Reichstages und beider Häuser des Landtages im Rothen Zimmer der Königin-Elisabeth⸗Wohnung, für die Obersten und für alle in Regiments Commandeur-Stellung befindlichen Offiziere, sowie für die Räthe zweiter Klasse, im Sammet— zimmer der Königin⸗Elisabeth-Wohnung, für die Kammer—⸗ herren, sür die in ritterschaftlicher Uniform erschienenen Per—⸗ sonen und für die Geistlichkeit in der Elisabeth-Galerie, für die Offizier-Corps in der Bildergalerie.
Ihre Kaiserlichen und Königlichen Majestäten, Ihre Kaiserlichen und Königlichen Hoheiten der Kronprinz und die Kronprinzessin, Se. Königliche Hoheit der Herzog und Ihre Kaiserliche Hoheit die Herzogin von Edinburg und Ihre Königlichen Hoheiten die Prinzen und die Prinzessinnen des Königlichen Hauses hatten Sich in der Rothen Sammet—⸗ Kammer versammelt, während die Obersten Hof⸗, die Ober⸗Hof⸗ und die Hoschargen, die General-Adjutanten, die Generale à2 la suite, die Flügel ⸗ Adjutanten und alle anderen Personen des Gefolges Sr. Majestät des Kaisers und Königs, der Hof Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin, sowie die Gefolge Ihrer Kaiserlichen und König— lichen Hoheiten des Kronprinzen und der Kronprinzessin, Sr. Königlichen Hoheit des Herzogs und Ihrer Kaiserlichen Hoheit der Herzogin von Edinburg und Ihrer Königlichen Hoheiten der Prinzen und der Prinzessinnen in den Kapitel— saal eingetreten waren.
Um M Uhr, nachdem der Vize⸗Ober-Ceremonienmeister Graf zu Eulenburg den Allerhöchsten Herrschaften die ent— sprechende Meldung gemacht hatte, begann die Cour. Ihre Kaiserlichen und Königlichen Majestäten geruhten Allerhöchst⸗ sich unter Vortritt der Obersten Hof⸗, der Ober⸗-Hof⸗ und der Hofchargen und gesolgt von den General-Adjutanten, den Ge— neralen à la suite und den Flügel- Adjutanten, der Ober— Hofmeisterin, den Palast- und den Hofdamen, so wie dem Ober⸗Hofmeister nach dem Rittersaale zu erheben und da— selbst unter dem Throne Platz zu nehmen. Rechts vom Throne stellten Sich Ihre Kaiserliché und König— liche Hoheit die Kronprinzessin, Ihre Kaiserliche Hoheit die Herzogin von Edinburg, sowie Ihre Königlichen Hoheiten die Prinzessinnen, links Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz, Se. Königliche Hoheit der Herzog von Edin— burg und Ihre Königlichen Hoheiten die Prinzen des König— lichen Hauses. Die Damen des Gefolges Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin, Ihrer Kaiserlichen und Königlichen Hoheit der Kronprinzessin, Ihrer Kaiserlichen Hoheit der Herzogin von Edinburg und Ihrer Königlichen Hoheiten der Prinzessinnen ordneten sich hinter Ihren Höchsten Herrschaften. Die General⸗Adjutanten, die Generale à la suite und die Flügel⸗Adjutanten, sowie die Gefolge Sr. Kaiserlichen und
Königlichen Hoheit des Kronprinzen, Sr. Königlichen Hoheit des Herzogs von Edinburg und Ihrer Königlichen Hoheiten der Prinzen traten auf die Fensterseite des Rittersaales. Die Hofchargen stellten sich dem Throne gegenüber in einer Reihe auf, in deren Mitte ein entsprechender Raum zum Durchgange für die Defili⸗
renden frei gelassen war. Die Pagen bildeten von der an der Wandseite aus der Brandenburgischen Kammer in den Rittersaal führenden Thür ein Spalier, welches sich in einer Bogenlinie bis zu dem soeben erwähnten freien Raume er— streckte und den Weg bezeichnete, welchen die Defilirenden zu nehmen hatten. Sobald die Aufstellung im Rittersaale voll⸗ endet war, geruhten Se. Majestät der Kaiser und König den Befehl zum Beginn der Cour zu ertheilen. Es defilirten zu— nächst die Damen des diplomatischen Corps und sodann die Herren desselben. Hierauf solgten sammtliche inländischen Damen, und zwar vorab die verheiratheten. Am Schlusse der verheiratheten Damen defilirten die neu vorzustellenden verheiratheten und unverheiratheten Damen. Den Schluß bildeten die bereits vorgestellten unverheiratheten Damen.
Nach der Cour der Damen folgte die Cour der Herren. Die Damen gingen einzeln, die Herren paar— weise. Man bewegte sich von der Brandenburgischen
Kammer her durch die Thür, an welcher die Pagen Spalier bildeten, in den Rittersaal und durch dieses Spalier bis vor den Thron und machte dort zwei Verbeugungen, von denen die erste an Se. Majestät den Kaiser und König, die zweite an Ihre Majestät die Kaiserin und Königin gerichtet war, und entfernte sich, an dem Throne von links nach rechts vorüberschreitend, durch die der Fensterseite zunächst gelegene Thür nach der Schwarzen Adler-Kammer und von dork weiter bis zum Weißen Saale.
Die Vorstellungen erfolgten während des Defilirens, und zwar auf Allerhöchsten Spezialbefehl bei den Damen des diplomatischen Corps durch die Gemahlin des betreffenden Missionschefs, welcher die vorzustellenden Damen daher unmittel— bar zu solgen hatten, bei den Herren des diplomatischen Corps durch den betreffenden Missionschef, dem jene Herren deshalb auch unmittelbar zu folgen hatten, die Geschäststräger durch den Staatssekretär des Auswärtigen Amtes. Die inlän— dischen Damen wurden Ihren Majestäten von der Ober⸗Hof⸗ meisterin Gräfin von Perponcher, die inländischen Herren, einschließlich der Räthe J. und II. Klasse, von dem Sberst— Kämmerer Grafen von Redern genannt, welchen der Vize⸗Ober— Ceremonienmeister Graf zu Eulenburg dabei unterstützte.
Nach Beendigung der Defilir-Cour geruhten Se. Majestät der Kaiser und König Allerhöchstsich nach der Rothen Sammet Kammer zu begeben, um daselbst mit Ihren Kaiser— lichen und Königlichen Hoheiten dem Kronprinzen und der Kronprinzessin, mit Sr. Königlichen Hoheit dem Herzog und Ihrer Kaiserlichen Hoheit der Herzogin von Edinburg und Ihren Königlichen Hoheiten den Prinzen und den Prin— zessinnen den Thee zu nehmen. Ihre Majestät die Kaiserin zogen Sich in Allerhöchstihre Gemächer zurück.
Dem nächst begaben Se. Majestät der Kaiser und König Sich mit den Höchsten Herrschasten in den Kapitelsaal und in die Bildergalerie zur Cour der inzwischen zahlreich er— schienenen Ossizier-Corps, denen kurz vorher die Generalität, die Obersten und die in Regiments⸗Commandeur⸗Stellung be⸗ findlichen Offiziere sich angeschlossen hatten.
Nach dieser Cour geruhten die Allerhöchsten und die Höchsten Herrscaften Sich nach dem Weißen Saale zu be— geben. Daselbst begann, nachdem Allerhöchst und Höchdieselben den Ilaut-bas bestiegen hatten, bald nach 8is. Uhr das Con⸗ cert. Die Ordnung, in welcher die Allerhöchsten und die Höchsten Herrschaften daselbst Platz nahmen, war folgende:
Se. Majestät der Kaiser und König; rechts von Aller— höchstdenselben Ihre Kaiserliche Hoheit die Herzogin von Edin— burg, Se, Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz, Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin Victoria von Preußen, Se. Königliche Hoheit der Prinz Albrecht von Preußen, Ihre
von Allerhöchstdenselben: Ihre Kaiserliche und Königliche Hoheit die Kronprinzessin, Se. Königliche Hoheit der Herzog von Edinburg, Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin Friedrich Carl von Preußen, Ihre Köninliche Hoheit die Prinzessin Albrecht von Preußen, Se. Königliche Hoheit der Prinz Wilhelm von Preußen und Ihre Königliche Hoheit die Herzogin Wilhelm von Mecklenburg⸗Schwerin. In zweiter und dritter Reihe saßen die anderen anwesenden Höchsten Herrschaften, die Ober⸗Hofmeisterin Gräfin von Perponcher und die Damen des Hofes, der Ober -Kämmerer Graf von Redern, der General-Feldmarschall Graf von Moltke, die Obersten Hof⸗ und die Hofchargen, die General⸗Adjutanten 2c.
Den Allerhöchsten Herrschaften gegenüber waren auf be— sonders vorgerückten Stühlen die Boitschafter von Groß— britannien und Gemahlin, von Italien und Gemahlin, der Türkei, von Oesterreich Ungarn (Gräfin Széchényi war durch Unwohlsein verhindert, zu erscheinen), von Rußland und von Frankreich und Gemahlin plaeirt.
Nachdem die Versammlung die Plätze eingenommen, be⸗ gann das vom Ober-Kapellmeister Taubert geleitete Hofconcert. In demselben wurden folgende Piecen vorgetragen:
Ouverture zu ‚Athalia“ von Mendelssohn, Arie mit Chor aus „Iphigenia in Tauris von Gluck (Fr. Sachse-Hofmeister,, Duett aus „Armide“ von Gluck (Fr. von Voggenhuber, Hr. Betz), Ariofo aus den ‚„Meistersingern und Liebeslied aus der ‚Wakküre“ von Wagner (Hr. Niemann), Finale der C-moll-Sinfonie von Beethoven. — Vorspiel zu „Parsifal' von Wagner, Sextett aus Lucia“ von Den izʒetti 6. Tagliana, Fr. Luger, die Herren Niemann, Betz, Ernst, 6. der Chor), Arie aus Figaros Hochzeit? von Mojart (Hr. Betz),
inale aus ‚Aida' von Verdi (Fr. Sachse⸗Hofmeister, Fr. Luger, die Herren Niemann, Betz, Fricke, Krolop, der Chor).
In der Pause zwischen dem ersten und zweiten Theile des Concerts geruhten Se. Majestät der Kaiser und König Sich zu erheben und viele der Anwesenden durch huldreiche Ansprache zu beglücken.
Das Fest endete programmmäßig um 10 ½ Uhr.
— Der Bundes rath trat heute zu einer Sitzung zu⸗ sammen.
— Der Schlußbericht über die gestrige Sitzung des Reichstages befindet sich in der Ersten Beilage.
— In der heutigen (35 Sitzung des Reichstages, welcher die Staats⸗Minister von Kameke und Scholz sowie mehrere andere Bevollmächtigte zum Bundesrath und Kom— missar ien desselben beiwohnten, war der erste Gegenstand der Tagesordnung die Interpellation des Abg. von Schalscha, be⸗ treffend die Seelsorge für die katholischen Soldaten in Kosel. Dieselbe lautet: —
Am H. August v. J sind in Kosel katholische Mannschaften in den Gottesdienst kommandirt und geführt worden, welcher von einem Geistlichen abgehalten worden ist, den sie als einen rechtmäßigen Seelsorger nicht anzuerkennen vermögen. icht Ich erlaube mir, an den Herrn Reichskanzler die Fragen zu richten:
1) gl . angeführte Thatsache dem Herrn Reichskanzler be— ann
2) Was gedenkt der Herr Reichskanzler zu thun, um der— artige Thatsachen für die Zukunft zu verhüten?
Der Staats⸗Minister von Kameke erklärte, daß der Reichs— kanzler ihm die Beantwortung dieser Interpell tion überlassen habe, da sie zu seinem Ressort gehöre. Er sei auch bereit, die Interpellation zu beantworten, aber erst in acht Tagen, da er bis dahin die nothwendissn Insormationen einziehen müffe.
Der Präfident von Lpbetzow erklärte hierauf, daß er unter diesen Umständen die Interpellation etwa nach Verlauf einer Woche wieder auf die Tagesordnung setzen werde.
Darauf setzte das Haus die erste Berathung des von dem Abg. von Wedell-Malchow eingebrachten Gesetzentwurfs wegen Abänderung des Gesetzes, betreffend die Erhe⸗ bung von Reichs-Stempelabgaben vom 1. Juli 1881, fort.
Bei Schluß des Blattes erhielt der Antragsteller, Abg. von Wedell-Malchow, das Schlußwort.
— Der Kaiserliche Botschafter Graf zu Münster hat London mit kurzem Urlaub verlassen, um die ihm über— tragenen Funktionen des Landtagsmarschalls bei dem am 21. d. Mts. in Hannover zusammemretenden Provinzial Land— tage zu übernehmen. Für die Dauer der Abwesenheit des Botschasters fungirt der Botschafts-⸗Rah Graf von Bismarck— Schönhausen als Geschäftsträger.
— Nach einem Erkenntniß des Reichsgerichts, vom 16. September v. J., gilt eine im Termine zur Zwangs— versteigerung eines Grundstücks mitausgebotene For— dlerung auf Feuerversicherungsgelder als mitzu— geschlagen, auch wenn sie im Zuschlagsurtheile als Gegenstand des Zuschlages nicht genannt ist.
— Ein Wohnungsvermiether, welcher seinen Miether zur Räumung der Wohnung dadurch nölhigt, daß er die Stuben— thüren und Fenster der Wohnung aushebt und entfernt oder in sonstiger Weise die Wohnung unbewohnbar macht, ist nach einem Urtheil des Reichsgerichts, II. Strafsenats, vom 1. Dezember v. J, wegen widerrechtlicher Nöthigung aus §z. 240 St. G. B. zu bestrafen.
Bayern. München, 19. Januar. (Allg Ztg.) Das Ministerium des Innern hat zur Verstärkung des tech— nischen Baupersonals drei Ingenieurpraktikanten nach Speyer abgeordnet, um bei der schleunigen Wiederherstellung der Rheindamm bauten und bei'den technischen Arbeiten zur Bewerkstelligung raschen Ablaufes des Wassers in den Ueber— schwemmungsgebieten mitzuwirken.
Württemberg. Stuttgart, 18. Januar. (Allg. Ztg.) Die Pr inzessin Marie von Württemberg, verwittwete Gräfin von Neipperg, ist am 15. d. plötzlich von einem schweren Brust— katarrh und bedeutenden Athembeschwerden befallen worden. — Der Staats⸗-Minister des Innern von Hölder gab in der heutigen Sitzung der Zweiten Kammer des Landtags, der sich nunmehr bis Mitte März vertagt hat, eine Darlegung der Ergebnisse der Enquete über die Hagelschäden in Württemberg. Durch dieselben sind von den 64 Ober— ämtern des Landes 41 mit 311 Markungen und 96 644 Morgen betroffen. Der Schaden, den man unter dem ersten Eindruck des Unglücks auf mehr als 11 Millionen Mark be— zifferte, beläuft sich nach den neuesten Erhebungen auf 7 Millionen, von denen durch Versicherungen etwa 375 000 6 gedeckt worden sind. Die Noth in manchen ländlichen Kreisen ist groß, um so mehr, als Württemberg das letzte Jahr außer in Wein auch in Kartoffeln eine totale Mißernte hatte. Um
Durchlaucht die Prinzessin Friedrich von Hohenzollern; links
die Regierung die Beschaffung von Arbeitsgelegenheit i
Auge gefaßt, und zu diesem Behufe — 1 — . arbeiten, Flußkorrekltionen und Straßenbauten angeordnet Man hofft, daß die Benützung der gebotenen Arbeitagelegen heit ausreichend sein wird, um einem Weiterumsichgreifen des Nothstandes vorzubeugen. i einer Nothstands vorlage wie in Preußen liegt glücklicherweise bei uns die Nothwendigkeit noch nicht vor; die Berathung des Hauptfinanz Etats im Man wird übrigens noch Veranlassung geben, hie und da Post tionen zu Gunsten der Beschädigten einzustellen.
Baden. Karlsruhe, 18. Januar. (W. T. B.) Der Großherzog und die Großherzogin treten am Sonntag Abend die Reise nach Berlin an. — Die Sammlungen des Landescom it és für die in Folge der Ueberschwemmung Nothleidenden haben 320 000 ½ , die des Mannheimer Comitẽ 120 000 M ergeben.
Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach. Weimar, 17. Januar. (Thür. Corr.) Die Umgestaltung der Lehrpläne für die w ist von Seiten der Schulbehörde des Groß⸗ herzogthums und der Lehrerkörper eingehend berathen worden. So viel bis jetzt verlautet, wird das Ergebniß der Berathungen die Umgestaltung der Lehrpläne im Sinne der preußischerseitz eingeführten Neuerungen sein, jedoch mit einigen Abände⸗ rungen, die namentlich darauf hinauslaufen, daß die jugend⸗ lichen Schüler zumal, was die oberste Schulbehörde stets an— gestrebt hat, in den untern Klassen nicht zu sehr mit Lernstof überladen werden. Deshalb ist u. a. beschlossen worden, daß mit Französisch erst in der Quarta begonnen werden soll Noch einige andere Abweichungen von den preußischen Lehr⸗ plänen sind vorgesehen, durch welche bewirkt wird, daß die wöchentliche Zahl der Lehrstunden in Serta und Quinta um eine geringer ist als in Preußen. Die Zahl derselben beträgt in Sexta 27, in Quinta 29, in den andern Klassen 30.
Oesterreich⸗ Ungarn. Wien, 19. Januar. (W. T. B. Im Abgeordnetenhause brachte heute der Abg. Peez eine Interpellation ein wegen der Ausführung des Berliner Ver—= trags betreffs der türkischen Bahnanschlüsse. Das Haus be— rieth zunächst die neuen Steuerentwürfe und verwies die⸗ selben schließlich an den Steuerausschuß. Den Ausfüh⸗ rungen des Abg. Plener gegenüber bemerkte der Finanz Minister, daß die neue Erwerbsteuer die Lasten erleichtern werde; nur diejenigen, welche bisher von dieser Steuer besreit gewesen seien, könnten beunruhigt sein. Dies werde aber den Staatskredit nicht erschüttern. Die Zinsen der Prio— ritäts-Obligationen würden durch die Rentensteuer nicht be= rührt. Der Minister hält es für unthunlich, die Steuervor— lagen vom Standpunkte der politischen Partei zu verwerfen und erklärt schließlich, die Regierung werde etwaige Verbesse— rungsvorschläge gern annehmen.
Graz, 19. Januar. (W. T. B.) Die Beisetzung der Leiche des Botschafters Grafen Wimpffen hat heute hier stattgefunden. Der Feier wohnte im Auftrage des Kaiferz der Ober-Ceremonienmeister Graf Hunyady bei, außerdem waren Vertreter, des Auswärtigen Amtes, der Statthalter, . J General und zahlreiche Notabilitäten an⸗ wesend.
Lemberg, 18. Januar. (Pol. Corr.) Gegenüber den abenteuerlichen Versionen, welche in Betreff der Sperrung der Jesuiten-Kirche in Lemberg im Publikum immer neu auftauchen und zum Theile in den Journalen ihren Wieder— hall finden, wird in bestimmtester Weise versichert, daß einzig die Anzeige eines angeblich beabsichtigten Bombenattentats und die Rücksicht auf die Lokalverhältnisse in der genannten Kirche die Veranlassung zu der Vorsichtsmaßregel der Sper— rung derselben geboten haben. Die in der Presse in dieser Angelegenheit gerichteten Anfragen an die Regierungsbehörden erscheinen gegen standslos, weil die Sperrung der Kirche weder von Sicherheitsorganen verfügt, noch unter deren Mitwirkung vollzogen wurde.
Großbritannien und Irland. London, 18. Januar. (Allg. Corr.) Ueber das Manijest des Prinzen Napoleon schreibt die „Times“: „Der Prinz hat durch dasselbe Niemandem Gutes gethan als nur der republikanischen Regierung. Ihn hat dasselbe ins Gefängniß gebracht und wird unzweifelhaft seine permanente Verbannung vom französischen Boden zur Folge haben. Den Republikanern hat derselbe eine Warnung gegeben, welche sich dieselben, wenn sie irgend welche politische Weisheit besitzen, sehr schnell zu Nutzen machen werden. Er hat ihnen die schwachen Punkte ihres Systems aufgedeckt, und die Art und Weise, wie die Republikaner am besten einen wirklichen Vortheil aus der ganzen Sache ziehen können, ist, die unbedingte Nothwendigkeit der Einigkeit unter sich zu verwirklichen. Kein unparteiischer Beobachter kann leugnen, daß in vielen der vom Prinzen gerügten Mängel ein Kern von Wahrheit liegt. Die Republik ist ein großes Experiment, auf welches wir hier zu Lande mit den besten Wünschen für einen glücklichen Erfolg blicken. Geschwächt durch den Verlust seines hervorragendsten Sohnes, findet Frankreich seine Schwierigkeiten unendlich vermehrt, so daß es einen Grad von Weisheit, Scharfsinn, Selbstbeherrschung und öffentlicher Tugend entfalten muß, wie wenige Nationen ihn besitzen. Doch hegen alle seine Freunde und die Freunde einer freien Regierung in der ganzen Welt die beste Hoffnung, daß es alle Schwierigkeiten mit der Zeit überwinden wird.“ — 19. Januar, Abends. (W. T. B.) Der Prinz und die Prinzessin von Wales werden am Montag fruͤh die Reise nach Berlin via Calais antreten.
Der Staatssetretär des Krieges, Lord Hartington , hielt heute in Manchester eine Rede, in welcher er darlegte, daß der Krieg in Egypten eine absolute Nothwendigkeit gewesen sei. Lord Hartington besprach sodann die Ver⸗ hältnisse in Irland und äußerte: es existirten daselbst ebenso wie in Rußland, Deutschland, Frankreich und in den Vereinigten Staaten geheime Verbindungen, welche Krieg gegen das Eigenthum, die Ordnung und allgemeine Sicher— heit führten. Ueberall, wo solche geheime Gesellschaften vor—⸗ handen seien, habe man stets außerordentliche Maßnahmen für nothwendig gehalten. Die Regierung sei unbedingt ent⸗ schlossen, mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln die agrarischen Verbrechen zu unterdrücken. Unabhängigkeit und k Legislative könnten Irland niemals zugestanden werden.
Kapstadt, 19. Januar. (W. T. B.) Das Par⸗ lament wurde heute durch eine Rede des Gouverneurs er⸗ öffnet, in welcher derselbe erklärte: die beste Politik gegen⸗
nun einem drohenden Nothstande nach Kräften vorzubeugen, hat
über den Feindseligkeiten unter den Bafsuto⸗
a. M .
äuptlingen sei die Nichlintervention in den inneren An⸗ gelegenheiten ihres Landes, dagegen die Ausübung der Kon⸗ srolle nach außen hin und die Äufrechterhaltung der Ordnung an der Grenze, um den Verpflichtungen gegen den Orange— Freistaat nachzukommen.
Frankreich. Paris, 18. Januar. (Fr. Corr.) Die Armeekommission der Deputirtenkammer, deren orsitzender Gambetta war, hat Martin Feuillse zum Prä⸗ sidenten und M. Margaine zum Vize⸗Präsidenten ernannt. Die Kommission scheint bedeutende Abänderungen im Avancements⸗Gesetze zu beabsichtigen.
Der englische Premier, Mr. Gladstone, hat auf der Fahrt nach Cannes Paris berührt. ö
19. Januar. (W. T. B.) Der Tem ps“ bespricht die von den Morgenblättern erwähnten, bereits gemeldeten Gerüchte über die Organisation der legitimistischen Partei und meint: die Details waren vielleicht etwas übertrieben, im Allge⸗ meinen seien indeß die gemeldeten Fakta richtig. Die Behörde habe ein wachsames Auge auf derartige Versuche einer Verbindung, welche von gewissen rührigen Persönlichkeiten der royalistischen Partei unternommen würden. Sollte irgend ein solcher Ver⸗ such gemacht werden, so werde er energisch unterdrückt werden. — Das Journal „Paris“ meldet Aehnliches und bemerkt: die Organisation sei eine rein legitimistische.
— 20. Januar. (W. T. B.) Die Zeitungen der royalistischen Partei erklären dit Nachrichten von einer legitimistischen Verschwör ung für unbegründet und meinen: dieselben seien nur ein Manöoer, um die Annahme des An— trages auf Verbannung der Prinzen gerechtfertigt erscheinen
lassen. ö . Pitti begiebt sich morgen nach Berlin, um den Präsidenten Grévy bei der Feier der silbernen Hochzeit des Kronprinzen und der Kronprinzessin zu vertreten. .
In einem heute Vormittag unter dem Vorsitz des Prä— sidenten Grévy stattgehabten Ministerrath sind die Ge— setzentwürfe über eventuelle Maßregeln gegen Thronprätendenten und wegen Abänderung des Preßgesetzes vom Jahre 1881 genehmigt worden; beide Gesetzentwürfe werden noch heute in der Kammer eingebracht werden.
Die über eine Ministerkrisis umgehenden Gerüchte wer— den von der „Agence Haas“ für unbegründet erklärt.
Lyon, 19. Januar. (W. T. B. Anarchistenprozeß. Der Gerichtshof hat in dem heute ertheilten Erkenntniß das Vorhandensein eines Anarchistenbundes angenommen, der den Charakter einer Verbrüderung mit der Internationalen habe und darauf ausgehe, ein Einstellen der Arbeit und eine Be⸗ seitigung des Vaterlands, des Eigenthums, der Familie und der Religion herbeizuführen. Demgemäß hat der Gerichtshof die Angeklagten Gauthier, Bernard, Bordat und Krapotkin zu fünfjährigem Gefängniß, zu 2000 Fres. Geldbuße, zu zehnjähriger Ueberwachung und zum Verlust der staats— bürgerlichen Rechte und der Ehrenrechte auf 5 Jahre ver⸗ urtheilt. Fünf Angeklagte wurden freigesprochen, die übrigen Angeklagten zu Gefängnißstrafen von 6 Monaten bis zu 4 Jahren verurtheilt. Bei Publikation des Urtheils kam es zu tu multuarischen Scenen, namentlich durch die Frauen von mehreren der Verurtheilten. Die anwesenden Soldaten stelten die Ruhe wieder her. Die Frau des Fürsten Kra— potkin verließ den Saal am Arme von Louise Michel.
Italien. Rom, 20. Januar. (W. T. W.) Prinz Thomas, Herzog von Genua, hat seine Abreise nach Berlin behufs Vertretung des Königs bei der silbernen Hoch⸗ zeitsfeier Ihrer Kaiserlichen und Königlichen Hoheiten des Kronprinzen und der Kronpzinzessin auf morgen festgesetzt.
Serbien. Belgrad, 20. Januar. (W. T. B.) Die Skupsfchtina nahm den serbisch-deutschen Handels⸗ vertrag ohne Debatte an.
Montenegro. Cettinje, 20. Januar. (W. T. B.) Der Finanz⸗Minister Cerovie ist zum Gouverneur von Nicsie und der erste Adjutant des Fürsten, Maternovic, zum Finanz-Minister ernannt worden.
Nußland und Polen. St. Petersburg, 20. Ja—⸗ nuar. (W. T. B) Der Kaiser hat für die durch den Cirkusbrand in Berditscheff Geschädigten und die Familien . g. Brande ums Leben Gekommenen 4000 Rubel ge— pendet.
Schweden und Norwegen. Stockholm, 17. Januar. Die von dem König bei der heutigen Eröffnung des Reichstags verlesene Thronrede hat folgenden Wortlaut: Gute Herren und schwedische Männer! Das zuletzt verflossene Jahr ist reich an Segen für Land und Volk gewesen. Die xreichste Ernte, welche unser Boden seit vielen Jahren hervorgebracht hat, ist glücklich eingebracht. Die Ausfuhr der Produkte unserer Berge und unserer Wälder hat reichlichen Gewinn ergeben. . Für mich und mein Haus ist dieses Jahr auch besonders glück— bringend gewesen. Zu dem Fest unserer silbernen Hochzeit haben meine Gemahlin und ich viele uns unvergeßliche Proben der Ergeben— heit des Volkes erhalten, und am 11. November konnte ich einen ge liebten Enkel in meine Arme schließen. Schätzbar ist mir die Ueber⸗ zeugung, daß Schwedens Volk meine Gefühle der Freude und der Dankbarkeit gegen die Vorsehung für diese Gabe theilt und sich mit mir und den Meinigen in warmen Fürbitten für den Neugeborenen vereinigt. . Während des verflossenen Jahres ist die nördliche Verbindungs— bahn vollendet worden. Sie wird mächtig dazu beitragen, die Brüdervölker einander noch mehr zu nähern, den Verkehr zwischen denselben zu heben und so das Vereinigungsband fernerweit zu be⸗ festigen, indem die reichen Produkte wichtiger Landestheile dem Waarenaustausche zugänglich gemacht werden. . Das Verhältniß der vereinigten Reiche zu den fremden Mächten ist fortgesetzt das beste. l Schon vor meiner Thronbesteigung und während meiner ganzen Regierungszeit sind die Fragen wegen der zeitgemäßen Ordnung des Vertheidigungs. und des Steuerwefens Gegenstand der Berathung für die Staatsgewalten gewesen, ohne jedoch bisher eine andere Aus⸗ sicht zur Lösung gewonnen zu haben, als daß die beiden Kammern des Reichstages während meines ersten Regierungsjahres über die Hauptregeln für die Durchführung der Reform einig geworden sind. Im Jahre 1873 bezeichnete der Reichstag als seine Ansicht, daß die Grundsteuern ungleichmäßig vertheilt und als Steuerform ungeeignet seien, sowie daß die Landwirthschaft, von denselben 6. . sei, nicht durch Ablösung, sondern durch successive Ab⸗ reibung. . . . Außerdem erachtete der Reichstag, daß die eingetheilte Armee für die Vertheidigung des Landes weder ausreichend, noch als Stamm für eine aus Dienstpflichtigen bestehende Armee geeignet sei, sondern daß ein solcher auch Cadressoldaten umfassender Stamm aus den Reihen der Dienstpflichtigen gegen Entschädigung aus der Staats kasse zu bilden sei. . . Aus diesem Grunde hat auch der Reichstag, der richt übersah, daß eine neue Heeresorganifation ansehnlich vermehrte Kosten verursachen
würde, ersucht, daß ich, in Verbindung mit der Vorlage von Vor schlägen zu einer neuen Organisation des Vertheidigungswesens des Landes, das nicht auf der eingetheilten Armee, sondern auf eine aus— gedehntere Anwendung der allgemeinen Dienstpflicht basire, Bestim-⸗ mungen vorschlagen möchte wegen jährlicher Abschreibung gewisser Prozente von den Rüstungs⸗ und Rotirungslasten sowie von den Grundsteuern, so daß diese, sämmtlichen Lasten nach und nach vermindert würden und schließlich verschwänden, wogegen der Grund⸗ besitz nach denselben Regeln in Abgabenpflicht (bevillning) zu nehmen sei, wie sie für allen anderen Besitz gelten. 2
Die Liebe zum Vaterlande und die Sorge für dessen Selbstän⸗— digkeit und künftiges Glück haben meine Entschlüsse geleitet, als ich diese vom Reichstage ausgesprochenen Ansichten guthieß.
Sachverständige, hauptsächlich aus den Mitgliedern beider Kam— mern des Reichstages auserwählte Männer haben nach sorgfältigen und schätzbaren Untersucungen über die Art der Ordnung des Ver⸗ theidigungs- und des Steuerwesens Gutachten erstattet, nach welchen ich vollstandige Entwürfe und Uebergangsbestimmungen zur Ordnung der Land⸗ und Seevertheidigung sowohl wie zu durchgreifenden , , in dem Steuerwesen des Landes habe ausarbeiten assen.
Diese Vorschläge sind in Uebereinstimmung mit den vom Reichs— tage bereits gutgeheißenen Hauptregeln abgefaßt und erfordern weder größere Geldopfer, als nach meiner Ueberzeunung das Land wohl zu tragen vermag, noch eine weiter ausgedehnte Uebung der Dienst⸗ pflichtigen, als sie der Reichstag mehrere Male zugestanden und für erforderlich erachtet hat. . . ö
Ich bin überzeugt, daß Sie, gute Herren und schwedische Männer, die Forderungen des Vaterlandes über alle anderen Rücksichten stellen werden, wenn sie, nach gewissenhafter Prüfung dieser meiner Vor- schläge, die entscheidenden Beschlüsse fassen, deren Folgen in unsere inneren Verhältnisse so tief eingreifen und ihren Einfluß weit über die gegenwärtige Zeit hinaus geltend machen werden.
Im Bemußtsein, daß ich eine mit den vom Reichstage ausge— sprochenen Ansichten übereinstimmende Lösung ernsthaft zu erlangen suche, werde ich Ihren Verhandlungen über diese Angelegenheiten mit unablässiger Aufmerksemkeit folgen und hoffe, daß die von mir vor— gelegten Entwürfe das Entgegenkommen bei Ihnen finden werden, wodurch diesen so wichtigen Fragen ein Ausgang bereitet werden kann, der geeignet ist, die Sicherheit des Vaterlandes und die ruhige Ent— wickelung der Gesellschaft zu befördern. 2
Die veranstaltete Unterfuchung der Steuerverhältnisse des Landes hat meine Ueberjeugung von der Gerechtigkeit be festigt, daß die nach der Kopfzahl erhobenen Steuern zu beschränken sind und daß zum Vortheil für die weniger Bemittelten weitergehende Erleichterungen in der Anwendung der Einkommensteuer zu gewähren sind, als bisher gestattet gewesen ist. Diesbezügliche Vorschläge sowie betreffend die Herabsetzung einer unter dem Namen Ladegeld auf einem gewissen Gewerbe ruhenden besonderen Steuer werden Ihnen vorgelegt werden. .
Eine Umarbeitung der Bewilligungsverordnung steht mit der Steuerreform in unzertrennbarer Verbindung; ich werde Ihrer Prü— fung Vorschläge vorlegen zu einer Verordnung, betreffend die Be⸗ willigung vom festen Besitz und vom Einkommen, wodurch der land⸗ wirthschaftliche Grundbesitz mit allem anderen festen Besitz gleich— gestellt und eine besondere. Bewilligung auf das Einkommen aus dem landwirthschaftlichen Betriebe gelegt wird.
Die ausgedehnte Anwendung der Verbrauchssteuern erfordert zur Erhaltung der Gerechtigkeit im Steuersystem, daß neben denselben für eine andere indirekte Steuerform erweiterter Raum geschaffen wird, geeignet, das größere Steuervermögen mehr zu treffen. Ich habe deshalb Vorschläge zu einem neuen Gesetz, betreffend die Stempel⸗ abgaben, ausarbeiten lassen, um Ihnen dieselben vorzulegen.
Die erhöhte Besteuerung der spirituösen Getränke, welche für den 36 ö ,. ist, , vor, durch eine mäßige Erhöhung der Fabrikationssteuer zu beschaffen. ⸗
Das jetzt vorgelegte Budget zeigt einen Ueberschuß von 17090 000 Kronen, welche zur Verstärkung des Grundfonds der Staatskasse zu überweisen ich Ihnen vorschlage. . .
Für die Behandlung der Vertheidigungs- und Steuerfragen wird die Zeit des Reichstages in so ausgedehntem Maße in Anspruch genommen werden, daß ich erachte, darüber hinaus jetzt zu Ihrer Prüfung keine anderen Vorschläge machen zu dürfen als solche, welche nicht von zu großem Umfange sind oder welche mit dem Budget in unmittelbarer Verbindung stehen. ( . ö.
Kraft der Vorschrift der Verfassung eröffne ich nun diese ordent—⸗ liche Reichs versammlung und verbleibe Ihnen, gute Herren und schwedische Männer, mit aller Königlichen Gnade und Huld stets wohlgewogen.
Afrika. Egypten. Kairo, 20. Januar. (W. T. B.) Die „Agence Havas“ meldet: Die Aufhebung der Kon⸗ trole ist dem hiesigen diplomatischen Vertreter Frank— reichs notifizirt worden, der letztere hat bei der ihm ge— machten Mittheilung alsbald seine Vorbehalte geltend gemacht.
Zeitungs ftimmen.
Die „El saß-⸗Lot hringische Zeitung“ warnt die Bewohner der Reichslande vor der Agitation der Emigrirten. In dem Artikel heißt es: er, n.
Sie (die Emigrirten) leben — doch das gilt nur von den respektabeleren Charakteren unter ihnen — in dem Wahn, daß die Bevölkerung dieses Landes noch ihre Anschauungen, ihre Wünsche, ihre Hoffnungen theile; mit der Länge der Zeit wächst ihre Ver— blendung und in arger Selbsttäuschung erblicken sie die Zustände in Elsaß⸗Lothringen in einem gänzlich falschen Lichte.
Elsaß⸗Lothringen ist ungeachtet des Bestehens des, Diktatur— paragraphen heute freier, als eß jemals zu irgend einer Zeit der fran⸗ zösischen Herrschaft gewesen ist! Es entsendet seine Abgeordneten in den Reichstag, wo sie freier reden können, was ihnen beliebt, als dies je in einer französischen Deputirtenkammer der Fall sein würde. Protestabgeordnete aus Nizza und Savoyen, Algier oder Tunis würde eine französische Kammer in ihrer Mitte gar nicht einmal dulden.
Neben dieser Volksvertretung im Reichstage besteht eine Landes vertretung, welche alle Angelegenheiten des Landes beliebig vor ihr Forum ziehen kann, welche über das Budget entscheidet und deren Einfluß auf die Geschäfte des Landes ersichtlich von Jahr zu Jabr im Zunehmen ist. . .
Die Wahlen zu allen Körperschaften vollziehen sich so un— beengt durch die Verwaltung, wie dies in, Frankreich wohl unter keinem Regime der Fall ist, und was die Handhabung der Ver waltung selbst anbelangt, so steht in unserem Lande im Gegen— satz ju dem Auftreten der deutschen höheren Beamten das Zugreifen der französischen Präfekten, unbekümmert um Ge— etze und Ordnungen, ja noch in frischer Erinnerung. Hierin haben fich die französischen Präfekten — mit einigen ehrenvollen Ausnahmen — von einander nicht unterschieden, gleichviel, ob sie vom Empire oder von der Republik bestellt waren. Befugnisse, wie der Kaiser⸗ liche Statthalter sie nur in äußersten Fällen zur Anwendung bringt, ind mit wenigen Unterschieden noch heute gesetzliche Vollmachten der nnn nr Minister und werden nicht nur von diesen, sondern selbst von Präfekten nachdrücklich gehandhabt. ;
Das ist die Tyrannei‘, der Druck‘, unter welchem Elsaß— Lothringen nach der Behauptung der Pariser Agitatoren seufzt. Wie lange Frankreich dieser agitirenden Emigration das gefährliche Spiel mit dem Feuer noch gönnen will und gönnen darf — wird die Zeit
; für Elsaß Lothringen ist es Gebot der Selbsterhaltung, die gere , . un welchen bedauerliche Verblendung oder sercsthaff Leichtsinn aus sicherer Ferne die Gemüther zu umgarnen
ö
— Das „Berliner Tageblatt“ sagt in einem „Die Börsensteuer im Reichstage“ überschriebenen Artikel
Der Grundsatz der prozentualen Besteuerung des Börsengeschäfts ist nicht allein ein gerechter, er kann auch obne Schädigung des legi⸗ timen Börsenverkehrs zur Anwendung gelangen. Das zeigte in börsen⸗ technischer Beziehung Hr. von Wedell-Malchaw durch seinen gar nicht ungeschickten Hinweis auf die von der Sachverständigen ⸗Kem⸗ mission der Berliner Börse für die Erbebung der Steuersätze des jetzigen Reichsstempelsteuergesetzes eingeführte Skala.... Im Ganzen kann man es nicht anders als ein unerfreuliches Bild nennen, wenn die Gesetzgeber des Deutschen Reiches einig darin sind, daß das Differenzspiel als unmoralisch zu bekämpfen sei, daß man aber nicht im Stande sei, dasselbe auszurotten oder zu unter⸗ drücken. Würde dieses Spiel nur als nebensächliche Erscheinung im Börsengeschäft auftreten, so hätte das nicht viel zu sagen. Da aber thatsächlich das Differenzgeschäft den bei Weitem größten Theil der Umsätze an der Börse veranlaßt, so sollte im Interesse der öffent⸗ lichen Moral allerdings etwas gegen dieses Uebel gethan werden. Unseres Erachtens ist nun die prozentuale Börsensteuer, unter Be⸗ schränkung derselben auf die rein börsenmäßig betriebenen Geschäfte und unter Vermeidung aller vexatorischen Kontrolbestimmungen, sowie der mehrfachen Besteuerung eines und desselben Geschäfts, ein wirk— sames Mittel zu diesem Zweck. J
— Die „Süddeutsche Presse“ schreibt in einer Be—⸗ sprechung der Frage einer Erhöhung der Holzzölle:
Unter den zahlreichen Produkten Deutschlands, welche noch nicht ausreichend geschützt sind, steht das Waldprodukt, das Holz oben an. Die Erfahrung hat gelehrt, daß der Zoll des 1879er Tarifs zu niedrig ist, um zu schützen, und zu gering, um ein Finanzoll zu sein. Die Richtigkeit dieser Behauptung wird nun auch von den Freihändlern zugegeben, aber die Folgerung bestritten, daß durch einen höheren Zoll Remedur geschaffen werden könne. Wir denken in diesem Punkte anders. Der Zoll muß, um nicht eine werth⸗- und inhaltlose Formalität zu sein, um so viel erhöht werden, daß er die Einfuhr auf ein das Verhältniß zwischen heimischer Pro⸗ duktion und Nachfrage nicht störendes Minimum herabdrückt und, im Falle einer Differenz zwischen einheimischer Nachfrage und Produktion, aus dem Import einen nennenswerthen, den Verlust an Arbeitskraft und eine Steuer auf den Gewinn des Auslandes repräsentirenden Fi⸗ nanzzoll abwirft. Ein so bemessener Zoll würde dem mit fremder Waare übersetzten einheimischen Markte aufhelfen. Die Behauptung der Schutz- zöllner, daß die Holzpreise das Bauen ꝛc. bedeutend vertheuern würden, ist gewiß nicht in dem Maße zutreffend; denn sobald der einheimische Produzent übermäßige, die Differenz des Zolles übersteigende An— sprüche stellen wollte, würde der Iwport wieder Raum gewinnen. Und wenn thatsächlich eine kleine Steigerung der Preise eintreten würde! Was läge daran? Ist es nicht besser, die einheimische Holz= produktion kommt empor, als daß das Vermögen ins Ausland wandert und wie wir noch sehen werden, die einheimischen Arbeitskräfte ohne Beschäftigung sind? Man sollte meinen, über diese Fragen sei nicht mehr zu streiten. . . .
— In den „Berliner Politischen Nachrichten“ lesen wir: ö
Einem zu Anfang dieser Woche in London veröffentlichten Par— lamentSberichte über Lizenz; und Steuerertrag des englischen Brauereigewerhes entnehmen wir, daß während des mit Ende September 1882 abgeschlossenen Berichtsjahres 16 688 Personen im Vereinigten Königreiche lizenzberechtigt waren und an Lizenz! und Steuerbeträgen insgesammt die. Summe von 8668 405 E 14 sa und 85 d entrichteten. Die größte Firma hraute nahezu 120000 Barrels und zahlte 74483 10h. Biersteuern; die zweitgrößte folgte mit etwa 1 Million Barrels, 312161 K; die drittgrößte 800 000 Barrels, 248 742 Steuern. Der deklarirte Werth der Gesammtausfuhr (423 037 Barrels) betrug 1812424 E. Davon bezog das geringste Quantum, 2 Barrels, Werth 11 E, Oesterreich.
Centralblatt für das Deutsche Reich.. Nr. 3. — Inhalt: Militärwesen: Aenderung der Landwehrbezirkseintheilung. — Handels- und Gewerbewesen: Ergänzung der Bestimmungen über die Prüfung
der Apothekergehülfen. — Zoll- und Steuerwesen: Befugnisse von Zoll- und Steuerstellen. — Justizwesen; Aenderung im Verzeichniß der zur Einziehung von Gerichtéskosten bestimmten Stellen. — Polizei⸗
wesen: Ausweisung von Ausländern aus dem Reichsgebiete. Ju stiz⸗Ministerial⸗Blatt. Nr. 3. — Inhalt: Allgemeine Verfugung vom 16. Januar 1883, betreffend die durch Ersuchen der Verwaltungsgerichte entstehenden baaren Auslagen. — Erkenntniß des Reichsgerichts vom 16. September 1882. Centralblatt der Bauverwaltung. Nr. 3. — Inhalt:
Amtliches: Firkularerlaß vom 18. Dezember 1882. — Personalnach⸗ richten. — Nichtamtliches: Aus Andreas Schlüters Leben. (Schluß.) — Neue Bauordnung für den Distrikt Columbia in den Vereinigten Staaten. — Holzauerschwellen⸗Oberbau für die Staatsbahnen Oester⸗ reichs. — Neu entdeckte antike Wasserleitung des Macrinus in Neapel. — Vermischtes: Zur Wiener Stadtbahnfrage. — Dom von Spalato in Dalmatien. — Cirkusbrand in Berditschew. — Freiherr
von Wolzogen F. — Technische Hochschule in Berlin. — Briefkasten
NReichstags⸗Angelegenheiten.
Der Etat des Reichstages weist übereinstimmend mit dem Etat für 18382183 für das Etatsjahr 188384 wie für das Etatsjahr 1884/85 eine Einnahme von 2419 M auf. ö
Kapitel 2, „‚Fortdauernde Ausgaben“, schließt für. 1883,84 wie für 1884/85 gleichmäßig mit 407 670 S ab, wie im Vorjagahre 1882/83.
Der Etat der Reichskanzlei zeigt für beide Etatsjahre eine Einnahme von 2575 „ und eine Ausgabe von 126979 M, d. h. gegen 1882/83 1200 6½. mehr in Titel ‚Wohnungsgeldzuschüsseꝝ. Der derzeitige vortragende Rath befindet sich nicht im, Genuß einer Dienstwohnung, wie sein Vorgänger. Daher ist der seiner Zeit ab⸗ gesetzte Wohnungsgeldzuschuß mit 1290 M hier wieder eingestellt.
Der Eiat für das Auswärtige Amt auf das Etatsjahr 1883184 beziffert die Einnahme auf 571 770 6 (gegen das Vorjahr 4 47129 ). Dieses Plus resultirt aus folgenden Titeln: Ge—⸗ bühren für die bei dem Auswärtigen Amt ausgefertigten Reisepässe mit 30 6; Gebühren bei den gesandtschaftlichen und besoldeten Kon— sulatsbehörden mit 43 740 ; verschiedene Einnahmen und zwar: Miethen ꝛc. mit 750 „ƽ é; Wittwen- und Waisengeldbeiträge mit 2600 .
Die Einnahme in dem Etat für 1884,85 beläuft sich auf 573 080 M, also um 1310 M mehr wie für 1883.83. Hier findet sich ein Mehr von 1140 6 in dem Titel Gebühren bei den ge⸗ sandtsckaftlichen und besoldeten Konsulatsbehörden“, und ein Weniger von 5 bez. 125 „ in den Titeln „Gebühren für die bei dem Aus— wärtigen Amt ausgefertigten Reisepässen und „Verschiedene Ein nahmen und zwar Miethe z0.“ . .
Die Summe der fortdauernden Ausgaben beziffert sich für 1883584 wie für 1884/ñ85 auf 6 825 415 6ε, gegen den Etat für 1882/ñ383 um 148 610 M mehr. Eine Abweichung der vorliegenden Etats gegen den vorigen Etat zeigt sich: bei den Besoldungen:; mehr 14 400 , Besoldung für einen vortragenden Rath 87991 und für einen ständigen Hülfsarbeiter 579099 M; 16800 M mehr für 3 Expedienten à 4200 M und einen Buchhalter 4200 M und 8550 S6 Besoldung für drei Geheime Kanzlei⸗Sekretäre à 2850 16 Unter . Wohnungs⸗ geldzuschüssen? sind für diese Beamten 7320 6ς mehr in Ansatz ge— bracht. Bei den sachlichen Ausgaben findet sich ein Weniger von 11000 bezw. 12000 „ in den Titeln „Zu Kurier und Reise⸗ kosten und „Zu Postgeld, Frachtkosten, Estafettenkosten und, für telegraphische Depeschenꝰ und ein Mehr von 3500 „ in dem Titel: „Zur Unterhaltung der Dienstgebäude des Auswärtigen Amts ꝛc.“