Schweden nud Norwegen. Stockholm, 16. April. (W. T. B.) Auftrage des Königs wird fich Prinz Karl zu den Krönungsfeierlichkeiten nach Moskau begeben.
Danemark. Kopenhagen, 16. April. (B. T. B.) Im Landsthing wurde heute eine Adresse an den Köoönig eingebrad t, in welcher, im Gegensatz zu der vom . deschlossenen Adresse, ausgeführt wird, daß das
sinisterium keinerlei Schuld an dem Stagniren in der Gesetz⸗ gebung trage. Die Gesetzuorlagen würden dann am Besten gefördert werden, wenn sie nur nach ihrem Inhalt geprüft und berathen würden, und wenn man sich dabei nicht einmis in das Recht des Königs, sich seine Minister zu wählen. Die Adresse schließt mit dem Ausdruck der Hoffnung, daß der König wie bisher, so auch ferner durch diejenigen Minister, denen er sein Vertrauen schenke, die grundgesetzliche Ordnung in jeder Beziehung aufrecht zu erhalten wissen werde.
Afrika. Egyp ten. Kairo, 16, April. (B. T. B.) Als Nachfolger des englischen General-Konsuls Malet auf dem hiesigen Posten werden der Gouverneur des Kaplandes, Hercules Rebinson und Bartle Frere genannt. — Die egyp⸗ uͤsche Regierung hat auf den Vorschlag Lord Dufferins be⸗ schlossen, die Einfahrt in den Hafen von Alexandrien erweitern zu lassen, die Kosten werden auf 270 090 Pfd. Sterl. angeschlagen und werden voraussichtlich durch eine Erhöhung der Hafenzölle gedeckt werden.
Seitungõsftimmen.
Die „Po st“ schreibt unter der Ueberschrist „Die Kaiser⸗ liche Botschaft“:
Vom Herzend kommend, zum Herzen gehend, wird die Kaiserliche Botschaft vom 14. d. M. in den weitesten Kreisen des deutschen Volkes mächtigen Widerhall finden.
Der erste Deutsche Kaiser, berathen von dem Staatsmanne, dem, abgesehen von dem Herrscher, in erster Linie das Ver⸗ dienst der Wiederherstellung des Reiches gebührt, richtet an die Vertretung der deutschen Nation tief empfundene und tiefernste Worte der Besorgniß um die Förderung des großen, so menschlich schönen, wie staatsmännisch weisen Werkes, dessen Durch⸗ führung er, ein echter Hohenzoller, mit der Erkenntniß der Noth⸗ wendigkeit desselben für das Wohl seines Volkes, zur Aufgabe für den späten Lebensabend sich gesetzt hat, obwobl es zur erfolgreichen Verwirklichung der Ziele, der Sicherung und Verbesserung der Lage der arbeitenden Klassen, von der Gesetzgebung bisher nicht betretene völlig neue Bahnen einzuschlagen gilt. Und aus dieser Be⸗ sorgniß heraus legt er den Vertretern des deutschen Volkes auf das Dringendste ans Herz, ihm auf. demjenigen Wege zu folgen, welcher bestimmt ist, wenigstens für die Wintersession Zeit und Kraft auf das Unfallversicherungégesetz und die auf dieses folgen⸗ den Fragen der Alters- und Invalidenversorgung konzentriren zu können und so nicht auch noch die zweite Legislaturperiode seit Erlaß des Sozialistengesetzez vorübergehen zu lassen, bevor den Repressiv⸗ maßregeln positive Schritte zur Besserung der Lage jener Schichten der Bevölkerung gefolgt sind.
So ungewöhnlich ein solcher Schritt ist, so wird sich nicht ver⸗ kennen lassen, daß die Lage der , , , , . im Reiche eine solche ist, welche ein Abweichen von dem Alltäglichen rechtfertigt.
In 63 Monaten hat der Reichstag neben dem Etat und der doch nicht allzu zeitraubenden Berathung des Tabackmonopols nur die zweite Lesung der Gewerbenovelle und die kommifsarische Be⸗ rathung der Krankenkassenvorlage erledigt. Der Unfallversicherungs entwurf wird neben der dritten Lesung der ersteren und der Durch berathung des Krankenkassengesetz es schwerlich auch nur in erster Lesung in der Kommijsion Lurchberathen werden können, alsfo jedenfalls in die nächste Session hinübergreifen. Die letzte Etatsberathung im Reiche hat 18 Plenarsitzungen beansprucht,
23 Monate gedauert. Eine Etatsberathung im nächsten Winter, also
in der letzten Session vor den Neuwahlen, würde ungleich mebr Zeit in Anspruch nehmen, besonders nachdem der „Militarismus“ vom Fortschritt als Hauptagitationsfeld für die nächsten Wahlen aus— erkoren ist ....
Nach einer monatelangen, von dem bevorstehenden Wahlkampfe stark beeinflußten und erregten Etatsverhandlung findet sich, zumal dann die Konkurrenz mit dem Landtage wieder in vollem Umfange platzgreifen müßte, schwerlich Zeit und Frische. um großen Aufgaben, wie die Unfallversicherung, die Alters-, und Invalidenversorgung, in vollem Umfange gerecht zu werden.
Soll also in völliger Uebereinstimmung mit dem auch von Herrn von Bennigfen in der Rede vom 15. Juli v. J. aufgestellten Pro gramm die laufende Legislaturperiode in der Hauptsache der sozial. politifchen Gesetzgebung gewidmet sein und praktische Erfolge auf diesem Gebiete aufweisen, so bleibt in der Tbat kaum etwas Anderes übrig. als ausnahmsweise den Etat für 1884185 noch in der laufen— den Session durchzuberathen.
Diese Aufaabe wird jetzt, wo alles agitatorische Beiwerk sich von felbst verbietet, insbesondere eine Wiederbolung der Militär— scharmützel nur das Gegentheil des beabsichtigten Zweckes erreichen würde, sich außerordentlich vereinfachen. Die rein finanztechnische Behandlung des Reichsetats läßt sich in wenigen Kommissionk⸗ und Plenarsitzungen unschwer ermöglichen, das Orfer an Zeit und Kraft vermindert sich daber auch absolut für den Reichstag erbeblich, wenn er alsbald in die Berathung des Etats eintritt.
Indem die Vorlegung des letzteren ausdrücklich nur als eine ein⸗ malige, durch besondere Bedürfnisse der Gesetzgebung bedingte Maß regel bezeichnet wird, werden zugleich alle Einwände, welche gegen diefelbe aus der Gegnerschaft gegen zweijährige Etatsverioden zu er heben sein möchten, beseitigt, wäbrend die feierliche Form der Ver kündigung geeignet ist, die aus linksliberalen Kreisen bisber laut ge— wordene Besorgniß vor einem varlamentslosen Jabre zu ier
erbalfen, und zwar nicht fär Preußen allein, jondern für das ganze Deutsche Reich. Der Kaiser bekundet mit dem Grund. gedanken, daß die Abwebr der Soiialdemwokratie, wie sie durch das Strafgesetzbuch und durch ein Antnahmegtse bestebt, jwar die besser situirten Klaffen vor äußerster Gejahr seüßen mag, aber nicht im Stande ist, die materielle Lage der Arbeiter und der urteren
Klassen im Algemeinen ju befsern, eine 2 Weisheit; ihm ist in seinem hohen Alter nicht nur gegeben, die G hriichteit der Situaiion. wie sie sich in den internationalen Umsturzbestrebungen ausspricht, voll und ganz zu erfassen. sondern auch jener Seherblick, welcher über das Grab hinaus die Zukunft taxirt und ein großes Volk mahnt. nicht in den Tag hineinzuleben; die Weltgeschichte wird es dem Deutschen Kaifer und dem Fürsten Bismarck einst boch an⸗ rechnen, daß sie zu rechter Zeit positive Maßregeln verlangt und als richtig erkannt haben, um die soziale Lage der unteren Klassen zu heben. Es liegt in einer solchen präventiven Thätigkeit, welche der Sozial- demokratie und der bereits hinter ibr als noch radikaler auftretenden Dynamitokratie das Terrain ab räbt, die einzige Rettung vor der schrecklichsten aller bisher erlebten Schreckensherrschaften, vor der Sogialrevolutio . Der greise Kaiser ermahnt das Volk jum raschen Betreten des richtigen Weges, zu den ersten Schritten auf der Bahn der sozialen Reform Dag ist die kulturelle Bedeutung der Kaiser⸗ botschaft, und das ist der welthistorische Werth derselben, den die Nachwelt klarer und besser erkennen wird als wir. :...
In der, Norddeutschen Allgemein en Zeitung“
lesen wir:
Wir hören aus NewYork, daß in den dortigen Handelskreisen dem Verbot der Einfubr amerikanischen Schweinefleisches nach Deutsch⸗ land keine besondere Wichtigkeit beigelegt wird, da diese Einfuhr bis ⸗ her so gering gewesen sei, daß prakftisch von einer Beeintrãchtigung des New. Jorker Marktes kaum die Rede sein kõnne. Man behauptet in New ⸗ Pork sogar, daß das im letzten Jahre nach Deutschland ex⸗ portirte amerikanische Schweinefleisch beinahe durchweg für Schiffe⸗ n, n, in Bremen, Hamburg und anderen Häfen bestimmt ge—⸗ wesen sei.
Ferner wird uns folgende Aeußerung eines amerikanischen Ge⸗ schäftsmannes berichtet: Bismarck hat, wie immer, den Nagel auf dem Kopf getroffen. Warum sollte er sich nicht gegen die ameri⸗ kanische Trichine sckützen, da er doch alle möglichen Sicherheitsmaß⸗ regeln gegen das Thier zu Hause trifft?
Wir baben bereits früher auf dieses Argument hingewiesen. Wenn selbst die Amerikaner dasselbe als durchschlagend anerkennen, so läßt sich die Polemik, die bei uns noch immer gegen das fragliche Einfuhrverbot gefübrt wird, nur auf die wals fides einer Partei zurückführen, welche jeder Handlung der Regierung systematischen und tendenziösen Widerstand entgegensetzt.
Centralblatt der Bauverwaltung. Nr. 15. — Inbalt: Amtliches: Personalnachrichten. — Nichtamtliches: Die neue Ponton⸗ brücke über den Stößensee bei Spandau. — Wasserwirthschaft und Hydrologie. (Schluß) — Das neue Vietoriaregia⸗-Haus des Bota-
nischen Gartens in Berlin. — Zur Korrektion der Unterweser. — Wasserbauthãtigkeit in Preußen. — Feuersicherer Deckenputz und feuer⸗ sichere leichte Zwischenwände. — Vermischtes: Zur Erhaltung des
eren Schlosses. — Erlangung ven Skizzen zu einem Wohn aus. — Schiffabrts⸗ und Bewässerungskanal von. Straßburg i. E. nach Germersheim. — Internationale Städte ⸗Ausstellung in Wien.
Kunft, Wissenschaft und Literatur.
Zu dem im Jahre 1884 bevorstehenden Jubelfest des 100 jähri⸗ gen Bestandes der Prager Bübne hat Sskar Teuber eine Geschichte des Prager Theatzers von den Anfängen des Schauspielwesens bis auf die neueste Zeit?! in Angriff genommen, deren erster Theil seit Kurzem vorliegt und im Verlage der Kaiser⸗ lichen Hofbuchdruckerei von A. Haase in Prag erschienen ist. Prag ist eine Theaterstadt par exeellenee und das Prager Theater nach Rang, Bedeutung und glanzvoller Vergangenheit eine der hervor ragendsten deutscken Bühnen zu nennen, welche bis heute mit den ,, deutscher Kunst in innigen Beziehungen gestanden
at und zu Zeiten mit diesen in Leistung und Ansehen wetteiferte. Ihre Anfänge aber verlieren sich bis in das 13. Jahrhundert jurũck. Mit diesen, der Vorgeschichte des Theaters bis zur Gründung des Gräflich Nostitzschen, des heutigen deutschen Landestheaters Fesckäftigt ich der vorliegende erste Band des umfassend angelegten Werks. Die nachmalige Theilung des Prager Theaterwesens in ein deutsches und ein czechisches kommt hier noch in keinerlei Weise in Betracht, da, mit Ausnabme der czechischen Mysterien⸗Auffübrungen, der Studenten und Fastnacht⸗= spiele, in der hier bebandelten Zeit das Prager Theaterwesen fast durchaus ein deutsches und mit der Entwickelung der deutschen Kunst im Alleemeinen mehr oder weniger zusammenbängendes gewesen ist, als fremde Elemente aber nur die italienische Oper und die französische Komödie zur Geltung kamen. Der Verf. bat dekhalb, wie er selbst hervorbebt, die Entwickelung des Jechifchen Dramas nur so weit unbedingt nötbig gestreift. Seine Darstellung stützt sich auf sorgtältige archivalische Forsckungen und säßt diese meiftens originaliter sprechen, wodurch sein Werk an Gründ⸗ lichkeit und Zurerlässigkeit gewinnt, wenn auch durch derartige drastische urkundliche Illusttationen der Fluß der Erzäblung manchmal unter⸗ brochen wird Dem Leser, der dadurch aufgehalten zu werden meint, bleibt es unber ommen, dieselben ju überschlagen. Einzelne Abschnitte, wie die über die älteften Schauspiele in Prag (die Mysterien, Morali⸗ fäten, Studenten Aufführungen der Unirersitäten) und namentlich die Jefuiten Auffübrungen sind von ganz besonderem kultur. und kunst ⸗ kistorischem Intereffe und im böchsten Grade anziebend. Aber auch die anderen Abfchnitte bieten des Interessanten in Fülle, wie dies schon die Ueberschriften erseben lassen, die bier folgen mögen: Die aälteste Periode der Prager Oper,. Die ersten Komödianten in Prag, Wandertrur ren. Deuticke und wälsche Hantrwürste und Komõ⸗ Tianten, Graf Franz Anten Spork und sein Opernbaus. Komödianten trurven während des Bestandes des Sporkschen Opernbauses bis zur Gründung des Kotzen ⸗Theaters, Die Gründung desselben (i738) und die etsten Jahre, Stabile Direktoren und italienische DOrern⸗Impresarii im Kotzen⸗Theater und deren Konkurrenten, Die Oper Gioranni Battista Locatellis, Ber⸗ nardon und seine Zeit, Giuserre Buftelli als emphrteutischer Käufer oder Erbrächter des Kotzen⸗Theaters, Das Prager Schausviel in der Aera Bustelli⸗Brunian (Joserb v. Brunian als Reformator der Prager Bäbne), Tie Aera Bustelli⸗ Brunian in ibrer Blüthe und ibrem Riedergange, Pasquale Bondini's Oper im Thunschen Hause, Prinzipal Wakr im Kotzer⸗Tbeater und die Anfänge des Noftitzschen Tkeaters. — Das Werk dürfte nicht nur in den dem Tkeater nabestebenden, sondern in allen sich für die Bübnenkunft interessirenden Kreisen dankbare Leser finden.
— Amerika in Wort und Bild. Eine Scilderung der Vereinigten Staaten von Friedrich von Hellwald. 2. und 3. Lieferung ju je IL * Mit etwa 7 6 Illuftrationen. (Verlag ven Schmidt & Günter in Leiprig). — In den rorliegenden neuen Tieferungen dieses Prachtwerks fübrt uns der Verfasser durch die Grünen Berge von Vermont und längs der Ufer des Connecticut, des Hoosac und Houfatonic durch imposante Feldpartien, die durch treffliche Tert⸗= üÜuftrationen veranfschaulicht werden: Mount Elexbanrtus am Sce Memrpbremagog, der Schreckensfels in den Grünen Bergen (Vermont), Sandungsstelle am Eulenkopfe, die Höhen von Meose Hillod bei Nerwbdurrv, an der Mundung des Wbite River, Westlicker Arm der
Bellew Stromschnellen des Connecticut, Holvoke vom Connecticut aus
gefeben, Ar sicht von Hartford, Saybrook in Connecticut, Ansicht des Grarlook, der Hoosacfluß bei North Adams, der Heusatonie bei Stockbridae 2c. Von den böchst eigenartigen Vollbildern erwähnen wir nur: Ein Sarten in Florida, Arsichten van Norwalk und South= vort, die Klirren (the Orens, auf Mount Desert Insel, Ansicht des Meunt Wastington, Ansichten von Sxringfield (Massachusetts) ꝛc. Die Illuftrationen find ron wirkungsvoller Schönbeit und der Tert aus der Feder des kekannten Verfaffers belehrend und unterhaltend jugleick. Die ersten Hefte sind in jeder Buchhandlung einzusehen.
Land⸗⸗ nnd
Dje erste Generalversammlug der Sektion für Stärkefabrikation des Vereins ger Sxiritugfabri- kanten in Deutschland“ findet am Tage nach der Mastvieh Ausstellung, am Freitag, den 4 Mai, Vormittags 11 Uhr, zu Berlin im Vereins bause, Invalidenstraße 43, statt, Nach . des Geschäftsberichtss durch den Geschäftsführer Prof. Dr. Delbrüd, — * der Statuten und Wahl des Vorstandes und Aus schusses wird Hr. Dr. Saare über die Resultate der in der Versuchsftation vorgenommenen Untersuchungen über die Vertheilung großer und kleiner Stärkekörner in den verschiedenen Kartoffelsorten und deren Einfluß auf die Ausbeute in den Stärkefabriken referiren. Es folgt darauf ein Vortrag des Hrn. Professor Dr. Maercker aus Halle über die bessere Verwerthung der Abfälle der Stãrkefabrikation, dem sich alsdann die Besprechung verschiedener, die Stärkefabrikation betreffen ˖ der technischer und landwirthschaftlicher Fragen anschließt. Inebe⸗ sondere werden die von Hrn, Professor Dr. Maercker in der Zeitschrift für Spiritusindufstrie vorgeschlagenen Düngungs versuche für artoffeln zur Diskussion gelangen,
Im Anschluß an die Generalversammlung findet am folgenden Tage, Sonnabend, den 5. Mai, eine Exkursion nach Hoben ⸗ Schön⸗ 9 zum Zweck der Besichtigung der Gersonschen Rieselanlagen
att.
Die Betbeiligung von Gästen an der Versammlung, welche namentlich für jeden Kartoffelbauer von hohem Interesse sein wird, ist erwünscht. Cinladungen mit Programm werden zu dem Bebufe von dem Bureau des Vereins, Berlin X., Invalidenstraße 42, ver⸗ sandt; dasselbe erstattet auch näbere Mittheilungen über alle den Verein und die Versammlung betreffenden Angelegenheiten.
Gewerbe und Der Cours für die jetzt bier zablbaren ö6sterreichischen Silbercoupons ist auf i71 AÆ für 100 Fl. Oefterr. Silber er⸗ höht worden.
Haag, 16. April. (W. T. B.) Auf die neue Anleihe im 2 von 60 900 000 Fl. sind mehr als 748 00000 Fl. gezeichnet worden.
Glasgow, 16. April. (W. T. B.) Die Verschiffungen von Robeisen betrugen in der vorigen Woche 14400 gegen 11700 Tons in derselben Woche des vorigen Jahres.
. Verkehrs⸗Auftalten.
Tilsit, 16. April. (W. T. W) Die Schiffabrt auf der Memel ist wieder eröffnet.
Bremen, 16. April. (W. T. B.) Der Damp fer des Norddeutschen Llord Straßburg“ ist am 15. d. M, in Baltimore eingetroffen. Der Dampfer des Nerddeutschen 2 „Cöln“ bat am 15. d. M. auf der Heimreise St. Vincent passirt.
Plvmouth, 16. April, (W. T. B) Der Hamburger Postdampfer . W estph alia“ ist hier eingetroffen.
New Jork, 16. April. (B. T. B). Der Dam pfer Spain von der National ⸗Dampfschiffs⸗ Compagnie (C. Messingsche Linie) ist bier angekommen.
Berlin, 17. April 1883.
Der Berliner Verein der unter dem Protektorat Sr. Königlichen Hoheit des Prinzen Heinrich stebenden Deutschen Gefellsckaft zur Rettung Schiffbrüchiger hielt gestern eine Ausschußsitzung ab, i der der Jabresbericht zur Verlesung kam. Die Gefellschaft kann auf das verflossene Jahr 1882, 83 mit Befriedigung zurückblicken; die Zabl der Mitglieder bat sich um 4800 gegen das Vorjabr und um 1250/0 gegen das Jabr 1880/81 vermehrt und be trägt zur Zeit 1606 gegen 1988 im Vorjahre. Ausgeschieden sind 72, neu eingetreten 596. Unter den Einnahmen stehen 600 (6 von Sr. Majestät dem Kaiser und 309 Æ von Ihrer Majestät der Kaiserin obenan. Die Beiträge der ordentlichen Mitglieder sind um 1929, also um 370 0 gegen das Vorjahr und um 1094 M gleich 132 c gegen das Jabr 1880581 gewachsen. Sie be⸗ liefen sich auf 7211 60 Außerordentliche Mitglieder, sogenannte Stifter“, sind 6 mit 781 6 Beitrag eingetreten, gegen 13 mit 5775 M im Vorjahr, und 3 mit 175 4M im Jabre 1880,81 Die 38 Sammelschiffe brachten 456 „ Ertrag; ibre Zabl ist um 27 ver⸗ mehrt, und weitere 8 werden voraussichtlich in der Hygienischen Ausk⸗ stellung aufgestellt werden. Die Total⸗Einnahme aus dem vom Verein erausgegebenen Album Aus Sturm und Noth ist X66 6 gewesen. Davon entfallen auf das Vorjahr 15 966 Bie Originale der Zeichnungen und Handschriften sind noch Eigen ffum der Gesellschaft, und außerdem sind noch eine Anzahl ron Eremplaren vorbanden, welche vorzüglich dazu bestimmt sind, alt Ebrengabe verdienten Mitgliedern überreicht zu werden. Die ge⸗ sammte Einnabme belief sich auf 25 532 66 gegen 16000 M im Vorjahre 1881/82. Dieser Einnabme standen g56 6 Ausgaben gegenüber, und es konnten somit 243575 * an die Hauptgesellschaft nac Bremen igeschickt werden, gegen 13 269 A im Vorjahre und gegen 4189 im Jahre 1880 / 81.
Der Deutsche Gärtner -⸗Verband, der zu Beginn dek Jahres 1873 in Erfurt auf einer Versammlung von Delegirten ver swiedeger Gärtnervereine begründet wurde, hielt gestern bierselbst im Saale des Citrbotels seine 4. Wanderversammlung ab. Der Verband umfaßt 3. 3. 45 Vereine mit 1456 Mitgliedern und 1634 erfönliche Mitglieder. Er ist bisber dreimal zu Wanderversamm⸗ fungen zufammengetreten. Die gestrige vierte, die von Delegirten aus allen Tkeilen Deutschlands beschickt war, eröffnete der Gefchäftsfübrer des Verbandes, Hr. Möller - Erfurt mit einer Ansrrache. Nach erfolgter Konstituirung und nach⸗ dem OSekonomie⸗ Rath Späth mit dem Vorsitz betraut worden, trat die Berfammlung in den Hauptpunkt der Tagesordnung: Die Ver⸗ bandlung über die Nothwendigkeit und die Aufgaben von Versuchẽ⸗ stationen für den deutschen Gartenbau, ein. Prof. Dr. Frank empfahl rom tbeocretiscken, Unirersitätsgärtner Lindemuth vom rraktischen Standrunkt die Annabme folgender Resolution: Die Ver sammlung des deutschen Gärtnerrerbandes erachtet es als eine Nothwendigkeit für die Zwecke des rraktischen Gartenbaues, daß an den Central · stellen des gärtnerischen Betriebs gärtnerische selbständige Versuchẽ⸗ stationen errichtet werden, welche die Aufgabe haben, sich mit der Beantwortung derjenigen Fragen zu beschäftigen, die auf die Förderung des Gartenbaues abzielen, insbejondere mit den Fragen über die geeignetsten Kulturbedingungen, wie Bodenarten und Dün⸗ gungen für die einzelnen gärtnerischen Kulturyflanzen, mit den Fragen Fer die für die verschiedenen klimatisch ungleichen Oertlichkeiten am meiften geeigneten Speres und Varietäten, mit dem Erscheinen ron Pflanzenkrankbeiten und Pflanzenfeinden und deren Bekãmpfungsweise f. w.“ Die Bersammlung schloß sich den Anschauungen des Refe⸗ renten an und befraute eine Kommission mit den einleitenden Schritten zur Errichtung derartiger Versuchsstationen.
London, 17. Arril. (W. T. B) In Pate rnoster⸗ Sauare, City, brach in der verflofsenen Nacht Feuer aus, wo, durch zwei Gebäude, darunter dasjenige der Verlags firma Reagan Paul Trench C Co., ganzlich eingeäscheit wurden. Auch mebrere Nachbar- Fruit Turken Fon dem Feuer beschãdigt. Der Gesammtverlust wird als sebr bedeutend angegeben.
Redacteur: Riedel. Verlag der Ewedition (Kessel). Dru: W. Elsner.
Fünf Beilagen (einschließlich Bõrs en Beilage)
Serlin:
Erste Beilage
zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.
M 890.
Berlin, Dienstag, den 17. April
Aichtamtliches.
Preußen. Berlin, 17. April. Im weiteren Ver⸗ taufe der gestrigen (51) Sitzung des Hauses der Abgeordneten wurde die Berathung des zweiten Berichtes der Unterrichts kommission über Petitionen, betreffend die Vivisektion, fortgesetzi. Der Abg. Dr. Huyßen wies darauf hin, daß die 26 der Thiere, welche der Vivisektion geopfert würden, nur gering sei im Vergleich zu den Thieren, welche in anderer Weise den menschlichen Quälereien unterlägen. Es gebe viel schlimmere Thierguälereien als die der Vivi⸗ sektion; die 0 schändlichen Quãlereien beim Schlachten der Thiere, beim Jagen der Waldthiere ꝛc., diese seien ein viel befferes Angriffsobjekt. Die Behauptung des Vor⸗ redners, daß die jungen Aerzte die schlimmsten Vivisektoren seien, bestreite er ganz bestimmt, auch das Argument des Kostenpunktes halte er mit dem Abg. Dr. Langerhans für zu⸗ treffend. Ausschreitungen auf dem Gebiete seien doch gewisse rohe Mißhandlungen, für welche das Strafgesetzbuch völlig ausreiche. Die deutschen Aerzte und Gelehrten, das könne er aus langjähriger eigener Erfahrung versichern, seien keines⸗ wegs so grausame Leute wie der Vorredner annehme; auch der Abg. Frhr. von Minnigerode würde das
efunden haben, wenn derselbe den Natursorscherver⸗ ammlungen häufiger oder überhaupt beigewohnt hatte. Die Ver suche 2 eine unbedingte Nothwendigkeit; wie solle man s B. über das Fortschreiten der Schwangerschaft anders Er⸗ ahrungen sammeln, als durch Experimente am lebenden Thier? Die Anwendung der Vivisektion an Lehranstalten sei ebenso unentbehrlich. Gerade im Interesse der Humanität, ber leidenden Menschheit und der leidenden Hausthiere bitte er, den Kommissionsantrag anzunehmen, und nicht durch An⸗ nahme irgend eines anderen Antrages den Satz der Verfassung zu alteriren: Die Wissenschaft und ihre Lehre sei frei!“
Der Abg. Dr. Reichensperger (Cöln) gab zu, daß auch auf nicht wissenschastlichem Gebiete viel gesündigt werde; namentlich verurtheile er die noble Passion des Taubenschießens. Wenn aber die gebildeten Leute nicht vor Grausamkeit zurück⸗ schreckten, wie viel weniger Männer der Wissenschaft, die das an sich edle Bestreben haben, dem Geheimniß des Lebens auf die Spur zu kommen. So sei auch die Vivisektion zu einer förmlichen Mode geworden. Aus dem umfangreichen Material, welches dem Haufe zu Gebote stehe, habe er den Eindruck ge⸗ wonnen: es fei schwer gesündigt worden. Es spiele hier der wissenschaftliche Ehrgeiz eine große Rolle, der solche Mißbräuche vertheidigen zu können glaube. Wer sich einen Namen machen wolle, bringe Opfer aller Art, vor allen Dingen auf Koslen der Thiere. Der Regierungekommissar habe sich auf die Autorität eines Jesuiten berufen. Er habe einen großen Fespekt vor den Jesuiten, namentlich seit der Zeit, als der Pseudoliberalismus eine so entsetzliche Angst vor denselben gezeigt habe. Aber dieser Jesuit sei nicht entfernt eingetreten für die Mißbräuche der Vivisektion, gegen welche zunächst und vor allen Dingen die Petitionen gerichtet seien. Dem Jesuiten stelle er nun den Kardinal Manning gegen⸗ über, der in London bei öffentlicher Besprechung der Angelegenheit sich auf das Bestimmtefte dahin ausgesprochen habe, daß nach den dortigen Gesetzen es ein thörichies Beginnen sei, den Gebrauch der Vivisektion von beren Mißbrauch zu trennen. Wenn nun das große englische Publikum, ärztliche Körperschaften und das Parlament sich für kompetent erachtet haben, gegen die Ausschreitungen der Vivisektion aufzutreten und Maßregeln zu ergreifen: sollten dann auch die preußischen Abgeordneten als Laien nicht be⸗ rechtigt sein, wenigstens nachzusagen, was bedeutende Praktiker über die Vivisektion geschrieben und gesprochen hätten? Von der Regierung verlange er ein ernstes Vorgehen, mit bloßen Ermahnungen lasse sich hier nichts machen.
Hierauf ergriff der Minister der geistlichen ꝛc. Angelegen⸗ heiten von Goßler das Wort:
Meine Herren! Wenn ich noch in so später Stunde das Wort er greffe, fo geschieht es wesentlich, um anzuknüpfen an eine Bemer⸗ kung eines der Herren Vorredner, die dahin ging, als ob die König⸗ lich Staatsreglerung und das Haus oder die Parlamente im Allge⸗ meinen die Erörterung der Frage nach der Berechtigung der s. g. Bivifeftion irgendwie scheuten. Der Standpunkt, den die Unterrichts. verwaltung Preußens in dieser Frage eingenommen hat, ist schon in einem viel früheren Stadium genommen. Ehe noch irgendwie in der Deffentlichkeit eine Agitation sich geltend machte, war die Vivrisektion bereits eine raff der eingehendsten Unter⸗ fuchungen im Unterrichts Ministerium und wenn man die Reibe der Erwägungen und Bemühungen der reußischen Unter ˖ richts verwaltung auf diesem Gebiete kennt, wie ich, so werden Sie es wohl verftehen, daß ich zunächst den bisherigen Standpunkt fest⸗ jzuhalte verfuche, daß ich mir auch nicht die maßgebenden Gesichts⸗ punkte verschieben lafse durch den Versuch, die Beweislast, nachdem die Änklage Seitens der Petenten oder der binter ihnen Stehenden einmal . ist, von den Petenten abzunehmen und ohne Weiteres die Vertheidigung der Ünterrichtsverwaltung oder der Wifsenschaft aufzubürden. Die fing der Beweisführung ist doch , zu beantworten. Es ist meines Erachtens weiter ein Mangel und ein Irrthum, wenn wir aus den Verhältnissen anderer Länder 6a deduziren Vollen mit einer gewiffen petüio principii, und ohne nähere Prüfung annehmen, daß die Mißstände, die sich anderwärts geltend gemacht haben, bei unz bestchen Lönnen, und deshalb auch bestehen müssen. Ich bestreite ein solches Bestehen. ]
Die Ägitation — ich will die Diskussion in Dieser ge chichtlichen Anterfuchung im Uebrigen nicht verlängern — läßt sich ahre lang derfolgen, und man kann auch genau, bezeichnen, in welcher Weise die lAgitalion in unfer deutsches Vaterland gelangt und hier großgezogen ist. Ich darf hier im Vorbeigehen erwähnen, aß die Thierschutz vereine jetzt energisch Front machen gegen die Agitation des internationalen Vereins,
e nur noch in 69 neuen Thierschutzvereinen ihre Unterstützung findet und in den speziell zur Bekãmp 4 der Thierfolter gegründeten Vereinen, deren Petitionen uns hier be ah en Ich habe nun in der verantwortlichen Stellung, in der ich mich befinde, ebenso wie meine Vorgänger, mir immer die Frage vorgelegt: wat ist denn in
teuhen in Anfehung des Thierverfuchs konstgtiri; waz ist der that. ir, ustand? und da haben wir zunächst n , und ich unterscheiße auch noch heute so: wa bestehen für p visektorische Be⸗ strebungen außerhalb der wissenschaftlichen Staatsinstitute? Und auch in der heutigen Bislussion ist mit Ausnahme einetz urarirten Frosches — ver Fall ist mir nicht bekannt nichts , worden, waz ich in dieser Richtung affirmatlv verwerthen könnte.
Meine Herren, ich bitte Sie, Sie handeln dann Ibrer eigenen An⸗ schauung und den Wünschen der Unterrichts verwaltung entsprechend und thun in jeder Beziehung etwag Guteg, wenn Sie dasjenige, was über Vivisektion außerhalb der Institute zu Ibrer Kenntniß ge⸗ kommen sein könnte, an die Unterrichts verwaltung beranbringen. Wenn ich auch nicht überall refsortmäßig zu entscheiden bätt;, so würde ich mich nicht scheuen, Mittel und Wege ausfindig zu machen, um Ausschreitungen zu rerbüten. Demonftrationen vor einem Publi⸗ kum und außerhalb der Stagtganstalten sind bei uns nicht vorgekom - men, wenigstens trotz aller Bemübungen bei uns nicht zur Anzeige gelangt. Der thatsächliche Zuftand, und mit diesem baben wir uns ju beschäftigen, ist in Preußen der, daß der Thierrersuch sich in wissenschaftlichen Staats anstalten abspielt, und wir in Preußen er⸗ freuen uns eines Zustandes, um welchen uns die öffentliche Meinung anderer Lander außerordentlich beneidet. .
Die Thierversuche innerbalb der preußischen Unterrichts anstalten — und um diese babe ich, mich vor Allem ressortmãßig zu bekümmern = spalten sich, wie die Herren Vorredner bereits ange⸗ führt haben, in Versuche zu Demonstrationszwecken, also zu Unter richtazwecken, und in Versuche zu wissenschaftlichen Forschungen.
Meine Herren! Ich will keinem der Herren Laien zu nabe treten; aber ich fuͤrchte, Sie kennen diese wifsenschaftlichen Institute aus eigener Anschauung nicht und stellen sich das Verfahren in denselben nach den Bildern, wie sie aus den überreichen, uns Seitens der Anti⸗ vivisektionisten zugegangenen Publikationen entnommen sind, vor. In den preußischen Unterrichtsanstalten ist der Demonstratiensversuch ganz außererdentlich beschränkt. Die Gründe liegen theils auf ethischem Gebiet, theils auch auf okonomischem, nicht so sebr auf dem finanziellen, als auf dem Gebiete der Oekonomie der Kraft und Zeit der Lehrer. Seit Jahren und Jahrzehnten sind unsere Institute vorfteber bemüht, diese Versuche so fest zu legen, daß nur diejenigen Versuche den Stu⸗ denten vorgefübrt werden, welche nach der ebrlichen Ueberzeugung unferer wissenschaftlichen Männer absolut nothwendig sind, um die wichtigsten Lebens vorgänge den Studirenden der Medizin vorzuführen.
In dem größten physiologischen Institute Preußens . nur zwei Thierversuche an Hunden zu Demonstrationszwecken statt. Ich darf wobl bemerken, daß alle diese Thiere, die Hunde, wie die 6 oder 7 Kaninchen und die 2 Tauben, an denen demonstrirt wird, sich aus—= nahmslos oder doch fast ausnahmslos im Zustande der Betäubung befin⸗ den oder plötzlich getõödtet werden; und wenn das Kurare vorhin ins Ge⸗ fecht geführt wird, so kommt zu Demonstrationszwegken nur ein ein ziger Versuch an einem Frosche vor, der mit Kurare bewegungsunfähig gemacht und dann sofort getödtet wird. ;
Änders stebt die Frage auf dem Gebiete der Forschung, und wenn wir auch beute wiederholt geglaubt haben, uns in der Ansicht vereinigen zu dürfen, daß das Forschungsgebiet für den Thierversuch nicht zu eng umgrenzt werden möchte, so geht doch durch eine Reihe von Reden immer die Auffassung durch, als ob doch auf dem Gebiete der Forschung auch auf den preußischen unterrichtsanstalten erheblich gefündigt warde, daß der Forschungẽeifer erheblich zu weit führe und daß der Thierversuch nicht den Nutzen gewähre, welchen die Mãnner der Wiffenfchaft uns glauben machen wollten. Wir haben daher an einzelnen Beispielen den Versuch unternehmen sehen, nachjuweisen, daß in der That die Vivisektoren, Physiolo⸗; gen, Pathologen und alle diejenigen wissenschaftlichen Männer, die um Lösung von Problemen auf den Thierversuch gefübrt werden, über das Ziel des Zulässigen und Gerechtfertigten hinaus⸗ schöffen. Meine Herren! Ich erkenne die Schwierigkeit an, daß Laien berufen sind, die Frage nach dem Zuviel zu unterscheiden; aber daran fäßt fich nichts ändern, und meiner Meinung nach hat auch die Wissenschaft die Aufgabe, so klar ihren Zweck und ihre Methode hin⸗ zustellen, daß auch der Laie im Stande ist, das Problem zu erfassen und sich ein Urtheil zu bilden. Die Berechtigung des Laien läßt sich nicht bejweifeln. Denn die Frage, die uns beschäftigt, wie wiederholt richig ausgeführt ist, kann ja im Wege der Petition an die Unterrichtungt⸗ verwaltung oder an die Polizeibehörde gewiesen werden, sie kann zum Gegenstand gesetzgeberischer Maßnahmen gemacht werden, also der Wie ist hier in der That in die Lage versetzt, über eine wissenschaft⸗ liche Angelegenheit zu richten. . ;
Run gestatten Sie mir, da ich — ich kann bei diesem Anlaß wohl fagen — das Glück habe, selbst Laie zu sein, einige von diesen Beispielen, welche die Petenten und welche einige der Herren Vor⸗ redner vorgeführt haben, auf Grund meiner gelegentlichen Erfahrun⸗ gen vor Ihnen zu beleuchten und hieran die Frage nach der Berech⸗ tigung und dem Nutzen des Thierversuchs für die Praxis zu demon⸗ striren. Ich habe meine Erfahrungen nicht gesammelt aug Anlaß der Venition, da es mir hierzu an Zeit gefehst hat, aber da ich mich etwas mit Raturwissenschaften beschäftigt habe, vielleicht auch mehr als andere äaien, welche den Thierschutz a priori beurtheilen, mich in unseren Instituten, in unseren Kranken anstalten, umgesehen habe, so habe ich schon, ehe ich annehmen konnte, daß ich in die Lage einer verant, wortlichen Stellung käme, auf diesem Gebiete mir ein eigenes Urtheil zu bilden versucht. Die herren bestreiten zunächst, daß auf dem Ge⸗ biete der Chirurgie — und solche Beispiele wurden mehrfach ange. führt — in Folge des Thierversuchs etwas Ersprießliches geleistet, sie behaupten vielmehr, daß auch ohne solchen die äußere Medizin ihre großen gert chritte gemacht haben würde. Das ist wieder eine petitio prin- cipi. Die Frage, die heute ö. ungeheuer populär ist. die der Resektion, deren gfückliche Szfung, tausenden unserer unglücklichen Mitbürger im Jahre 1870 eine relative Gesundbeit verschafft hat, ist lediglich gelöst auf dem Wege der Vivisektion. Meine Herren! Die Petenten be. streiten daz, aber gegen Thatsachen läßt sich nicht aufkommen, die Wärtburger Verfuche“ auf. dem Gebieie der Resektion sind Hie * Basis, auf der fich die refezirende Chirurgie durch die ganze Welt aufgebaut hat und die französische Aka⸗ demie beispielsweife hat eigene Cxperten nach Würzburg gesandt, um über die Art der Thierversuche für Resektion sich dort ju orien⸗ tiren. Die Refektton ist uch nicht stehen geblieben etwa bei den Knochen. Mit Knochenrefektianen hat sich die Laienwelt befreundet, das sst etwas plastisches, greifbares, etwas, womit die Laien heute ern gesprächsweife operiren. Aber, meine Herren, die ic viel chwierigere Frage nach der Resektion der Därme, — auch sie wurde heute hier berührt. — hat sich an die Resektion der Knochen ange schlofsen. Diefe Resektion ist absolut nothwendig fur eine große Reihe pon Krankhelten, wenn sie geheilt werden sollen, nicht blog fuͤr einge⸗ klemmte Brüche, sondern n, für Fisteln u. drgl. sonst letale Kranhheiten. Die Resertion der Därme ist im Wesentlichen auch nur möglich ge worden durch den von den Petenten theils an er fe en theils als ihren Blutszeugen angeführten Lister. Lister ist 6 gewesen, der durch Erfindung der Catgutnath es mö lich gemacht hat, in der Tiefe, also im Innern des Körpers eine Nath bar feln welche nicht zur Eiterung führt, indem ö aus Stoffen besteht, welche sich allmählich im lebendigen rganigmus a en reforbiren laffen und übergehen in menschliche Organismen, Wenn Lister dies nicht an Thieren auf das Sorg faͤltigste i, hätte — und er . sehr hoch organisirte Thiere zu diesen Versuchen ver ⸗ wandt, Kälber, eins der 6 organisirten Thiere, mit dem über ⸗ haupt auf dem Gebiet der Vbvisektlon Versuche gemacht werden würde er schwerlich gewagt haben, seine i mn an lebenden Menfchen zu verfuchen und schwerlich würden wir in den Besitz und zur Anwendung dieser enorm wichtigen Entdeckung gelangt sein.
eute wird keiner ee g in elnen Thierversuch in dieser Rich. ung machen, da die Methode reli? Gemelngut der Wissenschaft
und der Praris geworden ist, aber wir geben auf dem Gebiet der Darmnabt weiter. Es wurde vorbin dem Herrn Regierungs kommissa rius gegenüber der Vorwurf angedeutet, als ob er bei der Verlesung einer Stelle der Stimmen aus Marig Laach“ mit einer gewissen Pbantasie einen Fall rorgefübrt hätte. Nun, meine Herren, ich will Ihnen einen Fall fkiniren, der sich kurz, ebe ich die biesige chirnur= gische Klinik in der lezten Weibnachtszeit besuchte, ereignet hatte. Ein armer urgläcklicker Mensch litt an einer Kothfistel, einer der furcht⸗ barsten uad Ekel ertegendsten Krankbeiten. die zum sichern Tode fübrt und Ten unglücklichen Menschen aussckließt aus der bürgerlichen Gefellschastt; denn es war ein Durchbruch nach der Bauchdecke eingetreten und hatte eine ausgebreitete Entzündung hervorgerufen. Dieser arme junge Mensch war mehrere Monate auf Kosten des Staates in einem Wasserbade erbalten worden, damit er von der Entzündung der Bauchdecke befreit würde, einigermaßen zu Krästen gelangte und überhaupt in eine erträgliche Lage käme, dann sagte sich der Chirurg: wissenschaftlich ist es zulässig und technisch möglich, eine Operation Turchzufübren, wo durch Egntfer⸗ nung eines Tbeils des Dünndarms und durch Herstellung einer neuen Verbindung des Dünndarms mit dem Dickdarm die Fistel bescitigt und der junge Mensch von einem sicheren, qual⸗ vollen Tode gerettet wird. Man braucht nicht Anatom zu sein, aber Sie werden sich die Bedeutung und die Gefahr einer solchen Ope⸗ ration einigermaßen vorstellen können. Obgleich, der Chirurg eine reiche Erfahrung hatte und auf dem Gebiete der Darmresektion, namentlich in Bonn, bereits zuverlässige Methoden erfunden waren, so entschloß sich der Chirurg doch nicht sofort zur Operation, son⸗ dern erst dann, nachdem er sie an drei Hunden mit Er⸗ folg ausgeführt hatte, und erst nachdem diese Oreration geglückt war, ging er an die Operation des Menschen. Auch diese gelang und der junge Mensch verdankt heute diesem Thierversuch seine Existenz und seine Gesundheit. Wenn ich Ihnen ein solches Beispiel vorführe, ist es dann noch möglich, vom Standpunkte eines richtigen Gefühls — wie vorhin geschehen — zu sagen: und wenn ich auch auf dem Sterbebette läge, so würde ich keinem Chirurgen erlauben, ein Thiererperiment zu machen, um mich durch eine Operation zu retten. Melne Herren, es kann ja solche Heroen geben, aber nehmen Sie an, ich wäre vor die Frage gestellt, das Theuerste, was ich besitze, die Frau, die Kinder, dadurch zu retten, daß ich drei Hunde o6pfere, in der Hoffnung, dadurch das Leben dieser Theuren zu erhalten, — meine Herren, wie die Antwort Ihrerseits lauten würde, wage ich nicht zu sagen; ich würde nicht zweifelhaft sein. Und da hier zufällig von Darmresektion die Rede ist, so habe ich noch zu bemerken — wir sind gleichsam auch auf theologisches Ge—⸗ biet gekommen — daß einer der Ersten, der die Darm- resektion machte, der Beichtvater des Papstes Innocenz IV. im 13. Jahrhundert war. Nähere Notizen stehen gern zur Verfügung. Ich führe das nur an, weil vorhin gegen die Jesuitenpater ein Erz- dischof ausgespielt wurde, ich kann zwar gegen diesen nur einen Bischof anführen, aber der war auch Beichtvater eines Papstes.
Nun, meine Herren, an den Namen Lister knüpft sich die größte Errungenschaft der modernen Chirurgie, die antiseptischen Wund⸗ behandlung. Auch diese ist aus den sorgfältigsten Thierversuchen hervorgegangen. Natürlich werden dies die Petenten bestreiten und behaupten, Lister würde alles erfunden haben, auch wenn, er nicht die Thierverfuche zuerst gemacht hätte. Es ist das ja möglich, meine Herren, thatsäͤchlich hat er es aber nur mit Hülfe des T ierversuchs erfunden, und erst, nachdem er es vollständig am Thier erprobt hatte, hat er feine Entdeckung der wissenschaftlichen Welt übergeben, heute wird es Keinem mehr einfallen, ein Thier zu zerschnelden, um zu sehen, ob die Listerfche Methode paßt oder nicht; auch das ist bereits Gemein⸗ gut der wissenschaftlichen Welt geworden. Auch die ganze Frage der Wundbehandlung, namentlich in Verbindung mit dem Bedürfniß des Jahres 1876, ist nur mit Hülfe der Thierversuche und der Listerschen Methode gelöst. Weshalb treten Citerungen ein, weshalb zeigen sich lusschläge, Wundrosen, Faulfieber, Lazarethbrand. Blutvergiftung und wie' alle diefe Schrecken der Lazarethe genannt werden? Diese Fragen konnten nur gelöst werden, indem man die Wund⸗
fekretionen in Thiere einführte und daran studirte. Meine Herren!
Die Frage nach der Wundbehandlung ist gelöst, und es wird heute feinem mehr einfallen, um das Erprobte und Erkannte nochmals zu prüfen, einen Thierversuch eintreten zu lassen. Ich will hier nicht so weit gehen. über die Exstirpation von Nieren und anderen inneren Theilen zu sprechen. Zahlreiche Personen verdanken derartigen Aus⸗ schneidungen ihre relative Gesundheit. . Das jenige, was die Laienwelt und die Petenten am meisten auf · zuregen pflegt, sind die Verletzungen des Gehirns der Thiere. Es hat ja, wenn man die uns vorgelegten Auszüge liest, etwas Schauder erregendes, wenn man vernimmt, wie Gehirntheile abgeschnitten und ausgespült werden u. dergl. Ich möchte Sie mit meinen Erörterungen nicht länger aufhalten, ich muß aber doch erwähnen, daß unsere ganze Geisteskrankheits⸗ unsere ganze Nerrenlehre durch diese Versuche auf eine ganz andere Bafis gebracht worden; dies werden auch. Sie als Laien mir zugeben können, wie ich selbst als Laie es zu verstehen mich bemüht habe! Rachdem durch diese Versuche dargelegt, worden ist, daß, wenn sich in irgend einer Extremität, in irgend einem, Theile des Körpers Schmerz zeigt oder eine Störung eintritt, nicht der Schmerz, die Störung ihren Sitz da hat oder da zu haben braucht. wo sich bie Erscheinung äußert, fondern daß umgekehrt oft die Art des Schmerzes, der Störung beweist, daß dieselben an einem andern Orte, in dem Centralorgan, im Gehirn ihren Ursprung haben, auch ein sicherer Fin ere fuͤr die Erkenntniß, die Behandlung des Uebels gegeben ist. 9 will Beispiele anführen, wie sie mir gerade zufällig bekannt geworden sind. Der Vorgänger des vielfach ange— riffenen . in diesen Versuchen war Hitzig, jetzt einer der . Irrenärzte — ich nenne seinen Namen ganz frei — der auch auf der hiesigen Universität, in der Anatomie, die ersten Ver- suche auf diesem Gebiete gemacht hat, um festzustellen, daß . Ge⸗ fühls⸗ und Bewegunggerregung ihren Ursprung in einem bestimmten Theile der Hirnrinde habe. Bieses Problem, auf das man bei un⸗ zähligen Beobachtungen an Menschen gekommen war. könne naturgemäß nur gelöft werden durch praktische Versuche. Die Publizirung der itzischen Arbeiten erfolgte, und unmittelbar darauf kam folgender al in Grelsswald vor. In einem Streite zwischen einem Soldaten und einem Handwerker wurde der Soldat durch einen Messerstich am Kopfe verletzt. Die Wunde heilte rasch zu, es zeigten sich aber dem nächst Lähmungserscheinungen. Der Kliniker, dem der Soldat nun ; mehr zugeführt wurde, hielt es für absolut angezeigt, daß nur durch Gehiruverletzung diese Erfcheinung hervorgerufen sein könnte. Er entschloß sich, fußend auf die Hitzigschen Versuche, zu trepaniren, und fand an der indizirten Stelle die ürsache des Leidens, nämlich eine Messertlinge, welche tief in das Gehirn eingedrungen und im Schädel abgebrochen war. Die Messerklinge wurde bergusgeiogen und der Soldat wurde so gefund, daß es Mühe machte, ibn vom Militãr frei zu bekommen. . . . Weine Herren, ein anderer ähnlicher Fall ist neuerdings in Könlgsberg vorgekommen, dessen Kenntniß ich von dortder bei meiner dortigen Anwesenheit mitgebracht habe. Gine junge Dame aus vor- nehmer Familie, das Glück ibrer Eltern verlor allmablich das Augen licht, sie konnte schließlich absolut nichi seben. Die Unter suchung durch den Äugenarst ergab die völlige Gesundbeit des Auges. G mußte a. der Ssy des Leiden in dem Gentralorgan sich de- sißden. Ulle Ermiitelungen über ewa früder erlittene Verle kungen.
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