rigen Periode erkennen läßt. Das zu Grunde gelegte Kartenneß, im Maßstabe von 1: 5000000 für die Haupttableaux, ermöglicht zugleich für die einzelnen Jahre 1838 bis 1880 die Vergleichung des jeweiligen Bestandes an Eisenbahnen mit demjenigen des Schluß⸗ jahres der Berichtsperiode, indem es das in letzterem erreichte Eisen ˖ bahnnetz in blauem Vordrucke andeutet und so daz Bild der Ge⸗ sammtentwickelung während des behandelten Zeitraumes stets darbietet. Auf der Rückseite des Titelblattes des Atlas finden sich die zum kartographischen und diagrammatischen Theile desselben sonst noch erforderlichen erklärenden Bemerkungen nehst einem Verieichnisse der im Atlas berücksichtigten Bahngebiete nach der Begrenzung zu Ende des Jahres 1581. — Aus dieser in Vorstehendem gegebenen kurzen Skizze des reichen Inhalts des Werkes wird es ersichtlich sein, daß in der werthvollen Arbeit ein wichtiger Zeitpunkt in der Ent⸗ wickelung diefes Zweiges der öffentlichen Bauten Deutschlands in eingehender Weise ziffernmäßig und kartographisch fixirt worden ist.
Kunst, Wissenschaft und Literatur.
Von derm Prachtwerk: Die deutsche Kaiserstadt Berlin und ĩhre Umgebung“, geschildert von Max Ring, mit 300 Illustra⸗ tionen, ist die 5. und 6. Lieferung zu je 1 660 (Verlag von Heinrich Schmidt und Carl Güntber in Leipzig) erschienen. Diese Hefte ent⸗ halten die Wanderung durch das alte Berlin mit den interessanten Häufern, in denen berühmte Leute geboren wurden oder gewohnt haben, den alten Kirchen mit den erhaltenen Grabdenkmälern der Pa—⸗ trijierfamilien Berlins, wie die altehrwürdige Nikolaikirche, die Marienkirche, die Klosterkirche u. s. w. Es wird in diesen Heften eine Tülle geschichtlicher Erinnerungen geboten. Die beigegebenen zahlreichen Illustrationen bringen sehr Interessantes, wie den Todten⸗ tanz und Das Sparresche Grabdenkmal in der Marienkirche, Die Vollbilder zeigen die trefflichen Porträts König Friedrichs des Großen, und Ihrer Kaiserlichen und Königlichen Hoheiten des Kronprinzen und der Kronprinzessin sowie eine Abbildung des Denkmals des Großen Kurfürsten. In den nächsten Heften beginnt die Schilderung des neuen Berlin.
Gewerbe und Handel.
Die russischen Zollämter sind durch Cirkulare des Zolldepar⸗ tements vom! 8. und J4. v. M. angewiesen worden, die nachstehend benannten Artikel, bei Erhebung des Zolles, folgendermaßen zu
klassifiziren: ; 1) „‚Vaselin“ — unter Artikel 26 Punkt 6 lit. b. (1 Rubel vom
Pfund). I ‚Metallene Knöpfe jeder Art, auch solche aus Zinn, Blech ꝛc., selbsss wenn fie für Unterkleider bestimmt sind! — unter Art. 220 Punkt 1 (35 Kopeken vom Pfund), 3) „‚Plüsch mit Seide gestickt! — lunter Art. 211 Punkt 4 (1 Rubel 32 Kop. vom Pfund). . ; 4) „Aus Gewebe gefertigte Gestelle zu Damenhüten mit 2 (1 Rubel 45 Kop. vom
Carkassen· — unter Art. 225 Punkt Pfund). . = =.
Gestern fand die Sitzung des Verwaltungergths der Dis⸗ konto-Gefellschaft statt, in welcher über die Bilanz des abge— laufenen Geschäftsjahres berichtet wurde. Einschließlich des Reserve⸗ vortrags aus der vorhergehenden Bilanz stellt sich der Gewinn auf 5 8587 189 M0 Hiervon gehen ab 1072761 46 für Verwaltungs⸗ koften und 34065000 M für die auf die Kommanditgntheile bereits be= zahlte Abschlagsdividende von 40j0, und aus dem Restgewinn soll den Kommanditären eine Superdividende von 65 gewährt werden. AlsUeber⸗ trag auf neue Rechnung verbleiben 1 264 201 , während die allge⸗ meine Referve mit einem Bestande von 12 550 890 M6 die statuten⸗ mäßig vorgeschriebene Höhe bereits überschritten hat. Der Verwal⸗ tungsrath erklärte fich mit diesen Vorschläaͤgen einverstanden und setzte den? Termin der ordentlichen Generalversammlung auf den 9 April d. J. fest. Die Bilanzvorlage des abgelaufenen Jahres ergiebt als Zinsenertrag der Platz- und anderen Pariwechsel 1191721 Jegen 779 474 M in 1881, als Ertrag aus dem Cours⸗ wechfel verkehr 429 826 M, gegen 537 425 6. in 1881, als RNettoertrag aus den eigenen Werthpapieren und dem Reportgeschäft 4044 8182 S gegen 8792 3566 SJ, in 1881, als Provision aus den laufenden Rechnungen 1777482 4 gegen 2214813 „ in 1881. Es betragen die Kassen⸗ und Wechselbestände 506 990 7 (5 66 gegen 51 755 645 416 in 1881, die Reports 12 481 401 00 gegen 29 452 675 6 in 1881, der Gesammtbestand, der eigenen Werth⸗ papiere, einschließlich der Konsortiglengagements 37 380 776 S, gegen 58575 720 M in 1881. Nach Abzug eines Eingangs von 6645 (0 aus früher abgeschriebenen Forderungen belaufen sich die Verluste aus dem Bankverkehr auf 21 970 .
Rürnberg, 7. März. (W. T. B.) In der gestrigen General⸗ versammlung der Vereinsbank wurde die Vertheilung einer Divi⸗ dende von z SB, fowie die Ausgabe von 10000 neuen Aktien im Gesammtbetrage von 3 Millionen beschlossen. Der Maximalecours soll 115 betragen; der Besitz dreier alter Aktien berechtigt zum Be⸗ zuge einer neuen Aftie; das Agio ist für den Reservefonds bestimmt.
Prag, 7. März. (W. T. B.) Die Vertrauens männer Ver⸗ sammlung der Prioritätenbesitzer der Pilsen⸗Priesener Bahn genebmigte einstimmig den Antrag des Kurators. Pr. Wiener: aus den Betriebsüberfschüssen des letzten Jahres je 5 Fl. (gegen 4 Fl. 55 Kr. des Vorjahres) für die Prioritäten auszuzahlen. Der Coupon
wird vom 1. April ab eingelöst. Bei der gestrigen Woll
London, 6. März. (W. T. B.) auktion waren Preise unverändert.
Glasgow, 6. März. (W. T. B.) Die Verschifzungen von Roheifen betrugen in der vorigen Woche 10217 gegen 12 597 Tons in derselben Woche des vorigen Jahres.
New⸗Hork, 5. März. (W. T. B.) Weizen ver schif⸗ fungen der letzten Woche von den atlantischen Häfen der Ver⸗ einigten Stanten nach Großbritannien 47 000, do. nach Frank reich 15 000, do. nach anderen Häfen des Kontinents 15 000, do. von Kalifornien und Oregon nach Großbritannien 70 000, do; do— nach Frankreich M00, do. do. nach anderen Häfen des Kontinents 5000 Qrtrs.
Rew⸗ Jork, 6. März. (W. T. B.) ‚Der Werth der in der vergangenen Woche von hier ausgeführten Produ kte beträgt 7 720 000 Doll.
Verkehrs⸗Anftalten.
Triest, 6. März. (W. T. B) Der Lloyddampfer „Berenice“ ist heute Morgen mit der ostindischen Ueberlandpost auß Alexandrien hier eingetroffen.
Berlin, 7. März 1883.
Denkschrift über die Entwickelung der gewerblichen Fach— schulen in Preußen,
6 dieselben zum Ressort des Ministeriums der geistlichen und nterrichts-⸗ Angelegenheiten gehören, während der Jahre 18581 und 1882, mit Genehmigung des Ministers der geist⸗ lichen, Unterrichts und Medizinal-Angelegenheiten den Mit⸗ gliedern der ständigen Kommission für das technische Unterrichtswefen vorgelegt im Februar 18835.
(Fortsetzung. )
In dem der Kommission 1881 vorgelegten Bericht ist der
Fachschule für die Textilindu strie in Crefeld und
des Plans, eine Webeschule für die Tuch⸗ d Buckskinindustrie der Lausitz in Cottbus zu errichten, gedacht worden.
Während des Baues des neuen Webeschulgebäudes in
Crefeld und in Folge des eifrig fortgesetzten Studiums der
länder hat sich die Nothwendigkeit herausgestellt, die Dimensionen des chemischen Laboratoriums, der Färberei und Appretur , und zwar dergestalt zu erweitern, daß die Anstalt auch auf diesen Gebieten keiner anderen nachstehen und der deuischen Textilindustrie die für ihr ferneres Gedeihen so nothwendigen gut . Färber und Appreteure, und zwar nicht blos Werkmeister, sondern auch praktisch aus⸗ 1 Chemiker, liefern wird. Dieser durch die Erweiterung es ursprünglichen Planes veranlaßte bauliche Mehraufwand beträgt 88 000 MS, von welchem die Stadt Crefeld 33 000 M6, der Staat 55 O00 S6 übernimmt. In dem Neubau, welcher vor Ablauf dieses Jahres vollendet werden soll, haben bereits die Webesäle zum Theil in Benutzung genommen werden können. Die Zahl der Webeschüler beträgt i reichlich 100 oder zwei Drittheil der für die Ert ebe ung in Aussicht genommenen, zu welchen noch 30 Schüler der chemischen Ab⸗ theilung kommen werden. Die 2 der Anstalt wird auch eine Vermehrung des Aufwandes, für deren Ausstattung, insbesondere im Laboratorium, in der Färberei und in der Appreturwerkstatt, nöthig machen. u diesen ca. 60 000 M. erfordernden Bedürfnissen kommen noch hinzu die auf 20 000 c zu veranschlagenden Kosten der Einführung des elektrischen Glühlichts in einem großen Theil der Anstalt und die eben o hoch anzunehmenden Ausgaben für die auf die Verbesserung er Maschinen für die Hausweberei abzielenden Versuche, die mit Erfolg nur in der Webeschule angestellt werden können. Es steht zu erwarten, daß die Stadt Crefeld und die dortigen Industriellen einen bedeutenden Theil des Mehrsbedarfs von ca. 100 000 6 übernehmen werden. Zur . Motivirung mag bemerkt werden, daß die Färberei und Appreturwerkstatt nicht mit Modellen, wie an anderen Anstalten, sondern mit benutzbaren Maschinen und Apparaten ausgestattet werden soll, und ferner, daß das elektrische . in Crefeld sich in den mit dichtem Wasserdampf erfüllten Räumen einer Färberei bedeutend wirksamer, als die in den Dämpfen rennenden Gasflammen erwiesen hat und daß die in einer Weberei angestellten Versuche als große Vorzüge des elektrischen Lichtes ergeben haben, daß damit der vordere und hintere Theil des Stuhles durch Umschalten des Stromes abwechselnd gleich stark beleuchtet werden kann, daß das Licht intensiver ist und die Farben besser als das Gaslicht zu unterscheiden ge— stattet, daß der Weber sich der Flamme beliebig nähern kann, daß die letztere nicht durch die Sant, welche die Bewegung der Lade verursacht, beunruhigt und endlich kein Ruß, wie bei unvollständiger Verbrennung des Gases bei flackernder Flamme, erzeugt wird, ein Uebelftand, welcher die Herstellung von Geweben in empfindlichen Farben bei Gasbeleuchtung überhaupt unthunlich macht.
In , hat man in allerjüngster Zeit unter Auf—
wendung sehr bedeutender Geldmittel die größte Aufmerksam⸗ keit der' Einfuhrung des mechanischen Webstuhls an Stelle des Handstuhls in der Hausindustrie gewidmet. Schon im Jahre 1867 hatte die Lyoner Handelskammer einen Preis auf Fas Studium der Motoren und der am besten in der Haus— industrie verwendbaren mechanischen Webstühle ausgesetzt. Die Erfindung der Gaskraftmaschinen hat die Beschaffung der Triebkraft sehr erleichtert, die Verbesserung des Webstuhls ist aber noch nicht genügend. Gewebe von geringerer Qualität, gemischte Gewebe und viele Spezialartikel, die erst im Stück gefärbt werden, fertigt man in Lyon auf mechanischen Stühlen, die komplizirteren Gewebe dagegen sind der Handweberei noch verblieben. Immerhin aber hat eine im vorigen Jahre in Lyon angestellte Enquste ergeben, daß dort jetzt 18000 mechanische Stühle, oder mehr als doppelt so viel wie vor drei Jahren, vorhanden sind. Man zweifelt dort nicht, daß es dem erfinderischen Geist der Weberbevölkerung gelingen wird, wie an dem Webstuhl, so auch am mechanischen die ahlreichen kleinen Verbesserungen, deren er bedarf, um ihn sa alle Anforderungen der Seide⸗ und Sammetweberei ver— wendbar zu machen, zu entdecken und anzubringen. Um den⸗ jenigen Vorstehern von Handwebehetriehen und solchen Webern, welche ihre Stühle umändern wollen, sowie den Fabrikanten von Motoren und Webestühlen Gelegenheit zu geben, sich zu belehren und sie bei der Ausführung ihrer Ideen zu unter— stützen, sind in Lyon mit einem Aufwand von 49000 Fres. vor einigen Monaten zwei Versuchsstationen mit 12 Stuͤhlen neuester Konstruktion und zwei Motoren eingerichtet worden. Man verhehlt sich dort keinesweges, daß die ö. nach der Verwendung von Motoren in den kleinen Webebetrieben noch nicht gelöst ist, und fragt sich, ob der verhältnißmäßig hohe Preis des Motors, des Stuhles, der Verbrauch von Brenn⸗ material und die Kosten der Unterhaltung die Vortheile der . der Produktion und der . Löhne, welche der Weber mit dem verbesserten Stuhl erzielen wird, aufwiegen könnten; man ist zweifelhaft, ob eine Dampfmaschine, welche durch Transmissionen die Triebkraft 6 mehrere Werkstätten hergiebt, den einzelnen Gasmotoren, deren Preis verhältniß⸗ mäßig höher und deren Benutzung eine weniger konstante ist, vorzuziehen sei. Für die rheinische Seidenindustrie — die erste der Welt nach der französischen — welche viele Tausende und vorzugsweise in der eigenen Wohnung beschäftigt, haben diefe Fragen keine geringere Bedeutung. Die Verminderung der Produktionskosten und die Vermehrung der Arbeitsleistung sind heute die conditio, sine qua non für das Gedeihen, ja für den Fortbestand dieser Industie. Der schnellste Wechsel in Muster, Farbe und Her⸗ flellungsweise, überraschende, glänzende Effekte und trotzdem die größte Billigkeit werden heute von dem Fabrikanten ge⸗ fordert. Da ein Arbeiter 16 Meter ordinären Sammet auf einem mechanischen Stuhl in derselben Zeit weben kann, in welcher er mit dem Handstuhl 1 Meter herstellt, so wird sich, wenn man es dahin bringt, den mechanischen Webstuhl auch für die bessere und façonnirte Waare verwenden zu können, voraussichtlich trotz einer Erhöhung des Verdienstes eine nicht unbeträchtliche Verminderung der Generalkosten des Fabrikats erzielen lassen.
Einer der tüchtigsten Lyoner Fabrikanten hat vor einigen Tagen in dem Bulletin des soies et des soieries angefangen, die Ergebniffe einer von ihm nach Crefeld und den übrigen Sitzen der rheinischen Seidenindustrie unternommenen Re⸗ kognoszirungsreise mitzutheilen. Er konstatirt, daß die Fabrikanten in . W denen am Niederrhein meistens die Webstühle, mit Ausnahme des Holzes, gehören, während sie in Frank⸗ reich Eigenthum des Webers sind — wie in Sachsen, Oester⸗ reich und der Schweiz, eifrig bestrebt seien, die mechanischen Stühle einzuführen. Er bemerkt dazu jedoch wörtlich: „Die mechanischen Sammetstühle, welche fur diese Umgestaltung als Mußster dienen, sind aber absolut unvollkommen und müssen in kurzer Zeit durch vollkommenere ersetzt werden. Das
and gewebten Stoffes, aber es ist der erste Schritt in der ichtung des Fortschritts; die Verbesserungen wird die Zeit bringen. Unmögli gef man sich hierbei beruhigen, während Frankreich, seine. auf diesem Gebiete gemachten Fortschritte nicht für genügend haltend, bedeutende Anstrengungen macht, um die Konkurrenten gänzlich zu überflügeln. Auch kann man sich nicht der . 8. die auf französische Kosten zu machenden Erfindungen demnächst kopiren zu können. Abgesehen davon, daß hier so vieles auf das Wann? und wie bald? ankommt, so sind die . unter denen der Lyoner Arbeiter in den hohen Häusern der Croix Rousse zu- sammengedrängt arbeitet, und seine Stellung zu dem ihn be⸗ schäftigenden Unternehmer, nicht minder der Charakter der Fabrikation in vielen Beziehungen so verschieden von den⸗ jenigen Faktoren, die für den niederrheinischen Weber und Fabrikanten maßgebend sind, daß jede Fabrikation die Frage der Einführung des nm gen Stuhles und der dazu ge— eigneten Motoren für sich allein wird lösen müssen. Den Mittelpunkt dieser Bestrebungen wird zum Nutzer Aller die Fachschule für Textilindustrie bilden Hussumn der Einzelne wird sie dabei unterstäͤtzen und doch viel Geld und Arbeit auf— wenden müssen, um den Betrieb der von ihm beschäftigten Weber umzugestalten. Im Uebrigen sind nach dem Urtheil jenes Franzosen die Verhältnisse der rheinischen Seidenindustrie, insbefondere auch die der Weber zu den sog. Fabrikanten, in vielen Beziehungen besser als die Lyoner und er tritt der bei seinen Landsleuten viel verbreiteten Ansicht entgegen, als ob ihre rheinischen Konkurrenten vom Musterdiebstahl lebten. Er nennt dies einen schweren Irrthum und erkennt an, daß man, ganz vereinzelte Fälle ausgenommen, heute nur noch davon reden könne, daß die letzteren sich durch den französischen Ge⸗ schmack anregen ließen und ihm eine Anerkennung zollten, auf
welche Frankreich stolz sein dürfe. (Fortsetzung folgt)
Cöln, 7. März, 12 Uhr 24 Minuten früh. (Tel.) Die englische Po st vom 6. März früh, planmäßig in Verviers um's Uhr 13 Minuten Abends, ist ausgeblieben. Grund: Das Schiff ist in Ostende nicht herangekommen wegen Schnee⸗
treibens im Kanal. Verviers, 7. März. (Tel.) Die englische Po st
vom 6. März Abends, planmaͤßig in Verviers um 8 Uhr 39 Minuten Vormittags, ist ausgeblieben. Grund: Starker Sturm im Kanal.
Die Arbeiten auf dem Terrain der Hygiene ⸗Ausstellung schreiten außerordentlich rüstig voran, so daß das Ausstellungsgebãude bis auf den Thurm als fertig angesehen werden kann. Die unteren zwei Etagen dez Thurmes find bereits geliefert und zum Theil schen montirt; die Aufrichtung selbst erfordert nicht viel Zeit. ie Höhe des Thurmes beträgt 45 m, der Umfang 20 m im Quadrat. Das jetzt noch trübe Ausseben des eisernen Gehäudes wird durch einen grauen Anstrich mit abgesetzten Linien sich verlieren und das Ganze einen imposanten Eindruck machen. Unter der Leitung des Baumeisters Kuhn läßt das Ministerium der öffentlichen Arbeiten durch die Baugeschäfte des Zimmermeisters C. Geerdtz und des Maurermeisters Jul. Krengel eine Bergwerks⸗-Nachbildung her⸗ stellen, die nach jeder Seite hin die genaue harakteristik eines Berg⸗ werks erreichen wird. Die Nachbildung hat eine Länge von 23 m und eine Breite von 16 m. In der Frontachse sehen wir das massive, der Wirklichkeit entsprechende Stollenportal, durch welches das Publi⸗ kum zur Besichtigung und Umfahrt eintritt. Sehr stattlich wird sich neben' dem Bergwerk das Wohnhaus ausnehmen, dessen Errichtung der Ausfchuß ebenfalls dem Jimmermeister C. Geerdtz und dem Maurermeister Krengel übertragen hat. Das Wohnhaus, 22 m lang, mit der Hauptfront nach der Ulanenstraße zu gelegen, enthält 3 Stock⸗ werke in altdeutfcher Architektur mit reichen Gruppirungen und in⸗ teressanten Formen. Theils massiv, theils Fachwerk. wird es mit dem feuersicheren sogenannten Rabitz⸗Putz verse hen. In dem Wohn⸗ hause, dessen Inneres alle diejenigen Einrichtungen erhält, die für hygienisch zweckmäßig gelten, wird eine Kollektiv ⸗Ausstellung Berliner Induftrieller veranstaltet. Die Ulanenstraße wird zur Promenade dienen, von welcher aus man einen freien Blick auf das gesammte Ausstellungsterrain hat. Die Eröffnung findet bestimmt am 1. Mai statt.
Im Königlichen Schauspiel hau se kamen gestern Abend drei einaktige Novitäten zur Aufführung, von denen die beiden ersten, Echtes Gold wird klar im Feuer“, ein Sprichwort von Emanuel Geibel, und „‚Castor und Pollux“, Lustspiel in einem Akt von W. e,. sebhaften Beifall fanden. Die kleine dramatische Arbeit Geibels hatte ihren Erfolg namentlich der Darstellerin der Hauptrolle, Frl., Schwartz, zu danken, deren edles, melodisches Organ aufs Beste für die Schauspielerin Helene paßte. Der Konflikt, welchen der ichter bostisch wirkungsvoll und doch in knappen Strichen gezeichnet hatz ist folgender: Helene, eine wahrhafte Künstlerin, bewährt sich als edles Weib auch außerhalb des Rahmens der Bühne. Sie opfert ihren Geliebten einer Ändern, weil sie weiß, daß das Lebensglück jener An⸗ deren durch dieses Opfer begruͤndet, und ohne dasselbe zerstört wird. Der Künftlerin wird es klar, daß sie an ihrer Kunst sich aufrichten und in ihr ihren Lebenszweck finden kann. Das kleine Werk Geibels gab in Form und Inhalt Zeugniß von dem vornehmen Geist und dem gelaͤuterten Geschmack des Verfassers. - Der zweite Einakter: ‚Castor und Pollux', ein munteres kleines Lustspiel, trägt seinen Namen nach zwei Zwillingsbrüdern, welche Leibpagen der Fürstin von Deffau find. Der Zuschauer wohnt einem Rendezvous des einen Bruders bei; die Liebenden werden — zu ihrem Glück — ertappt; denn der gut gelaunte Fürst bringt die Verlobung zu Stande. Der Verfaffer hat einige komische Seenen geschickt herbeigeführt, in denen befonders Frl. Meher (Hans) und Hr. Müller (Kurt) mit Üüberströmender Laune ihr darstellerisches Talent bewährten. Die dritte dramatische Kleinigkeit des Abends, . Makart, Schwank von Ernst Engelhardt, fand nicht so reichen Beifall wie die vorigen. Alle komischen Mißverständnisse dieser Komödie beruhen auf dem am Schluß aufgeklärten Wortspiel Makart. und ma carte“. Trotz der lebhaften Anftrengungen der mitwirkenden Künstler konnte lein rechter Erfolg erzielt werden. Reichen Beifall erntete Fr. Frieb⸗ Blumauer (Raffaella) in der Maske einer begeisterten Malerin, welche sie durch ihren köstlichen Humor, so weit es angängig war, belebte.
— Im Wilhelim⸗Theagter findet gegenwärtig die alte Posse „Die Mottenburger‘ vielen Beifall und großen Zuspruch.
Da die Kirchenconcerte mit Militärmu sik sich großen Anklanges bei dem kunstliebenden Publikum erfreuen, wird ein weiteres Foncerk in der St. Matthäuskirche, und zwar am 12. März, zum Besten der Armen in der St. Matthäus ⸗Parochie, stattfinden. Billets zu 1 6 sind beim Küster Hrn. F. Lück, Matthäikirchstr. 223. und im Bureau der . Deutschen Militär ⸗Musiker Zeitung“, Linden⸗ straße 106, zu haben.
Redacteur: Riedel.
Verlag der Expedition (Kesseh. Druck: W. El sner. Vier Beilagen
Berlin:
neuesten Einrichtungen und Fortschritte in der Textilindustrie und den fur sie bestimmten Unterrichtsanstalten der Nachbar⸗
Fabrikat haf nicht den Werth, nicht die Frische des mit der
seinschließlich Börsen⸗Beilage).
Erste Beilage
ö. . Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.
Berlin, Mittwoch, den J. März
1883.
Aichtamtliches.
Preußen. Berlin, 7. März. Im weiteren Ver⸗ laufe der gestrigen (42) Sitzung des Hauses der Abgeordneten trat das Haus in die Berathung des An⸗ trages der Abgg. Dr. Oetker und Hansen, betreffend Aende⸗ rungen in der Stempelgesetzgebung, ein. Der An⸗ trag lautet:
Das. Haus der Abgeordneten wolle beschließen;
Die Königliche Staatsregierung um baldthunlichste Vorlage eines Gesetzentwurfes zu ersuchen, durch welchen
1) der Stempel für Kaufrerträge über inländische Grundstücke
und Grundgerechtigkeiten von 10so.,
27) der Stempel für Pacht ⸗ und Miethverträge von Poso
ae 666 4 J er Stempel für Verträge, welche die Uebertragung eines be⸗ stehenden Pacht oder Miethverhältnisses auf eine andere Person als Pächter oder Miether zum Gegenstande haben, auf 14 46 bestimmt wird.
Hierzu hatte der Abg. Frhr. von Minnigerode folgenden Antrag gestellt:
Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen: Die Staats⸗ regierung aufzufordern, dahin zu wirken, daß die Umsätze des be⸗ weglichen Vermögens nachdrücklich für den Stempel herangezogen werden, während die Stempel für Immobiliar Kauf,, Pacht und Miethsverträge eine Ermäßigung zu erfahren haben.
Der Abg. Dr. Oetker befürwortete seinen Antrag. Der⸗ selbe bezwecke eine gleichmäßige Verminderung der Be⸗ lastung des ländlichen und städtischen Grundbesitzes und die Beseitigung der Ungewißheit und Ungleichheit be⸗ züglich der Höhe des zu den sub 3 bezeichneten Verträgen zu verwendenden Stempels. Namentlich im Gebiete des gemeinen Rechtes seien die herrschenden Mißstände geradezu unerhört. Er wolle mit seinem Antrage nur eine Anregung geben, mit einer angemessenen Ermäßigung der auf dem Grundbesitz lastenden Steuern einen praktischen Anfang zu machen. Der Absagtz 1, welcher von Kaufverträgen handele, beziehe sich selbstverständlich auch auf Auflassungs- und Tauschverträge. Auch diese seien mit 1 Proz. belastet, während mobile Besitze mit 1/3 Proz. Steuer übertragen werden könnten, und zwar nur, wenn dies schriftlich geschehe. Bei den Besitzveränderungen der Immobilien sei immer der Beistand der Gerichtsbarkeit erforderlich, bei den Mobilien nicht. Sogar bei den Pacht- und Miethsverträgen seien hoch zu besteuernde schriftliche Verträge vorgeschrieben. In Bezug auf die ad 3 erwähnten Cessionen bestehe eine große Ungleichheit in den Gebieten des Landrechts und des ge⸗ meinen Rechts. In letzteren müsse der Stempel, wenn die Pacht cedirt werde, noch einmal gezahlt werden. So müsse ost für ein Gut 3 Mal der Pachtstempel gezahlt werden. Es würde sich übrigens empfehlen, seinen Antrag einer Kom⸗ mission zu unterbreiten, welche zugleich über die Frage der Deckungsmittel für die entstehenden Steuerausfälle mit Unter⸗ stützung der Regierung zu berathen haben würde.
Hierauf ergriff der Finanz-Minister Scholz, wie folgt, das Wort:
Ich war sehr gespannt auf die Begründung des Antrages, weni ger des Antrages an sich, als vielmehr der Opportunität seiner Ein⸗ bringung und kann nicht sagen, daß die Ausführungen des Herrn Vorredners meine Erwartungen befriedigt hätten. Er hat ausge— führt, daß es ihm und seinen Freunden nöthig erschienen sei, eine Anregung für diese Sache zu geben und daß mit derselben ein prak— tischer, wenn auch nur ganz kleiner Anfang gemacht werden solle, um das Mißverhältniß zwischen der Belastung des beweglichen und des unbeweglichen Vermögens auszugleichen. Wenn man unter der Absicht, eine, solche Anregung zu geben, etwa das gemeint hat, die Priorität der Fürsorge nach. dieser Richtung hin ju bethätigen, so glaube ich, werden Sie mir zugeben, daß ein solcher Antrag zu spät kommt. Ich glaube nicht zu irren, wenn ich sage, ju allererst ist die Fürsorge nach dieser Richtung hin, und zwar schon vor längerer Zeit, von der Regierung ausgesprochen. Die Regierung hat zuerst darauf aufmerksam gemacht, daß nach ihrer Meinung hier ein Bedürfniß vorhanden sei, welches Befriedigung erheische, und hat ihrerseits schon die Absicht ausgesprochen, soweit die Mittel dazu vor⸗ handen sein würden, mit der Reform des preußischen Stempelsteuer ⸗ wesens diesem Bedürfnisse abzuhelfen. Auch weiß ich, daß noch in einer nicht lange hinter uns liegenden Verhandlung der Hr. Abg. Richter seinerseits wiederum dieses Bedürfniß betont und, dabei volle Zustimmung vom Regierungs— tische gefunden hat. Also die Frage nach dieser Richtung hin blos anzuregen — ja, dazu hat es dieses Antrages wahrlich nicht bedurft. Wenn aber der Herr Abgeordnete gemeint hat, es hätte dessel ben bedurft, um einen praktischen Schritt zu thun, wenn auch zunächst nur einen sehr kleinen, so gebe ich das letztere durchaus zu; es würde, auch wenn das Haus dem Antrage beitritt, wirklich nur ein sehr kleiner Schritt gethan sein, um dem Mißverhältniß zwischen der Be—⸗ lastung des mobilen und immobilen Vermögens abzuhelfen. Und, meine Herren, wenn Sie, der Sache auf den Grund gehen, so ist eine Stempelermäßigung beim Besitzwechsel vielleicht doch nicht so sehr im Interesse des Grundbesitzes felgen. wie viele andere Erleichterungen. Den Uebergang des Grund esitzes in andere Hände wesentlich zu erleichtern, will mir kaum recht als eine Erleichterung des Grundbesitzes erscheinen. Denn, wenn es auch nach manchen Seiten hin vortheilhaft ist, so scheint mir, daß viel dringender und wünschenswerther die Ausgleichung nach der andern Seite ist, daß man, den Uebergang des mobilen Besitzes aus einer Hand in die andere angemessener, nämlich höher hbesteuert, als bisher und die Sorge darauf richtet, so Wandel zu schaffen. Es wird Ihnen bekannt sein, daß die Stempelabgaben bei dem hiebergang des immobilen Vermögens in andere Hände bei ung im Vergleich mit anderen Staaten nicht exorbitant hoch sind. Unter den übrigen deutschen Staaten haben wenige einen geringeren Pro⸗ zentsatz, wie in Preußen; in Elsaß ⸗Lothringen, in Bayern links des Rheins beträgt er, foviel ich mich erinnere, 69, und, in Bayern ist neuerdings erst ein Gesetz erlassen worden, welches in den älteren Landestheslen des Königteichs den Stempel von dem Uebergang der Immobilien sogar erhöht hat. Ich will aber mit diesen Bemerkungen keinezwegs ein Wort zurücknehmen von, der , die früher die Regierung dafür ausgesprochen hat, auch auf
iesem Gebiet Erleichterungen für den Grundbesitz herbeizuführen.
ch möchte nur die Meinung nicht aufkommen lassen daß dieser An⸗ trag eine wichtige und bedeutende Abhülfe für den Grundbesitz wäre. Nun aber meine ich, meine Herren, das doch dem Antrage unbe⸗ dingt als ein sehr ernstes Bedenken rar sen n gn zu sollen, daß er ich, wie der Herr Abgeordnete meint, lediglich darauf beschränken inte hier im er eine nach vielen Millionen zu schätzende Er⸗ eichterung vorzuschlagen und die Degungsfrage erst in einer Kom⸗ mission zur Erörterung zu bringen. Meine Herren, ich kann kon⸗ statiren, daß erft in den letzten Verhandlungen über das Steuer reformgesetz, welches das Haus ja vor wenigen Tagen erst beschäftigt
bat, das wenigstens als ein nicht nahezu mit in⸗˖ stimmigkeit, sondern wirklich, einstimmig en Saß hier d: Hause aufgestellt wurde: Kein Erlaß mehr obne Deckung. Nun frage ich: Wo ist dieser Antrag hier nach diesem Grundsatz be⸗ messen? Er spricht gar nicht von der Deckung, sondern er hofft alles in dieser Beziehung von einer Kommissionsberathung. Ich meine, das ist die unvollkommenste Fassung, die ein solcher Antrag erhalten kann. Der Immobiligrkaufstempel beträgt rund ungefähr 15 Millionen Mark. Wenn Sie ibn auch nur um Y, also auf die Hälfte berabsetzen wollen. — wenn Sie das nichi thun, dann würden Sie doch wohl überhaupt nicht von einer Hülfe für den Grundbesitz reden können — so sind das 73 Millionen. Nun frage ich, wissen die Herren Antragsteller, wo sie die Deckung für diese W Millionen bernehmen, oder wo soll sie eine Kommission bernehmen? Wollten Sie etwa auf die Lizenzsteuer zurückgreifen? Dann, meine Herren, habe ich auch noch nicht die Uebereinstimmung mit der Regierung in Aussicht zu stellen, sondern dann kann ich Ihnen sagen, wir baben noch viel dringendere Bedürfnisse als dieses. Wir würden, wenn Sie auf dieses Deckungsmittel zurückgehen wollten, vor allem bitten, daß Sie die Klassensteuerex, kutionen der dritten und vierten Stufe beseiti⸗ gen, wofür wir dieses Deckungsmittel vorgeschlagen haben, das leider uns abgeschlagen wurde. Andere Herren, welche mit uns in dieser Beziehung nicht übereinstimmen, würden vielleicht die Fürsorge für die Pensionirung der Elementarlehrer auch noch als ein dringenderes Bedürfniß ansehen, als die baldige Ermäßigung eines Stempelbetrages; andere würden anderes als dringender empfinden, jo aber, meine Herren, komme ich zu dem Resultat, daß ich den pra kt ischen Zweck bei der Einbringung dieses Antrags absolut nicht zu finden vermag. Ich glaube auch, daß es wohl nur mehr taktische Rücksichten gewesen sein mögen, welche diesen Antrag . haben. Ich möchte des halb meinerseits dem bohen Hause empfehlen, den Antrag in irgend welcher Form abzulehnen.
Der Abg. Frhr. von Minnigerode konstatirte, daß in dem Antrag Oetker endlich einmal auch auf der linken Seite ein agrarischer Gedanke zum Durchbruch gekommen sei. Auch die Linke habe sich genöthigt gesehen, anzuerkennen, wie un⸗ gerecht das immobile Kapital im Vergleich zum mobilen be⸗ steuert sei, im Gebiet des Landrechts wie in dem des gemeinen Rechts. Es handele sich geradezu um die Beseitigung eines gesetzlichen Unsinns, einer auf die Dauer unmöglichen Doppel⸗ besteuerung. Aber der Antrag Oetker sage nicht, woher der— selbe die Deckung der mehr als 71 / Millionen Mark nehmen wolle, welche die Staatskasse verlieren würde. Deshalb bitte er, seinem Antrage zuzustimmen und gleich damit noch einen Schritt weiter in der agrarischen Richtung vorzugehen. Wenn man die Umsätze des mobilen Kapitals energisch zum Stempel heranziehe, so erfülle man damit nicht allein eine moralische Pflicht, sondern decke auch die Ausfälle, welche durch die Erleichterung des Grundbesitzes, die die Linke selbst ö . ö ñ̃ Er halte seinen Antrag ür erschöpfender wie au ir finanziell gerechtfertigter als den des Abg. Oetker. J
Der Abg. Stengel erklärte, als Grundbesitzer müsse er natürlich für den Antrag sein, als Abgeorgneter könne er sich aber nicht damit einverstanden erklären. Die Finanzlage gestatte dem Hause nicht, die Steuer noch weiter als es schon geschehen sei, zu erlassen. Erst in diesem Jahre habe man wieder eine Anleihe von 235 Millionen zur Deckung eines Defizits aufnehmen müssen. Der Antrag Minnigerode sei ihm ebenfalls nicht vollständig genehm. Er würde es am liebsten gesehen haben, wenn man vielleicht nur die Einschiebung in den Antrag Oetker gemacht hätte, daß man die Regierung um einen bezüglichen Gesetz⸗ entwurf ersuche unter gleichzeitiger Beschaffung der Deckungsmittel. Indessen wolle er nicht so peinlich sein, und für den Antrag Minnigerode stimmen, weil er die Erleichte⸗ rung des Grundbesitzes wünsche, und in dem Antrage das Bestreben sehe, die Erleichterung, sobald Deckung vorhanden, eintreten zu lassen.
Der Abg. von Ludwig erklärte den Antrag Hetker pro nihilo. Im Himmel sei mehr Freude über einen Bekehrten, als über 99 Gerechte. Er habe sich vergeblich gefragt, wie die Liberalen auf einmal dazu gekommen seien, Erleichterungen für die Grundbesitzer zu beantragen, die jie denselben niemals bewilligt hätten, als sie die gesezgeberische Macht gehabt hätten. Es sei charakteristisch, daß die Linke auch jetzt nicht für den alten befestigten Grundbesitz, sondern für die neuen Einschieblinge eintrete. Außerdem habe die Linke den Antrag wohl aus taktischen Gesichtspunkten gestellt, um sich jetzt, wo die letzten ländlichen Distrikte ihre alte Vorliebe für den Liberalismus verloren hätten, denselben wieder in gute Erinnerung zu bringen. Die ganze Sache sei nichts als ein ableitendes Kantharidenyflaster, hinter die Ohren der Konservativen gelegt, die jetzt endlich einmal mit der Börsensteuer Ernst machen wollen, namentlich auch ein Pflaster hinter die Ohren seines hochverehrten Kollegen von Wedell⸗ Malchow. Die Linke sehe jetzt ein, daß ihr geliebtes Pflegekind, die Börse, doch endlich einmal ein Bischen herangenommen werden solle, und da wolle die Linke wenigstens das eine Argument der Gegner der Börsensteuer, das von der ungerechten Belastung des Grurid⸗ besitzes einigermaßen aus der Welt schaffen.
Der Abg. Hansen bedauerte, daß der Finanz-⸗Minister dem Antrag ablehnend gegenüberstehe. Die Bedürfnißfrage werde ja allgemein anerkannt, er sehe nicht ein, warum man. nicht der Regierung eine Anregung zur Abschaffung der hrenrzendsten und schreiendsten Mißstände geben solle. Er zweifle nicht an dem Wohlwollen der Regierung gegen den Grundbe sitz, aber sie möge dies Wohlwollen praktisch bethätigen. Daß man den Nationalliberalen Feindschaft gegen den Grundbesi⸗z vorwerfe, sei durchaus ungerecht; in der nationalliberaler. Partei be⸗ fänden sich 28 Grundbefitzer. Sein Antrag wol e nur der po⸗ sitiv feststehenden Thatsache der Ueberlastung des Grundbesitzes ein Ende machen.
Der Finanz⸗Minister Scholz entgegnete, er habe sich durch⸗ aus nicht gegen die Tendenz des Antrages Detker ausge—⸗ sprochen, sondern sich gegen denselben nur vom Standpunkte der praktischen Politik gewandt. Er halte es nicht für richtig, daß man hier solche Anträge auf Steue rerlasse einbringe und die Deckungsfrage der Regierung über! asse.
Der Abg. Dr. Windthorst erklärte, seine politischen Freunde und er wurden für den Antrag von Minnigerode stimmen, da derselbe ganz im Sinne der Steuerpolitik liege, die das Cen⸗ trum immer verfolgt habe.
Der Abg. Dr. Hänel erklärte, er sei dem Minister dank⸗ bar dafür, daß derselbe mit einer gewissen Kühle dem An⸗ trag Oetker gegenüber getreten sei, nicht aber wie der Abg.= von Minnigerode, sich für die Tendenz deffelben erwärmt und daraus gleichzeitig ein Engagement für die neue Steuerpolitik gefolgert habe. Er müsse dem Abg. von Ludwig die Freude nehmen, daß die Liberalen bekehrte Sünder seien: gerade seine⸗ volitiichen Freunde hatten in der vorigen Session ebenfalls eine Herabminderung der Immobilienstempelsteuer beantragt; damals. habe aber die Linke ihren Antrag dem Verwendungsgesetz der Regierung gegenüber gestellt. Er könne nur in dem Sinn dem Antrag Oetker zustimmen, daß er das Wort „balothunlichst“ dahin einschränke, daß die beantragte Reform nur mit der Steuerreform im Ganzen statzfinde, und daß nicht neue Deckungsmittel für die Stempelausfälle gesucht würden, son⸗ dern die Deckung aus vorhandenen Mitteln genommen werden könne. Der Abg. von Minnigerode wolle mit seinem, übrigens etwas unklaren Antrage die Börsensteuer im Reich unterstützen; meine derselbe damit den Antrag des Abg. von Wedell⸗Malchow? Dieser Herr habe ja doch selbst eingesehen, daß fein Antrag unausführbar sei; oder meine der Abg. von Minnige⸗ rode den Antrag des Fürsten Hazfeld? Er bilte den Abg. von Minnigerode, der Linken darüber Auskunft zu geben. Er sei überzeugt, Preußen werde vom Reich allmählich mit den nöthigen Deckungsmitteln verfehen werden. Daß der . ö rer he, 6 enthalte, finde er
cht: derselbe erstrecke sich ja gleichzeitig auf ländli kö . J ö
Hierauf wurde die Disku ssion gefchlossen; es folgte ei Reihe persönlicher Bemerkungen. f fen ö
„Der Abg; von Wedell Malchow bemerkte persönlich; Es sei nicht die Rede davon, daß er an der Durchführbarkeit des von ihm im Reichstage beantragten Gesetzes zweisele Das Prinzip seines Gesetzes sei von der Kommission des Reichs⸗ tages schon angenommen. Es handele sich nur noch darum, Kontrolmaßregeln zu finden.
Der Abg. Frhr. von Minnigerode erklärte, der Abg. . habe . Antrag ö . Er ( Redner)
rauche nur auf zwei Worte seines Antrages hinzuweisen: „nachdrückliche Börsensteuer“ kö
Der Abg. von Ludwig bemerkte, der Abg. Hansen scheine es ihm übelzunehmen, daß er denselben zur liberalen Seite gerechnet habe. Er habe hier die Naturgeschichte des Abge⸗ ordneten hauses aufgeschlagen (Redner öffnete unter stürmischer Heiterkeit den Parlamentsalmanach) und finde bei den Namen Hansen und Oetker das Wort „nationalliberal“. Wenn der Abg. Hansen meine, das sei nicht liberal, so habe er nichts dagegen. Es gebe Viele, die das schon lange geglaubt hätten. Der Abg. Dr. Hänel bemerkte, dem Abg. von Wedell gegen⸗ über müsse er seine Behauptung zurückziehen. Der Abg. von Wedell werde der Einzige bleiben, der an der Durchführbarkeit seines Antrages noch heute glaube.
Nach einigen weiteren persönlichen Bemerkungen murde der Antrag Oetker abgelehnt, der Antrag von Minnigerode dagegen angenommen.
Das Haus beschäftigte sich darauf mit Wahl prüfungen und erklärte die Wahlen der Abgg, von Körber, br. Bergen voth, Zierold, Jacobs, Letocha, von Schalscha, Baron von Buddenbrock, von Wiedner für gültig. Die Wahl des Abg. von Katzler wurde beanstandet.
In Bezug der Wahlen der Abgg. von Lessing und von Wiedehach (Bomsdorf) hatte die Wahlprüfungskommission die Gültigkeit vorgeschlagen, ferner aber folgenden Antrag gestellt:
Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen:
Die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, die Behauptung der Protesterheber über Aufstellung von Gensd'armen im Wahl⸗ lokal während des Wahlaktes näher zu erörtern und zutreffenden Falls den Wahlkommissar zur Verantwortung zu ziehen, auch dem Hause das Ergebniß mitzutheilen.
Der Abg. Dr. Meyer (Bres lau) beantragte Ungültigkeit der Wahlen, weil eine ausdrückliche Vorschrift des Wahl⸗ reglements, 8. 13, wonach in der Wahlmännerversammlung nur Stimmberechtigte anwesend sein dürften, verletzt fei; be⸗ waffnete Diener der Macht im Wahllokale aufzustellen, sei die stärkste Wahlbeeinfluffung, die sich denken laffe. Der Land⸗ rath habe in einem Falle gedroht, einen Wähler hinausführen zu lassen, dadurch habe unzweifelhaft eine Einschüchterung der Wähler stattgefunden.
Der Abg. Frhr. von Minnigerode glaubte nicht, daß die Anwesenheit der Gensd'armen irgend welche Beeinflussung der Wahlmänner darstelle.
Der Abg. Dr. Hänel wies darauf hin, daß hier in brus taler Weise das Gesetz ins Gesicht geschlagen sei, welches aus⸗ drücklich die Anwesenheit anderer Personen als der Wahl⸗ männer verbiete. Wenn man nun erwäge, daß der Landrath einen Wahlmann, welcher auf die polizeiliche Ueberwachung der Versammlung hingewiesen habe, in ganz ungehöriger Weise mit dem Hinausführen aus dem Lokal bedroht habe, so könne man wohl nicht zweifelhaft sein, daß hier ein Ueber⸗ griff vorgekommen sei. Er könne deshalb nicht für die Gültigkeit der Wahl eintreten.
Hierauf ergriff der Vize⸗Präsident des Staats-Mini⸗ steriums, Minister des Innern von Puttkamer das Wort:
Es liegt mir, wie sich von selbst versteht, gänzlich Farn, durch die Bemerkungen, die ich zu machen genöthigt bin, irgend einen Einfluß auf die Entscheidung des hohen Hauses über die vorliegende Frage an und für fich ausüben zu wollen. Ich will beiläufig nur bemerken, daß mir wenigstens der Versuch der Herren Vorredner aus dem Um. stande, daß bei der Wahl zum Abgeordnetenhause im Wahlbezirk Guben ⸗Sorau jwei Abgeordnete der bewaffneten Macht zur Assisten; des Landraths und Wahlkommissars — ich nehme an als Ordonnan;. zen — im Wahllokale anwesend gewesen sind, auf die Möglichkeit der Absicht oder gar der Thatsache einer Beeinflussung oder Beein⸗ trächtigung der Wahlfreiheit zu schließen — daß, sage ich, mir dieser Verfuch fo völlig mißglüäckt erscheint, daß ich seine Beurtheilung ge⸗ troft dem Hause, und ich glaube, ich darf weiter gehen, auch dem Lande. überlaffen darf. Beide werden nicht ermangeln, ihre Schlüsse darars
zu ziehen. Was mich nöthigt, das Wort zu ergreifen, das
Meine Herren! ist die Prüfung der mir obliegenden Frage, oh die vom Herrn Vor⸗
redner gegen den betheiligten Landrath und Wahlkommissar erhobenen Beschuldigungen und in welchem Umfange sie begründet sind. Die