die Rheinisch⸗Westfälische Eisenhüttenschule zu Bochum. An die Stelle der dortigen Gewerbeschule sind eine sechsklassige höhere Bürgerschule ohne Latein und die genannte Anstalt getreten, zu den Kosten der Unterhaltung der letzteren trägt der Staat nicht bei; die erstere ist von der Stadt Bochum ins Leben gerufen und der Staat hat sich durch Vertrag vom 1. Oktober 1881 verpflichtet, zu ihrer Unterhaltung einen für die nächsten 12 Jahre vom 1. April 1882 ab auf 14 000 66 jährlich fixirten Beitrag zu leisten. Sie ist bestimmt zur Ausbildung tüchtiger Meister für e, und Maschinenfabriken und enthält zwei aufsteigende Klassen, von denen die untere, vorbereitende, einen halbjährigen Kursus hat, die obere aus zwei Parallelabtheilungen (für Metallurgie und Konstruktion) mit je einjährigem Kursus be— steht. Das die Anstalt verwaltende Kuratorium ist gebildet aus dem ersten Vürgermeister zu Bochum als Vorsitzenden, dem Direktor der Anstalt, zwei von der Staatsregierung, drei von der Stadtverordneten-Versammlung und zwei von dem Vorstande des Vereins Deutscher Eisenhüttenleute gewählten Mitgliedern; alle Wahlen und Anstellungen von Lehrern werden von der nterrichtsverwaltung genehmigt, ebenso der Lehrplan, der Etat und die o ,, aber zur Kenntniß des Unterrichtsministers gebracht. Obgleich das Schulgeld nur 10 ½9 halbjährlich betragen soll, haben doch gegen 70 größere und kleinere Hüttenwerke und Maschinenfabriken in Rheinland und Westfalen und der Bochumer Verein für die nächsten 5 Jahre 10 600 6 jährlich gezeichnet, um das Kuratorium in den Stand zu setzen, bedürftigen Schülern monatlich 20 6 und mehr neben freiem Unterricht zu gewähren. Von 26 Schülern zahlen augenblicklich 6 das volle Schulgeld, 19 beziehen ein Stipendium.
Neuerdings hat sich das Bedürfniß nach der Errichtung von Fachschulen für Dampfschiffmaschinisten als ein besonders dringendes herausgestellt. Durch die Bekannt— machung des Herrn Reichskanzlers vom 30. Juni 1879 (Reichs- Centralblatt S. 427) sind nämlich für die Maschi— nisten auf deutschen See-Dampfschiffen Prüfungen erster, zweiter und dritter Klasse, durch deren Bestehen dem Umfang nach verschiedene Befugnisse, insbesondere hinsichtlich der Aus— dehnung der Fahrten, erworben werden, vorgeschrieben worden. Diese Prüfungen werden vor besonderen Kommissionen in Danzig, Stettin und Flensburg — außerdem in Rostock, Hamburg und Bremen — abgelegt. Bei diesen Prüfungen, insbesondere bei denen der Maschinisten III. Klasse, hat si . eine völlig unzulängliche Vorbildung der 1 Meldenden, welche größtentheils aus dem Stande der Schlossergesellen und Maschinenheizer hervorgehen und keine Gelegenheit gehabt haben, sich durch Privatunterricht die unent— behrliche theoretische Vor⸗ und Fachbildung im Zusammenhange anzueignen, herausgestellt. Dies hat in den betheiligten Kreisen den Wunsch nach Einrichtung von Unterrichtskursen, in welchen die angehenden Maschinisten für Seedampfer sich möglichst rasch und billig auf ihren Beruf und die Prü— fungen theoretisch vorbereiten und auch die für die letzteren nöthigen Kenntnisse, soweit sie in der Volksschule erworben sind, wieder auffrischen und erweitern können, hervorgerufen. Es handelt sich hierbei nicht allein um die Maschinisten III. Klasse, von denen im Jahre 1881 dreiunddreißig und 1882 neunundsechszig, II. Klasse aber 1882 zweiundzwanzig in Preußen zur Prüfung sich gemeldet haben, sondern es ist zu befürchten, daß es der in erfreulicher Zunahme begriffenen großen Dampfschiffrhederei binnen Kurzem an Maschinisten der höheren Grade fehlen wird, wenn diese Wünsche unberück— sichtigt bleiben. Denn das auf Grund des §. 5 jener Be— kanntmachung aus der Zeit vor 1880 übernommene Maschi— nistenpersonal befindet sich in festen Stellen oder ist schoön verbraucht, während die gut gestellten Maschinisten der Kaiserlichen Marine (8. 6 ibid.) nur sehr selten zur Handels— marine übertreten und die Zulassung zu den Prüfunger II. und JI. Klasse durch die nicht unerheblichen Anforderungen, besonders der letzteren, und den Mangel an Gelegenheit zu einer geeigneten Vorbereitung für dieselbe noch sehr erschwert wird. Da es in hohem Grade zu beklagen sein würde, wenn der in unserer Handelsflotte sich jetzt beschleunigende Ersatz der Segelkraft durch den Dampf durch den Mangel an be— fähigten Maschinisten der höheren Grade gehemmt werden sollte, hat auch der Herr Minister für Handel und Gewerbe die auf die Errichtung von Fachschulen abzielenden Wünsche der betheiligten Kreise, denen die Handelskammer zu Flens— burg und die Neue Dampferkompagnie zu Stettin Ausdruck gegeben haben, zu den seinigen gemacht und darauf hinge— wiesen, daß die zu errichtenden Schulen nicht blos bestimmt sein müßten, für die Prüfungen III. und II. Grades vorzu— bereiten, da der Umstand, daß Maschinistenprüfungen J. Klasse bei den preußischen Prüfungskommissionen bisher nur zwei im Jahre 1882 abgelegt sind, nicht zur Annahme berechtige, daß kein Bedürfniß vorliege, den jungen Leuten Gelegenheit zu bieten, um sich auf die letzte Prüfung vorzubereiten, sondern eher das Gegentheil, wenn man die Schwiegkeit der— selben berücksichtige. In Hamburg hat der Staat bereits einen dreiklassigen, gleich im ersten Winter von 16 Schülern besuchten Tagesunterricht für Seedampfmaschinisten an der großen allgemeinen Gewerbeschule, an welcher Kurse für viele verschiedene technische Fächer bestehen, eingerichtet. Die jungen Maschinisten, welche sich der ö Schule zuwenden, ver— bleiben indeß der dortigen Rhederei. Die rasche Befriedigung, welche dem in Hamburg ebensogut wie in Preußen empfundenen Bedürfniß dort zu Theil geworden ist, kommt daher der preußischen Rhederei nicht oder fast garnicht zu Gute. Die Unterrichtsverwaltung hat sich nicht verhehlt, daß zwei Schulen mit ganztägigem Unterricht in Flensburg und Stettin, den beiden Seeplätzen, welche die größte Dampfschiffrhederei und Werften für Dampfer besitzen, erforderlich sind, und den Zu— schuß, welchen jede derselben bei einer Frequenz von ca. 25 Schülern bedürfen wird, auf ca. 8000 (6 jährlich ermittelt. Die einmaligen Ausgaben für die erste Ausstattung mit den nöthigen Lehrmitteln und Apparaten werden ca. 6060 „S für jede Anstalt betragen. Leider hat die allgemeine Lage der Staatsfinanzen nicht gestattet, die Errichtung der Schulen für das nächste Etatsjahr in Aussicht zu nehmen, und es ist daher auch mit den Städten Stettin und Flensburg über die Leistung eines Beitrages zu den Kosten nicht verhandelt worden, da die Unterrichtsverwaltung nicht in der Lage ist, ihrerseits die Durchführung des Projekts zusagen zu können. Es wird nicht möglich sein, die Kosten durch Verbindung des Unterrichts für Maschinisten mit dem an den Navigationsschulen zu vermindern, da die letzteren ausschließlich für die Ausbildung von Schiffs offizieren in der Steuermannskunst und Navigation bestimmt sind und dadurch völlig in Anspruch genommen werden.
Vaterlãndischer Frauen ⸗ Verein.
Nach Allerhöchster Bestimmung Ihrer Majestät der Kaiserin
und Königin findet die diesjährige Generalversammlung des Vaterländischen Frauen ⸗Vereins am ; Mittwoch, den 4. April d. J., Abends 6g Uhr, im Saale des Ministeriums für Landwirthschaft, Domänen und Forsten hierselbst, Leipzigerplatz Nr. 8, statt, wozu wir die Mit- 1 des Hauptvereins und der Zweigvereine hierdurch freundlichst einladen.
Zugleich bemerken wir, daß nach 55. 5 und 6 des Vereinsftatuts zur Aufnahme in den Verein als ordentliche Mitglieder unbe⸗ scholtene Trauen und Jungfrauen ohne Unterschied des Glau- bens und Standes befähigt sind, welche für die Dauer ihrer Mitglied- schaft sich verpflichten, einen Beitrag von monatlich mindestens 50 3 zur Vereinskasse zu zahlen und weibliche Handarbeiten für die Zwecke des Vereins unentgeltlich auszuführen oder sonst für den Verein nach Maßgabe der Umstände thätig zu sein.
Außerordentliches Mitglied des Vereins wird ein Jeder, der einen regelmäßigen Geldbeitrag zur Vereinskasse zu zahlen sich verpflichtet.
Etwaige Gesuche um Aufnahme in den Verein mit Angabe des zu zahlenden Geldbeitrages bitten wir an unser Bureau, Wilhelm straße 73, hierselbst zu richten.
Der Vorstand des Vaterländischen Frauen⸗Vereins.
Charlotte Gräfin von Itzenplitz. 2 Im Kunstgewerbe-Museum ist seit gestern wieder eine Ausstellung neuer Arbeiten der Königlichen
Porzellanmanufaktur eröffnet. Dieselbe zeigt höchst erfreuliche Fortschritte sowohl in der künstlerischen Behandlung als auch in der Irn terung der Technik Der von dem kommissarischen Direktor, Geheimrath Lüders verfaßte Bericht, welcher unentgeltlich verab— folgt wird, giebt ausführliche Nachricht über die neu gewonnenen Farben. Die Chemiker und Techniker der Manufaktur Dr. Sarnow und Dr. Heinecke, und der Versuchsanstalt Dr. Seger und Stein haben Glasuren von herrlicher Leuchtkraft geschaffen; das tiefe Roth des alten chinesischen Porzellans, und das zarte Rose Dubarrꝝ) des alten Sarres wird mit vollkommener Sicherheit hergestellt, das Zerlaufen und Ge— rinnen verschiedenartiger Glasuren zu überraschenden Wirkungen ge— staltet. Der artistische Direktor Professor Sußmann-⸗Hellborn hat die Malerei in kürzester Zeit wieder zu der Höhe der besten Periode der alten Manufaktur erhoben und eine erhebliche Anzahl neuer vor— züglicher Dekorationen geschaffen.
Zu gleicher Zeit sind die Arbeiten der keramischen Fach— schule in Grenzhausen ⸗˖Höhr (bei Coblenz) ausgestellt, Stein⸗ zeugkrüge und Geräthe, in denen sich sehr erfreuliche Fortschritte gel⸗ tend machen.
Die Berliner Stadtmisꝗsion feierte gestern Abend im Dom ihr diesjähriges Jahresfest. Die Festpredigt, die sich an Ebräer 10, 36 anschloß, bielt der geistliche Inspektor der Stadtmission, Pastor Schlegel; den Bericht, dem als Text der Schmerzensschrei des ge— kreuzigten Jesus: „mich dürstet“ zu Grunde lag, hatte Hofprediger Stöcker übernommen. Das Werk der Berliner Stadtmission hat, wie er hervorhob, im abgelaufenen Jahre einen ruhigen Fortgang ge— nommen; es ist auf alter Höhe stehen geblieben, aber es ist eben stehen ge⸗ blieben, ohne weiter zu wachsen. Die Zahl der Besuche ist ungefähr die gleiche gewesen, 61 167 gegen 61 300 im Jahre vorher; mit 26 675 Familien steht die Stadtmission in dauerndem seelsorgerlichen Verhältniß; 35 9090. Familien sind neu aufgesucht worden. Gerade dieses per sönliche Aufsuchen ist der Boden, auf dem die Stadtmission ihre besten Früchte erntet. Im Weiteren hat sie durch Veranstaltung von Bibelstunden und Kindergottesdienst, durch Unterstützung der Jünglingsvereins- Thätigkeit, durch Unterhaltung von Flick- und Nähschulen, vor Allem aber durch Schriftenverbreitung zu wirken gesucht; in einer einzigen Gemeinde sind 26 842 heilige Schriften, Trakiate und Predigten vertheilt worden. Etwa 150 Mal haben die Stadtmissionare auch die nach Amerika Auswandernden auf den Bahnhöfen aufgesucht. Ein Zweig der Thätigkeit, der im vergange— nen Jahre besonders reich aufgeblüht ist, ist die Gefangenenpflege. 3 Asyle und 3 Arbeitsstätten sind bereits für die Entlassenen er— richtet worden. Die auf Erwerbung eines eigenen Stadtmissions⸗ hauses gerichteten Bestrebungen sind von bestem Erfolg begleitet ge⸗ wesen. In Folge des kürzlich erlassenen Aufrufs sind bereits 20 000 M, gesammelt worden. Die Einnahmen der Stadtmission selbst belaufen sich auf 61 000 M; sie ermöglichten es, daß man ohne Schulden aus dem alten in das neue Jahr eintreten konnte. Wesentlich unterstützt wurde das Werk der Berliner Stadtmission auch im verflossenen Jahre durch die Mithülfe der Vereine in den Provinzen.
Der Gesellschaft für Erdkunde, die am Sonnabend im Festsaal des Architektenhauses tagte, lag eine Reihe interessanter Nach⸗ richten vor. Lieutenant Wißmann hat, nachdem er in Kairo vor der dortigen geographischen Gesellschaft einen beifallsreichen Vortrag über seine denkwürdige Reise gehalten, sich in der ersten Hälfte des Ja— nuars nach Arabien begeben, um, einem Wunsche Sr. König— lichen Hoheit des Prinzen Friedrich Carl nachkommend, diesen bei seiner Sinaibesteigung zu begleiten. Die dadurch be—⸗ wirkte Verzögerung der Rückkehr war dem erfolggekrönten Reisenden, dessen Brust der Khedive mit dem Medschidjeh-Orden geschmückt hat, um so lieber, als er von einem gar zu schnellen Klima⸗ wechsel Gefahren für seine Gesundheit befürchtete. Sobald der Rei⸗ sende hierher zurückgekehrt, wird die Gesellschaft zu einer Exira— sitzung zusammentreten, um seinen Bericht entgegenzunehmen. Wißmann hofft, auch dem Geographentag beiwohnen zu können. Von dem in Ostafrika weilenden Dr. Stecker, der, seinen letzten vom Februar v. J. datirten Nachrichten zufolge, von Abessinien aus über Käba nach dem Samburusee vordringen wollte, ist eine indirekte Funde nach Europa gelangt. Wie nämlich der französische Reisende Paul Sauléllier an die Pariser Gesellschaft ge⸗
meldet hat, ist er im November v. J. mit Strecker in Schoa. zusammengetroffen. Diese Thatsache läßt es frei⸗ lich nur um so wunderbarer erscheinen, daß von den
Reisenden selbst noch keine Nachricht hierher gelangt ist. — Die Zahl Derer, die der Erforschung des Nordpols ihre Kräfte zu widmen ge— denken, wird in nächster Zeit durch einen jungen Berliner Gelehrten, den Dr. phil. Boas, vermehrt werden, der beabsichtigt, im Juni d. J. mit dem Schooner „Germania“, welcher die Mitglieder der deutschen Station vom Cumberlandsund abzuholen bestimmt ist, dorthin auf— zubrechen. Er will etwa 2 Jahre im nordwestlichen Inselarchipel Amerikas zubringen. — Dem verstorbenen Dr. Kaiser, dem Leiter der deutschen Station am Tanganjikasee, widmete der Vorsitzende, Freiherr von Schleinitz, einen sein Wirken voll anerkennenden Nachruf. — Den Hauptvortrag des Abends hielt Hr. Dr. Uhle vom Eihnogra— phischen Museum in Dresden über die Gottheit Batara Gusu, welche die Malayen verehren.
Stettin, 5. März. (W. T. B.) Auf der Schiffswerft und Maschinenbauanstalt des Vulkan“ zu Bredow brach in der vergangenen Nacht eine Feuersbrunst aus, die mehrere große Baulichkeiten des Oberhofes, in welchen sich auch Modelle be— fanden, in Asche legte. Das Feuer ist heute Morgen gelöscht worden. Ueber den angerichteten Schaden und die Betheiligung der Versiche⸗
kannt; im Betriebe der Schiffswerft ist durch die Feuersbrunst keinerlei Störung eingetreten.
— 5. März. (W. T. B.) Der durch die Feuersbrun st auf der Werft des „Vulean“ perursachte Schaden beträgt ea. eine ,, , es sind dabei im Ganzen 23 Feuerversicherungs⸗Anstalten etheiligt.
Der soeben erschienene „Sta tistische Rückblick auf die Königlichen Theater zu Berlin, Hannover, Cassel und
rungsgesellschaften an dem Feuerschaden ist Näheres noch nicht be⸗
General · Intendantur, die Königliche Bühne auf der Höhe der Kun zu erbalten, ein rühmliches Zeugniß ab. hab tt
In den Königlichen Theatern zu Berlin wurden im verflessenen Jahre 536 Vorstellungen gegeben, 8 vom Schauspiel, 206 von der Oper, 19 vom Ballet und 33 gemischte Vorstellungen, außerdem 4 Matineen; im Opernhause 254 Vorstellungen, unter diesen 2 den Abend füllende Schauspiele, im Schauspielhause 282, darunter 6 den Abend füllende Opern. An verschiedenen Stücken kamen 90 zur Dar⸗ stellung, an verschiedenen Opern 38, an verschiedenen Ballets, Diver⸗ tissements und Solotänzen 19. Zum ersten Male wurden 16 Stücke mit zusammen 33 Akten und 3 Gpern aufgeführt. Unter den Schau= spielen waren Kriemhild von Wilbrandt, Strohhalm von Hedberg. Hareld und Opfer um Opfer von G. von Wildenbruch, Fräulein Kommerzienrath von Michael Klapp; unter den Opern: Alfonso und Estrella von Fr. Schubert, der betrogene Kadi von Gluck. Raimondin von Perfall. Neu ein— studirt wurden 8 Stücke, 3 Opern und 1 Divertissement. Unter den Gästen, die in der Oper erschienen, sind Hr. Niemann (50 Gastrollemn), Frl. Tagliana (32 r fir. von Wurzbach⸗Grossi (7 Gast⸗ rollen) und Fr. Lucca (6 Gastrollen) hervorzuheben, unter den ausge⸗ schiedenen Sängerinnen Frl. Brandt und Fr. Mallinger. Von den Schauspielen erzielten die häufigsten Aufführungen die Geier-Wally, von Hillern (18), Harold, von Wildenbruch 12, der Sommernachts⸗ traum und Kriemhild, von Wilbrandt je 10; von Opern: Carmen (22) und Lohengrin; von Ballets: Coppelia. Klassische Schauspiele gelangten Al mal Shakespeare 25, Schiller 21, Lessing 10, Goethe 9, Kleist 3, Sophokles 2. Moreto I), klafsische Bpern 67 mal (Mozart 28, Gluck 16, Auber 14, Beethoven 6, Spontini 2, Cherubini I) zur Darstellung.
Am 13. Januar wurden die Räuber‘, zur Erinnerung an die erste Aufführung dieses Trauerspielz auf der Nationalbühne in Mannheim am 13. Januar 1782, mit einem Prolog von J. Wolff, dargestelltt.
Im Königlichen Opernhause fanden vier Benefiz Matinéen statt: am 8. Januar für die bei dem Brande des Ring ⸗Theaters in Wien Geschädigten; am 19. März für das St. Josef ⸗Krankenhaus in Pots— dam; am 21. Mai für die Unterstützungskasse des Vereins Berliner er. . am 17. Dezember für das engagirte Königliche Opernchor⸗
ersonal.
Am 30. Mai veranstaltete die Königliche General-Intendantur eine Vorstellung zum Vortheile der Pensionsanstalt der, Genossenschaft deutscher Bühnenangehöriger.
Das Schauspiel „Die Grille von Charl. Birch-Pfeiffer wurde am 30. Oktober zum 100. Male, die Oper ‚Tannhäuser? von Wagner am 16. September zum 200. Male und das Ballet (Flick und Flock von Paul Taglioni am 30. Dezember zum 409. Male aufgeführt.
W bereits angekündigte Vorstellungen mußten abgeändert werden
(17 Opern, 10 Schauspiele; 14 Vorstellungen am Tage vorher, 13 an demselben Tage). In dem Königlichen Theater zu Hannover wurden 215 Vor⸗ stellungen gegeben: 56 Trauer und Schauspiele, 104 Opern und 5 Lustspiele, Possen mit Gesang und Vaudevilles. An verschiedenen Trauer und Schauspielen kamen 28 zur Aufführung, an verschiedenen Opern 42, an verschiedenen Lustspielen ze. 36, an verfchiedenen Ballets 6. Zum ersten Male wurden 10 Stücke mit zusammen 40 Akten, 3 Orern und 1 Ballet aufgeführt, neu einstudirt wurden 2 Stücke, 2 Opern und 2 Gesangspossen. Es erzielten die meisten Auffüͤh⸗ rungen: von Schauspielen:; Wildenbruchs Menonit (7) und Harold (6); von Opern: Carmen (8 und Figaros Hochzeit (6); von Ballets die Tänzerin auf Reisen (4. Von Vaudevilles u. dgl. wurde keins mehr als zweimal aufgeführt. Vorstellungen klassischer Werke fanden 53 statt, und zwar 277 Schauspiele (10 Schiller, 8 Shakespeare, 4 Kleist. 3 Lessing, 1 Goethe, 1 Moreto) und 26 Opern (13 Mozart, 5 Beethoven, 4 Gluck, 3 Weber, 1 Mehul). Fünfmal wurden Wohl⸗ thätigkeitsvorstellungen gegeben. 20 bereits angekündigte Vorstel⸗ lungen mußten abgeändert werden.
In Cassel wurde an 245 Abenden gespielt (97 Schau⸗ und Lustspiele, 100 Opern, 26 Schwänke, Possen, Volksstücke und Zauber⸗ märchen, 22 gemischte Vorstellungen) An verschiedenen Stücken ge⸗ langten 9g9, an verschiedenen Opern 40 zur Darstellung. Zum ersten Male kamen 6 Stücke mit zusammen 23 Akten, 3 Opern, 1 Genre⸗ bild, 1 Posse, 1 Schwank, 1 Singspiel und dramatisches Gedicht zur Aufführung; neu einstudirt wurden 16 Schau- und Lustspiele, 2 Opern, 1 Schauspiel mit Gesang, 1 Zaubermärchen, 2 Schwänke, 1 Posse und 1 Operette, Im Schauspiel brachten Gaßmanns und Krügers Inspektor Bräsig, Mosers und Schönthans Krieg im Frieden und Wilbrandts Robert Kerr es zu 4 Aufführungen, in der Over Carmen zu 7, Mignon zu 6, in der Posse zc. Reif ⸗Reiflingen zu 5 Auf— führungen. Von klassischen Werken wurden öß dargestellt, und zwar 39 Schauspiele (12 Schiller, 12 Shakespeare, 5 Goethe, 4 Molisre, 3 Lessing. 1 Kleist, 1 Moreto, 1 Sophokles) und 17 Opern (8 Mo⸗ zart, 5 Weber, 2 Gluck, 1 Cherubini, 1 Mehul). An Wohlthätig— keitsvorstellungen fanden 5, an Wohlthätigkeitsconcerten 6 statt. Zum 100. Male wurden die Opern Tannhäuser, Fra Diavolo und Martha aufgeführt. 14 bereits angekündigte Vorstellungen mußten abgeändert werden.
Auf der Königlichen Bühne zu Wiesbaden wurden 216 Vor— stellungen gegeben und zwar 114 Schauspiele, 111 Opern und 21 gemischte Vorstellungen. An verschiedenen Stücken kamen 92, an verschiedenen Opern 37, an verschiedenen Ballets 19 zur Darstellung. Zum ersten Male wurden 17 Stücke (56 Akte), 1 Oper und 1Ballet aufgeführt, neu einstudirt 5 Stücke, 6 Opern und 2 Ballets. Im Schauspiel erlangten die Lustspiele Krieg im Frieden und Jourfix die meisten Aufführungen (6 bezw. 5), von den Schwänken Reif⸗-Reiflingen (9), in der Oper Carmen (6). Klassische Werke wurden im Ganzen 44 Mal aufgeführt, und zwar 25 Schauspiele (. Schiller, 6 Shake⸗ speare, 3 Goethe, 3 Molière, 2 Byron, 1 Lessing, 1 Kleist, 1 Calderon, 1 Moreto) und 19 Opern (8 Mozart, 5 Weber, 4 Beethoven, 1 Gluck, 1Mehul). An Woblthätigkeitsvorstellungen fanden 6 statt. 13 be⸗ reits angekündigte Vorstellungen mußten abgeändert werden.
Um dem heimgegangenen Altmeister des Zitherspiels Max Albert in würdiges Grabdenkmal setzen zu können, hatten sich die hier be⸗ stehenden Vereine „Berliner Zitherklub“ und Zitherklub „Harmonie“ vereinigt und gestern Mittag im Saale des Concert⸗ hauses eine Matin veranstaltet, die sich des lebhaftesten Besuches zu erfreuen hatte. In pietätvoller Anerkennung der Verdienste des Heimge⸗ gangenen hatte man das Programm meist aus Piecen zusammengestellt, die von Max Albert für Zither arrangirt waren. Wir hörten so das von 20Schlagzithern ausgeführte Vorspiel aus, König Manfred“ vonReinecke, den Hochzeitsmarsch aus dem „ Sommernachtstraum“, den 22 Schlag“ und Streichzithern zur besten Wirkung brachten, Beethovens Adagio aus Op. 81 b. für Discant- und Alt-Zither gesetzt und den von einer Streich⸗ und zwei Schlagzithern ausgefübrten Nachgesang von J.
Vogt. Als Solisten präsentirten sich auf der Streichzither Hr. Nikkel mit
einem „ Nocturno“ von Field, auf der Alt Zither Hr. Conrad mit Schu⸗ berts ‚„Am Meer“ und der Dirigent der Matinée und geistige Nach⸗ folger Alberts, Hr. Gustav Herrmann, der u. A. die Begleitung zu Pughs Melodram „Tannkönig“ ausführte. Die Mitwirkung der Sängerin Frau Meinhold-Henneberg, des Cellisten Hrn. Schmidt und des Schauspielers Hrn. Becker erhöhten den Genuß der Matinée.
Redacteur: Riedel.
Verlag der Expedition (Kessel). Druck: W. Elsner. Fünf Beilagen leinschließlich Börsen⸗Beilage), (275)
außerdem die Ziehungsliste der L. Serie der Uimer Münsterban ˖ Lotterie.
Berlin:
(Fortse zung folgt)
Wiesbaden im Jahre 1882“ legt wiederum für das Streben der
Recht sagen:
Erste Beilage
zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.
M 55.
Berlin, Montag, den 5. März
1883.
Aichtamtlich es.
reußen. Berlin, 5. März. Im weiteren Ver⸗ a. h. vorgestrigen (40) Sitzung des Hauses per Abgeordneten trat das Haus in die dritte Berathung bes Gefetzentwurfs, betreffend die Aufhebung der beiden untersten Stufen der Klassensteuer, ein.
In der Generaldiskussion bemerkte der Abg. Lohren, er sei kein Gegner des direkten Steuersystems an sich, aber einer Personalstener, die wenig einbringe, und die ärmeren Klassen belaste. Er sei für eine hohe Kapitalsteuer. Der Abg. Wagner habe nun in der zweiten Lesung Grundsätze vertreten, welche sich mit denen des Freihandels decken, und von der Linken mit Jubel begrüßt seien. Er wisse nicht, ob die Deꝛutschkonserva⸗ wven für die Anichauungen Wagners eintreten würden, die Mehrheit seiner Partei theile sie nicht. Der Abg. Wagner habe gemeint, daß die indirekten Steuern nach unten progressiv auf den Preis der Konsumtibilien wirkten, und daß sie deshalb durch eine starke Progression der diretten Personalsteuer ausge⸗ alichen werden müßten. Könnten da nicht die Liberalen mit lieber den Erlaß an indirekten als an direlten Stenern. Er zweifle nicht, daß die Ausführungen Wagners in dieser Richtung von den Liberalen, namentlich vom Abg. Meyer (Breslau) im Reichstage würden ausgebeutet werden. Er behaupte dem Abg. Wagner gegenüber: es sei vollständig unwahr, daß die Zölle auf die Preise der nothwendigen Lebensmittel wirken. Er konstatire vor dem Lande, und das Tand werde in diesem Punkte auf seiner Seite stehen, daß die Steuern auf Getreide und Mehl nicht das Volk bedrückten. und daß die Lage der Arbeiter seit 1679 sich nicht verschlech⸗ tert habe. Die Zölle drückten nicht den Arbeiter, sondern den
Arbeitgeber. Die Industriellen wüßten sehr wohl, daß, wenn? das Brot theurer würde, sie die Löhne erhöhen müßten. Daher die Opposition der In⸗
dustriellen gegen die Landwirthschastszölle. Die indirekten Steuern seien nicht so hart wie die direkten, welche aus Er⸗ sparnissen, die die Mehrzahl der Arbeiter nicht mache, an be⸗ stimmten Terminen gezahlt werden müßten. Daher die Norh und der Exekutor. Der Abg. Wagner habe die Bismarcksche Jieform angegriffen. Er erinnere denselben daran, daß Furst Bismarck die direkten Steuern womöglich ahschaffen und sie nur bei den höheren Klassen als eine gewisse Anstandssteuer beibehalten wolle. Der Abg. Wagner habe dann gemeint, in⸗ dem derselbe für den Antrag Hammerstein eingetreten sei, daß die Konfervativen ja die schärfere Heranziehung des Eintom⸗ mens nicht nur mit Worten, sondern auch durch die That sördern wollten und bereit seien, höhere Steuern auf den Altar des Vaterlandes niederzulegen. Was komme denn nun wirklich bei dem Antraze Hammersteins heraus? Zusammen ein Mehrertrag von 3 879 203 6. Damit löl man auch nicht einen Zipfel der sozialen Frage. Was, sei das im Vergleich mit. der Steuerpolitik des Reichs⸗ kanzlers, der durch seine Steuerresorm eine gewaltige Steigerung des Einkommens aus den Arbeitslöhnen herbei⸗ geführt habe. Wenn er für diejenigen Censiten, welche weniger als 420 6 Einkommen haben, einen Mehr verdient von 20 J pro Woche annehme, so mache dies jährlich 41 357 555 M6; bei den 3741 618 Personen, welche ein Ein⸗ kommen von 420 bis 900 S6 haben, bei 40 8 wöchemlichen Mehrverdienstes jährlich 77 825 654 6 Das sei zusammen eine Mehreinnahme von etwa 120 Millionen. (Abg. von Hammerstein: Woher kommen denn diese Summen?) Diese Summen kommen aus dem unversiegbaren Quell der Arbeit. Den Satz, daß die indirekten Steuern nach unten hin drücken, spreche der Ahg. Wagner zu einer Zeit aus, wo alle Industriezweige blühen. Die indirelten Steuern nähmen nicht den Reichen, um den Armen zu geben, sondern sie schafften selbst Mittel aus dem unerschöpflichen Born des Fleißes und der Arbeit. Sie bereicherten nicht blos die Ar⸗ beiter, sondern auch die Arbeitgeber, sie seien deshalb das beste Mittel, die sozialen Gegensaͤtze auszusöhnen. Die direkten Steuern dagegen müßten dem einen nehmen, um dem andern zu geben, sie erregten den Massen- und Klassenhaß. Die Worte Wagners seien die äußerste Konsequenz des liberalen Steuer— systems. Der Abg. von Bennigsen habe seine Freude ausge⸗ drückt, daß die Konservativen so energisch für die Beibehaltung und schärfere Einschätzung der klasfifizirten Einkommensteuer einträten. Wie Fronie habe es geklungen, die Liberalen würden gern auf das Verdienst der Priorität verzichten und den Konservativen die Ausarbeitung der Reform der Klassensteuer überlassen. Er möchte den Abg. Wagner fragen, ob diese liberale Zustimmung denselben doch nicht etwas stutzig mache. Sowie es einen geistlichen Inqui⸗ sitor gebe, der das Messelesen und Spenden der Sakramente kontrolire, so wolle man auch einen Inquisitor der einzelnen Häuser einführen, der kontrolire, was man ein— nehme und ausgebe, was man esse und trinke, welcher alles profanire, was dem Manne bis jetzt heilig, und theuer in seinem Hause gewesen sei. Wer das Wort richtig würdige my house js my castle, werde ihm Recht geben. Ver Abg. Wagner nenne diese seine Bestrebungen Staatssozialismus, er nenne es unerträgliche Staatstyrannei, Unterdrückung der perfönlichen Freiheit, Verletzung des Rechts bewußtseins, Zer⸗ störung des muthigen Schaffens. Woher nun diese Ueberein⸗ stimmung zwischen den Abgg. Wagner und von ennigsen? Dafür habe der Abg. Rickert eine vorzügliche Erklärung ge⸗ geben, wenn derselbe gesagt habe, alle Parteien des Hauses hätten das gemeinsame Interesse an der Er— haltung des direkten Steuersystemz., das sich an das staatliche Pflichtbewußtfein der Bevölkerung wende. In der That könne er sich keinen Organismus denken, welcher eine bessere parlamentarische Handhabe gebe, als das direkte Steuerfystem Es gebe nicht blos eine Macht bei der Be⸗ rathung der Ausgaben, sondern auch der Einnahmen. Der Abg. Rickert habe nicht Recht, wenn derselbe sage, die
teuerfrage sel keine Machtfrage. Wie der Abg. Wagner dazu komme, diefen liberalen Parlamentarismus in das konservative Lager herüberzunehmen, verstehe er nicht. Nur wer eine schwache Regierung wolle, werde die Bewilligung der Einnahmen dem Parlament übertragen wissen wollen,
der thue gut alles daran zu setzen für die Erhaltung und Verschärfung des direkten Steuersystems. Für ein Parlament gebe es keine besseren Bundesgenossen, als die unzufriedenen Leute. Jeder Vorschlag, welcher neue Mittel an die Hand gebe, diese Unzufriedenheit mit dem Sieuerfiskus zu steigern, könne den oppositionellen Par— teien des parlamentarischen Regimes nur erwünscht sein. Da⸗ her die berechtigte Zustimmung auf der Linken, daher auch der Wunsch des Abg. Rickert auf Deklarationspflicht, damit die unteren Klassen erführen, was die besser Situirten einnehmen. Solche sozialistischen Rezepte könnten nicht zur Festigung des sozialen Friedens dienen. Es sei unbegreiflich, daß gerade Konservative die unteren Klassen unzufrieden machen wollten. Seige Partei wolle bei der nachsten Dreiklassenwahl sehen, wohin sich die Mehrzahl der Wahler hingezogen fühle. Die projektirte Art der ver chärften Einschatzung sei nicht durchführ— bar, ohne zu dem schlimmsten System des Denunziantenthums und der Verheimlichung zu kommen. Er stimme in dieser Be— ziehung vollkommen dem Abg. Hänel bei, der die Wirkung der Dꝛklaration pflicht eine emoralisirende genannt habe. Der Steuer zahler möge sich so hoch schätzen wie er wolle, die Einschatzungs— Kommission werde sagen: gelogen habe derselbe doch. Der Steuerinquisito sei viel schlimmer als der Steuerexekutor. Es sei nicht so schlimm, zum Bettler gemacht zu werden, als von Staatswegen zum Betrüger Und was käme denn her— aus, wenn man von der 9. Stuse ab die Einkommensteuer sosar verdoppelte? 15 Millionen! Und für diese kleine Sun me solle man die persönliche Freiheit verkaufen? Das Kapual wolle er treffen, nicht die Person. Wolle man ein wirksames Mittel, so erhöhe man die Erbschasttssteuer etwa um das Zehnfache. England beziehe aus dieser Steuer 140 Millionen, Preußen nur 5 Millionen. Dann führe man eine Börsen— steuer ein nicht jür Zeitgeschäfte, sondern eine prozentuale Börsensteuer für alle Umsätze. Dis seien Steuergrundsatze, welche die moralische Freiheit und allgemeinen Menschenrechie nicht verletzten. Er sei wohl für einen Steuererlaß, aber nicht für die verschärfte Einkommansteuer. Der Abg. Dr. Wagner erklärte, er müsse zunächst seine Verwunderung aussprechen, daß er heute von dem Vorredner angegriffen sei als Vertreter liberaler Wirthschafts und Finanzprinzipien, während ihm sonst vorgeworfen werde, er sei ein Vertreter sozialistischer Prinzipien. Beides sei unrich— tig. Er stehe der Auffassung des Vorredners bei den indirek— ten Steuern sehr nahe. Der Vorredner habe gegen ihn pole— misirt aus dem Gesichtspunkt der indirekten Schutzzollabgaben, während er nur von denjenigen indirekten Steuern gesprochen
habe, bie einen finanziellen Charakter hätten, wie die Getränkesteuer und die auf Kolonialwaaren u.. dergl. Darin stimme er der liberalen Auffassung bei. Es sei dies nicht liberal oder konservativ, sondern stimme überein mit den Ansichten der Wissen—
schaft und Praxis. Es sei ihm nicht im Traum eingefallen, gegen die Politik des Fürsten Bismarck von 1879 zu sprechen, wenn er auch glaube, daß sie in einigen Jahren einen wirth— schaftlichen Rückschritt erfahren werde. Er sei segar für die Getreidezölle eingetreten, weil er sie nicht für Finanz- sondern sür Schutzzölle halte. Er sei von dem Vorredner darin nicht widerlegt worden, daß zur richtigen Gestaltung des indirekten
Steuersystems auch die wohlhabenden Klassen heran⸗ gezogen werden müßten. Kein moderner Staat, könne die direkten Steuern ganz entbehren. Man müsse sie
in Preußen festhalten als Rückgrat in schweren politischen Krisen. Die indirekten Steuern träfen aber den Wohlhaben⸗ den über einen gewissen Punkt seuies Wohlstandes hinaus nicht mehr, daher wolle er die starkere Heranziehung der Wohlhabenden zur direkten Steuer. Bestreiten müsse er, daß die indirekten Steuern auf den Arbeitgeber abgewälzt würden,; Das gehe wohl bei Dienstboten u. s. w., aber nicht bei städtischen und industriellen Arbeitern. Der Lohn hänge ab von Angebot und Nachfrage. Nur so könne eine Erhöhung der Löhne eintreten. Auf ein solches Mittel sei aber nicht zu rechnen, und deshalb habe der Arbeiter nicht die Gelegenheit die Steuer auf Andere zu wälzen. Auf das sozialistische Prinzip gehe er hier nicht ein. Müsse sich doch selbst der Abg. Rickert gefallen lassen, des Sozialismus angeklagt zu werden, weil der— selbe für direkte Steuern sei. Der Abg. Lohren sehe: „heute mir, morgen dir“; das könne allen passiren.
Die Generaldiskussion wurde geschlossen. ö.
Der Abg. Dr. Meyer (Breslau) bemerkte persönlich, der Abg. Lohren dürfe versichert sein, daß, wenn er das Bedürf⸗ niß empfinden sollte, sich im Reichstage auf Autoritäten von der rechten Seiten zu berufen, er sich nicht nur Wagners, fondern auch seiner Rede (des Abg. Lohren) mit Dankbarkeit und Freundlichkeit erinnern werde. .
In der Spezialdebatte kam es zu einer Debatte nur bei 8. 2, welcher bestimmt, daß die Wohlthat des 8. 20 des Ge⸗ setzes vom 25. Mai 1873, wonach in Krankheitsfällen und bei starker Familie die Censiten der ersten und zweiten Ein⸗ kommensteuerstufe um eine Stufe niedriger besteuert werden, als sie veranlagt sind, bis einschließlich der fünften Stufe der Einkommensteuer Anwendung finden soll.
Die Abgg. Dr. von Heydebrand und der Lasa und Frhr. von Zedlitz und Neukirch konstatirten unter Zustimmung des Regierungskommissars General⸗Direktors der indirekten Steuern Burghart, daß der 8. B von dem Augenblicke an, wo das Ge⸗ setz Gesetzeskraft bekomme, auf alle Atte der dies jährigen Ver⸗ anlagung, die noch nicht abgeschlossen seien, Anwendung fin⸗ den müsse.
Die übrigen Paragraphen des Gesetzes wurden ohne Diskussion angenommen und darauf das Gesetz im Ganzen.
Das Haus fuhr darauf in der zweiten Berathung des Sta atshaushalts-Etats pro 1883 84 fort und ge⸗ nehmigte ohne Debatte den Etat der direkten Steuern.
Zu Tit. 17 der Einnahmen des Etats der indirekten Stenern ((Gerichtskosten und gerichtliche Geldstrasen 6 506 000 (S) lag vom Abg. Dr. Köhler folgender An—
trag vor: 3. 6 Dag Haus der Abgeordreten wolle beschließen:
Die Staatsregierung zu ersuchen, die Ueberweisung der Ge⸗ richtskostenerhebung an die Justizverwaltung in Erwägung zu ziehen
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und das Ergebniß dem Landtage in der nächsten Session desselben mitzutheilen. x . Der Antragsteller empfahl seinen Vorschlag mit Rücksicht auf die zahlreichen Nachtheile des jetzt bestehenden Zustandes. Das Publikum werde außerordentlich belästigt, es entianden eine Menge unnützer Kosten, namentlich an Portogusgahen. Nach einer Notiz des „Hannöverschen Couriers“ vom De—⸗ zember v. J. solle ja die ganze Frage bereits im Justiz— Ministerium erwogen worden sein, und der Landgen is ts⸗Prä⸗ sident von Bardeleben in Berlin solle sich im fiskalijchen Interesse in derselben Richtung, die er vertrete, ausgesprochen aben. = ; Der Abg. Günther erklärte sich gegen den Antrag. Man solle an den mit der neuen Justizorganisation überkommenen Einrichtungen nicht jetzt schon wieder ändern. In Lande habe man allgemein ein dringendes Bedürfniß nach Ruhe. Der Abg. Hansen befürwortete den vom Abg. Dr. Köhler gestllten Antrag. Da die jetzige Einrichtung sich nicht be— währt habe, müsse man sie so schnell als möglich aus der Welt schaffen. . ö Der Regierunaskommissar Geheime Ober⸗-Finanz⸗Rath von Pommer⸗Lsche entgegnete, die Sache werde vom Minister in Erwägung gezogen, und das Resultat dem Hause mitge— theilt werden. ö
Der Abg. Dr. von Cuny erklärte sich ebenfalls gegen den Antrag wesentlich aus denselben Gründen wie der Abg. Günther. J ;
Der Abg. Dr. Hammacher wünschte bei dieser Gelegenheit eine nähere Spezialisirung des Titels im nächsten Etat, damit man erkennen könne, wie viel von den eingehenden Gerichts—⸗ kosten auf die Erträge der Stempel für Akte freiwilliger Ge⸗ richts barkeit entfalle. Namentlich sei über die Höhe des Im⸗ mobilienstempels Klarhest dringend wünschenswerth; damit sei Material zur Beurtheilung wichtiger wirthschaftlicher Fragen gegeben. .
Der Antrag Köhler wurde mit großer Mehrheit ange— nommen; der Titel sowie das ganze Ordinarium ohne weitere Debatte bewilligt.
Der Etat des Herrenhauses wurde ohne Diskussion unter Erhöhung des Gehaltes des Haus-Inspektors von 2100 auf 2400 „ bewilligt, desgleichen der Etat des Hauses der Abgeordneten 1201 270 66 . .
Hierzu lag folgender Antrag des Gesammtvorstandes vor:
„Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen: ;
Die Königliche Staatsregierung unter Bezugnahme auf den Beschluß vom 2. März 1882 aufzufordern, der Angelegenheit wegen des Baues eines neuen Geschäftsgebäudes des Hauses der Abge— ordneten unter thunlichster Beschleunigung Fortgang zu geben.“
Der Abg. Delius befürwortete den Antrag Namens des Gesammtvorstandes Der vorjährige Beschluß des Hauses in dieser Frage (den Redner verlas) sowie der Umstand, daß die Geschichte der Unzulänglichkeit des jetzigen Dienst⸗ gehaudes so alt sei, wie die Verfassung selbst, begründe den Antrag genügend.
Der Abg. von Zitzewitz erklärte, er habe im vorigen Jahre dem Antrag aus Sparsamkeitsrücksichten nicht sumpa—⸗ thisch gegenüber gestanden habe, inzwischen aber habe er an seinem eigenen Kbrper erfahren, daß der Neubau eine sanitäre Nothwendigkeit für die Abgeordneten sei. Die Ventilation des Sitzungssaales sei schlecht; manche Sitze seien wegen Raummangels an die Wände angeklebt wie Vogelnester; die Vertreter der Regierung säßen eingepfercht in erbarmungswürdiger Lage. Komme man angestrengt und er⸗ schöpst nach der Sitzung aus dem Gebäude, so empfange die Abgeordneten im Vorgebäude eine solche Zugluft, daß man auffliegen könnte. Die Fraktions⸗ und Kommissionszimmer feien viel zu klein und dabei schlecht ventilirt. Im Vorder—⸗ haus beginnen bereits die Balken zu faulen, und werde die Baufälligkeit dieses über 160 Jahre alten Gebäudes immer levensgefährlicher. Endlich sei die Feuersgefahr außerordent⸗ lich groß; breche einmal Feuer aus, so habe man nur, die einzige Retraite über die berühmte Zugbrücke am grünen Graben, welche so schmal sei, daß er allein die ganze Breite ausfülle. Er bitte daher, den Antrag anzunehmen.
Der Abg. von Bennigsen schloß sich im Wesentlichen dem Vorredner an, und gab hinsichtlich der Feuersgefahr noch zu bedenken, daß, selbst wenn das Feuer zu einer Zeit, wo das Haus nicht tage, also nicht gefährdet sei, ausbrechen sollte, die werthvollsten, vielfach unersetzlichen Aktenstücke, die hier aufbewahrt werden, rettungslos verloren seien. Die ö gebäude seien so ineinander verbaut, daß sie von Feuer⸗ löschapparaten gar nicht erreicht werden könnten. Die Re⸗ gierung habe ja auch längst schon die Bedürfnißfrage anerkannt, und sich früher ihre definitive Erklärung nur bis zur Entscheidung über den Reichstags bau vorbehalten. Nun diese Entscheidung getroffen sei, komme es nur noch darauf an, dem Abgeordnetenhaus den Platz hinter der ehemaligen Porzellan Manufaktur und dem Herrenhaus zu sichern, den all? Parteien bereits einmüthig für geeignet erklärt haben. Der Platz liege so, daß derselbe auch von der Königgrätzerstraße her zugänglich sei, und daß dort gebaut werden könnte, auch während der Reichstag noch in seinem jehigen provisorischen Gebäude tage. Die Regierung brauche nuͤr fiskalische Grundstücke herzugeben und mit dem Herren⸗ hause zu verhandeln, daß es dem Abgeordnetenhause einen Theil seines Gartens zur Verfügung stelle. Der schönste Theil des Herrenhausgartens bleibe dabei intakt; auch sonst habe das Herrenhaus alle Veranlassung dem Abgegrdneten⸗ hause in dieser Frage entgegen zu kommen. Auch er empfehle daher den Antrag des Gesammtvorstandes anzu— nehmen. . ö ö.
Hierauf ergriff der Vize⸗Präsident des Staats⸗Mini⸗ steriums, Minister des Innern von Puttkamer das Wort;
Meine Herren! Ich habe von denienigen. Erklärungen, welche ich im vorigen Jahre in, dieser Angelegenheit im Namen der König lichen Staatsregierung abzugeben die Ehre gehabt habe, nichts zurück zunehmen oder zu modifiziren. Es wird diesseits unumwunden die
rhebliche Ünzulänglichkeit des jetzigen Zustandes anerkannt. in . das hohe Haus mit den seinen Arbeiten gewidmeten Räumen
inschließlich der Staatsregierung sich befindet, und wir glauben auch, i auf unbestimmte Zeiträume ausgedehnte Fortdauer dessel ben