1883 / 83 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 09 Apr 1883 18:00:01 GMT) scan diff

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fällt die geringe Zahl der vorhandenen deutschen Importeure auf. Natürlich kann keine Firma in Neun⸗Seeland nur von der Einfuhr deutscher Waaren leben; was dort fehlt sind die in andern überseeischen Ländern so häufigen Häuser ersten Ranges, deren Chess Deutsche sind, mögen im übrigen die geschäftlichen Beziehungen ihren Schwerpunkt in London oder sonst einem außerdeutschen Platze haben. Vereinzelte deutsche Importfirmen mit ziemlich erheblichen Umsätzen lassen sich in Dunedin und Wellington namhaft machen, in Auckland giebt es nur solche dritten oder vierten Ranges, während in Chrisichurch auch diese fehlen. ü

Im Detailhandel ist der deutsche Antheil schon größer. So findet man beispielsweise ein gelegentlich auch en gros arbeitendes deutsches Juveliergeschäst mit Läden in Auckland, Wellington, Christchurch, Dunedin, Wanganni und Invercargil. Der Hauptsitz dieses Geschäfts ist in London, von wo aus die Einkäufe deutscher Artikel besorgt werden. Auch die Inhaber der meisten und größten Tabacksläden auf Neu⸗Seeland sind Deutsche, die in der Tabackabranche, wie bekannt, auch auf dem australischen Kontinente, namentlich in Melbourne, eine hervorragende Rolle spielen.

Der Gelehrtenstand hat, wie in der ganzen Welt, auch in dieser Kolonie eine Reihe deutscher Vertreter, unter welchen namentlich der Gründer und Direktor des Museums der Provinz Canterbury in Chrisichurch, Professor von Haast, und der Professor der Mineralogie an der Universität in Dunedin, Dr. Ulrich, zu nennen sind. Eine Anzahl deutscher Lehrer ist an den öffentlichen Schulen angestellt, andere haben Privat⸗Unterrichtsanstalten gegründet, so zwei Damen in Christchurch, deren Schulen sich unter den dortigen Engländern eines ausgezeichneten Rufes erfreuen. Selbstverständlich ist, daß für den musikalischen Unterricht mit Vorliebe Deutsche gewählt werden.

In den Regierungskreisen sind Beamte deutscher Nationa⸗ lität nur vereinzelt angestellt und keiner unter denselben nimmt eine hervorragende Stellung ein. Im gegenwärtigen Parlamente sitzen drei Mitglieder deutscher Abkunft, darunter zwei im Unter- und einer im Oberhause. Zu einem Minister⸗ vosten hat es noch keiner unserer Landsleute gebracht, auch sind die Stimmen der deutschen Wähler in keinem Wahlkreise von ausschlaggebender Bedeutung, so daß das Deutsch⸗ thum in politischer Beziehung keinen Einfluß ausüben kann, selbst, wenn unter den Vertretern desselben Neigung dazu vorhanden wäre. Der Vollständigkeit wegen ist noch hinzuzufügen, daß keine deutsche Zeitung in Neu⸗Seeland existirt, und daß die deutsch⸗australischen Wochenblätter welche j . und Brisbane erscheinen, dort nur wenige Leser

nden.

Ueberblickt man hiernach die Gesammtlage der Deutschen auf Neu⸗ Seeland, so läßt sich nicht verkennen, daß dieselbe von unserem Standpunkte aus weniger Grund zur Zufriedenheit und Genugthuung bietet, als dies bei einer Betrachtung der Entwicklung des deutschen Elements in andern australischen Kolonien der Fall ist. Die blühenden Landgemeinden von Süd⸗Australien und Queensland, in denen sich deutsche Sprache und Sitte erhalten haben, findet man dort nicht, die Gründung eigener Kirchen scheint nicht von Erfolg begleitet zu sein, das Vereinsleben, welches unter den Deutschen Australiens sonst wieder kräftiger erwacht, hat f keinen günstigen Boden gefunden. Der einzelne Neu⸗ eeländer Deutsche ist mit seinem Loose meistens zufrieden, weil er ein gutes Auskommen hat und unter einer ihm zu—⸗ sagenden Regierung lebt. Da er wenig von der alten Heimath hört und nicht vorwiegend mit Deut⸗ schen verkehrt, so geht der Prozeß der Anglisirung äußerlich und innerlich ziemlich schnell vor sich; was in ihm von patriotischen Gefühlen bleibt, tritt nur bei besonderen Gelegenheiten hervor. Das einzige Mittel, das deutsche Ele ment in Neu-⸗Seeland wieder zu beleben und frisch zu halten, würde in der Wiederaufnahme einer nachhaltigen Einwande⸗ rung aus Deutschland bestehen, zu welcher jedoch augenblick— lich wohl keine Aussichten vorhanden sind, da das nähere Amerika auf die deutschen Auswanderer eine größere An⸗ ziehungskraft ausübt, als der australische Welttheil.

Han delsinteressen. Die Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und Neu⸗Seeland können bei dem Mangel einer direkten Schiffsverbindung zwischen den beiden Ländern, sowie bei der geringen Anzahl und der geringen Bedeutung der in der Kolonie bestehenden deutschen Importhäuser keine sehr entwickelten sein. Die Handelsstatistik giebt keinen Auf⸗ schluß über den Umfang des Verkehrs, da die aus Deutschland stammenden Waaren via England eingeführt werden und daher in den Zolltabellen als englische figuriren. Der Werth der Importe aus England betrug nun in den letzten fünf Jahren durchschnittlich rund 5 Millionen Pfd. Sterl. jährlich, immerhin ein Beweis dafür, daß Neu⸗Seeland kein unwichtiges Absatz⸗ gebiet für europäische Industrieerzeugnisse ist. Der deutsche Antheil an diesen 5 Millionen läßt sich ziffernmäßig nicht nachweisen; man ist bei einer Schätzung desselben auf Angaben der Importeure angewiesen, und muß im Uebrigen, da letztere selbst paufg nicht wissen, ob der von ihrem Ge—⸗ schäftsfreund in London besorgte Artikel deutschen oder englischen Ursprungs ist, sich durch den Besuch der hauptsächlichsten Waarenlager in den wichtigsten Städten Neu⸗Seelands aus eigener Anschauung ein Bild zu verschaffen suchen. Im Allgemeinen läßt sich behaupten, daß diejenigen deutschen Artikel, die auf dem australischen Konti⸗ nent gangbar und eingesührt sind, auch in Neu⸗Seeland auf Absatz rechnen können, und daß dieser Absatz schon jetzt weit größer ist, als die Mehrzahl der Fabrikanten in Deut schland zu wissen scheint.

Namentlich in Dunedin, welche Stadt gegenwärtig der wichtigste Stapelplatz für europäische Importe ist, findet man in allen größeren Geschäften, englischen sowohl als deutschen, sehr bedeutende Quantitäten heimischer Fabrikate. Nament⸗ lich ist die Berliner Industrie in überraschender Weise ver⸗ treten. Man sieht dort Wollen⸗ und Seidenwaaren, Schuhe, Stickereien, Albums, Korbwaaren, Kämme, Uhren, Hüte, Papierkragen, Droguen, Parfümerien und so weiter. Von Erzeugnissen anderer Industriebezirke Deutsch⸗ lands find zu nennen; Tuche aus Aachen und Eupen, Spielwaaren aus Nürnberg, Klaviere und sonftige musikalische Instrumente aus Dresden, Leipzig, Stuttgart und anderen Orten, Wäscheartikel aus Bielefeld und Hannover, Gold- und Juwelierwagren aus Hanau, Hufnägel aus west⸗ n Fabriken, Zaundraht gus Elsaß-Lothringen und

em Rheinlande und so weiter. Besondere Erwähnung ver⸗ dienen endlich noch Hopfen aus Nürnberg (Bavarian hops), der höher bezahlt wird, als das amerikanische oder

englische Produkt, und Hamburger Cigarren aus Pfälzer Taback, meist unter dem wohllauten deren Namen Havannah“ verkauft, die einen sehr großen Absatz haben sollen, trotzdem die meisten Leute in Neu⸗Seeland, wie auch in Australien, die Pfeife vorziehen, für welche fast ausschließlich amerika⸗ nischer Taback verwandt wird, und trotzdem neuerdings auch amerikanische Cigarretten sehr in Aufnahme kommen. ;

Nach Angaben der Importeure sind die deutschen Artikel bei den Konsumenten durchgängig beliebt wegen ihrer guten Qualität und ihrer billigen Preise, auch mit der Auf⸗ machung und Verpackung derselben war man zufrieden, was mit Vergnügen konstatirt werden darf. Die einzige Aus⸗ stellung, welche verlautete, betraf die aus Berlin kommenden Kravatten für Herren, für welche man größere und elegantere Pappschachteln mit Einsätzen für jede einzelne Kravatte wünschte anstatt der dort üblichen Verpackung, wo⸗ nach mehrere Kravatten zusammen in Seidenpapier geschlagen und packweise in einer Schachtel versandt werden. Der Absatz deutscher Waaren in Neu⸗Seeland ist in den letzten Jahren unzweifelhaft gestiegen, namentlich nach den Weltausstellungen in Sydney und Melbourne, doch haben auch in früherer Zeit schon größere Umsätze stattgefun⸗ den, besonders durch Vermittelung einiger in Sydney und Melbourne etablirten deutschen Hauser, die in Neu⸗Seeland entweder Filialen besitzen, oder die Kolonie regelmäßig durch ihre Reisenden besuchen lassen. Die von gewisser Seite auf⸗ gestellte Behauptung, daß der neuseeländer Markt für die deutschen Fabrikanten erst kürzlich „entdeckt“ sei, ist vollständig aus der Luft gegriffen, ebenso wie diejenige, daß der deutsche . nach Australien erst von den dortigen Weltausstellungen er datire.

So günstig das Urtheil nun in Neuseeland über eine Reihe von keutschen Industrie-Erzeugnissen lautet, so un— günstig ist das Urtheil über die deutschen Fabrikanten, mit denen versucht ist, direkte Geschäftsverbindungen anzu—⸗ knüpfen. Man behauptet allgemein, daß nur mit Hülfe eines Hauses in London, welches den Einkauf der Waaren in Deutschland, die Regulirung der Bezahlung und endlich auch die Verschiffung übernimmt, ein befriedigen⸗ des Geschäft gemacht werden könne. Der deutsche Fabrikant bedürfe einerseits hinsichtlich der Pünktlichkeit und Gleich— mäßigkeit seiner Lieserung einer fortwähren den Ueberwachung, auf der anderen Seite sei derselbe anspruchsvoll in seinen Forderungen, kleinlich bei entstehenden Differenzen, miß⸗ trauisch, ängstlich und häufig unhöflich in seiner geschäftlichen Correspondenz. Von letzterer zeigte man Beispiele, die es allerdings sehr erklärlich machen, daß man es lieber dem Londoner Hause überläßt, die schriftlichen Ergüsse unserer Fabrikanten zu beantworten. Die Länge und Umständ⸗ lichkeit der deutschen Geschäftsbriefe sind übrigens auch in ganz Australien gefürchtet. Auf englischen Comptoiren ist man schon wegen der kürzeren Arbeitszeit nicht im Stande, ähnliche Leistungen aufzuweisen, abgesehen davon, daß man es nicht für „business like* hält.

Die Abneigung der Neuseeländer Firmen, direkte Be⸗ stellungen in Deutschland zu machen, führt natürlich schon an und für sich dazu, daß das englische Zwischenhaus, um die Kommission nicht zu verlieren, auch die Verschiffung in Lon⸗ don besorgt. Von der durch die Errichtung der Australia⸗ Sloman⸗Linie gebotenen Möglichkeit, deutsche Waaren via Ham⸗ burg oder Antwerpen nach Sidney oder Melbourne zu verschiffen und dort nach einem neuseeländis an. umzuladen , ist noch kein Gebrauch gemacht, obgleich von London aus fast auf jedem Dampfer dieser Linie Güter für Neu⸗Seeland an Bord ge⸗ nommen werden. Der Grund liegt abgesehen von den oben geschilderten Verhältnissen darin, daß von Hamburg aus die Frachten für durchgehende Güter nach Neu-Seeland zu hoch sind, daß die Slomanschen Dampfer nur einmal monatlich expedirt werden, und im Vergleich zu den englischen Dampfern zu langsam fahren. Da London in jeder Woche mehrfache Dampfergelegenheit nach Australien bietet, ist es natürlich zweckmäßiger, Waaren, die bis zu einem bestimmten Termin oder in regelmäßigen Zwischen⸗ räumen nach Neu⸗Seeland expedirt werden sollen, zunächst dorthin zu dirigiren. Eine Ausdehnung der Ham⸗ burger Linie, welche zur Zeit ihren Terminus in Sidney hat, auf einige neuseeländische Häfen, würde ohne Zweifel zu direkten Verschiffungen führen, dürfte sich aber zur Zeit kaum lohnen, wie auch keine der nach dem australischen Kontinente fahrenden englischen Dampfergesellschaften Neu⸗Seeland in den Kreis ihrer Operationen gezogen hat.

, . Dagegen ist es im vorigen Jahre den Slomanschen Dampfern zweimal gelungen, Rück⸗ frachten für London in Neu⸗Seeland zu finden, und ebenso haben einige andere deuische Dampfer, die von englischen Firmen in Australien gechartet waren, Beschäftigung an der neuseeländischen Küste gefunden. Bis dahin war die deutsche Flagge in den dortigen Häfen nur durch Segelschiffe vertreten, namentlich durch solche, welche mit Thee von China oder mit Zucker von Mauritius kamen. Auch für den Verkehr mit den Vereinigten Staaten und von Zeit zu Zeit mit einem englischen Hafen sind deutsche Segelschiffe benutzt worden. In den Jahren, wo eine unterstützte deutsche Aus⸗ wanderung nach Neu⸗Seeland stattfand, trafen dort einige direkte Schiffe von Hamburg ein. Gegenwärtig ist die Zahl unserer Schiffe, welche Neu⸗Seeland besuchen, eine sehr be⸗ schränkte, doch hat dieselbe im letzten Jahre durch das Engage⸗ ment der oben erwähnten Dampfer etwas zugenommen. Auch für die Folgezeit wird bei dem Rückgang der Segelschiffahrt in den australischen Gewässern unser Antheil an dem dortigen Schiffs verkehr hauptsächlich davon abhängen, daß wir auf dem frei gewordenen Felde rechtzeitig mit Dampfern zur Stelle sind.

Danzig, 7. April. (W. T. B.) Die „Danziger Zeitung“ meldet heute Abend mittels Extrablatts, daß die Dämme und Deiche oberhalb Plehnendorf an vier verschiedenen Stellen durchbrochen sind. Der erste Bruch befindet sich in der Nähe der Besitzung des Deichhauptmanns Grünwitzki, der zweite bei Bohn⸗ sackerweide, der dritte bei Bohnsack und der vierte, welcher 500 m lang ist, oberhalb Bohnsack von der Chaussee bis zum Weichseldeich. Die Bewohner haben sich zum größten Theil auf die Dünen gerettet; ein Pionierkommando versucht, die Menschen von den abgeschnittenen Dammstrecken herüberzuholen. Lebensmittel und Viehfutter reichen nur noch für zwei Tage.

München, 5. April. Internationale Kunst⸗Aus⸗ stellung in München 1883. Von dem Berliner Lokalverein der deutschen Kunstgenossenschaft ist dem Centraleomits der internationalen Kunstausstellung zu München 1883 die Mittheilung zugegangen, daß durch das entgegenkommende Verhalten der Münchener Künstlerschaft alle Differenzen völlig gehoben sind. Berlin sichert nunmehr eine

rege Betbeiliqung bei Beschickung der internationalen Kunstausstellun Des gleichen erhielt das Centrascomitè von seinem Vertreter in Be Hrn. Konsul Paul PVolck in Brüssel, die erfreuliche Nachricht * Eine glänzende Kollektion Kunstwerke von Belgien nach München n lunch 3 ligung Spani spricht üb 23 ie Betheiligung Spaniens verspricht über alles Erwa

deutend zu werden; Ihre Königliche Hoheit die Infantin 2 legt das lebhafteste Interesse fur das Gelingen der spanischen Seki an den Tag und bat für ihr Land das Proteftorot huldrollsff ihn nommen. Alg spanischer Kommissar für die Münchener Ans teln wurde Hr. M. Tubino, Mitglied der Akademie in Madrid mn dessen Leitung bereits die spanische Abtheilung der Wiener ur stellung arrangirt war, ernannt und werden sich Comiteès in Jan und Rom konstituiren. um die spanischen Künstler zur Betheilsgu zu animiren. Se. Majestät der König von Spanien hat die gin gehabt, aus seiner Privatsammlung Werke zur Verfügung zu stellen und auch das spanische Ministerium hat die Ueberlassung von Wer. ken aus den Staatsgalerien zugesichert.

Be:n, 8. April. (W. T. B.) Eine Feuers brunst zerstorte den ganzen auf dem linken Ufer der Orbe gelegenen Theil de⸗ Do fes, Vallorbes im Kanton Wagdt. 145 Häuser wuren von den Flammen verzehrt, darunter auch das Postgebaude mit etheh lichen Herthbefländen; 1200 Persongn sind obdachloß. Man schiy den entstandenen Schaden auf zwei Millionen Francs.

New⸗York, 8. April. (W. T. B.) In Greenville (Tera kamen bei dem Einsturz eines Hotels, welches zugleich in Brand gerieth, vierzehn Menschen ums Leben. Der Ginsturs wird der Sun lündung von Pulver im Souterrain des Hotels zugeschrieben.

Die angekündigte Erinnerungsfeier für Richard Wagner hatte am Sonnabend im Opernhause ein außerordentlich zahlreiches und distinguirtes Publikum zusammengeführt. In weihe voller Weise wurde dieselbe mit den erschütternden Tönen des mich. tigen Trauermarsches aus der Götterdämmerung“ eingeleitet. Ah sich der Vorhang erhob trat aus einer von düsteren Cyprefsen beschatteten, felsigen Landschaft die Muse der Sagendichtung, um den

dahingegangenen Meister in schwungvollen Versen als Wieder.

beleber der heroischen Gestalten der deutschen Vorzeit zu feiern. Dann theilte sich der dunkle Hintergrund, und von hellem Echte he— strahlt erschien in der saͤulengetragenen Rotunde eines hehren Tempels die lorbeergeschmückte Büste des Dichter komponjften, welchem die Sprecherin unter den Klängen des Preisliedes aus den Meistersingern' ihre Huldigung darbrachte. Die tiefe Bewegung, welcht das Haus in diesem Moment ergriff, ließ jede Beifallsbezeugung verstumme . Um so lauter und allseitiger machte sich dafür die Begeisterung des Auditoriums bei der dann folgenden Aufführung des Tannhäuser Luft, in welcher die Damen bon Voggenhuber und Lehmann, dit Herren Niemann, Betz, Fricke, Krolop ihr ganzes künstlerischeg Ver— mögen entfalteten. Den Prolog hatte Frl. Schwarz mit schöͤnen Ausdruck und edlem Pathos vorgetragen. Der Vorstellung wohnten Se. Majestät der Kaiser, Se. Kaiserliche Hoheit der Kronprinz und Ihre Königlichen Hoheiten die Prinzessinnen Friedrich Carl, Victoria und Heinrich der Niederlande bei.

Literarische Neuigkeiten und periodische Schriften.

Politische Gesellschaftsblätter. 24. Heft. Inhalt: Jum; Kulturkampf Die Hypothekenbanken im Herrenhause. Arbeiterkolonie in Pommern. Berliner Wandlungen. (Fortsetzung) Vermischtes. Forrespondenz.

Forstwissenschafliches Centralblatt. Heft 4. Inhalt: Originalartikel. Ueber die Bedeutung einiger n verarbeitenden Industriezweige. Von Dr. R. Weber, Oberförster und Dozent in Aschaffenburg. (Fortsetzung, Ein neuer Zuwachsstab. Von Prof. Dr. Baur in München. Die forst. und jagdgeschichtliche Beden⸗ tung der deutschen Volksrechte. Von Prof. Br. Schwappach. Aphorismen über das Bestreben und die Jiele der bayerischen Forft⸗ verwaltung in den letztvergangenen Jahrzehnten. Vom Königlichen Forstmeister Kadner. Mittheilungen: Bericht über die VI. Ver. sammlung des württembergischen Forstvereins zu Elwangen am 19. und 20. Juni 1882. Vom Königlich württembergischen Oberförster , in Hohenberg. Literarische Berichte. Notizen. An zeigen.

Forstliche Blätter. Heft 4 Inhalt; Aufsätze. Einige Bemerkungen über die deutschen Rüsterarten. Nebst Zusaß von Pr. Kienitz. Von B. Borggreve. Berichtigungen, betr. meine Aeußerungen auf der 1882er Versammlung des Hils-Sollinz⸗ Vereins. Von B. Borggreve Der Lichtungshieb mit Unterbau. Von O. Grunert. Die Promotion von Forstkandidaten. Von Dr. Udo Eggert. Bücheranzeigen. Mittheilungen.

Deu tsche Landwirthschaftliche Presse. Nr. 27. In⸗ halt: Die preußische Abdeckereigesetzgebung und die einheitliche geset⸗ liche Regelung des gesammten Abdeckereiwesens für ganz Deutschland. Von Assessor von Oesfeld. . Landwirthschaftliche Reise= skizzen auß Ungarn. Von Dr. Louis Bein in Berlin. (Fortsetzung) Erster Brief über Schafzucht. Von Rud. Behmer⸗Berlin. Patent Dachfenster. (Mit Abbildungen. Personalien. Literatur. . ö Lehranstalten. Sprechsaal. Handel und

erkehr.

Selbstverwaltung. Nr. 12. Inhalt: Der Amts vorsteher. D Höhere Entscheidungen; Chinesische Seeräuber. Iba un gen Gemeindebeschlüssen. Polizeiliches: Polizeiverordnung, betreffend die Meldung von Medixznglpersonen. Poltzeiverordnung, betreffend die Aufbewahrung des Rohpetroleums an dessen Gewinnungẽstätten. Polizeiverordnung, betreffend die Aufhebung der Polizei verordnung vom 31. Oktober 1878 über die Dampfschleppschiffahrt der Sprer und der Havel. Polizeibehörde in London (Rechtshülfe für deutsche Mädchen). Verbotene Lotterie (Barletta Loose). Fischereipolize. Praktischer Dienst: Formulare zur Verordnung, betreffend die Cin= richtung von Strafregistern und die wechselseitige Mittheilung der Strafurtheile. Briefkasten.

Mittheilungen, der Großherzoglich hessischen Centralstelle für die Landesstatistik. Nr. 284. Inhalt: Einnahmen aus Stempelmarken 1881 - 82. Knappschafts⸗In dallden⸗ u. Knappschafts⸗Krankenkassen⸗Vereine 1381 (Schluß). Preise der gewöhnl. Verbrauchsgegenst. Jan. 1883. Prelse der gewöhnl. Verbrauchsgegenst. Febr. 1883. Todesfälle im Großh. Hessen 1882. Sterblichkeitsverhältn. Jan. 1883. Meteorol. Beobacht. ju Darmstadt Jan. 1883. Sterblichkeitsverhältn. Febr. 1883. Meteorol. Beobach. zu Darmstadt Febr. 1883.

Der Feuerwehrmann. Nr. 14. Inhalt: Feuergefährlich⸗ keit elektrischer Beleuchtungzanlagen. Äus dem rheinisch weft fälischen Verbande. Feuerlöschwesen des Großherzogthums Lure burg. Die Reorganisation der Wiener städtischen Feuerwehr. Verschiedene Mittheilungen. Brandfäͤlle ze. Frisch auf, frisch auf, ihr Brüder. Brand des National⸗Theaters in Berlin. Die geheimnißvolle Schachmaschine.

Nedacteur: Riedel. Verlag der Expedition (Kessel). Druck W. El sner. Vier Beilagen leinschlie flich Böoͤrsen · Beilage). (26)

Berlin:

M S3.

Erste Beilage zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

Berlin, Montag, den 9. April

1883.

Aichtamtlich es.

Preußen. Berlin, 9. April. Im weiteren Ver⸗ laufe der vorgestrigen (60.) Sitzung des Reichstags wurde die zweite Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, be⸗ treffend die Abänderung der Gewerbeordnung (Art. 3 3. 55) fortgesetzt Die Abgg. Heydemann und Dr, Blum bean⸗ tragten, den 8. 35 des Kommissionsbeschlusses folgendermaßen

assen: J 21 fen. Ertheilung von Tanz⸗, Turn- und Schwimmunterricht

als Gewerbe, sowie der Betrieb von Badeanstalten ist zu unter. fagen, wenn Thatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden in Bezug auf diesen Gewerbebetrieb darthun. Unter derselben Voraussetzung ist zu untersagen der Handel mit Dynamit oder anderen Sprengstoffen.

Der Handel mit gebrauchten Kleidern, gebrauchten Betten oder gebrauchter Wäsche, der Kleinhandel mit altem Metallgeräth oder Metallbruch (Trödel) oder mit Garnabfällen oder Dräumen von Seide, Wolle, Baumwolle oder Leinen kann demjenigen untersagt werden, welcher wegen aus Gewinnsucht begangener Vergehen oder Verbrechen gegen das Eigenthum bestraft worden ist.

Das Geschäft eines Gesindevermietbers und eines Stellen⸗ vermittlers kann Demjenigen untersagt werden, welcher wegen aus Gewinnfucht begangener Vergehen oder Verbrechen gegen das Eigen⸗ thum oder besen Vergehen oder Verbrechen gegen die Sittlichkeit bestraft worden ist. 26 . ;

f 6 welche gewerbsmäßig das Geschäft eines Auktio- nators betreiben, ist es verboten, Immobilien zu versteigern, wenn sie nicht von den dazu befugten Staats oder Kommunalbehörden oder Korporationen dazu angestellt sind (S. 36.)

Personen, welche die in diesem Paragraphen bezeichneten Ge⸗ werbe beginnen, haben bei Eröffnung ihres Gewerbebetriebes der juständigen Bebörde hiervon Anzeige zu machen.

Der Abg. Dr. Blum befürwortete seinen Antrag. In der Frage, wie weit die polizeiliche Aufsicht ausgedehnt werden buürfe, werde seine Partei, soweit es nach ihrer Ueberzeugung praktisch erscheine, der Regierungsvorlage Konzessionen machen. Wenn er irgend ein Prinzip annehmen wolle, so sei es das, daß er eine Kontrole bei denjenigen Geschästsbetrieben, die zum gewerblichen Verkehr gehörten, nicht für angezeigt halte, denn dem Dummen werde in dieser Beziehung auch durch die Polizei nicht geholfen. Bezüglich des ersten Theiles der Er⸗ theilung von Tanz“, Turn- und Schwimmunterricht stehe der vorliegende Antrag auf dem Boden der Regierungsvorlage; denn es sei hier Gefahr für Leben und Sitte vorhanden. Darin seien weiter alle Fraktionen mit ihm einverstanden, daß der Handel mit Dynamit und anderen Sprengstoffen unter strengere Kontrole zu stellen sei. Das Hauptprinzip seines Antrages beruhe in der Ausscheidung der Nechtskonsulenten aus dem Ge⸗ setz. Der Grund hierzu sei, daß zu befürchten stehe, daß diese Gewerbetreibenden, welche in Folge ihrer Thãätigkeit sehr leicht zu politischen Fragen Stellung nehmen könnten, dadurch leicht der Willkür der Polizei ausgesetzt wären. Was die große Anzahl der Volksanwalte beireffe, so sei üherall dort, wo diefer Erwerbszweig freigegeben sei, wie in England, dieser Stand zahlreich vertreten, und das sei der Beweis, daß der⸗ selbe einem wesentlichen Bedürfnisse des Volkes nachkomme. Und was die Heirathsvermitiler anlange, so müßten diejenigen, welche sich an diese wendeten, es sich auch gefallen lassen, wenn sie zuweilen scharf mitgenommen würden.

Hierauf ergriff der Bevollmächtigte zum Bundesrath Königlich bayerische Ministerial⸗Rath Herrmann das Wort:

Im Gegensatz zu dem Herrn Vorredner möchte ich das hohe Haus dringend bisten, es insbesondere in Bezug auf den wichtigen dritten Abfatz des §. 35 bei den Kommissionkbeschlüssen zu belassen. Nach den Anträgen, wie sie eben begründet sind, sollen aus dem dritten Absatz insbesondere entfernt werden: .

Die Geschäfte der gewerbsmäßigen Besorgung fremder Rechts⸗ angelegenheiten und. bei Behörden wahrzunehmender. Geschafte, insbesondere der Abfassung der darauf bezüglichen schriftlichen Auf⸗ sätze, von dem Geschäfte der gewerbsmäßigen Vermittelungsagenten für Immobiliarverträge, Darlehen und Heirathen, sowie von dem Geschäfte eines Auktionators.

Meine Herren, diefe Geschäfte haben das besonders gemeinsam, daß sie von Seiten des mit ihnen verkehrenden Publikums ein gan außerordentliche Maß von Vertrauen in Anspruch, nehmen. Der⸗ jenige, welcher zur Besorgung feiner Rechtsangelegenheiten sich, fremder Hülfe bedient, hat mehr oder weniger den Betreffenden in seine Privatverhältnisse einzuweihen, wer in Bezug auf Immobilienverträge, auf Darlehen, fremde Vermittelung in Anspruch nimmt, ist mehr oder weniger gezwungen, den Vermittler über seine Vermögens⸗ und Kreditverhältnisse aufzuklären. Welch ein ungeheures Maß von. Ver⸗ trauen Diejenigen in Anspruch nehmen, welche Heirathen vermitteln, davon will ich nicht sprechen.

Da ist denn meine hohe Regierung der ,,. daß es zu den vornehmsten Pflichten des Staats gehöre, Leute, welche nach der näheren Kenntniß der Behörden ein solches Maß von Vertrauen nicht verdienen, bezw. thatfächlich bewiesen haben, daß sie es nicht in Bezug auf ihren Gewerbebetrieb verdienen, von demselben zum Schutz des Publikums auszuschließen. ö

So war es auch nach der früheren bayerischen Gesetzgebung, nach der die hier in Frage stehenden Gewerbe unter der Kollektivbezeich⸗ nung der Kommsssions⸗ und Anfragebureaux zusammengefaßt wurden; dies Gewerbe ist bei uns stets der Konzessionspflicht unterworfen

ewesen und auch unterworfen geblieben nach dem gewiß sehr frei⸗ innigen Gewerbegesetz vom 30. Januar 1868. In der auf dieses Gesetz begründeten Allerhöchsten Verordnung vom 25. April 1868 ist in §. 1 bestimmt, daß, wer sich mit der gewerbsmäßigen Besorgung fremder Privat⸗ geschäfte im Auftrage der Betheiligten befaßt, das heißt ein Kommissions⸗ und Anfrage⸗Bureau betreiben will, hierzu einer Konzession bedarf. Derjenige, der sich um eine Konzession bewarb, hatte nachzuweisen völlige UÜnbescholtenheit und Verläßlichkeit, eine zum Betriebe ge nügende allgemeine Bildung und geordnete Vermögens verhãltnisse, und außerdem mußten die verleihenden Behörden überzeugt sein von der Nothwendigkeit und Nützlichkeit des zu begründenden Unterneh⸗ mens. Sie fehen also, meine Herren, daß noch unter der Gewerbe⸗ oꝛdnungtgefetzßebung vom Jahre 1868 die Anforderungen an Diese Gewerbeleute unendlich viel weiter gegangen sind, als nach der Kom · missiongvorlage verlangt wird. Dieser Zustand der Konzessions. pflicht der Kommissionsbureaux ist in Bayern beseitigt worden mit der Einführung der Reichs: Gewerbeordung im Jahre 1873. Mit diefer AÄenderung find aber seither keine günstigen Er⸗ fahrungen gemacht worden. Vielfach sind der Regierung Klagen dar⸗ über zugegangen, daß in diese Gewerbebetriebe sich Leute eingedrängt haben, die sonst Überall abgeschafft waren, die kein Vertrauen ver ˖ dienen und die das Publikum, das ihrer Hülfe sich bedient, aus⸗ beuten, statt ihm reelle Dienste zu erweifen.

Meine Herren! Ich habe mir schon in der Kommission erlaubt, aus den bejüglichen hierüber eingejogenen Berichten magistrarischer Behörden thatsäͤchliche Anführungen mitzutheilen. Ich bin genöthigt, auch dem hohen Plenum Einiges aus diesen Berichten vorzuführen

Da liegt mir zunächst vor der Bericht des Magistrats in Hof vom 28. Februar 1882. Meine Herren, Hof ist eine liberale Stadt, wie bekannt, der Magistrat ist liberal zusammengesetzt und der Be⸗ richt, aus dem ich diese Mittheilungen zu machen habe, ist unter zeichnet von dem inzwischen verstorbenen Herrn Bürgermeister von Munch, einem anerkannt liberalen Manne. Derselbe berichtet bezüg⸗ lich der gewerbsmäßigen Vermittelung von Darlehen, die Kommissionäre ergreifen der Regel nach 3

diese Sparte erst, wenn sie schon auf verschiedenen anderen Ge— bieten vergeblich ihr Glück versucht haben. Gewöhnlich sind es vorher in Kanzleien verwendet gewesene Schreiber, die sich diesem Geschäfte mit der Absicht zuwenden, sich ohne eigenes Risiko auf bequeme Weise so schnell als möglich ein behaglicheres Leben zu verschaffen. Und nicht selten erreichen sie ibr Ziel, indem sie die Darlehnssucher, die so unglücklich sind, in ihre Hände zu ge— rathen, systematisch ausbeuten und ausrauben, selbst auf die Gefahr hin, daß sie dieselden an den Bettelstab bringen. Dabei wissen sie ihr Verfahren so einzurichten, daß man ihnen nicht beikommen kann, denn sie sind berechnend genug, um Alles zu vermeiden, was ange⸗ than wäre, eine Kollision mit den Strafgesetzen herbeizuführen. Immer gelingt dies allerdings nicht. So haben wir bier drei Bei⸗ spiele, nach welchen ein Kommissionär aus Anlaß seines Geschäfts⸗ betriebes wegen Betrugs zu Gefängnißstrafe von 4 Monaten, ein Anderer wegen Urkundenfaͤlschung zu 55 Jahren Zuchthaus und ein Dritter wegen Unterschlagung und Betrugs in eine Gefängnißstcafe von 2 Jahren 2 Monaten verurtheilt wurde.

Meine Herren! Das ist in einer einzigen Stadt gegeben; der berichterstattende Herr Bürgermeister resumirt sich dahin, daß er sagt:

Was also die Kommissionäre und ihre gewerbsmäßige Vermit⸗ telung von Darlehen anlangt, so müssen wir uns mit einer Ver schärfung und resp. Ergänzung der bestehenden Bestimmungen nicht nur einverstanden erklären, sondern wir halten eine davon aus— gehende Gesetzegänderung für eine absolute Nothwendigkeit und um so leichter durchführbar, als andere Verhältnisse damit nicht geschädigt werden. ; . ;

Ein weiterer Bericht liegt mir vor Seitens des Magistrats Regensburg vom 8. März 1882, nach welchem in dieser Stadt das Kommissionsgewerbe u. A. von 14 namentlich aufgezählten Per⸗ sonen betrieben wird, welche nach Ansicht des Magistrats wegen wiederholter Bestrafung z. nicht als gualifizitt erachtet werden können. Der berichtende Bürgermeister Stobaeus kommt ebenfalls zu dem Schluß: ; .

Nach dieser in der Praxis gemachten Wahrnehmung dürfte eine Ergänzung der Gewerbeordnung in Bezug auf die erwähnte Erwerbtzart sich als nothwendig erweisen. , .

Ein Bericht liegt ferner vor von dem ebenfalls liberalen Mazi—⸗ strat zu Augsburg vom 9. März 1882. In diesem Bericht ist ins— besondere Bezug genommen auf eine Persönlichkeit, die dort seit dem Jahre 1876 das Kommissionsgeschäft betreibt, bestraft worden ist wegen Fälschung und Veruntreuung mit vierwöchentlicher Gefängniß⸗ strafe im Jahre 18654 und dann im Jahre 1855 wegen Betruges ver urtheilt zu einer anderthalbjährigen Arbeits hausstrafe und 1867 eben⸗ ß wegen Betruges zu einer einjährigen Gefängnißstrafe. Diese Per⸗

önlichkeit hat sich 18376 in Augsburg niedergelassen und betreibt mit einer abgefeimten Geschicklichkeit das Kom missionsgeschãst. Der Be⸗ treffende berechnet, wie hier geragt ist, in der Regel 20 bis 23 0G für Inkasso; überdies verlegt er sich auch besonders darauf, von Personen, welche foeben aus der Vormundschaft en lassen werden, ihr in Hypo⸗ theken oder Staatspapiecen angelegtes Kapital anvertraut zu erhalten. So übergab ihm 1879 ein Soldat von dem dort garnisoniren⸗ den Infanterie Regiment sein Muttergut von C600 6 und mußte es großentheils verlieren. Meine Herren! Ich sollte doch nicht glauben, daß es zu viel wäre, wenn die Polizeibehörde unter der Kognition des Verwaltungsrichters ermächtigt wird, derartige von der Fortsetzung ihres Geschäftsbetriebes auszu— chließen. .

Der Berichtende, Herr Bürgermeister Fischer, der gewiß auch vielen von Ihnen als liberaler Mann bekannt sein wird, kommt dann auch zu Konklusionen, welche im Wesentlichen mit den Kommissions⸗ vorschlägen übereinstimmen. Er hält es mit Rücksicht auf die be⸗ richteten Vorkommnisse als durchaus empfehlenswerth, daß l

1) die Zulässigkeit von Verordnungen über die Verpflichtungen und Rechte, sowie über den Geschäfts betrieb der Inhaber von Kom⸗ missions⸗ oder Anfrtagebureaux und über die polizeiliche Kontrole dieser Gewerbe (in Analogie des 8. 38 der Gewerbeordnung) und

2) die Zulässigkeit der Untersagung des Betriebes solcher Bureaux gegenüber den Personen, bezüglich deren die Behörde auf Grund von Thatsachen die Ueberzeugung gewonnen hat, daß sie die zu jenem Betriebe erforderliche Zuverlaͤssigkeit nicht besitzen, gesetz⸗ lich ausgesprochen würde. ;

In ähnlicher Weise berichtet der Magistrat zu Passau, der Ma⸗

istrat zu München, zu Landshut und Straubing und noch andere

hörden. Ich will die Herren nicht ermüben mit weiteren Vor— trägen aus diesen Berichten, aber ich möchte einen anderen Ge⸗ sichtspunkt hervorheben, den Eingangs dieser Debatte schon der Hr. Abg. von Köller berührt hat. .

Meine Herren! Ich habe die feste Ueberzeugung, daß wir bei dem Gegenstande, der jetzt augenblicklich zur. Berathung steht, uns in unmittelbarer Nähe eines äͤußerst gefährlichen Krebeschadens be— finden, welcher an der Wurzel des landwirthschaftlichen Woblstandes haftet und den zu beschneiden es meiner Ansicht nach die höchste Zeit ist. Ich berufe mich bierfür auf die Autorität des Hrn. Professor Pr. Ranke und auf dessen Schrift über die bäuerlichen Zustände dreier Bauerngemeinden in der Umgebung Münchens, eine Schrift, die derselbe auf Veranlassung des Vereins für Sozialpolitik erst un⸗ langst veröffentlicht hat. Hr. Professor Ranke ist ausübenper Landwirth, er bewirthschaftet selbst ein Landgut, welches in⸗ mitten der von ihm geschilderten Bauerngemeinden gelegen ist, und ist seit längerer Zeit zweiter Vorstand des Generalcomites unseres landwirthschaftlichen Vereins, also mit den einschlägigen Verhältnissen offenbar bestens vertraut. . .

Nach der Schilderung der Wirthschaftsverhältnisse dieser drei Bauerngemeinden kommt er auf die Darstellung des finanziellen Ruins fünf größerer landwirthschaftlicher Bauerngüter in diesen Ge. meinden und refümirt am Schlusse sich in folgenden meiner Ansicht nach höchst beherzigenswerthen Sätzen: . .

„Die Hauptgefahr im Bauernstande liegt aber in den wucherischen Manipulationen gewissenloser Spekulanten, die sich die Geschaͤftgzunerfahrenheit der Bauern zu Nutze machen. Die wuche⸗ rischen Spekulationen, durch welche die alten bäuerlichen Wirth— schaften zu Grunde gehen, bestehen hier erstens in Güterzertrüm⸗ merung und Güterzerschlachtung, wobei es hauptsächlich auf Ver⸗ äußerung des Waldes abgesehen ist, zweitens in Finanzmanipulatio- nen, wo anstatt des Wechsels, der in hiesiger Gegend bei den Bauern wenig in Gebrauch ist, Darleihung von Hypothekenkapitalien mit kurzem Zahlungstermin auf Grund vollstreckbarer Urkunden die Hauptrolle spielt. Der Schuldner gelangt hierdurch meist rasch in die Hand seines Gläubigers. 4

Um mit einem positiven Vorschlage zu schließen, bemerkt der Herr Professor:

wie einem Theil der schlimmsten Mißstände, welche uns hier entgegentreten, Abhülfe geschafft werden könnte, greife ich auf ein Gutachten zurück, welches das Centralcomits des landwirthschaft⸗ lichen Vereins über die Wechselfähigkeit der Bauern im November⸗ 1880 erstattete.

Das genannte Comits war der Meinung, daß der Gebrauch des Wechsels dem Bauern zwar zu widerrathen, aber nicht zu ver⸗ bieten sei, daß dagegen die Geldverleiher, welche unter den Bauern Geschäfte machen, durch Erweiterung des 5§. 360 Ziffer 12 des Reichsstrafgesetzbuchs bei Ausübung ihres Gewerbes, ähnlich wie die Pfandleiher und Rückkaufshändler, behandelt werden sollen. Ich bin der Meinung, daß durch eine derartige Maßregel viel Gutes erreicht werden könnte.“

Meine Herren! Die Vorschläge, welche Ihnen Ihre Kommission unterbreitet, gehen durchaus nicht soweit. Wir unsererseits verlangen nur, daß den Polizeibehörden, welche in der Lage sind, das Treiben derartiger Leute zu beobachten, die Möglichkeit eingeräumt werde, Individuen, welche ihr Geschäft lediglich dazu mißbrauchen, das Pu⸗ blikum, das sich ihnen anvertraut, zu prellen und zu Schaden zu bringen, von dem Fortbetriebe dieser Gewerbe auszuschließen, und ich glaube, meine Herren, diese Befugniß könne den Polizeibehörden um so leichter eingeräumt werden, als ja das Recht des Rekurses ge⸗ stattet ist, und in allen deutschen Ländern, soviel ich weiß, das Re—⸗ kursverfahren der Gewähr richterlicher Prüfung, nämlich des Verwal⸗ tungsgerichts, unterstellt ist.

Nach diesen Darlegungen möchte ich das hohe Haus daher dringend bitten, insbesondere bezüglich dieses wichtigen Absatzes 3 des §. 35 bei den Kommissionsvorschlägen es zu belassen.

Der Abg. Richter (Hagen) zog den Prinzipalantrag Baumbach, da sich der Antrag Heydemann-Blum in vielen Punkten mit demselben decke, zurück, behielt sich aber die Amendirung des Letzteren vor.

Der Abg. Meibauer wies das System der Redner von der Rechten, den Abgeordneten von der Linken, sogar den Kommissionsmitgliedern immerfort Unkenntniß vorzuwerfen, zurück. Vorgestern sei der Abg. Günther (Sachsen), gestern der Abg. von Kleist⸗Retzow, heute der Abg. von Köller dem Abg. Munckel gegenüber so verfahren; die Ausführungen des Abg. von Köller hätten aber nur bewiesen, daß derselbe die Ge⸗ werbeordnung nicht etwa nicht gelesen, aber miß— verstanden habe. Die Versagung des Gewerbebetriebes wegen Unsittlichkeit lasse sich ja noch rechtfertigen. Die Vorlage gehe aber noch weiter, sie gebe es in die Hand der Polizei behörde, zu entscheiden, welche Kriterien zur Beurtheilung der Zulässigkeit des Gewerbebetriebs nothwendig seien. Da der Betrieb nicht von vornherein untersagt werde, so müßte die Polizei besondere Tanzberechtigungsangelegenheits⸗Prüfungs— kommissionen niedersetzen. Weshalb Turn- und Schwimm— lehrer ebenfalls unter diese Bestimmungen subsummirt werden sollten, sei ihm nicht klar. Die bloße Möglichkeit, wie es in den Motiven heiße, daß sie Schaden an Leben und Gesundheit herbeiführen könnten, reiche doch nicht aus, um diese Maßregel zu roöchtfertigen. Weshalb sei denn nicht auch das Gewerbe der Reitlehrer in das Gesetz aufge⸗ nommen worden? Dieselben fielen doch unter Dieselbe Kategorie. Oder habe man dies unterlassen aus Rücksicht auf die Herten von der Kavallerie auf der rechten Seite? Ebenso un⸗ klar sei es, daß die Dirigenten der Badeanstalten unter diesen Paragraphen gestellt seien, die mit dem Betrieb an sich gar nichts zu thun hätten. Ebenso wenig könne er sich mit den Bestimmungen gegen die Volksanwälte befreunden. Auswüchse kämen bei allen Ständen vor und selbst wenn man diesen ganzen Betrieb untersage, würden die Volksanwälte nicht trotzdem unter der Hand Prozesse führen? Wenn den Volks— anwälten von vornherein die Betriebserlaubniß versagt würde, wäre es noch immer besser, als jetzt, wo über ihrem Gewerbe das Damoklesschwert der Konzessionsentziehung hänge.

Der Abg. Dr. Windthorst erklärte, es werde ihm recht schwer, zu dieser Frage Stellung zu nehmen. Auf der einen Seite die vielfachen Unzuträglichkeiten im Gewerbebetriebe, die der Abhülfe dringend bedürften, auf der andern Seite die Vermehrung der Machtbefugnisse der Polizei. Von den einen werde die Polizei als unbefangen gelobt, von den andern ge— tadelt. Zu der ersteren gehöre auch der Abg. Blum. Die Vorliebe des Abg. Blum für die badische Polizei beruhe, glaube er, darauf, daß derselbe dort zur herrschenden Partei gehöre. Das Urtheil über die Polizei richte sich danach, ob Jemand Hammer oder Ambos sei. Der Abg. Blum sei Hammer. Es sei traurig, daß die Polizei gegenwärtig ihre Gewalt politisch wie kirchlich in einem Maße mißbrauche, daß es kaum möglich sei, ein volles Ver⸗ trauen zu ihr zu gewinnen. Darin liege die Schwierigkeit dieses Gesetzes. Auch die Gerichte genössen in vielen Theilen Deutschlands, namentlich seit dem Kulturkampf, nicht mehr volles Vertrauen. Dieselben wirkten seit dem Kulturkampf noch schlimmer als die Polizei. Die Herren von der Linken hätten dafür gesorgt, dieses Vertrauen zu erschüttern. Wenn man ein Gegengewicht gegen die Polizei wolle, so könne es nur gefunden werden, wenn bei der Beurtheilung der Kon⸗ zessionirung die Organe der Selbstverwaltung in weiterer Thätigkeit wären, das sei aber nicht der Fall. Er seinestheils sei an sich nicht für eine Vermehrung der Polizeigewalt, und seine Freunde hätten alle Ursache, wohl zu überlegen, wie weit sie in dieser Hinsicht gehen könnten, denn sie seien für lange Zeit entschieden in der Minorität befindlich, und zu denen gehörig, welche der Ambos seien. Daraus möchten die Herren ersehen, wie schwer es ihm werde, der Polizei weitere Befugnisse zu geben. Die jetzigen gewerblichen Zustände seien nach seiner Wahrnehmung so heillos, daß er kein anderes Mittel finden könne. Umsomehr werde er die Regierungen auffordern müssen, endlich zu begreifen, daß sie die Polizei in politischen und kirchlichen Dingen nicht so mißbrauchen dürften, damit sie zu einem Vertrauen gelangten, welches gestatte, ihnen Funktionen zu überlassen, wie sie hier in . seien. Vas sei der Grund, weshalb er sehr zu seinem Verdruß in der Lage sei, diesen heillosen Zuständen gegenüber, um deren Remedur es sich handele, die Polizei zuzulassen. Seine Partei sei durch die Gesetzgebung der Liberalen der Polizeiwillkür unterworfen worden. Gerade ein Führer des Fortschritts, der uc See sei noch heute einer der rabiatesten Kulturkämpfer. Dieselben liberalen Herren hätten es für zulässig erachtet, die Katholiken durch ihre Gesetze in diese Lage zu bringen. Die Linke habe der Polizei den Katholiken gegenüber die Macht verstärkt.