidenschaftlich vertheidigt habe. Ja, die Liebe zu Frankreich, das Vertrauen auf seine Geschicke, als alle Hoffnung auf eine glückliche Wendung zu schwinden schien, der Entschluß, Frankreich nicht in eine untergeordnete Stellung fallen zu lassen, kennzeichneten die unverwischbar große Gestalt des Verstorbenen. Außer dem Patriotisn us, der zu der nationalen Vertheidigung beseelt habe, müsse man bei Gambetta auch noch die Höhe seiner polnischen Gesichtspunkte und das tiefe Gefühl für den Willen des Landes bewundern. Sein Leben sei

anz und vollständig dem Dienste Frankreichs und der

epublik gewidmet gewesen, welche seine Hingebung als Sohn des Landes niemals von einander getrennt habe. Der Verstorbene sei viel zu früh dahin geschieden, er habe aber das Land zurücgelassen als den Herrn seiner Geschicke und gedeihend und frei unter einer Staatsleitung, die von allen Seiten respektirt werde und mit Recht populär sei. Die beiden großen Güter, denen die Sorge des Verstorbenen ge— olten hase, die republikanische Ordnung im Innern und das friedliche Ansehen Frankreichs nach Außen seien für die Zu⸗ kunst sichergestellt. So werde, verknüpft mit der nationalen Geschichte, Gqumbetta's Andenken leben in den Herzen aller Patrioten.

Falateuf sprach im Namen des Barreau. Nachdem er die persönlichen Eigenschaften und das Talent Gambetta's lobend hervorgehoben, sagte er: Unter einer demokratischen Regierung würden solche Ehrenbezeugungen entweder keinen Sinn haben, oder eine Abdankung bedeuten, wenn sie lediglich den Menschen im Auge hätten. Aber dieselben zielten höher und weiter; sie seien zugleich dem Andenken an den Widerftand gegen eine t negreiche Invasion gewidmet;

sie gäben dem Gefühl der Erkenntlichkeit gegen alle die⸗ jenigen Ausdruck, welche auf den Ruf Gambetta's für das Vaterland gestorben seien, jene Todten, welche sich vergessen wähnten, und welche jetzt sich erhöben angesichts der Fahnen der Armee. Vor diesen Todten verneigen wir uns; dies ist der Sinn dieses feierlichen Tages“. Der Zug der Leichen⸗ folge und der Menschenmenge bis zum Eintritt in den Fried⸗ hof dauerte drei Stunden und umfaßte an zweihunderttausend bis dreihunderttausend Menschen. Der Leichnam wurde in dem provisorischen Grabgewölbe beigesetzt. Nur die Ver⸗ wandten und Freunde Gambetta's hatten Zutritt zum Friedhofe. . wird morgen oder Montag nach Nizza gebracht werden.

Chauffour hielt im Namen der elsaß⸗lothringischen Gesellschaften in Paris eine Rede, in welcher er sagte: Wahrend des Krieges war Gambetta für uns die Seele des Vaterlandes; in der Nationalversammlung von Bordeaux war er der Repräsentant unseres Unglücks; nach der Ver⸗ stümmelung des Landes blieb er der Repräsentant unserer unbesiegbaren Hoffnung. Wenn er von Elsaß⸗Lothringern sprach, so sagte er, sie seien zweimal Franzosen. Gambetta flößte in ganz Elsaß⸗-Lothringen ein besonderes Gefühl ein, ge⸗ mischt aus Bewunderung, Erkenntlichkeit und vertrauender Hoffnung. „Ein Mann, der Eveles geleistet, ist dahin, aber von seinem Werke bleibt das, was wirklich vollendet ist und das noch viel größere, was den geheimen und großherzigen Ehrgeiz seines Lebens bildete. Theuere Mitbürger! Was wir dem großen Todten schulden, sind nicht unfruchtbare Thränen und Worte der Verzweiflung; wir müssen hierher einen männ— lichen Schmerz bringen, einen Schmerz von Männern, welche, weit davon entfernt, in Trauer unterzugehen, sich wieder auf⸗ richten und an ihre Aufgabe mit neuem Eifer zurückkehren. Ein großer Freund Elsaß Lothringens ist todt, aber Frank⸗ reich, unser theures Vaterland, lebt, ist kräftig und bereit, dem Appel an seine glorreiche Bestimmung zu entsprechen. Es lebe Frankreich! Es lebe die Republik!“

7. Januar, Morgens. Die republikanischen Zeitun⸗ gen sprechen sich übereinstimmend mit Anerkennung Über die ernste, gesammelte und patriotische Haltung der Volks menge bei der gestrigen Beerdigungsfeier aus. Die royalistische Presse sagt, daß die Ceremonie zu theatralisch gewesen sei und der Aufrichtigkeit ermangelt habe. Von Seiten der Organe der Intransigenten wird behauptet, das eigentliche Volk sei der Feier fern geblieben. ö

7. Januar, Abends. (W. T. B.) Die republikani⸗ schen Abendblätter sprechen die Hoffnung aus, daß aus dem Gambetta'schen Leichenbegängnisse und den Ereignissen dieser Woche für alle Republikaner und besonders für das Parlament Entschlüsse der Eintracht hervorgehen würden, und daß die Gefühle der Einigkeit, welche in den Trauerreden zum Ausdruck gekommen seien, länger dauern würden als die Blumen auf dem Grabe Gambetta's.

Das Journal „Le Chat noir“, welches anläßlich des Todes Gambetta's Angriffe gegen Deutschland richtete, ist heute früh mit Beschlag belegt worden.

Die Beerdigung des Generals Chanzy in Chalons wird, einer Entschließung der Regierung zufolge, ebenfalls auf Staatskosten erfolgen.

Spanien. Madrid, 7. Januar. (W. T. B.) In einem gestrigen Ministerrath scklug der Finanz— Minister Camacho vor, den Staatsschatz zu verpflichten, alle Staatswaldungen, welche einen Werth von 40 Mill. Pesetas repräsentiren, zu verkaufen. Der Minsster der öffent— lichen Arbeiten widersetzte sich energisch diesem Plane. Beide kündigten darauf ihre Demission an. Sagasta hofft eine Versöhnung zwischen beiden Ministern herbeizuführen; andern— falls dürfte der Finanz-⸗Minister im Kabinet verbleiben, der Arbeits-Minister aber sein Portefeuille abgeben.

Die Regierung hat heute früh beschlossen, die Verantwort— lichkeit für die Reden Brissons, Peyrats, Deves' und Billots zu übernehmen; alle anderen Reden haben einen durchaus privaten Charakter. Bei der Feier ist keinerlei Unordnung, kein ernsterer Unfall vorgekommen. Unter den Anwesenden bemerkte man den Fürsten Hohenlohe, Essad Bey, Léon Say, Freycinet und viele andere hervorragende Persönlichkeiten des In- und Auslandes.

T. Januar, Abends. (W. T. B.) Das Ministerium hielt he ute Abend wieder eine Sitzung ab und beschloß nach längerer Berathung über die eingetretene Krisis, seine Ent⸗ lassung einzureichen. Das Demissionsgesuch wurde dem König vom Conseils-Präsidenten Sagasta alsbald überbracht.

Italien. Rom, 7. Januar. (W. T. W.) Der Staatsprokurator und ein Untersuchungsrichter haben gestern eine Büste Oberdanks, welche heute Abend von dem demokratischen Universitätsverein enthüllt werden sollte, sowie verschiedene Papiere mit Beschlag belegt. Drei Studenten, welche die Einladungen zu dieser Enthüllung unterzeichnet hatten, sind verhaftet und bei denselben Haus⸗ suchungen vorgenommen worden.

Türkei. Konstantinopel, 7. Januar. (W. T. B.) Nach einer Depesche aus Tripolis hat der dortige italie— nische Konsul eine Schildwache mißhandelt und hat die Pforte deshalb bei dem hiesigen italienischen Botschaster Grafen Corti Vorstellungen erhoben und Genugthuung verlangt. Ueber den Hergang selbst wird Folgendes gemeldet: Der italienische Konsul, der sich auf die Jagd begab, wollte ein Festungsthor passiren, bei welchem der Durchlaß nur gegen besondere Erlaubnißscheine gestattet ist, welche viele Personen, namentlich aber die Konsuln besitzen. Der Konsul hatte seinen Erlaubnißschein vergessen, bestand aber trotzdem darauf, das Thor zu passiren. Als die Schildwache dies in Gemäßheit ihrer Instruktionen verweigerte, schlug der Konsul auf die Wache mit der Reitpeitsche ein.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 6. Ja—⸗ nuar. (W. T. B.) Der Minister des Kaiserlichen Hoses, Graf Woronzoff⸗Daschkoff ist von seiner Reise zurück⸗ gekehrt und hat die Leitung des Ministeriums wieder über⸗ nommen.

Amerika. Washington, 6. Januar. (W. T. B.) Die landwirthschaftliche Kommission des Re— präsentantenhauses hat beschlossen, die Bewilligung von 30 0090 Doll. für die Entsendung von Vertretern zu der in Hamburg stattfindenden Vie hausstellung zu empfehlen.

Die gesetzgebende Körperschaft von Tennefssee hat eine Resolution angenommen, in welcher sie der Annahme Ausdruck giebt, daß der Schatz meister des Staats, Polk, ein Neffe des ehemaligen Präsidenten Polk, derjenige Veamte sei, welchem der 400 00 Doll. betragende Defeit zur

Last falle. Die Behörden sind angewiesen worden, das Ver⸗ mögen des Polk, welcher während der Prüfung der Kaffe flüchtig geworden ist, mit Beschlag zu belegen. Die Geschãste des Staatsschatzes sind einstweilen eingestellt.

Afrika. Egypten. Kairo, 7. Januar. (W. T. B.) Dem „Reuterschen Bureau“ wird gemeldet: Das Dekret dez Khedive, welches die internationale Kommission für die Entschädigungen ernennt, wird alsbald erwartet. Nach dem den Vertretern der auswärtigen Mächte gestern unterbreiteten Entwurf würde Egypten zwei Mitglieder zu derselben entsenden, und zwar den Präsidenten und den Vize⸗ Präsidenten; England, Frankreich, Italien, Deutschland, Oesterreich, Rußland und die Vereinigten Staaten von Nord! amerika je ein Mitglied.; Dänemark, Holland, Portugal, Spanien und Schweden würden gemeinsam durch ein Mit glied in der Kommission vertreten sein.

Alexandrien, 6. Januar. (W. T. B.) Gestern Abend fand hier zwischen türkischen und euro päischen Polizei⸗ beamten ein thätlicher Zusammenstoß statt, wobei ez mehrere Todte und Verwundete gab; den Anlaß sollen die türkischen Polizeibeamten gegeben haben, welche betrunken waren.

7. Januar. In dem am Freitag zwischen europäischen und albanesischen Polizeibeamten stattgehabten Streite wurden ein Albanese getödtet und sechs schwer verwundet, von den Europäern zwei leicht verwundet. Die englischen Behörden erließen eine Warnung mit der Androhung, daß jede neue Unordnung mit Gewalt unterdrückt werden würde.

Zeitungsstimmen.

Unter der Ueberschrist „Ungerechte Vorwürfe“ sagt das „Deutsche Tageblatt“:

Immer und immer wieder kommen die liberalen Zeitungen auf die Aeußerung der „Prov. ⸗Corr.' zurück, daß die augenblickliche Nicht. zustimmung der Polksvertretung zu den Plaͤnen der Regierung für letztere durchaus kein Grund sel, von denselben abzustehen, sondern daß sie beabsichtige, die betreffenden Vorlagen stets von Neuem zu machen, bis sie angenommen werden würden. Es ist immer daz alte Lied von dem „Scheinkonstitutionalismus“, das die liberale Presse zum Besten gibt, welches aber durch seine Wieder— holungen nicht wohllautender wird. In Preußen und Deutsch— land ist eben nur das verfassungsmäßig, was in der preußi⸗ schen bezw. deutschen Verfassung steht, mögen in andern TLaͤn— dern noch so verschiedene Einrichtungen bestehen. Der verfassungtz— mäßige Einfluß der Volksvertretung beschränkt sich bei uns darauf, daß ohne ihre Zustimmung kein Gesetz erlassen werden kann. Liegt nun der Regierung viel am Zustandekommen eines Gesetzes, so macht sie in gewissen Punkten der ausschlaggehenden Partei Zugeständniffe, wie dies lange Zeit zu Gunsten der liberalen Partei geschehen ist. Darin hat aber auch der Einfluß der Volksvertretung seine Grenze, sie hat der Regierung nicht vorzuschreiben, welche Vor— lagen sie zu machen oder zu unterlassen hat. Waͤre dies der Fall, so wäre die Regierung nicht mehr gleich— berechtigter Faktor mit der Volksvertretung, denn auch die Re⸗ gierung kann es nicht verhindern, daß von Selten der Volksvertretung Gesetzentwürfe eingebracht werden, wenn sie ihr auch noch so unlieb⸗ sam sind. Niemand und auch wir nicht wird dann von einer Mißachtung‘ der Regierung sprechen, welche von der Volksvertretung ausgeht, aber wir verlangen nun auch, daß dieser Vorwurf nicht gegen die Regierung geschleudert wird, wenn sie nur innerhalb ihrer ver— fassungsmäßigen Zuständigkeit handelt. Und auch abgesehen davon sollten wir wahrlich Gott danken, daß wir noch eine starke Regierung haben. Die Parteien sind weiter nichts als der Ausdruck von Interessengruppen. Diese Interessen bekämpfen sich natürlich. Damit nun dieser Kampf nicht dem Bestehen des Ganzen gefährlich werde, ist es nothwendig, daß eine Gewalt vorhanden ist, welche, von diesem Ringen nicht berührt, da eine That der ausgleichen den Gerechtigkeit zu vollbringen vermag, wo die einseitige Betonung gewisser Interessen das Gleichgewicht der Kräfte zu stören droht. Diese Gemalt aber ist nur in einer starken Monarchie gegeben. Was würde z. B. aus Preußen nach 1806 geworden sein, wenn die Staatsgewalt damals nicht stark genug gewesen wäre, die Befreiung des Bürger- und Bauernstandes auch gegen den Willen der maßgebenden Partei durchzusetzen? In einer ganz ähnlichen Zeit leben auch wir. Auch jetzt ist es nothwendig, daß diese ausgleichende Gerechtigkeit wieder eingreife, weil in der That das Gleichgewicht der Kräfte gestört ist und täglich noch mehr gestört wird. Die Liberalen können die Stein-Hardenbergsche Zeit nicht genug loben, nur sollen sie nicht Bestrebungen, welche den von den genannten Männern ge— machten vollkommen ähnlich sind, nur deswegen in der bekannten un⸗ erhörten Weise verunglimpfen, weil sich dieselben nun gegen sie richten.

„Steins volkswirthschaftliche Correspon— denz“ schreibt:

Die sogenannte Lizenzsteuer, aus welcher die Deckung für die von der Regierung beantragte Aufhebung der vier untersten Klassensteuer⸗ stufen beschafft werden soll, ist an eine Kommission überwiesen wor⸗ den, aus welcher dieselbe dem Landtage wohl kaum zur Annahme wird empfohlen werden. Es ist die allseitige Opposition gegen diese Steuer⸗ vorlage aber um so merkwürdiger, als die Anschauung der Regie⸗ rung über die Nothwendigkeit einer ehesten Aufhebung der untersten Klassensteuerstufen in der Wesenheit auch ziemlich vom ganzen Landtage getheilt wird, und als eine andere Art der Bedeckung des daraus entstehenden Budgetausfalles von keiner Seite förmlich be⸗ antragt wurde. Dasjenige aber, was diesbezüglich von den Rednern des Hauses als wünschenswerth bezeichnet worden ist, dürfte aller Voraussicht nach die Zustimmung der Staatsregierung nicht erhalten, welche sich in den Motiven ihrer Steuervorlage wohl deutlich genug dahin ausgesprochen hat, daß die Zurücknahme der den Steuerpflich= tigen in den zwei letzten Jahren gewährten Steuernachlässe nur aut Gründen der dringendsten Noth gerechtfertigt werden könnte.

Es wird dann bedauert, daß die Uebereinstimmung aller Parteien nur dahin gehe, die von der Regierung vorgeschlagene, sogenannte Lizenzsteuer abzulehnen, wodurch erstere gezwungen werden solle, in die Rücknahme der durch die Gesetze vom 16. Juli 1880 und 10. März 1881 festgestellten Steuererlässe zu willigen, aus denen die Deckung für die Aufhebung der untersten Klassensteuerstufen zu beschaffen wäre. Analisire man die Einwendungen gegen die Steuer, so finde sich bald, daß dieselben sammt und sonders nur auf ein Einziges zu⸗ rückzuführen seien, nämlich auf die Verquickung der für Preußen nothwendigen internen Steuerreform mit der Reichs⸗ steuerfrage. Dann heißt es weiter:

Würde auf diese Verweisung der preußischen Steuerreform auf die Reichsmittel verzichtet, so wurden damit von selbst alle Wider⸗ sprüche in der Begründung, sowie der provisorische Charakter der Steuerauflage beseitigt sein; dieselbe würde Jedermann nur als daß⸗ jenige erscheinen, was sie wirklich ist, nämlich eine nach der Größe des Geschäftsbetriebes und der lokalen Einwohnerzahl auf die Person der Geschäftsinhaber umgelegte, direkte Gewerbesteuer, welche eine Vertheuerung des Konsums der betreffenden Artikel, bei ihrer Beschränkung auf die preußischen Lande, kaum nach sich ziehen dürfte. Es mag an der Steuervorlage hinsichtlich der Art der Veranlagung und Einhebung noch Manches zu ändern und zu bessern sein, allein prinzipiell läßt sich eine auf den Vertrieb der geistigen Getränke und des Tabacks gelegte höhere, oder besondere Gewerbesteuer nicht verurtheilen, insbesondere wenn man sich vorhaält,

daß sie gewiß viel besser und gerechter wäre, als die Klassensteuer, welche dagegen aufgehoben werden soll, und daß im Falle der Ablehnung diefer sogenannten Lizenzsteuer, doch nichts anderes bliebe, als entweder der Fortbestand der bisherigen, oder eine Staagtsanleibe jur Deckung des die Aufhebung der untersten Klassensteuerstufen ent⸗ stebenden Ausfalles im Budget. Denn davon, daß diese Mittel recht zeitig, sei es durch die von der einen Seite befürwortete Reform der direkten Steuern, inbegriffen die beantrggte Börsensteuer, oder durch die von der anderen Seite begehrte Reform der Rübenzucker⸗ und Branntweinbesteuerung, aufgebracht werden würden, kann doch keine Rede sein. ; J Die „Deutsche Con sulats⸗Zeitung schreibt: In dem syoeben erschienenen, auch in diesen Blättern schon erwähn⸗ ten Werke . Das deutsche Wirthschaftsjahr 18812, nach den Jahres berichten der Handelt kammern dargestellt von dem Generalsekretariat des deutschen Handels tages wird bei der Schilderung der allgemeinen Lage von Handel und Industrie betont, daß sich auf allen Gebieten der Er⸗ werbẽthätigkeit ein Uebergang zum Besseren zeige. Ein solches Fortschreiten kann, wie in der. Deutschen Consulatẽs · Zeitung wiederholt nachgewiesen wurde, auch für das Jahr 1882 konstatirt werden, und zwar kommt dasselbe ganz besonders in der deutschen Handelsbilanz, welche uns augenblicklich, wenn auch nur provisorssch für die drei ersten Quartale 1882 vorliegt, zum Ausdruck. Im Jahre 1881 bezifferte sich dieselbe auf 152 Mill. Mark Unterbilanz, im Jahre 1857 hingegen nur auf 119 Mill. Mark, was ein Plus von 33 Mill. Mark zu Gunsten einer Unterbilanz ergiebt. Dieses Plus resultirt vorwiegend aus einer erhöhten Ausfuhr und würde sich noch höher gestellt haben, wenn nicht bei Getreide eine Zunahme von 62 Mill. Mark in der Einfuhr, verbunden mit einer Übnahme von 7 Mill. Mark in der Ausfuhr stattgefunden hätte. Die Zunahme der Ausfuhr erstreckte sich besonders auf die Positio⸗ nen: Eisen⸗ und Eisenwaaren, Instrumente, Maschinen und Fahr⸗ euge, Kleider, Leibwäsche und Putzwagren, Leder und Lederwaaren, apier und Pappwaren, Seide und Seidenwaaren und Material- waaren und zwar bei letzteren hauptsächlich Branntwein und Mehl. In den einzelnen Quartalen stellt sich die Bilanz wie folgt (Nehr— einfuhr 4, Mehrausfuhr —:

1882 1881 (000 A) (1000 AM) im I. Quartal auf 4 59 895 84749 II 2 * 50133 74772

JJ

Sa. 1II9 262 151837

Auffallend ist im dritten Quartal 1882 das Plus von 9 Mill. Mark gegenüber einem Minus von 7 Mill. Mark, was indessen lediglich durch die um ca. 40 Mill. Mark erhöhte Einfuhr von Getreide entstanden ist. .

Somit läßt sich auch hier wiederum bestätigen, daß das Getreide der wichtigste Faktor in, der Handelsbilanz ist. Lediglich von der Ernte ist die Bilanz abhängig; bei einer guten Ernte werden wir stets eine günstige Handelsbilanz haben. Ist hingegen die Ernte mittelmäßig, so ist die größere Einfuhr von Getreide die Folge und ein Ausgleich kann alsdann nur durch eine Zunahme der Ausfuhr von Industrieprodukten geschaffen werden. —.

Der Export hat im letzten Jahre ganz entschieden zugenommen, und falls es im letzten Quartal des Jahres bei einem Fortschreiten in dieser Beziehung bleihen sollte, so dürfte für das Jahr 1882 noch eine Ueberbilanz zu erhoffen sein, vorausgesetzt, daß keine überaus große Einfuhr von Getreide stattfindet.

Reichstags Angelegenheiten.

Sch lochau, 5, Januar, (W. T B) Definitiv festgestelltes Resultat der Reichstagsstichwahl: Von 17267 abgegebenen Stimmen erhielt Geh. Regierungs⸗Rath von Tepper -⸗Lagkifrei— kons) 9602 und Rittergutsbesitzer von Komierowski (pole) 7626 Stimmen.

Statistische Nachrichten.

Der vor Kurzem erschienene, vom Archiv-Rath Dr. Fr. Wigger in Schwerin herausgegebene 47 Ighrgang der „Jahr- bücher für Mecklenburgische Geschichte und Älter— thumskunde enthält zunächst zwei werthvolle Arbeiten des Heraus— gebers: Urkundliche Mittheilungen über die Beghinen und Begharden— ö in Rostock und „Der Erbstreit um das Gut Postow im Jabre 1386, ein Beitrag zur Kenntniß des schwerinschen Rechtes“. Es folgen alsdann nachstehende Aufsätze: „Michael Kopmanns Chronik St. Nicolai zu Wismar“ von hr. F. Crull; ‚Die Deko⸗ ration des Innern der Kirche St. Nicolai zu Wismar“ von dem— selben; ‚Dr. theol. Hinrich Boger oder Hinricus Flexor, der Be— gleiter des Herzogs Erich nach Italien (1502 1504) von Dr. R. E. S. Krause zu Rostock; ‚Der Leibarzt Dietrich Ulsenius“ von dem— selben; „Das Bisthum Schwerin in der evangelischen Zeit' vom Archivar Dr. Fr. Schildt, 1. Theil; „Die BJemeinde Vellabn ju Anfang des 18. Jahrhunderts!“ von demselben; „Ueber das Treffen. bei Walsmühlen am 5.6. März 1419 vom General Major 3. D. Köhler. Den Schluß bildet eine Reihe von Mittheilnngen über aufgefundene Alterthümer. Diefe Beiträge ent⸗ halten wiederum viele und werthvolle Ergebnisse der mecklenburgischen Geschichtsforschung, die sich zum Theil, d. h. soweit sie in den Zeit⸗ raum vor dem Jahre 1356 fallen, auf das treffliche mecklenburgische Urkundenbuch stützen. Im Einzelnen mag noch bemerkt werden, daß das oben angeführte Treffen bei Walsmuͤhlen, welches zwischen den Mecklenburgern und Russen unter dem damaligen mecklenburgischen General. Major von Schwerin einerseits sowie den von der Elbe hzranrückenden hannoverschen ECxekutionstruppen unter General von Bülow andererseits stattfand, bisher nur aus dem ausführlichen Be⸗ richt bekannt war, welchen der genannte, später im preußischen Dienst berühmt gewor dene General von Schwerin an den erzog Carl Leo⸗ pold von Mecklenburg ⸗Schwerin erstattete. (Vergl. Klüverg Beschrei⸗ bung des Herzogthums Mecklenburg, Band V S. 4 ff.). Die Köhlersche Darstellung des Treffens beruht noch auf anderen Quellen im Großh. Geheimen Archiv in Schwerin. Sie ist militärwissenschaft . lich gehalten und bringt genaue Angaben über Formation und Stärke der betheiligten Truppen.

. Sum marische Uebersicht über die Zahl der Stu— direnden auf der Königlichen Üniverfikät Marburg im Wintersemester 1882/83. Im Sommersemester 1882 sind (einschließ⸗ lich 2 noch Hinzug / kommener) immatrikulirt gewesen 768. Davon sind abgegangen 216. Es sind demnach geblieben 538. Dazu sind in diesem Semester gekommen 238. Die Gesammtzahl der immatriku⸗ lirten Studirenden beträgt 756. Sie evangelisch theologische Fakultät zählt Preußen 96. Nichtpreußen 16, zufammen 112. Hie juristische Fakultät zahlt Preußen 87. Nichtpreußen 15, zufammen 1623. Die medizinische jakultät zählt Preußen 146, Nichtpreußen 31, zusammen

Die philosophische Fakultät zühlt a Preußen“ mit dem Zeugniß der Reife 257, b. . ohne Zeugniß der Reife nach 8§. 3 der Vorschriften vom 1. Sktoher 1855 45. zusammen Preußen 305, 8. Richt⸗ preußen 66, zusammen 371. Außer diefen immaätrikulirten Studiren⸗ den besuchen noch Vorlesungen mit Genehmigung des Rektors 34. Es nehmen mithin an den Vorlesungen überhaupt Theil 790.

Gewerbe und Handel.

Die Londoner „Allg. Corr. meldet: In Großbritannien und Irland haben im abgelaufenen Jahre ü ois Falliffements stattgefunden, von denen 1314 auf das Engrosgeschäft und 9705 auf den Kleinhandel entfallen. Im Vergleich mit 1881 ist in den In⸗ olvenzen eine Abnahme zu verzeichnen; in 1881 nämlich betrug die

Kattowitz, 6. Januar. (BW. T. B.) In der heutigen Konferenz von Walzeisenfabrikanten wurde beschloffen, die Grundpreise für Waljeisen unverändert ju lassen.

Weimar, 5. Januar. (Thür. Corr) Die Ausfuhr von Waaren aus dem Konsularbezirk Sonneberg nach den Vereinigten Staaten betrug im Jahre 1883 76528056 Doll., 1881 dagegen nur 1 876 19 Doll, ergob also ein Mebr won 160 45 Doll. Das letzte Quartal 1882 weist indessen gegen das nämliche Quartal 1881 eine Abnahme von 49 533 Doll. auf. Doch pflegt dieses Quartal in der Regel das schlechteste zu sein. Die be⸗ deutendsten Ausfuhrartikel sind: chinesische Ärtikel (für 604 193 Doll.), . und Spielwaaren (552 322 Doll.), Glaswaaren (I9õ 11 Do Y baumwollene Strumpfwaaren ( 73 921 Doll.). Dann folgen Sämereien, Papiermachswaaren, arbwaaren, Rauchartikel. Die Ausfuhr aus dem Konsulardistrikt Gera Grei; ergab im letz⸗ ten Quartal 1882 ein Mehr von 159 464 M gegen den gleichen Zeit— raum im Vorjahr, das wesentlich bedingt wird durch den gesteiger ten Erport an wollenen Kleiderstoffen (315 248 M statt 199 856 10. Der Erport im ganzen Jahre 1882 weist ein Mehr von 1 305 829 4. auf (3 058 454 S statt 1751 605 M im Vorjahre). Einfluß auf diese Zunahme hat auch die Ueberweisung Erfurts in jenen Konsular⸗ bezirk gehabt.

Glasgow, z. Januar. (W. T. B.) Die Vorräthe von Roheisen in den Stores belaufen sich auf 606 460 Tons gegen 628200 Tons im vorigen Jahre. Zahl der im Betriebe befindlichen Hochöfen 109 gegen 105 im vorigen Jahre.

New⸗JYork, 5. Januar. (W. T. B.) Baumwollen⸗ Wochenbericht. Zufuhren in allen Unionshäfen 225 000 B., Ausfuhr nach Großbritannien 123 00 B., Ausfuhr nach dem Konki—⸗ nent 66 009) B., Vorrath 964 000 B.

Verkehrs⸗Anftalten.

Triest, 8. Januar. (W. T. B.) Der Lloyddampfer „Orion“ ist gestern Abend mit der oftindischen Ueberlandpost hier eingetroffen.

Berlin, 8. Januar 1883.

Ihre Majestät die Kaiserin und Königin hat zu Beginn des neuen Jahres dem Central-Provinzial-Comitè in Coblenz 2009 S, den Unterstützungs Comité s in Ludwigs— hafen, in Karlzruhe und in Darmstadt, dem bayerischen Frauen⸗Verein, dem Vaterländischen Frauen Verein in Straß— burg und dem Bürgermeister von Worringen in der Rhein— Ns je 1000 M für die Ueberschwemmten übermitteln assen.

Aus England sind Ihrer Majestät 6500 „, als Ergebniß dortiger Sammlungen fur die Nothleidenden, zur Verfügung gestellt worden.

Ih re Majestät die Kaiserin hat dem Deutschen Central— ö der Vereine vom Rothen Kreuz folgendes Schreiben über- andt:

Die Glückwünsche des Central-Comitss zum Jahreswechsel haben Mir wahre Freude bereitet, wie jeder Anlaß, der Mich mit dem— selben in Berührung bringt. Ich hoffe, daß das beginnende Jahr es Mir ermöglichen wird, die alte Theilnahme einer Thätigkeit zu be— wahren, deren Ziel ein so erstrebenswerthes ist, und ich erkenne dank— bar in dem Verlaufe des vergangenen Jahres manche Forderung und Ausdehnung an, welche dem Werke des Rothen Kreuzes zu Theil geworden, dessen weitere Vervollkommnung unablässige Sorge er— fordert.

Berlin, den 2. Januar 1883.

Augusta.

An das Deutsche Central ⸗Comitsè der Vereine vom Rothen Kreuz hier.

In der am Sonnabend abgehaltenen Sitzung der Gesellschaft für Erdkunde widmete zunächst der Vorsitzende, Korvetten⸗-Kapitän Freiherr von Schleinitz, dem Professor Pr. Bastian, als früherem Vorsitzenden, Worte dankharer Anerkennung, gedachte sodann in einer kurzen Uebersicht der Ergebnisse des letzten Jahres und der verschiedenen Reisenden und gab zum Schlusse einige statistische Zahlen über die Gesellschaft, die jetzt 990) Mitglieder zählt, aber noch nicht Vermögen genug besitzt, um sich das längst gewünschte eigene Heim zu gründen. Den ersten Vortrag hielt der Direktor der hiesigen Sternwarte, Professor Dr. Förster, über die Er— gebnisse der Beobachtungen des Venusdurchgangs von 1374 und 1882. Redner eröffnete seinen Vortrag mit einer Verwahrung gegenüber den mannigfachen Vorwürfen, welche den Astronomen gemacht werden, daß ein definitives Resultat sich aus den Berechnungen des Jahres 1874 noch nicht ergeben habe. Demgegenüber möge man an die Bewälti⸗ gung des riesigen Stoffes denken. Damals hatten England 12, Frankreich und Deutschland je 6, Rußland 26, Italien 3 Expedi⸗ tionen ausgesandt; 62 Stationen beobachteten den Vorgang; 40. derselben waren vom Wetterglücke begünstigt und jede dieser 40 hatte einige hundert Einzelergebnisse au fzuweisen. Besondere Mühe verursachten die photographischen Aufnahmen, deren gegen 2000 vorliegen. Den Franzosen sind einige Hundert gelungen, welche z4 060 Messungen ermöglichen; die Deutschen brachten 124 Platten zurück. Jede Messung ist nun wieder eine selbständige kritische Arbeit, die wiederum alle unter sich verglichen werden müssen. Dazu kommt das verhältnißmäßig geringe Personak, das wenigstens in Deutschland zur Verfügung steht: eg find nur etwa 10 bis 12 ältere Gelehrte und 100 j.uͤngere thätig, welchen außer⸗ dem noch die gesammten übrigen astroͤnomischen Arbeiten obliegen.

Das wissenschaftliche Ergebniß von 1874 würde sich nun allerdings schon

ergeben haben, man habe aber nunmehr geglaubt, die Erfahrungen von

1882 noch mit verwerthen zu können, damit man nicht eine Sonnenentfer

nung von 1874 und ev, eine solche von 1382 habe. Die Kontaktbeobach—

tungen sind 1874 als völlig mißglückt zu betrachten, auch die Photographie

hat nicht den Erwartungen entsprochen und ist deshalb Seitens der

Deutschen 1832 nicht wieder in Anwendung gebracht. Sie Augen⸗

blicksbilder sind gewiß von wunderbarer Scharfe, aber gerade ihre

Momentanität giebt ein falsches Bild, da die Wallungen der Luft

ein bedeutendes Hinderniß in den Weg legen. Der dritte Weg, der

der mikrometrischen tf n gn mittels des Heliometers, ist be—⸗

sonders von deutschen Astronomen gewählt worden, welche

damit sehr glückliche Resultate erzielt haben. Mit gleichem

Erfolge haben die deutschen Astronomen im Jahre 1882

durch, mikrometrische Messungen ihre Aufgabe gelöst. Die

Engländer haben sich nur auf Kontaktbeobachtungen beschränkt, die

Amerikaner konnten viele hundert Photographien aufnehmen. Eine

internationale Vergleichung und Festfetzung des Schlußrefultates hat

sich leider nicht verwirklichen lassen, und so wird in einigen Jahren

Deutschland seine eigene Sonnenentfernung haben ebenso wie England,

. und Amerika die ihrigen. Den zweiten Vortrag hielt

rof. Dr. Brauns aus Halle über die Insel Jezo.

Das Heiden missionsfest, das gestern Abend in der St. Thomaskirche gefeiert wurde, hatte die weiten Räume des Gottes— hauses mit einer dichtgedrängten Gemeinde gefüllt. Die Festpredigt hatte der Pastor Knauert übernommen, den Bericht erstattete der er n. Stieglitz. Derselbe wies zunächst darauf hin, daß unfer ahrhundert in der That ein Jahrhundert der Mifsion geworden.

ahl derselben L005; im Londoner Bezirk speziell die Zahl der alliments im Engroggeschaͤft in 1882 355 gegen 313 inglssl.

Namentlich von England und Nordamerika aus fei man mit regstem

rheinische, 1836 die norddeutsche, 1848 die Leipziger Gesellsch aft und 1844 der Bayerische Centralverein sich begründeten, sei 263 3 geblieben. Der Erfolg der Thätigkeit aller dieser sel keineswegs so gering, wie man ihn oft hinzustellen sich bemühe. Während mit Beginn dieses Jahrhunderts erst 50 0)0 Heiden dem Fhristenthum zugefũhrt waren, sei jetzt die Zahl derer, die jährlich bekehrt werden, auf 60 000 gestiegen. In mehr denn 1500 Stationen wirke ein Heer von mehreren Tausend Missionaren und nahezu ? Millisnen Andersgläubige seien dem Christenthum gewonnen worden. In Berlin speziell, sind im Vorjahre zwei Missionsbäufer mit der Ausbildung von Missionären thätig gewesen. Das Goßagerhaus konnte im November 12 Missionäre abordnen. Das Missions haus in der Friedensstraße, dessen Sendlinge im Kaplande, im Oranje · Freistaat und in Transvaal thätig sind, hat feine Jahres rechnung mit einem Defizit abschließen müssen. Ein Iweites Missions fest, das Kindermissionsfest, fand am Abend vorher in Gegenwart einer zahlreichen Kinderschaar in der feftlich erleuchteten und mit Kränzen und Blumen geschmückten Bethlehemskirche statt. Die Festpredigt hielt hier Pastor Knak.

Bromberg, B. Januar (W. T. B.) Nach weiterer Mel⸗ dung der Ystdeutschen Presse⸗ ist die Weich sel stellenweife über— getreten; die Trajekte bei Kulm, Marienwerder und Fordon find unterbrochen und die Bewohner der Weichselniederung telegraphisch ge⸗ warnt worden. Auf der Brahe und Weichsel treibt Srundeis. Der Wasserstand der Brahe war Vormittags 190 Uhr 2, 10. Auch die Netze ist über ihre Ufer getreten.

Cöln, 7. Januar, Vormittags 8 Uhr 30 Minuten. (W. T. B.) Der Rheinxpegel zeigt hier gegenwärtig 834 m (gestern Abend s46 m); in Coblenz 735 m (gestern Abend 7eä3 m); in Binger— brück 5'569 m (gestern Abend J 75 m) in Main; 5.40 m (gestern Abend 5,58 m). Barometer steigend, Wetter hell, leichter Frost.

Cöln, 8. Januar. (W. T. B.) Der Rbeinpegek ist seit gestern Vormittag hier von 824 auf 775, in Coblen; von 735 auf 685, in Bingerbrück von 560 auf 530 gefallen. Wetter hell, leichter Frost. Der Eisenbahnverkehr auf der Strecke Mainz-⸗Binger— brück ist wieder eröffnet. .

Dresden, 7. Januar, Mittags. (W. T. B) Elbpegel— stand 2,60 m. Die Personendampfschiffahrt zwischen hier und Pirna wird morgen wieder eröffnet.

Mannheim, 6. Januar. (W. T. B.) Von heute an ver— kehren wieder sämmtliche Züge zwischen Ludwigshafen und Neustadt; jwischen Frankenthal und Worms“ verkehren 3 Personenzüge in beiderlei Richtung.

Mainz, 6. Januar. (W. T. B.) Der Wasserstand des Rheins ist jetzt 5,65.

Em s. 8. Januar. (W. T. B.) Die Lahn ist wieder auf den normalen Wasserstand zurückgegangen. 4 Grad Kälte.

London 8. Januar. (W. T. B.) Gestern früh fand zwischen der von New⸗York kommenden „City of Bruffels“ und dem Dampfer „Kirby Hall‘, der sich auf einer Versuchsfahrt von Glasgow nach Liverpool befand etwa 20 Meilen von Liverpool entfernt ein Zusammenstoß statt, der die City of Brussels“ zum Sinken brachte. Von der Mannschaft kamen 8, von den Passagieren 2 (Italiener) in den Wellen um.

Genf, 5, Januar. Bund. Die Blätter melden, daß die

Linie Genf-Lyon für Monate lang total unterbrochen sei, und zwar in Folge mehrerer jwischen den Stationen Collonges und Chaney (beim Fort l'Eeluse) stattgefundener großer Erdrutsche. Der erste Rutsch fand Dienstag Nachts kurz nach 11 Uhr statt, nach⸗ dem der Personenzug Lyon-Genf eben die fatale Stelle fowie den Tunnel beim Fort lEeluse passirt hatte. Die heruntergestürzten Erd= massen legten sich quer über die Rhone. Infolge dessen ist die Ebene von Collonges überschwemmt. Gegen 9 Uhr Morgens brach das Wasser sich einen Abflußkanal, ward jedoch um 12 Uhr Mittags durch einen neuen Erdschlipf gestaut. Ein Tunnel ist ein gestürzt; bis jetzt ist die Linie auf ea. 350 m gänzlich zerstört und“ die Tele⸗ graphenleitung eingestürzt. Weitere Nachrutschungen sind bevorstehend. Dank der Wachsamkeit des dortigen Eisenbahnwächters wurde eine größere Katastrophe abgewendet. Bis jetzt ist kein Menschenleben zu beklagen, aber das Fort bedroht. Die Mont-Cenis-⸗Linie ist auch unterbrochen, doch nur für kurze Zeit. Der Erdrutsch bei Collonges mißt 110 in in der Länge und 5 bis 10m in der Tiefe. Victoria Theater. Ihre Königliche Hoheit die Peinzessin Friedrich Carl beehrte die gestrige Sonntagsvorstellung der Frau Venus“ mit ihrer Gegenwart bis zum Schlusse. Das Haus war gänzlich ausverkauft. Die Vorstellungen enden jetzt regelmäßig um 10 Uhr, da die Maschinerien vortrefflich funktioniten und das Tempo der Schauspieler durch das Zusammenspiel ein noch schnelleres als in den ersten Vorstellungen geworden ist. Belle-Alliance-Tbeater. Trotzdem der unterhaltende Schwank . Sodom und Gomorrha“ am gestrigen Sonntage ein aus— verkauftes Haus brachte, beabsichtigt die Direktion doch schon am Mittwoch einen Wechsel des Repertoires eintreten zu lassen, um dem Wunsch des Pablikums nachzukommen, welches seinen Liebling, Frl. Ernestine Wegner, wieder zu sehen verlangt. Zu diesem Behuf ist Jacobsons „Lachtaube“, eine der reizendsten Leistungen der Künstlerin, neu einstudirt worden.

Das Concert mit Occhester, welches Hr. Antoine Hekking am Sonnabend in der Singakademie veranstaltete, wurde mit einem Concert in Armoll von Goltermann eröff get. Unter den übrigen Plöcen nahmen die hier zuerst zu Gehör gebrachten Werke eines wenig be⸗ kannten, aber nichtsdestoweniger sehr begabten Komponisten das In⸗ teresse am meisten in Anspruch. Es waren dies eine Symphonie in Hrmoll „Die Jahreszeiten! und ein Quintett in Es dur von W. Fritze, jwei Ro npositionen, welche sich im Weseatlichen im Stil der klassischen Schule bewegen und von ebenso ernsten Studium als tiefer Empfindung und geistooller Entwicklung Zeugniß ablegen. Die Zuhörer schienen sich aber nur zuweilen von den Harmonien erwärmen zu lassen und spendeten dann gebührenden Beifall. Der Concertgeber Hr. Hekking bewies durch seinen stimmungsvollen Vortrag des Adagio aus dem Eelloconcert von Vieuxtemps, einer Serenade von Godard und eines Rocturno von Chopin, seine. Meisterschaft als Cellist und gewann da—⸗ mit allseitigen lebhaften Beifall. Außer dem Concertgeber wirkten in dem Fritze'schen Quintett die Herren Eugene Baudot, Richard Müller, Berthold Zenke und Ludwig Hirschberg erfolgreich zu einem klangvoll schönen Ganzen mit. Die Leistungen des Philharmonischen Orchesters, welches den orchestralen Theil des Concerts unter Leitung des bewährten Hof-Kapellmeisters Seifriz exekutirte, wurden allen Anforderungen gerecht und fanden verdientermaßen allfeitig eine bei⸗ fällige Aufnahme.

Bei dem morgen, Abends 7 Uhr, in der Dreifaltigkeits⸗ kärche stattfindenden. Kirchen -EConcert mit Militärmufik (Billets zu 1 4 bei dem Küster der Kirche, Kanonierstr. 5. und in der Expedition der Deutschen Militär-⸗Mufiker Zeitung“, Linden« straße 106 werden, die Concert-Opernsängerinnen Frl. Cale und Frl. von Walitzka mitwirken.

Circus Renz. In den nächsten Tagen wird Hr. Di—⸗ rektor Renz eine neue sensationelle Pièce zur Darstellung brin⸗ gen und jwar die vor einigen dreißig Jahren im Renzschen Cireus vor dem Brandenburger Thore mit so großem Bei—⸗ fall aufgenommenen „Tremplinsprünge' durch Feuerreifen Und über 39 vollständig armirte Soldaten, die, während der Salto mor⸗ tales über ihren Köpfen, ihre Gewehre entladen werden. Bei den vorzüglichen Kräften der Gesellschaft, namentlich im Fache der Gym nastik, dürfte diese von Hrn. Renz selbst in Scene gefetzte Pidee sich

Eifer thätig gewesen, aber auch Deutschland, wo 1823 die Berliner, 1838 die

wiederum großen Beifalls erfreuen. .

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