1883 / 81 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 06 Apr 1883 18:00:01 GMT) scan diff

sorge dagegen getroffen, daß Kleidungestücke unvrobemäßig gefertigt weiden, und wir dürfen die Leute auch in deren Extraanzügen nicht unprobemäßig gehen lassen; wenn solche Anzüge bei dem Cirilschneider emacht werden, so ist es eine häufige Erfahrung, die sich nachher zrausstellt, daß diese Kleider in Schnitt und Ausführung der Arbeit nicht den Anforderungen und Bestimmungen entsprechen, die vor⸗

geschrieben sind. .

Meine Herren! Ich kann aber zum Schluß nur bitten, daß der Reichstag nicht einen Antrag annehmen möchte, der eine dem ganzen Prinzipe der Gewerbeordnung zuwiderlaufenden Exzemtion zur Folge haben müßte. e

Der Abg. von Köller erklärte, zu seiner Freude entnehme er aus den Worten des Abg. Richter, daß die Fortschritts partei auch einmal dem Hank werkerstand helfen wolle, und er begrüße es mit Freuden, daß die Linke endlich einsehe, man müsse den Handwerkern helfen. Vor Kurzem habe ein Delegirtentag von Handwerkern aller größeren deutschen Städte 70 Abgeordnete zur Theilnah me an seinen Berathungen eingeladen; 10 davon hätten sich entschuldigt, 6 seien der Einladung gefolgt; dabei sei aber kein Mitglied der liberslen Parteien gewesen. Seine Partei habe Rmehrfach öffentlich erklärt, daß sie der durch Militärhandwerker den Civilhandwerkern etwa entstehenden Konkurrenz entgegentreten wolle, aber nach den Worten des Kriegs-Ministers bestehe ja eine solche Kon⸗ kurrenz nicht; daß ein Soldat in den Freistunden seinem Kameraden ein Paar Stiefel flicke, darum brauche man doch kein Gesetz zu machen, sondern etwaige Uebergriffe könne die Militärverwaltung selbständig beseitigen. Es sei überhaupt zu bemängeln, daß der Antrag Baumbach erst nach Abschluß der Kommaͤssione beraithungen eingebracht sei, da derselbe nun nicht mehr in einem kleinen Kreise genauer Detailberathung unter— zogen werden könne. Was dann den Antrag, betreffend die Marketender, anlange, so werde nach seiner Annahme ein Marketender im Manöver Leuten, die in der Garnison nicht kasernirt seien, keine Erfrischung verkaufen dürfen. In kleinen Städten sei die Kantine meist Civilisten übergeben, welche sich Beschränkungen, wie sie der Antrag, betreffend die Kan⸗ tinen, enthalte, kaum gefallen lassen dürften. Dieser Theil des Antrages würde es auch unmöglich machen, daß ein nicht zum aktiven Offizierstand Gehöriger einmal im Kafino zu Abend speise und da sitze, und plaudere man jetzt dort so gemüthlich! Aus allem diesem folge, daß die Fortschritte⸗ partei besser thäte, ihr Interesse für die Handwerker auf andere Weise zu bethätigen, nämlich so wie diese selbst es wünschten. Dem Antrage des Abg. von Gagern stehe seine Partei schon sympathischer gegenüber, wenn sie auch einige redaktionelle Aenderungen in demselben gern sehen würde.

Der Abg. Frhr. von Gagern erklärte, die Centrums⸗ fraktion wünsche die Frage wegen der Militärhandwerker u. s. w. gesetzlich geregelt, sie wolle aber darin nicht so weit gehen, wie der Antrag Baumbach, sondern sie wolle nur die Aus⸗ wüchse abschneiden, die Sache selbst aber, so weit sie gesund sei, bestehen lassen; zu diesem Zwecke habe er seinen Antrag gestellt; derselbe sei heut in der Eile abgefaßt worden, und er gehe dem Abg. von Köller gern zu, 3 der Antrag der re—⸗ daktionellen Verbesserung nach mancher Seite hin bedürfe.

Der Abg. Dr. Blum bemerkte, während seine Partei für die beiden ersten Absätze des Antrages Baumbach neben den vom Abg. Richter vorgebrachten Gründen auch deswegen sei, weil durch die besonders in Süddeutschland sehr hohe Gewerbe⸗ steuer die Civilhandwerker den Militärhandwerkern gegenüber sehr stark belastet seien, halte seine Partei den dritten Absatz dieses Antrages wegen seines Eingreifens in die Militärgesetze für bedenklich, hoffe aber, daß die Berathung hier genügen werde, der Militärverwaltung vor Augen zu führen, zu wie⸗ viel Aerger und Mißverständniß diese ganze Angelegenheit Veranlassung gebe. Er halte es sür das Beste, den Antrag Baumbach und den Antrag von Gagern zur Vorberathung der Gewerbekommission zu überweisen.

Der Abg. Dr. Baumbach erklärte sich mit diesem Vor⸗ schlage einverstanden. Die Fortschrittspartei habe, im Gegen⸗ satz zu der Meinung des Abg. von Köller, stets großes Inter⸗ esse für den Handwerkerstand gehabt, sobald es sich mit ihren Prinzipien und mit der Gewerbeordnung vereinen lasse. Auf dem von dem Abg. von Köller erwähnten Handwerkertage habe der Abg. Günther (Sachsen) erklärt, er könne von nun an im Namen der Handwerker Deutschlands sprechen; das könne derselbe, nach der kleinen Anzahl der dort Versammel⸗ ten, in der That nicht; übrigens wäre er (Redner) zu jener nicht liberalen Versammlung gegangen, wenn er die Ein—⸗ ladung nicht gar so spät erhalten hätte; was würde die Rechte aber sagen, wenn die Fortschrittspartei die Rechte zu einer liberalen Versammlung einladen wollte?

Der Abg. Richter (Hagen) bemerkte, am 22. Januar 1883 habe der Abg. von Köller hier im Reichstage gesagt: Er (Abg. von Köller) wünsche im Interesse der Handwerker, daß die Militärver⸗ waltung streng darauf sehe, daß die gegebenen Anordnungen auch ausgeführt würden, denn den Schneidern und Schuh— machern machten die Militärhandwerker leicht eine schwere Konkurrenz; und dem müsse abgeholfen werden. Heute aber habe der Minister im anderen Sinne gesprochen, und da heiße es denn auch bei dem Abg. von Köller ganz anders, da spreche derselbe nur von sogenannten Schäden u. s. w. Was komme es denn auf das Flicken von ein paar Stiefeln nach den Dienststunden an! Er hätte gewünscht, daß hier bei diesem neutralen Gebiete alles Fremdartige vermieden, und die Sache selbst um so eingehender erwogen würde. Der Kriegs⸗-Minister habe an dem Antrage der Fortschrittspartei eine Anzahl redaktioneller Mängel gefunden, das sei richtig, und wenn das Haus diese statt bei der dritten Lesung in einer besonderen Kommissionsberathung wegschaffen wollte, so habe seine Partei nichts dagegen. Damit scheide aber der größte Theil der Bemerkungen des Kriegs-Ministers aus. Der Minister habe aber ferner den Einwand gemacht, daß der Antrag zwischen den Kasernirten und Naturalquartierten einen Unterschied siatuire, der Minister selbst aber gebe im zweiten Theil seiner Rede zu, daß ein solcher Unterschied schon bestehe, da nur, wenn ein Gewerbe in dem Kasernement betrieben werde, die Genehmigung der Vorgesetzten nöthig sei. Ihm sei neu, daß förmliche Offiziers⸗Bekleidungsanstalien beständen, während er angenommen habe, daß das die Arbeit einzelner Meister sei, im Etat sei von diesen Anstalten nichls zu merken, und es werde dann zu untersuchen sein, ob es gerecht⸗ fertigt sei, zu den andern Benefizien den Offizieren auch diese. zu. gewähren; seien diese Bekleidungs⸗ anstalten militärisch organisiri, so fielen sie bei der Frage der Privatarbeit fort. Der Minister sage, aus den Kasinos müßten die Offiziere auf Wache fich Speisen holen lassen; man habe ja immer betont, daß der Zweck der Kasinos das gemeinschaftliche Speisen der Offiziers sei, und irgendwo mässe doch die vom Reich gewährte Hülfe eine Grenze haben;

es sei ja gewiß sehr gemüthlich, wie der Abg. von Köller sage, wenn man in einem gemischten Kasino sitze, aber andere Leute wollten es auch gemüthlich haben, und denen gebe der Staat weder das Lokal, noch die Beleuchtung. Daß die Kon⸗ zession von der Kommandantur zu ertheilen sei, habe darin seinen Grund, daß es sich hier um eine Berührung von Militär mit Eivilisten handele, und für diese Berührungen sei eben die Kommandantur die kompetente Behörde; zu kleinlich sei diese Sache nicht, denn die Kommandanturen und Gouver⸗ nemenis hätien oft noch kleinlichere Geschäfte zu besorgen. Der Kriens s⸗Minister sage, ein Gewerbebetrieb sei bis jetzt genehmigt worden, wenn es mit der Würde. des Soldaten standes vereinbar sei; das genüge seiner Partei eben nicht, sondern für sie bandele es sich um die den Ciyilisten gemachte Konkurrenz, die mit der Würde des Soldatenstandes sich bisher ganz gut habe vereinen lassen. Wenn der Kriege⸗Minister sage, ein außerdienstlicher Einfluß der militärischen Handwerke⸗ meister auf die Handwerker finde nicht statt, so erwidere er dem Minister, daß derselbe selbst die Stellung der Leute nicht kennen müsse; wenn ein Mann drei Jahre lang beim selben Meister arbeiten müsse, dann sei der Mann in der That ge⸗ zwungen, zu jedem beliebig vorgeschlagenen Lohn Privat- arbeiten zu machen, denn sonst könnte der Meister ihn für die Weigerung auf viele Arten empfindlich strafen, ohne daß die Vorgesetzten dazu etwas thun könnten. Nach den Worten des Ministers: es sei richtig, daß die Extraanzüge von den Mili⸗ tärhandwerkern gemachl würden, weil sie sonst nicht nach Vor⸗ schrift gearbeitet würden, n, statt eine Beschränkung dieses Gebrauchs, noch eine Ausdehnung desselben durch Regi⸗ mentsbefehle zu erwarten; in der That habe er aber von Sach⸗ verständigen gehört, daß einem Civilschneider die Anfertigung von Uniformen leicht sei, arbeiteten die Civilschneider ja doch die Kleider der Generale, warum sollten sie den Extrarock eines Einjährigen nicht machen können? Was die schwung— vollen Worte des Ministers von ehrlicher Arbeit und Segen der Arbeit anlange, so gelte es eben auch für die Civil hand⸗ werker, und wenn den Militärhandwerkern so viel Neben⸗ arbeit gelassen werde, müßten über den Etat der Oekonomie⸗ handwerker Frontsoldaten dazu kommandirt werden, dadurch werde eben die lange Dienstzeit nöthig, welche die Leute der ehrlichen Arbeit ihres Berufes eniziehe. Die kleine zünst⸗ lerische Gesellschaft, von der der Abg. von Köller gesprochen habe, habe durch die Namen der Abgeordneten eine ihr nicht gebüh ende Bedeutung erlangen wollen, seine Partei sei aber nicht so dumm gewesen, sich dazu herzugeben; hier in Ber—⸗ lin gebe es für die Fortschrittspartei alle Tage Gelegenheiten, solchen Unternehmungen zur Staffage zu dienen; zu einer Versammlung von Arbeitern, die die Arbeits bücherangelegen⸗ heit besprechen sollte, seien die Abgg. Ackermann und von Kleist⸗Retzow eingeladen worden, und seien nicht gekommen; der die Arbeitsbücher beantragt habe, habe sich nicht einmal entschuldigt, also an den Abg. von Kleist-Retzow sollte der Abg. von Köller seine Vorwürfe adressiren. Der Unterschied zwischen der Rechten und der Linken sei, daß die Rechte den Arbeitern nur neue Polizeimaßregeln schaffe, die Linke aber dem Handwerk jede mögliche Forderung gewähre, sehe man doch, wer an der Spitze der Forthildungsschulen, Gewerbe⸗ ausstellungen u. s. w. stehe. Die Rechte verkehre mit den Arbeitern nur vor den Wahlen, wenn sie aber auf den Schultern dieser Leute emporgeklettert sei, dann habe sie keine Zeit mehr zu diesem Verkehr! Habe die Rechte wirklich einen Mangel im Handwerkerleben gefunden, so schwinde derselbe der Rechten, sobald von höherer Stelle ein Widerspruch dagegen erhoben werde, die Linke aber sage: hie Rhodus, hic salt, und man werde ja sehen, was von den schönen Reden zu halten sei, die die Rechte vor den Wahlen gehalten habe in Bezug auf die Befreiung der Hand⸗ werker von der Konkurrenz der Militärhandwerker!

Hierauf nahm der Bundeskommissar Geheime Regie⸗ rungs-Rath Boediker das Wort:

Meine Herren! Bei der vorliegenden Frage ist ja wesentlich auch die Civilpartei betheiligt, und ich erlaube mir deshalb als deren Vertreter, vom Standpunkt der Gewerbeordnung aus, mit zwei Worten auf die Sache einzugehen.

Mit dem hic Rhodus, hie salta hat, glaube ich, der Herr Ab⸗= geordnete für Hagen diesmal doch nicht den Nagel auf den Kopf ge⸗ troffen. Man kann vollständig den Anschauungen des Herrn Vor⸗ redners und seiner Mitantragsteller beitreten, man kann dasselbe Ziel wie sie im Auge haben, und dennoch zu dem Schlusse gelangen: an . Orte sind die Anträge deplacirt. Ich werde das zu beweisen

aben.

Der Herr Vorredner sagt, wir wollen den ehrlichen Arkeiter in der Konkurrenz schüßen gegenüber einem Privilegium, Nun hat der Herr Kriegs ⸗Minister ihm bereits auf seine erste Rede geantwortet, daß ein solches Privilegium, welches. nur bestehen könnte in der unentgeltlichen Hergabe der Lokale, in der unentgeltlichen Hergabe der Heizung und Beleuchtung nicht besteht. Es handelt sich also biernach nicht um einen privilegirten Gewerbe⸗ betrieb der Militärpersonen u. s. w. denn bei der prinzipiellen Entscheidung der Frage muß man von dieser thatsächlichen Mitthei⸗ lung des Herrn Kriegs ˖⸗Ministers ausgehen, will man nicht in einen cireusns vitiosus oder eine petitio principii geraten, da es ja zweifellos ist, daß auf disziplinarischen und anderen Wegen das erzwungen werden kann, was der Herr Kriegs ⸗Minister sagte. Ange— nommen nun, daß dem so sei, und gewiß ist dem so, so werden Sie nicht behaupten können, es bestehe ein Prixilegium auf Seiten der⸗ jenigen, die in den Handwerkerstuben der Kasernen arbeiten, die die Kantinen halten und Kasinos haben, sondern es handelt sich lediglich um einen an und für sich freien, erlaubten, in mancher Hinsicht dem der Konsumvereine ähnlichen Betrieb. auf dem Boden und in den Schranken der Gewerbeordnung, um einen gewerblichen Verkehr, der Jedermann nach 8. 1 der Sewerbeordnung gestattet ist. Dasselbe gilt von dem Gewerbebetriebe der Personen des Soldatenstandes und ihrer Angehörigen, wovon der Absatz 3 des Antrags handelt. Wenn Sie hier nun Beschränkungen ein führen wollen, so sind es Beschrankungen auf Grund von militärökonomischen und militardisziplinarischen Verhaͤltnissen, Beschränkungen zu Gunsten der Einengung der Konkurrenz, und zwar, meine Herren, der reinen Kon⸗ kurrenz. Da ist es nun doch gewiß auffallend, daß von jener Seite des Hauses das Prinzip der Gewerbefreiheit angegriffen wird, um die Konkurrenzlage zu Gunsten der einen Partei zu verbessern. Ich lasse ganz dahin gestellt, ob Ihre Anschauungen in der Hauptsache 9. richtig find oder nicht; ich sage nur, die Gewerbeordnung als olche, die das Prinzip der Gewerbefreiheit etablirt, diese Grundlage unseres Erwerbs und wirtbschaftlichen Lebens, welche, richtig verstanden, niemals wieder verlassen werden wird, diese Gewerbefreiheit durchbrechen Sie mit Ihrem Antrage zu Gunsten des einen Theils, aus Rücksichten und Gründen, die Sie einem außerhalb des Gebietes der Gewerbeordnung liegenden Ideenkreise entnehmen.

Meine Herren! Die Gewerbeordnung regelt das Ver. hältniß von Person zu Person, dasz erhãltniß der Menschen unter sich, unbekümmert um andere Vexhältnisse, in denen diese stehen; sie hat keine Bestimmnngen für den Gewerbebetrieb, der Geistlichen, der Beamten, Militärs, der juristischen Personen u. w. als solcher, die Gewerbeordnung sagt ganz korrekt in 8. 12: Ve⸗ schränkungen, welche gegenüber den Beamten u. s. w. bestehen,

werden aufrecht erhalten, aber sie gebt doch zicht dazu über, auf Grund von disziplinarischen und äbnlicken Rücksichten Beschränkungen der einen Klasse von * zu Gunsten anderer Klassen der Bevölkerung einzuführen. Es ist ein vollständiges Novum, welches Sie in die Gewerbeordnung einführen wollen, und nach diesem ersten Schritt können Sie das nächste Mal in dieselbe Gewerbeordnung Beschrãn⸗ kungen einführen gegen die Beamten, Geistlichen, Kommunen, den Fiskus und alle möglichen anderen Kategorien von physischen und juristischen Personen. Was würde aber aus der Gewerbeordnung

werden, wenn Sie alle die Sonderverhältnisse dieser Personen⸗ arten durch dieselbe regeln wollten! Meine Herren! Wie sehr sich die Gewerbeordnung davon fern bält mit Räck⸗

sicht auf die jonstige Stellung des Geweibtreibenden irgendwie in deren Betriebsfreibeit einzugrelfen, erhellt aus dem 5 12, Abs. 1. eben dem Paragraphen, woran Sie Ihre Bestimmung ankleben wollen; dort beißt es, daß der Gewerbebetrieb der juristischen Personen des Auslandes nach wie vor den Landesgesetzen jur Regelung unter⸗ liege, also im Uebrigen so muß e contrario jumal in Verbindun

mit 53. j der Gewerbeordnung geschlossen werden ist der Bet ie

der juristischen Personen, wie aller andern Personen, vollständig frei, natũrlich vorbehaltlich der alle betheiligten Gewerbtreibenden aleich⸗ mäßig treffenden Beschränkungen aus Gründen der öffentlichen Sicher⸗ heit, Sittlichkeit und Om dnung.

Ich glaube hiernach, daß der Herr Kriegs ⸗MMinister vollkommen Recht hatte, wenn er sowohl im Beginn wie am Schluß seiner Rede sagte, es wird durch diesen Antrag ein Sonderrecht für eine bestimmte Klasse von Staatsbürgern in Bezug auf deren gewerbliche Beziehungen geschaffen. Es ist auch vollständig richtig, daß dieser Antrag in die Gewerbeordnung nicht hineingeböct. Mögen Sie ihn in das Militär- gesetz oder wo sonst hinbringen, in die Gewerbeordnung paßt er nicht; Sie erschüttern die Grundlage derselben, ihre gesammte Oekonomie und Struktur, und schaffen ein bedenkliches Präjudiz. Die Gewerhe . ordnung ist doch nicht dazu da, eine Korrektur des Reichs militãr⸗ gesetzes eintreten zu lassen, oder Bruchstücke von Disziplinar Ordnungen aufzunehmen. Erledigen Sie die Frage, ich wiederhole es, überall anders, wo es Ihnen passend erscheint; aber im Interefse der Ge⸗ werbeordnung dieses Grundbuchs der Gewerbefreibeit, bitte ich Sie, die Frage hier auszuscheiden.

Demnächst nahm der Staats⸗Minister General-Lieutenant Bronsart von Schellendorff das Wort:

Meine Herren! Der Herr Abg. Dr. Blum hat in sehr freund⸗ licher Weise darauf hingewiesen, daß die Militärverwaltung alle Ver⸗ anlassung hätte, auf diesem Gebiete recht sorafältig zu verfahren, meine Herren, das sage ich nochmals ausdrücklich zu und habe auch vorhin schon erklärt, daß alle sich mit dem Anseben und der Wuͤrde dez Militärstandes nicht vertragenden Auswüchse auf diesem Gebiete nach Recht und Billigkeit von uns beseitigt werden sollen. Das haben wir bisher schon gethan und werden es auch fernerhin ihun. Ich möchte dem Herrn Ab—⸗ geordneten nun außerdem noch erwidern, daß auch die einen Gewerbebetrieb führenden Militärpersonen zur Entrichtung der Ge⸗ werbesteuer verpflichtet sind Es existirt auf diesem Gebiet für sie auch keine Ausnahme. Also wir wollen keine Ausnahme auf diesem Gebiete haben, sondern nur dasselbe, was auch die Anderen genießen.

Einer von den Herren Abgeordneten ich muß um Verzeihung bitten, wenn ich den Namen nicht nenne, ich habe erst seit kurzer Zeit die Ehre, mit dem hoben Hause in Berührung zu treten hat versucht, weil ich die Freiheit der ehrlichen Arbeit hier in An⸗ spruch genommen habe, mich, beziehungsweise die verbündeten Regie⸗ rungen nach irgend einer Richtung, die mir noch nicht vollständig klar ist, festzulegen. Meine Herren! Ich wollte nur erklären, daß, wenn ich hier für diese Militaͤrhandwerker das Recht der freien und ehrlichen Arbeit in Anspruch genommen habe, so habe ich das natür= lich nur gethan im Rahmen der überhaupt auf diesem Gebiete gel⸗ tenden Rechte, und es ist, wie, das glaube ich auch, unzweifelhaft aus meinen Worten hervorgegangen ist, nicht meine Absicht gewesen, nach dieser Richtung hin irgend eine Aenderung der Gesetzgebung anzubahnen. Ich stehe gar nicht an, Ihnen zu erklären, daß ich auf diesem Gebiete äberbaupt noch sehr wfnig informirt bin; das betrifft mein Ressort nur sehr wenig. Ich habe nur das Gefübl davon gehabt, und habe dem Ausdruck geben wollen, daß keine Ver⸗ anlassung vorläge, für die Personen des Heeres irgend Ausnahmen auf gesetzlichem Wege festzustellen, welche nicht durch das Interesse und die besondere Eigenthümlichkeit des Militärdienstes geboten sind.

Unter diesen Gesicktspunkten möchte ich auch zurückkommen auf den Vorwurf, der gewissermaßen gemacht worden ist, ich hätte hier gesagt, es wäre doch höchstt unbillig, einem im Naturalquartier wohnenden

Menschen unter Umständen etwas gestatten zu wollen, was den in der Kaserne wohnenden nicht gestattet wäre, und ich habe ja selbst gesagt, in der Kaserne müßten wir eine Kontrole ausüben, welche wir außerhalb der Kaserne zu üben nicht nöthig haben. Meine Herren! Ich glaube, daß mir bisher kein Widerspruch nachgewiesen worden ist; denn ich habe die letztere Maßregel ausdrücklich motivirt aus Rück sichten des Dienstes und der Ordnung in den Kasernen, und ich bin allerdings nicht in der Lage, für die anderweitig beabsichtigte Maß⸗ regel, einen Unterschied zulassen zu können, wenigstens nicht vom; militärischen Standpunkte aus. ; . .

Dann, meine Herren, sind die Offizier⸗Bekleidungeanstalten, weil ich diesen Namen genannt habe, bezeichnet worden als militärische Organisationen. Das sind sie gar nicht; ich habe auch nicht gesagt, daß sie es seien. Es sind Verbindungen der Offiziere unter einander, gewissermaßen unter dem Gesichtspunkte der Konsumvereine; und das ist den Herren auch gar nicht zu beschränken, daß sie das Tuch durch jemand, den sie sich engagiren, in größeren Quantitäten anschaffen lassen, daß sie sich eine besondere Arbeit organisiren, sofern sie nicht

egen irgend ein Gesetz verstoßen, und es ist gegen kein Gesetz ver⸗ teßen. Es werden keine Kosten des Militär-Etats darauf verwendet und ich weiß nicht, unter welchem Gesichtspunkte diese Frage bei dem Etat zur Erörterung gelangen sollte; im Uebrigen, wenn sie zur Er öorterung kommen wird, wird es mich auch nicht beun ruhigen.

Nun, meine Herren, ist gesagt worden, die Offizierkasinos wãren hauptfächlich wegen des gemelnsamen Mittagstisches da. Ich glaube, es ist nicht zweckmäßig, die Frage der Einrichtung der Offizierkasinos nach allen Richtungen hin bei jeder Gelegenheit zu erörtern. Das ist schon an einer anderen Stelle reichlich genug geschehen und wird auch wahrscheinlich spãter noch gescheben. Ich kann nur sagen, daß das gemein⸗ fame Mittagsessen nicht die Hauptsache ist; wir brauchen doch die Räume auch anderweitig aus militärwissenschaftlichen und aus dienftlichen Gründen, daß ist ja alles schon gesagt worden. Wenn nun aber wirklich die ganze Einrichtung weiter nichts bezweckt, als daß die Sffiziere gemeinfam essen, so würde durch den Antrag ein Offizier von der ih zustehenden Portion ausgeschlossen werden, wenn er ganz ohne Schuld fehlen müßte, wenn er auf Wache ziehen müßte oder krank ist, wenn er aus anderen Gründen au dem Offiziertische Per= fönlich mal nicht theilnehmen kann, denn er dürfte sich nun das Essen nicht holen lassen. ;

Meine Herren! Die Frage der Genehmigung der vorgesetzten Behörden bin ich genöthigt, noch einmal zu erörtern. Ich babe vor hin einfach auf den 5. 43 des e,, , , Bezug genommen, welcher sagt: sie beduͤrfen der Erlaubniß ihrer Vorgesetzten. Meine Herren, wenn dag Reichsgesetz das sagt und also darin eine Freiheit läßt, wie diese Vorgesetzten nun zu bestimmen sind, so meine ich, es wäre eigentlich nicht zweckmäßig, hier so ganz gelegentlich bei einem Paragraphen, der in die Gewerbeordnung eingefügt werden soll. diefes Recht nun an eine bestimmte Persönlichkeit zu binden. Meine Herren, das ist um so unzulässiger meiner Meinung nach, als die Bestimmungen, welche Vorgesetzten dieses Recht ausilben, von Seiten Sr. Majestãt des Kaisers und Königs ergeben. und ich doch bestimmten Werth darauf legen . daß alle Fragen der Kommandogewalt, wie sie hier zum Ausdruck kommen, soweit die ke i ge Befüimmungen nicht tangirt werden, an der Stelle be lassen werden, wo sie ruhen. . ; .

Meine Herren, der Hr. Abg. Richter hat mir dann gesagt, ich schiene in der Armee doch wohl nicht hinreichend bewaudert zu sein.

m.

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uruf) Ich verzichte darauf, den Streit darüber, wer von uns

Deiden die Armee am besten lennt, sortzuseßen. Was ferner die Ertraanzüge betrifft, so ist das eine Vergünsti

ng, welche den Soldaten gexährt wird, Extraanzüge zu tragen. Die G ee ten ind nach keiner Richtung kin verpflichtet, und es ist zickt ein Recht des Mannes, daß er einen Extraanzug trägt. sondern es ist dies eine besondere Erlaubniß, die aus guten Gruͤnden dem Mann ertheilt und ebenso wieder entzogen werden kann. Wenn also an Vorgesetzter diese Erlaubniß an eine ganz in der Sache liegende Serĩngung üpft, so glaube ich, ist das sehr zweckmäßig, und ich wiederbole daber, daß ich diesen Befebl, auf welchen übrigens das rer n et im gar keinen Einfluß übt, für durchaus zweck,

zig halte. i , . der Herr Abgeordnete nun weiter gesagt bat, das wäre nicht ganz richtig, insofern die Offiziere bei Civilschneidern arbeiten ficken und doch auch vorschriftsmäßig angejogen gehen, da sage ich Itnen, wenn der Soldat. der, sicqh zu seinem Sen ntage vergnügen nen Extrarock machen laffen will, zum Offizierschneider geben wollte, taß er ibn dann überbaupt nicht bekommen würde; da würden seine Geldmittel wohl nicht dazu 1 O

Meine Herren! Damit glaube ich die Einwürfe, welche gegen

meine Aeußerung von vorhin erhoben worden sind widerlegt zu kaben und ich kann also nochmals bitten, daß für uns dasselbe Recht gewährt wird wie für alle Anderen.

Der Abg. von Kleist-Retzow erklärte, es sei ein unwürdi⸗

er Vorwurf, wenn ein Mitglied des Hauses die Selbständig⸗ eit der Entschlüsse eines anderen Mitgliedes deshalb anfechte, weil es in der unangenehmen Lage sei, nach dem Minister zu sprechen und sage, der Minister brauche blos eine entgegenge⸗ etze Meinung auszusprechen und sofort gebe jenes Mitglied . frühere Ansicht auf. (Lärm; Rufe zur Ordnung! Der Pꝛiaͤsident rügte den Ausdruck unwürdig“ und hat, dergleichen Ausdrücke zu vermeiden.) Was würde der Abg. Richter sa⸗ gen, wenn er demselben vorhielte, sein Auftreten gegen die Uebergriffe der Konkurrenz sei gar nicht in seiner Art. Das behaupte er nicht, aber die Linke verwende ihre Kraft an un— richtiger Stelle. Gegen die Uebermacht des Kapitals thue sie nichts, und dies sei mächtiger als das Militär. Der Regierungs⸗ vertreter habe auf das schlagendste nachgewiesen, daß der An⸗ trag materiell ganz unausführbar sei. Ein Bataillon in der Kaserne solle von der Kantine einen Vortheil haben, das Bataillon außerhalb derselben aber nicht. Die Kavallerie habe vortreffliche Hufschmiede. Solle man nach Beendigung der Dienstzeit diese Hufschmiede nicht weiter in Anspruch nehmen können? Seiner Zeit habe das Haus eine beschwerde⸗ führende Petition gegen diese Arbeit zurückgewiesen. Aber die Linke mache sich nichts daraus; Schwamm darüber! Auch seine Freunde würden für die Ueberweisung des Antrages an die Kommission stimmen. Er hoffe, die Herren würden sich überzeugen, wenn sie sich die Sache in der Kommission noch einmal überlegten, daß dieser Antrag formell nicht in die Gewerbeordnung gehöre. In der gegen⸗ wärtigen Gewerbeordnung komme das Militär nur negativ vor. Es heiße darin nur, diejenigen Beschränkungen, welche jür die Personen des Soldatenstandes beständen, würden durch das gegenwärtige Gesetz nicht berührt. Die Gewerbe ordnung gehe aus von dem Prinzip der Freiheit. Diese wolle der Antrag der Linken an einem Punkte durchbrechen, und zugleich Bestimmungen treffen, welche Sache des Militär⸗ kommandos seien und schließlich der Anordnung Sr. Majestät des obersten Kriegsherrn unterlägen. Das Haus habe keine Bestimmung zu treffen, wodurch das Militär gehemmt werde. Dies sollte für das Haus ein noli me tangere sein.

Der Abg. Dr. Majunke erklärte, mit der Tendenz der Baumbach⸗Gagernschen Anträge sei er schon deshalb einver⸗ standen, weil ihm jede Beschränkung der Gewerbefreiheit sympathisch sei. Wenn das Haus dem Mittel gewerbe nicht zu seinem früheren goldenen Boden verhelfe, so gehe man un⸗ glücklichen Zeiten entgegen. Die bestehende Gewerbefreiheit führe nur zu einer Ausbeute des Kleingewerbe durch das Kapital. Der Abg. Richter vertrete allerdings die Interessen der Fabrikanten allein. Die militärischen Handwerkerstätten machlen dem kleinen Gewerbe nicht so viel Konkurrenz wie gewisse Schuh- und Stiefelbazars, von Leuten errichtet, welche von Posen und Galizien eingewandert seien. Es freue ihn, daß dem Kantinenunwesen abgeholfen werden solle. Die Initiative sei wohl bereits von dem Vorgänger des jetzigen Kriegs-Ministers ausgegangen.

Der Staats-Minister Bronsart von Schellendorff erwiderte, die Regierung beabsichtige nicht die vollständige Aufgabe des Kantinenwesens, sondern wolle nur gegen dessen gegen Recht und Billigkeit streitenden Auswüchse vorgehen, weil, wie er ja schon erwähnt habe, das Kantinen⸗ wesen sich bis jetzt in einer gewissen Freiheit entwickelt habe, und die Verwaltung habe Schritte gethan, das Militärkantinen⸗ wesen auf gewisse Normativbestimmungen zu stellen.

Der Abg. Dr. Hirsch bemerkte, Posen hätte der Abg. Majunke lieber unerwähnt lassen follen, seine (es Abg. Majunke) Heimath sei auch nicht allzuweit davon entfernt, Provinzialismen wolle er jallen lassen. Daß die Gewerbefreiheit die kleinen Handwerker, den Mittelstand vernichte, könne er nicht zugeben. Wenn die Gewerbefreiheit erst längere Zeit bestehe, so werde der Mittelstand auf Grund ehr⸗ licher Arbeit, und freier Konkurrenz bestehen und sich ausbilden. Er freue sich, daß vom Regierungstisch das Prin—⸗ ziv der Gewerbefreiheit anerkannt worden sei, nur scheine man sie nur für das Militär, nicht für das Civil zu wollen. Das Militär könne naturgemäß billiger arbeiten als das Civil, weil es keine Miethe u. s. w. zu zahlen habe, es übe eshalb eine unerträgliche Konkurrenz aus, welche zur Unzu⸗ friedenheit der Handwerker geführt habe.

Der Schluß der Diskussion wurde angenommen.

Der Abg. Richter (Hagen) bemerkte (persönlich, der Kriegs⸗Minister habe ihm die Worte in den Mund gelegt, er hatte gesagt, er verstehe die Armee besser als der Mi— nister. Wenn er (Redner) dies hier nicht klar stellen würde, so zweifele er nicht, daß dies in beliebter Weise weiter ge⸗ tragen würde. Er habe nicht von einem Verständniß über die Armee überhaupt gesprochen, sondern diese Bemerkung Rabe sich nur auf die Frage bezogen, ob, wenn einem Sol⸗ aten ven dem vorgesetzzten Meister befohlen werde, demselben ei seiner Arbeit zu helfen, da noch von Freiheit die Rede emß könne. Zum Verständniß hierüber könne aller⸗ ngsgder beschränkte Unterthanenverstand noch mit dem Kriegs, inister konkurriren. (Abg. Frhr. von Minnigerode: Nein! Hroße Heiterkeit.) Jeder müsse ja seinen Verstand am besten ennen. (Heiterkeit. Außerdem habe der Kriegs⸗Minister dies dargessellt, als ob er einen Eingriff in die Präͤrogative der rone beabsichtige. Wenn sein Vorschlag angenommen werde, in mi Unterschrift des Königs in Kraft trete, so habe der önig selbst in diefer Beziehung die Anordnung getroffen. Der Abg. Frhr. von Minnigerode erwiderte, wenn der

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Abg. Richter von einer besonderen Selbsterkenntniß seinerseits gesprochen habe ... 5 .

Der Prasident von Levetzow erllärte, der Abg. Richter habe vom Abg. von Minnigerode überhaupt nicht gesprochen.

Die Anträge Baumbach und von Gagern wurden der Kommission überwiesen.

Der von der Kommission vorgeschlagene Artikel 12. will für die Entschei ungen der Vermaltungsgerichte auf Grund der G werbeordnung den Ausschluß der Oeffentlichkeit der Sitzungen konstatiren, wie er durch die ss. 173 bis 175 des Gerichisverfassungsgesetzes im Interesse der Sittlichkeit für die anderen Gerichte möglich ist. Dieser Vorschlag wurde ohne Debatte angenommen.

Art. 2 lautet nach den Beschlüssen der Kommission:

Hinter 5§. 30 der Gewerbeordnung wird eingeschaltet: §. 202. Der Betrieb des Hufbeschlaggewerbes kann von den Landesregie rungen von der Beibringung eines Prüfungszeugnisses abhängig ge⸗ macht werden.“

Hierzu lag ein Antrag der Abag. Dr. Baumbach und Genossen vor, diesen Paragraphen zu streichen.

Ferner ein Antrag von den Abgg. Dr. Meier (Jena) und Stephany: statt der Worte „von den Landesregierungen“ zu setzen „durch die Landesgesetzgebungen“.

Endlich lag em Antrag von dem Abg. von Heydemann vor: folgenden Passus hinzuzufügen: „Das ertheilte Prüfungs—⸗ zeugniß gilt für den ganzen Umfang des Reiches.“

Nachdem der Referent Abg. Dr. Hartmann den Antrag der Kommission begründet, warnte der Abg Dr. Ree davor, hier bei einem einzelnen Gewerbe den Prüfungszwang einzujühren. Das führe unmittelbar zu dem Prüfungszwang durch Innungen. Eine Nothwendigkeit der Prüfung für dieses Gewerbe bestehe absolut nicht und glaube er, daß dieser Paragraph gänzlich unnöthig und unwirksam sei.

Demnächst nahm der Bundeskommissar Geh. Regierungs⸗ Rath Bödiker das Wort:

Ich möchte zunächst einem Einwand des Herrn Vorrednerk, der in der That ein fundamentaler ist und die Annahme des Paragraphen in dieser Form ausschlösse, wenn er begründet wäre, entgegentreten, dem Einwand nämlich, daß bei Annahme dieser Bestimmung die jetzt in Amt und Würden befindlichen Hufsckmiede demnächst durch die Regierungen irgendwo von der Ausübung ihres Gewerbes ausge— schlossen werden könnten. Meine Herren, das ist unmöglich, schon nach §. 1 Abs. 2 der Gewerbeordnung, von der ja die uns beschäfti⸗

gende Vorschrift ein integrirendes Stück werden soll. Der Bericht ist in dieser Beziebung nicht 9 aus—⸗ führlich, wie er vielleicht sein könnte; es ist Ihnen ja

bekannt, daß ursprünglich ein anderes Mitglied dieses hohen Hauses zum Berichterstatter Seitens der Kommission ausersehen war, welches fräter behindert wurde, und daß die Materialien des ron demselben angefangenen Berichts auf der Post verloren gegangen sind. Es liegt somit außerhalb der Schuld des Herrn Berichterstatters der Kom mission, daß der Bericht diesen Punkt nicht so bhervorbebt, wie er bereits in der Kommission vorgetragen, daß nämlich eine rückwirkende Kraft dieser Bestimmung vollständig ausgeschlossen sei.

Einen ähnlichen Fall hatten wir bereits im Jahre 1378, als es sich um die Einführung des Befähigungszeugnisses für die Maschinisten auf Seedampfschiffen handelte. Damals ist es auch hier im Hause von dem Präsidenten des Reichskanzleramts ausdrücklich aus—⸗ gesprochen, daß von einer rückwirkenden Kraft. der in⸗ tendirten Bestimmung gar keine Rede sein könnte eben nit Rückicht auf den 58. 1 Abs. 1 der Gewerbeordnung. Also diejenigen Hufschmiede, die augenblicklich das Hufschmiedegewerbe betreiben, werden nach wie vor ihr Gewerbe betreiben, daran kann nicht gezweifelt werden; es handelt sich lediglich darum, ob künftig Leute dieses Gewerbe anfangen dürfen, ohne daß sie eine Prüfung bestanden haben.

Dann, meine Herren, erlaube ich mir Namens der Bundes— regierungen dem Herrn Vorredner zu erwidern, daß es sich bei der fraglichen Bestimmung keineswegs nur um ein partikularistisches Interesse handelt, wie er im Anfang seiner Rede sagte, um ein Interesse weniger Regierungen. Es ist der Antrag allerdings von den Königlichen Regierungen Sacbsens und Baverns aus- gegangen, weil sich in deren Ländern ein hervorragendes Interesse an der Sache dokumentirte; indessen viele andere Regierungen haben sich dem angeschlossen, auch die preußische Regie⸗ rung. Liegt es doch auch im Interesse der Gesammtheit, daß den Bedürfnissen einzelner Länder abgeholfen werde. Meine Herren! Wir haben es hier zu thun mit einer Vorlage der verbündeten Re— gierungen als solchen, mit einer Vorlage, hinter der sämmtliche Bundesregierungen stehen, und wir können nicht einzelne, von denen die Anträge gerade ausgingen, ausscheiden.

Wie wichtig die Sache ist, beweisen die Motive. Ich will Ihnen nicht Alles wiederholen, was dort gesagt ist, ich will nur noch die eine An⸗ gabe binzufügen, daß nach der letzten Viehzählung der Pferdebestand Deutschlands über Iz Millionen war, daß also ein sehr großer Theil des Vermögens der Nation in diesen Thieren investirt ist. Hiernach liegt es auf der Hand, daß die Interessen, welche die Motive hervorheben sehr wichtige sind, sowohl wirthschaftliche als auch militärische. Die Motive weisen nun aber an der Hand von Thatfachen nach, wie sehr in vielen Gegenden in Folge der Aenderung der bisberigen Gesetzgebung der Hufkeschlag und damit zusammenhängend die wirthschaftliche und militãärische Brauchbarkeit der Pferde gelitten hat. .

Meine Herren, es wäre die Kommission vollständig einmütbig für die Idee der Vorlage eingetreten, wenn es statt der Worte, die Landegregierungen können bestimmen⸗, hieße: die Landesgesetze können vorschreiben . Mit der letzteren Wendung wären Alle, oder doch faft Alle, welche jetzt in der Opposition steben, einverstanden gewesen. Ällein die Kommission hat bei der zweiten Lelung die Vorlage auch in der Regierungsfassung mit 15 gegen 5 Stimmen angenommen, also es ist nicht etwa bloß die Majorität der bekannten 11 gewesen.

Auch der Herr Vorredner hat den Unterschied , Landesgesetze und „Landesregierungen urgirt. Meine Herren, ich glaube, dieser Unterschied ist ein mehr in der Vorstellung beruhender, als sachlich wefentlicher, denn die Landesgesetze, wenigstens der größeren Staaten, würden doch schwerlich vorschreiben; es sollen von heute ab alle Huf⸗ schmiede ein Prüfungszeugniß zunächst beibringen. Wie könnte . B. Preußen mit einem solchen Gesetze vorgeben? Auch Preußen wärde das Gesetz nur so sassen können; es können die Centralbehörden oder die Regierungen für die Provinzen oder für andere Bezirke, wo das Bedürfniß vorliegt, die entsprechkende Vorschrift erlassen. In den östlichen Provinzen besteht das Bedürf⸗ niß zum Theil vielleicht garnicht; auf weiten Strecken beschlägt man die Pferde dort überhaupt garnicht ja, es ist in der Kommission bestatigt worden, in den östlichen Provinzen gäbe es große Distrikte, wo die Pferde so gut wie garnicht beschlagen würden, nur einzelne wenige. Alfo da würde das preußische Gesetz ge⸗ nau so lauten müsfen, wie das Reichsgesetz, auch Preußen

würde sagen müssen: „Die Centralbehörden sind befugt, vorjuschrei⸗

ben, daß u. s. w. Ob nun krast Reichsgesetzss die Regigrungen die Befugniß haben, oder kraft Landesgesetzes, das ist doch wohl im Prinzy einerlei. ö ; . Meine Herren! Schwer zu lernen ist die Sache nicht, wie der Herr Vorredner meint, und die meisten angehenden Schmiede haben wohl Gelegenheit, in Garnisenstädten oder wo sonst sich die nöthigen Kenntnisse anzueignen. Der Paragraph soll in Gegenden, wo es von

den Landesregierungen für nöthig erachtet wird, eine erziehliche Wir⸗

kung in dieser Benehung üben, soll dazu anleiten, daß ein Stamm junger Hufschmiede sich dort allmählich wieder heranbilde, wo es an rauchbaren Hufschmieden fehlt, zu Nutz und Frommen der Pferde zucht, ju Nutz und Frommen der Landeswohlfahrt überhaupt. Ich

bitte, den Paragraph anzunehmen.

Der Abg. Günther (Sachsen) betonte ebenfalls die Wichtig⸗ keit des Paragraphen für die Landwirthschaft. Der Abg. Richter habe ja heut endlich einmal Interesse für das Hand⸗ werk gezeigt, und der Abg. von Köller hätte besser gethan, diese zarte auf sterilem Boden entstandene Pflanze zu pflegen, als sie mit rauher Hand anzufassen, möge doch der Abg. Richter nun aber auch einmal thatsachliches Interesse für die gesammte Landwirthschaft zeigen. Man behanele die Sache nicht von der politischen, sondern von der praktischen Seite! Diese Materie aber auf dem Wege der Gesetzgebung zu regeln, halte er, da erst sämmtl che Landtage gefragt werden müßten, für viel zu umständlich und langwierig, auch der Gewerbe⸗ 66 werde man durch Annahme des Paragraphen nicht

en.

Auch der Abg. von Scaalscha trat mit großer Lebhaftig— keit für den Vorschlag der Kommission ein.

Der Abg. Dirichlet bat gerade im Interesse der Land⸗ wirthschaft, namentlich der kleineren Besitzer, dem Vorschlage nicht zuzustimmen. Eine praktische Nothwendigkeit sür die Prüfung liege nicht vor. Der Landwirth habe ein Interesse daran, in möglichster Nähe einen Beschlagschmied zu finden. Die Prüfung würde aber die Ansiedelung solcher Handwerker verhindern. Daß gerade die bayerische Armee so schlechte Er⸗ fahrungen gemacht habe, sei zu bedauern. Darin liege aber kein sachlicher Grund, lediglich im Interesse Bayerns eine Beschränkung der Gewerbefreiheit herbeizuführen.

Hierauf ergriff der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Königlich bayerische Ministerial Rath Herrmann das Wort:

Meine Herren! Ich freue mich, daß der Herr Vorredner nicht aus prinzipiellen Gründen den Vorschlägen, die von der baverischen Regierung ausgegangen und von den verbündeten Regierungen ein stimmig angenommen sind, entgegengetreten ist, sondern aus prak— tischen. Es war in der That lediglich eine praküische Erwägung, welche die Regierungen bestimmte, diese Vorschläge anzunehmen.

Wenn nun der Herr Vorredner bemerkt hat, er könne ein Be⸗ dürfniß für die Landwirthschaft nicht anerkegnen, so muß ich ent⸗ gegenhalten, daß in dieser Beziehung von Sachverständigen, den be⸗ züglichen öffentlichen Organen, alljäbrlich das Bedürfniß in dieser Beziehung uns nahe gelegt wird. Meine Herren! Nicht allein die Remonte«⸗ Inspektion, deren Gutachten der Herr Vorredner bestritten hat, sondern auch die Landesgestütsverwaltungen, das Generalcomits des landwirthschaftlichen Vereins, die Militär- kommissionen, die nach reichsgesetzlicher Vorschrift von iu 4 Jahren die Pferdevisitation vorzunehmen haben, alle diese Organe haben einstimmig darüber Klage geführt, daß der Hufbeschlag in Bayern schlecht bestellt sei, und haben in Folge dessen beantragt, zu dem früheren Regime zurückzukehren, welches man mit Einführung der Gewerbefreiheit vom Jahre 1868 aufgegeben hat, und den Prü⸗ fungs zwang für den Hufbeschlag wieder einzufübren.

Der Herr Vorredner hat nun in Bezug auf die Remonte⸗ Inspektion roch bemerkt, dieselbe könne nicht wobl ein sachverständiges Gutachten abgeben in Bezug auf den Zustand der Pferde in Bayern, und jwar um deswillen nicht weil seiner Erinnerung nach die bayerische Militärverwaltung ihren Bedarf an Militäcpferden in Ost preußen ankaufe. Ich muß zugestehen, daß das Letztere in großem Maße zutrifft, aber der Grund dafür liegt einfach darin, daß die baperische Militärverwaltung in Bayern die nöthigen Pferde nicht auftreiben kann. Daß übrigens in Bapern militär dienstbrauchbare Pferde nicht vorhanden sind, hat meiner Ansicht nach der Herr Vorredner nicht behaupten wollen und wäre auch nicht richtig. Von Jahr zu Jahr bereist die Remontekommission in den pferdezüchtenden Kreisen das Königreich und macht auch innerhalb des Staats Ankäufe; sie ist also sehr wohl in der Lage, in dieser Be⸗ ziehung Erfahrungen machen zu können.

Der Herr Vorredner hat weiter bemerkt, es liege auch nicht in dem Bedürfniß des Publikums, wenn ein Zwang in Bezug auf den Hufbeschlag eingeführt werde, denn dem Puablikum werde es dann an Leuten gebrechen, welche berechtigt sind, den Hufbeschlag auszuüben.

Ich glaube, daß diese Befürchtung nicht zutrifft, denn fürs erste wird die gesetzliche Bestimmung, welche wir

beantragen, eine rückwirkende Kraft nicht haben und es ist das auch ganz ausdrücklich in den Motiven erklärt worden. Wenn überdies die ver ehrten Herren einen bejüglichen Zusatz aufnehmen wollen, so wird von Seiten der bayerischen Regierung dem gewiß nicht widersprochen werden. Fürs zweite glaube ich, daß, wenn die beantragte Be stimmung Gesetz wird, die Folge sein wird, daß unsere Huf beschlagschulen in dem Maße, wie früber, so lange der Zwang be⸗ standen hat, wieder werden besucht werden. Wie sehr seit dem Auf⸗ hören des Zwanges der Besuch der beiden Hufbeschlagschulen in Bayern gesunken ist, mögen Sie aus den Motiven seben; die Anzahl der Schüler ist auf 13, ja bis auf ½ zurückgegangen, und da möchte ich glauben, daß es einem dringenden Bedürfniß allerdings entsprechen würde, wenn die Schulen wieder zahlreicher besucht würden. Der Rückgang des Besuches dieser Schulen ist umsomehr zu bedauern, als ja in Folge der Einführung der Gewerbefreiheit die Zahl der selbst⸗ ständigen Hufschmiede ganz erheblich gewachsen ist, und der Herr Vor⸗ redner doch nicht gegenüber unserem Vorschlag wird behaupten wollen, daß derjenige, der den Hufbeschlag nicht gelernt hat, besser in der Lage wäre, denselben auszuüben, als derjenige, der einen entsprechenden Kursus durchgemacht hat.

Im Uebrigen bemerke ich, daß die baverische Rezierung lange gezögert hat, einen Zwang in dieser Richtung in Vorschlag ju bringen.

Es wurden verschiedene Versuche gemacht, um die Zahl der Huf⸗ beschlagschüler zu heben. Ich bemerke in dieset Beziehung, daß der

Unterricht auf den Schulen unentgeltlich ist. Ich führe weiter an, daß auf Veranlassung der hayerischen Regierung

die Landrathtversammlungen in ihr Budget alljährlich nicht unbeden tende Summen einsetzen, um weniger bemittelten Schülern den Unter halt während der Unterrichtszeit, die ungefähr 6 Wochen dauert, zu erleichtern, und trotzdem haben die Landräthe häufig nicht einmal die Gelegenheit, die ausgesetzten Fonds alljähr-= lich zu diesem Zwegke zu verwenden. Ich glaube daher, daß nach diesen beiden Richtungen, in Betreff des geringen Besuchs der Hufbeschlagsschulen, und zweitens der Gutachten der sachverstän= digen Organe die Ausführungen der Motive vollkommen genügen möchten, das Bedürfniß, den früheren Prüfungszwang in Bayern wieder einzuführen, genügen möchten. Die baxerische Regierung an erkennt übrigens vollständig. daß dieses Bedürfniß nicht überall im Deutschen Reiche besteht. Sie möchte daher ihrerseits keinen Zwang ausgeübt wissen, wo in der That zu einem solchen ein Anlaß, wie in Bayern, nicht vorliegt. ;

Was übrigens die Abänderungen betrifft, die theils in der Kom⸗= mission beschlossen, theils im Hause heute beantragt wurden, so er⸗ laube ich mir zu bemerken, daß gegen den blos redaktionellen Abände⸗ rungsvorschlag der Kemmission unsererseits eine Erinnerung nicht be⸗ stebt. Selbstverständlich besteht auch keine Erinnerung dagegen, wenn allenfalls dem Regierungsvorschlage noch der Satz hinzugefügt wird, daß das in einem Staate erlangte Fi , me für den Umfang des Deutschen Reichs gelten soll. Es ist übrigens auch ein neuerer Antrag eingebracht worden, wonach die Be⸗ fugniß zur Erlassung von Zwangsvorschriften nicht den Landesregie tungen, sondern der Landesgesetzgebung übertragen werden soll. Dieser Vorschlag wurde seiner 4 auch in der Kommission erörtert. Ich habe damals bemerkt, daß meiner Ansicht nach ein Bedürfaiß für eine derartige Abänderung unseres Vorschlages nicht vorläge, ein Be- därfniß insbesondere um deswillen nicht, weil. der Landtag durch die erforderliche Bewilligung der Ausgaben für die betreffeaden Schulen das Mittel in der Hand hat. eine dem Bedürfniß nac ihrer Ansicht nicht entsprechende Zwengsanordnung der Landesregierung zur Aufhebung zu bringen. dererseitz bin ich auch der Ansichta