1883 / 79 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 04 Apr 1883 18:00:01 GMT) scan diff

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der Wissenschaft zäblen darf, bezw. ob und welche gesetzliche Mittel e. einm zur Unterdrückung der Vivisektion vorzuschlagen gedenkt.

Nachdem diese Frage ohnehin schon gegen Ende des Monat Fe⸗ bruar, in Slg eines Schreibens des Fürsten Reichskanzlers, gerichtet an den Vorsitzenden des internationalen Vereins zur Bekämpfung der wissenschaftlichen Thierfolter, von Neuem aufs Tapet ge kommen war, richten sich die Augen der Humanisten aller Kulturvölker auf den deutschen Reichstag, um baldmöglichst u erfahren, welches Maß von Verständniß die Vertreter der deutschen Nation der Frage der Vivisektion entgegenbringen, und ob die traditionellen politischen Meinungsverschiedenheiten und Zän⸗ kereien der Deutschen rom Studium der eminent wichtigen Vivi⸗ sektionsfrage denn wirklich so weit abgedrängt haben sollten, daß irgend einige oberflächliche Auseinandersetzungen der Anhänger der Vivisektion wieder so wie im Vorjahre hinreichend sein würden, den Reichstag zu bestimmen, den Austrag dieser Frage neuerdings zu ver⸗

Um den Nothschrei zu begründen, welchen das humanitäre Ge— fühl der deutschen Nation an Hen Reichstag richtet, sei hier die Wiedergabe einer kleinen, vielleicht nur dürftigen Blumenlese ge⸗ stattet aus Verdikten, welche die Koryphäen der Wissenschaft seit Dezennien bis auf den heutigen Tag gegen die Vivisektion geschleu⸗ dert haben. Nelaton, der berühmte Pariser Chirurg, bewies dem bekannten Viviseltor Claude Bernard, daß alle auf die Experimentalphysiologie gegründeten Systeme falsch seien. Strauß⸗Dürkheim, der deutsche Anatom, erklärte, daß aus der ab⸗ scheulichen Methode der Vivisektion nichts zu erlernen sei. Denn im Organismus von Thieren, die in einen so furchtbaren Zustand versetzt sind, müssen alle organischen Funktionen gänzlich gestört sein und können folglich nichts richtiges Neues lehren. Trotzdem quäle man aus Neugierde, aus Gewohnheit, aus Mode.

Der große Jatros sagt, daß für alle die entsetzlichen qualvollen Leiden der Millionen von Thieren, die in den letzten Jahrzehnten über ganz Europa den utopischen Zwecken der Vivisektion und der Eitelkeit so vieler nach einem wissenschaftlichen Namen strebender Forscher geopfert worden sind, nicht eine einzige Stunde eines Menschenlebens aufgewiesen werden kann, die dadurch gewonnen oder erträglicher gemacht worden wäre.

Nach einer schon im Jahre 1876 in England geführten großen amtlichen Untersuchung hat sich herausgestellt, daß sich fogar die be—⸗ rühmtesten Vivisektoren nicht blos der allergrößten Schandthaten schuldig gemacht, sondern sogar ohne alle zwingende Nothwendigkeit die allergrausamsten Vivisektionsmethoden ausgeübt haben. Es sind da in vielen tausenden von Fällen ganz unfägliche Greuel, verübt von europäischen Kulturmenschen, ans Tageslicht gezogen worden, die als ein Schandfleck und als ein schreckliches Gegenzeugniß auf der vielgepriesenen Kultur unserer Zeit haften.

Der berühmte Professor Magendie, der nicht das geringste Resul⸗ tat für Linderung menschlicher Leiden aus seinem ruchlosen Betriebe der Vivisektion zu bieten hatte, behauptete, daß die Vivisektion allen Werth verliere, wenn sie mit Narkotisiren der Thiere betrieben würde. So nagelte er denn auch ein, nicht narkotisirtes feines nervöses Wachtelhündchen, mit dessen vier Pfoten und seiden⸗ weichen Ohren auf, den Tisch, um seinen Schülern in bequemerer Weise das Durchschneiden der Augennerven, das Aufsägen des Hirnschädels, das Zerschneiden des Rückgrades, und insbesondere das Bloslegen der verschiedenen Nervenbündel zu demonstriren. Die Narkose, demonstrirte er, würde Faktoren lahm legen, die wir alsdann nicht mehr beobachten könnten.

Claude Bernard erfand einen gut konstruirten Ofen, um den langsamen Tod warmblütiger Thiere durch Hitze zu studiren. Auf Seite 358 seines Buches finden sich die Details von 17 in diefem Ofen gebackenen nicht narkotisirten Hunden und von 22 dergleichen gebackenen Kaninchen. Er beschreibt, daß, falls der Kopf des Thieres sich außerhalb des Ofens gezwängt befand, dasselbe noch manchmal bis zum nächsten Tage leben konnte.

Die Narkose ist nach Ansicht der Vivisektoren überhaupt ver— werflich. Professor Brachet suchte die Grenzen der Anhänglichkeit des Hundes dadurch festzustellen, daß er seinem Hunde erst die Augen ausgrub, alsdann dessen Gehörorgan zerstörte, und nach diesem das Thier noch monatelang mit allen möglichen Martern quälte. Das von ihm berichtete Resultat war, daß ihm das Thier nach allem diesen noch die Hand leckte. Er beschreibt nicht weniger als 200 ähnliche inter— essante Versuche an anderen Hunden, und stellt noch das, wie er meinte, wichtige Faktum fest, daß eine trächtige Hündin, welcher er den Leib aufschnitt, noch sterbend die zur Welt geförderten Kleinen leckte.

Amtsblatt des Reichs-Postamts. Nr. 15. Inhalt: Verfügungen: Vom 25. März 1883. Uebernahme der Gefahr bei der Porto⸗ ꝛc. Stundung auf die Postkasse Vom 28. März 1883. Eröff nung der Eisenbahnstrecke Kedingen —-Teterchen. Vom 27. März 1883. Eröffnung der Eisenbahnstrecke Marburg (Cölbe) Laakphe. Vom 27. März 1883. Verpackung der Brucksachen⸗ Sendungen nach dem Aueflande,. Vom 25. März 1883. Errichtung einer Post⸗ und Telegraphenanstalt auf dem Ausstellungsplatze zu Zürich. Be⸗ scheidungen: Vom 24 März 1883. Auskunftsertheilung Seitens der Kaiserlichen Ober⸗Postdirektionen an Kandidaten der höheren Post bez. Telegraphen⸗Verwaltungsprüfung.

Statistische Nachrichten.

Das Februarheft der Monatshefte zur Statistik des Deut schen Reichs enthält außer den regelmäßig für die einzelnen Monate wiederkehrenden Nachweisungen einen Aufsatz über die Ent weichungen von Seeleuten der deutschen Handelsmarine im Jahre 1881 und eine Mittheilung über das Ergebniß der montan⸗ statistischen Erhebungen im Jahre 1882.

Den Ausweisen des Bureau Veritas“ zufolge sind im Februar 154 Segelschiffe, darunter 16 deutsche, 3 österreichische, 5 niederländische und 2 russische, sowie 21 Dampfer, worunter zwei deutsche, untergegangen.

Kunft, Wissenschaft und Literatur.

Geschichte des Königlichen 3. Thüringischen Infan— terie⸗Regiments Nr. 71. Zusammengestellt von Maximilian gon Loefen, Hauptmann und Compagnie ⸗Chef im 3. Thüringischen Infanterie⸗Regiment Nr. 71. Berlin. Ernst Siegfried Mittler und Sohn. Königliche Hofbuchhandlung. Preis 6 A 50 J. Das genannte Regiment gehört bekanntlich zu denjenigen Truppentheilen der preußischen Arniee, welche ihre Formation der Armee⸗Reorgani⸗ sation vom Jahre 1859 verdanken. Es blickt demnach zwar auf ein nur verhältnißmäßig kurzes Alter von kaum 24 Jahren und doch auf eine reiche Geschichte zurück, denn es war ihm vergönnt, an den großen triegerischen Ereignisfen der Jahre 1866, 1876 und 1871 ibäͤtigen und ruhmvollen Antheil zu nehmen Nur eine lleine Zahl derjenigen Kameraden, welche die glorreichen Feldzüge in den Reihen des Regiments mitgekämpft, gehört heute. noch demselben an, und nicht gar so lange vielleicht wird es währen, daß auch diese Wenigen aus dem Regimente ausgeschieden sind und die junge Generatson die Thaten jener Zeit nur noch aus der Geschichte kennt. Deshalb ist es ein verdienstliches Ünternehmen des Verfassers, in dem vorliegenden Buch aus der einschlagenden militärischen Literatur und dem bei dem Regimente vorhandenen NVaterial, welche er mit großer Sorgfalt und Lust und Liebe zur Sache benutzt hat, die Geschichte des Regiments, deren hervor- 1agendsten Momenten er selbft thänig beigemchnt hat, in üben sichtiicher Darstellung zusammenzufassen. Die Andordnung des Inhalts ist sach⸗ gemäß eine chronologische. Nach einem einleitenden FRapites, in dem über die Enistehung des Regiments berichtet wind, ist die weitere Darstellung auf fünf, in ihrem Umfange freilich fehr ungleiche Än⸗

schnitte vertheilt, deren erster in gedrängzzter Kürze von den fünf Friedens jahren 1861 1865 erzählt. Den Feldzug gegen Oesterreich 1866 behandelt der nächste Abschnitt. Dann folgt ein kurzer Bericht über die Friedensjahre von 1867 bis zum Sommer 1870, dem sich der Haupftheil des Buches, die Darstellung des Feldzuges von 1870571 anschließt. Die Friedensjahre von 1871 bis 1882 bilden den Gegen⸗ stand des kürzeren letzten Kapitels Als Anlagen sind dem Buche, welches dem ersten Commandeur des Regiments, dem nunmehrigen Ge⸗ neral der Infanterie und kommandirenden General des IV: Armee Corps, Hrn. von Blumenthal gewidmet ist, verschiedene Listen und Verzeichnisse sowie Pläne zum Gefecht bei Podol, zur Schlacht bei Königgrätz, zum Gefecht bei Preßburg und eine Uebersichtskarte zu der Schlacht bei Königgrätz beigegeben.

Land⸗ und Forstwirthschaft.

Vom Rhein wird den ‚„Hamb. Nachr.“ geschrieben: Die Wein⸗ berge sehen trotz geringer Wärme prächtig aus. Vielver sprechend sind namentlich die Autsichten in Rüdesheim; Bogreben sind reichlich vorhanden und dabei sehr engäugig, was erfahrungsgemäß auf eine reiche Ernte schließen läßt. Die . Kälte in voriger Woche hat bis jetzt nichts geschadet. Auch das Jahr 65 hatte zur selben Zeit schneidigen Ostwind, es folgte aber ein heißer trockener Sommer mit feurigem 65 er.

Die schon erwäbnten, von dem Vereine für Sozialpolitif ver⸗ öffentlichten Berichte über Bäuerliche Zustände in Deutschland“ ent— halten u. A. auch eine Abhandlung über Die bäuerlichen Ver— hältnisse in der bayverischen Rheinpfalz“ von Hrn. Senats ⸗Präsidenten Peters en in Colmar i. E. Wir entnehmen dieser verdienstlichen Arbeit folgende Ausführung über die Verschul⸗ dung der dortigen Bauerngrundstücksbesitzer, soweit diese Verschuldung nicht auf hypothekarischer Haftung beruht: Die Frage, ob die Bauern, abgesehen von der hypothekarischen Verschuldung, noch weiter verschuldet sind, ist bezüglich der Pfalz zu bejahen. Es wird vielfach Geld gegen Ausstellung eines Schuldscheins aufgenommen, weil die zum regelmäßigen Betrieb der Wirthschaft erforderlichen Mittel nicht immer ausreichen. Inebesondere werden nach ungünstigen Ernten oder im Falle unvorhergesehener Aus— gaben solche Anleihen gemacht. Neben den Darlehnsschulden kommen die in Folge des Ankaufs von Vieh geschuldeten Beträge in Betracht, welche im Ganzen eine erhebliche Rolle spielen. Besondere Darlehnskassen für Landwirthe, insbesondere solche nach dem System von Raiffeissen, giebt es in der Pfal; nicht. Die in größerer Zahl vorhandenen Vorschuß- und Kreditvereine, welche dem von Schälze⸗ Delitzsch geleiteten deutschen Genossenschaftszerband angehören, geben vielfach auch Landwirthen auf 3—6 Monate Vorschüsse. Ebenso werden solche von den sog. Hülfskassen bewilligt, wo solche bestehen. Aber auch abgesehen davon, ist es in den meisten Theilen der Pfalz um den Personalkredit nicht schlecht be— stellt, da auch städtische Kapitalisten und wohlhabende Bauern häufig Geld auf Schuldscheine ausleihen. VAus verschiedenen Gegenden wird berichtet, einem einigermaßen gut beleumundeten Landwirth sei es leicht, von Priratleuten auf einfachen Schuldschein und zum gewöhnlichen Zinsfuß Geld zu erhalten. Dessenungeachtet wird die Errichtung von bäuerlichen Darlehenskassen vielfach als wünschenswerth bezeichnet, weil man glaubt, dieselben würden auf die Art und Weise, in welcher der Kredit in Anspruch genommen wird, heilsam einwirken und die Landwirthe mehr daran gewöhnen, gegen Baarzahsung einzukaufen. Besonders wird davon ein günstiger Einfluß in Beziehung auf den Ankauf von Vieh erwartet, der meist unter Inanspruchnahme von Kredit erfolgt. Ueber dieses Verhältniß. das von mehreren Seiten als ein „Erbübel“ bezeichnet wird, werden vielfache Klagen erhoben. Es unter— liegt keinem Zweifel, daß viele Viehverkäufer das durch die Geschäfte— verbindung begründete Schuldverhältniß dazn benutzen, den Bauer immer mehr von sich abhängig zu machen und dann auszubeuten, und daß in nicht seltenen Fällen diese Ausbeutung die Verarmung, ja den Ruin des Bauern herbeiführt. Bei dem Verkauf von Produkten. insbesondere bei dem Verkauf von Frucht und Vieh, sind die Bauern häufig von Vermittlern abhängig. Jedoch kann diefes Ver— hältniß nicht leicht zur Verarmung führen. Wo dagegen die Ab— hängigkeit von einer bestimmten Person begründet wird, wie es bei dem Verhältniß zum Viehhaͤndler häufig der Fall ist, hat diese häufig eine fortdauernd steigende Verschuldung des Bauern zur Folge. Dieser wird dann fort und fort zu neuen, immer nachtheiliger werdenden Geschäften (besonders zu Tausch— händeln) genöthigt, bis die Schuld so hoch gestiegen ist, daß ein weiterer Geschäfts verkehr nicht mehr als vortheilhaft erscheint. Dann wird dem armen Opfer, wie man in der Pfalz sagt, „der Hals zugezogen“. Gegen derartige Ausbeutungen durch herzlose Blutsauger gewährt das Wuchergesetz, dem sonst vielfach wohlthätige Wirkungen zugeschrieben werden, häufig keinen Schutz. Fortschreitende Einsicht in die Ver— derblichkeit derartiger Verbinzungen wird die Sahl der Personen, welche den wucherischen Händlern zum Opfer fallen, wohl noch etwas mehr vermindern, als es schon geschehen ist. Aber auc in dieser Richtung würden bäuerliche Darlehnskasfen, welche es dern Landwirth erleichtern, gegen Baarzahlung zu kaufen und sich, wenn er in die Klauen eines ‚Blutsaugers“ gefallen ist, noch rechtzeitig aus denselben u befreien, unzweifelhaft wohlthätig wirken.

Gewerbe und Handel.

Vom Berliner Pfandbrief⸗Institut sind bis Ende Mär; 1883 77 105 AM. 3300, 15 238 So M. J M, 44 3095 SCG 41 a o und 9198 900 S 576, zusammen 69 038 700 M Pfandbriefe ausgegeben, wovon noch 77100 6. 3 o/o, 15 185 196 6 40e, 656 8õ2 900 M. 41ñ2½ und 6 942 600 M 50/0, zusammen 59 957 700 Vfandhriefe verzinslich sind. Es sind zugesichert, aber noch nicht ab— gehoben 724 206

Mannheim, 3. April. (W. T. B.) In der heutigen Ge— neralversammlung der Badischen Bank wurde die Dividende pro . 65 Y oder 19 S per Aktie, zahlbar vom 1. Mai ab, fest— sesetzt.

Teplitz, 3. April. (W. T. B.) Die Generalversammlung der Dux-⸗Bodenbacher Bahn hat die Anträge des Verwaltungs raths wegen Auszahlung einer Dividende von 75 genehmigt.

Amster dam, 3. April. (W. T. B.) Die Rieder län— dische Bank hat den Diskont von 5 auf o herabgesetzt.

Glasgow, 3. April. (W. T. B.) Das gestrige Glasgow—

Telegramm ist dahin zu berichtigen, daß die Roheifenver— schiffungen in der vorigen Woche 8500 gegen 1010 t in der ent sprechenden Woche des Vorjahres betrugen. New: Jork, 3. April. (W. T. B.). Der Gesammtbetrag der in Folge der jüngsten Bekanntmachung des Schatzsekretärs Folger zur Einlösung offerirten Bonds beläuft sich auf 2 960 600 Dollars mit Einschluß der vom Staate New⸗Jork offerirten im Be⸗ trage von 2 265 990 Dollars. Nach Erklärungen von Schatzbeamten spricht diese Thatsache dafür, daß die Geldknappheit eine mehr künst⸗ liche als wirkliche sei. Der Werth der in der vergangenen Woche hier ausgeführten Produkte beträgt 5 753 000 Dollars.

. Verkehr s⸗Anstalten. Tilsit, 3. April. (W. T. B.) Der Eisgang der Memel hat begonnen; Ueberschwemmungsgefahr ist nicht vorhanden. Southampton, 3. April. (W. T. B.) Der Dampfer des Norddeutschen Lloyd „Rhein ' ist hier eingetroffen.

Berlin, 4. April 1883.

Stand der Saaten in Ungarn.

Aus dem im „Közgazdasägi Ertesitö“ („Volkswirthschaft⸗ licher Anzeiger“) vom 22. März 16883 Nr. 12 enthaltenen amtlichen Berichte über den gegenwärtigen Stand der Saaten in Ungarn theilen wir folgenden Auszug in der Ueber—

setzung mit:

„Laut den in der Zeit vom 6. bis 18. d. M. im Handels⸗ Ministerium eingelangten Berichten haben trockene Fröste und nördliche Winde die Saaten an mehreren Orten schädlich beeinflußt; an manchen Orten haben die Saaten die grüne Farbe verloren und vergilbten, an manchen Orten sind sie schütter ö und theils erfroren dieselben. Der schäd⸗ liche Einfluß der Kälte macht sich insbesondere bei den zarten Repspflanzen bemerkbar. Der vorwöchentliche Schneefall hat die Saaten zumeist günstig beeinflußt. In Folge dieses Schnee⸗ falles waren die Landwirthe genöthigt, die bereits begonnenen Frühjahrsarbeiten zeitweilig einzustellen; seither ist milderes Wetter eingetreten und die Arbeiten konnten wieder aufge⸗ nommen werden. Ueber Mangel an Futterstoffen laufen be—⸗ ständig Klagen ein.

Preußische Klassenlotterie. (Ohne Gewähr.)

Bei der heute angefangenen Ziehung der 1. Klasse 168. Königlich preußischer Klassenlotterie fielen:

1 Gewinn von 9000 MS auf Nr. 76 825.

1 Gewinn von 3600 M auf Nr. 87 865. ö . Gewinne von 300 auf Nr. 1982. 59 216. 76141.

Der . . 12. Kongreß der deutschen Gesellschaft für Chirurgie hat heute unter Vorsitz des Wirklichen Geheimen Raths von Langenbeck in der Aula der Universität seine Sitzungen begonnen. Die Mitglieder der Gesellschaft hatten sich aus allen Theilen Deutschlands zahlreich eingefunden. Der Vorsitzende berichtete über das Ergebniß der auf Veran— lassung Ihrer Majestät der Kaiserin erlassenen Preisaufgabe über die Diphtheritis. Nach langen Berathungen und nach wiederholten Ausschreiben sei die Jury schlüssig geworden, der Arbeit mit dem Motto „Was man nicht weiß . . .“ den Preis zuzuerkennen. Als Verfasser der Schrift habe sich der Professor Dr. Heubner in Leipzig erwiesen. Der Vorsitzende widmete sodann dem verstorbenen Pro— fessꝗ von Bruns-Tübingen Worte ehrender Anerkennung, denen sich die Versammlung durch Erheben von den Sitzen an— schloß. Auf Vorschlag bes Geheimen Ober Medizinal⸗Raths Dr. Barde⸗ leben wurde sodann unter allseitiger Zustimmung Hr. von Langenbeck von teuem mit dem Präsidium betraut; zum stellvertretenden Vorsitzenden wurde Dr. Thiersch-Leipzig, zu Schriftführern Prof. Dr. Gurlt⸗ Berlin und Prof. Dr. Schönborn-Königsberg und zum Kassenführer Prof. Dr. Küͤster⸗Berlin ernannt. Alsdann trat die Versammlung in die wissenschaftliche Tagesordnung ein, in der zunäͤchst über Kropf— exstirpation verhandelt wurde.

. Der Elsässische Verein für Geflügel- und Vogelzucht veranstaltet im Tivoli zu Straßburg i. E. in der Zeit vom 25. bis 29. April 1883 eine allgemeine Geflügel- und Vogelausstellung, die mit einer Verloosung verbunden sein wird. Zur Ausstellung werden zuge⸗ lassen: Hühner, Perlhühner, Fasanen, Fruthühner, Enten, Gänse, Tauben, in. und ausländische Sing, und Ziervögel, ferner ausgestopfte Vögel, geschlechtetes. gemästetes Geflügel, Geräthschaften, 6G. B. Brutapparate, künstliche Glucken) sowie Produkte, die zur Zucht dienen, endlich die Fachliteratur. Die zur Ausstellung bestimmten Thiere und Gegenstände müssen längstens bis zum 15. April bei dem Vereinz—⸗ Präsidenten Frhrn. von Berg in Straßburg i. E., Lazarethwallstraße 1, angemeldet werden.

Nizza, 3. April. (W. T. B.) Während des Gottesdienstes brach heute in der Kirche Feuer aus, wodurch eine große Panik entstand. Beim Herausdrängen aus der Kirche wurden 20 Personen verwundet, darunter mehrere tödtlich; eine Person kam bei dem Unfall ums Leben.

Poltawa, 3. April. (W. T. B.) Die Ueberschwem mung in der Umgegend nimmt einen besorgnißerregenden Charakter an. Die Verbindung mit Charkow ist seit 4 Tagen, die mit Krementschug seit acht Tagen unterbrochen. Die zwei Werst von Poltawa befind⸗ liche eiserne Brücke ist durch das Wasser beschädigt worden. Viele Passagiere befinden sich in Kobeljak.

Im Opernhause kamen gestern neu einstudirt „Die Kron— diamanten“ von Auber nach 13ähriger Unterbrechung wieder zur Aufführung, vermochten jedoch das mit großen Erwartungen zahlreich erschienene Publikum nicht so recht zu erwärmen. Das Werk stammt aus, der späteren Schaffenszeit, des liebenswürdigen französtschen Meisters und trägt deutlich die Spuren des Alters an sich. Der Fluß der Melodien ist schwerer, ihre Erfindung nicht so reich und anmuthig wie in den früheren Werken, ja häufig geradezu trivial. Dag . Textbuch aber ist von einer romantischen Abenteuer⸗ lichkeit, welche vor dem modernen Skepticismus einen schweren Stand hat. Gleichwohl würde das zierliche Werk, mit der rechten Verve, welche die französische Spieloper verlangt und von einem flotten , gespielt, gewiß seine Wirkung nicht verfehlt haben; indessen trafen in dieser Beziehung eigentlich nur Hr. Salomon (Bazano), der sich auch um die Inscenirung verdient gemacht hat, und Hr. Ernst (Enrique) den angemessenen leichten Ton. Frl. Tagliana, die Trägerin der Hauptrolle der Theophila, erschien nicht günstig disponirt oder hat an ihrem Organ starke Einbuße erlitten. Als technisch durchgebildete Koloratursängerin fand sie jedoch mit einer italienisch gesungenen Einlage wohlverdienten Beifall. Sehr anmuthig war Frl. Pollack als Diana, welche namentlich in dem Duett mit Theophila im zweiten Akt excellirte. Auch Hr. Krolop nahm die gesanglich nicht eben be⸗ deutende Partie des Rebolledo etwas zu schwer und gewichtig, zeichnete sich aber im Diglog durch eine besonders sonore und deutliche Aus⸗ sprache aus. Ob die Oper sich auf dem Repertoire erhalten wird, läßt sich nach der lauen Aufnahme schwer voraussagen.

Am Montag, den 9. d. Mts., Abends 7 Uhr, findet im Saale der Sing Akademie das 53. Abonnements⸗Concert des Phil⸗ harmonischen Orchesters unter Direktion des Prof. Joachim statt. Zum Vortrage gelangen: 1) J. S. Bach, Conęert für Violine (moll), Prof. Joachim. 2) Mendelssohn, Sinfonie (A-moll). 3) Brahms, Akademische Fest Ouverture. 9 Schumann, 9 (B dur). Billets zu 3 und 2 M sind in der Sing⸗Akademie zu haben.

Redacteur: Riedel.

Verlag der Expedition (Kessel). Druck: W. Elsner Vier Beilagen leinschließlich Börsen⸗ Beilage), und das Posiblatt Nr. 2.

Berlin:

M 79.

ErstGte Beilage zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

Berlin, Mittwoch, den 4. April

1883.

Aichtamtlich es

Preußen. Berlin, 4 April. Im weiteren Ver⸗ laufe der gestrigen (ö56.) Sitzung des Reichstags trat bas Haus in die erste Berathung eines Gesetzes, betreffend die Abänderung des Zolltarifs (Holzzölle) ein.

Die Zollsaͤtze betrugen bisher seit dem 1. Oktober 1879 für Bau⸗ und Nutzholz roh oder nur mit der Axt bearbeitet O, 10 M für 100 kg, für Bohlen, Bretter, Faßholz O, 25 A für 100 kg. Geschnittene Fourniere 6 M für 100 kg, Korb⸗ , und Reifenstäbe ungeschält 0, 265 M, geschält 3 AM für

00 kg.

Der §. 1 des neuen Gesetzes lautet:

An die Stelle der Nr. 136. des Zolltarifs treten folgende Bestimmungen: ;

Bau und Nutzholz wird verzollt: 1) roh oder blos mit der Axt vorgearbeitet 100 kg O, 30 A oder 1 fim 1,80 M, 2) gesägt oder auf anderem Wege vorgearheitet oder zerkleinert; Faßdauben und ähnliche Säge⸗ oder Schnittwaaren, auch ungeschälte Korb⸗ weiden und Reifenstäbe: 100 kg 0, 70 A, oder 1 fin 4.20 M.

Anmerkung zu e. 1 und 2. Mengen von nicht mehr als 50 kg, nicht mit der Eisenbahn eingehend, für Bewohner des Grenz— bezirks, vorbehaltlich der im Falle eines Mißbrauchs örtlich anzu— ordnenden Aufhebung der Beschränkung dieser Begünstigung frei..

Demgemäß soll also der Zoll für rohe oder mit der Axt bearheitete Hölzer auf das Dreifache, der für Bohlen, Bretter, Faßdauben und ungeschälte Korbweiden von 25 „6 auf 6,70 M6 erhöht werden, dagegen die höheren Zollsätze für Fourniere und geschalte Korbweiden bestehen bleiben.

Der Kommissar des Bundesraths, Ober-Forstmeister Dr. Danckelmann, erklärte, der Gedankengang, welcher die Regie⸗ rung zu dieser Vorlage geführt habe, lasse sich kurz in Fol— gendem zusammenfassen: Die deutsche Waldwirthschaft befinde sich in einer Nothlage, hauptsächlich in Folge von Einfuhr ausländischen Holzes. Die bisherigen Holzzölle hätten keinen wesentlichen Nutzen gebracht, dagegen werde ein solcher Nutzen von der hier vorgeschlagenen Erhöhung der Zölle erwartet. Die durch den Zoll belasteten Erwerbsklassen seien im Stande, den erhöhten Zoll zu tragen. Es handle sich in der That hier um die Frage, ob die deutsche Waldwirthschaft mit ihren 14 Millionen Hektaren intakt bleiben solle oder nicht. Die Waldreinerträge aus Nutzholz seien in Deutschland vielfach bis unter den Nullpunkt gesunken, so daß der Betrieb der Wald⸗ wirthschaft stellenweise mehr koste als einbringe. Man dürfe hier nur nicht den überspannten Maßstab der sogenannten Gründer⸗ jahre anlegen. Wenn man aber die heutigen Verhält— nisse mit denen der Jahre 1862 65 vergleiche, wo auch Holz⸗ zölle bestanden hätten, so sei das Ergebniß geradezu entmuthi⸗

end für Jeden, der den engen Zusammenhang zwischen der Wohlfahrt des Waldes und des Landes kenne. Die Wald— reinerträge seien nämlich seit jener Zeit gesunken, in den Staatsforsten Preußens von 1090 auf 89, in Bayern auf 83, in Baden auf 77, in Württemberg auf 66, in Gotha auf 60, in Hessen auf 54. Indessen wolle er das Haus mit diesen Spezialverhältnissen nicht länger in Anspruch nehmen. Er wiederhole ausdrücklich, unter der Zusammenwirkung der tief gesunkenen Nutzholzpreise einerseits, der stets gestiegenen Wirthschaftskosten andererseits sei in vielen Gegenden Deutsch⸗ lands die Waldwirthschaft eine Verlustwirthschaft geworden. Der Waldboden trage dort nicht nur keine Rente, son— dern decke sogar nicht einmal mehr die Wirthschafts— kosten. Der einer Gemeinde im Osten gehörige Stadtwald, der an zwei Chausseen und zwei Eisen⸗ bahnen und an der großen Wasserstraße liege, auf der jährlich 200 000 fi galizischen Nutzholzes in die waldreiche Mark Brandenburg eingeführt würden, dieser Wald koste der Gemeinde pro Hektar bereits 30 S Zubuße. Derselbe sei allerdings auf nur mittelmäßigem Boden gelegen. Trotzdem pflege die Gemeinde den Wald auch jetzt noch, obgleich sie 200 Proz. der Staatssteuern an Kommunalsteuern zahle, unter dem Zwange des Gemeindewaldgesetzes und in der Hoffnung auf bessere Zeiten. Die jetzige Forstwirthschaft lebe ja überhaupt nur noch von den Errungenschaften der Ver— gangenheit und der Hoffnung auf die Zukunft. Der Nothstand, an dem die deutsche Waldwirthschaft kranke, hänge mit verschie⸗ denen theils vorübergehenden, theils dauernden Ursachen zu⸗ sammen. Zu den vorübergehenden gehöre die allgemeine wirth⸗ schaftliche Krise; sie sei deshalb hier weniger von Bedeutung, weil die Waldwirthschaft der Spekulation nicht sehr zugänglich ei. Dauernde und tief eingreifende Ursachen des Nothstandes eien aber die steigende Verwendung der Mineralkohle als

rennmaterial und des Eisens für bauliche Zwecke, wodurch Brennholz und Nutzholz immer mehr zurückgedrängt würden. Hiergegen könne Seitens der Verwaltung Nichts gethan werden. Dagegen müsse das Haus um so entschiedener den Hebel an dem Punkt ansetzen, wo es wirklich zur Beseitigung der Noth beitragen könne; man müsse Maßregeln treffen gegen die Ueber süllung des einheimischen Marktes mit ausländischem Nutzholze. Diese starke r senfufr entspringe nicht einem volkswirthschaftlichen Bedürfnisse, sondern sei großentheils künstlich durch Spekulation und durch ausländische Raub⸗ wirthschaft herbeigeführt worden. Noch vor 20 Jahren sei die Ausfuhr an Nutzholz aus dem deutschen Zollgebiet größer als die Einfuhr gewesen. Seit der fast gänzlichen Beseitigung der Holz⸗ zölle im Jahre 1865 sei die deutsche Waldwirthschaft im Rückgange. Der Holzzoll, den man im Jahre 1879 zur Erhaltung der Wälder eingeführt habe, habe wenig oder nichts genützt. Der Widerspruch, der sich von freihändlerischer Seite gegen jenen

oll erhoben habe, sei denn auch mehr gegen das Prinzip an ich, als gegen die Höhe des Zolls gerichtet; und wenn die Regierung nicht schon damals einen höheren Zollsatz in Vor⸗ schlag gebracht habe, so habe sie dies nur in der Hoffnung gethan, die in Verbindung mit der Zollreform durchgeführte Befeitigung der Differentlaltarife und der Refaktien auf den Eisenbahnen würde auch jenen niedrigen Zoll wirksam machen. In dieser Hoffnung habe man sich getäuscht. Alle sachverstän⸗ digen Fachleute seien darin einig, daß der Holzzoll von 1879 zu niedrig gewesen sei, um die übermäßige Holjeinfuhr etwas zurückzudrängen. Das beweise das sast einstimmige Votum der Versammlung deutscher Forstwirthe am 31. August v. J. Die Regierung sei daher zu der Ueber⸗

zeugung gelangt, daß das einzig wirksame Mittel gegen den Nath⸗ stand der Waldwirthschaft die Zollerhöhung sei. Selbst wenn man den Zollgegnern zugestehe, daß Zölle an sich ein Uebel seien, würde es sich hier doch nur darum handeln, ein geringeres Uebel zuzulassen, um ein weit größeres, nämlich den Verfall des Waldes und das Versiegen der im Walde liegenden Quellen des Volkswohlstandes zu verhüten. In Rußland, Oesterreich, Schweden und Norwegen, überall hätten die Einnahmen aus den Forsten gewaltig zugenommen. Die betreffenden Ziffern ließen auch keineswegs die Erwartung aufkommen, als ob die ausländische Einfuhr in Folge des Ruins der dortigen Wälder sich in absehbarer Zeit ver⸗ mindern werde. Ganz entschieden müsse er bestreiten, daß der Zoll zur Waldverwüstung beitragen werde. Wann würden denn die Wälder verwüstet? Nicht bei angemessenen Holz— preisen, sondern bei Schleuderpreisen, wenn die Besitzer ge⸗ nöthigt seien, um bestimmte Geldsummen zu erlangen, große Waldpartien auszuroden, und wenn die Ertraglosigkeit des Waldes zur Unterlassung des Wiederan baues führe. Ob nun die vorgeschlagenen Zölle genügen wür— den um dem Absatz des inlännischen Nutzholzes Raum zu schaffen, ohne mehr wie nöthig das ausländische zurück— zudrängen, das zu prüfen, werde Sache der Spezialdiskussion sein. Er bemerke nur, daß die vorgeschlagenen Zollsätze 10 Proz. niedriger seien, als diejenigen, welche von den be— treffenden Interessenten im Jahre 1879 als angemessen be— zeichnet seien. Auch in Dänemark, Belgien, den Vereinigten Staaten seien die Holzzölle viel höher, als die Reichsregierung sie jetzt beantrage. Man könne daher den vorgeschlagenen Zollsatz als einen sehr mäßigen ansehen. Die Regierung sei sich voll bewußt, daß nicht blos die Nothlage der Waldwirth— schaft, sondern auch die Rückwirkung der Zölle auf die übrigen Zweige des Lebens und Erwerbs sorgfältig zu berücksichtigen sei. Welche Interessentengruppen träten aber gegen und welche für die Holzzölle ein? Gegen die Holzzölle wende sich nur eine kleine, aber mächtige Partei; Vertreter des Großkapitals, des ausländischen Holzhandels und der See-Industrie, so⸗ wie die Besitzer der großen Dampfsägewerke an den Wasserstraßen, welche das ausländische Holz passire. Diesen gegenüber ständen die weit zahlreicheren Vertreter des Handels und der Industrie mit inländischem Holze. Eine Petition dieser Interessenten aus dem bayerischen Walde verlange sogar einen noch weit über Vorschläge der Reichs—

regierung hinausgehenden Holzzoll. Gänzlich unbegründet sei

die Behauptung von der Unzulänglichkeit der deutschen Wald— wirthschaft und der Nothwendigkeit des großen Imports. Nur völlige Unkenntniß des Waldes und der Erwerbs verhältnisse des Landes mache jene Behauptung möglich. Auf diesem Gebiete könne leicht der vorgeschlagene Schutzzoll ein Belehrungszoll für nationale Vorurtheile werden. Denjenigen, welche Deutschland zumutheten, den Nothstand ruhig weiter zu ertragen, sage er noch, daß die deutsche Holzindustrie kein schwererer Schlag treffen könnte, als wenn die Waldeigen— thümer genöthigt würden, ihren Forstbetrieb einzu— stellen. Es werde ferner behauptet, der Holzzoll sei ein bloßes beneficium für die Großgrundbesitzer, und eine Last für die Gesammtheit. Diese Behauptung habe mit manchen anderen das gemein, daß ihre Wirkung zunehme mit der All— gemeinheit der Fassang. Solche Behauptungen könne man nur mit Zahlen und Thatsachen widerlegen. Nach der Sta— tistik des deutschen Fabrikbesitzstandes gehörten von den ge— sammten Forsten Deutschlands dem Staate 32 Proz., den Ge— meinden 19 Proz., dem Kleingrundbesitz 28 Proz. Es ver— blieben somit für den Großgrundbesitz nur 21 Proz. aller Forsten. Gerade für den Wald der Bauern und kleinen Leute sei der Holzzoll im höchsten Grade wichtig. Der Wald gebe dem Kleingrundbesitzer sehr ost die Mittel, um Verluste auf anderen Gebieten auszugleichen. Daher denn auch die vielen Petitionen von Kleingrundbesitzern zu Gilnsten der Holzzölle. „Die Noth habe die Kleingrundbesitzer beredt gemacht“, heiße es in einer dieser Petitionen; und in der That werde darin klar und deutlich bewiesen, wie einerseits durch das Aufhören der Holzkohlenindustrie in vielen Bezirken, andererseits durch die Einfuhr fremden Brenn- und Nutzholzes viele kleine Waldhesitzer dem Ruin entgegengeführt würden, wenn ihnen nicht Hülfe komme. Man verweise auf die Vertheuerung des Holzes für den Konsumenten durch den Zoll. Brennholz scheibe hier ja aus; für Brennholz wolle die Reichsregierung keinen höheren Zoll. Der Zoll auf Nutzholz aber könnte den Miethswerth einer Arbeiterwohnung äußerstenfalls um 2 jöhrlich steigern, und auch der Preis für das Mobiliar einer Arbeiterwohnung könnte höchstens um zwei Mark im Ganzen dadurch erhöht werden. Die Hauptsache aber bleibe doch, daß der Wald der Träger von Arbeit sei, auch der Wald der Großgrundbesitzer. Der deutsche Wald liefere einer Million Menschen das tägliche Brot; derselbe gebe zahlreichen kleinen ländlichen Besitzern die Möglichkeit einer selbständigen Fort⸗ existenz; derselbe trage allenthalben zur Milderung der Armuth bei. Nach den Rechnungen, welche in den Staatsforsten von Preußen, Bayern, Sachsen, Elsaß-Lothringen, Württemberg und Baden in den letzten Jahren geführt worden seien, lasse sich der Arbeitsverdienst der Waldarbeiter in diesen Forsten veranschlagen für Holzfällung u. s. w. auf 57 Millionen Mark, für Holzanbau und Wegebau auf 34 Millionen Mark, im Ganzen für Waldarbeit auf 91 Millionen Mark. Dazu komme der Arbeitsverdienst fuͤr Waldnebennutzungen mit min⸗ destens 29 Millionen Mark und verschiedene andere Portheile, die der Wald den Tage⸗ und Handarbeitern gewähre. Im Ganzen werde man nicht zu hoch gegriffen haben, wenn man die Gesammtleistung des Waldes für diese Leute auf jährlich 189 Millionen Mark schätze. Drei Viertel dieser Arbeit falle dabei in den Winter hinein, wo sonst auf dem Lande der Er⸗ werb großentheils ruhe. Was bedeute dieser sozialen Leistung des Waldes gegenüber der Nutzen, den die arbeitenden Klassen etwa aus dem Engroshandel mit ausländischem Holz ziehen könnten? Welche Aussichten eröffneten sich für Beutschland, wenn durch den Verfall der Waldwirthschaft ein großer Theil deutscher Arbeiterbevöllerung brotlos werde? Wenn man die Gerechtigkeit einer Last nach ihrer Nothwendigkeit, der Art ihrer Veriheilung und ihrer Gemeinnützigkeit abmesse, so müsse

man sagen, kein Zoll sei gerechter als der Holzzoll. Derselbe ver⸗ theile sich, so weit ihn überhaupt die Nation trage, auf eine große Gesammtheit; der Zoll sei nothwendig für die Erhaltung des Waldes, und von den Gütern der Nation sei gerade der Wald vielleicht das gemeinnützigste; der Wald als nationaler Arbeitgeber, als Schutz vor der verheerenden Wirkung der Hochwasser. Den Vortheilen gegenüber, welche den Deutschen die Erhaltung des Waldes bringe, verschwinde das Opfer der vorgeschlagenen Zollbelastung geradezu als winzig. Die Holz⸗ zölle seien in der That besser als ihr Ruf; sie nützten dem Walde und dadurch der Gesammtheit, und könnten von der Holzindustrie und dem Holzhandel sehr wohl getragen werden. Die Holzkonsumenten würden durch den Zoll nicht fühlbar belastet; die Arbeiter aber bedürjten seiner. Es sei die Noth der Gegenwart, welche den Vorschlag des Nutzholzzolles ins Leben gerufen habe. Er könne das Haus zum Schluß nur darum bitten, indem er sich an den von Parteistellungen un⸗ abhängigen Sinn für den Wald wende, die Zollerhöhung zu bewilligen und dadurch für die Zukunft der gesammten Nation einen wesentlichen Schritt zum Besseren zu thun.

Der Abg. Oechelhäuser wandte sich gegen die Ausführungen des Kommissars. Die Rede desselben sei mehr ein Plaidoyer für die Waldbesitzer, als für die Holzkonsumenten. Bei einer gerechten Beurtheilung der Sache müsse man doch aber die einander gegenüber stehenden Interessen abwägen. Der Kom⸗ missar behaupte einen Nothstand. Er werde sich an die Zahlen der Danckelmannschen Broschüre halten, denen er allerdings eine andere Würdigung angedeihen lasse, als der Kommissar. Wenn die Vorlage lediglich an die preußischen Verhältnisse anknüpfe und es für zulässig erkläre, von den preußischen Waldreinerträgen auf diejenigen der übrigen Staaten des deutschen Reiches zu schließen, so sei das eine vollständig un⸗ richtige Auffassung. Denn während 1880 der Reinertrag pro Hektar sich in Preußen auf 9g, 24 S6 gestellt habe, hahe der Reinertrag in Brau schweig 13, Hessen 16, Baiern 19, Elsaß--Lothringen 238, Baden 24, Würt— temberg 27, Gotha 29, Sachsen 40 „S6 ergeben, also Erträge, die um 38 bis 360 Prozent höher seien, als in Preußen. Ueberhaupt seien durchschnittlich in den übrigen deutschen Staaten die Reinerträge 120 Prozent höher als in Preußen. Er sei kein Partikularist, aber er müsse doch sagen, daß der Holzzoll, lediglich im Interesse Preußens eingeführt, eine unnöthige Belastung der übrigen deutschen Unterthanen herbeiführen würde. Die Broschüre des Kommissars nehme das Jahr 1865 als Wendepunkt, als den Abschluß de Schutz— zollperiode an. Das Jahr 1865 sei aber nicht das letzte Jahr der Schutzzollperiode, sondern das erste der Freihandelsperiode. Mit dem 1. Juni 1865 seien die neuen Zollsäße in Kraft getreten und die Einfuhr im ersten Halbjahr sei eine ganz geringfügige gewesen. Ueberhaupt sei der Holzzoll damals kaum ein Schutz⸗ zoll zu nennen gewesen. Das Erträgniß des Jahres 1865 sei auch ausnahmsweise hoch. Die Differentialzölle zwischen Eng⸗ land und Kanada hätten aufgehört, deutsches Holz sei massenhast nach England geströmt, so daß der Unterschieß- in der Aus⸗ fuhr preußischen Nutzholzes nach England gegen früher 85 Pro⸗ zent betragen habe. Außerdem falle in diese Zeit die Bauperiode der Eisenbahnen. Darin und nicht in den Schutzzöllen liege das hohe Erträgniß des Jahres 1865. Im Jahre 1864 habe der Ertrag 9, 02 ½ betragen, während derselbe 1881,82 sich auf 19,05 46 gestellt habe, also um mehr als 11 Proz. höher. Die sogenannte Freihandelsperiode habe gleich mit dem Kriegsjahre 1866 begonnen, dann sei der deutsch⸗französische Krieg gefolgt. Hierauf sei allerdings der Aufschwung der Gründerjahre gekommen, die man jetzt nicht genug mit Schmutz bewerfen zu können glaube, während man anbererseits eine große Neigung habe, die Preise jener Zeit wieder hervorzu⸗ rufen. Die Behauptungen des Kommissars von dem Rück— gange der Erträgnisse sei nur dann richtig, wenn man die hohen Erträge der Schwindeljahre, namentlich 1876 mit II,56 „S6 zum Anhaltspunkt nehme. Wolle man die Frei⸗ handelszeit mit richtigen Durchschnittszahlen würdigen, dann nehme man den Durchschnitt dieser 15 Jahre, welcher einen Reinertrag von 9 S6 ergebe, während die 15 Jahre der Schutzzollperiode 6,23 „6 ergeben, also eine Steigerung um 2,77 M6 oder 44 Prozent. Wie sich damit die Behauptung vertrage, daß die Ertrégnisse des Waldes in der Freihandels⸗ zeit zurückgegangen seien, sei unbegreiflich. Es habe also eine Steigerung stattgefunden gegen 1879 um nicht weniger als 2,2 M oder 30 Proz., in Preußen und Bayern zusammen. genommen, welche */ des deutschen Waldes besäßen, stelle sich der Fortschritt auf 27 Proz., auch in den übrigen Staaten habe sich ein bedeutender Fortschritt ergeben, der sich zwischen 20 und 70 Proz. bewege; nur in Elsaß⸗Lothringen und in Hessen habe ein Rückgang stattgefunden, der aber nicht durch die Konkurrenz des Auslandes, sondern durch die Bayerns und Badens bedingt sei. Wenn man die von ihm angeführ⸗ ten Zahlen annehme, und das arithmetische Mittel ziehe, so komme man darauf, daß von 1879 bis 1882 ein durchschnitt—⸗ liches Steigen von 25 Proz. stattgefunden habe; diese Zahlen seien aus der Schrift des Kommissars entnommen. Wenn der Regierungskommissar andere Zahlen anführe, so komme das nur daher, daß derselbe nicht das Jahr 1879, sondern ein früheres als Abschlußjahr ange⸗ nommen habe, namentlich das letzte Gründerjahr, wo der Reinertrag 11,56 4 betragen habe; man habe aber 1882 einen Reinertrag von 10,02 6 gehabt, der nur in den vier Schwindeljahren von 1873 bis 1876 und einmal im Jahre 1856 übertroffen worden sei. Wenn man daraus eine stei⸗ gende Noth herleiten wollte, so müßte diese schon seit 20 Jahren gemerkt worden sein trotzdem sei der Ertrag des deutschen Waldes immer gestiegen. Wenn bei 5, 6, 8 M von einer Nothlage nicht die Rede gewesen sei, wie könne bei 10 6 eine solche existiren? In den Motiven sei mit dankens⸗ werther Offenheit gesagt worden, die Zölle von 1879 hätten nicht prohibitiv genug gewirkt, der Zoll habe weder eine Verminderung der Einfuhr, noch eine Erhöhung der Rente herbeigeführt, es würden zum Beweise die Zahlen der Mehr⸗ einfuhr angeführt; wenn man aber die Mehreinfuhr mit der

esteigerten Produktion in Beziehung bri:ige, so stelle sich die⸗ elbe auf ungefähr 12 Proz. Vergleiche man aber mit dem