1883 / 97 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 26 Apr 1883 18:00:01 GMT) scan diff

vorliegenden Antrags nicht eintrete, und nur erinnere an die Erklärungen der Staatsregierung vom Jabre 1880 und 1881. Ich würde ja im anderen Zu⸗ Jammenhange noch eine Reihe neuer Gesichts punkte finden können; glaube aber das möchte ich doch nicht unbemerkt lassen daß es selbst vom Standpunkte der Kurie, und über deren Auffassung glaube ich doch einigermaßen unterrichtet zu sein, nicht leicht sein würde, sich mit einem derartigen Antrage abzufinden, der, wenn er Geseßz würde, die preußische katbolische Geistlichkeit in, die Missionsthätigkeit hineindrängen würde, da, wo sie früher in vollgeglieder⸗ tem kirchlichen Organismus gelebt und gewirkt hat einem Antrage, der auch dadurch besonders bedeutsam erscheint, daß in ihm die ersten Ansätze zur Einrichtung einer Freikirche erkennbar . Und welche Schwierigkeiten würden Sie Ihrem Priesterstande

ereiten? Die Geistlichen würden, wenn dieser Antrag Gesetz es kraft erlangte, zwar Messe lesen, aber nicht predigen können, sie würden Sakramente spenden, aber nicht Seelsorge üben können. Das sind Kufgaben, denen, glaube ich, auch ein sebr geschulter katholischer Priester fühwerlich wird gerecht werden können, ganz abgesehen davon, daß auch bei Ausführung des Gesetzes Aufgaben an die Staats behör. den herantreten würden, denen zu genügen Über die menschliche Kraft fast hinarggeht. Ich glaube daher, der Weg, den die herren mit ihrem Antrage Hzu beschreiten geneigt sind, führt nicht zum Ziele. Indem ich aber den Weg für ungangbar erkläre, will ich ausdrücklich anerkennen, daß in dem Ziele, welches sich die Herren Antragsteller gestellt haben, die Nothstände zu beseitigen, welche für die Katholiken auf dem Gebiet der Seelsorge in Folge des lirchenpolitischen Konfliktes bestehen, die

Kritik des

Staatsregierung mit den Antragstellern sich begegnet. In der Motivirung des Antrages ließ der Hr. Abg. Freiherr von Schorlemer durchblicken, als ob die Staatsregierung

für das seelsorgerische Bedürfniß der katheolischen Mitbürger unju gänglich sei. Meine Herren! Ich will die Titkussion nicht vertiefen, weil die Vertiefung sehr leicht zu einer Ve n m fübren könnte, aber das möchte ich doch dem Hrn. Abg. Frhrn. von Schorlemer ˖Alst gegenüber erwähnen, daß es entschieden ungerecht ist, wenn man be⸗ bauptet, das Maigesetz vom 11. Mai 1873 stelle das Spenden der Sakramente als solches unter Strafe. Unter Strafe stellt es die

Ausführung von Amtshandlungen, welche entgegen gewissen Vorschriften vorgenommen werden. (Lachen im Centrum.)

Meine Herren! Sie lesen alle Tage natürlich in Ihrer Presse das Gegentheil. Mir sind ja auch die Deduktionen Ihrer Blatter nicht fremd, aber Sie werden durch Ihr Gelächter doch nicht verhindern, daß in der Diskussion auch eine andere Auffassung zum Ausdruck gelangt. Im Grunde handelt es sich ja bei unseren entgegenstehenden Auffassungen nur um die ö unter denen die Strafbarkeit eintreten soll und diese Voraussetzungen können allerdings Gegenstand der Diskufsion sein; ein Theil dieser Voraus setzungen unterliegt auch vom Standpunkt der Curie gar keinem Be⸗ denken, z. B. die Vorbildung der Geistlichen, das Indigenat. Das, was allein schwierig und umstritten ist, ist der Umfang der Anzeigepflicht; in diesen Beziehungen schweben die wesentlichen Differenzen. Man kann also in der That nur sagen, daß die Voraussetz ungen, welche der Staat in der Gesetzgebung gestellt hat, über das Ziel hinausschießen. Daß nicht das Spenden der Sakra— mente, das Messelesen als solches Gegenstand der staatlichen Repression sein kann, meine Herren, das hat vor zwei Jahren mein Herr Amtt⸗ vorgänger in den beredtesten Worten Ihnen vorgeführt, ich hätte also nur dasselbe zu wiederholen! .

Nur will ich dazu noch ergänzend auf einige Gesichtspunkte hin— weisen und zunächst an die. Thätigkeit der Staatsregierung zur Behebung der kirchlichen Mißstände erinnern. Meine Herren, ich habe schon bei anderer Gelegenheit auszuführen die Ehre gehabt, daß feit ungefähr 15 Jahren, soweit es in der Möglichkeit der Staatsregierung liegt, die patronatischen Stellenbesetzungen mit der größten Sorgfalt ausgeführt werden, daß wir auf diesem Gebiete den Wünschen der Bischöfe in jeder möglichen Weise ent⸗ gegenkommen, namentlich auch indem wir vermeiden, solche Geistliche zu berufen, deren Wegberufung an der Stelle, wo sie gerade wirken, eine schwer ersetzbare Lücke herbeiführen würde. Ich bin hierbei nie⸗ mals zu der Auffassung gekommen, daß, weil ich den Bischöfen eine Einwirkung gestatte, nunmehr die patronatische Besetzung der Stellen in den Händen der Bischöfe liege. Nein, es ist das nur ein freund— liches Zusammenwirken zwischen staatlichen und kirchlichen Organen, welches zu einer befriedigenden Regelung des einzelnen Falles führen kann und regelmäßig führt.

Außerdem will ich noch daran erinnern, daß rücksichtlich der An— stellung von Religionslehrern an den höheren Lehranstalten ganz außerordentliche Fortschritte gemacht worden sind. Meine Herren, ist denn ferner hinwegzugehen über Artikel 5 des Gesetzes vom Juli 1880, eine Bestimmung, welche doch, wie es vielfach ausgesprochen ist, foweit es irgend möglich war in wirksamer Weise dem seel⸗ sorgerischen Bedürfniß Abhülfe geschafft hat, . die weitgehendste Erleichterung gewährt? Und was die Ausführung des Artikels 5 betrifft, meine Herren, so ist es doch kaum ein Ge— heimniß mehr, daß die Regierung im Anschluß an eine gerichtliche Entscheidung auf diesem Gebiete so weit gegangen ist, wie es üher⸗ haupt nur möglich ist. Und, meine Herren, wollen Sie bei der ganzen Diskussion die Gesetzesvorlage des vorigen Jahres unberück— sichtigt lassen? War nicht in deren Artikel 4 und 5 in einer meines Erachtens auch in ihrer umhüllten Form deutlich verkennbaren Weise die Brücke geschlagen, auf der man zu befriedigenden Zuftänden hätte gelangen können? Und nun, meine Herren, wo sind denn damals

diejenigen entgegenkommenden Erklärungen geblieben, die, uns die Erreichung dieses Zieles möglich. gemacht hätten? Meine Herren, wer gerecht urtheilen will, wird anerkennen

müssen, daß, man mag die Anstrengungen der Regierung für so klein halten, wie man wolle, doch jedenfalls das Urtheil ungerechtfertigt ist, als ob die Regierung kein Verständniß habe für das seelsorgerische Bedürfniß Ihrer Mitbürger. Es ist auch wohl faum Jemandem in diesem Hause unbekannt, daß nach den Verhandlungen des vorigen Jahres sich in weiten Kreisen ein sehr ausgesprochener Pefsimismus geltend machte, daß guch von Seiten, welche dem geehrten Herrn Vorredner nahe stehen, wiederholt die Auffassung der Regierung entgegengetragen worden ist, die Regierung erschöpfe fich in ihren Anstrengungen, sie könne zwar die Ausühung der Seelsorge erleichtern, aber sie nicht selbst übernehmen, sie olle der Sache ihren Lauf lassen, wenn ihr nicht von der anderen Seite entgegengekommen würde. Diese pessimistische Auffassung, meine Herren, vom Standpunkt des menschlichen Urtheils ungemein nahe— Üegend, ist nicht die Auffassung der Staatsregierung gewesen. Ich kann versichern Sie müssen in diesem Falle allerdings meinen Worten glauben, weil ich Ihnen die Akten nicht vorlegen kann daß vom ersten Moment an, nachdem die Hoffnung, welche sie auf die Art. 4. 5 der vorjährigen Vorlage gesetzt hatte, nicht in Erfüllung gegangen war, die Staatsregierung bemüht gewesen ist, immer neue Kom⸗ binationen zu finden, und daß bereits vor Monaten ein wichtiger Schritt in derselben Richtung geschehen wäre, wenn die gesammte politische Lage einen solchen Schritt der Regierung hätte gerechtfertigt erscheinen lassen. Aber, meine Herren, es ist ein neuer und sehr bezeichnender Schritt gethan durch das Kaiserliche Handschreiben vom 22. Dezem ber v. J.; denn wenn in demselben die Erwägung von kirchenpyliti⸗ schen Gesetzen in Aussicht gestellt wird, so ist jedenfalls das Gebiet der Erleichterung der Seelsorge das erste, das in Erwägung gezogen werden muß. Und nun, meine Herren, knüpfe ich an das wieder an, was vorher schon anzudeuten ich mir erlaubte, daß gerade die letzte Note, welche im gegenwärtigen Moment Sr. Ma jestät zur Prüfung und eventuellen Genehmigung vorliegt, sich mit dem vorliegenden Gebiete auf das eingehendste be schäftigt und bestimmte Vorschläge enthält, von denen wir hoffen, daß sie die Möglichkeit gewähren, zu einer Verständigung zu gelangen, und daß auf diese Weise ein Boden für weitere gesetzgebe rische Reformvorschläge geebnet werden möge.

Meine Herren! Indem ich diese Erklärung abgebe, bin ich mir bewußt, bis an die ãußerste Grenze dessen gegangen ju sein, was ohne Verletzung der Rücksichten gegen eine Macht, mit der die preußische

Regierung in Unterhandlung steht, und ohne Gefährdung der Interessen des Staates zulässig erscheint. Ich babe dies nur aussprechen können und aussprechen dürfen, um dem Vorurtheil ju begegnen, als ob es einen Moment gäbe, mag er auch der schwierigste sein, in welchem die Regierung sich scheuen könnte, den vorliegenden Antrag zu diskutiren, und um Zeugniß ab⸗ zulegen von den friedlichen Absichten, von denen sie beseelt und bei den Verhandlungen mit der Kurie, geleitet ist. Meine Erklärung kann ich nur mit dem Wunsche schließen, daß die , Dis⸗ kussion von einer gleichen Gesinnung getragen sei und die Schwierig- keiten der augenblicklichen Situation nicht durch Kontestationen und Beschlüsse vermehren möge.

Der Abg. Dr. Hänel bemerkte, er werde den Standpunkt einer größeren Zahl seiner politischen Freunde durch eine kurze Erklärung feststellen. Der Kulturkampf sei nicht aus der Initia⸗ tive irgend einer Partei hervorgegangen, seine Partei habe den Kanzler dabei unterstützt, aber niemals vorbehaltlos. Seine Partei sei jetzt in der schwierigen Lage, daß, nachdem sie die Regierung seiner Zeit nach Möglichkeit unterstützt habe, und gerade den Inten⸗ tionen des Fürsten Bismarck gefolgt sei, erkennen zu müssen, daß es jetzt der Reichskanzler selbst sei, der diese seine Politik voll und ganz aufgegeben habe aufgegeben nach allen Seiten hin, formell und materiell. Formell, indem der Kanz— ler das von ihm vertretene und auch vom Hause gebilligte Prinzip verlassen habe, daß die Souveränität der Gesetzgebung es sein müsse, die über die Grenze zwischen den Befugnissen von Staat und Kirche zu entscheiden habe. Der Kanzler habe das früher namentlich bei den Verhandlungen zum Konkordat ganz bestimmt betont, jetzt finde man beim Kanzler die Anerkennung eines anderen Standpunktes, den seine Partei auch heut noch nicht theile. Nicht minder seien die materiellen Bestimmungen der Gesetzgebung von dem Fürsten Bismarck, der preußischen Staatgregierung und der deutschen Reichs⸗ regierung nach dieser Richtung hin aufgegeben worden. Der ganze Verlauf der Kirchengesetzgebung habe das ergeben, und die Aeußerungen des Kultus⸗-Ministers hätten es auch heute bestätigt. Daß seine Partei eine Revision der Maigesetzgebung, anknüpfend an ihre früheren Intentionen, für durchaus ge⸗ boten erachte, könne er hier besonders erklären. Es sei un⸗ möglich, sich in der gegenwärtigen Lage der kulturellen Ver⸗ hältnisse den gerechten Anforderungen zu entziehen, eine Revision werde unter allen Umständen stattfinden muͤssen, und zwar an einer ganzen Reihe wichtiger und wesentlicher Punkte. Wenn seine Partei aber dies anerkenne, und ihren Standpunkt in dieser Weise präzisire, so sei sie trotdem nicht in der Lage, nunmehr einseitig dem Antrag Windthorst zuzustimmen. Der Abg. von Schorlemer habe ausdrücklich erklärt, daß dieser Antrag der erste Schritt sein solle in der Nichtung, die das Centrum weiter zu befolgen gedenke, nämlich der Beseitigung der Maigesetze überhaupt. Demgegenüber habe er ein⸗ fach zu erklären, daß seine Partei dieses letztere Ziel nicht billige. Seine Partei halte fest an den Grundzügen dieser Gesetzgebung, und könne daher das Ziel einer vollständigen Beseitigung schlechterdings nicht zugestehen. Die Antragsteller würden wohl selbst nicht bestreiten wollen, daß der Antrag Windthorst fo tief in die ganzen Verhältnisse des Staats ein⸗ greife, daß ein apodiktisches Zustimmen zu demselben absolut nicht möglich sei. Seine Partei wolle die Verantwortlichkeit für die Konsequenzen dieses Antrages nicht auf sich nehmen. Den Erklärungen des Kultus-Ministers gegenüber habe seine Partei sich an die Thatsache zu halten, daß die Staatsregie— rung selbst eine Revision der Maigesetzgebung vorbereite, und da würde er es nicht für richtig halten, gegenwärtig mit einem positiven Programm vorzugehen, und dadurch den Standpunkt der Regierung gegenüber einseitig zu fixiren. Man habe einen so verschiedenartigen Wechsel der Meinungen bei der preußischen Regierung, und der Meinungen des Kanzlers selbst zu verzeichnen gehabt, daß es nicht gut wäre, in solcher Lage sich durch positive Programme zu binden, und er wolle dies um so weniger jetzt, wo es gelte nach allen Seiten absolut freie Hand zu haben. Der Standpunkt vertrauensvoller Unterstützung, den seine Partei früher zur Politik der peußischen Regierung und dem Fürsten Bismarck gegenüber stets beobachtet habe, diesen Stand⸗ punkt werde seine Partei niemals wieder einnehmen, denn dem Vertrauen auf eine konsequente Politik sei von jener Seite kein Dank geworden, man habe kurz gesagt, den libe⸗ ralen Gesichtspunkten seiner Partei sei niemals Rechnung ge⸗ tragen. Er wiederhole: Das Vertrauen sei bei seiner Partei so tief erschüttert, wie nur das Vertrauen des Centrums dem Fürsten Bismarck gegenüber erschüttert sein könne. Er reka—⸗ pitulire zum Schluß: Seine Partei könne dem Antrage Windthorst nicht beistimmen; sie sei ober bereit, falls eine Kommissionsberathung nicht beliebt werde, diesen Standpunkt in zweiter Lesung dadurch Ausdruck zu geben, daß seine Partei dem Hause eine motivirte Tagesordnung vorschlage, welche die Bereitwilligkeit zu einem Eingehen auf die Inten⸗ tionen im Sinne des Antrages Windthorst ausspreche. Er bitte, in Erwägung, daß der Antrag Windthorst seine Ver⸗ wirklichung nur in einer organischen Revision der Maigesetze . könne, über diesen Antrag zur Tagesordnung über⸗ zugehen.

Der Abg. Dr. Stern erklärte, die demokratische Partei sei von Anfang an eine Gegnerin des Kulturkampfes in Bezug auf Inhalt wie Methode, nicht als wäre sie eine verkappte ultramontane gewesen, sondern von dem alten demokratischen Standpunkt aus, der voll und ganz in der Reichsverfassung von 1849 und nur zum Theil in der preußischen Verfassung niedergelegt sei. Schon 1872 habe feine Partei vorausgesagt, daß die Mittel des Kampfes nie zum Ziele führen würden, daß sie das Centrum nicht schwächen, fondern stärken würden, eine ungeheure Rechtsverwirrung in die Nation bringen, und die Freiheit schwer schädigen würden. Habe denn nun die Regierung, hätten diejenigen, welche sie damals so begeistert unterstützt hätten, etwas erreicht? Und es habe nichts erreicht werden können, weil der Kampf gegen die Freiheit des Geistes stets ausfichtslos sei. Daß man mit der Maigesetzgebung in ein Gebiet eingegriffen habe, welches der weltlichen Gesetzgebung entzogen sein müsse, beweise der Verlauf dieses ganzen Kampfes zur Evidenz. Derselbe habe auch in weiterer Beziehung den traurigen Erfolg gehabt, daß wichtige Bestimmungen der Verfassung dadurch aufgehoben seien. Es werde nie zu einem vollen Frieden zwischen Staat und Kirche kommen, wenn man nicht eben eine vollständige Trennung beider als erstes Prinzip aufstelle. Wenn man die Verhält⸗ nisse zwischen jeßt und früher betrachte, so sehe man allerdings, daß bei allen Parteien eine große Veränderung in der Gesinnung eingetreten sei. Vor zehn Jahren habe man noch den Fanalismus der Religionsparteien gegen einander auszu⸗ spielen gesucht, jetzt habe sich die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“, und das Groß der Nationalliberalen, die namentlich

standung des einzelnen Geistl

an der falschen Politik der Maigesetzs mit Schuld trügen, gewaltig verändert; der größte Theil derjenigen, welche die Unabhängigkeit von Rom als bereits erreichte Thatsache an⸗ gesehen hätten, habe bereits erkannt, daß dieser Zustand auf dem bezeichneten Wege nicht zu erreichen sei. Mit den Mitteln der Polizei und Gewalt, die man hler spielen lasse, habe man noch nie die Unterdrückung von mißliebigen Religions formen, sondern nur die Stärkung der⸗ selben erreicht. Den de,, n, Antrag Windthorst an⸗ langend, so stimme er demselben völlig zu. Er verlange für die Katholiken eben nur dasselbe, was die Juden bereits hätten! Wenn die Majorität dieses Hauses nun den Katho⸗ lizigmus auf dem bisherigen Wege nach ihrem Sinne nicht modifiziren oder unterdrücken könne, so müsse sie darin auf⸗ gehen, so müßten Alle schließlich fatholisch werden. Man müsse hier wieder gut machen, was früher gesündigt sei. Kraft der Souveränität der Gesetze habe man den katho⸗ lischen Mitbürgern Unrecht gethan, kraft derselben Souverä⸗ nität müsse man das Unrecht sühnen. Es stehe für ihn nicht so sehr das Zurückbringen von Religion in das Land in Frage, als vielmehr das Zurückführen der Freiheit und das Aufhören der Unterdrückung der katholischen Mitbürger.

Der Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch bemerkte, der Mahnung des Kultus⸗Ministers entsprechend, alles von der Debatte fern zu halten, was den Frieden stören könnte, wolle er auf eine nähere Erörterung der Gründe nicht eingehen, welche seiner Partei die Annahme des Antrags Windthorst in dieser Form zur Zeit unmöglich mache. Diese Gründe seien wiederholt eingehend, auch von dem Amtsvorgänger des Kultus⸗Ministers erörtert worden. Er habe blos das Wort genommen, damit nicht aus der ablehnenden Haltung seiner Partei gegenüber dem Antrag Windthorst, und der Resolution der Konservativen der Schluß gezogen würde, daß seine Partei sich solchen gesetzgeberischen Vorschlägen prinzipiell entgegen⸗ stelle, die zur Milderung der vorhandenen Nothstände in der Folge etwa eingebracht werden möchten. Seine Partei habe an der Novelle von 18380 mitgewirkt, und sich zu der Vorlage von 1882 zum Theil wenigstens nicht ablehnend verhalten. Wie weit es möglich sei, unter Wahrung der Rechte des Staates die Verhältnisse der Kirche und des Staates zu ordnen, ohne das Fundament des letzteren zu beeinträchtigen, werde die Zukunft lehren. Momentan wäre taktisch nichts falscher als Beschlüsse zu fassen, welche der Vereinigung zwischen der Kurie und dem Staat entgegentreten könnten. Durch Annahme des konser⸗ vativen Antrags aber würde diese Vereinigung auf unabsehbare Zeit hinauegeschoben werden.

Der Abg. Marcard erklärte, für seine Person für den Antrag Windthorst stimmen zu wollen. Dem Sterbenden müßten die Sakramente gespendet werden können, dafür zu sorgen, sei Christenpflicht. Der Abg. von Schorlemer habe gesagt, nach fünfzig Jahren wurde es Niemand verstehen, wie dies habe verboten werden können. Er behaupte, daß dies auch jetzt nicht verstanden werde. Er stimme dem Inhalt des Antrags aus vollem Herzen bei. Er bitte seine Fraktions⸗ genossen wie jeden, dem die Freiheit der Kirche am Herzen liege, insbesondere seine evangelischen Konfessionsbrüder aus Westfalen, in derselben Weise zu stimmen. Wenn die Fortschritts⸗ partei und die Israeliten diesen Antrag unterstützen würden, so glaube er, daß sie dadurch die Sache nicht gerade sördern würden. Ohne Uebereinstimmung des Centrums und der Konservativen sei eine konservative Reform nicht möglich. Er bitte seine Freunde, sich in ihrer Abstimmung nicht dadurch beein⸗ flussen zu lassen, daß sie in dieser einzelnen Sache mit der Fortschrittspartei zusammengehen müßten. ; .

Der Abg. von Eynern erklärte, seine Partei habe nicht die Absicht, sich an den Debatten zu betheiligen, da ihr Stand⸗ punkt in dieser Frage genügend deklarirt sei. Der Antrag Windthorst habe das Haus schon wiederholt beschästigt. Er begnüge sich darauf hinzuweisen, welche Stellung die konser⸗ vakiven Parteiführer zu demselben eingenommen hätten. Der Abg. Holz habe im Jahre 1886 gesagt, daß er, als dieser Antrag als Unterparagraph gestellt gewesen sei, im Namen sämmtlicher Mitglieder seiner Fraktion in Begründung der motivirten Tages⸗ ordnung erklären müsse, die Annahme dieses Antrages würze eine Freikirche schaffen, wozu die Konservativen nie und nimmer ihre Hand bieten würden. Und der Kultus⸗-Minister habe 1882 gesagt, das Spenden der Sakramente sei der Regierung nur erwünscht, aber was sie nicht wollen dürfe, sei, daß durch diesen Antrag Thür und Thor geöffnet würde für eine voll⸗ ständige Umgehung oder Beseitigung der wesentlichen Bestim⸗ mungen der kirchenpolitischen Gesetzgebung. Er habe diesen Ausführungen nichts hinzuzusetzen. Was den konservativen Antrag betreffe, so habe er Namens seiner politischen Freunde zu erklären, daß sie sich nicht für berufen erachten könnten, einen Antrag auf organische Revision der Maigesetze zu unter⸗ stützen, seine Partei müsse vielmehr auf diesem schwierigen Gebiet die Verantwortlichkeit für eine zu ergreifende Initia⸗ tive in der Gesetzgebung, und für die Wahl des dafür geeigne⸗ 3 . vollständig der Königlichen Staatsregierung

erlassen.

Der Abg. Richter (Hagen) bemerkte, der Antrag Windt⸗ horst betreffe nur ein beschränktes Gebiei der gesammten sog. Maigesetzgebung. Er habe sich für den Antrag einschreiben lassen, weil er im Wesentlichen und im Grundgedanken diesen Antrag für richtig halte. Er wolle keine Einmischung des Staates in die Perfonalien der niederen Geistlichkeit, kein Be⸗ stätigungs- und Konzessionssystem in Bezug auf Anstellung der unteren Geistlichen. Als das Gesetz von 1873 gegeben sei, hätten die Geistlichen noch staatliche Funktionen als Eivil⸗ standsbeamte gehabt. Hiermit sei damals auch wesentlich die Anzeigepflicht der Geistlichen im Gesetz von 1873 gerechtfertigt. Seitdem habe die Civilehe die standesamtlichen Funktionen der Geistlichen aufgehoben. Er sei schon 1873 Gegner der An⸗ zeigepflicht gewesen, und habe deshalb nicht für das Gesetz von 1875 gestimmt, und während er für die Abänderung des Artikels 15 der Verfassung gestimmt habe, habe er gegen die Abänderung des Artikels 18 gestimmt. Die seitdem gemachten Erfahrungen hätten ihn in der Richtigkeit seiner damaligen Auffassung nur bestärkt. Wenn die Regierung nicht im Frieden mit den Bischöfen lebe, so bringe die Geschlossenheit der Hierarchie der katholischen Kirche es mit sich, daß die Anzeigepflicht wegen neuer Anstellungen von Geistlichen überhaupt unterbleibe, und die Wirksamkeit dieser Para⸗ graphen in einzelnen Maßregeln zum Ausdruck komme, die, weil gegen Persönlichkeiten gerichtet, überhaupt gehässig ini Volke wirke und für die Betroffenen als Märtyrer Sym⸗ pathien erwede. Wenn aber umgekehrt Staat und Bischöfe im Frieden lebten, seien diese Far ah hen gel nh ig nn. kungslos, weil die , . sich alsdann a durch Bean⸗

chen in einen Kampf mit der

die Anzeigepflicht insofern bestehen lassen, als die Geistlichen

den Anspruch erhöben guf besondere staatliche Vortheile und

Zuwendungen, wie z. B. kommunale Steuerfreiheit . . fie ng aus Staatsmitteln, Anstellung k anstalt, Er sei überhaupt gegen besondere Privilegĩen der Geistlichen, und habe kein Interesse, ihnen diefe Privilegien zugänglicher zu machen. Um in diesen Grenzen die Anzeige⸗ pflicht durchzuführen, bedürfe es keiner Strafbestimmung denn, würden die Geistlichen nicht angezeigt, so trete di Wirkung von selbst ein. Die besondere staatliche Berück⸗ sichtigung finde nicht statt. Gewiß umfasse dieser Antrag indem derselbe von der. Sakramentfpendung handele, das Wesentliche des geistlichen Berufs, insbesondere nach katholischer Auffassung. Man dürfe daher die Straf⸗ varkeit nicht soweit aufgeben, wie man im Uebrigen Be⸗ schränkungen bestehen lassen wolle. Er sehe keinen Grund ein die gesetzlichen Anforderungen an die wisenschaftliche Vorbil⸗ dung der Geistlichen an den Besitz der bürgerlichen Ehren— rechie, und des Staatsbürger rechts aufzugeben. Er halte es nicht für angezeigt, auch die Bestimmung beizubehalten, wonach ein Geisilicher durch Spruch des allgemeinen Gerichts für unfähig erklärt werden könne zur Ausübung des geiftlichen Amtes, wegen schwerer Verletzung der Staatsgesetze. Auch für diese einzelnen Falle müsse die Strafbarkeit der Ausühung geistlicher Befugnisse im Widerspruch mit dem Gerichtsurtheil aufrecht erhalten werden. Er komme also zu gewissen Be— schränkungen des Antrages Windthorst, wie sie im vorigen zahre durch einen Antrag Virchow zu dem auch damals vor— iegenden Antrag Windthorst formulirt worden seien. Er halte es für richtiger, dergestalt genau zu sagen, was er wolle und was er nicht wolle, als gewissermaßen fortgesetzt Axt⸗ hiebe auf die Kirchengesetzgebung im Ganzen zu fuͤhren, und nur allgemein zu sagen, daß dieselbe organisch revidirt werden müsse. Unter dem Ausdruck „organische Revision“ denke sich Jeder etwas Anderes. Er halte es dagegen für sehr efährlich, einen Antrag anzunehmen, der eine „organische evision / bezwecke, da dabei etwas ganz anderes heraut⸗ kommen könne, als das, was man ursprünglich beabsichtigt habe. Unter Umständen könnte man dabei auch zur Abschaf⸗ fung der Civilehe gelangen. Er halte also das Binden an diese „organische Reform“ sür gefährlich, und sei mit dem Antrag Windthorst auch insofern einverstanden, als er dafür halte, es . am Besten, zuerst die drückendsten Mißstände ins Auge zu fassen. Aus den konservativen Anträgen habe er nun den Eindruck, als wenn die Herren von der rechten Seite damit ausdrücken wollten: „wir möchten wohl gerne, aber dürfen nicht Er halte überhaupt die ganze Sache nur fur eine interne Frage nicht eine solche, die vor das diplomatische m gehöre. Dieselbe gehöre vielmehr durchaus vor die Abgeordneten des Volkes. Was sei denn auch bei den diplo⸗ matischen Verhandlungen seit fünf Jahren herausgekommen? Ein ewiger Notenwechsel, der die Sache nicht um einen Schritt weiter gebracht habe. Den Standpunkt nun im Hause an⸗ langend, so dränge ja allerdings die Haltung des Tentrums immer mehr nach rechts, und es sei deshalb zu verwundern, daß die Unterstützung der rechten Seite eine nur so schüch⸗ terne sei. ätten ja doch die Herren des Centrums auf, vielen Gebieten der Gesetzgebung dem Abg. von Kleist⸗Retzow und Genossen außerordentlich große Kon⸗ zessionen gemacht. Er wolle auf diesem Gebiei aber keinen Tauschhandel und stehe nicht auf dem Standpunkt des do ut des. Der Handel mit GHesetzesvorschlägen ziehe insbesondere auf kirchenpolitischem Gebiet, die Autorität des Gesetzes herab. Der Abg. von Zedlitz wolle allerdings die politische Konstellation nicht entscheiden lassen; sein Fraktionsgenoffe von Kardorff wolle aber dem Centrum, falls es die Bismarcksche Politik unterstüͤtze und damit eine reichstreue und nationale Partei werde, die weitgehendsten Konzessionen machen. So komme man zu einem Tauschhandel der kirchen⸗ polisischen Gesetze mit dem Tabackmonopol, dem Militär⸗ pensionsgesetz, den Holzzöllen, oder was sonst gerade auf dem Markte sei. Der Reichskanzler sei seit 1378 in der Form äußerst höflich und zuvorkommend gegen das Centrum und derfelbe gebe dem Centrum kleine Stücke von der Gesetzgebung preis; zuweilen zeige der Kanzler auch ein größeres Stück, aber immer in der gehörigen Entfernung und diese schöne Aussicht umgebe ein Gestrüpp diskretionärer Vollmachten. Er wünsche mit allen seinen Fraktionsgenossen eine Kom⸗ missionsberathung des Gesetzentwurfs. Wenn die Centrums— partei mit ihrem Antrag mehr als eine bloße Interpellation bezwecke, müsse sie seinen Antrag auf Kommissionsberathung unterstützen. In einer Kommission könnten gewisse Modali⸗ täten zum Antrag Windthorst vorgeschlagen werden. Die Kommission könnte sich überzeugen, ob die Annahme des An⸗ trags Windthorst in der That gewisse kirchenpolitische Gegen⸗ sätze ausgleichen würde, d. h. eine Einigung in der Anerken⸗ nung der bestehenden Gesetzgebung bewirken würde. Ein solcher Friedensschluß würde nicht die Gegensätze auf dem Ge— biet der Schule z. B., noch weniger den Ge h zwischen latholisch und evangelisch aufheben. Diese Gegensätze seien gatürlich und tiefgehender, als es hier die Reden des Abg. Stöcker einerseits und des Abg. Majunke andrerseits bekundet ktten, Er beklage es, daß die Diskussion sich vielfach zu einem gegensat zwischen evangelisch und katholisch zugespitzt habe. mn müsse die Gesetzgehung in Preußen darauf einrichten, daß alle mit einander in Frieden leben könnten und daß Jeder in seiner Weise selig werden könne, welcher dem andern ein gleiches einraume. ö Die Diskussion wurde geschlossen. Der Abg. Dr. Majunke hemerkte persönlich, dem Abg. Richter habe es beliebt, ihn mit Stöcker zu identifiziren. Er könne nicht leugnen, daß er in vielfacher nh mit Stöcker übereinstimme, glaube aber noch vielme r Berührung mit dem Kellegen Richter zu haben. d Als Mitantragsteller erhielt das Schlußwort der Abg. r. Windthorst. Derselbe erklärte, der Verlauf der Debatte 6 für ihn ein befriedigender gewesen, weil er hier im Hause * Einverständniß daraus ersehen habe daruͤber, daß die Pinge nicht so bleiben könnten, wie sie jetzt lägen. Das erfülle n mit Freude und Hoffnung. Der Kultus⸗Minister habe 1 Bedeutung des Antrages, glaube er, nicht erkannt. Der ntrag wolle nichts Definitives schaffen, derselbe wolle nicht die ufhebung der Maigesetze, sondern lasse dieselben unversehrt, J sei nur eine provisorische, temporäre Maßregel. Je eher . Revision der Maigesetze erfolge, desto eher werde dies othstandagesetz bedeutungslos. Nehme das Haus aber den ntrag nicht an, dann könne es wohl sein, daß, wenn die

geschlossenen Hierarchie verwickeln werde. Er ie An⸗ ken cht bestehen lassen, aber in einem beck in e l d e und ohne Strafen an die Unterlassung zu knüpfen. Er wolle

von Staat und Kirche zu fordern, etwa wie sie in En

und Amerika bestehe. Die Trennung würde 36 . auch für die protestantische Kirche eintreten. Da möchten die . aus dieser Kirche sich doch überlegen, welchen Gefahren ie damit entgegengingen. Das Centrum habe solchen Antrag bisher nicht gestellt, weil es demselben zweifelhaft fei, ob die Protestantische Kirche eine solche Trennung vertrage. Der Abg. Stern sei zur Erkenntnißz dieser Dinge gekommen und habe einen Blick in die Zukunft gethan. Derselbe sei sich der Folgen klarer bewußt, als sonst die Liberalen, den Abg. Hänel nicht ausgenommen, und leider müsse er heut auch den Abg. Richter in dieselbe Reihe rangiren. Der Ahg. Richter verweise das Centrum auf den dilatorischen Weg einer Kommissionaberathung, wenn er aber den Abg. Hänel höre, und den Abg. von Eynern, der die Initiative von der Regierung erwarte, sodann die Konservatiben mit ihrer Resolution betrachte, und die Freikonservatien, die eigentlich gar nichts wollten und nur zu einem negativen Resuttat ge⸗ kommen seien so könne er von der Kommission nichts er— warten. Es sreue ihn aber, daß der Abg. Richter vom Reichs⸗ kanzler dilatorische Politik gelernt habe. Das Centrum habe noch nie mit seinem Votum Handel getrieben, es habe in sach⸗ lichen Fragen niemals Rücksicht auf die Kirchenpoliti ge⸗ nommen. Aber das Centrum benutze die Konstellation des Parlaments, um seine Anschauungen zur Geltung zu bringen. Der Abg. von Ludwig handle nicht so, deshalb bielbe der selbe mit seinen Anträgen auch immer in der Minorität. Auf die Einwände des Abg. Richter betreffs der anderweitigen Po⸗ litik des Centrums habe er theilweife im Reichstage geant⸗ wortet, theils werde er es hier bei den Verwaltungsgesetzen noch thun. Er wünsche, daß das Centrum mit den Konservativen in noch engerem Armeeverbande stände als jetzt. Der Minister habe die Hoffnung ausgesprochen, die Verhandlungen mit Rom würden vielleicht zu einem Resultat im Sinne seines Antrags führen. Das sei gleichsam ein delphischer Orakelspruch, aus dem die Regierung machen könne, was sie wolle. Er verlange die Er— klärung, daß die Regierung unter allen Umständen bas Messe⸗ lesen und Sakrgmentespenden freigeben wolle, das wäre besser als eine so dilatorische verklausulirte Erklärung. Nachdem, was jetzt über die Anschauungen des Reichskanzlers verlaute, hätte er heute ein klares, freies Wort erwartet, aber das hätte der Kanzler ja nur selbst abgeben können, und deshalb beklage er, daß derselbe krank sei. Es sei durch diefe Ver— handlungen von Neuem das geschehen, was das Centtum in Beziehung auf die Grundlage für die Kenntniß der Verhand— lungen habe erwarten können. Der Minister habe das Cen— trum auf allerlei Briefe verwiesen, die zwischen der Regierung und der Kurie gewechselt werden sollten, und gewechselt wor⸗ den sein sollten, niemals aber seien die Briefe hier verlesen worden. Etwas Authentisches liege bis jetzt überhaupt nicht vor, man sei über den Fortgang der Verhandlungen absoluͤt nicht unterrichtet. Er fuͤrchte, daß auch die von dem Minister abgegebenen Erklärungen einen ähnlichen dilatorischen Charakter hätten, wie der Antrag des Kollegen Richter. Der Weg, auf welchem die Freigebung des Messespendens und der Sakramente geschehen könne, sei ja ein sehr verschiedener. Es könne durch seinen Antrag am einfachsten geschehen, dann aber auch durch Revision der Anzeigepflicht, durch die in der Jakobinischen Note ausgesprochenen Vorschläge 2c. Damit aber gehe unend— liche Zeit verloren, und große Eile sei nöthig, weil die katho⸗ lischen Gemeinden mehr und mehr verwaisten, und weil die Noth derer, die das Heil in den Sakramenten nicht finden könnten, täglich größer werde. Der Nothschrei werde größer, und wenn man es hier in Berlin auch nicht merke, die Schil— derungen seiner Freunde, die aus den Provinzen kämen, seien so, daß einem das Herz erfrieren könnte. Er wiederhole es, große Eile sei nöthig, nehme das Haus deshalb seinen Antrag an, der sofort Hülfe schaffe, sowie die Regierung denselben zur Publikation bringen werde. Im Uebrigen werde ja durch denselben auch nichts geändert. Sehr erstaunt sei er gewesen, vom Minister zu hören, daß das eigentliche Messelesen und Spenden der Sakramente gar nicht unter Strafe stehe. Noch täglich würden die Priester deshalb bestraft, mit Geldstrafen sowohl wie mit Gefängniß, das scheine fast, als ob gerade in neuerer Zeit wieder eine Verschärfung jener Maßregel angeordnet worden sei. Ein solches Vorgehen sei nicht verträglich mit den Friedensversicherungen, die dem Centrum gemacht würden. Die nationalliberale Partei habe erklärt, sie habe keinen An⸗ laß. auf eine organische Revision anzutragen, und überlasse die Initiative der Regierung. Diese Partei verneine die Revision also an sich nicht. Dafür könne er sich einen Grund denken, wenn die nationalliberale Partei gleich formulirte Vorschläge machen wollte, was allerdings etwas zu viel von derselben verlangt sei. Sie müsste doch auch begriffen haben, daß es so nicht länger mehr fortgehe. Wenn das der Fall sei, so habe jede Partei nicht nur das Recht, sondern die Pflicht, die Initiative der Regie⸗ rung zu fordern. Auch bei dem Abg. Hänel habe der Ge— danke der Revision Anklang gefunden! Auf einen zustimmen— den Nuf des Abg, Dirichlet wandte sich Nedner zu demselben, er dankedem Abg. Dirichletdas ganz besonders, derselbe sei stets ein Gegner der Maigesetze gewesen. Jede augenblickliche Hülfe sei für das Centrum von größerer Wichtigkeit, als eine in der Ferne gezeigte, Er habe gemeint, daß die alte historische preußische Tradition, welche Gewissensfreiheit für Alle ver⸗ lange, bei dem Hause auch gegenüber den katholischen Mit⸗ bürgern maßgebend sein dürfte. Ein solcher Ausdruck der Anerkennung dieser Tradition von diesem Hause würde auch nach anderer maßgebender Seite Eindruck machen. Wenn man in einer Nothlage sei, eine Nothlage, die zum Himmel schreie, dann nehme man auch die schwächste Hülfe an. Wenn die Linke auch seinem Antrage nicht zustimmen lönne, so danke er doch für die leisen Anklänge der Sympathie, die ihm hier begegnet seien. Allerdings hätte er Besseres erwartet, aber auch diese leise Wendung zum Besseren begrüße er mit Dank. Er werde noch Gelegenheit nehmen, einige Expli— kationen der Abgg. Hänel und Richter später zu widerlegen, und schließe in der Hoffnung, daß man es schließlich doch nicht abweisen werden könne, für den Gewissensdrang der Katholiken ein Auskunftsmittel zu finden. Die Diskussion wurde geschlossen. Der Abg. von Ludwig bemerkte persönlich: Der Abg. Windthorst habe gesagt, seine Anträge hätten die Eigenthüm— lichkeit, daß sie niemals angenommen würden; er erwidere dem Abg. Windthorst mit dem Wort eines großen Dichters: „Verstand ist nur immer bei Wenigen!“ Der Abg. Windt⸗ horst habe ferner gesagt, er treibe unpraktische Politik. Er eren ene praktische Politik von dem Gesichtspunkt, daß die katholische Kirche eine große Institution sei, die stets am

egierung auf ihrem Wege beharre, sie das Centrum zwinge,

seine Gedanken zu erweitern und die vollständige Trennung

Windthorst sei leider von der linea directa öfters abgewich Im Uebrigen wolle er, gerade weil er prakti . 2 . „g praktische Politik treibe, er Abg. Richter (Hagen) erklärte, der Abg. Windt habe seinen Antrag dilatorisch genanni. Er e . gesagt, daß, wenn das Centrum nicht ein ausschließlich nega⸗ tives Resultat dieser Verhandlung vorziehe, die Kommissions⸗ berathung in dessen eigenen Interesse liege. ß er persön⸗ 1 , . 9. einer , e. Behandlung habe, er Antrag, den er beim Beginn der i . g der Verhandlung in

Der Abg. Dr. Windthorst entgegnete, er fordere den Alg.

e: . 962 4 in, einen al ee, n, wo er : inea directa abgewichen sei. Solche Bes i weise er mit Entrüstung zurück. n, , , .

Damit sckloß die erste Berathung; die Ueberweisung des Antrages an eine besondere Kommission wurde abgelehnt.

Es begann Jofort die zweite Berathung.

Der Abg. Frhr. von Hammerstein erklärte, auch, wenn er sich für den Antrag hätt- einschreiben lassen, würde er, wie das Beispiel des Abg. Richter beweise, kaum den Beifall des Abg. Vindthorst erlangt, sondern als einzigen Genossen den Abg. Stern gehabt haben. Der Antrag sei so häufig und ausführlich behandelt worden, daß nur wenig noch zu sagen bleibe. Er bekenne sich auch jetzt zu seinen früheren, jetzt von der katholischen Presse ihm in Erinnerung gerufenen Aeußerungen, und werde aus den Gründen, die der Abg. von Holtz vor zwei Jahren vorgebracht habe, gegen den Antrag stimmen; gegen den Antrag in seiner Form, nicht gegen das von demselben vertretene Prinzip. Das System der Maigesetze verurtheile seine Partei, man könne es aber nicht Durch mecha⸗ nisches Eingreifen in irgend einen Punkt verbessern.! Ein System der Maigesetze sei eigentlich ein Widerspruch, seine Eysteml osig eit trete am schärfsten auf dem Gebiet zu Tage, das der Antrag Windthorst bekämpfe. Auf die Dauer seien die jetzigen Zustände nicht beizubehalten, am wenigsten in einem paxitätischen Staat, welcher ein großes Haß von religiöser Freiheit zugebe. Wer das nicht meine, müßte gerade, wie eine kürzlich erschienene Broschüre über die Crefelder Simultanschulen, die Parität in der größtmöglichen Schonung der Religionen so sehen, daß der Religions⸗ unterricht die einzelnen Konfessionen möglichst wenig berühre. Er gebe dem Abg. Richter zu, daß über die Gesichtspunkte einer organischen Reform der Maigesetze die Ansichten der Fortschritts⸗ und der konservativen Partei sehr divergirten, aber er hoffe, daß für den Antrag seiner Partei sich hier eine Majorität finden werde. Dies umfassende Werk könne nur das Nesultat langer Vorbereitung sein, und eine Vereinba—⸗ rung zwischen Staat und Kirche sei sehr wünschenswerth dazu, wenn auch ohne dieselbe die Revision nicht unmöglich fei. Das sei der Sinn des konservativen Antrags. Im Noth— falle würde seine Partei ein Nothgesetz gutheißen, õhne daß dadurch die organische Revision unnöthig wäre. Die Revision müßte ansetzen bei der Anzeigepflicht; nicht diese Pflicht als solche veranlasse die Beschwerden, sondern das Verbot des Messelesens für Geistliche, die dieser Pflicht nicht genügt hätten. Erst durch das ertheilte Amt sei zu bestimmen, welche Haltung der Geistliche zum Staate einnehmen werde. Durch eine Revision der Maigesetze trete man der Autorität des Staats seiner Ansicht nach nicht entgegen. Am 6. Dezember 1880 habe ein hervorragendes Mitglied dieses Hauses gesagt, in Zeiten, in denen gewisse Elemente der Bevölkerung gegen die Grundlagen von Staat und Kirche anstürmten, müsse man dem Menschen die Religion näher bringen. Die Wahrheit dieser Worte leide dadurch nicht, daß der Abg. von Bennigsen sie ausgesprochen habe, der sich für unbedingte Unterordnung der Angehörigen einer Kirche unter die Anordnungen ihrer Oberen ausgesprochen habe. Die Thatsache bestehe, daß die Gesellschast bedroht sei, und daß dagegen die Macht des Staates nicht ausreiche, sondern von der Kirche unterstützt werden müsse, und . gehöre eine freie Bewegung der Or⸗ gane, denen die Seelsorge obliege; der Regierung die Er— wägung darüber zu empfehlen, wie weit sie Fiesem Ziel schon jetzt sich nähern könne, sei, die Absicht des Antrags der Kon— servativen, Darin liege kein Mißtrauen gegen die Maßregeln, die die Regierung, wie er vorher zu seiner Freude gehört habe, schon unternommen habe, aber in einem konstitutionellen Staate müßten die Verhandlungen der Souveräne die Zustim— mung der ,,, . Darauf nahm der Minister der geistlichen ꝛc. An heiten von Goßler das Wort: ö ö Meine Herten! Diejenigen von Ihnen, welche meinen Aus— führungen in der ersten Lesung mit Aufinerkfamkeit gefolgt find werden es begreiflich finden, wenn ich bemerke, daß nach den von mir abgegebenen Erklärungen für eine spezielle Diskussion Seitens der Staatsregierung ein Platz nicht mehr vorhanden ist. Ich muß es mir daher auch rersagen, denjenigen Wünsche zu entsprechen, welche der Hr. Abg. Dr. Windthorst an mich richtete, Erläuterungen zu geben zu einer Reihe von meinen Äus— führungen mit der Bitte, sie nöthigenfalls richtig zu stellen. Denn wenn ich selbst im Stande wäre, denselben Gedanken mit verschie⸗ denen Worten auszudrücken, so muß ich doch in der gegenwartigen Situation auf das Festhalten des Wortes einen ge⸗ wissen Werth legen. Der Grund hierfür ist einfach, denn diejenigen Erklärungen, die ich abgegeben habe, liegen nur zu einem Theil auf dem Gebiet des Kultue⸗-Ministeriums, sie sind zum erheb- lichen Theil Ressortsache des Ministers der auswärtigen Angelegen= heiten, und enthalten Momente, bezüglich deren das Auswärtige Ämt mit Recht besonderen Werth darauf legt, daß in keiner Weise die Linien verschoben werden, die für die diplomatische Aktion gezogen sind. Man kann vielleicht von den Mitgliedern‘ des Parlaments nicht verlangen, daß sie diesen Standpunkt absolut theilen; aber soweit werden Sie meinen Ausführungen gefolgt sein, daß Sie den Standpunkt der Regierung verstehen und in meinen Aeußerungen nicht etwa nur eine Unlust meinerseits finden, in die Diskussion weiter einzutreten. Von demselben Standpunkte aus, von welchem ich in der ersten Lesung Tie Erklärung abgegeben habe will ich jetzt ferner das Folgende erklären: Wenngleich ich anerkenne daß nach den entgegenkommenden wohlwollenden Erklärungen des letzten Herrn Vorredners der Verdacht Seitens der Regierung nicht gehegt werden kann, als solle in der vorgeschlagenen Resolution, welche den Namen Althaus und Genossen trägt, eine Svitze oder ein Druck gegen die Staatsregierung gerichtet oder geübt werden ich sage also, während ich das anerkenne, muß ich vom diplo⸗ matischen Standpunkte aus doch bitten, dem Antrage nicht Folge zu geben Schon vorhin hat einer der Herren Vorredner in anderem Zusammen ange angedeutet, daß wenn man einen solchen Antrag, wie er hier vorsiegt erschöp fend in Beziehung auf die Tragweite feiner einzelnen Sätze und Worte festztellen will, man doch erheblich tiefer in die ganze Materie hineinsteigen muß. Es würde aber von Bedeutung sein, wenn ich gegenwärtig in diese Einzelheiten eintreten wollte und damit gewisser⸗ maßen im Voraus Erklärungen abgäbe, für welche vom Standpunkt der Regierung eist dann ein realer Anlaß vorliegt, wenn es sich um Er- örterungen konkreter Vorlagen handelt. Wenn ich sodann auch

besten fahre, wenn sie den ganz geraden Weg gehe. Der Abg.

und das ist die Bemerkung über den zweiten Absatz der Resolution

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