die größere Lebhaftigkeit auch diejenigen Zweige der Eisenindustrie ünstig beeinflussen wird, welche heute noch über eine fühlbare Ge⸗ chäftsftille zu klagen haben. Auf Grund der Geschãftsbewegung im Monat März dürfte mit ziemlicher Sicherheit anzunehmen sein, daß mit dem Eintritt der besseren Zahreszeit die Lebhaftigkeit sich steigern wird. Außerdem ist gerade in dem le, , daß auf den meisten Gebieten die Nachfrage mit der Produktion gleichen Schritt hält, ein charakteristisches Merkmal für eine günstigere Lage der Eisenindustrie zu sehen, so daß die Hoffnung auf eine befriedigende Gestaltung der Preife berechtigt ist, obwohl der Verkehr am Eisenmarkte noch nicht jene Simensionen angenommen hat. welche zur Erzielung einer allgemein guten Marktordnung erforderlich sind. Besonders für Walxeisen ist eine gesteigerte Nachfrage eingetreten. so zwar, daß von einzelnen Produzenten Preiserhöhungen angestrebt werden,.
Eine ähnliche Befferung zeigt auch das Geschäst in Blechen und hat in der letzten Zeit zu den bisherigen Preisen die Nachfrage für Kesselbleche wesentlich zugenommen, woran In⸗ und Ausland gleich mäßig betheiligt sind. Auch für dünne Bleche ist eine, wenn immer, hin 'noch unbedeutende Besserung eingetreten. Für Eisen⸗Walzdraht macht fich dagegen der Ausfall des Exports nach Rußland noch an⸗ bauernd recht fühlbar und können sich die Preise deshalb noch immer nicht erholen. Eine Aufbesserung erwartet man jedoch dem nächst in Folge der beschlossenen Ermäßigung des Eingangs⸗ zolles der Vereinigten Staaten, welche, was. man nicht be⸗ zweifelt, auf die Ausfuhr nach, dort erheblich fördernd ein—⸗ wirken wird. Wenn run auch die Einzelheiten der Abänderung des amerikanischen Tarifs noch nicht in allen Punkten uns übersichtlich sind, fo daß hier weder für Amerika noch für unsere einzelnen Ex⸗ portindustrien ein bestimmteres Urtheil über die zu erwartenden günstigen oder ungünstigen Erfolge bisher gewonnen werden kann, fo steht doch heute zweierlei schon fest. Erstens hat sich die ameri⸗ kanische Tarifreform nicht in einer ausgesprochenen handelspolitischen Tendenz bewegt, Zollerhöhungen (stehen Herabsetzungen gegenüber; es ist also weder der freihändlerischen Theorie ein Sieg. zu Theil geworden, noch ist eine schärfere Ausprägung protektio nistischer Tendenzen dabei erfolgt. Zweitens wird unsere deutsche Industrie in ihrer Gesammtheit weder Grand zur Klage über die Tarifreform haben, da für unsere Nationalwirthschaft Vor ibeil aus Herabfetzungen und Schaden aus Erhöhungen sich so ziem— lich decken werden; noch werden einzelne Industrien bei uns aus den Zollherabsetzungen erheblichen Vortheil ziehen, da neben ihnen sehr erhebliche Verabsetzungen inländischer Abgaben und. Taxen her- gehen, welche die Konkurrenzfähigkeit Amerika's gewiß ebenso viel 6 werden, als sie durch Zollherabsetzungen geschädigt werden
nnte. — Die „Neue Preußische Zeitung“ schreibt „Zum Schweine⸗Einfuhrverbot /: . .
Der Staats -Thierarzt in Hamburg hat seine Statistik für 1882 über die Untersuchungen auf Trichinen in Hamburg herausgegeben; diefelbe giebt für das amerikanische Produkt wahrhaft vernich- tende Zahlen. Es wurden im Jahre 1882 von 48 Untersuchern im Ganzen 79146 Stücke untersucht. iervon entfallen auf amerika nische Herkunft 18619 Stück (13 507. Schinken und 5112 Speck seiten auf europäische 50 527 Stück (16 469 Schweine, 45 975
Schinken, 1033 Speckseiten und 40 diverse Stücke), und von diesen sind von ersteren, den amerikanischen, 175 Stück, von den europäischen aber gar keine trichinös
befunden, das macht also für erstere 0, 95 Mo, wobei für sie noch erschwerend ins Gewicht fällt, daß die Summe der europäischen unterfuchten Stücke diejenige der amerikanischen um mehr als das Dreifache übersteigt. Greifen wir auf die vergangenen Jahre zurück, so zeigt sich dafselbe Resultat, ja die Jahre 1879 und 1880 weisen für das amerikanische Produkt noch ungünstigere Zahlen auf. Die Statistik der früheren Jahre ist höchst interessant und lassen wir die⸗ selbe deshalb auszugsweise hier folgen: Es wurden untersucht:
w 383 , . 36 33 s , 3 1878 28 173 3 Oo.. 013 38 070. 77686 386 1879 47247 3 06006 102 662 1290 1,16 149 909 1293 1880 49943 — 606 78 597 836 1,061 128 540 836 1881 55 799 2 0600 73113 695 0,95 128912 697 1882 60 527 . b, O0 18619 175 0595 79146 175 Zusammen . in den fünf a1 639 8 003 322 30 s3t8 105 664 193 338 Jahren . Von 241 689 in den letzten fünf Jahren untersuchten Stücken
europäischen Schweinefleisches wurden also nur 8 Stücke trichinös befunden, dagegen von 322 504 Stücken aus Amerika importirtem 6 gif Besser kann nichts für das Einfuhrverbot sprechen als ese Zahlen.
Kunst, Wissenschaft und Literatur.
Denkmäler der Kunst. Zur Uebersicht ihres Entwickelungs ganges von den ersten künstlerischen Versuchen bis zu den Stand punkten der Gegenwart. Bearbeitet von Prof. Dr. Wilh. Lübke und Prof. Dr. Carl v. Lützow. 193 Tafeln quer Folio nebst 360 Bogen Text in Lex. 86. Ca. 2000 Darstellungen der Architektur, Skulptur und Malerei. Klassikerausgabe. Stuttgart, Verlag von Paul Neff. Vollständig in 30 Lieferungen zu 1 Æ 3. — 10 Lieferung.
— Von der bereits angekündigten neuen außerordentlich wohlfeilen · Aufgabe dieser in der That klassisch zu nennenden Ikonographie der bildenden Künste liegt nun daß
erste Drittbeil nebst dem Textbande vor. Der letztere bietet in gedrängten Erklärungsworten zu jeder einzelnen Darstellung einen Kommentar und somit eine handliche Eneyklopädie der Kunst, welche neben dem unendlich reichhaltigen Anschauungsmateria!, das der Atlas enthält, dem Kunstfreunde und Kunstbeflissenen ein willkommener Be⸗ rather sein dürfte. Aber auch als Hausbuch zur Unterhaltung und Erholung im Anschauen des Edelsten und Schönsten, was Menschen⸗ geist und Menschenhand geschaffen hat, werden die Denkmäler? sich in dieser auch dem minder Bemittelten lieferungsweise mit geringen Opfern zugänglichen Ausgabe gewiß immer mehr einbürgern und die Freude an dem Schönen weiter verbreiten helfen.
Gewerbe und Handel.
Elberfeld, 21. April. (W. T. B.) Die Dividende der Vaterländischen Feuerversicherungs⸗Gesellschaft ist für 1887 auf 40 0 festgesetzt. Die Versicherungssumme pr. 1882 betrug 2768 624 628 , mithin eine Mehreinnahme von 90 460 496 gegen das Vorjahr. An Prämien wurden 4793 675 M6 eingenom⸗ men. Kapilal⸗ und Prämienreserven betrugen 4919 922 A; denselben wurden pro 1882 288 300 M zugeschrieben. ⸗
Antwerpen, 20. April. (W. T. B) Wol'au ktio n. An⸗ geboten 2370 B. Laplatawollen, verkauft 1532 B. Das Geschäft war animirter, Preise unverändert.
Paris, März 1883. In einer kürzlich stattgefundenen Ver— sammlung der hiesigen Weinhändler, welcher auch zahlreiche Depu⸗ tirte und Gemeinderaths⸗ Mitglieder, sowie Abgesandte der Syndikats⸗ kammern von Dijon, Toulon, Montpellier und Marseille beigewohnt haben, ist der Beschluß gefaßt worden, die Deputirtenkammer und die Regierung um Abänderung des angeblich zu strengen Gesetzes vom AV. März 1851, betreffend die. Bestrafung gewisser Waaren. faͤlschungen, zu ersucken, welches Hesetz unterm 5. Mai 1866 auch guf Getränke anwendbar erklaͤrt worden ist. Gleichzeitig wurde im hiesigen Gemeinderathe, gestützt auf einen dahin gehenden früheren Beschluß der Pariser Handelskammer, der Antrag eingebracht, dem städtischen Laboratorium die üblichen Veröffentlichungen über seine
Weinuntersuchungen im Bulletin municipal! in Zukunft nicht m ehr zu gestatten.
Diese Anregungen haben der Pariser Presse Gelegenheit gegeben, die französische Weinzubereitung einer für diese wenig schmeichelhaften Erörterung zu unterziehen.
Einem Artikel des Journal des Debats“ sind nachstehende Daten über die vorzugsweise angewandten Fälschungsmittel entnom- men. Schon beim Keltern beginnt man den Wein zu versetzen, um ihn klarer und zur Konservirung geeigneter zu machen. Beim Ab- ziehen pflegt man denselben fast immer mit Eiweißstoff, Gallert, Blut oder Milch abzuklären. Diese Stoffe vermischen sich mit der Gerbsaure und heben sie auf; es ist daher ein solches Verfahren zwar für die herben Weine ganz gut; unnütz und schädlich aber für die besseren Sorten. Ist Gerbsäͤure nicht in genügender Menge vorhan⸗ den, so setzt man ein Absud von Gallnüssen oder zerschrotenen Wein traubenkernen zu. ;
Sehr häufig wird auch dem Weine, um seinen Geschmack zu heben, Alaun beigemischt. In Südfrankreich gypst man den Wein, um ihm die Weinsteinsäure zu nehmen und salzt ibn, damit er nicht sauer wird. Um das Gähren zu verhindern, ver⸗ wendet man geringe und schädliche Alkoholsorten. An Stelle des Alkohols setzt man sogar bigweilen Salieplsäure zu. Man fälscht ferner durch Zusätze von Bleiglätte oder Bleioxyd, um die Säure zu vertreiben; von Kornalkohol, um den Alkoholgehalt zu erhöhen; von Fuchsin, selbst arsenikhaltigem Phosphor oder Weinsteinsäure, um die Färbung zu beleben und den Geschmack herber zu machen; endlich durch Zusatz von Farbstoffen, wie kochenilleroth, indigoroth, und be⸗ sonders von Anilinsalzen.
Die Weinverdünnung wird im größten Maßstabe betrieben und entzieht den Staats⸗ wie den Gemeindekassen eine namhafte Summe. Nimmt man den durchschnittlichen Wasserzusatz von nur 80so an, so ergiebt sich, daß allein in Paris, bei einem Weinverbrauche von un⸗ gefähr 8 Millionen Hektolitern, nicht weniger als 415 009 hl Wasser jährlich als Wein verkauft werden. Um den Wasserzusatz zu ver decken, ist man gezwungen, zu weiteren betrügerischen Mitteln seine Zuflucht zu nehmen. Verdünnter Wein enthält daher meist außer künstlichen Farbstoffen, geringwerthigen, oft sogar mit Amyploxyd⸗ hydrat versetzten Branntwein und gesundheitsgefährliche Essenzen, durch welche Blume und Wohlgeruch hervorgebracht werden sollen.
Von 3361 Weinproben hat das oben erwähnte Gemeinde ⸗Labora⸗ torium im Jahre 1881 387 (also 10,63 odo) als gut, 1093 (32,50 06g) als mittelmäßig, 1709 (50, 840½ als schlecht aber nicht schädlich, 202 (6, 03 ol.) als . bezeichnet. Daß die Fortdauer derartiger Zustaͤnde dahin führen muß, den durch die Reblaus ohnehin schon schwer geschaͤdigten Weinhandel Frankreichs noch mehr in Verfall zu bringen, wird von den Blättern aller Schattirungen anerkannt.
New⸗Hgork, 20. April. (W. T. B.) Baum wollen ⸗ Wochenbericht. Zufuhren in allen Unionshaͤfen 66 0090 B. Ausfuhr nach Großbritannien 57 009 B., Ausfuhr nach dem Konti⸗ nent 34 000 B., Vorrath 749 000 B.
Verkehrs⸗Anstalten.
Bremen, 20. April. (W. T. B.) Der Dampfer des . Lloyd Baltimore“ ist heute in Bahia ein⸗ getroffen.
Hamburg, 21. April. (W. T. B.). Der Hamburger Postdampfer Gellert“ ist geftern Abend von Havre nach New⸗ Vork abgegangen.
Rew⸗ Jork, 20. April. (W. T. B.). Der Dampfer des Rorddeutschen Lloyd Oder“ ist heute Vormittag 11 Uhr bier eingetroffen.
Ne w⸗Hork, 20. April. (W. T. B.) Der Dampfer des Norddeutschen Lloyd „Fulda“ ist heute Abend 9 Uhr hier eingetroffen.
Berlin, 21. April 1883.
hre Majestät die Kaiserin und Königin hat dem Vaterländischen Frauen⸗Zweig⸗Verein in Danzig eintausend Mark zur Verwendung für die durch den Weichseleisgang Beschädigten überweisen lassen.
Am morgigen Sonntag findet auf der Rennbahn zu Hoppe garten der zweite Meetingstag des Vereins für Hinderniß⸗ rennen statt. An diesem Tage werden folgende fünf Rennen abgehalten werden, zu denen die Nennungen bereits erfolgt sind. Zu dem April⸗ Hürdenrennen, einem Verkaufsrennen um den Preis von 700 auf 2000 m Distance sind bis jetzt schon 10 Unterschriften eingegangen; das Wellington ⸗Jagdrennen, ein Offijierreiten um den Preis von 800 . auf eine Distance von 409 m. trägt 9 Unterschriften, das Flachrennen, ein Herrenreiten um den Preis von o „ auf eine Bistance von 2506 m, zeigt 6 Unterschristen. Zu dem Lauriston⸗Jagd⸗ rennen, einem Verkaufsrennen um den Preis von 700 6 auf 3000 m, find bis jetzt erst 5 Pferde genannt, und das Frühjahrs Jagdrennen, ein Herrenreiten um den Preis von 900 M auf. eine Distance von 4606 m trägt 8 Unterschriften. Es sind somit für alle Konkurrenzen eine ergiebige Anzahl von Pferden an. dem Pfosten zu erwarten. Zu den Rennen gehen um 11 Uhr 48 Minuten und 12 Uhr 24 Minuten Mittags vom Bahnhof „Friedrichstraße. Extrazüge ab. Die Rück fahrt von Hoppegarten erfolgt um 3 Uhr 45 Minuten resp. 4 Uhr 5 Minuten Nachmittags.
Außer den bereits mitgetheilten, auf der Großen allgem einen Garte nbau⸗Äusstellung verliehenen. Auszeichnungen, erhielten noch die große goldne Ausstellungs Medaille der Handelsgãrtner kö trießen bei Dresden für eine Kollektion 50 niedriger Rosen, l dle kleine goldne Ausstellungs⸗Medaille der Kom. Rath Dellschau (Obg. Schmidt) für 1 Azaleen⸗ Gruppe, Hr. Garten ˖ Direktor Runtzler⸗ 6 bei Hannover für J Sortiment Croton und der Garten⸗ Inspektor Hampel ⸗Koppitz für getriebene Gurken, .
Das usstellungsterrain felbst zerfällt in 3 Theile; von denen das Ärrangement für die oberen Säle der Garten⸗Inspektor C. Wredow, das für den unteren inneren Raum der Garten nspektor Perring, das für den Außenraum (Hallen und Garten) der Hof⸗ gärtner Hoffmann übernommen hatten. Wenn die Ausstellung dies⸗ mal fo hervorragende Leistungen aufzuweisen, hat, so tragen namentlich auch von außerhalb gesendete Produkte einen bedeuten den Theil dazu bei. So u. A. Bromeliaceen, Agaven, Dꝛch deen Sarracenien, wie seltene Neuholländer des Garten Insp. Kirchhoff, Donauefchingen; Blattpflanzen, Croton, sowie Aggvengruppe des Gart.⸗ Dir. Runtzler Hardenberg; das Alpinensortiment des Botanischen Gartens, Insperlor Kolb⸗München; die getriebenen Rosen von Harms u. Spieß Hamburg, Haubold ˖ Dresden, Kühne ˖ Halberstadt; blühender Citrus chinensis von Stange Hamburg, Runtzler, Camellien von Bartheldes Dresden, Caladlen von Grouel⸗Bremen, Immatophyllum- Kreuzungen von Neubert: Hamburg, Primeln⸗Coleus⸗ Züchtungen von Benary - Erfurt, Wrede Lüneburg, Agaven von Haage and Schmidt · Erfurt, Dracaenen von Sultze⸗Weißenfels, Coniferen Gruppen von Schiebler u. Sohn ⸗Celle. Jaeg. Jurrissen u, Sohn⸗ Naarden, Peter Smith u. Co. B. rgedorf⸗Hamburg, Weiße ⸗Cam enz, Weigt ⸗Dreöden, Gräflich von Pücklersche Gartenverwaltung, G.⸗Insp. Bleicher Branitz, Premier ⸗Lieutenant von Härtinger⸗Ingolstadt, Ge⸗ böl; und Baumschulartikel der Freiherr von Friesenschen Gärtner= Lehranstalt Rötha, Hafner ⸗Radikow, Harms⸗Hamburg, veredelte Cichen der Tharandtschen Forstakademie, Obstsortimente des Kniep ⸗Duderstadt, Buwe⸗ Hoopte, Kammerherr von Behr - Schmoldow, Freiherr.
sich von Frlesensche Gärtner Lehranstalt, diverse Gemüse theils frisch, theils konservirt, die Kollektion der Hamburger Gemüsezüchter, getriebene Gurken von Hampel ⸗Koppitz,
diverse Kartoffel⸗ Sortimente
von Behr⸗Cöthen, Verein ar e e. Gemůsezüchter, Versuchsgarten rankfurt a. M., diverse Sẽ mereiprodukte von Gartendirektor charrer⸗Tiflig, von Claude ⸗Servan St. Remis (3000 Sorten), Arrangements aus abgeschnittenen Blumen von Seyderhelm und Wangersheim ⸗ Hamburg, Fischer und Feuersanger Königsberg, Schlag⸗ Düsseldorf, Pressel ⸗ Hannover, Engelhardt Thorn, diverse tech⸗ nische Artikel und Instrumente, wie mikroskopische Pilzyräparate von Göössel ⸗ Strehlen, Instrumente von Mayer Görlitz, Herberts. Cöln, Krannt u. Co. Wien, Helm⸗Hannover, Well mann Altong, sowie Ge⸗ wãchshausbauten von Mosenthin⸗Eutritzsch Leipzig. Neben diesen
Firmen glänzten die Leistungen hiesiger Züchter in nicht minderer Weise und wir nennen hier nur die Namen eines Späth, Schulz, Kaehler in Baumschulartikeln, die eines G. A. Schulz. Ebers, Bluth, Kommerzien ⸗ Rathes Dellschau, Haak mit Azaleen, die Croton und Caladien
des Kommerzlen⸗Rathes Spindler, Primeln und Cyclamen von Schmerwitz und Lenz in Potsdam, Wiehle u Kaeding hier, blühen der getriebener Gehölze des freien Landes von Weckmann u. Sohn, Marktpflanzen von Neumann, getriebener niedriger Rosen von Gude u. Röstel Hasenhaide, Amaryllls- Züchtungen von Hoff mann, Nelken von Janicki, Hortensien von Kommerzlen Rath Dellschau (ber . ärtner Schmidt), Bacher⸗Pankow, Blattpflanzen von Brandt⸗Char⸗ ottenburg, Warmhauspflanzen wie Baumfarren von Gartendirekter Gaerdt · Moabit, Arrangements aus abgeschnittenen Blumen die Herren Thiel, Speck, Schmidt, Drescher, Dehn, Bluhm, Mever. Technische Artikel, wie Geräthschaften, Bänke, Tische, Stühle, Mist⸗ beetfenster. Ampeln. Vasen, Statuen, in großer Auswahl, sowie Gartenbücher und Pläne in allen Formen und Farben; interessant und lehrreich zugleich eine Zusammenstellung exotischer Nutzpflanzen in ihrem Wachsthum wie ihren Produkten an Holz und Früchten, Universitätsgärtner Lindemuth.
Alle diese Gegenstände sind in geschmackvollster Weise geordnet und gewähren einen besonders anziehenden Anblick, sobald das magische Licht der elektrischen Flamme über dies Meer von Blumen und Pflanzen seine bläulichen Strahlen ergießt.
(D. Landw. Ztg.) Der vierte hannoversche Bauerntag wird voraussichtlich bereits am 29. April zu Burgdorf (Station der Lehrte Harburger Bahn) stattfinden und die Tagesordnung, außer den Kornzoll⸗ und Steuerfragen, auch die Presse behandeln.
Von Seiten des Vorstandes der Hygiene⸗Ausstellung geht uns die Nachricht zu, daß Ihre Majestät die Kaiserin und Königin genehmigt hat, den Besuch der Hygiene ⸗Ausstellung mit dem 16. Mai beginnen zu lassen. Die Eröffnungsfeier wird erst nach Rückkehr Sr. Kaiserlichen und Königlichen Hoheit des Kronprinzen von Höchstdessen bevorstehender Reise stattfinden.
Hugo Lubliners Schausplel Aus der Großstadt“, über dessen erfolgreiche erste Aufführung an dieser Stelle gestern bereits berichket wurde, verdankt seinen Titel weniger dem Chaxakter der Handlung, welche sich vor uns abspielt, als vielmehr der eigen thüm lichen ö von Personen, welche handelnd vor uns erscheinen. ir lernen in dem Schauspiel allerdings eine so zahl⸗ reiche und bunt gemischte Gesellschaft kennen, die mehr oder weniger an der Handlung betheiligt ist, daß der Dichter selbst in der- Groß⸗ stadt! gewiß lange herumgesucht hat, bis er diesen Kreis von Menschen zusammengebracht und eine schickliche Art gefunden hat, sie alle um die Perfon, welche im Mittelpunkt der Handlung steht, um Ruth von
Loveland 6 zu gruppiren, daß jeder seinen Antheil an den Lebensschicksalen des jungen aͤdchens gewinnt, .. dem Autor diefe Gruppirung vortrefflich gelungen ist, giebt aufs Neue
Zeugniß von seinem, auch in früheren Stücken schon bewährten seeni⸗ schen Geschick. Menschen aus allen Klassen der modernen Gesellschaft, Beamte, Gelehrte, Schriftsteller, Künstler, Kaufmann und Handwerker, Weltdame und Bürgersfrau, e alle spielen ihre Rolle. Es kann nicht Wunder nehmen, daß dieser Vielheit der Personen ge⸗ genüber die Zeichnung der einzelnen Charaktere nicht immer eine voll⸗ ftändige und abgerundete werden konnte, ganz abgesehen davon, daß einige ganz verzeichnet sind. An den Hauptfiguren aber, die Lubliner uns vorführt, lann man in der That seine Freude haben; da berührt Form und Inhalt gleich sympathisch; alles hohle Wort⸗ geklingel, sowelt es nicht in, dem Rahmen der Salon«⸗Unter⸗ haltung natürlich erscheint, ist glücklich vermieden, und aus Wort und That treten lebendige, seelenvolle erf . vor unser geistiges Auge. Leider treten diesen Vorzügen recht chlimme Mängel gegenüber; nicht allein, daß man, wie erwähnt, an die Existenz einiger von den gezeichneten Personen gar nicht glauben kann, sind auch' wefentliche scenische Vorgänge höchst unwahrscheinlich und unglaubhaft. Ueber diese Schwächen der Komposition kann der glatte und gefeilte Dialog eben sowenig wie das scenische Geschick des Dichters hinwegtäufchen. Jedenfalls nimmt das Schauspiel, wenn die etwas) fomplizirte und darum schwerfällige Exposition über⸗ wunden ist, das Interesse des Zuschauers mehr und mehr in nspruch und bleibt fesselnd bis zum Schluß. — Der Inhalt der Handlung ist kurz folgender: Ruth von Lovesgnd, än in bescheidenen Verhältnissen im Hause des, Schlossermeisters Gebhardt als Pflegling lebendes junges Mädchen, liebt seinen Vetter, den Grafen Karl Urenburg; sie hält diese Liebe für aussichtslos und wendet ihr Herz, um den Grafen zu vergessen. Georg Brüning, einem jungen Schriftsteller, zu. Bruͤning, welcher der Ruth Anfangs herz⸗ lich zugethan ist, kann den Verlockungen einer Weltdame, der jungen Witiwe Ädele von Orosti, nicht widerstehen; er giebt Ruth auf. Ruth aber, von doppelter Seelenqual gefoltert, erfährt auf dem Höhe⸗ punkt der Verwicklung, daß der Graf, ihr Vetter, sie wirklich wieder siebt, und diese Erkenntniß führt zum versöhnenden Schluß.— Reben dieser Haupthandlung entwickeln sich die Schicksale einiger anderer Perfonen in fast selbstaͤndigen Nebenhandlungen. Nicht ohne Interesse sehen wir, wie Frau von Orosti vom Hangen und Bangen durch den energischen jungen Gebhardt zu festem Selbstbewußtsein geführt wird; aber ganz kalt läßt uns der einfältige Liebeshandel zwischen dem jungen Merck und Adelens Schwester, Martha Corbach. — Sie BDarstellung war in allen Theilen und im Ensemble eine wohl gelungene. Von den Damen verdienen Frl. Meyer (Ruth) und rau Kahle Keßler (Adele) in erster Linie genannt zu werden; Fr. Frieb⸗ lumauer (Frau Gebhardt) batte in einer Nebenrolle Gelegenheit, ihre gemüthvolle schauspielerische Kraft zur Geltung zu bringen. Ünter den Herren zeichnete sich Hr. Liedtcke (Graf Arenburg) in ge= wohnter Weise durch maß⸗ und doch wirkungsvolles Spiel aus; Hr. Krause gestaltete den Schlosser Gebharpt mit kräftigem Humor recht charakteriftifch; auch Hr. Keßler (Brüning), Müller (der junge Geb⸗ hardt), Kahle (Lichtenegg), Johannes (Polizei · Präsident) und Vollmer Gesandtschafts · Sekretar ) haben verdienstliche Leistungen zu ver— eichnen. ö. Belle ⸗ Alliance Theater. Die Mitglieder des Wallner⸗Theaters beschließen in der nächsten Woche ihr erfolg⸗ reiches Ensemble Gastspiel mit demselben Stück, in welchem sie begannen, mit den Kläffern von H. Wilken und Ad. L'Arronge. Dlese Posse geht am Montag zum 45. Mal in Scene.
Das zweite Sonntags- Concert des Philharm en ischen Orchesters im Krollschen Etablissem ent unter Musikdirektor Professor Ludwig von Brenners Leitung findet morgen statt.
Redacteur: Riedel.
Verlag der Expedition (Kessel). Druck: W. Elsner. Fünf Beilagen leinschließlich Börsen · Beilage).
Berlin:
M 83.
Erste Beilage
Berlin, Sonnabend, den 21. April
zum Deutschen Reichs⸗ Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.
1883.
Aichtamtliches.
Preußen. Berlin, 21. April. Im weiteren Ver— laufe der gestrigen (68) Sitzung des Reichstags wurde die zweite Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Kranken versicherung der Arbeiter auf Grund des Berichts der VIII. Kommission (58. 1— 3) fortgesetzt. 8. 3 lautet nach der Fassung der Kommission:
Auf Beamte, welche in Betriebsverwaltungen des Reichs, eines Bundesstaats oder eines Kommunalverbandes mit festem Gehalt angestellt sind, findet dieses Gesetz kene Anwendung.
Auf ihren Antrag sind von der Versicherungspflicht zu befreien
Personen, welche herkömmlich im Kranktzeitsfall mindestens für dreizehn Wochen auf Verpflegung in der Familie des Arbeitgebers oder auf Fortzahlung des Lohnes Anspruch haben.
Zunächst ergriff der Bevollmächtigte zum Bundesrath Geheime Ober⸗Regierungs⸗Rath Lohmann das Wort:
Meine Herren! Wenn ich mir gleich beim Wiederbeginn der Berathung das Wort erbeten habe, so ist es hauptsächl ich geschehen, weil ich es für ersprießlich halte, die Stellung, welche die verbündeten Regierungen zu dem §. La. der Kommissionsbeschlüsse und zu dem Antrage des Hrn. Abg. Frhrn. von Hertling einnehmen, schon jetzt darzulegen. Vorher aber möchte ich mir gestatten, noch mit einigen Worten auf die Ausführungen des Hrn. Abg. Richter von gestern zurückzukommen. Soweit dieselben sich in dem Kreise des höheren Gesichtspunktes bewegten, von dem er am Schluß seiner Rede sprach, haben Sie bereits gestern rom Bundes, rathstische aus die erforderliche Beleuchtung erfahren. Auch soweit sie sich im engeren Kreise der Sache, um die es sich handelt, be— wegten, sind ihnen von verschiedenen Rednern aus dem Hause gestern schon, wie mir scheint, zutreffende Entgegnungen geworden. Nichts— destoweniger glaube ich, daß einige der Ausführungen auch von dieser Stelle aus nicht unerwidert bleiben dürfen, und namentlich werde ich mir gestatten, die Zahlen, welche der Hr. Abg, Richter in seinem Vortrage vorgeführt hat, etwas näher zu beleuchten. Der Hr. Abg. Richter hat gestern bemängelt. daß die Motive der Vor— lage für den allgemeinen Versicherungszwang eine eigentliche Begründung nicht enthielten, und, er hat namentlich dargelegt, daß die Zahlen, welche in den Motiven zu dieser Begründung hätten dienen sollen, eigentlich doch mehr das Gegentheil bewiesen, nämlich die Unnöthigkeit eines allgemeinen Versicherungszwanges. In dieser Beziehung hat, der Hr. Abg. Richter zunächst die Zahlen der Orts— statute, die seit dem Jahre 1876 errichtet sind, einer Beleuchtung unterzogen, er hat darauf aufmerksam gemacht, daß zwischen den An⸗ gaben der Motive und den Angaben der Statistik, welche der Kom— mission später überreicht und auch dem Kommissionsbericht beigefügt ist, sich eine Differenz befinde; die Motive er— geben 278 Ortestatute und die Statistik 342. Hr. Abg. Richter fragte: welche Zahl ist nun die richtige, die erste oder die zweite? oder wenn sie beide richtig sind, so muß in dem kurzen Zwischenraum doch eine sehr starke Vermehrung der Ortsstatuten stattgefunden haben. Meine Herren! Zwischen den beiden Erhebungen, auf welchen diese verschiedenen Angaben beruhen, liegt ein Jahr, und in diesem einen Jahre ist eine Vermehrung eingetreten von 64 Ortsstatuten, das ist die Differenz zwischen den Angaben der Motive und den Angaben der Statistik. Wenn man nun ausrechnet, wieviel Oxtsstatute überhaupt in den ersten vier Jahren, worüber die Motive Auskunft geben, durchschnittlich jährlich errichtet worden sind, so kommt man auf die Zahl 69; das Jahr 1881, welches bei der Statistik hinzu⸗ gekommen ist, ergiebt 64, erreicht also nicht einmal mehr den Durch⸗
schnitt der früheren Jahre. .
Nun, meine Herren, will ich auf die Bedeutung dieser Zahlen noch etwas näher eingehen und Ihnen darzulegen versuchen, daß der Schluß, den die Motive aus diesen Zahlen ziehen, keineswegs falsch ist.
enn man die Gesammtzahl von 342 Srtsstatuten vorführt, so macht das vielleicht einen gewissen Eindruck, es ist doch immer eine nicht ganz kleine Zahl; indessen dieser Eindruck wird sehr erheblich abgeschwächt, wenn man unterscheidet zwischen den neu— errichteten und den blos revidirten Ortsstatuten. Neu—⸗ errichtete Ortsstatute giebt es 152, die übrigen 190 sind nur reyidirte Ortsstatute. Der Mehrzahl nach sind also die 342 Ortsstatute solche, welche schon unter der Herrschaft der früheren preußischen Gesetzgebung entstanden sind. Das Gesetz vom 3. April 18654 er⸗ mächtigte aber die höheren Verwaltungsbehörden oder die Regierungen, da, wo die Gemeinden nicht selbst dem vorhandenen Bedürfniß durch Errichtung von Ortsstatuten genügten, ihrerseits den Zwang zur Er⸗ richtung von Hülfskassen auszusprechen und die Ortsstatute, welche unter der Herrschaft dieses Gesetzes errichtet sind, sind immer unter dem Eindruck des im Hintergrunde stehenden Zwangs zu Stande ge⸗ kommen. Also, wie gesagt, die Zabl der wirklich neuerrichteten Orts⸗ statute beträgt in diesen 5 Jahren nur 15. ⸗
Noch weniger Eindruck aber machen diese Zahlen, wenn man die Vertheilung der Gesammtzahl auf die preußischen Pro⸗ vinzen ins Auge faßt. In dieser Beziehung bitte ich die Zahlen zu vergleichen, welche in der Statistik auf Seite 166 des Kommissions— berichts gegeben sind. Da ergiebt sich, daß für die ganze Provinz Ostpreußen in den 5 Jahren 5 Ortsstatute errichtet, beziehungs⸗ weise revidirt sind. A davon sind alte und nur 3 neue; für die Provinz Westpreußen sind 8 Ortsstatute vorhanden, davon sind 6 alte und 2 neue; für die Provinz Brandenburg 37, davon 36 alte und 2 neuez für die Provinz Pommern 9, 1 altes und 8 neue; für die Provinz Posen 23, 11 alte und 12 neue; für die Provinz Schlesien 64 46 alte und 18 neue; für die Provinz Sachsen 79, 51 alte und 28 neue; für die Provinz Schleswig Holstein 17 neue; für die Provinz Hannover 32, Ü altes und 31 neue; für die Provinz Westfalen 34, 16 alte und 18 neue; für die Provinz Hessen⸗Nassau 6 neuerrichtete: für die Provinz Rheinpreußen 25, 20 alte und 5 neue; für die Hohenzollernschen Lande 3, 1 altes und 2 neue.
Nun, meine Herren, ist ferner versucht auf Grund der Zahlen über die bestehenden Krankenkassen darzuthun, a doch die Frei⸗ willigkeit auf diesem Gebiet schon sehr erhebliche Resultate erreicht habe und daß auch deshalb ein Zwang in der Weise, wie ihn die Vorlage wolle, nicht gerechtfertigt sei.
In dieser Beßiehung möchte ich nur verweisen auf die Statistik, die gleichfalls dem Kommissionsbericht auf Seite 179 und 171 beige eben ist. Sie finden da für Preußen die Gesammtzahl der eingeschrie⸗ enen Hülfskassen angegeben in Spalte C. 1 und 2 und zwar in Summa 89 eingeschriebene Hülfskassen. Die Mehrzahl derselben, 589, sind solche, welche nur in eingeschriebene Hülfskassen umgewandelt sind, also bereits bestehende, größtentheils auf Grund der früheren preüßischen Gesetzgebung errichtete Kassen. Nur die Minderzahl pon 406 besteht aus neu errichteten eingeschriebenen Hülfskassen. Diese letzte Zahl fetzt sich nun zusammen aus den Zahlen, welche in
palte A. 1 und B. 1 der Statistik gegeben sind. Nun, meine Herren, fragt es sich, wie viele von diesen Kassen beruhen wirklich auf Freiwilligkeit7 Es beruhen nicht auf reiwilligkeit diejenigen, welche in der Spalte B. 1 aufgeführt sind, 175, die sind auf Grund von. Ortsstatuten errichtet; ferner nicht die in Spalte A. I b. a aufgeführten 735 Kassen, das sind Fa⸗ brik⸗Krankenkassen, welche nun in die . solche n ungeeignete Form der eingeschriebenen Hülftzkassen ein z sie beruhen
und A. 1 b. ᷓ mit je 76 aufgeführten Kassen. Von diesen 152 Kassen sind aber die in Spalte A. Ja. aufgeführten 765 i 96. schließlich für gewerbliche Arbeiter errichtet, und es ist auch die An— nahme, daß die Mitglieder dieser Kassen größtentheils gewerbliche Arbeiter seien, keineswegs berechtigt. Es handelt sich dabei im Gegentheil meistens um solche Kassen, welche Anhängsel irgendwelcher freien Vereine für sonftige Zwecke sind und in denen die Mehrzahl der Mitglieder aus selbstãndigen Leuten besteht, namentlich aus Handwerkern, aus Privatbeamten. auch, niederen Staats⸗ und Gemeindebeamten. — Also das ganze Ergebniß der freien Initiative ist seit 1876 76 freie Kassen. oder, wenn man es ganz hoch rechnen will, 152. Nun ist von dem Hrn. Abg. Richter gesagt: ja, daß die Gesetz gebung von 1876 nicht schon größere Früchte getragen hat, ist doch auch wesentlich mit Schuld der Behörden, indem die Ver— handlungen verschleppt, sind und den Leuten durch das UIngwigrige Verfahren die Sache zuwider gemacht ist. Meine Herren, dieser Vorwurf ist auch schon in der Kommission erhoben und es ist damals auch noch der weitere Vorwurf hinzugefügt, auch die Errich⸗ tung von Ortẽstatuten würde einen viel rascheren Fortgang genom- men haben, wenn hier auch nur das Interesse der Behörden mit⸗ gewirkt und man die Exrichtung dieser Ortskassen in der Weise ge⸗ fördert hätte, wie man sonst andere Institutionen, die man von oben gern sähe, zu fördern pflege. ; Dem gegenüber muß ich nun behaupten, daß die Behörden gerade bei Ausführung der Gesetzgebung von 1876 mit voller Loyalität verfahren sind, nämlich im vollen Anerkenntniß desjenigen Stand⸗ punktes, den damals der Reichstag bei der Beschlußnahme über dieses Gesetz eingenommen hat, Der Standpunkt von 1876 war der, daß jetzt eigentlich das Prinzip der Freiwilligkeit an die Spitze gestellt werden solle. Man sagte; Jetzt wollen wir für die freiwillige Kassen⸗ bildung eine gesetzliche Grundlage schaffen, und es geschah das in der ausgesprochenen Hoffnung, daß die freiwillige Kassenbildung nun sich bedeutend entwickeln und der Zwang, wie er durch Ortsstatute noch vorgesehen war, völlig überflüssig werden würde. Es wurde da—⸗ mals die Ermächtigung der Gemeinden, Ortsstatute zu erlassen, von einem großen Theil dieses Hauses nur sehr widerwillig be— willigt und die von der Regierung in Anspruch genommene Befugniß der höheren Verwaltungs behörden, in subsidium ihrerseits einen Zwang auszuüben — einfach aus dem Gesetzentwurf gestrichen; man wollte also die Freiwilligkeit in den Vordergrund stellen; und
dementsprechend haben guch die Regierungen gehandelt. Namentlich hat auch, der preußische Handels-Minister in seinen Aus— führungserlassen an die Behörden ausdrücklich darauf hin— gewiesen, daß der Fortschritt jetzt zunächst von der freien
Initiative der Arbeiter zu erwarten sei, und daß nur Da, wo eine solche Initiative nicht eintrete und sich ein dringendes Be— dürfniß herausstellt., von Seiten der Behörden auf die Errichtung von Ortestatuten hinzuwirken sei.
Meine Herren! wenn nun jetzt der Vorwurf erhoben wird, daß die Behörden die Bildung von neuen Ortsstatuten nicht genügend befördert haben — 1876 würde man das genannt haben, daß sie nicht mit dem bureaukratischen Hochdruck gearbeitet hätten, so liegt doch darin ein ganz entschiedenes Zugeständniß, daß die Gesetz. gebung von 1877 ihren Zweck nicht erreicht hat, auch den Zweck nicht erreicht hat, welcher von jener Seite auch gewollt ist.
Einige Aeußerungen des Hrn. Abg. Richter schienen auch die An⸗ nahme begründen zu wollen, ö das Ziel eigentlich bereits erreicht sei, und daß man deshalb eigentlich nicht nöthig habe, noch einen Zwang einzuführen. Es kam die Wendung vor, er habe sich sagen lassen, es gebe 1 700 009 gewerbliche Arbeiter, und davon seien schon jetzt 1 400 000 Arbeiter Mitglieder von Kranken⸗ lassen. Wahrscheinlich hat der Hr. Abg. Richter sich das von seinem Fraktionsgenossen Dr. Hirsch sagen lassen, denn in der Broschüre des letzteren über diese hier zur Berathung stehende Vorlage ist aller—⸗ dings angegeben, es seien 17000900 Arbeiter vorhanden, und davon seien 140009 versichert. Hr. Dr. Hirsch kommt zu diesen Zahlen auf folgende Weise: Er rechnet 865 000 Mitglieder der in den Motiven aufgeführten Krankenkassen, dann rechnet er 3209900. Mitglieder der Knappschaftskassen hinzu und endlich 200 999 Mitglieder von freien Hülfskassen, die aber nicht eingeschriebene Hülfskassen seien, welche er im Wege der Privatstatistik ermittelt habe.
Hierzu will ich nun zunächst bemerken, daß der, Hr, Abg. Richter nicht ganz genau gehört oder gelesen hat, wenn er in seinem Vortrage annahm, daß die auf freien Vereinen beruhenden Kassen 700 009 bis 00 000 Mitglieder zählen, zalso das zehnfache von den ortsstatutarischen Kassen. In Wahrheit verhält sich die Sache gerade umgekehrt. Die ortsstatutarischen und die sonstigen nicht eingeschriebenen Zwangs⸗ kassen zählten Ende des Jahres 18890 717009 Mitglieder und die eingeschriebenen Hülfskassen zählten 123 000 Mitglieder, wie dies auch in den Motiven angegeben ist. Die Mehrzahl der einge— schriebenen Hülfskassen sind aber nicht freie Hülfskassen, sondern es sind Zwangskassen, die nur in die Form der freien Hülfskassen ein⸗ getreten sind. Es kann if. zum Allerhöchsten die Hälfte dieser 123 000 auf die freien Hülfskassen gerechnet werden.
Was nun die Privatstatistik des Hrn. Dr. Hirsch anbetrifft, so will ich die. Richtigkeit seiner Ermittelungen garnicht in Zweifel ziehen; aber ich muß doch die Annahme für sehr gewagt halten, daß die 2) 000 Mitglieder der von ihm ermittelten Kassen lauter gewerbliche Arbeiter seien. Im Gegentheil, man hat allen Grund anzunehmen, daß nur der kleinere Theil dieser Mitglieder aus gewerblichen Arbeitern besteht. Es sind darunter unzweifelhaft eine Menge Mitglieder aus dem Handwerkerstande und anderen klein- bürgerlichen Berufskreisen, welche nicht unter dies Gesetz fallen. Auf diese Weise kommen die 1400099 Mitglieder von Krankenkassen allerdings zur Noth heraus; aber ich glaube, man wird nicht fehl⸗ greifen, wenn man diese Zahl um 1— 200 000 ermäßigt.
Nun, meine Herren, wie steht diese Zahl wirklicher Mitglieder von Krankenkassen zu der Zahl gewerblicher Arbeiter, welche unter die allgemeine Krankenversicherung fallen werden? Nach der Berufs⸗ stafistik beträgt die Zahl der unselbständigen gewerblichen Arbeiter in Bergbau, Salinen« und Hüttenwesen, Industrie und Hand⸗ werk, also in denjenigen erufskreisen, auf welche der all⸗ gemeine Versicherungszwang ausgedehnt werden soll, 4 Millio- nen. Wenn das nun für Preußen reduzire nach dem Verhältniß von 5/65 und 26, so komme ich auf die Zahl von 2400000, also, meine Herren, selbst bei der günstigsten An⸗ nahme der Zahl der Mitglieder von Krankenkassen beträgt dieselbe immer doch nur sehr wenig über 50 0/.
Fragen wir nun, meine Herren, wie sind denn überhaupt diese etwas mehr wie 50 o/ 9 zur Versicherung gekommen? Mindestens 60 000 von den 869 900, welche in der Vorlage angegeben sind, sind Mitglieder von ortstatutarischen und Fabrikkrankenkassen, da beruht alles auf Zwang; dazu kommen ferner die 320 9000 Mitglieder der Knappschaftskassen, deren Versicherung auch auf Zwang beruht. Es bleibt also, wenn ich die vollen 260 000 des Hrn. Br. Hirsch mit an gh im ganzen für Versicherte in freien Kassen die Zahl von
Meine Herren! Ich glaube hiermit genügend gezeigt zu haben, daß weder auf die Befu ni der Gemeinden, Ortsstatute zu errichten, noch auf die Freiwilligkeit die Hoffnung, ju gründen ist, daß die Krankenversicherung in der Weise allgemein werden würde, wie wir
Ich komme nun zu dem Vorwurf des Hrn. Abg. Richter, welchen
er der Vorlage in ihrem ganzen Aufbau gemacht 53 Da . k noch nin Gesetz d n, , welches, wie diese
e am grünen Tisch ausgearbeitet und nach bureaukratischer Schablone zugeschnitten ist. r . .
Und an einer andern Stelle sagte er: das senschaftsprinzi
1 . sag Genossenschafts prinzip
eine Herren! Hr. Richter hat diesen Vorwurf allerdings nur durch die Aimahme begründen können, daß die im Entwurf ö als äußerst subsidiär hingestellte Gemeinde Krankenverficherung die Regel dilden werde, und ich glaube daran erinnern zu dürfen, daß diefe überraschende Wendung, die ihm nur möglich wurde durch die Be—
,,, k und Indolenz? der Gemeinde—
; iese schon vo Bi gef . ere. i se sch n Hrn. Dr. Buhl gestern hinreichend
„Aber auf die Vorwürfe selbst gestatte ich mir meinerseits zu er— widern, daß das System von organisicten Kassen, nere nach dem Entwurf zur Durchführung der Krankenversicherung dienen soll, unter der sorgfältigsten Benutzung alles dessen, was auf diesem Gebiete bisher geschäftlich geworden ist, und ebenso unter der sorgfältigsten Berücksichtigung aller aus den verschiedenen Verhältnissen sich er— gebenden Bedürfnisse konstruirt ist, und ferner, meine Herren, daß der Entwurf das Prinzip der Genossenschaft so weit durchführt, als des mit den nothwendigen Anforderungen einer rationellen Krankenversicherung irgendwie verträglich ist. Ich 6. mir gestatten, dies im Einzelnen noch etwas näher nachzu—
Meine Herren, was zunächst die Berücksichtigung des Bestehen—
den anbetrifft, so machen wir in unserm Entwurf nicht . 61 wie es, der Antrag des Hrn. Abg. Blos und Ge— nossen thut, welcher, außer der Gemeindekrankenversicherung nur die neuen berufsgenossenschaftlichen Krankenkassen stehen lassen, alles andere aber wie mit einem Schwamm wegwischen will. Meine Herren! So verfährt der Entwurf nicht, sondern nach ihm soll alles das, was auf diesem Gebiete feither sich gebildet hat, erhalten werden; es soll durch die Bestimmungen des Gefetzes nur soweit geändert werden, als es nothwendig ist, damit auch diefe Bil— dungen den neuen Anforderungen genügen können. Ich mache Sie Narauf aufmerksam, meine Herren, daß keine Art der organisirten Krankenkassen im Entwurfe vorkommt, welche nicht jetzt schon in der Praxis ihre zahlreichen Vertreter fände. Die SOrtskranken« kassen entsprechen durchaus denjenigen. Kassen, die gegen— wärtig theils auf Grund von Ortsstatuten, theils auf anderen Grun lagen örtlich für einzelne Gewerkszweige bereits bestehen. Die Fabrik-⸗Krankenkassen bestehen ja bekanntlich schon jetzt in großer Zahl und mit sehr erfreulicher Wirksamkeit. Dasselbe gilt für die Knapp schaftskassen. Ebenso sind die Innungskassen bereits vorhanden; und sie sind erst neuerdings durch neue gesetzliche Bestimmungen in dem Titel der Gewerbeordnung über die Innungen neu geordnet.
Endlich, meine Herren, auch die Baukrankenkassen sind keines— wegs etwas so ganz neues, sondern sie finden sich im Keime schon in dem preußischen Eisenbahngesetze vom Jahre 1838.
Was nun ferner das Prinzip der genossenschaftlichen Bildung anbetrifft, so habe ich vorhin gesagt: der Entwurf berücksichtige dasselbe soweit, als es mit den Anforderungen einer rationellen Krankenversicherung überhaupt vereinbar ist. Meine Herren, inan kann eine Krankenversicherung nicht lediglich auf die Grundlage der Genossenschaft stellen; es würde das auf die Schwierigkeit stoßen, daß nicht an jedem Orte so viele Versicherungepflichtige eines Berufs . Gewerbes vorhanden sind, um eine Krankenkasse bilden zu
Für eine rationelle Verwaltung der Krankenkassen ist es aber fast noch wichtiger, daß die Mitglieder demselben örtlichen Kreise . als daß sie, demselben Berufe angehören. Außerdem würde die Bil⸗ dung lediglich auf Grundlage der Berufsgenossenschaft, namentlich in Deutschland, nur für wenige Berufsarten möglich sein, denn der Wechsel der Arbeiter zwischen den verschiedenen Berufsarten ist bei uns in noch viel höherem Maße wie in England so groß, daß die Leute doch wieder heute der einen und morgen einer anderen Kranken kasse angehören müßten, wenn lediglich nach Berufsarten geschieden werden sollte.
Meine Herren! Auch die snationalen Kassen“ der deutschen Gewerkvreine können das Prinzip der berufsgenossenschaft - lichen Bildung nicht rein durchführen. Wollten fie das, so müßten sie jeden aus der Kasse ausschließen, der in einen anderen Beruf übergeht. Das thun sie nicht, sondern sie lassen solche, welche in einen anderen Beruf übergehen, Mitglieder ihrer Kassen bleiben, und durchbrechen dadurch schon das berufs— genossenschaftliche Prinzip.
Also, meine Herren, der Entwurf hält an der örtlichen Be—⸗ grenzung der Krankenkassen fest, in Uebereinstimmung mit der ge— schichtlichen Entwickelung; aber innerhalb dieser Begrenzung wird das genossenschaftliche Prinzip soweit ausgestaltet, wie es irgend möglich ist. Hinsichtlich der Fabrikkassen, der Innungskassen und. der Knappschaftskassen brauche ich das ja nicht weiter auszuführen; aber auch hinsichtlich der Ortskrankenkassen ist das der Fall.
Nach der ursprünglichen Vorlage sollten die Gemeinden ver— pflichtet werden können, Ortskrankenkassen überall da zu errichten, wo die erforderliche Anzahl von Mitgliedern vorhanden sei, und zwar sollten nach 8. 14 Ortskrankenkassen auch für die einzelnen Gewerks;weige errichtet werden müssen, sobald die Zahl der in den Gewerkszweigen vorhandenen Arbeiter das irgend zuläßt,
Nun, meine Herren, hat die Kommission dieses Prinzip aller ⸗ dings abgeschwächt und zwar einmal dadurch, daß sie die Minimal zahl der organisirten Kassen erhöht hat, und ferner dadurch, daß sie die Autonomie der Gemeinden zu einem entscheidenden Faktor für
die Kassenbildung gemacht hat in einem höheren Grade, als die Vor=
lage der verbündeten Regierungen das thun wollte. Immerhin, meine
Herren, ist aber auch bei den Beschlüssen der Kommission das Prinzip der genossenschaftlichen Bildung noch zum Ausdruck gebracht und bei verständigem Vorgehen der Gemeindebehörden läßt es sich auch noch in weitem Maße durchführen.
Meine Herren! In den Bqukranenka fen wird eine Institution geschaffen, die eigentlich für eine große Anzahl von Arbeitern die Krankenversicherung überhaupt erst möglich macht, und das ist auch e,. Kommission, so viel ich weiß, ziemlich einstimmig an⸗ erkannt.
Was aber die Gemeindekrankenversicherung anbetrifft, so babe ich schon vorhin erwähnt, daß diese Form der Kranken versicherung in dem Entwurfe der verbündeten Regierungen als eine äußerst sudsidiäre gedacht ist, die nur da platzgreifen soll, wo für eine Bildung von organisirten Kassen überhaupt leine Möglichkeit mehr gehen ist. Auch in dieser Beziehung hat nun Ihre Kommission allerdings eine Abschwächung der Regierungsvorlage herbeigeführt und zwar wesentlich in dem Srl che auch hier der Gemeinde · Autonomie einen größeren Spielraum zu geben, als die ver⸗ bündeten Regierungen das wollten. Wenn das auch nach der Auf fassung der verbündeten Regierungen bedauerlich ist, so bleibt doch auch jetzt der subsidiäre Charakter der Gemeindeversicherung prinzipiell erhalten, und ich kann auch dem Hrn. Abg. Dr. Buhl zugeben, daß die Kommission wieder andere Bestimmungen in das Gesetz binein⸗
i nt sin gleichfalls auf Zwang. Es blieben also übrig die in Spalte A. 12.
es wünschen müssen. ;
gg hat, welche dazu dienen, diesen subsidiären Charakter der emeinde verficherung aufrecht zu erhalten.