1883 / 94 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 23 Apr 1883 18:00:01 GMT) scan diff

sammen Dr. Francke, der als ständiger Mitarbeiter eingetreten ist. Hieran wird sich demnächst Band 27 mit Auszügen aus den engli⸗ schen Hiftorikern der Zeit anschließen, mit deren Bearbeitung noch Prof. Pauli in Göttingen beschäffigt war, als ihn ein früher Tod ganz unerwartet der Wissenschaft entriß; ein Aufsatz über Gervasius von Tilbury war kurz vorher vollendet, und ist in den Nachrichten der Göttinger Gesellschaft der Wissenschaft veröffentlicht worden. Dr. Liebermann in Berlin, der schon früher einen bedeutenden Theil der Arbeit übernommen hatte, ist jetzt bereitwilligst auch in die Lücke eingetreten und bat die Sache so weit geführt, daß der Druck sofort beginnen kann. Nur für die späteren Theile, nament- lich die Geschichtsschreiber von St. Albans, die ein jo überaus reiches Material für die Geschichte namentlich der Zeit Kaiser Friedrich 1II. enthalten, wird noch einmal eine Reise nach England nöthig sein, bei der es dann hoffentlich gelingen wird, auch einige Arbeiten in den jetzt dem Britischen Museum zum Kauf an⸗ gebotenen Handschriften des Lord Ashburnham und in den reichen Sammlungen zu Cheltenham und Holkham auszuführen. Inzwiscen ward der Druck des Tomns 14 fortgesetzt, der weitere Nachträge zu den ersten 12 Bänden bringt: außer mehreren kleineren Werken fanden Aufnahme der neuerdings bekannt gewordene spätere Theil der Gesta episcoporum Cameracensium aus der jetzt in Paris befindlichen Handschrift und die Tournaier Geschichtsbuͤcher, diese zum ersten Mal kritisch bearbeitet aus den Handschriften in Chelten— ham, Tournai und Brüssel, an die sich die Gesta episcoporum Magdeburgensinm anschließen, herausgegeben von Prof. Schum in Halle, der eine unerwartet große Zahl ron, wenn auch meist neueren, Handschriften zusammengebracht hat: eine im hiesigen Hausarchiv ver⸗ glich Dr. Holder⸗Egger, der in ihr das Original der einen Fortsetzung aus dem 14. Jahrhundert erkannt hat; eine andere von Werth ist in der Bibliothek des Fürsten Metternich zu Königswart zu Tage ge— kommen, ganz zuletzt noch eine in Bremen aufgetaucht. Band 15 wird die bisher übergangenen Vitae der Karolingischen, Säͤchsischen und Fränkischen Zeit bringen: benutzt sind dafür neuerdings Hand— schriften aus München, Wien und Maihingen. Der Druck der Mexoringischen Scriptores ist, wenn auch langsam, fortgesetzt, die Historia Gregors, herausgegeben von Prof. Arndt in Leipzig, bis zum Anfang des 7. Buchs gelangt. Auch die Bearbeitung der Miraeula von Dr. Krusch nähert sich ihrem Abschluß. Derselbe hat im Lauf des letzten Jahres eine Anstellung am hiesigen K. Staatsarchiv erhalten, widmet aber die ihm verbleibende Zeit fortwährend den hier einschlagenden Arbeiten, für die er Handschriften aus Paris, Laon und Brüssel benutzen konnte; andere verglich in Paris Dr. Löwenfeld. Mit einer einzelnen Schrift Gregors, den Acta S. Andreae, hat sich in Frankreich A. Bonnet näher beschäftigt und die Ausgabe in den Monumenta übernommen Er sowohl wie Dr. Krusch beabsichtigen, auch über die Grammatik und Rechtschreibung Gregors eingehender zu handeln. Die Arbeiten für die Edition des Liber pontificalis hat der Leiter der Abtheilung so weit gefördert, daß zunächst nur noch eine Reise nach Italien zur Ergänzung und Rerision des vor— handenen handschriftlichen Materials als nothwendig erscheint. An die späteren Paxstgeschichten, deren Bearbeitung in den Händen des Geh. Rath von Giesebrecht in München liegt, werden sich die Schriften von Päpstlicher und Kaiserlicher Seite aus der Zeit des Investiturstreits anschließen. Eine derselben, das Buch des Waltram (oder Walram) De unitate ecclesiae conservanda ist in der Bearbeitung des Dr. Schwenkenbecher vorläufig in einer Oktav— ausgabe erschienen. Die Edition ron Humberts liber adversus Simoniacos hat Prof. Tkhaner in Innsbruck vollendet; mit den Schriften aus der Zeit Heinrichs V. ist Dr. Bernheim in Göttingen beschäftigt. Außerdem hat Dr. K. Francke seine Thä⸗ tigkeit hauptsächlich diesem Gebiete zugewandt und zunächst die Karls— ruher Handschrift des Manegold vollständig abgeschrieben. Eine neue Autgabe der Annales Bertiniani besorgte der Leiter der Ab— theilung auf Grund zunächst der Pertz noch unbekannten, von Dr. Heller verglichenen Handschrift in St. Omer, über die in einer Abhandlung in den Sitzungsberichten der Berliner Akademie nähere Mittheilung gemacht ist; als ein weiteres wichtiges Hülfsmittel erwies sich die Pariser Originalhandschrift des Continuator Aimoini, der einen großen Theil der Annalen wörtlich abgeschrieben hat; eine genaue Kollation von A. Molinier zeigte, wie willkürlich der Text der früher benutzten Ausgaben war. In den genannten Sitzungsberichten ist auch ein verbesserter Abdruck der kleinen Lorscher Frankenchronik (Annales Laurissenses minores) unter Benutzung einer Handschrift in Valenciennes gegeben. In Havre ward die Handschrift der Gesta abbatum Eontanellensium von Dr. Löwenfeld verglichen. Eine besondere Reihe bilden die Deutschen Chroniken, von denen die erste Hälfte des vierten Bandes die Limburger Chronik enthält, auf Grund eines reichen handschriftlichen Materials in wesentlich verbesserter Gestalt herausgegeben vom Archivar Wyß in Darmstadt, der den Schreiber Tilemann Elhen von Wolfhagen als Verfasser ermittelt und zur Feststellung seiner Sprache eine bedeutende Anzahl von ihm geschriebener Urkunden aus den Archien zu Wiesbaden und Limburg nebst einem ausführlichen Gloßsar beigefügt hat. Demnächst wird der Druck der Kaiserchronik, bearbeitet von Dr. Schröder in Göttingen, beginnen, der neuerdings noch Handschriften aus den Bibliotheken des Fürsten Waldburg-Zeil, des Grafen Schönborn zu Pommers— felden und aus der K. Bibliothek zu Kopenhagen benutzt hat.

In der Abtheilung Leges erschien die erste Hälfte der Formel— sammlungen Merovingischer und Karolingischer Zeit, bearbeitet von Dr. Zeumer, und gleichzeitig die Ausgabe der Pariser Handschrift der früher sogenannten Carxentierschen Formeln in Tironischen Noten in phototypischer Nachbildung mit. Erklärung ron Direktor Schmitz in Cöln, die auch für ein wichtiges Capitulare Ludwigs d. Fr. in Betracht kommt. Dr. Zeumer hat inzwischen die Alamannischen Formeln mit Hülfe der Handschriften in München und Sangallen bearbeitet und ihnen bereits eine eingehende kritische Abhandlung im 3. Heft des 8. Bandes des N. Archivs gewidmet. Begonnen und ziemlich weit vorgeschrit en ist der Druck bei der Ausgabe der Lex Ribuaria von Prof. Sohm in Straßburg, die verbunden mit der kleinen Lex Chamavorum sich als zweites Heft an den 5. Band der Leges in der Folioausgabe anschließt, für welchen außerdem eine neue Ausgabe der Lex Romana LUtinensis in Aussicht genommen ist, wäbrend die Lex Wisigothornm später die Sektio J. der Quart— ausgabe eröffnen wird. Auch der Druck der neuen Ausgabe der Kapitularien von Prof. Boretius in Halle ist in gutem Fortgang; mit dem Ansegisus wird der erste Band abgeschlossen werden. i die fränkischen Konzilien, welche Hofrath Prof. Maaßen in

ien übernommen, hat sich eine wichtige Handschrift in der Hamilton Sammlung gefunden, die für Berlin erworben ist. Prof. Weiland und Frensdorff, beide in Göttingen, setzen die Arbeiten für die neue Ausgabe der Reichsgesetze und die Sammlung der älteren Stadt- rechte fort.

Der Leiter der Abtheilung Diplomata, Hofrath Prof. Sickel, war auch in diesem Jahr durch Unwohlsein in seiner Thätigkeit gehemmt; er vollendete aber eine eingehende Untersuchung über die wichtige Ur—⸗ kunde Otto J. für Papst Johann XII., die neuerdings veröffentlicht ist und auch dem älteren Privilegium Ludwig d. Fr. eine sorgfältige kritische Prüfung widmet, außerdem manrigfache Beiträge zur Paläograrhie und Diplomatik des 10. Jahrhunderts enthält. Dem nächst ist der Druck des 3. Hefts der Diplomata wieder aufgenommen, der die Urkunden Otto J. zu Ende führen wird. Ausgeschieden ist der ständige Mitarbeiter r. Uhlirz, ohne doch seine Thätigkeit für die Abtheilung ganz einzustellen, eingetreten Dr. Fanta. Weitere Mit- bülfe gewährten Dr. von Ottenthal, Dr. Diekamp, Br. Herzberg⸗ Fränkel. Abschriften von Urkunden späterer Kgifer in den Samm- lungen der Monumenta wurden Hofrath Winkelmann in Heidelberg für eine Fortsetzung seiner Acta imperii zur Verfügung gestellt. Die Abtheilung Epistolae unter Prof. Wattenbachs Leitung lieferte den ersten Band der päpstlichen Briefe, wie sie vor langen Jahren schon Pertz aus den Regesten im Vatikanischen Archiv abschreiben konnte, geordnet, ergänzt und soweit es nöthig schien, erläutert von Dr, Rodenberg. Einiges gewährten dazu Auszüge der Regestenbände in, der Gräflich Plettenbergschen Bibliothek zu Nordkirchen, die bereitwillig mitgetheilt wurden; anderes besorgte

Dr. Mau in Rem. Der umfangreiche Band (über 90 Bogen) be⸗ trifft die Zeit Honorius IIJ. und Gregor I. der nächste wird sich vornehmlich mit Innocenz IV. beschäftigen. Inzwischen hat auch der Druck des Registrum Gregor d. Gr. einige Fortschritte gemacht und wird im nächsten Jahr rascher gefördert werden können, nachdem der Herausgeber Dr. Ewald seine Thätigkeit für die neue Bearbeitung von Jaffes Papstregesten abgeschlossen hat.

Von der großen Sammlung der Poetae Latini aevi Carolini,

mit welcher der Leiter der Abtheilung Antiquitates Prof. Dümmler sich fortwährend beschäftigt hat, ist ein erheblicher Theil des zweiten Bandes gedruckt und die Vollendung im Lauf des Jahres zu erwar⸗ ten. Den Nachweis der benutzten Dichter des Alterthums und der früheren christlichen Zeit ist eine besondere Aufmerksamkeit zugewandt; hierbei und bei anderen Vorarbeiten ist Dr. Manitius thätig ge— wesen. Daneben beginnt der Druck der Verbrüderungs bücher von Sangallen, Pfävers und Reichenau, herausgegeben von Dr. Piper in Altona, dessen tvpographische Ausführung manche Schwierigkeiten gemacht hat. Auch Archivar Baumann in Donaueschingen hofft im Laufe des Jahres mit der Sammlung der Alamannischen Nekrologien zum Abschluß zu gelangen, nachdem er die Schweizer Bibliotheken ausgebeutet und einige umfangreiche Handschriften zugesandt erhalten bat; das wichtige Nekrologium von Reichenau hat sich in Zürich wiedergefunden. Anderes scheint zerstört oder verschleppt, die Hoff⸗ nung daß Einzelnes in französischen oder englischen Bibliotheken er— halten sein könne, jedenfalls unsicher. Allerdings tauchen immer noch einzelne Handschriften auf, wor— über, soweit es zur Kunde kommt, das Neue Archiv in seinen . Nach— richten? und den Auszügen aus neueren Handschriftenverzeichnissen Auskunft giebt. Außerdem hat es größere oder kleinere Unterfuchungen und Mittheilungen gebracht von Archivar Baumann, Dr. Bernouilli, Prof. Breßlau. Dr. Ewald, Dr., von Pflugk-Harttung, Bibliothekar Dr. Hartwig, Archivar Dr. Höhlbaum, Dr. Holder Egger, R. Kade, Archivar Kindscher, Dr. Köhler, Prof. Lindner, Br. Löwenfeld, Dr. Manitius, Prof. Max, Prof. Mommsen, Dr. Nürnberger, Dr. Pannenborg, Prof. Prutz, Br. Röhricht, Archivar Sauer, Pr. Si⸗ mons feld, Geh. Reg. Rath Waitz, Dr. Widmann, Archirar Will und dem Herausgeber Prof. Wattenbach.

Der jweite Tag des Frühjahrs⸗Meetings, das der Verein für Hindernißrennen am gestrigen Sonntage auf der Renn⸗ bahn zu Hoppegarten abhielt, war vom Wetter weniger begün— stigt als der erste Tag. Trotzdem war der Besuch der Bahn ein recht zahlreicher. Die Rennen verliefen, obgleich einige Pferde zu Falle kamen, ohne Unglück; sie begannen um 1 Uhr mit

JI. April-Hürden⸗Rennen. Preis 700 M. Verkaufsrennen. 50 (66 Eins., 30 Reugeld. Distanz 2000 m. Das Rennen hatte 12 Unterschriften, davon 2 mit dreifachem Einsatz. Für 8 Pferde wurde Reugeld gezahlt und 4 erschienen am Pfosten. Hrn. Ulrichs a. br. St. „Hymne“, schlug des Grafen M. Schmettow 4jähr. F. H. Basalt mit 2 Längen. Werth des Rennen 1340 46, die der Siegerin zufielen, welche in der Auttion für 3000 ½ von ihrem Besitzer zurüͤck— gekauft wurde. Um 2 Uhr folgte diesem Rennen:

II. Wel lington-⸗Jagdrennen. Preis o S. Handikap. 30 66 Eins. 10 M Reug. Distanz 4006 m. Das Rennen hatte 8. Unterschriften, von denen für 5 Reugeld gezahlt wurde. Von den vier Pferden, welche das Rennen angenommen hatten, kam des Lieut. r. Marschall 6 jähr. F. H. . Bulgare“ unter seinem Besitzer am Eiergraben beim zweiten Umlauf zum Fall. Die anderen drei Pferde machten scharfes Rennen und siegte mit 5 Längen Vorsprung des Rittmstr. v. d. Osten br. W. „Bouncer“ gegen des Lieut. v. Sydow J. br. St. . Redlock'. Werth des Rennens 834 MS für Bouncer *, 102 4 für „‚Redlock', 34 M für „Der Rodenstein'. Um 23 Uhr schloß sich dem Rennen an:

III. Flachrennen. Preis 500 M Für Jagdpferde, die im verflossenen Jahre nicht im Flachrennen (außerhalb des Vereins) ge⸗ startet ꝛc. 10 Eins. 5 6 Reug. Distanz 2500 m. Von den 6 zu diesem Rennen genannten Pferden zablten zwei Reugeld. Es siegte Lieut. v. Arnim's a. F. St. . Camera“ mit 10 Längen gegen des Lieut. v. Tschirschky a. br. St. N minus“. Werth des Rennens 50 M für, Camera“, 30 ƽς für ‚N minus“, 10 Æ für „Hermione“. Dem Rennen folgte um 3 Uhr:

IV. Lauriston-Jagd⸗Rennen. Preis 700 M Verkaufs rennen. 50 66 Eins. 20 Reug. Distanz 3009 m. Von den 5 genannten Pferden erschienen 4 am Pfosten. Lieutn. A. v. Oertzen's schwb. H. . Verger! refüsirte beim Tribuͤnensprung schon so hartnäckig, deß sein Reiter das Rennen aufgab. Die anderen drei Pferde nahmen alle Hindernisse gut. Beim zweiten Umlauf kamen des Ritt— meister v. Schmidt Pauli , Rega“ und des Trainers G. Sear br. St. „Amazone“ zu Fall, so daß des Trainer O. Germann 6 jähr. dbr. St. . Fleetwing' nach Gefallen mit 30 Längen als Siegerin einkam. „Fleetwing“ erhielt den Preis von 1160 „, wurde aber in der Auktion nicht gefordert. Das Schlußrennen bildete um 37 Uhr:

V. Frühjahrs-⸗Jag drennen. Preis 900 HA Herrenreiten. 40 M Eins. 10 6 U Reugeld. Distanz 4009 m. Das Rennen ge⸗ staltete sich zu einem Cinzelkampf zwischen Mr. Doans a. br. W. „Wegelagerer‘ und des Rittmeister von der Ostens br. W. „Emerald“, da die anderen 6 zu diesem Rennen genannten Pferde Reugeld gezablt hatten. Beide Pferde blieben bis zum Eiergraben ziemlich dicht beisammen, abwechselnd führend; hier aber refüsirte Emerald“, mußte gewendet werden und verlor dadurch so bedeutend an Terrain, daß „Wegelagerer“' ganz nach Gefallen als Sieger einkommen konnte. Er erhielt 956 6, während „Emerald“ sich mit dem zweiten Gelde von 84 M begnügen mußte. Am künftigen Sonntag findet das erste Rennen des Frühjahrsmeeting des Unionklub statt.

Von Dr. Po gge, dem in Afrika zurückgebliebenen Begleiter des Lieutenants Wißmann, ist dieser Tage ein Brief hier angelangt, der interessante Mittheilungen enthält. Der Brief ist am 27. Sep⸗ tember 1882 in Mukene geschrieben, erreichte Malansk, jenen unter 98,380 s. Br. und 16,380 östl. Länge belegenen Ort, bis wohin der Weg von der Küste aus offen ist, am 19. Januar d. J., kam am 18. März nach S. Paulo de Loanda, dem Hafenort, und traf am 16. April hier ein. Dr. Pogge, der sich bei bester Gesund⸗ heit befindet, theilt u. A. mit, daß es ihm gelungen ist, reiche Samm⸗ lungen zu machen.

Der Verein zur Förderung der Luftschiffabrt wird in der Mitte des nächsten Monats mit den xrraktischen Versuchen be⸗— ginnen, die von seiner unter Vorsitz des Hauptmanns Buchholz stehen— den technischen Kommission vorbereitet sind. Als Versuchsterrain ist dem Verein vom Generalstabe der Exerzierplatz des Eisenbahn-Regi⸗ ments zur Verfügung gestellt worden. Der erste Versuch wird sich auf die Feststellung brauchbarer Ballonhüllen erstrecken. Der Che⸗ miker der technischen Kommission, Dr. Jeserich, hat sich bereit erklärt, von Interessenten geeignete Proben in rohem oder inprägnirtem Zu⸗ stande entgegenzunehmen. Gleichfalls im nächsten Monat wird dann auch der Versuch mit dem lenkbaren Luftschiff vorgenommen, werden, das der ordentliche Professor der Technischen Hochschule zu Brünn, Georg Wellner, konstruirt hat, der zu den Versuchen persön⸗ lich hierher kommen wird.

Die Eintrittspreise für die Hygiene Ausstellung sind wie folgt festgesetzt: am 19. Mai beträgt das Entrse von 12 Uhr Mit⸗ tags ab 2 „t, an den Tagen vom 11. bis zum 15. Mai inklusive von 10 Uhr Vormittags bis 6 Uhr Nachmittags 1 Der Lintritt von früh 8 bis 19 Uhr Vormittags in der Zeit vom 11. bis ult. Mai ist gegen Zahlung des doppelten Tagespreises gestattet. Nach 6 Uhr Abends beträgt vom 10. bis 15. Mai das Entrée 50 4. Nach dem 15. Mai stellt sich das Entrée an den Donnerstagen auf 1 , an allen übrigen Tagen auf 59 3. Nach 6 Uhr ist der Zutritt gegen Zahlung von 30 3 zulässig. An dem Vormittage, an welchem Se. Kaiserliche Hoheit der Kronprinz die Ausstellung feierlich eröffnen wird, sind die Räume der Ausstellung nur den geladenen Personen und den Ausstellern zugänglich.

Der Berliner Fröbelverein hielt am Sonnabend Abend in einem Saale des Rathhauses seine diesjährige Generalverfammlun ab. Dem rom Dr. Caspary erstatteten Jabresbericht war zu ent nehmeg, daß der Verein auch im vorigen Jahr sechs Kindergärten und den in der Invalidenstraße 16 gelegenen Volkskindergarten unter⸗ halten hat. Die Frequenz war im Durchschnitt pro Tag und Garten etwa 30, in dem in der n, n,. 70 belegenen Garten dagegen 60 und im Volktkindergarten 56. Nur der Garten in der Prinzen. straße hat einen Ueberschuß und zwar von 605 aufzuweisen; die übrigen erforderten etwa je 200 6. der Volkskindergarten 1907 4 Zuschuß. Ein Theil dieser Zuschüsse wurde durch Spielfeste u. dgl. gedeckt. Der Verein gedenkt trotzdem, sobald die Mitte es irgend gestatten, noch einen zweiten Volkskindergarten zu eröffenen, um auch dem Osten dessen Wohlthaten stheil— haftig werden zu lassen. Das Kindergärtnerinnen⸗ Seminar besteht z. 3. nur noch gus einem Cötus. Nach erlangter Ausbildung entlassen wurden im Vorjahre 17 Schülerinnen gegen 33 in 186 Auch diese Anstalt erforderte Zuschuß, und zwar in Höhe von 831 4 Die Kinderpflegerinnenschule besuchen zur Zeit 45 Mädchen, entlaffen wurden im Vorjahr 42. Auch diese Anstält hatte 332 M Defizit, der jedoch aus dem in früberen Jahren gesammelten Bestande, der ult! 1881 1359 66 betrug, gedeckt werden konnte Dem Verein selbst gingen an Beiträgen der Mitglieder 2836 6 zu. Die Gesammt. einnahme, einschließlich 2513 Baarbestand, betrug 5107 6, die

Ausgabe 4896 6, so daß der Verein über 2724 * baar und über

26562 in Effekten zu verfügen hat.

Narseille, 22. April. (W. T. B.) Heute Abend flog in St. Cham as ein 3000 kg Pulver enthaltendes Pu 19ermagazin in die Luft; eine durch die Explosion herbeigeführte Feuers brunst legte 7 große Nebengebäude in Asche. Nur mit großer Anstrengung gelang es, die Explosion eines zweiten Pulvermagazins, welche“ die ganze Stadt gefährdet haben würde, zu verhüten. Bei dem Ünglückz— falle hat ein Mann sein Leben eingebüßt.

Riga, 21. April. W. T. B.). In Folge der Eisstockung in der Düng sind die niedriger gelegenen Stadttheile über“ schwemmt; jedoch dürfte eine weitere Hochwassergefahr als beseitigt anzusehen sein, da das Fahrwasser der Dung unterhalb der Stadt 32 3. Mündung offen ist. Die Passage bei Domesnes ist noch gesperrt.

22. April. (W. T. B.) In Folge der Eisstockung in der Düna ist der Bahndamm bei Mitau unter Wafser n, und die telegraphische Verbindung zwischen Riga, Mitau, Libau, Berlin unterbrochen.

Im Wallner-Theater ging am Sonnabend ein Schwank in 4. Aufzügen von Adolf Basedow ‚Papa's Jungen zum 'ersten Mal in Szene. „Papa's Junge - ist ein zwar etwas harmlofes, aber auch ohne jede Prätension sich einführendes Stück, das ein befsferes Schicksal verdient hätte, als es bei der ersten Aufführung fand. Die Grundidee desselben, zu zeigen, wie ein scheinbar kranker und im Ge— müthsleben in der That angekränkelter junger Mann durch die Macht der Liebe zum Aufraffen seiner Kraft und zu selbst⸗ und zlelbewußtem Handeln bestimmt wird, ist ja ein für die dramatische Bearbeitung nicht ungeeignetes Sujet, und der Berfasser hat in mancher Richtung sich mit Geschick dieser Arbeit unterzogen. Aber, wie es scheint, ist der Stoff für einen Schwank nicht hinreichend biegsam und erfordert eine feinere und durchdachtere Behandlung; offenbar giebt derselbe doch nur ge— ringe Gelegenheit zur Entfaltung jenes Uebermuths, jener über— sprudelnden Laune, welche das charakteristische Kennzeichen des Schwanks“ ausmachen. Der Verfasser konnte denn auch nur einigen Nebenpersonen und selbst diesen nur in bescheidenen Dosen eine drastische Komik einimpfen. Aber selbst so wie die Scenen sich gegenwärtig abwickeln. hätte durch kleine Wendungen sich gewiß eine kräftigere Situationskomik erzielen lassen. Der Dialog bewegt sich im Wesentlichen in den Grenzen des guten Tons, besonders im ersten Akt, der allerdings der am meisten gelungene ist und die Erwartungen des Zuschauers so hoch spannt, daß die nachfolgenden Akte ihm eine arge Ent— täuschung bereiten. Vielleicht würde der Schwank etwas an Frische und Lebendigkeit gewinnen, wenn einige Längen des Dialogs im zweiten und dritten Akt gekürzt würden. Die Darstellung war eine vortreffliche und verhalf dem Stück wenigstens zu einigem Beifall. Frl. Wegner spielte in der Titelrolle, wie gewohnt, mit Anmuth und fröh— licher Laune. Hr. Engels gab einen vom Zipperlein geplagten alten Gecken mit köstlichem Humor und voller Wirkung auf die Lach— muskeln; Hr. Kurz suchte aus dem alten Offizier so viel zu machen, als die Rolle gestattete; Hr. Kadelburg war ein amüfanter und schneidiger Ulanen⸗Lieutenant, und Hr. Gallewski fand sich in der Rolle des eingebildeten Kranken recht gut zurecht. Auch Fr. Carlsen, Hr. Guthery und die andern mitwirkenden Künstler brachten ibre Rollen nach Möglichkeit zur Geltung.

Den Ansprüchen, welche das Berliner Publikum an die Kroll'sche Oper zu stellen pflegt, wird auch in der bevor— stehenden Saison, die am 3. Mai, dem Himmelfahrtstage, beginnt, in vollem Maße entsprochen werden, obwohl allerdings die Schwierig⸗ keiten bezüglich der Zusammenstellung eines mustergiltigen Ensembles, des Engagements ausgezeichneter Kräfte u. s. w. bisher mit jedem Jahre gestiegen sind. Hr. Kommissionsrath Engel ist bemüht, den kunstlerischen Ruf seiner Unternehmungen auch diesmal mit allen Opfern zu rechtfertigen. Das neue Ensemble weist eine Reihe zum Theil hervorragender und wohlbekannter Namen auf, nämlich die folgen— den: Katharina Klaffski (Primadonna), Hermine Bely und Lina Milles (Koloratursängerin), Janka Devay (jugendl. Sängerin), Bariton Nawiaski (Hofopernsänger aus Stuttgart), Bariton Heine und Bassist Herr mann aus Straßburg, die Tenoristen Tschörner (Mannheim) und Deynhardt (Wien, Hofoper) u. s. w. Besondere Anziehung wird die Oper durch Gastspiele erfahren; so wird der vielbesprochene Tenorist Heinrich Bötel bereits im Mai auftreten ihm folgen später Scaria, Reichmann, Hermine Braga und Marie Schröder Hanf staengel Der unverwüstliche Wachtel wird im September singen. Der Garten wird wieder seinen früheren Glanz entfalten; hier hat die Leitung der Concerte der rühmlichst bekannte Kapellmeister Fahrbach aus Wien übernommen.

Am letzten Freitag fand im Saale der Sing-Akademie der für diese Saison letzte der Quartettabende der Herren Professor Joachim, de Ahna, Wirth und Hausmann statt, welche sich bei dem Berliner musikliebenden Publikum seit Jahren derjenigen eifrigen Theilnahme erfreuen, die sie durch die rühmlichen, in ihrer Art einzigen, künstlerischen Leistungen der Concertgeber in so hohem Maße verdienen. Zum Vortrage kam an diesem Abende zuerst eine Cherubinische Komposition in D-mwoll, welche sich durch eine feine und gefällige Melodik und harmonische Fülle gleichmäßig auszeichnet; besonders fand der dritte rhythmisch originelle Satz bei der meisterhaften Ausführung allseitigen Beifall. Außerdem wurde Beethovens tiefergreifendes Es-dur-Quartett (op. 127) und ein liebliches Haydnsches Quartett in O-dur (op. 33) zu Gehör gebracht. Das nicht so zahlreich wie ge⸗ wöbnlich erschienene Publikum gab den exekutirenden Künstlern nach jeder Nunmmer und besonders am Schluß durch stürmischen Beifall seinen Dank zu erkennen.

Redacteur: Riedel. Verlag der Expedition (Kesseh. Vier Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage).

Berlin: ö Druck: W. Elsner.

(— S5)

Erste Beilage

zum Dentschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

M 94.

Berlin, Montag, den 23. April

HES8S3.

Deu tsches Reich.

; . Nachweisung der in der Zeit vom 1. Januar bis 15. April 1883 innerhalb des deutschen Zollgebiets mit dem Anspruch auf Zoll—

oder Steuervergütung abgefertigten Zuckermengen? i)

Menge des abgefertigten Zuckers.

Kandiszucker und Zucker in weißen vollen harten Broden, (Nr. 470 des statistischen Waarenverzeichnisses

Staaten, bezw. Verwaltungs Seijirk

1 in in der Zeit der Zeit vom vom 2us l. Zan bis is. zusammen

31. März 15. April

E ü k

Aller übrige harte Zucker, sowie alle weißen trockenen Zucker in Krystall⸗, Krümel—⸗ und Mehlform von mindestens

98 0 Polarisation

(Nr. 471 des statistischen

Waarenrerzeichnisses)

Rohzucker von mindestens S8 MM Polarisation (Nr. 472 des statistischen Waarenverzeichnisses

. 1 J ; ] K,,

der Zeit der Zeit 1

1. Jan bis 1. bis zuslammen

31. März 15. April

in ö der Zeit der Zeit vom vom

1. Jan. bis 1. bis 31. März 15. April

1 .

zusammen

Preußen. Provinz Ostyreußen

ö Westpreußen . Brandenburg... ĩ 1 O 1 3 Hdd Sachsen einschließlich der Schwarzb. Unterherrschaft

Schleswig-Holstein.

Hannover. ; Rheinland

!

Jo 38

746 451 II8 280 57 gos

32690 1217202

4208421 11871169)

14866: 3955353

693 90) 22 770164 2600560 36 70) 11650058 36 147911

6992900 21 309 625

1 886 490

1460539 714 070 36 700 ö

2111 66083 2s 325 4665

52 12 556 251. 415 927 135 027158 33 1 336 551 56 66 1356351

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338 902

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Sa. Preußen

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Sachsen Baden.. Mecklenburg Braunschweig Anhalt ; k

1546 815 3771

10 6156787,

vos ss Tr ie s- 101 89 20000 121841

i n oo 467 965

10 407 3180 304

Cm ö 21118 TT

82

78 573

C0 .

210 1755 3390479 231217 ö. 231217

Ueberhaupt im deutschen Zollgebiet In demselben Zeitraume 1882

14521 600 11 651 544

S7 d SR iii TF TS 7

DDs dsf os T 2II Iohso 7 535 27 65] 2555 35 152 i53

3 917 661 * 323798

) Die Nachweisung bezieht sich auf diejenigen Zuckermengen, welche zum Export oder zu einer öffentlichen Niederlage abgefertigt und dadurch dem inländischen Markte entzogen worden sind, nicht also auf die wirklich zur Ausfuhr über die Zollgrenze, gelangten Mengen. Y) Die Abweichungen gegen die letztveröffentlichte resp. die vorjährige Nachweisung beruhen auf nachträglich eingegangenen Berich⸗

tigungen bezw. Ergänzungen. Berlin, im April 1883.

Kaiserliches Statistisches Amt.

Becker.

Nichtamtliches.

Preußen. Berlin, 23. April. Im weiteren Ver— laufe der vorgestrigen (69) Sitzung des Reichs tags wurde die zweite Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter sortgesetzt. Zur Debatte standen zunächst die 88. 1, La, 2 und 3.

Der Abg. Uhden erklärte, er wolle bei der vorgerückten Zeit in möglichster Kürze seine Ansicht und Auffassung über die Einbeziehung der land- und forstwirthschaftlichen Arbeiter in das Krankenversicherungsgesetz, wie es von der Kommission beschlossen worden sei, klarlegen. Er thue dies zugleich im Namen eines Theiles seiner politischen Freunde, während der Abg. von Wedell vorgestern die Ansichten eines anderen Thei— les derselben dargelegt habe. Die Ansicht des Abg. von Wedell, als ob seinen (des Abg. von Wedell) Berufsgenossen, welche für Wiederherstellung der Regierungsvorlage seien, dieses Gesetz Unbequemlichkeiten verursachen würde, sei eine irrige. Das Wohl der ländlichen Arbeiter liege denjenigen Mitgliedern des Hauses, welche eine andere Ansicht hätten, als der Abg. von Wedell, nicht weniger am Herzen, als diesem. Vor allen Dingen sei von keiner Seite, wie es auch bereits gestern von dem Regie⸗ rungskommissar hervorgehoben sei, das allgemeine Bedürfniß für die Ausdehnung dieses Gesetzes auf die land- und forst— wirthschaftlichen Arbeiter nachgewiesen worden. Der Abg. Pr. Buhl habe ausdrücklich erklärt, daß für die konkreten Ver— hältnisse seiner nächsten Heimath, wo der ländliche Grundbesitz ein sehr kleiner und zersplitterter sei, die Ausführung dieses Gesetzes auf sehr große Schwierigkeiten stoßen würde. Er glaube, daß 8§. Ja. der Kommissionsbeschlüsse die Interessen der landwirthschaftlichen Arbeiter empfindlich schädigen würde. Die Arbeitgeber auf dem Lande sorgten stets aus— reichend für ihre Arbeiter in Krankheitsfällen; thue ein Arbeitgeber dies ausnahmsweise einmal nicht, dann werde mit Fingern auf ihn gewiesen, so daß die Arbeiter stets sehr wohl mn der Lage seien, denselben künstig zu meiden. Es sei aber überhaupt die Zahl derjenigen, welche auf dem Lande aus— schließlich als Lohnarbeiter thätig seien, außerordentlich gering. Bei weitem die meisten ländlichen Arbeiter hätten ihre eigene kleine Wirthschaft, in der sie nach Bedarf zeitweilig auch fremde Arbeitskräfte beschäftigten, und dieselben arbeiteten nur dann fuͤr Andere, wenn sie in dieser eigenen Wirthschaft nichts zu thun hätten. Seien das nun Arbeiter oder Arbeitgeber? Dies festzustellen, werde in vielen Fällen unmöglich sein. Andere hatten freie Wohnung bei Landleuten gegen die Ver— pflichtung, diesen einige Wochen lang bei der Erntearbeit zu helfen. Seien das nun Lohnarheiter, die man für diese Wochen gegen Krankheit versichern solle? Ramentlich auf die landlichen Verhältnisse in Westfalen ei die Vorlage absolut nicht anwendbar. Auch praktisch lasse sich die Krankenver— sicherung der ländlichen Arbeiter nur schwer durchführen. Welche Umstände und Kosten mache nicht allein die Fest⸗ stelung der Frage, ob im konkreten Fall Krankheit bezw. Arbeitsunfähigkeit vorliege, wenn der Arzt meilenweit entfernt wohne. Vor Allem aber sei er gegen den 8. 12. weil die Versicherung auf der Geldwirthschast beruhe, und daher aufs Tiesste in die den Verhältnissen der Landwirthschast ent⸗ sprechende Naturalwirthschaft eingreifen würde. Es sei gerade

überaus segensreich für die ländlichen Arbeiter, daß sie nur zum geringen Theil gegen Löhnung, hauptsächlich gegen Naturalleistungen arbeiteten. Die Arbeiter freuten sich, wenn sie ihren kleinen Haushalt hätten, ihr Stückchen Land, ihre Kuh, ihr Federvieh, ihre Grasnutzung. Nun ließen sie sich ihre Arbeit nicht mit Geld, sondern mit solchen Naturalien bezahlen, die sie für ihre Wirthschaft hrauchen könnten; und daraus entwickele sich eine Wirthschaftlichkeit in den Familien, die für die sittliche Haltung der Landbevölkerung im höchsten Grade wünschenswerth sei. Diese Naturalwirthschaft würde aber durch den 5. Ja. erheblich erschüttert werden. Er bitte daher nochmals, diesen Paragraphen zu streichen.

Der Abg. Dr. Lasker erklärte, das Gesetz habe für ihn den Werth einer neuen Regelung der Armenpflege, die es auf eine andere Basis stelle als bisher, namentlich dadurch, daß es die Krankenpflege aus der Armenpflege herausnehme. Er finde den Zwang in diesem Fal gerechtfertigt, so sehr er auch die Entwicklung aller sozialen Verhältnisse auf die Freiwillig— keit basirt wissen wolle. Seine Partei weise den Zwang über— haupt nicht prinzipiell zurück, und habe bei verschiedenen Gelegenheiten dem Zwang in der Gesetzgebung sein Recht eingeräumt, wo es die Konservativen nicht gewollt hätten. Der Staat dürfe den Einzelnen zwingen für die Fälle der Krankheit in guten Zeiten Vorsorge zu treffen. Daraus folge für ihn, daß der Zwang in diesem Gesetze so weit auszu— dehnen sei, als überhaupt möglich sei. Er hielte z. B. das Gesetz für verstümmelt, wenn die landwirthschaftlichen Arbeiter nicht darunter fielen. Seine Partei habe sich in der Kom— mission bemüht, und sei derselben gelungen, die Versicherung zu erzwingen, ohne zu Zwangskassen zu kommen. Die Freiheit der Wahl der Kasse sei ein wesentlicher Bestandtheil des Gesetzes, sonst würde es nicht annehmbar sein. Der Versicherungszwang sei nur durchzuführen, wenn fest ansässige zahlungs fähige Personen für denselben haftbar gemacht werden könnten. Da— her gehe auch der Antrag Blos zu weit, welcher ganz all— gemein, ohne Rücksicht auf das Verhältniß des Arbeiters zum Arbeitgeber den Zwang aussprechen wolle. Die Opposition, die auch von der linken Seite des Hauses gegen den Gesetz⸗ entwurf ausgehe, beruhe darauf, daß überhaupt ein Zwang ausgeübt werde, und daß das Gesetz von 1876 genügend ge— wirkt habe. Nun habe aber seiner Meinung nach das Gesetz von 1876 sich mit dem Gedanken, die Krankenpflege von der Armenpflege zu trennen, und für alle Falle unter Garantie des öffentlichen Säckels eine Unterstützung in Krankheitsfällen zu gewähren, gar nicht beschäftigt, wie es doch dies Gesetz thue. Daß dies Gesetz den Arbei— tern Erstrebenswerthes biete, zeige ein Blick auf die Armen— pflege, die nach der öffentlichen Meinung und der Lage der Gesetzgebung immer den Beigeschmack einer Herabsetzung Des⸗ jenigen babe, der sie genieße. Der moralische Vortheil sei in dieser Hinsicht noch größer, als die unmittelbare materielle Leistung. Diese Bedeutung der Resorm erheische allerdings, daß eine möglichst gleichmäßige Durchführung mit der Zeit erzielt werde. Das Gesetz von 1875 habe sich aber mit der Krankenpflege als einem Theil der Armenpflege gar nicht be⸗ schäftigt, ein Blick auf die jetzige Krankenpflege genüge, um zu zeigen, wie ungenügend die gegenwärtigen Zustande seien. Jetzt gehe der Arbeiter stets auf Risiko seiner Arbeit nach; der Vorlage nach solle derselbe beim ersten

Unfall, der ihm zustoße, nicht der Armenpflege anheimfallen, sondern aus seinem Tagelohn Versicherungs⸗ gelder erhalten. Der Antrag, die Gemeinden mit der Zwangs⸗ befugniß zu betrauen, beruhe auf einer Verkennung des Zweckes der Vorlage. Die Einwände, daß das Gesetz nicht ausreichen werde, seien gewissermaßen berechtigt; es solle ja aber mit diesem Gesetze nur der Weg gezeigt werden, auf dem in Zukunft fortgeschritten werden müsse, um das System der Versicherung nach allen Seiten auszubilden. Die Kommission sei auf den Boden der Regierungsvorlage getreten, und habe nur die Gemeindeversicherung neu eingeführt. Die Besorg— nisse, denen der Abg. Hirsch zuletzt Ausdruck verliehen habe, könne er nicht theilen, ein ungewisses Engagement für un— ermeßliche Zukunftsforderungen liege hier nicht vor, zumal alle Anknüpfungepunkte an das Unfallgesetz aus dem Entwurfe ausgeschieden seien. Dieses Gesetz sei demnach mit Unrecht ein Gelegenheitsgesetz genannt worden. Praktisch werde die ent— scheidende Frage die der Einbeziehung der land- und forst— wirthschaftlichen Arbeiter in den Geltungsbereich des Gesetzes sein. Der Bundesrath habe unter Verkennung oder Ignori⸗ rung des Prinzips der Vorlage hier eine Ausnahme vorge— schlagen. Bei den ländlichen Arbeitern sei genau dieselbe soziale Noth vorhanden wie bei den gewerblichen Arbeitern; dieser Noth müsse und werde hoffentlich abgeholfen werden. Wenn das Gesetz auch die Zahl der Krankenhäuser vermehren, und zahlreiche Steigerungen der Ausgaben für Krankenpflege ver— ursachen werde, so könne das für ihn kein Grund sein, zu den Gegnern des Gesetzes überzutreten. Er könne also lediglich die Annahme der Kommissionsvorschläge zu 88. 1 und 2 empfehlen, halte aber die Einbeziehung der landwirthschaft— lichen Arbeiter in die Zwangsversicherung nach dem Antrage Gutfleisch für unerläßlich. Das Zustandekommen des Gesetzes werde für alle Arbeiter ein nicht geringer Vortheil sein, wenn auch Zwangskrankenkassen allein nicht zu einer allen Anforde— . entsprechenden allgemeinen Krankenversicherung führen önnten.

Hierauf ergriff der Bevollmächtigte zum Bundesrath Geheime Ober-Regierungs-Rath Lohmann das Wort:

Meine Herren! Nach dem bisherigen Verlaufe der Debatte und namentlich auch nach den Ausführungen des Herrn Vorredners glaube ich annehmen jzu dürfen, daß die im §. 1 der Kommissionsbeschlüsse gegebene Grundlage des Gesetzes eine erhebliche Mehrheit in diesem Hause finden wird und ich glaube auch annehmen zu durfen, daß an diefem Resultate die Ausführungen des Hrn. Dr. Hirsch nichts geändert haben wer⸗ den. Ich sehe daher von den prinzipiellen Erörterungen des Hrn. Dr. Hirsch gegen die Grundlagen des Gesetzes ab, und würde Sie überhaurt mit einem weiteren Eingeben auf die Ausführungen desselben nicht ermüden, wenn Hr. Dr. Hirsch nicht die Behauptung aufgestellt hätte, daß ich mit den Zahlen der Motive und der Statistik ganz eigen thümlich experimentirt hätte. Meine Herren! Ich werde mit meinen Erörterungen lediglich zu zeigen versuchen, daß ich mir keine eigen— thümlichen Exrerimente mit den Zahlen habe zu Schulden kommen lassen. .

Zunächst hat Hr. Dr. Hirsch gesagt, es wäre ganz unzulässig, aus den Zablen, wie sie in den Motirxen und in der Statistik gegeben seien, und die sich nur auf fünf Jahre bezögen, auf die Wirk⸗ samkeit der Gesetzgebung von 1876 solche Schlüsse zu ziehen, wie das geschehen sei, und er hat, um das zu illustriren, gesagt, er möchte wohl einmal wissen, wie sich eine ähnliche Statistik für die Innungen herausstellen würde; da würden die Ergeb— nisse wahrscheinlich noch viel geringfügiger ausfallen. Es ist mir nun sehr angenehm, daß ich die Neugierde des Hrn. Dr. Hirsch befriedigen kann, allerdings nur für ein Jahr, denn das neue Innungsgesetz ist erst im Juli 1881 erlassen, und wir haben erst vor einer ganz kurzen Zeit statistische Nachrichten erbalten. Also, meine Herren, die Statistik über die Hülfskassen, welche der Kommission vorgelegt ist, ergiebt, daß 400 neu errichtete eingeschriebene Hülfs— e 80664n umgewandelte alte Hülfs⸗ kassen vorhanden waren. Nun ergiebt eine Statistik über die neu errichteten und die reorganisirten Innun⸗ gen, welche erst in letzterer Zeit zum Abschlusse gekommen und sich bis zum 1. Dezember 1882 erstreckt, folgendes Resultat. Ich berücksichtige nur Preußen, weil auch die Hülfskassen nur für Preußen in Betracht gezogen sind. Also zum vollen Abschluß gelangt war die Errichtung von 56 neuen Innungen und die Reorganisa— tion ron 51 schon bestehenden Innungen.

Ferner liegen den betreffenden Behörden zur Genehmigung vo 59 Statute für neue Innungen und ebenso 59 Statute für reor—⸗ ganisirte Innungen. Das macht 115 neu exrichtete Innungen und

Innungen. Außerdem, meine Herren, wird Über

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ganisiren wollen. r Ergebniß von nicht einem Jahre ist. konnte nämlich erst wirksam werden, nachdem Bestimmungen erlassen und namentlich das von den verbündeten Re— gierungen ausgegebene Normalstatut bekannt gegeben waren, und, die Handwerker haben so lange gewartet, bis sie dies Normalstatut in Händen hatten, und das ist erstæ im Dejember 1881 geschehen, von da bis 1. Dezember 1882 sind also die angegebenen Re— sultate erzielt. Bedenken Sie ferner, daß dies alles frei⸗ willige Bildungen sind, für die Innungen giebt, es ja keinen Zwang, daß dagegen unter den 40) neuen einge— schriebenen Hülfskassen nur 152 wirklich auf Freiwilligkeit beruhende sich befinden. Sie werden mir dann zugeben, daß Lie Aus fübrung des Innungegesetzes bei Weitem fruchtbarer gewesen ist in dem einen Jahre, wie die Ausführung der Hülfskassengesetzgebung jemals ge— wesen ist. . ; . . Dann hat der Hr. Dr. Hirsch gesagt; die freien Kassen seien bei der angestellten Vergleichung gar nicht richtig veranschlagt, sie hätten eine giößere Ausdehnung und deshalb einen viel größeren Werth, als die auf Zwang beruhenden örtlichen Kassen. Sie wirthschafteten ja meistens mit Verwaltungsstellen, z. B. die nationalen Hülfskassen, der Gewerkverein, deren es nur zwanzig gebe, hätten doch 600 örtliche Verwaltungsstellen. Daraus sollte gefolgert werden, daß jede dieser nationalen Hülfskassen für 30 andere Kassen zu zählen sei. Meine Herren, nun habe ich in mehreren Statuten von derartigen nationalen Hülfskassen die Bestimmung gesunden, daß eine örtliche Verwaltungsstelle für jeden Ort zu errichten ist, wo sich überhaupt nur 5 Mitzlieder dieser Kassen befinden. Ich glaube, daß unter diesen Umständen aus der Zabl der örtlichen Verwaltungestellen doch wohl nicht der Schluß auf die Bedeutung der Kaffe zu ziehen ist, den Hr. Dr. Hirsch hat ziehen wollen. Dann ist wiederum der Vorwurf erhoben worden wegen der Verschleppung des Verfahrens bei, den An: trägen auf Einschreibung ron Hülfskassen. Meine Herren! Ich kann ja unmöglich behaupten, daß eine solche Ver⸗ schleppung niemals vorgekommen sei. Derartige Dinge kommen ia einzeln unter allen Umstaͤnden immer vor; aber das behaupte ich, daß