1883 / 45 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 21 Feb 1883 18:00:01 GMT) scan diff

den Landdrosteibezirk nur eine Handelskammer fortbestehen zu lassen. Das wollte sich eine ron diefen vier Handels— kammern nicht gefallen lassen. Nachdem sie vergeblich bei ihm re. monstrirt hatte, richtete sie eine Petition an das Haus der Aëgeord= neien und fübrte darin aus, daß der Herr Handels ⸗Minister nicht die Befugniß habe, sie gegen izren Willen aufjubeben. Diese Petition ist der Petitionskommifsion überwiesen worden, und die Pelitions kom- mission hat darüber gedruckten Bericht erstattet. Der Bericht datirt rom 20. Dezember 1871, also nach dem Erlaß des neuen Gefetzes, und in diesem Bericht kommt folgende Stelle vor:

In dieser Befugniß dabei ist citirt 8 35 den Sitz und die Bezirke der Handelskammern zu bestimmen, ist auch die Er— mãchtigung gegeben, mehrere Handels kammerbezirke zusammerzulegen, mit anderen Worten, eine Handelskammer ganz aufzuheben.

Ueber die Petition ist demnächst im Plenum verhandelt worden es war am 12. Januar 1872 und der Antrag der Kommission ist nicht etwa stillschweigend angenommen worden, sondern es bat im Hause eine Debatte stattgefunden. Diese hat sich aber lediglich darauf beschränkt, zu erörtern, ob es zweckmäßig sei, daß im Land⸗ drosteibe irk Aurich nur eine oder mehrere Handelskammern besteben und die Frage der Aufhebung ist hier mit keiner Silbe zur Dis—⸗ kussion gelangt. Man ist einfach der Ansicht der Kommission beige⸗ treten, daß dem Handels -Minister die Befugniß zustehe, im Fall des §. 35 des Gesetzes mit der Auflösung vorzugehen. (Zu—⸗ ruf links: Aufhebung) Wenn nun 5§. 1 und 5. 35 des Ge— setzes über Aufhebung, Auflösung u. dgl. ich weiß überhauxyt nicht, welchen Unterschied die Herren zwischen Aufhebung und Auf— lösung machen wollen, ich will Alles zusammenfassen wenn alfo diese Paragraphen von einer solchen Befugniß nichts entbalten und wenn trotzdem angenommen worden ist, ungeachtet des Umstandes, daß §. 35 hierüber schweigt, daß eine Aufhebung dennoch eintreten darf, so muß man dasselbe doch auch gegenüber 8. 1 annehmen und zugeben, daß wenn auch 5. 1 von der Aufhebungsbefugniß schweigt, eine solche dem Handels⸗Minister doch zustebt. Die Umstaͤnde, welche den Herrn Handels-Minister veranlaßt haben, die exwähnten Verfügungen an die Handelskammern in Görlitz und Hildesheim zu erlassen, sind jedenfalls viel schwerwiegender gewesen, als die Veranlassungen. welche dazu geführt haben, unter der Herrschaft der Berord⸗ nung ron 1848 Handelskammern aufzuheben, oder 1875 mit der Aufhebung der Handelskammer in Gleiwitz vorzugehen. In allen jenen früheren Fällen konnte man den Handels⸗ kammern nur zur Last legen, daß sie sich nicht fähig gezeigt hätten, die ihnen durch Geset überwicsenen Verpflichtungen zu erfüllen; am guten Willen hat es, soviel sich aus den Akten erseben läßt, nicht gelegen. Ganz anders aber in Görlitz und in Hildes beim. Diese beiden Handelskammern baben es offen verweigert, Anordnungen Folge zu leisten, zu deren Erlaß der Herr Handels ⸗Minister sich für hefugt hielt, Das ist jedenfalls ein Verhalten, welches schwerer ins Gewicht fällt, als jene früheren Vorgänge. Das öffentliche Interesse würde durchaus gefährdet werden, wenn man es zulassen würde, daß eine der Aufsicht des Handels -⸗Ministers unterstellte Handelskammer offen und direkt vor dem Lande den Anweisungen, welche ihr der. Handels Minister innerhalb. seiner Befugnisse giebt, zuwider handelt. Der Herr Handels-Minister hat sich darauf keschränkt, um seinen Anordnungen den erforderlichen Nachdruck zu sichern, den erwähnten beiden Handelskammern gegenüber nur bis zur Enthebung von den staatlichen Funktionen vorzugehen. Er ist nicht weiter gegangen, weil er das im öffentlichen Interesse nicht für er— forderlich hielt; soweit aber zu gehen, war er genöthigt. Und was dann diese Handelskammern selbst betrifft, ja, da muß ich sagen, die haben ja eigentlich nur Gewinn davon. Sie wollten frei sein von der Befolgung von Ministerialreskripten, jetzt brauchen sie keine mehr zu beachten. Sie stehen jetzt ausschließlich unter der Herrschaft des Gesetzes; sie können als . fortexistiren.

Um nun mit wenigen Worten auf die tbatsächlichen Verbältnisse zurückiukommen, welche den Anlaß zu den Verfügungen an die Han— delskammern zu Görlitz und Hildesheim gegeben haben, so will ich, da der Hr. Abg. Loöwe ebenfalls diese Vorgänge kurz berührt hat, nur Folgendes bemerken: Es handelt sich bei der Befolgung des Re—⸗ skripts des Herrn Handels-Ministers vom November 1881, über das im vorigen Jahre hier ausführlich debattirt worden ist, wesentlich um 2 Punkte; um die Berpflichtung der Handelskammern, ihre Pro⸗ tokolle vierteljährlich dem Herrn Handels⸗Minister einzureichen, und um die Verpflichtung der Handelskammern, ihren Jahresbericht den sie nach dem Gesetz an den Herrn Handel?⸗Minister zu erstatten

zaben, vor der Veröffentlichung ihm zur Durchsicht vorzulegen. Was die Einreichung der Protokolle betrifft, so bin ich im vorigen Jahre den Gründen, welche gegen diese Maßregel bier geltend gemacht wurden, mit Auimerksamkeit gefolgt. Ich muß aber gestehen, ich babe in keiner Weise aus diesen Deduktlanen entnehmen können, daß es eine Uebertreibung der Aufsichtsbefugniß sei, wenn der Herr Handels⸗Minister Abschriften der Protokolle einfordert, und ich kann auf der andern Seite sagen, daß sich diefe Ein— richtung für das Handels- Ministerium außerordentlich nütz, lich erwiesen hat, denn wir sind jetzt weit besser, als es früher möglich war, in der Lage, uns über dasjenige zu unter— ichten, was an wirthschaftlichen Interessen die Thätigkeit und die Aufmerksamkeit der Handelskammern in Anspruch nimmt und sie ke— schäftigt. Was die Verpflichtung zur Einreichung der Jahresberichte an den Hrn. Handels⸗Minister anlangt, so kann ich nur einfach bei dem stehen bleiben, was ich hierüber im vorigen Jahre erklärt abe. Das Gesetz verpflichtet die Handelskammern, 2 Berichte zu erstatten, einen an die Handels und Gewerbetreibenden, und diesen Bericht sind, sie verpflichtet, an die Oeffentlichkeit zu bringen; einen zweiten Bericht aber sollen sie an den Hrn. Handels. Minister erstatten. In den gesetzlichen Bestimmungen, welche sich auf diesen zweiten Be richt beziehen, ist von einer Veröffentlichung nicht die Rede. Des- wegen kann ich bei der Auslegung des Gesetzes zu keiner anderen Schlußfolgerung gelangen, als daß, während die Handelskammer hin sichtlich der Veröffentlichung des juerft erwähnten Berichtes voll. kommen freie Hand haben, ihnen diese Befugniß nicht zustebt. rücksichtlich des zweiten Berichts. Ueber den jweiten Bericht und defsen Veröffentlichung hat allein der Herr Handels⸗Minister zu dis- oniren.

Ich fasse mich also dahin zusammen: der Herr Handels⸗-Minister stebt heute auf dem Boden derselben Rechts auffassung den Handels— kammern gegenüber, die im vorigen Jahre dem Hause mitgetheilt worden ist, und der Herr Handels-Minister ist in keiner Weife ge⸗ sonnen, irgend etwas von dem, was er den Handelskammern gegen⸗

Über verfügt hat, zurückzunehmen.

Der Abg. hr. Martinius bemerkte, während der Abg. Löwe die vorliegende Frage vom wirthschaftlichen, der Regierungsvertreter sie vom Standpunkt der Verfassung aus beleuchtet habe, handele es sich für ihn um rein j⸗uristische Deduktionen, damit das Haus, bevor es die Petition der Handelskammer zu Hildesheim berathe, die Vorfrage entscheiden könne, ob die Handelskammer eine Behörde oder eine Korporation sei. Die Rechte einer Korpo⸗ ration seien derselben aber weder im Handelsgesetz von 1870, noch sonst irgendwo verliehen; Privatvereine seien die Han⸗ delskammern auch nicht, denn sonst würden sie das Saus überhaupt nicht interessiren. In der Presse seien die Han⸗ delskammern als Interessenvertretungen, Selbstverwaltungs⸗ körperschaft oder als Behörde bezeichnet. Körperschaft sei aber dasselbe wie Korporation, und die Handelskammer habe nicht, wie andere Vertretungskörper, die Rechte einer juristischen Person. Auch habe die Handelskammer keine Selbstverwal⸗ tung zu üben, weil sie für den Handels- und Gewerbestand, der sie wähle, keine bindenden Beschlüsse fassen könne, sondern nur Normativhestimmungen angeben könne, denen nachzuleben Niemand verpflichtet sei. Wenn 5. 1 des Handels kammer⸗ Gesetzes sage, die Handelskammermitglieder haͤtten die Inter⸗

essen des Handels und Gewerbes, nicht aber ihre eigenen zu vertreten, so deute das nicht auf eine Selbstverwaltungsthätig⸗ keit, sondern es heiße, sie hätten auch die Interessen der Nicht⸗ firmeninhaber, also derer, die nicht an der Wahl theilnehmen, zu vertreten. Aus der weiteren Bestimmung dieses §. 1, daß die Handele kammer dem Handele⸗Ministerium Gutachten u. dergl liefern müsse, solge schon der behördliche Charakter der Handelskammer; auch der Staatsrath sei anerkannter⸗ maßen eine Jehörde, und habe lediglich Gutachten abzugeben. Außerdem übe die Handelskammer aber auch wirklich Hoheits⸗ rechte aus: Sie stelle die Makler an, sie habe die Polizeigewalt der Börse gegenüber, sie habe ein Besteuerungsrecht. Daß eine Behörde möglich sei, ohne daß ihre einzelnen Mitglieder Beamte seien, sehe man ja auch beim Schwurgericht. Auch aus dem Recht, den heraldischen Adler unter ihre Schriftstücke zu setzen, folge, daß die Handelskammern Behörden seien; seien sie das aber, so gelte auch von ihnen der Grundsatz, daß der Faktor, der eine Behörde ins Leben rufe, sie auch wieder aufheben könne; in Preußen finde das Recht des Königs, Behörden abzuschaffen, nur dann eine Schranke, wenn besondere Gesetze darüber existirten, oder wenn im Etat diese Behörde bewilligt sei; beides treffe aber bei den Handelskam⸗ mern nicht zu, und ebenso gut, wie die Handelskammer die

lakler, die sie anstelle, absetzen könne, ohne daß dies ausdrück—⸗ lich bestimmt sei, ebenso gut könne auch der Handels⸗Minister die Handelskammer selbst eliminiren oder auflösen; er würde diesen zweiten Ausdruck aber nicht für angemessen halten, weil man denselben auf Institute anwende, bei welchen nur die Vertreter beseitigt würden, die Körperschaft überall aber weiter bestehe, was doch hier nicht der Fall sein solle. Er bedauere, daß die Staatsregierung diese Konsequenzen nicht vollständig gezogen, und die Handelskammern nur ihrer Funktionen ent— kleidet habe, Es bleibe nur ein gewöhnlicher Verein übrig, von dem in dem Handelskammergesetz nickts stehe, und der keine weiteren Funktionen habe, als jeder andere private Verein. Es bleibe sogar noch zweifelhaft, ob nach dieser Suspension die einzelnen Mitglieder sich nicht straffällig machen würden, wenn sie sich als Vertreter der Handelskammern be⸗ zeichneten, Er sei, zuerst eigenthümlich berührt durch die Schroffheit der Verfügungen, finde aber bei genauerem Nach— denken, daß in der That nichts anderes möglich gewesen sei, weil der Handelzkammer gegenüber die vorgesetzte Behörde keine milderen Disziplinarmaßregeln habe. Auch glaube er, daß es an den Handelskammern selhst gelegen habe, daß sie diese schroffe Behandlung erlitten haben. Die Handelskammern es seien drei Viertel aller bestehenden welche sich über die neue Zollpolitik ungünstig ausgesprochen, hätten nicht die gleich Behandlung erlitten, wie die von Grünberg, welche unrichtige Daten geliefert habe, Das Verfahren des Hanpels⸗-Ministers sei nach jeder Hinsicht gerechtfertigt, und er glaube, die Handelskammern selhst müßten diesen Stoß des Ministers als einen gewissen Dienst ansehen, als ein gewisses ins Leben rufen. . .

Der Abg. Götting erklärte, er wolle nicht auf die Sache selbst eingehen, sondern nur dem Hause die Petition der Hildes⸗ heimer Handelskammer ans Herz legen. Im vorigen Jahre sei die Sache noch nicht so akut gewesen, weil der Minister damals nur mit der Auflösung gedroht habe, heute aber etwas ähnliches, die Suspension, wirklich eingetreten sei, und, was bisher noch nicht erwähnt sei, den Handelslammern die Geldmittel abgeschnitten seien, da sie keine Steuern mehr er⸗ beben dürften. Er wünsche, daß die Petition bald mit einem eingehenden Gutachten der Kommission im Plenum erscheinen würde. Man habe vorhin gesagt, der Minister habe ein Auf— sichtsrecht über die Handelskammern, aber dies Aufsichts—⸗ recht befuge doch noch nicht zur Auflösung. Der Unter⸗ Staatssekretär Möller habe sich auf die Autorität des Hauses selbst berufen, welches 1671 der Regierung das Recht zu— gestanden habe, Handelskammern aufzulösen. Aber damals habe es sich um eine Reorganisation und Neueinrichtung einer bestimmten Handelskammer gehandelt, wo natürlich die Auflösung der früher dort befindlichen habe voraufgehen müssen. Verletzt sei er durch den höhnisch scherzenden Ton des Regierungskommissars, als; derselbe gesagt habe, die Handelskammer in Hildesheim könne sich freuen, erreicht zu haben, was sie habe erreichen wollen, den Ministerialverfügungen nicht mehr gehorchen zu müssen; es schmerze die Hildesheimer Handelskammer, ihre Pflicht, der sie sich stets opferwillig unterzogen habe, nicht mehr erfüllen zu können. Bei den Deduktionen des Vorredners habe er eigentlich juristische Momente nicht finden können, denn bei der heutigen engen Verbindung von Behörden mit berathenden Körperschaften seien die Grenzen zwischen beiden nur schwer zu ziehen, und die Definitionen des Abg. Martinius lassen sich auf alles Mögliche anwenden; andererseits sei der Charakter der Selbstverwaltungsbehörde nicht daran geknüpft, daß sie den hinter ihr Stehenden bindende Beschlüsse auflegen könne. Eine durch Gesetz ins Leben gerufene Institution könne nur durch Gesetze oder auf gesetzlichem Wege abgeschafft werden, und die Eigenschaft, daß es sich um eine aus Wahlen hervor— gegangene Versammlung handele, ändere daran nichts; eine Auflösung des Abgeordnetenhauses sei nur zulässig, weil das Gesetz diese Möglichkeit besonders ausspreche. Wolle man gegen die Handelskammern vorgehen, so müsse man das Gesetz ändern, das jetzige Verfahren des Ministers halte er für ungesetzlich. .

Der Unter⸗Staatssekretãr Dr. von Möller entgegnete, daß er keine höhnische, noch scherzende Bemerkung habe machen wollen; dazu sei ihm der Gegenstand zu ernst und es sei nur möglich, daß der Abg. Götting seine Worte falsch aufgefaßt habe; er habe nur sagen wollen, die Hildesheimer Handels⸗ kammer könne sich freuen, daß fie nicht ganz aufgelöst sei, een. wenn auch ohne jeden autoritativen Charakter, fort⸗

estehe.

Der Abg. Dr. Reichen sperger (Cöln) bemerkte, der Abg. Götting irre, wenn derselbe meine, eine gesetzlich einberufene Versammlung könne nur durch Gesetz aufgehoben werden; das gelte nur von der ganzen Institution, ob aber die einzelnen Handelskammern durch Ministerialverfügung aufgelöst werden könnten, sei eine andere Frage. Das Gesetz bestimme nichts über die Auflösung, aber die vom Unter⸗Staats sekretär angeführ⸗ ten Präcedentia seien entscheidend, da, wenn durch das Gesetz durch die bisherige Praxis hätte geändert werden sollen, dies ausdrücklich im Gesetz hatte gesagt werden müssen. Er glaube aber nicht, daß man, wie der Regierungsvertreter gethan habe, Bestimmungen aus dem Landrecht hier ganz einfach auf staatsz⸗ rechtliche Fragen anwenden dürfe, er gebe aber dem Abg. Martinius Recht, daß eine Institution durch das Staatsoberhaupt annullirt werden könne, wenn nicht besondere gesetzliche Bestimmungen entgegenstehen. Die Handelskammern hätten etwas amphibten⸗

artiges an sich: sie seien keine Behörden, wie die Regierunge⸗ kollegien und Gerichte, aber doch hätten sie einen behördlichen Charakter, wie aus den Bestimmun dez Gesetzes selbst hervorgehe; sie seien also nicht, wir der Abg. Löwe meine, autonome Kõrperschajten Auch das Recht, ein Staatssiegel zu führen, sei nicht so un⸗ bedeutend, wie es aussehe, und siehe nur Behörden zu. Seine Bemerkungen zeugten nicht etwa von mangelndem Interesse für die Handelskammern, sondern er glaube, eben dadurch, daß man ihnen den Charakter der Behörden zuerkenne, könnten sie zu der segensreichen Thätigkeit gelangen, die er ihnen gönne. Er bedaure übrigens, daß, soweit seine Kenntniß reiche, der Kaufmanns stand selbst gar so wenig Interesse für die Handele⸗ kammern zeige. Die Debatte wurde geschlossen und der Titel genehmigt. Tit. 112. verlangt 16 000 MS zu Diäten und Neisekosten für die Mitglieder des Volkswirthschaftsraths. Der Abg. Dr. Hänel forderte die Streichung des Titels. 3 ersten Male werde die budgetmäßige Genehmigung der nstitution des Volkswirthschaftsraths dem Abgeordneten hause angesonnen. Bisher sei das noch nicht geschehen. Jetzt solle man Ja oder Nein zu der ganzen Institution sagen, und habe nicht einmal mehr freie Hand, da der Reichstag die Erweiterung des Volkswirthschafts rath⸗ auf ganz Deutschland, wie sie von den Organen der Regierung ausdrücklich als Ziel und Voraussetzung der Be— willigung hingestellt gewesen sei, abgelehnt habe. Bisher sei das Kollegium mit 98 Vorlagen befaßt gewesen, von denen Tausschließlich der Reichs kompetenz angehört haben. Im Reichstage sei nun zweimal diefe Erweiterung beantragt, und mit 153 gegen 102 Stimmen, zuletzt mit 165 gegen 83 Stim— men verworfen worden. Damit sei die legislative Voraus— setzung der Institution beseitigt. Wenn nun der Reichstag den Einfluß einer solchen Institution auf die Reichsgesetz⸗ gebung verwerfe, wie komme dann der preußische Landtag dazu, dem Reichstage ein solches Organ der Vorberathung aufzudraängen? Denn in der Sache selbst sei es doch nichts weiter als ein Organ der Reichsregierung; es würde nach wie vor wesentliche Gegenstände der Reichslegislative zur Be—⸗ rathung erhalten. Die früheren Verhandlungen dieses Hauses haben vielfach die Auffassung bekundet, als ob es fich hier um die Schaffung einer Staatsrathssektion gehandelt habe; er habe es selbst gethan und auf die Unzulaͤssigkeit solcher Organisirung durch bloße Königliche Verordnung hingewiesen. Damals habe man ihm die Richtigkeit dieser Auffassung be⸗ stritten, im Reichstage aber habe man sie ihm unumwunden zugestanden, und er bleibe bei diesem formellen Haupteinwand, daß das Verfahren unzuläsfig sei, und daß es zur Schöpfung eines Volks wirthschafte⸗ raths eines Gesetzes bedürfe. Materiell stehe fest, daß die Erwartungen selbst der Freunde dieses Organs kaum in Erfüllung gegangen seien. Die Vertheidiger des Volke wirthschaftsraths, die sogar der Einseitigkeit der Organisirung das Wort geredet, die in derselben einen Markstein für die Schutzzollpolitik des Kanzlers mit Freuden begrüßt haben, seien jetzt selbst mit Zweifeln erfüllt, namentlich als der Kanzler trotz der Ablehnung des Tabackmonopols durch den Volkswirthschaftsrath dasselbe dennoch vor den Reichstag gebracht habe, ganz als ob gar nichts geschehen sei. Daß alfo diese Korporation die erste Voraussetzung ihrer Existenzberechtigung, das unabhängige autoritative Urtheil nicht besitze, werde jetzt wohl von Niemandem mehr bezweifelt werden. Uebrigens könnten auch die sachverständigsten Organe der ganzen Welt die Arbeit nicht leisten, die man dem Polts— wirthschaftsrath zugemuthet habe; die sachliche Berathung von sieben so umfassenden Vorlagen, wie Unfallverficherung, Tabackmonopol u. s. w. in der kurzen dem Volkswirthfchafts— rath gelassenen Zeit sei eine absolute Unmöglichkeit gewesen, vielmehr sei derselbe durch diese Behandlung in sich selbst de⸗ moralisirt worden. Legislatives Material habe der Volks⸗ wirthschaftsrath also fast gar nicht geliefert, kurz, seine Ueber— flüssigkeit könne gar nicht augenscheinlicher als durch ihn selbst bewiesen werden. Wenn er also für seine Beseitigung spreche, so wolle er damit der Regierung ihr gutes Recht, sich über die Meinung der Sachverständigen und Fachkreise zu in— formiren, nicht im Geringsten verschränken. Hierauf nahm der Unter-Staatssekretär Dr. von Möller, wie folgt, das Wort: Meine Herren! Im Gegensatz ju dem Antrage des Hrn. Abg. Dr. Hänel bitte ich Sie, die für den Volkswirthschaftsrath geforderten 1600) 4 zu bewilligen. Die Königliche Staatsregierung legt den größten Werth darauf, daß diese Bewilligung erfolgt. Angefochten ist die Bewilligung vom Hrn. Abg. Dr. Hänel nicht blos aus ma⸗ teriellen Gründen; an die Spitze seiner Ausführungen hat er viel mehr zwei formelle Gründe gestellt. Gestatten Sie mir, diese for⸗ mellen Gründe zunächst kur; zu beleuchten. . Sein erster Einwand ging dahin, dem Beschluß des Hauses der Abgeordneten sei bereits präjudizirt dadurch, daß der Reichstag zwei Mal die Bewilligung der Mittel für die Errichtung, eines deut schen Volkswirthschafteraths abgelehnt habe. Meine Herren! Ich kann in keiner Weise anerkennen, daß hier ein Präjudiz vorliege, welches auf die heutige Beschlußfassung irgendwie einen maßgebenden Einfluß ausüben könnte. Der preußijche Volkswirtbschaftsrath hat existirt, bevor der Reichstag um feine Zu⸗ stimmung zur Errichtung eines deutschen Volkswirthschaftsraths an- gegangen worden war, und es besteht kein sachliches oder politisches Pinderniß, daß, nachdem die Schöpfung jener Reichzinstitution ver= sagt worden ist, der preußische Volkswirthschaftsrath bestehen bleibe, und daß für ihn die Gelder bewilligt werden; derjenige Faktor, welcher das Bedürfniß empfindet, daß der preußische Volkswirthschafts rath ihm Dienste leisten soll, ist ja allein die preußische Regierung. Für die Vorbereitung wirthschaftlicher Gesetzentwürfe, welche in die Kompetenz der Landesgesetzgebung fallen, und für die Vorbereitung der Jnstruktion, der preußischen Stimmen im Bundesrath in Be= ziehung auf die Entwürfe von Reichtgesetzen hält die preußische Regierung die Mitwirkung und den fachverständigen Belrath des Volkswirthschaftsraths für unentbehrlich, und ich glaube nicht. daß man aus dem ablehnenden Votum des Reichstages, welches allein den Zweck haben konnte, die Ausdehnung und Erweiterung diefer In- stitution auf das ganze Reich zu verhindern, nun einen Grund ber⸗ nehmen kann, dem von der preußischen Regierung sowohl im engeren Landezinteresse, als auch in ihrem Interesse empfundene Informations bedürfniß die Befriedigung zu verfagen. d halte jenen Cinwand wirklich für einen rein formalen un . ihm deshalb eine irgend durchschlagende Bedeutung nicht bei⸗ egen. 1 ) Der zweite formale Grund, welchen der Hr. Abg. Dr. Hänel gegen die Bewilligung anführte, ist bereits bei früheren Verhand- lungen wiederholt zur Sprache gebracht worden. Es ist der Umstand, daß nach der Meinung des Hrn. Abg. Dr. Hänel der Volke wirth⸗

schaftsrath eine Analogie zu dem Staatsrath Darstellen soll. Meine '

. Ich, meinerseits bestreite aufs Alerbestimmteste, daß . alche Analogie zroischen dem Volkewirthschaftsrath und dem vpn g, chen Stagtsraty irgendwie nachwelsbar ist. Rur in ei nem pan sind beide sich ähnlich:; der Polkswirthschaftsrath so

der Landwirthschaft, der Industrie

Fesetzentwürfe vorberathen, Aufgabe des Staatsraths ist es ebenfalls, Gesepᷣentwůrfe zu begutachten; weiter aber reicht die Aehnlichkeit zriscken beiden Körpern nicht. Es sind jetzt bereitz 35 Sabre rer= flossen, seitdem der preußische Staatsrath außer Aktixitãt getreten ist. Vielleicht macht die Lange diefer Zeit es erklärlich, daß beute die Anschauung von dem, was der preurische Staatsrath in feiner legis⸗ latorischen Thätigkeit zu bedeuten gebabt hat, nicht mehr fo lebendig ist wie früher. Aber, meine Herren, wenn Sie sich den Staatsrath vergegenwärtigen wollen, wie er bis zum Jahre 1548 vor der Ein— führung der konstitutionellen Verfassung war, dann soll es Ihnen schwer werden, eine irgendwie zutreffende Analogie zwischen dem Staatsrath, und dem Volkewirthschaftsrath ju entdecken. Ich will hier nicht in alles Detail eingeben und nur 3 Unterschiede, welche mir hesonders prägnant erscheinen, bervorbeben.

Erstens die Zusammensetzung des Staatsratbs und die Zu⸗ sammensetzung des Volkswirthschaftsratkg. Der Volkswirtschafts rath besteht in der überwiegenden Zahl seiner Mitglieder aus Per⸗ sonen, welche in die Versammlung berufen sind auf Grund einer von landwirthschaftlichen Vereinen und Handelekammern aus— gehenden Präsentation. Wo sind die Kraft Forporatiser Rechte be rufenen Mitglieder des Staatsraths! Der Staatsraik ist immer nur jusammengesetzt warden aus Personen, welche von Sr. Majestät aus alleiniger eigener Entschließung berufen worden sind, sei es, weil ihnen Se. Majestãt ein bestimmtes Amt übertragen hätte, der fei es, daß sie allein aus versönlichem Alerhöchstem Vertrauen berufen sind. Und das scheint mir doch schon ein gan; fundamentaler Unter— schied zu seiendr

Das zweite ist die Stellung zum Staats⸗Ministerium. Der Volkẽwirthschaftsrath steht unter dem Staats- Ministerlum, Ter Stagtsrath stand weit über dem Staats-Minifterium. Zuruf) Ich spreche bier von dem Staatsrath in seiner wirklichen Bedeuà— tung, die er bis zum Jabre 1818 gehabt hat und darnäch verkiest es sich so, wie ich sagte.

Meine Herren! Drittens der Staatsrath war nach der Ver— fassung, die ihm im Jahre 1817 gegeben war, ein ganz integrirender und wichtiger Faktor der Gesetzaebung. Landstände bestanden damals nicht, der Staatsrath war alfo außer dem Staats. Ministerium das einzige konsultative Organ, welches dem Gesetzgeber zur Seite stand, und das Vertrauen des Monarchen zum Staatsrath ging soweit, daỹ in der Verordnung vom Jahre 1817 ganz axodiktisch bestimmt wurde: alle Hesetzentwürfe müssen durch den Stagtsrath zur Ällerböchften Sanktion gebracht werden. Dadurch hatte sich der Träger der Frone gegenüber dem Staatsrat gebunden und seben Sie die Bände der Gesetzlammlung von 1814 1848 nach, zabllofe Gesetze werden Sie darin finden, in denen immer im Eingang eiwäͤhßnt ist: nach Anhörung des Staatsraths. Hat der Volkz— wirthschaftsrath auch nur von ferne eine syolche Aufgabe? Bei ihm ist nicht daron die Rede, daß ibm alle wirthschaftlichen Ge= setzentwürfe vorgelegt werden müssen. Das Wort müssen kommt in dem entscheidenden Paragraphen der Verordnung von 1886 gar nicht vor. Außerdem fallt ja die Thätigkeit des Volkzwirthfchaftz« raths in ein viel früheres Stadium, als die Thätigkeit des Staats. ratbs. Der Staatsrath hatte auch noch die formelle Redaktion Ter Gesetze zu bewirken, ehe sie Allerhöchst vollzogen wurden. Beim Volkẽswirtbschaftsrath ist davon gar keine Rede, also aus einer Ver- gleichung, einer Parallele zwischen Volkswirthschaftsrath und Staats- ratb kann ein Grund gegen die Bewilligung der im Etat geforderten Summe nicht hergenommen werden.

Nun ist der Hr. Abg. Hänel dazu übergegangen, auch materielle BGründe für seine Anschauung beizubringen, und er kat vor allen Dingen die sachliche Befabigung des Volkswirthfchaftsraths zur Lösung der ihm gestellten Aufgaben in Zweifel gezogen und die Leistungen des Volkswirthschaftsraths in einer in der That seltenen Weife berab— gesetzt. Zunächst sagte er: der Volkswirthschaftsrath fei lediglich dazu geschaffen, das Echo der Ansichten des höchsten Staatsbeamten zu sein. Der Hr. Abg. Hänel hat ja selbst angeführt, daß der Volkswirthschaftsrath nichts weniger gethan hat, alz fich' in einer Angelegenheit, welche vor allen andern dem Herrn Reichskanzler am Herzen lag, zu dessen Echo zu machen; er hat ja selbst bervor— gehoben, daß der Volkswirthschaftsrath die Vorlage über das Taback— monopol abgelehnt habe. War das ein Echo der Anfchauungen des obersten Staatsbeamten? Nach der Ansicht des Hrn. Abg. Hänel zu urtheilen, hat der Volkswirthschaftsrath hierbei doch einen ganz an⸗ erkennenswerthen Beweis von Selbständigkeit seiner Entschließungen gegeben. Die Selbständigkeit, welche der Volkswirtkschaftsrath bei dieser Gelegenheit dokumentirt, hat aber dennoch den Hrn. Abg. Hänel nicht gehindert, der Regierung wiederum einen Vorwurf dar⸗ Aus zu machen, daß sie jenem ablehnenden Votum des Volkswirth— schaftsraths keine Folge geleistet habe. Ich muß gestehen, daß ich den Zusammenhang, der zwischen diesen verschiedenen Gliedern der Deduktion besteht, nicht recht verstehen kann.

Im Uebrigen, meine Herren, kann man ja die Leistungen und die Befähigung des Volkswirthschaftsraths gewiß nach rer⸗ schiedenen Richtungen hin einer Kritik unterziehen, aber nur möchte ich Sie bitten, im Auge zu behalten, wenn Sie diefe Kritik üben wollen: der Volkswirthschaftsrath ist ja nicht dazu be— stimmt, den beiden Häusern des Landtages bei ihren legislatorischen Arbeiten. Hülfe zu leisten, der Volkswirthschaftsrath ist dazu beftimmt, der Regierung bei ihren legislatorischen Vorarbeiten an die Hand zu gehen. Und wenn die Regierung mit seinen Leistungen zufrieden ist, wenn sie wiederholt Veranlassung gebabt bat, aufrichtig dem Volke⸗ wirthschaftsrath ihren Dank für seine mühexolle Mitwirkung auszu⸗ sprechen, dann, meine ich, kann doch daraus kein Grund für die ÄAb— lehnung der Institution hergenommen werden, daß andere bei der Legislation betheiligte Faktoren über die Leistungen? des Volkswirth⸗ schaftsraths anderer Ansicht sind.

Weiter hat der Hr. Abg. Hänel die Zusammensetzung des Volks— wirthschaftsraths angegriffen; er hat es auffällig und unjweckmãßig gefunden, daß die Vertreter von Landwirthschaft, von Industrie und von Handel hier in einer sozusagen widernatürlichen Weise zusammengeschweißt seien. In diesem Punkte thut sich allerdings eine sehr wesentliche Verschiedenheit der Auf⸗ fassungen des Hrn. Abg. änel und der Staatsregierung her. vor. Die Staatsregierung halt die Organisation des Bolkswirth⸗ schaftsraths gerade aus dem Grunde für eine glückliche, weil in ihm sowohl die Interessen der Landwirthschaft als auch die Intereffen der Industrie und diejenigen des Handels neben einander vertreten sind. Die Staatsregierung hält diefe Organisation deswegen für eine be— sonders glückliche, weil sie sich der Erkenntniß nicht verschliegen kann, daß die Zahl derjenigen Fragen, welche Handel, Landwirthschaft und Inrustrie gleichmäßig berühren, von Tag zu Tag wächst und mit der steigenden Entwickelung aller Zweige der vol kswirthfchaftlichen Thätigkeit und des Verkehrslebens naturgemäß noch, immer weiter wachsen muß. Nun weist der Hr. Abg. Hänel darauf hin, man habe ja vortreffliche Vertretungen fuͤr die einzelnen Zweige der gewerblichen Thätigkeit, man habe den Landwirthschaftsrath, man habe den Centralverband der deutschen Industriellen und außerdem den deutschen Handelstag; man möge auch diese Körperschaften hören. Meine Herren, die Ver= suche sind gemacht worden in früherer Zeit, aber was ist die Folge gewesen? Man bekommt Separatroten, welche eine ganze Reihe von wichtigen Meinungedifferenzen übrig lassen und es fehlt nun der ge⸗ meinsame Boden, auf welchem durch gegenseitigen Gedankenaustaufch Ausgleichung dieser differirenden Punkte gesucht werden kann. Die Möglichkeit, eine solche Ausgleichung zu erzielen, ist gerade der Zweck. Ich glaube hier in diesem Hause hätte man am allerwenigsten Ver⸗ anlassung, einen solchen Gedanken zu verhorresziren, nachdem erst im verflossenen Jahre der Gesetzentwurf über die Errichtung von Bezirks eisenhahnräthen und eines Landeseisenbahnrafhs zur Annahme gelangt ist. Was haben Sie denn da anders als gemeinsame Verkretung und des Handels, um die vorhin von mir charakterisirten Differenzen auszugleichen. Das Eisenbahnwesen ist ein Gebiet, auf welchem alle drei großen Thelle der wirthschaftlichen Thätigkeit ein gleiches Interesse haben, nur daß ein elne Interessen eine verschiedenartige Richtung nehmen. Aber das Gebiet des Eisenbahnwesens ist lange nicht das einzige; auf anderen

wirthschaftlichen Gebieten zeigt sich dasseibe, und ich sehe nicht ein, weshalb man nun die Staatsregierung, nachdem man ihr gestatte: bat, in der angegebenen Weise sich einen Beirath auf dem Gebiete des Cisenkahnwesens zu schaffen, nun verkindern will, auf den antere wirthscaftlichen Gebieten einen solchen Beiratb zu gewinnen Der Hr. Abg. Hänel hat als Erfatz für den Volkswirthschaftsrath der Re⸗ gierung die Berufung ron Sachrerstãndigenkommiffionen und rie Ver⸗ anstaltung von Spez ialenqueten angeboten. Ich kann diesen Ersa nicht acceptiren aus dem einfachen Grunde, wein die Regierung 4. dieser Richtung hin Erfahrungen gemacht hat, die es ibr wünjchens⸗ werth erscheinen lassen, nur in Ausnahmefällen von jenen Mitteln Gebrauch zu machen und für das laufende Beduürfniß eine permanente Sachverständigenkommifsion zur Seite zu haben,. denn der Volkswirthschaftsrath, ich wiederhole es, sft ja kein Staats⸗ rath, er ist nichts weiter als eine permanente Sach verstãndigenkom⸗ missien. Wiederholt sind Spezialkommiffionen är technische wirt? schaftliche und andere Fragen berufen worden; sehr wenige von diesen Kommissionen haben das Glück gehabt, sich' einer folchen Anerken⸗ nung zu erfreuen, wie diejenige war, welche der Hr. Abg. Hänel der Kommission für Textilindustrie heute gespendet bat. Ich erinnere mich eigentlich nur einer einzigen Kommission, deren Leistungen allge⸗ meiner ungetheilter Beifall zu Theil wurde. Das war kie Kom⸗ mission, welche der Bundesrafth berufen hat, um den Entwurf der Civilprojeßordnung gusjuarbeiten. Sonst bat meines Wissens nach sede derartige Kommiffion, mochte sie auch in weiten Krenn Beifall finden, auf der anderen Seite immer Gegner gehabt, und Diejenigen, welche mit dem Resultat solcher Kommissionsarbeiten nicht zufrieden waren, haben es niemals an dem Ein wande feblen lassen, es habe ja nichts anderes herauskommen können, die Kommission sei ja ad boc nieder- gesegt, um ein von vornherein feststehendes ganz bestimmtes Resultat zu Stande zu bringen. Gerade um diesen Vorwurf abzuschneiden, ist die Regierung dazu übergegangen, den Volkswirthschaftsrath zu errichten, denn bei ihm wird man doch billigerweise nicht sagen kõnnen, daß seine Organisation darauf zugespitzt sei, etwas ad hoe zu Stande zu bringen. Ich will gar nicht darauf das Hauptgewicht legen, daß der überwiegende Theil seiner Mitglieder aus Prãsentations wahlen hervorgegangen ist, ich lege mehr Werth Auf die fünfjährige Periode, für welche der Volks wirth⸗ schaftsrgth' ernannt ist. Denn es kann,. meines Erachtens eine bessere Garantie für die Unakbängigkeit der Meinungen bei den Mitgliedern des Volks wirthfchaftzrathes gar nicht gedacht werden, als die Gewißheit, daß sie 5 Jahre lang in der Lage sind, ihr Mandat auszuüben. Ich will dann ferner darauf binweisen, daß auch noch ein zweiter Grund für die Entschließungen der Regierung maßgebend gewesen ist. Die Spezialkommissicnen konnten naturlich keine Kontinuitat haben, jede neuberufene Kommission mußte ihre Arbeiten ganz von vorn anfangen, die Mitglieder waren, wenn ssie zulämmentraten, zum größten Theile einander fremd; fremder noch standen sich ihre Anschauungen gegenüber, feine Kommission konnte verhandeln ohne einen erheblichen Aufwand ron Zeit und Kraft, um erst einen Boden für den Ge—⸗ dankenaustausch s

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Vom preußischen Volks— wirthschaftsrath erwarte seine Partei Ersprießliches für das Gesammtwohl, wenn auch der Abg. Hänel gesagt habe, daß derselbe auf die wirthschaftlichen Verhälinisse Deutschlands gar keinen Einfluß gehaht habe. Mit demselben Rechte könnte man sagen, der preußische Handels-Minister habe keinen Ein— fluß. auf das Wohl Deutschlands. Gerade dadurch, daß die Regierung das Institut trotz des ablehnenden Votums beim Tabackmonopol wieder fordere, erkenne seine Partei, daß es ihr um ein unparteiisches Urtheil zu thun sei. Lasse man der Regierung also freie Wahl, ob sie eine Enquete anstellen, oder eine permanente Sachverständigenkommission haben wolle. Seine Partei werde den Titel bewilligen.

Der Abg. Dr. Windthorst erklärte, als die Sache zum ersten Male zur Sprache gekommen sei, sei die Stimmung für den Volkswirthschaftsrath noch freundlicher als heute gewesen; das sei begreiflich nach den Erfahrungen, welche man über die Leistungsfaͤhigkeit desselben gesammelt habe, und angesichts der Art und Weise, wie derselbe zusammengewürfelt worden sei. Die Aufgabe des Volkswirthschaftsraths liege überwiegend in der Kompetenz des Reiches, Und wenn ein solches Institut überhaupt möglich und für deutsche Verhältnisse ersprießlich sein solle, müsse es ein deutsches Institut sein. Der Reichstag habe gefunden, daß derselbe eine solche Stütze nicht nöthig habe; bei wiederholter Vorlage würde sich kein anderes Votum er— zielen lassen, dazu seien namentlich die Süddeutschen zu konstitutionell. Es solle gegenüber dem Staatsrath ein kon— kurrirender Volkswirthschaftsrath geschaffen werden. Nun frage er: Wenn der Staatsrath, eine alte Organisation von großer Bedeutung und nicht ohne geschichtliche Unterlage, vor den Schritten dieses Hauses erbleicht sei, was werde dann aus diesem Kinde werden? Wenn die Regierung überhaupt daran denke, nehen den Häusern des Landtages noch einen weiteren Rath zu hören, so bleibe nichts anderes übrig, als den Staats⸗ rath den neuen Verhältnissen angemessen zu reorganisiren. Er wolle nicht sagen, daß er das wünsche, er spreche überhaupt nicht über zulünstige Dinge, man binde sich damit in nicht erfreulicher Weise. Uebrigens möchte er für eine solche Wiederbelebung des Staatsrathes anführen, daß dem Hause dann wohl mehr vorbereitete und besser redigirte Gesetze vor⸗ gelegt würden. Die Wirksamkeit des Volkswirthschaftsraths sei ja nicht ohne einigen Nutzen; aber 16000 6 sei dieser Nutzen jährlich doch nicht werth. Merkwürdiger Weise habe man für die Nützlichkeit des Volkswirthschaftsraths angeführt, daß derselbe gegen das Tabackmonopol opponirt habe, es scheine also, daß man dann am nützlichsten sei, wenn man Opposition mache, und darum sei er heute gegen den Volks⸗ wirthschaftsrath. Außerdem sei die Begründung des Votums der Majorität gegen das Monopol der Art gewesen, daß die Regierung diese Gründe sehr gut für das Monopol hätte anführen können. Er müsse dabei bleiben, daß Alles, was der Volkswirthschaftsrath an Material für die Gesetzgebung geleistet habe, sicherer und besser durch eine von der Regierung ad hoc zusammenberufene Kommission geleistet worden wäre. Der Volkswirthschaftsrath könne eine solche Enquete nicht ersetzen, derselbe umgebe sich mit einem

der Volkswirthschaftsrath sei und bleibe ein nach der Willkür der Regierung beliebig zusammengerufener Körper. Präsentirte Mitglieder, welche unbequem werden rönnten, seien nicht acceptirt worden. Das wichtigste sei aber, der Volkswirthschafts rath sei eine reine Interessenvertretung. Wenn man diese Interessenten mit dem Ninibus parlamentarischer Formen um⸗ gebe, und glauben mache, sie handelten ohne Interesse, so müsse dies sehr schwierige Verhälmisse herbeiführen. Inter⸗ essen würden auch vom Landtage vertreten. Die Vertreter dieser Interessen würden aber vom Volke selbst gewäht, und seien deshalb unabhängig, und es bennde sich im Landtage immer eine Reihe von Elementen, welche den verschiedenen Interesenftrõmungen nicht angehörten und aus den ver⸗ schiedenen Intereffen das richtige Mittel zu ziehen im Stande seien. Der Polkswirthschaftsrath sei aber viel we⸗— niger zusammenberufen, um aus seinen Berathungen Ma⸗ terial für die Gesetgebung zu inden, sondern um eine Reihe von Interessen heraufzubeschwören, und geyxisse Ideen populär zu machen und dann dem Landtage mit einer selchen Autorität entgegenzutreten. Eine königliche Verordnung zur Berufung dieser Institution genüge, so lange kein Geld ge—⸗ fordert werde; jetzt aber, wo das Haus dies bewilligen und die Jnstitution dadurch genehmigen solle, müsse das Saus ver⸗ langen, daß es eine solche Vorlage aich berathen und amen diren könne. Schließlich bedenke man noch, das Herrenhaus sei gar nicht in der Lage, über diese Frage seine Anschauungen geltend zu machen, da es über den Etat im Ganzen ab⸗ stimnmen müsse. Ein solches Präjudiz für das Herrenhaus wolle er nicht schaffen; er werde die geforderte Summe ab⸗ lehnen.

Demnächst nahm der Unter-Staatssekretär Pr. Möller das Wort:

Meine Herren! Das Meiste von demjenigen, was der Hr. Abg. Dr, Windthorst ausgeführt hat, bezieht fich auf Punkte, welcke ich Mn meiner früheren Auseinandersetzung bereits erörtert habe. Ich will

es halb über diese Punkte binweggehen, um Sie durch Wiederholun=

gen nicht zu ermüden. Aber einige Aeußerungen sind in der Rede des Hrn. Abg. Windthorst vorgekommen, welche ich nicht mit Still schweigen übergehen kann.

Der Hr. Abg. Windthorst hat gegen die Bewilligung der Aus⸗ gabe für den Vollewirthschaftsrath eingewendet, das Bestehen diefes Instituts beeinträchtige das Änfehen der Landesvertretung. Meine Herren! Der Bolkewirthschaftsrath ist bereits zu 2 Sessionen ver— sammelt wesen; er bestebt seit dem Norember 1556; Sie haben reichlich Gelegenheit gehabt, sich ein Urtheil darüber zu bilden, ob in der That die Existenz des Volke wirthschaftsraths Ihrem Ansehen zrßendwelchen Abbruch gethan hat. Ich, glaube, außer dein Hrn. Abg. Windtborst wird schwerlich Jemand hier im Hau sein, welcher diese Besorgniß theilt. Denn das Ansehen der Landes vertretung ist o fest begründet, daß die Eristenz einer vermanenten Sachverstãn⸗ digenkommission ihm sicherlich keinen Eintrag thun kann.

Der Herr Abgeordnete hat ferner an dem Volkswirthschaftsrath getadelt, daß er eine Interessen vertretung sei. Meine Herren, dem gegenüber kann ich nur erklären, die Staatsregierung sieht einen Vorzug, des Volkswirthschaftsraths darin, daß er gezen iber den aug Allsemeinen Wahlen hervorgegangenen vpolitischen Körperfchaften eine Interessenvertretung bildet. Denn man darf doch nicht vergessen, zu welckem Zweck der Volke wirthschaftsrath wesentlich gebildet worden ist, nämlich das ist schon bei einer früheren Gelägenheit ausge- sPprochen worden zu dem Zwecke, damit Vertreter derjenigen, auf welche demnächst die wirthschaftlichen Gesetze unmittelbar im prak— tischen Leben angewendet werden sollen, also die Interessenten, auch Gelegenheit erhalten, ein Wort bei der Berathung der Gesetze mit⸗ zusprechen und bei Zeiten ihre Wänsche darüber zu äußern, wie nach ihrer Ansicht das vorliegende wirthschaftliche Gesetz am zweckmäßigsten und so eingerichtet werden kann, daß es ihren Interessen am wenigsten nachtheilig ist.

Ferner hat der Abg. Windthorst ausgeführt, der Volkswirth— schaftsrath babe einen parlamentarischen Nimbus, und das mache ihn dem Landtage gegenüber, wenn nicht gefährlich, so doch bedenklich. Meine Herren! Ich glaube den Volkswirthschaftsrath auch zu kennen und bin seinen Berathungen mit Aufmerkfamkeit gefolgt; aber von diesem parlamentarischen Nimbus habe ich bei aller Aufmerksamkeit nichts entdecken können; ja ich weiß gar nicht, wo er überhaupt her⸗ kommen soll. Der paͤrlamentarische Rimbus des Landtages beruht unter anderm darauf, daß der Landtag ein mitentscheidender Faktor der Gesetzgebung ist. Das ist sein wesentlicher Beruß und einen fo hohen. Beruf hat der Volkswirthschaftsrath in keiner Weise. Zum zweiten beruht der parlamentarische Nimbus auf der Oeffentlichkeit der Landtagsverhandlungen. und die Verhandlungen des Volkswirthschaftsraths sind nicht öffentlich; da findet sich keine Gelegenheit, nach Außen hin einen Nimbus zu erwerben. Heute hat ja die Rede des Hrn. Abg. Dr. Hänel gezeigt, daß der Volkswirthschaftsrath nichts weniger als einen Nimbus in den Augen dieses Herrn verbreitet hat. Der Herr Ab⸗ geordnete hat ihn ja soweit als möglich herabgesetzt.

Endlich, meine Herren, hat der Hr. Abg. Windthorst erklärt, er erkenne das Recht Sr. Majestät, eine Verordnung über den Volks— wirthschaftsrath zu erlassen, an; aber nachdem man nun eine Beld— bewilligung für den Volkswirthschaftsrath verlange, dann nehme er in Anspruch, daß man pari passu die Königliche Verordnung der Landesvertretung zur Berathung und Beschlußfaffung vorlege. Meine. Herren, ich will absichtlich nicht weiter auf diesen Punkt eingehen, aber ich darf darauf aufmerksam machen, daß, wie mir scheint, in ö Anspruch ein Eingriff in das Verordnungsrecht Sr. Maßestät iegt.

von

Die Diskussion wurde geschlossen.

Persönlich bemerkte der Abg. Dr. Windthorst, wenn ihm der Unter-Staatssekretär einen Eingriff in die Prärogative der Krone vorwerfe, so habe der Unter-Staattzsekretär etwas Verkehrtes gesagt, oder ihn mißverstanden. Er lehns die Forderung ab, und habe das begründet; sei das ein Eingriff in die Prärogative der Krone?

In namentlicher Abstimmung wurde darauf die Position mit 177 gegen 165 Stimmen abgelehnt.

Bei Kap. 69, Tit. 7 (Dispofitionsfonds zu Aufwendungen. für gemeinnützige gewerbliche Unternehmungen) wänschte der Abg. Rumpff, die Regierung möge beim Reiche dahin wirken, daß der immer populärer werdende Gedanke einer Kolonial politik endlich verwirklicht werde. Würde heute Seitens der Reichsregierung dieser Gedanke wieder aufgenommen, so würde. sicherlich eine bedeutende Majorität im Neichstagé dafür zu Stande kommen. ;

Der Titel wurde bewilligt; ebenfo der Nest des Ordi⸗ nariums. .

Im Titel des Extraordinariums werden für ein Dampf- schiff bei der Lootsenstation in Tyiessow 140 C09 M gefordert. Der Ahg. Hermes erklärte, er hätte es lieber gesehen, wenn man statt der Anschaffurg dieses Dampfers die Errich⸗ tung einer Lootsenstation auf der Greifswalder Oie beschlossen häte. Der Mangel einer solchen Station habe schon häufig zu Schiffsunfällen Veranle, ssung gegeben.

Ter Titel wurde benoilligt, ebenso der Schluß des Extra- ordinariumt. Damit rar die Tagetordnung erledigt. . „Hierauf vertagte sich das Haus um 4is Uhr auß Mittwoch 111 Uhr.

Nimbus, den derselbe nicht habe, und nicht haben dürfe, denn