1883 / 14 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 16 Jan 1883 18:00:01 GMT) scan diff

es ist die Absicht, dem erxannten Mitgliede, welches als das alteste bezeicknet werden kann, unter dem Titel Verwaltungsgerichts Direktor im Wesentlichen die geichäftsleitende Stellung innerhalß des Kolle— giums zu bieten. als Gebülfe des Präͤsidenten. Die Stellung des Regierungè ⸗Präsdenten würde sich biernach im Gefammtorganis mus dessen, was ibm zu tbun obliegt, etwa so gestalten. Er stebt an der Sxrite der öffentlichen Interessen und der gesammten Ver— waltung einschließlich der Verwaltungsrechtspflege innerhalb seines gesammten Bezirks; für die regiminellen Funktionen ist ibm ein Ober ⸗Negierungs⸗Rath mit der nöthbigen Anzakl ron Rätben zur Seite geftellt; ür die verwaltungs gerichtlichen Funk⸗ ticnen, die ja in dem neren Kollegium doch das Ueberagewicht bilden, stebt an seiner Seite der Bezirke verwaltungsgerichts. Direktor, von dem ick auch annebme, daß er die Geschäftsleitung und Alles, was zur Vorbereitung der Sitzungen und Entscheidungen dient, wesentlich in der Hand baben wird.

Man kat nun gesagt, dies ist, wenn man sich über die peoliti— scken Bedenken einigen könnte, ein Geschäftskreis, den der Regie= rungs-Prẽsident absolut nicht zu beberrschen in der Lage ist. Schoen die jet gen Bezirksrerwaltungsbebörden scien so ausgiebig beschaͤftigt, daß ihre Zusammenlegung mit den Beschlußbebörden ein viel zu großes Pensum für ihre Thätigkeit sein würde; und wenn man nun neck das gesammte Gebiet der Verwaltungsthätig⸗ keit in engerem Sinne binzufügt, so werde der Regierungs-Präsident scklechterdings nickt in der Lage sein, den Aufgaben, die ibm gestellt sind, sich gewachsen zu zeigen. Ich habe diese Besorgniß in keiner Weise, rorausgesetzt, daß der Reglerungè⸗Präsident, was von ihm er— wartet werden muß, ron denjenigen Mitteln, welche in der Organi— satien ihm gegeben sind, um die niederen Geschäfte von sich abzu⸗ bürden, den ausgiebigen und rationellen Gebrauch macht. Ich kann mir sehr wehl denken, und ich bin sogar davon überzeugt, daß die Regierungs ⸗Präsidenten röllig in der Lage sind, diejenige Stellung, welche sie an der Sxitze des gesammten Bezirks nach beiden Richtun⸗ gen bin einnebmen sollen, auszufüllen. Allerdings wird das Detail

er Seschäfts leitung, die Vorbereitung der Sachen von ibnen nicht verlangt werden dürfen, und ich bin auch überzeugt, daß der Regierungs⸗Präsident in der großen Mehrzahl der Fälle an der Entscheidung der einzelnen Streitsachen nicht Antheil nehmen wird, sendern daß er nur diejenigen Sachen sich vorbe— Hält, welche in der That von größerer und erbeblicherer Tragweite sind. Jedenfalls aber ist zu erwarten, daß es ihm gelingen wird, die Geschättsgcen, die ihm in der Gesammtheit obliegen, in zufrieden⸗ stellender Weise zu erledigen.

Der Verwaltungsgerichtsdirektor, als welcher in den alten Pro— vinzen die jetzt vorbandenen Verwaltungsgerichtsdirektoren in Aussicht genommen sind, wird also nicht ein abbängiger Beamter sein in dem Sinne, wie vorbin von mir bezeichnet wurde, ebensowenig das zweite ernannte Mitglied; jondern das sind Beamte, welche im Hauvbtamt auf Lebenszeit angestellt sind, und denen nur, wenn die Verbältnisfe es gestatten, auch noch regiminelle Befugnisse übertragen werden sollen, die namentlich als Mitalieder des Regierungskollegiums, an dessen Sitze sie sich befinden, betrachtet werden jollen, an den Sitzun⸗ gen mbeiln:kmen und dadurch in die Lage kommen sollen, sich mit den Bedürfnissen und Zuständen der Verwaltung in Uebereinstimmung zu kalten, damit sie bei den von dem Verwaltungègericht zu fassenden Entscheidungen auch hierüber informirt sind.

Hiernach bin ich der Meinung, daß das von der Vorlage vor— gescklagene Kollegium des Verwaltungsgerichts allen Anforderungen an eine ausgiebige Rechtskontrole und an -den nöthigen Rechtssckutz für die Interessen und Rechte des Einzelnen durchaus genüzen wicd. Ich will hieran gleich die Anfübrung noch anknüpfen, daß das, was ich bisber entwickelte, sich wesentlich auf die Abänderung des Organisationsgesetzes bezieht; denn diesem werden diese Tbemata an— gehören müssen. Als Konsequenz daron erscheint natürlich eine Um— arbeitung des Verwaltungegerichtsgesetzea, weil daz ja von nun an

n soll von der Stellung des Ober⸗Verwaltungs⸗ und ron dem Verweltungsstreitverfahren im engeren und es wird ebenso als eine nothwendige Folge

sich ergeben eine völlige Umarbeitung des jetzt bestehenden Zustãn⸗ digkeits geseßes. Es zu entbehren, ist natürlich nicht möglich; aber es wird in sehr vereinfachter und leichter zu handbabender Gestalt er— scheinen, insofern es künftig nicht die Aufgabe haben wird, die Kom- vetenzen festzustellen und abzugrenzen zwischen einer doppelten Be— bördenreihe, sondern nur die Aufgabe haben wird, innerhalb der ver— einfachten Behördenreihe die Zuständigkeit von Stufe zu Stuf zugregien und diejenigen Komvetenzgrenzen ju ziehen, welche zwis der Staatsverwaltung im engeren Sinne und den Selbstrerwaltung behörden zu ziehen sein werden.

Die Herren werden außerdem in den Entwürfen eine Tendenz finden, von der ich allerdings auch annehmen muß, daß sie bekämpft werden wird; es ist nämlich das Bestrehen der Vereinfachung und Abkürzung der Instanzen. Ich für meine Person stehe auf dem Standrunkt, daß ich noch gern weiter gegangen wäre, wie der Entwurf, daß ich aber aus überwiegenden Gründen mich dafür entschlossen babe, mich bei den Vorfchläzen zu bescheiden, die wir hier gemacht haben. Im Großen und Ganzen

aben diese Vorschläge die Tendenz der Stärkung der Lokalinstani,

indem gewisse Entscheidungen des Kreis ausschusses, die jetzt noch durch mehrere Instanzen gehen, als endgültig betrachtet werden sollen, ich meine namentlich Beschwerden über Armenangelegenbeiten. Auch dieser Punkt, meine Herren, ist bei früberen Berathungen ausführlich er— örtert worden. Ich erinnere mich, daß Hr. von Bennigsen damals mit der größten, Entschiedenheit erklätt hat: hier müßte es mit der Entscheidung der Lokalinstanz; die ja immer die sachverständigere und mit größerer Sachkenntniß der ob— waltenden Verhältnisse versehene Irstanz ist, sein Bewenden haben. Ich, meine Herren, gehe allerdings nach meiner perfönlichen Än— schauung sehr viel weiter; für mich ist die Frage der Stärkung der Autoritat der Kreisausschüsse für die zukünftige Entwicklung unserer Selbst verwaltung eigentlich die Hauptsache.

M Wenn wir uns vergegenwärtigen, welche Anfor—

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Meine Herren! en die künftige Gesetzgebung noch an die Thatkraft, an die Dpferwilligkeit, an die Selbstoerleugnung dieses Hauptorgans unserer künftigen Verwaltung, machen wird, dann müsfen wir uns, glaube ich, u der Ueberzeugung bekennen, daß es durchaus nothwendin ist, Verantrertlickkeitẽbemußtsein und in Folge deffen die Selbstän— t dieses Organs viel mehr zu stärken, als es bisher geschehen ist. Es ist eine, wie man sagt gute, alte deutsche Sitte, ich möchte des aber doch nur mit gewissen Einschränkungen unterschrteiben, daß jeder Deutscke drei Instanzen haben muß. Wo ist das üblich in anderen Ländern? Denken Sie an England, denken Sie an die eng⸗ liscke Friedersrichterverfassung. Meine Herren, wenn Sie den Friedenstichterkollegien das auferlegen wollten, dat über ihren Ent. scheidun gen noch zwei obere Instanzen stehen, dann würde sich die englische Gentry schönstens dafür bedanken. Es ist nicht abzuweisen, doß mir auf diesem Gebiete noch weiter gehen als bisher geschehen ist. Ich boffe, daß die zukünftige Entwicklung der Verbältnüsse dan führen wird, die Autorität selbständiger Kreisausschüsse auf manchen Gebieten des öffentlichen Rechts noch mehr zu stärken; einstweilen hat die Staatsregierung sich damit begnügt, ibnen die Entscheidung der Armenstreitsachen, soweit es sich zwischen zu Ver⸗ Fflegenden und den Ortsarmenverbänden auf dem wlatten Lande handelt, zu überlassen. Für Städte würde dasselbe stattfinden, indem da auch keine weitere Instanz als das Verwaltungsgericht zu⸗ Iässig sein soll.

Dies, meine Herren, ist das, was ich über die Abkürzung und Vereinfachung der Zuständigkeit zu sagen haben wärde.

Es ist nun noch an dieser Stelle ein wesentlicher Punkt zu er— örtern, nämlich die Vorschläge, die die Regierung sich gestattet hat wegen Abänderung der Vorschrift über die Rechtsmittel gegen polijei—= liche Veriügungen (5. 63 und E64 des Organisationsgefeßes J. Meine Derren! Bei früheren varlamentarischen Berathungen gerade ter das Drganisationsgesetz von 1889 ist bereits, wie ich glaube, mit fehr zu⸗

in Betreff der polizeilichen Verfügungen, weit entfernt davon, ein Vortbeil für die Betbeiligten zu sein, einen Nachtheil involvire, was, glaube ich, aus folgenden einfachen Grwägungen bervorgebt. Nach dem jetzigen Srstem bat jeder von einer polizeilichen Verfügung, einer Zrangsrerfügung, Betroffene die Wahl, ob er die Besckwerde einlegen will bei dem betreffenden Einzelbeamten, der der verfügenden Instanz vorgesetzt ist, oder ob er die Klage an die Kollegien der Selbstrerwaltung, Kreisausschuß, Bezirks verwaltungsgericht, an die richterlichen Bebörden anbringen will. Die Klage, wenn er sie wäblt, darf aber nur gestützt werden auf die Bebaurtung des un= richtig oder garnicht angewendeten Gesetzes oder unrichtiger, tbatsäch= licher Voraussetzungen, von denen die Verfügung ausgegangen ist. Tun, meine Herren, bitte ich Sie, sich zu vergegenwärtigen, wenn Jemand, wie das zuerst sebr vlausibel erscheint, die Klage wählt, weil er meint: „bei dem Richterkollegium komme ich besser weg, da wird man meine Beschwerde woblwollender und besser prüfen“, und daz betreffende Kollegium überjeugt sich von der Un—⸗ baltbarkeit der Bebaupxtung, daß das Recht verletzt oder von tbatsächlich unrichtigen Voraussetzungen autgegangen sei und bei der Entscheidung sich nichts als rechtiwidrig her— ausstellt. Dann wird der Kläger also abgewiesen, rechtskräftig und kann eine Beschwerde darüber, daß die Verfügung zwar gesetzlich ge— rechtfertigt aber im böchsten Grade inoprortun und unzweckmäßig fei. nicht mehr anbringen; dann ist er mit dieser Beschwerde präkludirt! Ich glaube, ich brauche das nur anzuführen, um ju beweisen, daß die übergroße Vorsicht, die man bei der bisberigen Gesetgebung in diefer Beziebung anbringen zu müssen geglaubt hat, in ikr Gegentheil im Effekt ausgeschlagen ist und daß man eigentlich dem betheiligten Publikum statt des Rechtes mehr eine Plage zugefügt bat. Dieser Mangel der bestehenden Organisation auf dem Gebiete der Anfech⸗ tung der polizeilichen Verfügung ist ja auch schon in der früheren Diskussion mit der größten Schärfe bervorgeboben worden. Leider bat die Sache keinen Erfolg gehabt, es sind Anträge nach der Rich⸗ tung gestellt worden oder nicht gestellt worden, jedenfalls haben sie keine Majorität erhalten, und wir befinden uns auf diesem Gebiete bei dem bisherigen meines Erachtens überaus unvollkommenen Zustande. Es ist früber zur Verbesserung dieses Theiles der Gefetz⸗ gebung ganz einfach der Vorschlag gemacht worden ick glaube, ez war der Abg. von Bennigsen damals —, die Klage bei den Selbst⸗ verwaltungskollegien überhaupt auf diesem Gebiete abzuschaffen, ich meine die Parallelklage, und dafür lediglich die Beschwerde an den vorgesetzten Einzelbeamten zuzulassen, und sich damit zu begnägen, daß gegen die endgültige Beschwerde die Klage an das Ober⸗-Ver⸗ waltungsgericht, gestüßt auf die sogenannten oberverwaltungsgericht- licken Gründe, die unrichtige oder nicht gesetzmäßige Anwendung des Gesetzes u. s. w. immer noch möglich sei. Ich wurde ja anerkennen können, daß dieser Vorschlag ich weiß nicht, ob er im Laufe der Berathung wiederholt werden wird wegen seiner sehr viel größeren Einfachheit sehr viel für sich bat, in dem dann die ganze Angelegen⸗ heit der Anfechtung der polizeilichen Zwangsverfügungen sich außer— ordentlich einfach gestalten würde.

Es gäbe auch noch einen anderen Weg, meine Herren, die Frage zu lösen bestände darin, daß man statt der Beschwerde und mit Aus schkluß der Beschwerde an den rorgesetzten Einzelbeamten in allen Fällen gleich an das Verwaltungsgerichtskollegium ginge. Dies ist aber ein Standrunkt, den die Regierung für äußerst bedenklich balten würde und dem sie sich ibrerseits im Interesse der Autorität der Staatsbehörde nicht glaubt ansckließen ju können, sondern da würde sie immer noch den erst genannten Weg rorziehen. Aber wie die Vorlage sich die Sache denkt, ist aus dem Motive, glaube ich, leicht zu ersehen. Die Regierung wünscht durch eine Vereinfachung des Systems auf diesem Gebiete dem Rechtsuchenden und durch polizei⸗ liche Zwangeverfügungen Betroffenen allerdings die Wahl zwischen Beschwerde und Klage nicht mehr zu gestatten und jwar in seinem eigenen Intercsse, um ihn nicht in das vorber von mir geschilderte Dilemma, ich möchte sagen, hineinzuverleiten. Es ist notorische Thatsache, daß ron Monat zu Monat ron Jahr zu Jahr die Klagen auf diefem Gebiet sich mindern. Die Regierung will also unter allen Umständen die Beschwerde an den vorgesetzten Einzelbeamten leiten; aber sie will im Interesse eines ausgiebigeren Rechtsschutzes, als bei der einfachen Beschwerde sein würde, die Klausel hinzufügen, daß, wenn die Beschwerden sich aus— drücklich auf die unrichtige und gänzlich fehlende Anwendung des Gesetzes und auf die unrichtige Anwendung von Thatfachen erstrecken, dann der Einzelbeamte für den Fall, daß er ablehnen will, gebunden sein soll an das Gutachten des ihm zur Seite stehenden Selbst— verwaltungskollegiums. Diese Struktur ist auf den ersten Blick etwas schwerfällig und komplizirt, und ich leugne nicht, daß sie diesem Einwande anscheinend unterliegt. Die Regierung hat aber geglaubt, bierin doch ein ausreichendes und gutes Mittel, ein Mittel, wenn ich so sagen darf, für die Prozedur auf diesem Gebiete, Ihnen bieten zu können, und ich würde Ihnen empfehlen, in Ter, wie ich annehme, zu wählenden Kommission gerade diese Fragen näher zu beleuchten. Denn wenn man unsere ganze Selbstserwaltung und Alles, was sich um sie gruppirt, bei Lichte besieht, so muß man doch anerkennen: das ist gerade das Wichtigste, das Mittel, sich einer ungerechtfertigten und einer gesetzwidrigen polizeilichen Verfügung in ihren Folgen, in ihrem wirthschaftlichen und rechtlichen Einflus zu entziehen! Dagegen die nöthigen Rechtskontrolen und den nötbigen Rechtsschutz zu geben, ist der Mittelpunkt und das Hauptbedürfniß in dem ganzen Srstem unserer Selbstoerwaltungsorganisation, und ich wäre der Meinung, daß gerade dieser Punkt mit der äußerften Sorg falt von der Kommission zu erwägen sein wird.

Also, meine Herren, wenn ich mich für heute auf die Dar stellung dieser Hauptgesichts punkte der von der Regierung gemachten Vorschläge beschränke, so darf ich mich noch einmal dahin refümiren, daß die Regierung den Gedanken weit von fich weist, durch diese von ihr gemachten Vorlagen irgend—⸗ wie das Rechtsleben der Nation, wie das jetzt so häufig behauptet wird, in einer Weise zurückzuschrauben, die einen materiellen? Räck— schritt gegen das bestehende System enthielte. Die Regierung ist der wohl erwogenen und aufrichtigen Ueberzeugung, daß hier der parla— mentarischen Diskussion etwas geboten wird, was nicht nur der Er— wägung im vollsten Maße werth ist, sondern was, wenn wir, wie ich heffe und wünsche, uns darüber verständigen, der Nation und ihrem öffentlichen Rechtsleben ein System bieten wird, welches alle Garan— tien des ausgiebigsten Rechtsschutzes enthält und, worauf nicht genug Werth zu legen ist, allgemein verständlich, einfach und zuverläfsig ist. Ich bitte Sie in diesem Sinne in die Prüfung der Vorlagen einzu— treten. Daß eine Kommissionsverhandlung stattfindet, halte ich für selbstverständlich, und ich wie meine Herren Mitarbeiter werden uns bemühen, in der kommissarischen Berathung den Gedanken der Vor— lage noch mehr zu entwickeln und den dort ju erwartenden Ein— wendungen wirksam entaegenzutreten.

Der Abg. Dr. Gneist erklärte, mit dem Kreisausschuß und den Amtsvorstehern hätten im Laufe weniger Jahre die früheren Gegner sich wohl versöhnt. Dagegen habe man sich die Bezirks- und Provinzialbehörden der Selbstverwaltung, wenn er von sich selbst urtheilen dürfe, einfacher gedacht, als sie geworden seien. Zur Zeit der Beschließung über die Kreisordnung habe Niemand daran gedacht, daß ein Bezirks— rath und ein Bezirksgericht, Provinzialrath und ein Provinzial⸗ ausschuß an dieser Stelle entstehen würden. Es liege dabei unter den heutigen Stimmungen immer die Versuchung nahe, die Schuld dem anderen Theil zuzuschreiben. Allein die Be— theiligung an der verwickelten Gestalt dieser Behörden sei so gleichmäßig vertheilt zwischen Staatsregierung und Landtag, zwischen Herrenhaus und Abgeordnetenhaus, und zwischen allen Parteien des letzteren, daß man selbst mit der Goldwaage kein Uebergewicht der Schuld werde seststellen können. Den Zwiespalt zwischen Provinzialausschuß und Provinzialrath

treffenden Grunden hervorgehoben worden, und ich glaube, nachge⸗ wiesen worden, daß die jetzige Duplizität der Anfechtungs möglich keit

oder nach der Vereinigung der Pravinzial⸗ und der Bezirke⸗ behörden habe beide Häufer pro et contra gar lange be schãf⸗ tigt. Schließlich habe die historische Formation der preußischen Provinzen eine Trennung erzwungen. Die Trennung don Bezirksrath und Bezirksverwaltungsgericht endlich habe sich nicht aus Anträgen einer Partei, sondern aus den Vorarbeiten des Ministeriums und der Kommissionen ergeben. Es sei die Natur der Geschäfte gewesen, welche dahin geführt habe. Auch bei diesem Punkt werde man sich vergeblich bemühen, die Vervielfältigung auf irgend ein Parteiprogramm zurück⸗ zuführen. Höchstens lönnfe die Versuchung entstehen, die Schuld den „Spezialtechnikern“ zur Last zu legen, die aus Vorliebe für die neu geschaffenen Einrichtungen ein wenig in das Haarspalten gerathen seien. Auch dabei könne man nicht vorsichtig genug fich ausdrücken, denn die Sachverständigen, welche sich nach der Weise des früheren Staats raths einge⸗ arbeitet gehabt hätten, seien die früheren Minister des In⸗ nern und die anerkannt sachkundigsten Nathe der verschiedenen Ministerien. Es werde sich aus diesem Grunde gewiß em— pfehlen, die Diskussion über diese Gesetzes vorlagen ob— jektis zu halten. Wenn man sich die Konstruk— tion des Verwaltungswesens äußerlich ansehe, so scheine der Gedanke auf Vereinfachung unabweisbar und jeder Mensch, der mit der Kenntniß des inneren Baues unbe⸗ kannt sei, könne auf die Frage, ob Vereinfachung nothwendig sei, nur mit Ja“ antworten. Das dürfe aber nicht auß Kosten der Rechtssicherheit der betreffenden Verwaltung ge⸗ schehen. Das führe ihn in die Technik. Die heutige Ver— waltung beruhe durchgängig auf Gesetzen und Verordnungen. Jede Verfügung eines Verwaltungsbeamten habe folgende zwei Fragen sich zu beantworten: Einmal ist die Verordnung gesetzlich zulässig, zweitens ist sie nach Lage der Verhältnisse nöthig? Für den Juristen sei die Rechtsseite die Hauptsache, für den Verwaltungsbeamten die Zweckmäßigkeit, beides ge— höre aber zusammen. Die Kontrole der Verwaltungsbeamten sei nothwendig, man brauche Dieziplinargewalt des Beamten, die rechtliche Verantwortlichkeit. Dafür habe man die Auf⸗ sichtsinstanz. Handele es sich um Verwaltungs verfügungen von der Rechtsseite oder von der Rechnungsseite aus, so könne die Kontrole darüber eben so gut neben- als übergeordnet sein. Der Amtzrichter übe täglich eine Rechtskontrole über die Maßregeln der Polizei⸗ und der Steuerbehörden, ohne damit ihr Vor— gesetzter zu werden, wie der Rechnungsbeamte alle Behörden, wie der Conseil d Etat die Ministerverwaltung kontrolire, ohne ihr Vorgesetzter zu sein. Die maßgebenden Grunde, aus denen die Verwaltungsreform die fruheren Kollegial— geschäfte der Regierungskollegien getrennt habe, lägen aller— dings nicht in dem Geschäftsleben der Beamten, sondern in den Lebensinteressen der Nation. Im konstitutionellen Staat trete der Hauptsatz der Regierungsinflruktion . 8 in ganz anderer Tragweite in den Vordergrund: „Niemals könnten die Regierungsbehörden etwas verfügen, was einem ausdrück— lichen Gesetze entgegenlaufe“. Zur Handhabung dieser Rechtsseite der Verwaltung seien Regierungskollegien einst— mals ausreichend gewesen. Im konstitutionellen Staate dagegen bedürfe es dazu eines stärkeren Organes, der Verwaltungsgerichte. Sowie der Einfluß der Parteien auf die Staatsverwaltung fühlbar werde, zeige sich die Nothwendigkeit, auf gewissen Gebieten dem Verwaltungs⸗ chef anstatt eines Justitiars mit berathender Stimme einen Justitiar mit entscheiden der Stimme zur Seite zu setzen. Dieser Justitiar sei das Verwaltungsgericht, analog wie in der französischen Verwaltung der Staatsrath die Ver⸗ fügung der Minister kontrolire. Man habe in Preußen nur alt bewährte Einrichtungen nach deutscher Weise decentralisirt, und ihnen damit die volle Wirksamkeit für das bürgerliche Leben gegeben, die mit einer bloßen Centralstelle nicht zu erreichen sei. Dies sei der Grund der Einfügung der Ver— waltungsgerichte in den preußischen Staat nicht eine dok— trinare Liebhaberei für eine Unterscheidung von „streitigen“ und „nicht streitigen“ Sachen, sondern als nothwendig zum Ausbau der Verfassung, als nothwendig, um unter dem Ein— fluß der Parteien die Gesetzmäßigleit der Verwaltung und die Integrität des Beamtenthums zu wahren, als unabweisbar grade heute, weil es unverantwortlich wäre, in die preußische Verwaltung das Präfektensystem einzuführen, ohne die Gefetz= mäßigkeit der Verwaltung durch die nebengeordneten Ver— waltungsgerichte vollkommen sicherzustellen. Das Gebiet, in welchem es dieser Sicherstellung bedürfe, ergebe sich aus der Geschichte der Parlamente, und sei überall dasselbe durch das Verhältniß der Verwaltung zum bürgerlichen Leben gegebene. Es gebe bestimmte Gewalten der Obrigkeit, durch welche eine Parteiregierung sich sofort des ganzen bürgerlichen Lebens bemächtige, Millionen Unterthanen. im Großstaat von sich abhängig und die Staatsgewalt für ihre Wahl- und Parteizwecke sich nutzbar mache. Dieses Ge— biet bildeten die gewerblichen Konzesstonen, die Schank- und Wirthschaftskonzeffionen stets an erster Stelle, die Ertheilung und Entziehung zahlreicher sonstiger Gewerbs- und technischer Konzessionen und Fähigkeitsattesté, der Jagdscheine, der Bau⸗ konsense und das fast unabsehbare Gebiet der polizeilichen Zwangsmaßregeln. Füge man dazu noch die Disziplinar— gewalt über die verwaltenden Kommunalbeamten, und in ge— wissem Maße die Steuereinschätzungen, so habe man schon mehr als zwei Drittel des Gebiets, in welchem das Ober— Verwaltungsgericht durch seine Rechtsprechung heute die Kon⸗ trole der Staatsverwaltung übe. Das übrig bleibende klei— nere Gebiet beschränke sich auf kommunale Angelegenheiten, welche nach einer eigenthümlich deutschen Auffasfung als Gegenstände gerichtlicher Entscheidung angesehen würden, nach Analogie der Vermögens- und Statusrechte. Es sei nicht zu— fällig, daß das Hauptgebiet der Verwaltungejurisdiktion immer die Funktionen umfasse, deren sich die politischen Parteien von oben herab, die lokalen Parteien von unten herauf be⸗ mächtigten, wenn sie keine rechtliche Schranke fänden. Denke man sich in diesen Gebieten eine preußische Verwaltung durch Präfekten, Unterpräfekten und Maires ohne einen Staatsrath und ohne Verwaltungsgerichte, so befände man sich in Preußen mitten im Parlamentarismus, schlimmer als der⸗ selbe je in Frankreich gewaltet habe. Dieser Parteimißbrauch komme sofort zum Durchbruch mit dem konstitutionellen Partei⸗ leben, derselbe bilde den Grundschaden Frankreichs noch heute.

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

habe das Herrenhaus geschaffen, welches daraus sogar eine Kabinetsfrage gemacht habe. Die Frage nach der Trennung

M 14.

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Derselbe sei wie ein Deichbruch auch im Jahre 1850 in die preußische Verwaltung eingetreten, wie man es damals in der Hauptstadt an dem täglichen Walten der Polizei zur Genüge empfunden und vor Augen gehabt habe, bis 1858 der Prinz⸗ Regent aus eigener Bewegung diesem sogenannten kanstitutio⸗ nellen Verwaltungssystem ein Ende gemacht habe. Da jener Zeit aber jeder mögliche Gebrauch der Verwaltungsbefugnisse zu Parteizwecken wirklich gemacht worden sei, so seien damit in Preußen der künftigen Verwaltungsrechtsprechung die Wege ewiesen. Wer diese Erfahrungen nicht selbst gemacht habe, önne aus den Petitionsverzeichnissen und Verhandlungen vom ahre 1850 an sich überzeugen von der Schutzlosigkeit des . unter einer konstitutionellen Ministerverwaltung, in welcher die Verwaltungsbehörden die Gesetze ihres De⸗ partements endgültig selbst ausgelegt hätten. Aber warum in aller Welt, werde so Mancher fragen, stehe das Alles in den Verwaltungsgesetzen nicht deutlicher darin? Publikum, Presse, Juristen, Verwaltungsbeamte dächten fich noch heute das. Allerverschiedenartigste bei der sogenann: en Verwaltungsgerichtsbarkeit. Allein man gebe in den Verwaltungsgesetzen seit den vierziger Jahren üher⸗ haupt die Erwägungsgründe nicht mehr an, nicht zum Besten der Sache, aber nach französischem Muster. Wo nun aber ein Ministerium mit sämmtlichen Parteien des Landtages über folche Gesetze verhandle, fühle wohl keine Seite einen beson— deren Drang, ausdrücklich zu sagen: diese Gesetze seien noth⸗ wendig, weil man sonst nach menschlicher Erfahrung der äußersten Gefahr des Mißbrauchs der Gewalten unterliegen würde. Das behaupte sonst ein Jeder von seinen Gegnern. Ja freilich, hätte wie in früherer Zeit der Staatsrath die Motive dieser Gesetze vorberathen, so würde ziemlich nüchtern und deutlich darin stehen: es solle die Rückkehr der Verwal⸗ tungszustände von 1850 1858 verhindert, ez solle an den schwachen Punkten die Rechtsseite der Verwaltung verstärkt,

3 ische Beamtenthum in seiner Amtepflicht und p n t n sei, ehe er, als wr w Allein vergesse man nicht, sitzender Richter zum zweiten Male darüber entscheiden solle.

renhaftigkeit erhalten werden. Allei sse mar 9j ken nne der jetzigen Gesetze jetzt ausschließlich von Ministern und Ministerial-Räthen geschrieben würden, wie viel koͤnne und dürfe ein preußischz Minister von diesem Grund der Gesetze sagen, mit Rücksicht auf seine eigene Stellung, auf seine Vorgänger und auf

höhere Stellen. .

ö. . in den Motiven der Periode der Grafen Eulen⸗ burg und Dr. Friedenthal doch unter dem zarten Schleier geschäftlicher Ausdrücke lesen, worauf es ankomme. In der jetzigen Regierungsvorlage sehe die Sache allerdings so aus, als ob die ganze Verwaltungsreform nichts weiter als einige Aenderungen in der Technik des Regierungs dezernats zum Gegenstand habe. Der Schutz gegen die Wiederkehr einer systematischen Parteiverwaltung in Preußen sei der Zweck auch des Bezirks-Verwaltungsgerichts. Man habe sich 1872 ein paar Jahre mit einem Nothbau begnügen müssen, in welchem die damaligen „Deputationen für das Heimath⸗ wesen“ unter Hinzufügung des Regierungs-Präsidenten die Stelle eines Bezirks-Verwaltungsgerichts hätten ersetzen müssen. Aber sofort sei das Ministerium des Innern und die Legislatur an eine definitive Gestaltung ge⸗ gangen, und habe von 1875 an die Rechts kontrole auch in der Mittelinstanz sicher gestellt durch einen Ge— richtsdirektor, einen ständigen Beisitzer, durch Ehren— beamte in richterlicher Unabhängigkeit, durch Abgrenzung des Gebiets und des Verfahrens. Dem Regierungs-Prä—⸗ sidenten werde dabei nichts entzogen an seiner Amtsehre, seiner Amtspflicht und Zuständigkeit. Der Regie rungs⸗Präsident wie der Landrath habe nach wie vor über die Rechtsseite wie die Zweckmäßigkeit seiner Verfügungen sich schlüssig zu machen, nur habe derselbe vorsichtiger als früher die Gesetzlichkeit seiner Maßregeln zu erwägen, weil derselbe sonst Gefahr laufe, nach— träglich durch ein Gerichtsverfahren (unter Kontrole des Ober- Verwaltungsgerichts) berichtigt zu werden. Auch der Vollzug der AÄnordnung des Regierungs-Präsidenten werde niemals gehemmt, wo Veranlassung zur Eile sei. Zweck der vorbehaltenen Nachprüfung des Verwal⸗ tungsgerichts sei lediglich die volle Gewißheit, daß alle Organe der Obrigkeit innerhalb ihrer Zuständigkeit bleiben und die Verwaltungsgesetze auch die Fälle anwenden würden, für die sie bestimmt seien. Die Verwaltungsklagen nähmen daher Jahr für Jahr ab, jemehr sich die Verwaltung an eine objektive gesetzmäßige Behandlung der Geschäfte gewöhne. Die einst willkürlichste Polizeiverwaltung von Berlin sei jetzt die gesetzmäßigste im ganzen Lande. Es sei natürlich, daß man daran in der heutigen Verwaltung selten denke, weil dazu glücklicher⸗ weise nicht dieselbe Veranlassung sei, wie bei dem Regierungs⸗ antritt des Königs: aber es sei der Grundgedanke, mit welchem die Verwaltungsreform stehe und falle. Lediglich aus diesen Gesichtspunkten habe die preußische Gesetzgebung den Ver⸗ waltungsgerichts-Direktor, und sein Kollegium von dem Regierungs-Präsidenten getrennt und das Gericht dem Ver— waltungshof nebengeordnet. Es solle ein wirkliches Gericht sein. Damit sei Alles gesagt. Dies Gericht wie jedes Ge⸗ richt solle dabei auf nichts als auf die Gesetze sehen, daher auch von jeder Mitwirkung des Verwaltungechefs in der Beurtheilung des Einzelfalles frei bleiben, aus demselben Grunde, aus dem die preußischen Könige wörtlich sowie der Deutsche Kaiser den Gerichten verboten hätten, „sich hei ihren Rechtsentscheidungen durch irgend welche Ministerialreskripte oder Instruktionen von Hofe irre machen zu lassen“. Aus demselben Grunde, aus dem der Minister des Innern nicht versuchen werde, auf die Entscheidungen des Ober-Verwal⸗ tungsgerichts einzuwirken: aus demselben Grunde solle es der Verwaltungschef der Provinz bei dem ihm nebengeordneten Gericht nicht thun. Darum seien diese Sachen treitige Ver⸗ waltungssachen“ genannt worden, weil sie ebenso behandelt werden sollten, wie die Gerichte in „streitigen Varteisachen Recht sprächen. Darum sei es nothwendig gewesen, die soge⸗ nannten Beschlußsachen abzutrennen, weil diese Fragen der Zweckmäßigkeit in der Aufsichtsinstanz unter persönlicher Lei—

Wer indessen Augen habe zu sehen,

Zweite Beilage ö zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

Berlin, Dienstag, den 16. Januar

Sachen das Kollegium nur unter fester Leitung eines tüchti⸗ sicher gehe, während in Rechts prü⸗ fungen das Kollegium nicht unabhängig genug auch von dem besten Präsidenten bleiben könne! Die Inkompatibilität der beiden Dinge nach dem Zweck der ganzen Einrichtung habe die Trennung erzwungen, trotz der damit verbundenen Un— bequemlichkeit. Und diese Unvereinbarkeit lasse sich nicht da⸗ durch bezwingen, daß die Regierungsvorlage beiden Seiten der Geschäftabehandlung den Namen eines Gerichts beilegen wolle. Es bleibe freilich nach dem Gesetzentwurf der Name Verwaltungsgericht, es bleibe der Gerichtsdirektor, es blieben die unabsetzbaren Verwaltungsbeamten, es blieben die bürger⸗ lichen Beisitzer. Aber es blieben doch nur die Namen, nicht die Sache, nicht die Unabhängigkeit eines Richterkollegiums. Der bisher für wesentlich erachtete richterliche Beamte im Kollegium solle wegfallen. Dafür solle der bisher von einer großen Majoritat des Hauses abgelehnte Regierungs⸗-Präsident eintreten. Aber auch die beiden beibehaltenen besoldeten Bei⸗ sitzer behielten nicht die Unabhängigkeit eines Richteramts, wenn sie zugleich Stellvertreter und vortragende Häthe des Prasidenten in seiner Präfektenstellung seien. Dem Präsi⸗ denten bleibe sogar bei wichtigen Sachen die Möglichkeit einer Einwirkung auf die Besetzung des Gerichts. Jedenfalls fehle dem Präsidenten gerade mit den besten Eigenschaften eines eminenten Verwaltungschefs jede Eigenschaft eines Richters.

Das geringste sei noch das geschäftliche Bedenken, daß der beste Regierungs Präsident kaum besondere Anlage und Neigung für ͤ der Rechtsprechung haben werde, so wenig, wie Anlage für die Beschlußsachen. Viel schlimmer sei, daß, je mehr es auf Unbefangenheit ankomme, desto weniger unbe—

stehe. Denn fast in allen wichtigeren polizeilichen, Steuer—

fragen oder Disziplinarfragen häbe derselbe als Verwaltungs—

chef Verfügungen teeffen müssen, für die derselbe mit seiner persönlichen Ansicht bereits eingetreten sei, ehe er als vor—

Es bleibe ein unlösbarer Widerspruch darin, daß ein Re— gierungs-Präsident selbst oder durch Anweisung an eine Unter⸗ stelle erst eine Verfügung veranlaßt habe, daß dagegen eine Ver⸗ waltungsklage gegen ihn als Beklagten erhoben worden sei, und daß derselbe dann wieder als Richter über die Gesetzmäßigkeit der Verfügung entscheiden solle. Es bleibe ein unlösbarer Widerspruch, daß der Regierungspräsident zuerst eine Gewerbz⸗ konzession versage, und dann auf erhobene Klage zugleich als Beklagter und Richter sich geriren solle. Nicht minder sei das Kollegium in einer befangenen Lage, wenn es durch sein

Urtheil Akte seines Vorgesetzten zu desavouiren habe, und wenn

die Laienbeisitzer stets ein zimmig sein müßten, um den Vor⸗ sitzenden und seine vortragenden Rãthe zu überstimmen. Nach der Regierungsvorlage könne der Prasident sogar, wo derselbe ein wichtiges Staatsinteresse im Spiele sehe, den ganzen Stab seiner Räthe mit zur Berathung bringen, gegen welche dann die kleine Zahl der Laienmitglieder einstimmig Stand halten solle. Durchschlagend für die deutsche Auffassung bleibe, daß dem Präsidenten in seiner hohen, aber täglich widerruflichen Stellung die beiden ersten Eigenschaften eines Richters fehlten, die Ständigkeit und die Unabsetzbarkeit. Denjenigen, die das Rechts— mittel der Revision nicht genauer kennten, könne, man wohl sagen, daß alle diese Mängel eines Bezirksgerichts bei dem Ober⸗ verwaltungsgericht gut ge acht würden.

em Bezirksgericht, welche durch die Revision gar nicht be⸗ .. . Hinst sei ein Scheinargument, daß der Vor itz des Präsidenten in diesem Kollegium ebenso folgerichtig und selbstverständlich sei, wie der Vorsitz des Landraths im Kreis⸗ ausschuß. Im Gegentheil, umgekehrt. Das Haus habe aus

kböhere Instanz. Man habe in den Lokalbehörden jeder Zeit die Funktionen möglichst in einer Hand vereinigt, in II. In⸗ stanz ansehnliche kJ um stärkere Garantien der Rechtskontrole zu gewähren. sich ,, Wahrend in J. Instanz sechs unabhängige Bei⸗ sitzer dem Landrath zur Seite ständen, sollte die II. Instanz sich mit vier bürgerlichen Beisitzern begnügen, gegenüber drei keineswegꝝ: genügend unabhängigen erwaltungs— beamten. Eben weil die Laienbeisitzer im Kreisausschuß leider gar nicht selten den Rechtspunkt mit der Zweck mäßigkeitsfrage verwechselten, darum solle in II. Instanzʒ ein Festes Rechtsurtheil gesichert werden. Es seien eben die harten Gründe des Rechts, die diesem verführerisch einfachen Plan entgegenständen. Es ließe sich vielleicht etwas vereinfachen. Er selbst habe lange die Idee verfolgt, die Bezirksgerichte etwa so zu stellen, wie früher die Justiz⸗ deputalionen der preußischen Kammern, in denen auch der Präsident nicht mitgestimmt habe, in denen aber die einheit⸗ liche Firma der Behörde geblieben sei, und die Einheit der Bureauverfassung unter dem Verwaltungschef. In den Be— rathungen der Kommissionen hätten sich auch dagegen Be— denken ergeben. In den früheren tagelangen, wochenlangen, monatelangen Berathungen der Kommissionen beider Häuser wäre man auf die Wege der Regierungsvorlagen ganz sicher gekommen, wenn dieser Ausweg ein zulässiger wäre. Aber Recht und Rechtssprechung lasse sich nicht beugen: darum hätten die früheren Minister und die tiefgehendsten Be⸗ rathungen der Kommissionen unverbrüchlich daran festgehalten, daß an dieser Stelle der Verwaltungschef nicht persõnlich Recht sprechen dürfe. Biege man an dieser Stelle, wo eine ehrliche Rechtssprechung die Lebensfrage des Ganzen sei, stehe das Ganze in Gefahr zu brechen. Es sei das zunächs seine persönliche Ansicht, nach seiner Kenntniß von dem Gesammtbau dieser Gefetzgebung. Er könne nichts sagen über die Meinung des obersten Verwaltungsgerichts⸗ hofs, der darüber weder befragt, noch irgendwie schlüssig geworden sei, allein er könne sich für die Unzusafsigleit dieses Auswegs auf drei gewichtigere Taufzeugen der Ver⸗ waltungsreform berufen: die drei früheren daran betheiligten

tung des Verwaltungschefs bleiben müßten, weil in diesen

Staats-Minister, von denen zwei noch unter den Lebenden

jemals die die Spezialtechnik

umgekehrt der Spezialdirektor des Gerichts eine besondere

1883.

seien. Minder bedenklich erscheine vielleicht der zweite Gesichts⸗ punkt der Regierungsvorlage, die Vereinigung vom Provinzial⸗ rath und Provinzialausschuß, welche von praktischen Gesichts⸗ punkten aus manches Sympathische darbiete. Auch hier werde indessen der Kommission doch woll ein Bedenken aufstoßen, ob der Provinzialausschuß für die demselben zugedachten Funktionen wirklich richtig besetzt und gestellt sei, und ob die weitere Wiederherstellung der einzelnen Departements-Minister als letzte Instanz im konstitutionellen Staat rathsam sei. In den Rechtsmitteln und dem Instanzenzug würden ebenso Ver— einfachungen beabsichtigt, die wohl zu erwägen seien. Er möchte dabei nur das Bedenken aussprechen, ob genügende Gründe vorhanden seien, das allgemeine Rechtsmittel gegen Polizeiverfügungen schon wieder zu ändern, sei es in der Form oder Sache. Man habe in diesem Hause das Problem gelöst, mit welchem sich Preußen ein ganzes Menschen⸗ alter vergeblich abgemüht habe, die Garantien der Ge— setzmäßigkeit auf dem unabsehbaren Gebiet der Polizei⸗ verfügungen herzustellen. In wenigen Jahren sei man dahin gekommen, dem Publikum die volle Garantie zu gewähren, daß die Polizei gesetznäßig verfahre und dem Beamten die Gewißheit zu geben, wie weit seine Befugnisse gingen. Das alles beruhe jetzt auf jährlich 32 Entscheidungen des Ober⸗ Verwaltungsgerichts und jährlich durchschnittlich halb so viel Entscheidungen der einzelnen Bezirks-Verwaltungsgerichte und diese Zahl nehme jährlich noch ab. Bei einer mustergültigen Weise, die wirklich jetzt einzig in ihrer Art dastehe, könnte der bureaukratische Sinn sich wohl endlich beruhigen. Eine gewisse Erleichterung ferner würde dem Ober-Perwaltungs⸗ gericht wohl zu Theil werden, wenn künftig bei den Klagen auf Versagung der Wirthschaftskonzessionen das Rechtsmittel HI. Instanz in Wegfall käme. Aber leicht werde es sich nicht

fangen der Verwaltungschef diesen Entscheidungen gegenüber- rechtfertigen lassen, bei Entscheidungen, welche die wirthschaft—

liche Existenz des Unternehmens so schwer träfen, die gewöhn⸗ lichen Rechtsmittel zu verkürzen. Auch gelangten die Gerichte zweiter Instanz bald im Eifer für die Gewerbefreiheit, bald im Eifer für die Beschränkung der Völlerei, zu so bedenk— lichen Entscheidungen, daß eine Korrektur ungesetzlicher, ein⸗ ander widersprechender Grundsätze hier wohl nicht entbehrt werden könne. In Verwaltungsbeschwerden beruhige sich der Deutsche sehr schwer bei Entscheidungen unterer Instanzen. Endlich erkenne er auch in den Vorschlägen über das Ver⸗ fahren eine Anzahl berechtigter Gesichtspunkte an. Aber auch hier sprächen alle Erfahrungen der Justiz entschieden dagegen, den Eintritt eines mündlichen Verfahrens in allen Sachen ohne Unterschied lediglich vom Antrag des Klägers abhängig zu machen. Die mündliche Verhandlung werde damit zu einem Privilegium der Streitsüchtigen und der redelustigen Beschwerdeführer auch in den geringfügigsten Beschlußsachen. Im Gegentheil, das Gesetz müsse in Rechtsstreitsachen die mündliche Verhandlung zur Regel machen, es den Parteien aber überlassen, auf mündliche Verhandlung zu verzichten. Mache man nur Ernst mit dem neuen Grundsatz des neuen Gerichtsverfahrens, verlange man nur einen schristlichen An⸗ trag des Klägers, setze man darauf in der Regel die Sache

zur mündlichen Verhandlung auf den nächsten Termin, über—

lasse man einen Schriftwechsel dem Belieben; überwache man dann im Termine den Protokollführer durch den Vor— sitzenden und den Referenten besser als bis jetzt, so werde die größere Hälfte des Schreibwerks und der gewaltige Zeitverlust

Allein die 9 der Einseiligkeit liege vorzugsweise in der Feststellung und Be⸗ urtheilung der thatsachlichen und persönlichen Verhältnisse bei

guten Gründen die Lokalbehörden stets anders formirt als die

Das würde sich künftig

wegfallen, an dem man bis nun durch einen vedantischen, meist inhaltlosen Schriftenwechsel leide. Die Vorlage enthalte aber nebenbei auch eine weittragende Neuerung, gegen welche die Justiz- wie die Verwaltungsbehörden bisher ernste Bedenken getragen hätten. Es solle den Verwaltungsbehörden auch in den gewöhnlichen Verwaltungssachen das Recht beigelegt werden, Zeugen zu vereidigen und alle Zwangsbefugnisse der, Gerichte dabei zu üben eine Aenderung von großer Tragweite, welche sich die Kommission wohl ernstlich zu überlegen haben werde. Es seien dies die leitenden Gesichtspunkte der Negierungẽ⸗ vorlage, wobei ec in der Generaldebatte gern darauf ver⸗ zichte, das erste Viertelhundert von Unzuträglichkeiten, In⸗ konsequenzen und Widersprüchen dem Hause vorzulegen, welches aus Gesetzesänderungen dieser Art unvermeidlich hervorgehen würde. Er habe hiermit nur Hauptgesichtspunkte gestreift, und doch die Geduld des Hauses ziemlich lange in Anspruch nehmen müssen. Er hoffe auf die Nachsicht des Hauses, wenn ein Mitglied desselben, welches Taufzeuge dieser Gesetzgebung von dem ersten Keime an gewesen sei, vielleicht ein zu leb⸗ haftes Interesse für die Vorlage äußere. Er habe immer die Ansicht vertreten, die Gesetze könnten nicht anders gemacht werden, als wenn eine Sachverständigen-Kommission Jahr und Tag hindurch gearbeitet habe, ehe sie an den Landtag kämen . scheinbar sei er widerlegt worden, eben nur scheinbar! Der Redner führte im Weiteren aus, daß auch die ganze Reichs⸗ Verwaltungsgesetzgebuag an der Gesetzgebung der Stein⸗ Hardenbergschen Periode zehre. Solche Gesetze wie das vor⸗ liegende, müßte durch eine permanente Sachverständigen⸗ Kommission durchberathen werden. Ein Ministerrath könne das Gesetz in jeinen technischen Einzelheiten nicht prüfen. Man habe in Preußen so Vieles aus fremden Vorbildern angenommen, was für Preußen nicht recht passe, warum solle man nicht auch etwas Praktisches annehmen aus den englischen Parlamentsgebräuchen, was wirklich allgemein gültig sei. Das englische Parlament habe sich nie daran gewagt, Stäbteord—⸗ nungen oder organische Verwaltungsgesetze oder gar Gesetze, die das ganze Gebiet des Staats- und Gemeindeorganismus berührten, durchkreuzten und alterirten, von einem vortragen⸗ den Rath bearbeiten, durch den Ministerrath berathen und dann durch select committes weiter zurechtlegen zu lassen. Die Verwaltungsgesetze in Preußen kämen dadurch in fortwährend wachsende Widersprüche, Inkonsequenzen und Verwirrungen. Das englische Parlament lasse sich nach altem Brauch Jahr für Jahr mehr als eine halbe Million Mark kosten, Gesetz⸗ vorlagen erst durch Königliche Kommissionen von Sachver⸗ ständigen so durcharbeiten zu lassen, wie früher der Staats⸗ rath gearbeitet habe. Einer der Hauptzwecke sei dabei, die Einheit des Verwaltungsrechts zu erhalten und eine gewisse Vereinfachung und Uebersichtlichkeit zu erreichen. Den Mi⸗ nistern bleibe die Initiative, wenn sie wollten, auch der