Die Frauenverband⸗ Zeitung hat ganz vorzugsweise den Zweck, die Cirkulare und sonstigen amtlichen Kundgebungen des Vaterlãndi⸗ schen Hauptvereins. jowie des preußischen und deutschen Central⸗ comites zur Kenntniß der Mitglieder der Zweigvereine ju bringen und ihnen als Sammlung folcher Aktenstücke zu dienen. Dies Organ soll ferner über die Interessen der Frauenvereine orientiren und von ihnen selbst zu Aeußerungen und Mittheilungen benutzt
werden. ;
Deshalb erscheint es uns nethwendig, daß das Blatt von allen Seiten gehalten und nicht blos unter den Vorstandsmitgliedern. son- dern, wenn irgend möglich, im größeren Kreise der Vereinsmitglieder zur Ginsicht in Cirkulation gesetzt werde. . .
Auch für den Generalbericht des Hauptvereins, welcher alljãhrlich, nach Äbbaltung der Generalrersammlung des Vaterländischen Frauen; vereins, über dessen Gesammtthätigkeit veröffentlicht wird, wäre eine solche Cirkulation sehr wünschenswerth. Diese ausführliche Publika— tHion erfolgt in der Absicht, um über das große Ganze unseres Vereins⸗ wesens einen möglichst umfassenden und zuverlässigen Auischluß zu ge⸗ waͤhren und ift deshalb mit einem reichlichen statistischen Material ausgesta et. Sie enthält ein Verzeichniß der Vorstande sämmtlicher Vaferländischen Frauendereine in Preußen (nach Provinzen und Re⸗ gierungsbezirken geordnet), sowie derjenigen der verbündeten außer · preußischen Vereine, ferner eine Vereinestatistik für das beschlossene Jahr in Bezug auf das Vermögen und die Thätigkeit der Vereine, Ane Zusammenstellung der mit denjelben in Verbindung stehenden Wohsthänigkeitsanstalten und deren Leistungen. Endlich den Abdruck der wichtigften auf die Gesammtorganisation der deutschen Frauen vereine bezügl ichen Aktenstücke. . . ?
Der Hauptverein versendet an alle Zweigvereine diese umfäng⸗ liche Druckschrift in einem oder mehreren Exemplaren. Er ist aber nicht in der Lage, die Sendung auf die große Anzahl aller Nereins⸗ mitglieder auszudehnen und giebt sich deshalb der boffnnng hin, daß die Voistände der Zweigvereine für die Bekanntgebung des Inhaltes irgend eine praktische Vorkehrung treffen werden. In einigen unserer größeren Zweigvereine ist dies in der That auch schon geschehen. Der Generalbericht wird von ihnen nicht nur durch Cirkulation bei den Vorstandẽ mitgliedern, fondern auch in weiteren Kreisen dadurch zur Kenntniß gebracht, daß die wichtigsten Mittheilungen desselben in den Generalversammlungen zum Vortrag kommen. ⸗
Mit der vorjaͤhrigen Delegirtenversammlung war von uns eine Aus⸗ stellung der Hausindustrie des Vaterländischen Frauenverein verbunden worden, deren hervorragendste Vertreterinnen die Vorsitzen den der Ver⸗ eine Tost⸗Gleiwitz und Sorquitten sind. Auf Anregung Ihrer Majestãt der Kaiferin und Königin, Allerhöchstwelche den Leistungen huldvolle Anerkennung zu Theil werden ließ, wurde in unserem Vorstande die Gründung einer Central ⸗Verkaufeftelle für diese Industrie in Aus⸗ sicht genommen und in dem Formular des Jahresberichts an die Zweigvereine die Frage gerichtet, ob und in welcher Weise sich die⸗ selben an einem solchen Unternehmen zu betheiligen gedächten.. Die Antworten der Vereine lassen bis jetzt keine bedeutende Betheiligung erwarten. Auch hat sich für die Entwickelung der Haugindustrie in unseren Vereinen nur hier und da ein fruchtbarer Boden gezeigt. Die Provinz Schlesten tritt dabei ausnahmsweise hervor, und wollen wir hier im Vorübergehen erwähnen, daß u. A. die altbewährte Industrie unseres Zweigvereins in Ratibor, die Knopfhäkelei, sich Änes fortdauernden Auffchwungs erfreut. Das Absatzgebiet dafür ist Amerika und der Arbeitsverdienst des vorigen Jahres nahezu 19 900
Bemerkenewerth ist, daß aus den Jahresberichten eine sehr ge— theilte Änsicht über die Vortheile der Hausindustrie hervortritt., In einem Falle werden ihre bedenklichen Seiten für die ländliche Bevöl⸗ kerung da, wo sie nicht aus dem dringenden Bedürfnisse des Noth⸗ erwerbs hervorgeht, mit großer Wärme besprochen. Es wird nament⸗ sich ausgeführt, daß sie Frauen und Mädchen den Aufgaben des häug⸗ lichen Heerdes, also ihrem eigentlichen Beruf entfremdet und die Augbildung der weiblichen Jugend für diesen Zweck und. für den Dienst in den Haushaltungen verhindere. Auch auf die Männer übe sie leicht den Einfluß, sie von den scheinbar minder lohnenden länd⸗ lichen Arbeiten abzuziehen. J . ;
Bei dem Ger rng sberblic der Vereinsthätigkeit erscheint die Beleßung der Beziehungen unserer Zweigvereine zu den Männer; vereinen vom Rothen Kreuze diesmal recht beachtenswerth. Sie ist hervorgerufen durch die für den Mobilisirungsplan an die Vereine herangetretenen Aufgaben. In Magdeburg haben die beiderseitigen Provinzialverbände durch eine besondere Vereinbarung ihre gemein same vorbereitende Thätigkeit für den Krieg geregelt. In Hannover hat sich die Vereinigung nicht blos in den Provinzial verbänden, son⸗ dern auch in mehreren Zweigvereinen vollzogen. Aehnlich scheint sich das Verhältniß im Bezirk Eassel und in Schlesien zu gestalten. Die Anzahl der Zweigvereine, vorzüglich in den alten Provinzen, welche ihre Kriegslelstungen schon jetzt in Verbindung mit den Mãänner vereinen in Aussicht nahmen, ist nicht unbeträͤchtlich. Diese Ver⸗ bindungen innerhalb des preußischen Landesvereins, welcher ein orga⸗ nisches Ganzes zu bilden hat, sichern immer mehr die Grundlagen der Srganisation des preußischen Rothen Kreuzes. Ebenso wird dazu beitragen der sich fortwährend vermehrende Grundbesitz der Vereine, ihrer Anstalten und Stiftungen und der Erwerb der Korporatione⸗ rechte für diefe Anstalten oder die Vereine selbst. Dasselbe Ziel der Befestigung unseres Vereinswesens verfolgen unsere unausgesetzten Bemühungen um dessen Ausdehnung und Gliederung.
Seitdem Ihre Majestät die Kaiserin und. Königin im Jahre 1876 einen besonderen Impuls zu dieser Organisation gegeben, sind darin wesentliche Erfolge erreicht. Provinzial⸗Vereine find, in Han⸗ nover, Sachsen, Westfalen, Brandenburg, Schlesien, Bezirks verbände
in Gumbinnen, Caffel ins Leben getreten und in Danzig, Marien⸗ werder, Elsaß Lothringen in der Bildung begriffen. .
Von uns ist unablässig danach gestrebt worden, durch Gründung von Fonds innerhalb dieser Verbände das Interesse für die gemein⸗ fame Thätigkeit zu fördern und zu stärken. Die Landtage, die Pro— vinzial⸗ und Krelsausschüsse, auch andere ständische Körperschaften haben, wie wir mit Genugthuung erwähnen können, unseren Verbänden für ihre provinziellen Zwecke namhafte Unterstützungen zugehen lassen und wenden sie ihnen auch noch zu.
Es liegt bisher nur ein Fall vor, in welchem, und zwar ganz vor Kurzem, eine solche Zuwendung ausdrücklich abgelehnt worden ist von Seiten des Landtags einer Provinz, wo wir unserem neubegrün⸗ deten Provinzialverbande, um seiner Thätigkeit eine fruchtbare Grund⸗ lage zu geben, aus Mitteln des Hauptvereins einen Fonds von hᷣ000 AM bewilligt hatten. ;
Die Zahl unserer Vereine hat sich im vorigen Jahre um 10 vermehrt und beträgt jetzt 532, wogegen die Mitgliederzahl um mehr als 5000 gestiegen ist und sich auf 56 422 beläuft. .
Ihr Vorstand war unausgesetzt bemüht, neue Zweigvereine ins Leben ju rufen. Es boten sich ihm Anlässe dazu in der Regel in Gegenden, welche besonderen Heimsuchungen ausgesetzt und wo uns ere bestehenden Vereine nur wenig zahlreich waren. Neuerdings ist ein solcher Versuch, und zwar mit Unterstützung der Königlichen Land⸗ rathzämter, in der Rheinprovinz und der Provinz Hessen. Nassau ge—⸗ macht worden. .
Es ist ein charakteristischer Umstand, der unsere Aufmerksamkeit wohl verdient., daß die bei weitem überwiegende Anzabl unserer Zweig · vereine dem Osten unferes Vaterlandes angehört, und daß die Her⸗ vorrufung von Zweigvereinen im Westen mit viel größeren Schwierig- keiten verbunden ist. Der Grund liegt nicht nur in der größeren Wohlhabenheit und der größeren Dichtigkeit der Bevölkerung im Westen, sondern vorzugsweife kn dem Umstande, daß außer den zahl⸗ reichen altbegründeten Stiftungen die Städte und auch das Land mit
Wohlthätigkeits vereinen aller Art in reicher Fülle versehen sind.
So wird es erkläͤrlich, daß in mehreren Kreisen und Orten der erwähnten Provinzen die Gründung vaterländischer Frauenvereine sich aus dieser Ürsache geradezu als ungusführbar (erwies. Wir nennen beispielsweise Gersfeld, Hersfeld, Saarburg, Mülheim a. Rh. Im letzten Kreise bestehen nicht weniger als 3 Wohlthätigkeits vereine bei einer verhältnißmäßig wohlhabenden Berölkerung.
114 Zweigvereine bestehen hier und baben bei den un ünstigen Kul⸗ furverhältnisen, kei der Armuth des überwiegenden T eils der noch dazu in größerer Zerstreuung lebenden Bevölkerung Aufgaben zu er⸗ füllen, die mit Ihren Riüteln in gar keinem Verhältniß stehen. Hieraus erklärt sich die aus den Jahresberichten hin und wieder nur zu deutlich ersichtliche Lähmung der Vereinethätigkeit.
Während wir von einzelnen Vereinen im Westen wohl ab, und zu die Klage hören. daß es ihnen an Aufgaben für ihre Wohlthätig. keit fehle, liegen in Ostpreußen und nicht blos dort, sondern hier und da auch in den Nachbarprovinzen dringende Anforderungen der Noth meist vielgestaltig vor. a. ᷣ ö. Cin Ausgleich folcher Verbältnisse kann in der gegenwärtigen Lage unserer Vereinsentwickelnng nicht allein vom Hauptverein ins Auge gefaßt werden. Es ist dazu vor Allem ein engere Zusammen⸗ schließen der Kräfte innerhalb des Provinzialverbandes und eine größere Belebung des Gemeinsinnes im großen Ganzen unseres Valerlãndisck en Frauenvereins erforderlich. Dem letzteren Zwecke befonders zu dienen ist die Bestimmung unseres Vereingorgans, des „‚Frauenverbandes ‘, welches deshalb nicht blos von allen Vereinen gehalten, sondern aus ihrer Mitte auch mit orientirenden Nachrichten über die Vereinszustände versehen werden muß. Wir empfehlen diesen Gefichtspunkt unseren Zweigvereinen recht angelegentlich.
Der . Theil unseres Generalberichts entbält den Nach- weis der Einnahmen und Ausgaben nnd des Vermögensbestandes unserer Zweigvereine pro 1882 nach Provinzen geordnet. — Die Gefammteinnuahme der Zweigvereine betrug danach ein⸗ schließlich des Restbestandes von 1881... .. . 1 806911 ., die Gesammtausgabe. k 743 705 ,
so daß ein baarer Vermögensstand von... 1662 366 A am Schlusse des Jahres 1882 vorhanden war. Dazu kommt der allerdings nur unrollständig angegebene Werth von Grundstũgen, Änstalten und Einrichtungen mit 1166 254 M, so daß sich das Ver⸗ mögen der Zweiavereine auf etwa zwei und eine viertel Million Mark schätzen läßt. Von diesem Vermögensbetrage fällt auf die in Rorddeutschland uns verbündeten 35 außerpreußischen Vereine mit ihren 5237 Mitgliedern ein Antbeil von 323 483 „6 Der Hauptverein hatte im Jahre 1882 eine Einnahme von
37 207 4 12 43, seine Ausgabe betrug. ; . so daß eine Mehrausgabe von... . 15 5065 4 39 3 und damit eine Vermögensverminderung zu verzeichnen ist. Von den Ausgabesummen des Hauptvereins ist der weitaus be⸗ deutendste Betrag unmittelbar den Zwelgvereinen und, deren Anstal⸗ ten zugeflossen, nämlich die Summe von 35 691 M 29 , wogegen an Beitragsquoten von den Zweigvereinen noch nicht die Hälfte, nämlich 17 164 S 40 3, an den Hauptverein gezahlt worden sind. Der statistische Thell enthält die Cinzelnheiten. Eine Anzahl von Zweigvereinen entzieht sich noch immer der statutenmäßigen Leistung diefer Beitragsquote, über deren Berechnung an manchen Stellen Unsicherheit obwaltet. Wir bemerken deshalb, daß nach S. 16 der Statuten nur von den Jahresbeiträgen der Mitglieder. nicht von anderen ordentlichen oder außerordentlichen Einnahmen der zehnte Theil an den Hauptverein abzuführen ist. . In seiner Eigenschaft als Ortsverein für Berlin hat der Haupt⸗ verein für die Armenpflege folgende Beiträge bewilligt: ⸗ Dem Verein für verschãmte Arme 50 M, dem Fra uen. Groschen . verein 1206 M, dem Paul Gerhardtstift 500 „S6, dem Elisahethstift in Pankow 300 A. der Kinderpflegeanstalt Zionshülfe in Schöne⸗ berg 200 , dem Verein zur Unterstützung von Wöchnerinnen 300 4, fuͤr Kinderpflege an den Verein für die Kinderheilstätten an den deutschen Seeküsten 150 6, Kurkosten der Kinder Hennig und Pankrath 231 M, in Summa 3381 Wie in früheren Jahren versammelten sich die ordentlichen Mit— glieder des Hauptvereinsß an den Donnerstagen in den von der kurmärkischen Ritterschaft gütigft bewilligten Räumen und beschäf⸗ tigten . mit Anfertigung von . Leibwäsche und Per⸗ bandmitteln. Arme Frauen erhielten bei diesen Arbeiten Beschãf⸗ tigung; und von den angefertigten gegen 4000 Stück betragenden Gegenstanden kam ein großer Theil an Berliner Arme und Armen⸗ anstalten zur Vertheilung. d ; Der Preußische Frauen- und Jungfrauen ˖ Verein und der Verein zur Unterstützung armer Handwerker haben uns in der Wohlthäti g⸗ keitspflege aus eigenen Mitteln beigestanden. Wir sagen ihnen wie den anderen uns zu gleichem Zweck verbündeten Vereinen unseren herzlichen Dank. . .
NUus der Stiftung „Frauentrost“, dem gemeinschaftlichen Eigen thum aller deutschen rn nn vom Rothen Kreuz, sind im vorigen 36 . 1960 ƽ½ zum dritten Male tatutenmäßig zur Vertheilung gelangt.
f Das Vermögen des Hauptvereins belief sich am Schlusse des
ö 368 890 M. 14 und beträgt nach Abzug der Mehrausgabe
ä 84
am Schlusse des Rechnung jahres 1882. I J5J5 584 A6 75 3 Der Rechnung abschluß ist Ihnen gedruckt vorgelegt worden, und be⸗ antrage ich Namens des Vorstandes auf Grund dieser Vorlage die Decharge. Wenn kein Widerspruch erfolgt, dürfen wic auf deren Er⸗ theilung schließen Ich konstatire dieselbe hiermit,
Ihr Hauptvorstand war im vergangenen Vereins jahre zu neun Sitzungen vereinigt; außerdem haben mehrere Sitzungen des Geschãfts⸗ ausschusses stattgefunden. An den Vorstandssitzungen beehrten uns mit ihrer Gegenwart von den auswärtigen Mitgliedern; Frau
erzogin von Ratibor Durchlaucht, Frau Landesdirektor pon Levetzow, ᷣ. Major Gotthardt aus Hannover, Frau Präsidentin Nöldechen aus Magdeburg, Frau Kommerzien⸗Rath Henschel aus Cassel. 3u den wichtigsten Angelegenheiten, welche uns beschäftigten, gehörte die von Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin wiederholt angeregte Frage der Herstellung einer einheitlichen Einrichtung für die statuten⸗ mäßige gemeinsame Thätigkeit des Vaterländischen Frauenvereins mit dem preußischen Centralcomits zur Pflege rverwundeter Krieger. Biese organische Einrichtung wird, wie der badische Landesschutz⸗ verein, in einer ständigen Kommission bestehen. In der gestrigen Delegirtenversammlung sind einige vorläufige Mittheilungen Über die noch im Gange befindlichen Verhandlungen gemacht worden, deren günstiger Verlauf wohl gesichert erscheint. (.
Bie zuerst in der Delegirtenversammlung vom 19. März 1880 von Seiten des Hamburger Jweigvereins angeregte Frage: Wie der Mißbrauch des Vereinsabzeichens des Rothen Kreuzes im weißen Felde beseltigt werden könne?‘ ist durch den Schriftwechsel des deutschen Central-Comités mit dem Reichs-Justizamt zur vorläufigen Erledi— gung gelangt. . J
Rach einer Mittheilung des letzteren wird ein gesetzlicher Schutz jenes, von der Genfer Konvention eingeführten Abzeichens nicht ohne eine vorherige Verständigung der Vertragsstaaten herbeizuführen sein. Die geeigneten Schritte dazu sind dem Auswärtigen Amte anheim gestellt worden. ö ö
Von dem Kaiserlichen Militärinspecteur der freiwilligen Kranken⸗ pflege ist nunmehr über die festgesetzten Unifgrmen der Delegirten und des Sanitätspersonals des freiwilligen Rothen Kreuzes dem deutschen Central. Comité eine definitive Mittheilung gemacht worden. Ueber die Tracht der Krankenpflegerinnen des Rothen Kreuzes ist danach jedoch eine Bestimmung nicht getroffen. Vielmehr hat Ihre Majeftät die Kaiserin und Königin eine solche vorbehalten, sofern es nicht bei den von den verschiedenen Vereinzinstituten eingeführten Trachten und Abzeichen sein Bewenden haben könnte, die nur für den
Kriegsfall einer anerkannten Tracht anzupassen sind, ; .
Ünser Zweigverein in Montreal (Canada) hat uns mitgetheilt, daß dort ein wohlthätiger Verein zum Schutze der nach Canada aus- wandernden Frauen und Mädchen gegründet worden ist, der einem dringenden Nothstande abhilft. Derselbe sorgt für den Empfang der Einwandernden in Ouebeck und behält sie sodann unter Aufsicht in einer Heimstätte in Montreal, bis sich eine passende Beschãftigung für sie gefunden hat. Wir haben diese Einrichtung bereits durch den
bei der Bedeutung der Sache für Deutschland jedoch nicht, hier noch⸗ mals darauf hinzuweisen. ; ;
Die Verbindung der Kriegerverein⸗ mit den Vereinen vom Rothen Kreuz ist von dem preußischen Central ⸗ Comitè geregelt wor⸗ den. Ihr Vorstand hat deshalb auf Antrag des Geschäftsausschussez von einer weiteren Verbandlung darüber absehen können. Es bleibt nach unserer Ansicht am besten den einzelnen Vereinen anheimgestellt, inwiefern sie in gegebenen Fällen, namentlich bei außerordentlichen Nothständen, eine Mitwirkung der Kriegervereine, ähnlich wie bei anderen uns verbündeten Vereinen, in Anspruch nehmen wollen.
Von Seiten Ihres Vorstandes bat mit dem Herrn Minister der geistlichen, Unterrichte· und Medizinal Angelegenheiten ein Schrift⸗ wechsel darüber stattgefunden, ob in den Fällen, wo staatlicherseite die Bil dung von Sanitätskommissionen angeordnet wird, eine Theil nahme der Vaterländischen err r. wünschenswerth erscheine. Der Herr Minister hat eine solche Verbindung gutgeheißen und die Königlichen Ober ⸗Präsidenten davon in Kenntniß gesetzt. Ihr Vor⸗ stand beschloß in Folge dessen, den Zweigvereinen das möglichste Ent⸗ aegenkommen anzuempfehlen, falls bezüglich der Bildung derartiger Sanitätskommissionen Anforderungen an sie gestellt werden sollten. Als eine seiner bedeutendsten Aufgaben betrachtet Ihr Vorstand die dauernde Sicherstellung unseres großen Pereinswesens durch feste Grundlagen in der Organisation. Ihre Majestät die Kaiserin und Königin hat in der Sitzung vom 14. März d. J., zu welcher Aller höchstdieselbe den Hauptrorstand um sich versammelte, die maßgeben ˖ den Gesichtspunkte dafür eingehend darzulegen geruht. Der Schwer⸗ punkt der Organisation wird danach in die Provinzial und Bezirke⸗ verbände zu legen und deren Aufgabe, die Entwickelung einer inten siven Thätigkeit der hier zusammengefaßten Vereinskräfte, vom Mittel; punkt des Hauptvereins aus möglichst zu fördern sein. Der letztere findet seinerseits in der organischen Vereinigung mit dem preußischen . als zweites Glied des preußischen Landesvereines, seinen esten Halt.
Bei der Gründung der größeren Verbände des Vaterländischen Frauenvereins werden nicht nothwendig die administrativen Einthei⸗ lungen in Provinzen und Bezirke den Ausschlag zu geben haben. Es soll vielmehr den Vereinen die Freiheit belassen werden, alte Tradi⸗ tionen und gewohnte Verbindungen bei ihrem Zusammenschluß zu berücksichtigen. Die Stiftungen von Fonds in den sich bildenden Ver⸗= bänden für ihre gemeinschaftlichen Zwecke und Interessen, welche mit den provinziellen und Bezirksinteressen in der Regel zusammenfallen, wird vom Mittelpunkt des Hauptvereins möglichst zu unterstützen sein. Das sind, kurz angedeutet, die leitenden Gedanken Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin nach dieser Seite hin. Wir wollen uns der Ausführung derselben mit ernster Hingebung widmen.
Möchte uns bei diesem Werke noch recht lange die ungeheugte Kraft des mächtig belebenden Geistes unserer erhabenen Protektorin zur Seite stehen, deren tiefgreifende Einwirkung auf die Gesammt⸗ entwicklung des Rothen Kreuzes weit über die Grenzen Deutschlands hinaus in ihrer vollen Bedeutung gewürdigt wird.
Eine ehrenreiche Friedenspalme neben dem Kriegslorbeer bedeutet diese Anerkennung für unser deutsches Vaterland. Uns aber wird sie dazu antreiben, in dem deutschen Rothen Kreuze ein Werk schaffen zu ,, . dauernder ist, als ein Denkmal von Erz! Das walte Gott! .
Der unter dem Protektorat Ihrer Kaiserlichen und Kö— niglichen Hoheiten der Kronprinzlichen Herrschaften stehende Verein für Kinderheilstätten an den deutschen Seeküsten hielt heute Vormittag im Saale des Architektenhauseß unter Vorsitz des Professors Dr. Cwald-⸗Berlin seine dritte General⸗ versammlung ab. Der Verein zählt zur Zeit 512 Mitglieder und hat seit seiner Gründung eine Einnahme von 165 126 M und eine Aus⸗ gabe von 111 996 M zu verzeichnen, so daß ihm augenblicklich ein Vermögen von 53 130 M zur Verfügung steht. Zur Zeit unterhält der Verein 3 Anstalten: Das provisorische Kinder⸗Hospiz zu Norderney ist am 1. Juni v. J. eröffnet worden; in ihm wurden bis kum Ib. Oktober in, drei sechswöchentlichen Kurperioden 73 Kinder ver⸗ pflegt. Die meisten der Kinder litten an Skrophulose, Geheilt wurden 39 /, wefentlich gebessert 580 o, nicht gebessert 3o / . Für die Gesammtzahl der Verpflegten kommt annähernd dasselbe Verhältniß heraus. Auch im Winter wurden hier einige Kranke ver⸗ pflegt. Die beiden Kurperioden der Wycker Kinderheilanstalt dauerten je 4 Wochen; im Ganzen kamen 34 Kinder zur Aufnahme, 14— Kna⸗ ben und 20 Mädchen. Auch hier sind gute Erfolge zu verzeichnen. Das dort im Bau begriffene definitive Hospiz ist im dußeren Aufbau vollendet. Die dritte Station in Groß -Müritz in Mecklenburg wurde im letzten Sommer zum dritten Mal seit ihrer Gründung ö Auf nahmẽ in der ersten vorjährigen Kurperiode fanden 8 Mädchen, in der?. 1I1 Knaben und 2 Mädchen. In allen Fällen hat sich auch hier eine wesentliche Besserung konstatiren lassen. Der definitive Bau des Hospizes wird noch in diesem Jahre begonnen werden. Zur Zeit schweben Unterhandlungen, die bezwecken, in Zoppot cine 4. Station zu begründen. An Stelle des verstorbeuen Prof. Dr. Benecke wurde von der Versammlung der hanseatische Ministerresident Dr. Krüger zum Vorsitzenden gewählt.
In dem Garten des Belle-Alliance-Thatzers henrscht ein reges Leben. Maler, Tapezterer, Gasarbeiter, Gärtner, Tischler find aufs Eifrigste beschäftigt, die Toilette desselben für seine Anfangs Mai bevorstehende Eröffnung so glänzend als möglich herzustellen. Im Theater selbst bleibt der unterhaltende Schwank . Der Zugvogel vorläufig auf dem Repertoire.
Im Wilhelm-Theater findet morgen, 6 m statt; zur Aufführung kommt die Posse: urger “.
Sonntag, die letzte Die Motten
Gestern gab der auf der Rückreise von St. Petersburg begriffene Hr. Francis Plants in der Sing -⸗Aka demie ein zweites Con⸗ cert, in welchem seine eminente Begabung noch glänzender hervortrat als in dem ersten. Hr. Plants verbindet in der That mit vollendeter Technik eine außerordentliche Feinheit im Schattiren und Pointiren, und wie er sich in seinem ganzen bescheidenen Auftreten von allem Gesuchten fernhält, so meidet er auch im Spiel Alles, was den rein musikalischen Genuß durch Effekt oder Aeußerlichkeiten beeinträchtigen könnte. Des Künstlers Veranlagung entsprechen die Chopinschen Komposi⸗ tionen am besten, und deshalb trug gestern auch Chopins E- moll. Concert den Preis des Abends davon, so gewaltig auch der Eindruck war, den Rendelssohns G- moll. Concert und die anderen Nummern des ge wählten Programms durch den meisterhiften Vortrag auf die Hörer machten. Dem stürmischen Beifall, welcher den Künstler lohnte, dankte dersfelbe in liebenswürdiger Weise durch die Zugabe von noch 2 Num⸗ mern zu dem ohnehin schon reichen Programm. Das Phil armoniiche Srche ster führte unter des Professor Karl Klindworth sicherer Kir fung die Srchesterbegleitung mit Verständniß und Praͤzision aus, konnte aber dem Meister auf dem Flügel nicht immer in die feinsten Tonnuanzirungen folgen.
Redacteur: Riedel.
Verlag der Expedition (Cessel)h. Druck: W. Elsner.
Fünf Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage).
Berlin:
In welchem Gegensatze steht hierzu das Bild, welches unser Bereinswesen in der Provinz Ostpreußen bietet! Nicht weniger als
„Frauenverband“ zur Kenntniß unserer Vereine gebracht, unterlassen
M SG.
⸗ Erste Beilage zum Deutschen Reichs⸗-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.
Berlin, Sonnabend, den 14. April
1883.
Nichtamtliches.
Preußen. Berlin, 14. April. Im weiteren Ver⸗ laufe der gestrigen (65. Sitzung des Reichstags wurde die zweite Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung auf Grund der Berichte der VI. Kommission (Art. 5 8. 44 fortgesetzt. . . . .
Rach dem Abg. Ree ergriff der Bundeskommissar Geheime Regierungs⸗Rath Bödiker das Wort:
Meine Herren! Ich bitte Sies die Vorlage der verbündeten Regierungen in der Fassung der Kommissionsbeschlüsse annehmen zu wollen. Hiermit entfällt bereits ein Haupttheil der Ein- wendungen des Herrn Vorredners gegenüber der Vorlage, inso⸗ fern dieselbe nämlich dahin hätte gedeutet werden können, als ob die verbündeten Regierungen es dem einzelnen Kaufmann verwehren wollten, in verschiedenen Geschäftszweigen ihr Geschäft zu betreiben. Es wird nach wie vor dem Kaufmann freistehen. Thee, Holz, Klaviere, Spielzeug u. s. w., wovon der Herr Vorredner sprach, in seinen Handel aufzunehmen; den Kapitänen wird es nicht verwehrt sein, alle diess Sachen zu sammeln, und an die Malayen abzu⸗ setzen; die Feste der Malayen werden also auch nicht durch die Vor⸗ lage verkümmert werden. Absatz 3 des §. 44 lautet:
„Das Aufkaufen von Waaren bei anderen Personen als bei Kaufieuten oder solchen Personen, welche die Waaren produziren, oder an anderen Orten, als in offenen Verkaufẽsstellen, sowie das Aufsuchen von Bestellungen auf Waaren bei anderen Personen als bei Kaufleuten und Gewerbtreibenden, in deren Gewerbebetrieb die Waaren der angebotenen Art Verwendung finden, unterliegt den Bestimmungen des Titels 3...
Damit sind also die kaufmännischen Betriebe, wie sie sich bisher entwickelt haben, nach der vom Hrn. Abg. Rée angedeuteten Richtung vollständig frei. ö ;
Dem Hrn. Abg. Buhl erwidere ich im Anschlusse hieran, daß es gar nicht darauf ankommen kann, einen Betrieb untersagen zu wollen, einen Gewerbebetrieb todt zu schlagen', einen Stand herabzudrücken und die besseren Elemente von demselben auszuschließen. Ich habe in dieser Hinsicht Bezug zu nehmen auf die von mir vorgestern verlesene Erklärung des früheren Gewerbeordnungs-Refe⸗ renten Hrn. Dr. Friedenthal vom Jahre 1869, welche diesen Punkt näher erörtert. .
Dann hat Hr. Abg. Buhl zwei prinzipielle Einwendungen gegen den 5. 44 erhoben, die eine nähere Erörterung erheischen.
Ein Einwand ist hergenommen aus den Handelsverträgen, und der andere aus Artikel 26 des Zollvertrags vom 8. Juli 1867. Meine Herren! was den Einwand, der auf den Handelsverträgen basirt, anbetrifft, so kommt zunächst der Handelsvertrag mit Oester⸗ reich in Frage. Nach §. 10 der österreichischen Gewerbeordnung vom 20. Dezember 1859, welche ja zu Recht bestand, als der Handelsver⸗ trag vom 23. Mai 1881 abgeschlossen wurde, ist die Zulassung von Handelsreisenden für ausländische Handels. und. Industrie⸗ Unternehmungen durch eine besondere Vorschrift geregelt. Diese Vorschrift befindet sich in der Verordnung des Handels-Mini⸗ steriums vom 3. November 18652, betreffend die wandernden Han⸗ delsagenten. Zufolge dieser Verordnung ist den Handelsreisenden der Geschäftsbetrieb mit Personen, welche dem Handel⸗ und Fabrikstande nicht angehören, also den bei uns sogenannten Detailreisenden, ver⸗ boten. Hinsichtlich der inländischen österreichischen Handelsreisenden ist das Verbot durch §. 50 der Gewerbeordnung vielleicht als aguf⸗ gehoben zu betrachten. Nach 8. 10 der Gewerbeordnung aber besteht dieses Verbot für die ausländischen Handelsreisenden fort, und so erklärt sich auch die auf der Rückseite des diesseitigen Gewerbelegiti⸗ mationskarten⸗Formulars befindliche Notiz. indem nach Art. 19 des Handelsvertrages vom 23. Mai 1881 die Angehörigen der vertrags— schließenden Theile hinsichtlich des Gewerbebetriebes im Umher⸗ ziehen einschließlich des Hausirhandels gegenseitig den Inländern nicht gleichgestellt sind. Der Gewerbebetrieb der ausländischen Detailreifenden aber gilt in Oesterreich als ein Gewerbebetrieb im Umherziehen, als ein Hausirbetrieb, und insoweit sind die Oesterreicher nach dem Wortlaut der Handelsverträge an der Hand ihrer eigenen Gesetzgebung durch die Handelsverträge nicht gehindert, die Detail⸗ reisenden als Hausirer zu behandeln, so wie die Vorlage es thun will. Und wir werden das Gleiche unbeschadet des Handelsvertrages thun dürfen. Die angezogene österreichische Bestimmung lautet wörtlich; „Ein Handelsagent ist nicht berechtigt, in Agentiegeschäfte mit Personen zu treten, welche dem Handels oder Fabrikstande nicht angehören. ; ;
Aehnlich liegen die Verhältnisse in Betreff der Schweiz. Dort wird der Geschäftsbetrieb derer, die wir Detailreisende nennen, nicht als ein Gewerbebetrieb eines Handelsreisenden angesehen; die Schweiz besteuert den Gewerbebetrieb des Detail⸗ reisenden sehr hoch in ihren Gesetzen, die vom Hausiren handeln. Ich habe z. B. das Gesetz vor mir, — ich könnte noch andere an⸗ führen — des Kantons St. Gallen, in Kraft getreten am 13. Jänner 18795. Da heißt es Abschnitt I: „Marktverkehr', . H: „Hausirer'. In diesem Abschnitt II., Art. 4 heißt es dann:
Als Hausiren oder Gewerhebetrieb im Umherziehen ist aufzu— fassen 27) das Aufsuchen von Bestellungen bei anderen Personen als solchen, welche mit dem betreffenden Artikel Handel treiben oder denselben in ihrem Gewerbe verwenden.“
Diese Personen unterliegen nach Art. 16 einer Steuer von 10 bis 49 Fres. monatlich. Es ist klar, daß, was in der Schweiz gegenüber den eigenen Landsleuten hier Rechtens sein soll, an der Hand der Handelsverträge und neben den Handelsverträgen auch für die Ausländer, die in die Schweiz kommen, Rechtens ist. Daß die letzteren nicht günstiger gestellt sein können, als die eigenen Landeskinder, liegt auf der Hand.
Der zweite Einwand ist hergenommen aus Art. 26 des Vertrages vom 8. Juli 1867. Absatz 3 dieses Artikels lautet:
„Desgleichen sollen Kaufleute, Fahrikanten und andere Gewerbe⸗ treibende, welche sich darüber ausweisen, daß sie in dem Vereins⸗ staate, wo sie ihren Wohnsitz haben, die gesetzlichen Abgaben für das von ihnen betriebene Geschäft entrichten, wenn sie per⸗ sönlich oder durch in ihren Diensten stehende Reisende Ankäufe machen oder Bestellungen nur unter Mitführung von Mustern suchen, in den anderen Staaten keine weitere Abgabe hierfür zu entrichten verpflichtet sein.“
Was hier unter den Kaufleuten, Fabrikanten und anderen Ge— werbetreibenden zu verstehen ist, sagt der Art. 26 nicht. Der Art. 26 spricht einen Grundsatz aus zu Gunsten der kaufmännischen Betriebe.
enn man die Interpretation des Hru. Abg. Dr. Buhl gelten lassen wollte, fo könnte dieselbe auch geltend gemacht werden zu Funsten der Haustrer im bisherigen Sinne. Auch die Hausirer können zu den Kaufleuten u. s. w. gehören, welche im Umherziehen eine Bestellung auffuchen; es ist aber Niemandem bisher eingefallen, auf Grund des Art. 26 einen Hausirer, der in einem Staate die xdandegsteuer entrichtet hatte, in einem anderen Staate hausir⸗ steuerfrei . laffen. Es giebt in der That Hausirgeschäfte. die in ehen aßstabe kaufmaͤnnisch betrieben werden, die z. B. in reußen besteuert werden mit einer Steuer, die derjenigen der großen Geschäfte nahe kommt. Was unter diefen Art. 26 faͤllt oder nicht,
was Hausirer sein soll oder nicht, darüber sagt die Bestimmung nichts, und es handelt sich jetzt gerade darum, zu beschließen, daß ein Handlungsreisender, welcher bei Privaten Geschäfte von Haus zu Haus macht, den Hausirbestimmungen unterliegen soll.
Der Hr. Abg. Dr. Buhl sagte, die Schäden, die in den Motiven hervorgehoben seien, seien etwas zu schwar; dargestellt. Die Motive sind entnommen aus Eingaben, die unter Angabe von Thatsachen an die verbündeten Regierungen gelangt sind. Eine Schädigung der Be— treffenden in geschäftlicher Hinsicht kann nur insoweit zugestanden werden, als etwa die Hausirsteuer für die betreffenden Kreise eine höhere sein könnte, als die jetzt auf den Handlungsreisenden lastende. Niemandem wird verwehrt auf Grund des 5§. 44 der Vorlage, dem⸗ nächst sein Geschäft nach wie vor fortzusetzen, Keiner wird geschäft— lich materiell geschadigt. ;
Die Abhülfevorschläge des Hrn. Abg. Dr. Buhl bestanden in steuerlichen Auskunftsmitteln. Er hatte zwei Steuerauswege. Meine Herren! Die sedes materiae dieser Frage ist nun aber die Gewerbe— ordnung, und ich stelle anheim, ob Sie auf dem Gebiete des Ge—⸗ werberechts durch steuerliche Maßnahmen der Sache einen besseren Anstrich geben wollen. Ich glaube, wir lassen lieber die Gewerbe— ordnung selbst, als daß wir einen Steuerflicken auf das Loch setzen.
Meine Herren, ich kann im Anschluß hieran nicht unterlassen, noch mit zwei Worten auf die Entstehungsgeschichte unserer Vor— lage einzugehen. Die Vorlage, wie sie jetzt lautet, entspricht in ihrer Intention der Vorlage der verbündeten Regierungen vom Jahr 1868. Es hieß damals;
„Die Landesgesetzgebung kann hestimmen, daß derselbe (Hand— lungsreisende) Bestellungen nur bei Gewerbetreibenden suchen darf. Bestellungen auf Wein dürfen jedenfalls auch bei anderen Per— sonen als Gewerbhetreibenden gesucht werden.“
Die Motive sagen zur Erläuterung dieser Bestimmung auf
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Die am Schluß des Paragraphen vorbehaltenen landesgesetz lichen Bestimmungen finden sich für Preußen in der Kabinetsordre vom 8. Dezember 1845, für Oldenburg in Art. 31 des Gewerbe—⸗ gesetzes vom 11. Juli 1861. Sie sind hervorgerufen durch Klagen des Publikums über Belästigung durch Handelsreisende, und es kann für ihre Wiederaufhebung ein Bedürfniß um so weniger an2— erkannt werden, als bei der heutigen Entwickelung der stehenden Gewerbe eine aus der in Rede stehenden Beschränkung hervor⸗ gehende Benachtheiligung der Konsumenten nicht vorausgesetzt werden kann.“
Meine Herren! Es ist das also ein altes Recht, und wenn der Hr. Abg. Dr. Rée das alte Recht aufrecht erhalten wissen wollte, so geht die Vorlage nur einen Schritt weiter zurück auf das wirklich alte Recht, welches in Preußen seit dem Jahre 1843 bestanden hat, auch z. B. in Oldenburg gegolten hat. Der Hr. Abg. Dr. Rée wird also gestatten, daß der Ruf nach dem alten Rechte durchaus acceptirt, nur ein wirklich altes Recht aufgenommen wird, während er ein neues Recht nimmt. Meine Herren, die Bestimmung fand damals nicht die Billigung des hohen Hauses. Warum? Weil man sich, wie die Debatten klar ergeben, vorstellte, es handle sich um die Geschäftsreisenden großer Firmen. Es ist bei den Verhand— lungen immer die Rede von den Prinzipalen, von den Chefs u, s. w. Man ahnte gar nicht, welche Ausdehnung der Gewerbebetrieh auf Grund des 8. 44 nehmen würde, in anderer Gestalt. Es hat sich namentlich eine große Anzahl von Hausirern, die bis dahin einen Hausirschein nicht bekommen konnten, dieses Paragraphen bemächtigt und, vom Hausirgewerbe ausgeschlossen wie sie sind, gingen sie nun nach §. 44 als Handlungsreisende in das Land.
Meine Herren! Es kann das nicht scharf genug betont und es kann nicht dringend genug darauf aufmerksam gemacht werden, daß es sich, gerade darum handelt, die Elemente, die zu schlecht sind, um einen Hausirschein zu erlangen, von dem Stande der Handlungsreisenden, der Kaufleute, auszuschließen. Wenn Sie der Aenderung, die hier vorgeschlagen ist, nicht zustimmen, so wird der Exfolg der sein, daß sich alle diese Elemente, welchen der Hausirschein versagt wird, sei es, weil sie aus dem Zuchthause kommen, sei es aus anderen Gründen, jetzt als ihre eigenen Reisenden oder als Reisende für Helfershelfer, die ebenso schlecht sind, wie sie, teisen können. Es braucht Jemand nur irgend einen Laden für irdenes Zeug oder sonst etwas aufzuthun, um für alle möglichen Gegenstände bei aller Welt Bestellungen aufzusuchen. Ich habe den Fall erlebt, daß einem Mann, der einen Legi⸗ timationsschein als Reisender verlangte, der eben wegen Kuppelei be— straft worden war, einem Manne, der den Schein unter allen Umständen mißbrauchen wollte — das wußten wir ganz sicher — daß diesem Manne der Schein nicht versagt werden konnte. Der Mann bekam den Schein; einen Hausir⸗ schein hätte er nicht bekommen. Wie ist, es nun möglich, Angesichts dieser Sachlage, wenn sie in den betheiligten Kreisen bekannt wäre, daß diese sagen: die Bestimmungen sind bestimmt, unseren Stand herab⸗ zudrücken? Meine Herren, es kann nur angenommen werden, daß die Kreise, aus denen diese Aeußerungen verlautbaren — und sie werden ja in gutem Glauben sich so äußern. — daß sie über die Be— stimmungen, wie sie vorliegen, völlig im Unklaren sind. Wer die Bestimmungen liest und kennt, kann nur sagen; die Bestimmungen nützen unserem Stande, und die verbündeten Regierungen sind sich bewußt, dem Stande als solchem, einem ehrenwerthen Stande, nur dienen zu wollen. Aber dahin zu kommen, zu sagen, weil einige schlechte Elemente sollen ausgeschlossen werden können, darum sei der ganze Stand geschädigt. Meine Herren, dabei hört die Logik auf.
Meine Herren! Auf den §. 442. will ich in dieser Hinsicht nicht weiter eingehen. Da der Herr Vorredner diesen Paragraphen aber mit hineingezogen hat, habe ich doch nicht die Gelegenheit vorüber— gehen lassen zu sollen geglaubt, seiner Darstellung die Auf⸗ fassung der verbündeten Regierungen sofort auf dem Fuß ent⸗ gegenzusetzen, in der Hoffnung, daß die Erklärung, die ich Namens der Regierungen hier abgegeben habe, auch von Seiten derer, die bis⸗ her aus solchen Gründen die Vorlage bekämpft haben, gewürdigt werde. Die Erklärung steht lediglich auf dem Boden der Vorlage.
Meine Herren, daß eine Aenderung eintrete, ist ein allgemeines
Verlangen. Die Entwickelung, die die Verhältnisse genommen haben, war, nach den , . zu schließen, die die Herren im Jahre 1869 abgegeben haben, von diesen selbst nicht vorausgesehen. Ich will Sie nicht damit belästigen, Ihnen zahlenmäßig nachzuweisen, wie sehr, gerade zum Theil mit in Folge der jetzigen gesetzlichen Be⸗ stimmungen, die Zahl der Handlungsreisenden gestiegen ist. Die Steigerung ist eine außerordentliche, eine sprungweise, weil man er⸗ kannte, daß mit den Legitimationskarten das zu erreichen ist, was mit den Hausirscheinen nicht zu erreichen ist. Meine Herren! Das Verlangen, daß eine Aenderung eintrete, ist ein allgemeines. Ich habe hierfür keinen klassischeren Zeugen, als den Herrn Vorredner selbst. Auf Seite 21 der Motive des Kommissionsberichtes finden Sie einen Antrag, und dieser Antrag rührt von dem verehrten Herrn Vorredner her, — welcher lautet:
„Die Detailreisenden haben sich in denjenigen Gemeinden, in denen sie ihr Geschäft betreiben wollen, bei der Gemeindebehörde zu melden und können zu den Gemeindesteuern wie die Eingesessenen herangezogen werden.“
eine Herren! Das ist also „die Meldung der Detailreisenden bei der Gemeindebehörde“; der Herr Vorredner geht also bezüglich
der Detailreisenden so weit, wie die verbündeten Regierungen nicht
einmal wegen der Hausirer haben gehen wollen. Der Herr Vorredner, dem die englischen Verhältnisse genau bekannt sind, hat damit einen Gedanken ausgesprochen, der ihm von den englischen Verhältnissen her nahe liegt, indem in England die Hausirer in der That bei der Ortspolizeibehörde sich melden müssen, und er hat damit in seinem Gedankengange eine Gleichstellung der beiden Arten von Gewerb— treibenden vorgenommen.
. Meine Herren! Die Regierungsvorlage will nur die Gerech⸗ tigkeit auf diesem Gebiete herstellen, und das lediglich aus sachlichen Gründen, ohne alle politischen Nebenabsichten. Bisher ist durch die S8. 42, 44 und 55 der Gewerbeordnung ein solches Durcheinander eingetreten, daß irgend welche Scheidung nicht mehr zu erkennen ist; wir befinden uns gewissermaßen in einem Urwald, wo Alles xer⸗ wachsen ist. Es sollen nur gewisse Schneusen geschlagen, ein gewisses Licht in die Verhältnisse gebracht werden, wodurch die materiellen Interessen nicht weiter geschädigt werden, als es die Gerechtigkeit erheischt. Die Gerechtigkeit verlangt aber, daß nicht länger die Fiktion aufrecht erbalten werde, daß Jemand aus dem Grunde, weil er irgend ein stehendes Gewerbe treibt, nunmehr in Ausübung des stehenden Gewerbes alle möglichen Befugnisse im Umberziehen hat, Befugnisse, die mit dem stehenden Gewerbe an und für sich in keinem Konnex stehen, die Befugniß, überall geschäftlich umherzuzieben, bei allen Privatpersonen Bestellungen auf alles Mög— liche zu suchen, Befugnisse, die früher nicht bestanden und die erst kraft einer durch das Gesetz aufgestellten Fiktion in das Leben ein geführt worden sind.
Meine Herren! Ich sagte, das Verlangen nach Aenderung sei ein allgemeines, und ich bezog mich dabei auch auf den Hrn. Abg. Rée. Ich könnte mich an der Hand des Petitionsberichtes und son⸗ stiger Vorlagen auch beziehen auf die Eingaben von Augsburg bis Flensburg, von Halberstadt bis Braunschweig, Lüneburg und Osnabrück. Das sind Alles Handelskammer⸗Eingaben bezw. Eingaben von Ver— tretungen größerer kaufmännischer Korporationen, die dem dringenden Wunsche Ausdruck geben, es möchte eine Aenderung eintreten. Diese Aenderung schlagen Ihnen die verbündeten Regierungen vor, indem sie davon ausgehen: Alle Gewerbtreibenden haben Anspruch auf aleichen Schutz; es kann der eine Theil verlangen, daß nicht die natürliche Geschäfts.! und Konkurrenzlage durch eine gesetzliche Fiktion zu Gunsten des anderen Theils verschoben werde.
Wenn der Herr Vorredner vorhin sagte, „die Probesendungen werden nicht aufhören“, so ist das richtig; darum handelt es sich gar nicht. Es handelt sich ja überhaupt nicht um Konkurrenzrück— sichten, sondern um die Herstellung der Gleichheit vor dem Gesetz, um gleiches Licht und gleiche Sonne für alle Betheiligten, um die Beseitigung einer, kraft des Gesetzes bestehenden Begünstigung durch das Gesetz: in Folge der Beschwerden und Klagen Derer, die auf den Schutz des Gesetzes denselben Anspruch haben, wie Diejenigen, welche das Gesetz mit dieser Fiktion, mit diesem Privilegium zu ihren Gunsten aufrecht erhalten wissen wollen.
Ich bitte also noch einmal um die missionsantrages.
Der Abg. Dr. Bamberger erklärte, es sei nicht zu leugnen, daß die Abstimmungen in dieser Berathung mehr oder minder Zufallsabstimmungen seien, es sei höchst bedenklich und be—⸗ klagenswerth, daß gerade bei Bestimmungen von der aller— höchsten Bedeutung die Würfel mit so schwachen, schwankenden Majoritäten fielen. Die Aenderung einer so großen Arbeit wie der Gewerbeordnung bei so schwachen Mehrheiten sollte eigentlich nicht angezeigt erscheinen. Vieles werde hier ge— macht, worüber das Leben später lachen und spotten werde, — es sei doch im Allgemeinen jammervoller Kleinkram, um den das Haus jetzt verhandele! Eigenthümlich sei ihm in dieser Art der Gesetzgebung, in dieser Rückkehr zum Kleinen und Kleinlichen, eine Rückkehr vom Großstaat zum Kleinstaat, ein indirekter Protest gegen die Entwickelung Deutschlands zu einem großen Kulturreich! Das sei recht deutlich bei jener Verhandlung hervorgetreten, wo es sich darum gehandelt habe, ob die Verordnungen der Einzelstaaten vom Reichstage ge⸗ nehmigt werden müßten. Möchten doch Diejenigen, welche ein Deutsches Reich mit erkämpft hätten, sich überlegen, ob sie mit dieser Art der Gesetzgebung sich nicht in eine Linie mit Denen stellten, die das Zustandekommen eines Deutschen Reiches überhaupt beklagten! Im 8§. 44 handele es sich um drei Bestimmungen, welche man beseitigen wolle; einmal, daß der Reisende nicht nur eine bestimmte Waare, nicht nur bei einer bestimmten Kategorie von Kaufleuten, nicht nur an be— stimmten Orten solle aufsuchen können. Gründe für die be— absichtigten Beschränkungen habe er nicht in den Motiven, nicht in dem Kommissionsbericht gefunden; es sei ja auch, alle diese Einzelheiten gesondert zu besprechen, kaum möglich. In den Motiven heiße es, das Publikum werde belästigt; sei denn die Gewerbeordnung ein Gesetz zum Schutz des Nach⸗ mittagsschlafes der ruhigen Bürger, der Grundbesitzer im Be⸗ sonderen? Schicke der General-Postmeister in seiner Dienst⸗ willigkeit für die ruhigen Bürger den Briefträger nicht acht— mal täglich ins Haus? Das seien selbstverständliche Folgen des immer immenser sich aufschwingenden Verkehrs; wer in schauriger Einsamkeit verharren wolle, müsse sich heut zu Tage einen großen Platz aussuchen. Für die Weinreisenden solle man eine Ausnahme beabsichtigen; warum nicht für den Cigarrenreisenden und die anderen? Erst neulich habe der Abg. Windthorst betont, daß es sehr wünschenswerth sei, daß die Militärkasinos sich direkt versorgten; werde das mit diesem Paragraphen etwa begünstigt? Man stehe leider noch sehr vielfach auf dem naiven Standpunkte einer Zunftgesetzgebung. wo eine von Gott und Rechtswegen alles besser wissende Be— hörde Käufern und Verkaufern vorschreibe, was gut und schlecht sei. Leider hätten sich auch einige Handelskammern auf die Seite der Gegner geschlagen, so die sonst freisinnige Braunschweiger Handelskammer. Aber wie liege denn die Sache? Die Braunschweiger Handelskammer rühme sich ihres Eintretens für den kleinen Mann; er und seine Freunde kämpften hier im eigentlichsten Sinne für den kleinen Mann. Gerade die kleinen Geschäfte seien es, wie die Württemberger Petitionen zeigten, die, um nicht ganz von der Konkurrenz erdrückt zu werden, für ihre Gespinnste Bestellungen von Haus zu Haus aufsuchten, sie würden mit der Annahme der neueren Bestimmungen erdrückt werden. Es werde immer von einer Berechtigung gesprochen, daß derjenige, der ein Ge⸗ werbe betreibe, nicht beeinträchtigt werden solle. Der Reichstag solle mithelfen, im Interesse Einzelner ihre Konkurrenten, ihre Nebenmenschen zu hindern, ihrem Gewerbe nachzugehen. Nicht bessere Leistung solle
Annahme des Kom⸗
mehr entscheiden, sondern die beste Art, sich bei der Regierung lieb Kind zu machen. Jetzt solle plötzlich das stehende Ge⸗