1883 / 19 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 22 Jan 1883 18:00:01 GMT) scan diff

brikation optischer Instrumente unentbehrliche Material herzustellen, was ein um so erfreulicherer Fortschritt wäre, als für Kronenglas bisher sehr bedeutende Summen ins Ausland gewandert sind.

Neichstags⸗Angelegenheiten.

Der Etat für das Reichsamt des Innern auf das Etats jahr 188384 schließt mit einer Einnahme von 1151993 4 ab (4 26 602 M gegen den Etat für 1882/83). Ein Mehr erscheint bier in folgenden Titeln: Einnahmen von dem Grundstücke des Reichsamts des Innern“ mit 124 4. ‚Wittwen⸗ und Waisengeld⸗ beiträge! 350 M, Einnahmen der Normal -Aichungskommission an Gebühren und aus dem Verkaufe von Veröffentlichungenꝰ 1000 4,

„Einnahmen von den für das Patentamt gemietheten Gebäuden“ 144 AÆK, „Einnahmen des Patentamts an Gebühren“ 25 000 .

Der Etat für 1884,85 weist an Einnahmen 1282293 „, d. h. um 130 30) 4A mehr, als der Etat für 1883ñ 84 nach. Das Mehr resul⸗ tirt mit 300 M aus Titel: „Einnahmen der Normal ⸗Aichunge— kommission an Gebühren und aus dem Verkaufe von Veröͤffent— lichungen und mit 120 000 M aus dem Titel „Einnahmen des Patentamts an Gebühren.“

Die fortdauernden Ausgaben beziffert der Etat für 1883.84 auf 2871 588 S 96 166 gegen den vorigen Etat). Ein Mehr findet sich hier: bei den ‚Besoldungen' mit 3600 S zur Umwandlung von zwei Bureaubeamtenstellen zweiter Klasse (Assistentenstellen) in folche erster Klasse; bei Titel ‚Wohnungsgeldzuschüsse' mit 720 ; bei den Titeln „Für Drucksachen des Bundesraths' und „Zu Geschäfts— bedürfnissen, Diäten und Reisekosten ꝛc. mit 55 000 MS; bei Titel an Preußen: Erstattung des Aufwandes für die zur Abwehr der Rinderpest an der Grenze gegen Rußland und Oesterreich Ungarn angestellten Gensd'armen und Ober⸗Wachtmeister ꝛc. mit 577. In dem Kapitel „Statistisches Amt“ figurirt ein Plus: bei den Besol⸗ dungen mit 18780 (66, bei den Wohnungsgeldzuschüssen mit 3480 4A, in den Titeln ‚Zur Remunerirung von Hülfsleistungen mit 7757 *, „Zu außerordentlichen Remunerationen und Unterstützungen für Bureau und Unterbeamte“ mit 525 1 und in Titel „Zur Unter⸗ haltung des Dienstgrundstücks und der dazu gehörigen Gebäude ꝛc.“ mit 1000 M6 Kapitel ‚Normal-Aichungskommissionꝰ nimmt ein Mehr von 6657 in Anspruch. Hiervon entfallen auf ‚Besoldun—⸗ gen“ 3600 , ‚Wohnungsgeldzuschüsse' 1157 M, auf „Sachliche und vermischte Ausgaben“ 1960 1 Kapitel „Gesundheitsamt“ zeigt ein Plus von 900 A6. und zwar kommen hiervon 600 M zur Remune⸗ rirung eines Mitgliedes, welches den Direktor in Behinderungsfällen zu vertreten hat, und 300 S6 auf den Titel zur ‚Remunerirung von Hülfsleistungen '. In Kapitel „Patentamt“ ist ein Mehr von 18015 in Ansatz gebracht, von welchen entfallen: auf Besoldungen 3300 A6, auf Wohnunasgeldzuschüsse 540 „M, und auf die Titel Zur Remune⸗ rirung von Hülfsleistungen“' 4000 ½½, „Zu außerordentlichen Remune— rationen und Unterstützungen für Bureau⸗ und Unterbeamte“ 175 , und auf Titel „Zur Herstellung von Veröffentlichungen des Patent—⸗ Amts“ 10 000 M.

Ein Weniger ist bei den Ausgaben des Etats für 1883,84 ein— gestellt in den Titeln „Technische Kommission für Seeschiffahrt; zu Remunerationen, Tagegeldern und Fuhrkosten ꝛc. mit 60900 S0 Entscheidende Disziplinarbehörden; zu Präsenzgeldern, Tagegeldern und Fuhrkosten der Mitglieder dieser Behörden 2c.“ mit 30650 „S6; und in dem Kapitel „Statistisches Amt“ bei Titel: ‚Zur Unterhal⸗ tung und Verwaltung der Bibliothek 2c.“ mit 11 845 6s

Der Etat für 1884,85 differirt in den fortdauernden Ausgaben nur um ein Mehr von 200 „e gegen den Etat von 1883584. Dieses Mehr erscheint in dem Kapitel: „Normal⸗Aichungskommission“ bei dem Titel:; „Zur Unterhaltung des Dienstgrundstücks und der dazu gehörigen Gebäude ꝛc *

Als einmalige Ausgaben sind in dem Etat für 1883/84 1120140 4 in Ansatz gebracht (— 8119932 ½0 gegen den Etat von 1882/83). Es kommen für 1883/84 folgende Posten, welche sich in dem vorigen Etat befinden, in Wegfall: 180 000 S Kosten der Erpediton zur Beobachtung des Vorübergangs der Venus vor der Sonne i. J. 1882; 300 000 M Kosten der Betheiligung des Reichs an internationalen Polarforschungen; S852 5060 Ss, Kosten der Erhebung einer Berufsstastik i. J. 1882 und 7775000 zur Exrichtung eines Reichstagsgebäudes, erste Rate. Dagegen zeigt sich ein Mehr in folgenden Titeln: „Beitrag zu den Kosten der Fischzuchtanstalt zu Hüningen? mit 1300 M, „Beihülfe zur För⸗ derung der auf Erschließung Central-Afrikas und anderer Länder—⸗ gebiete gerichteten wissenschaftlichen Bestrebungenꝰ mit 25000 4 Neu eingestellt in den Etat für 1883/84 sind die Titel: „Beitrag zu den Kosten des internationalen Maße und Gewichts— Bureaus in Paris für Herstellung internationaler Prototppe und der denselben beizugebenden Kontrolstücke! mit 7690 A6, »Zur Erweiterung des Dienstgebäudes der Normal-AUichungs⸗ Kommission und zur Ausstattung der neuen Räume mit Möbeln“ mit 19 000 M é; „Zur Herstellung einer landwirthschaftlichen und ge— werblichen Betriebsstatistik auf Grund des bei der Berufszäblung am 5. Juni 1882 gewonnenen Urmaterials mit 820 600 A6 und . Zur Erweiterung des Anstaltsgebäudes des Germanischen Museums in Nürnberg“ (davon 25099 Æ als erste Rate einer speziell für den sogenannten Südbau bestimmten, in zehn gleichen Jahresraten zahl— baren Subvention von 250 000 Æ) mit 115000 .

In dem Etat für 1884/85 betragen die einmaligen Aus— gaben 173 N75 6, d. h. um 946165 A weniger als im Etat für 1883/ñ84. In Wegfall kommen folgende im Etat für 1883/84 an⸗ gesetzte Posten: 1) 7660 S. Beitrag zu den Kosten des internationalen Maß und Gewichtsbureaus in Paris für Herstellung internationaler Prototype und der denselben beizugebenden Kontrolstücke; 2 1900 4 zur Erweiterung des Dienstgebäudes der Normal-Aichungskommission und zur Ausstattung der neuen Räume mit Möbeln; 3) 820 000 M zur Herstellung einer landwirthschaftlichen und gewerb⸗ lichen Betriebs statistik auf Grund des bei der Berufszäblung am 5. Juli 1882 gewonnenen Urmaterials. Ein Weniger findet sich weiter in folgenden Titeln: ‚zu Remunerationen, Tagegeldern und Fuhrkosten der Reichskommission zur Entscheidung der Beschwerden auf Grund des Gesetzes vom 21. Oktober 1878 gegen die gemeingefährlichen Be— strebungen der Sozialdemokratie- mit 8375 66 und ‚jur Erweiterung des sogenannten Südbaues des Anstaltsgebäudes des Germanischen Museums in Nürnberg, zweite Rate“ mit 90 000 M.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Braunschweig, 20. Januar. (W. T. B.) Der Bildhauer und y,. Professor Georg Howaldt ist gestern Abend gestorben.

Zu Sachsenberg bei Schwerin ist am 15. d. M. ein nam hafter deutscher Physiolog, der Ober-Medizinal-Rath Dr. med. Her—⸗ mann Stannius, seit 1837 ordentlicher Professor an der Univer— sität zu Rostock, nach langjährigem schweren Leiden im 75. Lebens⸗ jabre verschieden. Er hat in den Jahren 1831 1852 eine sehr rege literariscke Thätigkeit entwickelt. Besonders zu nennen sind: eine Allgemeine Pathologie! (Band J. Berlin 1837) sowie das Lehrbuch der vergleichenden Anatomie“, welches er mit v. Siebold herausgab (Berlin 1846). Auch rerschiedene Beiträge zur Anatomie der Fische sind tüchtige Leistungen.

Gewerbe und Handel.

Gewerbehalle“, Organ für den Fortschritt in allen Zweigen der Kunstindustrie, unter Mitwirkung bewährter Fachmänner sedigirt von Luswig Eisenlohr und Carl Weigle, Architekten in Stuttgart. (Stuttgart, Verlag von J. Engelhorn.) Monatlich eine Lieferung zum Preise ven 1450 MS. 21. Jahrgang. 1. Lieferung. Mit der

vorliegenden Januar-Lieferung 1883 beginnt die Gewerbehalle“ be⸗ Unter den 7 Tafeln, welche das neueste

reits ihren 21. Jahrgang. ; ; ü . enthält, verdient namentlich die dritte gam besondere Hervor⸗ ebung, welche eine Kollektion von Motiven für Flächendekoration

(entworfen von den Herautgebern), in italienischem Renaissance⸗Stil,

darbietet, wie sie feiner und geschmackvoller sich kaum denken lassen. Unter den . von Möbeln nimmt ein Prunkschrank mit Relief ⸗Intarsien aus der Möbelfabrik von Gerson und Weber in Stutt⸗ gart einen vornehmen Rang ein. Die Glasindustrie ist durch eine prachtvolle Karaffe in geschliffenem Krystall⸗Glas mit Silbermonti⸗ rung von Bruckmann und Söhnen in Heilbronn glänzend vertreten. Mit den auf Tafel 6 abgebildeten Pariser Schmucksachen dürfte jedoch unsere heimische Juwelierkunst sehr wohl zu konkurriren vermögen. Das ältere Kunstgewerbe repräsentirt ein charakteristisches 6 Schloßblech von einer Brauttruhe im Bayerischen National- museum in München und eine prachtvolle (in vielfältigem Farbendruck ganz vorzüglich reproduzirte) gewirkte gothische Tevpichbordüre aus dem Jahre 1440, deren Driginal im Museum auf dem Michaelsberg zu Bromberg aufbewahrt wird (aufgenommen vom Professor F. Ewerbeck in Aachen). Der einun diwanzigste Jahrgang der Ge xerbehallen verspricht nach dieser Probe in der That wie seine Vorgänger „ein umfassendes Bild des kunstgewerblichen Schaffens der Gegenwart und der Ver gangenheit, soweit dieselbe für die heutige Produktion förderlich ist, in vorzüglicher Darstellung ausgezeichneter und stilvoller Gegenstände zu bieten und damit den Kunstgewerbetreibenden Gelegenheit zu geben, ibren Geschmack zu bilden un? zu läutern, um als ebenbürtige Be— werber auf dem Weltmarkte auftreten zu können. Der thätigen Unterstützung von Seiten der ersten Künstler und Fabrikanten verdankt das Organ, daß es schon jetzt geradezu den Rang eines Weltblattes einnimmt und ein unentbehrliches Hülfsmittel in Werkstätten und Ateliers geworden ist. 4 Nürnberg, 20. Januar. (Dopfenmarktbericht von Leopold Held.) Gestern und heute hatte der Hopfenmarkt ein sehr stilles Gepräge. Es ist zwar Frage vorhanden, allein die Eigner weigerten sich, die gestellten sehr niedrigen Gebote zu acceptiren. Der Gesammtumsatz der beiden Tage betrug nur ca. 40 Ballen. Man zahlte je nach Farbe und Qualität für Mittelwaare 375-400 4; in Prima wurde nichts gehandelt.

Glasgow, 20. Januar. (W. T. B.) Die Vorräthe von Roheisen in den Stores belaufen sich auf 603 660 Tons gegen 630 200 Tons im vorigen Jahre. Zahl der im Betriebe befindlichen Hochöfen 106 gegen 105 im vorigen Jahre.

Berlin, 22. Januar 1883.

Preußische Klassenlotterie. (Ohne Gewähr.)

Bei der heute fortgesetzten Ziehung der 4. Klasse 167. Königlich preußischer Klassenlotterie fielen:

1 Gewinn von 150 000 MS auf Ne. 24496.

2 Gewinne von 30000 6 auf Nr. 57 399. 87 924.

2 Gewinne von 15 000 S6 auf Nr. 46117. 88931.

6 Gewinne von 6000 M auf Nr. 27707. 29780. 40 457. 51 431. 61 885. 76 087.

44 Gewinne von 3000 S auf Nr. 612. 3394. 3676. 7687. 11 833. 12 329. 15 348. 15 363. 16 722. 16924. 19563. 22492. 28 012. 33 287. 34 259. 35 153. 38 163. 40 360. 41168. 43 002. 43 243. 47 530. 52915. 53 991. 55770. 58 874. 59 483. 61 471. 62 867. 64 357. 67 889. 68 892. 70401. 70 608. 76 765. 77 583. 81 259. 81 321. S1 535. S6 7565. 89513. 90 g80. 91 336. 93076.

40 Gewinne von 1500 M auf Nr. 3865. 7193. 12842. 12996. 14430. 16 702. 21 752. 25050. 26 297. 26642. 30 243. 32 989. 35935. 420384. 45 789. 46774. 52 992. 52 995. 54716. 55018. 61 644. 65776. 68 334. 71 712. 78 146. 78153. 81 849. S5 486. S6 933. 87 293. 88716. 89 042. 90 314. 93221.

57 Gewinne von 550 S auf Nr. 1239. 2186. 3004. 3566. 3797. 4936. 5073. 5220. 5730. 7634. 13 760. 20 522. 22 446. 23 200. 23 673. 24 646. 25 086. 25 638. 27525. 27 545. 28 698. 30282. 30 892. 31 682. 33 935. 34 563. 37 810. 38 582. 39 130. 42 482. 44613. 44 662. 46 994. 48961. 53 279. 55 954. 56 904. 58 430. 61 607. 62919. 63 330. 66735. 67 153. 72 084. 75 229. 76 597. 78180. S0 550. 82341. 83723. S4 722. S8 629. 89 145. 91 059. 91 303. 91 555. 92787.

In der Reihe der großen Berliner Kunstausstellungen wird die diesjährige, die nach dem kürzlich ausgegebenen Programm am 3. Mai eröffnet und am 1. Juli geschlossen werden soll, eine längst erwünschte Abweichung von dem früheren Herkommen bezeichnen. Statt in die Jahre lang festgehaltenen Monate September und Oktober, die sich den Ausstellern wie dem Publikum immer deutlicher als die keinesfalls geeignetsten erwiesen haben, ist sie zum ersten Mal gleich dem jährlich wiederkehrenden Pariser Salon in den Früͤh— sommer verlegt, der für die heutigen Berliner Verhältnisse ohne Frage die weitaus günstigste Ausstellungszeit abgiebt. Im Anschluß hieran wird gegenwärtig der Gedanke angeregt, auch nach einer an— deren Seite hin von der bisherigen Gewohnheit abzugehen. Man weist darauf hin, daß der Schluß der üblichen Besuchszeit gerade mit dem Augenblicke zusammenfällt, in welchem weite Kreise des gebildeten Publikums, Beamte, Redacteure, Kaufleute u. s. w. nach dem Tagesgeschäft eben noch eine bequeme Mußestunde für den Kunst— genuß finden könnten, während sie gegenwartig hierzu ausschließlich auf den Sonntag verwiesen bleiben, und schlägt vor, die Besuchszeit bis 6 Uhr Nachmittags zu verlängern, was im September und Okto— ber sich von selber verbot, während im Mai und Juni der Stand der Sonne bis dahin augtreichendes Licht geben würde. Für den Vorschlag wird außerdem geltend gemacht, daß diese Verlängerung der Besuchszeit am besten dem Ausfall an Eintrittsgeldern vorbeugen würde, der bei der von den Mittelpunkten des Verkehrs entfernteren Lage des für die nächste Ausstellung als Lokal gewählten Polptechni— kums vielfach befürchtet worden ist.

11716. 25 319. 45 035. 61 502. 78 355. S9 927.

Der im Jahre 1813 gegründete Verein zur Verbreitung der Handwerke und des Ackerbaues unter den Juden im preußischen Staat hielt am Sonntag Mittag im Sale der Ge⸗ sellschaft der Freunde seine Jahresversammlung ab. Der Vorsitzende, Bankier Simon, eröffnete die Versammlung mit dem Bemerken, daß der Verein heute seinen 79. Jahrestag begehe. Im letztverflossenen

Jahre habe sowohl die Zahl der Vereinsmitglieder als auch die Zahl der vom Bereine unterstützten Lehrlinge sich bedeutend vergrößert. Die Lehrlinge haben sich fämmtlich die Zufriedenheit ibrer Lehrherrn erworben. Sie werden zum Besuch von Zeichen— Foribildungsschulen und der vom Verein neu begründeten Religions- schule angehalten. Der Verein sei bemüht, sowohl für das spätere Fortkommen der unter seiner Obhut stebhenden Lehrlinge, wie für deren sittlich⸗religiöse Ausbildung nach Kräften zu sorgen. Dem hierauf von dem Kommerzien⸗Rath Friedlaender erstatteten Geschäfts⸗ bericht war zu entnehmen, daß im verflossenen Jahre 56 Lehrlinge vom Verein gekleidet, unterstützt ꝛc. wurden. Von diesen wurden 7 als Gehülfen, nachdem sie mit allem Nöthigen ausgestattet, aus der Obhut des Vereins entlassen. Ein Lehrling hat die Lehre verlassen, ohne ausgelernt zu haben, so daß am Ende des Jahres 1882 48 Lehrlinge verblieben. Außerdem unterstüͤtzte der Verein eine namhafte Anzahl junger Leute, welche die hiesige tech nische Hochschule, Kunstgewerbeschule und andere gewerbliche An- stalten besuchten Prof. Dr. Breslau gab hierauf einen Rück— blick auf die 70 jährige Thätigkeit des Vereins. Der Redner bemerkte zunächst: Ein Hauptgrund, daß das Handwerk unter den Juden verhältnißmäßig noch wenig vertreten sei, habe darin ge— legen, daß erst im Jahre 18512 den Juden gestattet worden

sei, ein Handwerk zu betreiben. Am 11. März 1812 sei dies Recht verlieben und bereits am 29. Januar 1813 dieser Verein von der Familie Moses Mendelssohn begründet worden. Sest dem Bestehen des Vereins seien rund 900 jüdische Handwerkslehrfinge auf Kosten des Vereins ausgebildet und behufs Etablirung alt Meister unterstũtzt worden. Eine ungefähr gleiche Anzahl von jüdischen Hand⸗ werkern sei vorübergehend unterstützt worden. Seit dem Besteben des Vereins wurden für Ausbildung judischer Sandwer kslehrlinge 350 00 4 ausgegeben. Dem Ackerbau vermochte der Verein nur eine sehr geringe Anzahl von jungen Leuten zuzuführen. Nicht in Prerßen allein, auch in fast allen anderen deutschen Staaten gründeten sich, nachdem den Juden die Emanzipation verlieben worden war, ähnliche Vereine, so in Sachsen 1829, in Frankfurt a. M. 1823, ferner in Hamburg, Hannover. Bayern u. s. w. Aber auch in anderen vreußischen Städten bestehen zumeist schon feit vielen Jahrjehnten Vereine mit gleicher Tendenz, so in Breslau, Königsberg i / Pr., Hildesheim, Crefeld. Duüsseldorf, Beuthen i. Oberschl,, Groß Glogau, Münster i / W., Dschersleben, Polnisch⸗ Lissa, Kempen und Nicolai. Außerdem sind derartige Vereine in der Bildung begriffen in Posen und zwar für die ganze Provinz, ferner in Oppeln, Stolp, Bochum, Erfurt, Essen a. d. Ruhr und Bromberg.

Ham burg, 21. Januar, Morgens. (W. T. B.) Nach hier eingegangenen Nachrichten ist der Hamburger Postdampfer Cämbria“ auf der Reise von Hamburg nach New⸗Jork am Freitag Morgen bei Borkum mit dem Dampfer „Sultan“ in Kollis ion gekommen und bald darauf gesunken; ein Boot des— selben ist mit 39 Personen in Curhafen gelandet. Es sind sechs Dampfer ausgesandt, um die anderen Boote zu suchen.

21. Januar, Vormittags. (W. T. B. Der Huller Dampfer Sultan“, welcher am Freitag Morgen mit dem Hamburger Postdampfer „Cimbria“ zusammengestoßen war, ist stark beschädigt in der Elbe eingetroffen. Ueber den untergegangenen Dampfer Cimbria“ wird noch bekannt, daß derselbe am Donnerstag von Hamburg abgegangen und in der Elbe auf den Grund gerathen war. Mit der Fluth und unter Assistenz des Dampfers „Hanfa— kam die Cimbria“ unbeschädigt ab und ging Nachmittags um 25 Uhr in See, worauf am Freitag Morgen bei dichtem Nebel der Zusammen⸗ stoß erfolgte.

21. Januar. (W. T. B.) Der Postdampfer Cimbria“ wurde, wie weiter gemeldet wird, bei dem Zusammenstoß mit dem Dampfer „Sultan. so schwer beschadigt, daß es sofort klar wurde, er würde in kürzester Zeit sinken. Von Seiten der Offiziere wurde deshalb Alles gethan, was geschehen konnte, um die an Bord befindlichen Personen zu bergen, was bei dem sich sehr schnell auf die Seite legenden Schiffe sehr schwierig war, nach kurzer Zeit aber auch sich als unmöglich herausstellte. Als der zweite Offizier noch mit dem Loshauen der Bänke an Deck beschäftigt war, um möglichst viel treibendes Hol; zu schaffen, sank das Schiff unter ihm fort. Er er— faßte eine Spiere; als sich aber viele der im Wasser treibenden Per⸗ sonen daran anklammerten, ließ er los, schwamm dem Boote zu, welches später von dem Dampfer Theta“ aufgenommen wurde, übernahm dessen Führung und brachte es nach Cuxhaven. Fernere 17 Mann wurden durch das Schiff Diamant am Weserleucht⸗ thurm gelandet. Unter den Geretteten' befinden sich, soweit bisher festgestelll werden konnte, ron der Besatzung: der jzweite Offizier Spruth,. der dritte Offizier Heyden, der vierte Offizier Voß, der zweite Ingenieur Kopmann, die Assistenten Sauerbrey und Oberheide, der erste Steward Harder, die Quartiermeister Klatt, Wuelfken und Lau, die Heizer Blaues, Engel und Franke, die Zwischendeck Stewards Thurow und Anderfen, die Matrosen Vierow, Alexandersen, Johannsen und Meyer, die Leichtmatrosen Menchow und Jentzen; der Schiffsjunge Rehn. Von Passagieren: Alfr. Voigt, W. Tornemann, P. Comfolier, B. Lorenz, Geschw. Allendorf, G. Hamel, W. Danielwig, R Hanowitz, Frl. Schmul, R Pfeifenkopf und Frau, L. Reicher, 2. Schuett, Bourgeus, Colin, Cohrts.

21. Januar (W. T. B.) Nach Aussage eines der Ge⸗ retteten von der „Cimbria“ war das Wetter in der Nacht ror der Kollision bis 14 Uhr hell; alsdann trat Nebel ein, welcher immer dichter wurde. Bis 1 Uhr arbeitete die Maschine der Cimbria“ mit voller Kraft weiter, bis 2 Uhr mit halber Kraft, von da an langsamer. Um etwa 2 Uhr 10 Minuten wurde die Pfeife eines anderen Dampfers gehört, worauf die Maschine der. Cimbria“ sofort gestoppt wurde. Das grüne Licht des Sultan“ wurde in Folge des starken Nebels erst gesehen, als der Dampfer ca. 150 Fuß von der Cimbria“ entfernt war. Die „Cimbria“ wurde an der Backbordseite getroffen und sank alsbald nach der Steuerbordseite. Am andern Nachmittag 2 Uhr wurde das eine Boot von der „Theta“ aufgenommen, welche gegen 6 Uhr in Cuxhaven eintraf. Die Namen der beim Weser⸗ leuchtthurm Gelandeten sind noch nicht bekannt. Der Schaden des Sultan“ besteht in einem großen Loch im Bug, 7 Fuß über der Wasserlinie.

21. Januar, Abends. (W. T. B.) Die Namen der in Bremer⸗ hafen gelandeten Zwischendeckpassagiere der „Cimbria“ sind folgende: Saulwer (Paxis). Beck (Potsdam)], Kirsbaum (Nürnberg), Peburs ky (Tillwalde) Fosing (Barmen), Vegert (Soginaw), Ganske (Postu⸗ ganowa), Schreiber (Bernau), Bring (Schaltdorf), Kwitha (Szakel), Dongy , (Sznwetsky), Saums (Sgum), Keitzel (Oberammergau), Nickel (Ulm), Blisko (Totsavy), Joes (Hedebbat), Heizer Schmidt (Altona). Als gerettet sind bis jetzt im Ganzen 55 Personen bekannt.

22. Januar, Nachmittags. (W. T. B.) Nach einer Mit⸗ theilung der Hamburg⸗Amerikanischen Packetfahrt Aktien ⸗Gesellschaft ist deren Dampfer ‚„Hansa“ heute Morgen aus See nach Cux- hafen zurückgekehrt. Der Lootse Bähr berichtet, daß das Wrack der „Cimbria“ aufrecht steht und die Marsraaen bei Hoch⸗ wasser eben sichtbar sind. Bei dem Borkumer Feuerschiff war, wie eine Anfrage ergab, von den vermißten Booten oder geretteten Passagieren der Eimbria“ nichts bekannt. Die „Hansa“ sah auch trotz des klaren Wetters und fortwährenden Ausgucks keine Gegenstände treiben.

Havre, 21. Januar. (W. T. B.) Der Dampfer Picardie“ von der Compagnie gsnsrale transatlanti que“ ist auf der Fahrt von New⸗Jork nach Havre gesunken. Die ganze Besatzung wurde gerettet und von dem Dampfer „Labrador“ aufgenommen, der heute früh in Havre eingetroffen ist.

New⸗JYJork, 20. Januar. (W. T. B.) Der gestrige von San Francisco kommende Expreßzug der Southern⸗ Pacific-Eisenbahn fuhr in Folge eines Bruches der Brems— ketten unweit Los Angeles einen steilen Abhang von 4 Meilen mit einer übermäßigen Schnelligkeit herab und stürzte über die Ein— friedigung. Die Trümmer des Zuges fingen Feuer. 15 Personen wurden getödtet, mehrere davon verbrannt und 14 andere verletzt. 7 Leichname sind in unkenntlichem Zustande aufgefunden worden. ;

. 21. Januar. (W. T. B.) Bei dem bereits gemeldeten in der Nähe von Los Angeles vorgekommenen Eisenbahnunglück sind 2 Schlafwagen und 3 andere gewöhnliche Wagen verbrannt. Die Personen, die sich in diesen Wagen befanden., waren in die Wagen⸗ trümmer so fest eingepreßt, daß sie vor den Augen der Ueberlebenden, ohne daß Hülfe möglich war, langsam verbrannten. Bis jetzt sind 17 vom Feuer verzehrte Leichen aufgefunden worden. Der frühere Gouverneur von Kalifornien, Downey, ist schwer verwundet, seine Frau getödtet.

Redacteur: Riedel.

Verlag der Erpedition (Kessel). Druck: W. Elsner. Vier Beilagen leinschließlich Börsen⸗Beilage), (88) und die Besondere Beilage Nr. 1.

Berlin:

Erste Beilage

zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Stagts-Anzeiger.

Berlin, Montag, den 22. Januar

ESS.

Aichtamtliches.

Preußen. Berlin, 22. Januar. Im weiteren Verlaufe der vorgestrigen (35.) Sitzung des Reichstags wurde die erste Berathung des von dem Abg. von Wedell⸗ Malchow eingebrachten Gesetzentwurfs, wegen Abänderung des Gesetzes, betreffend die Erhebung von Reichsstempel— abgaben, vom 1. Zuli 1851, fortgesetzt. Der Abg. von Wevell⸗Malchow erhielt als Antragsteller das Schlußwort. Derselbe erklärte, auf die Angriffe zweier Tage antworten, würde die Geduld des Hauses zu sehr in Anspruch nehmen. Er sei gewöhnt und hahe auch den pelitischen Muth dazu, seine Person für seine Ueberzeugung voll und ganz ein⸗ zufetzen. Der Presse erkläre er von dieser Stelle aus, von der aus man im ganzen Reich am besten gehört werde, daß ihn die Angriffe derselben vollständig kalt ließen, daß er in keiner Weise gegen sie reagiren werde und daß sie ihn in dem, was er einmal für Recht erkannt habe, nicht genire. Nur einem, dem Abg. Büsing, müsse er antworten, der einem alten Parlamentarier und langjährigen Kollegen gegenüber es sich wohl hätte über— legen follen, bevor derselbe ihm den Vorwurf der Unüberlegt⸗ heit mache. Er habe sich sein Vorgehen sehr wohl überlegt, sein Antrag sei das Produkt langer Arbeit, Mühe und viel— facher Information, und er antworte dem Abg. Büsing nur, weil derselbe als der einzige auf der linken Seite des Hauses sich wenigstens dem Grundgedanken seines (des Redners) An— trags nicht feindlich gegenübergestellt habe. Der Abg. Büsing habe anerkannt, daß das an der Börse flottirende Kapital auch in irgend einer Weise zu den Staatslasten heranzuziehen sei, und bemerkenswerthe Vorschläge, z. B; der Kontingenti⸗ rung der Steuer gemacht. Agra isch-sozialistische Tendenzen aus Feindseligkeit gegen das Kapital verfolge er durch seinen Antrag ebensowenig, als die Herren, die jetzt die Rübensteuer abändern wollten, Feinde der Rübenbauer oder der Zucker⸗ fabrikanten seien. Der Abg. Löwe könne ihm einen solchen Vorwurf gestern nur in der Aufregung über die Rede des Abg. Perrot gemacht haben. Der Abg. Sonnemann habe den Ertrag der jetzigen Stempel— steuer auf 12 Millionen angeschlagen, das sei immerhin für den Anfang ein hoher Betrag. Diese Ziffer repräsentire indessen den ganzen Ertrag der Reichsstempelsteuer; die Schlußnoten⸗ steuer allein hringe nach dem Etat von 1883. 84 nur 2700 000 46 ein. Der Rest falle auf die Steuer von der Lotterie und den Inhaberpapieren. Der Abg. Büchtemann habe seine (des Redners) Angabe, daß im Deutschen Reich im Jahre 1874,75 und 1876 61 Millionen Mark für Urkundenstempel und Per— mutationsabgaben des Grundbesitzes bezahlt seien, bezweifelt. Seine Angaben stützten sich auf eine Druckschrift des Reichs— tages aus der Session von 1878, die den Herren auf dem Bureau zugänglich sei. Gegen eine Revision des Gesetzes von 1881, wie es bestehe, habe er an und für sich gar nichts. Selbstverständlich könnten auch Theile des alten Gesetzes in der Kommission amendirt werden. Gerade er habe 1881 die Definition des Zeitgeschäftes gewünscht. Es stehe nichts im Wege, daß die Kommission eine bessere Defini⸗ tion suche. Seine Auffassung, daß das Zeitgeschäft in dem Sinne, wie er es definiren wolle, in dem Gesetz von 1851 schon auf⸗ gefaßt und definirt sei, sei auch von der Delegirtenkonferenz deutscher Handelsvorstände bestätigt worden. Unter Zeit⸗ geschäft sei danach nur das sogenannte Fixgeschäft zu verstehen. Wenn die Regierung aus seinen Vorschlägen für die Definition von Zeitgeschäft Veranlassung nehmen sollte, dem Antrage sich nicht günstig gegenüberzustellen, so könne er nur annehmen, daß sie fürchte, daß dadurch die schon geringen Einnahmen des Gesetzes noch mehr geschmälert werden würden. Wenn aber die Regierung in der Kommission Durch ihre gewiß sehr sachkundigen Juristen dabei helfen wolle, so werde es ge⸗ lingen, diesen Zweifel zu lösen und dasjenige Zeitgeschäft wirklich zu substantiiren, welches er treffen wolle. Man wende nun ein, der Antrag würde das Report- und Arbitragegeschäft reduziren. Es müßte doch bewiesen werden, daß eine Doppelbesteuerung, wenn sie wirklich stattfände, so beschwerend auf das Geschäft wirken würde, daß es nicht mehr gemacht werden könne. Das sei nicht geschehen. Ueber das Arbitragegeschäft seien die Urtheile selbst unter den Sach— verständigen sehr verschieden. Es habe gewisse Vortheile, aber auch entschiedene Nachtheile, z. B. den Nachtheil, daß die engagirten Summen sehr hohe seien, während es sich bei den Differenzgeschäften gewöhnlich nur um die Coursdifferenz 3 Wenn es nun gelänge, durch eine Besteuerung die

rbitragegeschäfte einzuschränken und so die Möglichkeit der Verluste zu verringern nur kürzlich habe ein hiesiges Geschäft große Verluste erlitten so wäre das ein großer Vortheil. Die Arbitrage bringe Deutschland auch manche fremden, recht bedenklichen Papiere ins Land. Ferner kämen durch die Arbitrage die deutschen Börsen in Konnex mit den ausländischen Börsen und geriethen bei irgend welchen Krisen sofort in gefährliche Mitleidenschaft. Er komme zur Frage der legitimen und illegitimen Geschäfte. Unbestrittenermaßen sei ein großer Theil der Zeitgeschäfte reines Differenzspiel. Es bleibe allerdings eine Zahl soge— nannter legitimer Geschäfte übrig. Beide Geschäfte zu trennen, habe er gar keine Veranlassung, wenn das Geschäft überhaupt ein gutes und richtiges Steuerobjekt sei. Der Kauf oder die Pachtung eines Grundstticks sei auch ein ganz legitimes Ge⸗ schäst, ünd doch werde es besteuert. Das illegitime Geschäft steuerfrei zu lassen, weil man das legitime nicht bestenern dürfe; dieser Deduktion könne er nicht folgen. Dies illegitime Geschäft werde durch die Steuer, wenn auch nicht abgeschafft, so doch wesentlich gehindert werden, schon deshalb, weil die Anlegung der Register die Betreffenden zu dem offenen Ge— ständniß zwinge, daß sie solche Differenzgeschäfte betrieben. Diese Wirkung könne er nicht für einen Fehler seines Gesetzes halten. Die Gegner suchten überall nach Bundesgenossen: auch die arme Landwirthschaft hätten sie herangezogen. Ob der Landwirthschaft dies Gesetz schaden würde, das zu beur— theilen, könne man den Landwirthen im Hause überlassen. Und wenn die meisten der von der Industrie gemachten Ge— schäfte unter seinen Gesetzentwurf fielen was er nicht zu⸗

gebe dann würde bei einem Umsatze von 10 Millionen die ganze Steuer 2000 (S betragen. Das sei ein Kommisgehalt. Das legitime Geschäft werde nur zur Abwehr ins Gefecht ge— führt. Ganz besonders sei man aufgetreten gegen die Register⸗Kontrole. Er habe von vorn herein erklärt, daß, wenn ihm ein anderes sicheres Mittel der Kon⸗ trole gezeigt werde, er dies sehr gern acceptiren würde. Der Schlußnotenzwang, der eine strenge Organi— sation der Börse voraussetze, würde wohl noch unangenehmer sein, als sein Vorschlag. Es sei ja allerdings möglich, daß der betreffende Beamte, der einen der dort verzeichneten Männer kenne, erfahre, derselbe mache Zeitgeschäfte. Aber so viele Börsengeschäste müßten jetzt schon die Oeffentlichkeit passiren in Telegrammen u. s. w. Außerdem sei der Beamte ver— pflichtet, das Geheimniß zu bewahren. Viele Dinge drängten doch noch viel unangenehmer in Privatverhältnisse ein, Z. B. Notariatsakte, die der Stempelprüfung wegen an die Oberbehörden gingen. Müßten da nicht Verhältnisse viel delikaterer Natur klar gelegt werden! Dies Eindringen in Geschäftsgeheimnisse bestehe also nur darin, daß man erfahre, der Betreffende mache viel Zeitgeschäfte. Der Abg. Sonne mann glaube, daß das Geschäft ins Ausland gehen werde. Das glaube er einfach nicht und darauf wolle er sich beschrän— haben. Indeß habe man in Deutschland eben schon Manches gemacht, und werde noch Manches machen, was die anderen Staaten nicht machten. Uebrigens hätten andere Länder, wenn auch nicht dieselben, so doch auch recht belastende Börsensteuern. Deutschland sei nach seiner Meinung vielleicht der einzige Staat Europas, der eine solche Steuer einzuführen im Stande sei. Anderswo finde man vielleicht keinen Mann, der, wie er es thue, offen für diese Sache hervortrete. Daß die Steuer zu hoch, daß sie unausführbar und ungerecht sei, daß sie das Differenzgeschäft nicht unterdrücken würde, alles dieses sei nicht bewiesen. Er glaube, wie er in der einleitenden Rede gesagt habe, die Macht des Kapitals zu kennen, aber aus den Ver— handlungen habe er gesehen, daß er sich geirrt habe, daß die Sache doch ganz anders sei, wie er geglaubt habe. Die Abgg. Schlutow und Büsing hätten behauptet, daß die Disponibili— tät der Mittel in kriegerischen Zeiten eine Lebensfrage für den Staat sei, daß die Berliner Börse die Macht habe, An—⸗ leihen nicht nur abzulehnen, sondern auch zu verhindern. Das habe er noch gar nicht gewußt, daß die Berliner Börse über Krieg und Frieden in Europa zu entscheiden habe. Das bringe ihn zum Nachdenken und werde auch das deutsche Volk zum Nachdenken bringen. Der Abg. Sonnemann wolle seinen (des Redners) Antrag anständig in einer Kommission begraben, er danke ihm dafür, denn man wolle doch wenigstens anständig be⸗ graben sein. Er glaube aber, daß in seinem Antrage so viel Leben stecke, daß, wenn das Haus ihn auch diesmal begrabe, derselbe immer wieder aufleben werde, bis derselbe in irgend einer Form Geltung gewonnen habe.

Der Antrag von Wedell wurde hierauf an eine Kom— mission von 21 Mitgliedern verwiesen.

Es folgte die zweite Berathung des Reichshaushalts— Etats pro 1883/84.

Der Etat für den Bundesrath wurde ohne Debatte genehmigt.

Die fortdauernden Ausgaben des Etats des Reichstags beliefen sich auf 407 670 M

Tit. 1— 11 wurden debattelos bewilligt. ö

Bei Tit. 12: Ein Bibliothekar 6000 , ein Assistent 3000 M, bemerkte der Abg. Dr. Lieber, die Reichstagsbiblio— thek, welche es schon bis auf einen Bestand von 50000 Bän— den gebracht habe, würde mit immer größerem Nutzen und in immer umfangreicherem Maße im Lande benutzt. Es sei die Aufgabe bes Hauses, aus derselben die erste politische Biblio⸗ thek des Reiches zu machen. Als Mitglied der Bibliothek— kommission spreche er dem Bibliothekar für die Fertigstellung des Katalogs, der in jeder Hinsicht ein Meisterstuͤck sei, seine Anerkennung aus. ö

Ein Antrag des Abg. Dr. Braun (Wiesbaden), dem Bi— bliothekar den Dank des Hauses auszusprechen, wurde ein— stimmig vom Hause angenommen. .

Titel 12 wurde bewilligt, desgleichen der Rest dieses Spezialetats. .

Der Etat für den Reichskanzler und die Reichskanzlei (Einnahme 2575 16, Ausgabe 126 970 6) wurde ohne Diskus⸗ sion genehmigt. .

Es folgte der Etat des Reichsamts des Innern (fort— dauernde Ausgaben 2871 588 6).

Bei Kap. 7 Besoldungen (Kap. 1 Staatssekretär 36 000 6) fragte der Abg. Neiniger an, ob die Staatsregierung Kennt— niß habe von dem schimpflichen Handel mit deutschen Mädchen, welche durch gewissenlose Agenten nach Frankreich, nach den russischen Ostseeprovinzen und weiterhin getrieben werde, Der betreffende, in einer süddeutschen Zeitung erschienene Artikel habe in Süddeutschland allgemein auf das Unangenehmste berührt. Auf die Anfrage des Redners, ob die Reichsregie⸗ rung schon Vorkehrungen getroffen hahe, um diesem unwürdigen, den deutschen Namen besudelnden Handel ein Ziel zu setzen, erwiderte der Bundeskommissar Geheime Ober⸗Reg. Rath Wey⸗ mann, daß die Entrüstung über den schnöden Menschenhandel von der Reichsregierung in vollem Maße getheilt werde. Da die— selben Mißstände auch in anderen Ländern hervorgetreten seien, so habe die niederländische n eine internatio⸗ nale Konferenz zur Untersuchung dieser Mißstände vorge⸗ schlagen. Auch deutscherseits werde eine Betheiligung an dieser Konferenz stattfinden. ; .

Titel 1 wurde genehmigt, desgleichen die übrigen Titel dieses Kapitels, desgl. Kapitel 7a. allgemeine Fonds 417 646 6 Nur bei Titel 13 dieses Kapitels (Kosten aus Anlaß der Maßregeln gegen die Reblauskrankheit 50090 interpellirte der Abg. Dr. ů die Reichs regierung darüber, ob der Erlaß eines Gesetzes au . der internationalen Konvention in

älde erfolgen werde. . ö e,, her erwiderte, durch die Publikation der Konvention sei das Neich und seien die Einzelstaaten ver⸗ pflichtet, die Bestimmungen derselben in ihren Gebieten zur

Geltung zu bringen. So weit és sich dabei um Maßregeln

ken. Andere Staaten sollten eine solche Börsensteuer nicht

internationaler Natur handle, um Ein- und Ausfuhrverbote u. s. w., genüge für die Ausführung der Konvention der Verordnungsweg; so weit es sich um innere Rechtsverhält⸗ nisse handele, bedürfe es eines Ausführungsgesetzes, wel des in kürzester Frist dem Hause zugehen werde.

Vom Kap. 76. „Reichs kommissariate“ wurden die Titel 1 und 2 „Auswanderungswesen“ einstweilen ausgesetzt, da der Bericht des Reichs kommissars noch nicht vorlag.

Bei Tit. 3 „Schulkommission“ 36090 6 brach der Abg. Dr. Rée eine Lanze für das System der allgemeinen Volksschule gegen— über dem jetzt in Deutschland herrschenden System der Standes— schulen. Das erstere System sei ohne Zweifel geeigneter, den Kulturzustand des ganzen Volkes zu heben. Man lebe jetzt in Deutschland in einer ernsten und bewegten Zeit; er meine mit Rücksicht auf die soziale Frage. Für die Lösung derselben sei gerade das Schulwesen hervorragend wichtia, und er wundere sich, daß dieser Punkt noch nie zur Sprache ge— kommen sei, umso mehr, als zunächst nur die äußere Organi— sation des Schulwesens einer Aenderung bedürfe. Man habe jetzt in Deutschland zweierlei Schulen, höhere und Volks— schulen. In welche dieser Schulen die Kinder aber kämen, hänge nicht etwa von den Talenten, sondern von den Vermögensverhältnissen ab. Man habe also in Deutschland ein System der Standesschulen. Dem— gegenüber gebe es nun ein anteres System, das der allge—⸗ meinen Volksschulen, wie es in den Vereinigten Staaten und im Kanton Zürich bereits bestehe. Dort seien die Schulen nicht nach den Vermögensverhältnissen der Eltern, sondern nach dem Lebensalter der Kinder getrennt; die Kinder be⸗ suchten diese Volksschulen bis zum 14. oder 15. Lebensjahr; und daran knüpf sich dann erst die höheren Schulen, so daß diese also keine unteren Klassen hätten. Mit Rücksicht auf den Unterrichtsstoff brauche also bei beiden Systemen gar kein wesentlicher Unterschied zu sein; aber wenn man frage, welches System das Volk auf eine höhere Kulturstufe hebe, so gebe er doch entschieden der allgemeinen Volksschule vor der deutschen Standesschule den Vorzug. Zunächst befördere jenes System in viel höherem Grade die Bildung der Massen, und dies Moment sei gerade in einem Staate, wo das allge— meine direkte Wahlrecht bestehe, von größter Wichtigkeit. Als Napoleon III. der erstaunten Welt gezeigt habe, wie man auch beim allgemeinen Wahlrecht das Volk im Sinne der Regie⸗ rung beeinflussen könne, hätten besonnene Schulmänner ver— langt, ehe Deutschland das allgemeine Stimmrecht bekäme, müsse die allgemeine Volksschule zur Hebung der Volks— bildung eingeführt werden. Jetzt, wo in Deutschland das all— semeine Stimmrecht eingeführt sei, müsse man das zweite, die Volksbildung, um so mehr nachholen. Ein fernerer Vorzug des von ihm empfohlenen Systems sei die Gerechtigkeit. Ge— rade die ärmsten Leute, für welche die Schulpflicht ihrer Kinder wirklich eine Last sei, erhielten für ihre Kinder in der Schule gegenwärtig die geringste Portion Wissen angeboten. In einem Land, wo eine schroffe Kasteneintheilung bestehe, und der Sohn dem Stande des Vaters folgen müßte, wäre ein solches System richtig; in Deutschland aber bedeute es die größte Ungerechtigkeit. Je höher die Intelligenz entwickelt werde, desto größer werde im Allgemeinen die Erwerbsfähig— keit. Durch die allgemeine Volksschule erhalte der schwer arbeitende Mann die Aussicht, daß das, was ihm selbst das Leben verweigert habe, doch seinen Kindern zu erreichen mög— lich sein werde, derselbe erhalte die Aussicht, daß Noth und Elend in seiner Familie wenigstens nicht erblich bleiben würden.

Der Titel wurde bewilligt, desgl. Tit. 4 und 5, ebenso Kap. 74. „Bundesamt für das Heimathwesen“ 29 700 (6, Kap. 8 „entscheidende Disziplinarbehörden 1000 MS !“, und Kap. 9 „Ober⸗Seeamt“ 2c. 39 000 M

Bei Kap. 10 „Statistisches Amt“ 567 807 „0 richtete der Abg. Dr. Hirsch an die Regierung die Anfrage, ob die Resul— tate der Berufs- und Betriebsstatistik dem Hause bereits vor— gelegt werden könnten, wenn es in die Berathung der großen sozialpolitischen Gesetze eintrete.

Der Bundeskommissar Direktor im Reichsamt des Innern Bosse erklärte, er hoffe, daß wenigstens, wenn das Unfallver— sicherungsgesetz zur Berathung komme, die ersten Resultate der Berufsstatistik publizirt sein würden. Er füge hinzu, daß selten für eine Statistik so vorzügliches Material geliefert worden sei, wie für diese Berufsstatistik, und daß dieselbe, auf deren baldige Fertigstellung auch die Regierung dränge, gewiß allen berechtigten Wünschen Rechnung tragen werde.

Der Abg. Frhr. Göler von Ravensburg betonte die Noth⸗ wendigkeit einer Statistik über die Verschuldung des kleinen bäuerlichen Grundbesitzes und behielt sich vor, diese Frage bei Berathung der sozialpolitischen Vorlagen zur Sprache zu bringen.

Das Kapitel wurde genehmigt; ebenso das Kapitel 11: Normal⸗Aichungskommission.

Bei Kap. 12: Kaiserliches Gesundheitsamt 125 850 M6 beantragte der Abg. hr. Möller, die Mehrforde⸗ rung von 600 Ss für ein Mitglied als Vertreter des Direk— tors abzulehnen, weil sonst jede andere Behörde, und zwar mit noch viel mehr Recht, ebenfalls solche Forderungen stellen könnte.

Der Bundeskommissar Direktor des Kaiserlichen Gesundheits⸗ amts Geh. Ober⸗Reg.⸗-Rath Dr. Struck erwiderte, weder im vorigen noch im vorvorigen Jahre sei die nunmehr auf den Etat ge⸗ setzte Position für Vertretung des Direktors aufgeführt; die⸗ selbe sei im Jahre 1879 als persönliche Zulage bewilligt worden, für ein damals den Direktor vertretendes Mitglied, und sei gefallen, als dieses Mitglied aus dem Gesundheitsamt geschieden sei. Diese Position sei nicht wieder auf den Etat gebracht, weil in den ersten Jahren eine für die Vertre⸗ tung des Direktors durchaus geeignete. Persönlichkeit sich im Gesundheitsamt nicht habe ausbilden können. Jetzt, wo dies der Fall sei, sehe er sich genöthigt, 6 Summe wieder auf den Etat zu setzen. In sehr vielen Aemtern sei den ältesten Mitgliedern eine ähnliche, in der Regel höhere Remuneration gewährt für die Vertretung des Direktors. Im Normalaichungsamt seien nicht 600, son⸗ dern 900 M für Vertretung aufgenommen. Das Gesundheits⸗ amt habe seine Arbeiten so gut wie jedes andere. Ob der