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mãächtigte im Civilprozeß zu S5. 59 der C. P. D). Von Landgerichts Rath Pfizer in Um. — Ueber den Zeitpunki, bis zu welchem im Civil⸗ peng die Zurücknahme der Klage, der Berufung, der Revision und des Einsrruchs zulässig sind. Von Amtsrichter Schulzenstein zu Rix dorf. — Die Protokollführung im Civilprozeß. Von Landgerichts⸗ Rath Hermann Meer in Erfurt. — Wer ist berechtigt, gegen den , , . des §. 77 der Tonkursordnung vom 10 Februar
S7 die sofortige Beschwerde zu erheben? Von Landgerichts ⸗Rath Pütter in Greifswald. — Das Recht des Aufsichtsrathes einer Aktiengesell⸗ schaft. Von Dr jur. Joseyh Perl in Gleiwitz. — Die Grundsätze des Allgemeinen Landrechts über den sogenannten Eigenthumserwerb durch Bebauung, verglichen mit denen des römischen Rechts. Von Rechtsanwalt C. Koffka in Berlin (Schluß). — Die sicherstellende Hypothek in ibrem Verhältniß zu den übrigen sicherstellenden Rechts— verhältnissen und zur selbständigen Hypothek. Von Amtsrichter Skonietzki in Osterode.
— Die negotiorum gestio des dritten Kontrahenten. Von C. Ruhstrat, Präsidenten 4. D. in Oldenburg. (Separat⸗ abdruck aus Band III., Heft 1 des „Magazin für das deutsche Recht der Gegenwart.) Hannover. Helwingsche Verlagsbuchhand—⸗ lung (Th. Mierzinsky, Königl. Hofbuchbändler). Preis 1 M — Die Abhandlung, welche hier im Separatabdruck erscheint, sucht insbeson⸗ dere den Beweis zu liefern, daß man in der Lehre von der Stellver— tretung mit der Unterscheidung zwischen dem Ersatzmanne und dem Stellvertreter nicht ausreicht, daß es im römischen Recht vielmehr noch eine dritte Form der Kontraktschließung giebt, welche zwischen der des Ersatzmanns und der des Stellvertreters gleichsam in der Mitte steht und selbst in dem Fall, wo der Geschäftsführer ohne Vollmacht handelt, ein unmittel—⸗ bares Obligationsverhältniß zwischen dem dritten Kontrahenten und dem Prinzipal zur Folge hat, obgleich der Geschäftsführer in eigenem Namen kontrahirte. Schon der Umstand, daß es im ein zelnen Falle oft zweifelhaft erscheine, ob die eigentliche Stellver— tretung gewollt ist oder nicht, hat dem Verfasser diesen Mittelweg als durch Zweckmäßigkeit geboten erscheinen lassen. Die actio negotio- rum gestorum ad exemplum institoriae actionis, welche dem dritten Kontrahenten gegen den Prinzipal zusteht, wo die hier fragliche Form der Kontraktschließung gewählt ist, hildet, sofern die Auf— fassung des Verfassers sich als richtig bewähren sollte, eine praktisch bedeutsame Ergänzung der bisherigen Lehre von der Stellvertretung.
— Amerika in Wort und Bild. Eine Schilderung der Vereinigten Staaten von Friedrich von Hellwald. 4. und 5. Lieferung zu je 1 Mit etwa 700 Illustrationen. Leipzig. Schmidt K Günther. — In der vierten Lieferung dieses schönen Prachtwerks wird der Leser durch das romantische Houfatonicthal geführt, wo er die Bekanntschaft mit der Sekte der Shakers oder Zitterer macht, dann nach Connec— ticut und der Hauptstadt New-Haven, deren Universität dem Ver— fasser zu interessanten Mittheilungen über das amerikanische Schul— wesen Veranlassung giebt. Im 5. Heft folgt die Beschreibung von Rhode Island mit dem berühmten Hafen Newport, dem Sammelplatz der fashionablen Welt Amerikas, mit welcher der Verfasser den Leser bekannt macht. Von den genial komponirten und trefflich ausgeführten Vollbildern dieser Lieferungen erwähnen wir: Der Connecticut ober— halb Middletomn, New. Haven und Umgebung, Der Strand zu New— port, Das „Fegefeuer“ bei Newport, New⸗London und Norwich. Von den 9 Textillustrationen nennen wir: Der Green River bei Great Barrington, die Fälle des Housatonie, Falls Village in Connecticut, Alte Mühle bei Sages Ravine, Newport von der Bai aus gesehen, Rocky Point an der Narragansett Bai um s. w. In der fünften Lieferung macht die Verlagsbuchhandlung bekannt, daß demnächst auch eine prachtvolle Karte der Vereinigten Staaten“ den Subfkribenten gratis geliefert werden wird.
— Im Laufe der nächsten Tage erscheint bei der Stillerschen Hofbuchhandlung in Schwerin: „Per Aspera ad Astra. Leben, Wirken und Heimgang weiland Sr. Königlichen Hoheit Friedrich Franz II., regierenden Großherzogs von Mecklenburg“. — Diese Schrift enthält nur in Umrissen das Haupt⸗ sächlichste, was über ein sechszig Jahre zählendes Fürstenleben, über eine einundvierzig Jahre umfassende vielseitige Regententhätigkeit. dazu über eine Heerführerlaufbahn gesagt werden kann, die mit den letzten großen Kriegen und der sich daran schließenden Einigung des deutschen Vaterlandes zusammenfällt. Was in den vorliegenden Blättern über die Jugendzeit des verewigten Fürsten, sein häusliches und christliches Leben, sein Sterbelager und seinen Heimgang gesagt wird, beruht auf den Mittheilungen vertrauter Personen und Zeugen; was ferner über seine politische und militärische Wirksamkeit mit- getheilt wird, auf Aufzeichnungen und Zusammenstellungen, die, schon vor Jahresfrist gemacht, der Kritik und Berichtigung Seitens des nunmehr in Gott ruhenden Fürsten selbst vorgelegen haben. Der Preis des Buchs beträgt geheftet 2,50 „Mn, fein gebunden 4,50 „, in Prachtausgabe auf Büttenpapier in Kalblederband 10 .
Gewerbe und Handel.
Die Generalversammlung der Vereinsbank in Berlin enehmigte die Jahresbilanz und die von der Verwaltung vorge— , . Vertheilung des Reingewinnes von 1 338 204 05 6, nach welcher erhalten: der Spezial-Reservefonds 600 000 ÆM, der Beamten Pensionsfonds 20 000 M, die Aktionäre 100,90 Dividende mit 630 000 M Zu Tantismen werden 23 000 M verwendet, und restliche 46 08 M werden auf neue Rechnung vorgetragen. Nach der Bilanz betragen die Kontokorrentkonto⸗Debitoren, abzüglich von 121 867 dubioser Forderungen, 5 540 008 υ , Effektenkonto 2931 763 M, Wechselbestand 634 176 1, Baarbestand 566 382 6, Hypothekenkonto 58 669 ½, Kommanditkapitalkonto 150 000 M ꝛc.,, Aktiva in Summa 2209 729 Æ Unter den Passiven figurirt das Aktienkapital mit 6 000 900 ½, Reservekonto 600 000 M, Kontokyrrentkonto⸗Kreditoren 1614778 66, Acceptationskonto 292041 66, Beamten Pensiong⸗ fond 40 009) „S, Börsen-Differenzkonto 24 705 S6, Gewinn⸗Saldo 1338204 0 Königsberg i. Pr. 5. Mai,. (W. T. B) Die Betriebs einnahme der Ostpreußischen Südbahn für April 1883 be— trug nach vorläufiger Feststellung: im Personenverkehr 70 222 „, im Güterverkehr 256 565 , an Extraordinarien 18 000 *, zusammen 344785 M; im Monat April 1882 definitiv 425 206 M, mithin weniger gegen den entsprechenden Monat des Vorjahres s 421 ; vom 1. Januar bis ult. April 18563 im Ganzen 1 989 464 M; gegen 1588 757 im Jahre 1882, mithin mehr gegen den entsprechen⸗ den Zeitraum des Vorjahres 400 707 6 am burg, 5. Mai. (W. T. B). Die Ham burg⸗Ameri⸗ kanische Packet fahrt⸗-Aktiengesellschaft ermäßigte die Preise ihrer am 9 Juni beginnenden helgoländer Fahrten auf 2 46. für die einzelne Fahrt und 20 M für Retourbillets, letztere mit 6 Wochen Gültigkeitsdauer.
London, 4. Mai. (W. T. B.) Nach der . Pall⸗Mall⸗Gazette bat die Baumwollfirma Fritz Anders in Liverpool, Manchester und Alexandrien fallirt; die Passiva betragen 150 066 Pfd. Sterl.
Liverpool, 4. Mai. (W. T. B.) Das hier angekommene Schiff Shields“, welches den Dampfer „Habsburg“ am 28. v. M,. sprach, berichtet weiter, derselbe habe fignalisirt: Alles wohl, bedürfen keine Hülfe.
Verkehrs⸗Anstalten.
Bremen, 4. Mai. (W. T. B) Kapitän Pearce vom Schiffe Shields‘, in Liverpool angekommen, berichtet: er habe den Nord— deutschen Lloyddampfer Habsburg?“ am 25. April gz Uhr Morgens auf 4742 Grad nhrdlicher Breite und 1735 Grad weftlicher Lange angetroffen. Der Dampfer „Habsburg“ sei Nordost gesteuert und habe ungefähr 4 Meilen unter Segel gemacht; Wind Südweft. Der J ö 6 ,,, gewesen. — Dem nach
er „Habsburg“ ausgesandten eppdampfer ‚Cruizer“ ist vor⸗ Dhende Nachricht mitgetheilt worden. ö f s
Ham burg, 5. Mal (W. T. B.). Der Dampf er „ Frisia“ von der Hamburg ⸗Amerikanischen Packetfahrts-⸗Aktlengesellschaft ist gestern von Havre nach New⸗York abgegangen.
St. Peters burg, 4. Mai. (B. T. B.) Der Verkehr mit Kronstadt mittelst Dampfschiffen ist eröffnet. Der Golf von Kron stadt ist stellenweise frei von Eis. Die vollständige Eröffnung der Schiffahrt wird binnen acht Tagen erwartet.
Southampton, 4. Mai. (W. T. B) Der Dampfer des Norddeutschen Lloyd „Fulda r ist bier eingetroffen.
Berlin, 5. Mai 1883.
Amtliche Berichte aus den Königlichen Kunstsammlungen.
(Aus dem Jahrbuch der Königlich preußischen Kunstsammlungen, Berlin, Weidmannsche Buchhandlung.)
I. Königliche Museen in Berlin.
A. Gemäldegalerie.
Im Monat Oktober wurde der Umbau des östlichen Flügels der Gemäldegalerie soweit fertig gestellt, daß mit dem Bezug der neuen Vorrathsräume begonnen werden konnte. Dieselben sind durch die unmittelbar über den Fenstern angebrachte Zwischendecke gewonnen worden und umfassen fünf theils durch Seitenlicht, theils durch Ober⸗ licht genügend beleuchtete Kabinette von etwa 6 m Tiefe auf 5.70 m Breite, sodann einen mit Oberlicht versehenen hellen Gang (von etwa 33 m Länge auf 3 m Breite), der vor sämmtlichen Kabinetten herläuft, jedem einen besonderen Eingang gewährt und in der diesen Thüren gegenüberliegenden langen Wand gleichfalls eine sehr nutzbare Bildfläche darbietet, endlich noch einen Nebenraum von der gleichen Größe wie die Kabinette (über dem Zimmer des Restaurators), der ebenfalls zur Aufbewahrung von Gemälden dient. — Von jenen funf Kabinetten sind vorerst, indem eines derselben zu Bureauzwecken ver— wendet wird, nur vier für die Galerie verfügbar; drei »on diesen sind zu größerer Ausnützung des Raumes mit je zwei Scheerwänden ver— sehen. In diese Räume sind nun seit dem 23. Oktober bis zum Schluß des Jahres aus den alten überfüllten und provisorischen Depots rund 600 Gemälde kleineren und mittleren Formats hinaufgeschafft, und davon ca. 459 in übersichtlicher Anordnung in den vier Kabinetten sowie an der Langwand des Ganges aufgestellt worden: circa hundert Bilder, die bald wieder zur Aufstellung in der Galerie selbst gelangen sollen, sind einstweilen in dem Nebenraume untergebracht worden, während circa 30, die an den Wänden keinen Platz mehr fanden, hinter einander aufgeschichtet werden mußten. Brei weitere Vor— rathsräume werden noch über den Kabinetten an Stelle der alten nach Südost gelegenen Incunabelnräume gewonnen werden. Natürlich mußten die Wandflächen ganz ausgenützt werden; doch ist nun die Besichtigung aller an den Wänden placirten Bilder ermöglicht, und werden daher diese Vorrathsräume, nach vollendeter Anordnung der Sammlung im östlichen Flügel, zwar geschlossen bleiben, aber zu Studienzwecken zugänglich sein.
Jul. Meyer.
B. Sammlungen der Skulpturen und Gipsabgüsse.
J. Abtheilung der antiken Skulpturen.
Eine sehr erhebliche Erwerbung von Originalen fand vom 1. Oktober 1882 bis 1. Januar 1883 nicht statt.
Im Zusammenhange der Studien können aber die un— ansehnlichen Bruchstücke spätgriechischer Grabmonumente aus Tarent und ein Reliefbruchstüc vom Grabe König An— tiochoß II von Commagene auf dem sogenannten Nemruddag am oberen Euphrat, welches letztere Hr. Puchstein einsandte, beachtenswerth genannt werden. Merkwürdig sind auch zwei Stücke, welche aus dem Nachlasse des Kaiserlich Deutschen Konsuls in Beirut, Hrn. Brüning erworben wurden, ein sehr rohes Relief mit einem Kopfe des Helios aus Balbeck und ein weiblicher Marmorkopf aus Cypern. Der letztere gehörte einst einer Statue an. Er stimmt stilistisch und technisch 9. sehr mit pergamenischen Skulpturen überein, daß daraus abermals ein Argument gegen die Annahme scharf gesonderter Kunstschulen in hellenistischer Zeit sich ergiebt. Die Augen waren eingesetzt, und, was so selten ist, das eine hat sich er halten; es ist aus einer dem Marmor gleichfarbigen Masse mit einer flachen vunden Eintiefung für den verloren gegangenen Augens ern hergestellt und mit einer Bronzeumfassung versehen, die anscheir end zu einer Angabe der Augenwimpern benutzt gewesen ist.
An Abgüssen gingen namentlich zwei athenische Reliefs ein, das Grabrelief eines Jünglings, bei Laurion gefunden und jetzt im Ten— tralmuseum, wichtig zur Vergleichung mit dem angeblich aus Lamia, in der That aber aus Salamis stammenden Relief Sybel 76 (Ann. 1826 S. 135 f.); ferner das orientalisirende Relief, welches Mylonas im Bull. de corr. hell. IV., S. 477 f., Nr. I beschrieben hat. Bon bei⸗ den Reliefs sind die Formen für die Königlichen Museen erworben.
Der Abguß eines Menagssi'schen Abgusses in Dresden, nach Hettuers Kataloge von einer der Londoner „Clytia“ ähnlichen Büste, wurde in der Meinung erworben, es könnte eine solche Büste etwa ein antikes Original der so wiederholt angezweifelten Londoner „Clytia“ gewesen sein. Es hat sich aber, namentlich durch genaue Becbachtun⸗ gen der Hrn. . Freres und Possenti herausgestellt, daß der Mengssi'sche Abguß mit Weglassung des Blätterkranzes von dem Londoner Exemplare selbst, gewiß vyr Uebergang desselben nach Eng—⸗ land, und zwar mittelst einer Tbonform genommen sein muß, also ein Zweifel an der Authenticität der Londoner Büste auch von dieser Seite nicht zu begründen ist. Immerhin dürfte die Beschaffung des in Dresden käuflichen Abgusses zu Uebungszwecken auch anderen Sammlungen vielleicht genehm sein.
Von der Reise der Hrn. Sester und Puchstein nach hem Nem⸗ ruddag, dessen soeben bereits gedacht wurde, sind dem Museum auch die Inschriftenabklatsche des Hrn. Puchstein, namentlich der von der großen Inschrift des Grabmals (Sitzungsberichte der K. Akad. der Wissenschaften 1883, S. 1 ff.) zugegangen. Hr. Hübner überwies die Formen der Inschriften CLV. 7454 und 7455. Der Humann schen Formen des sogenannten Monumentum Ancyranum wurde bereits im vorigen Quartalbericht Erwähnung gethan; sie sind in diesem Vierteljahre fast vollständig ausgegossen und der Abtheilung zugegangen. Die ebenfalls durch Hrn. Humann beschafften Abgüsse der Felsreliefs von Bogaskiöl werden dagegen erst im nächsten Viertel⸗ jahre fertig gestellt werden können.
Die Restaurationswerkstatt, welche auch für die Abtheilung der Skulpturen christlicher Epoche in Anspruch genommen wurde, hat sich namentlich mit der Herstellung der Waffenreliefs von der Balustrade der Säulenhalle im pergamenischen Athenaheiligthume beschaͤftigt, um deren Herautgzabe in dem in Herstellung begriffenen Bande der großen Publikation der pergamenischen Funde zu ermöglichen. Für diese Einzelarbeit ist Hr. Dr. Hans Droysen helfend eingetreten. Hr. Re⸗ gierungsbaumeister Bohn blieb fortwährend an der Hauptarbeit dieses zuerst auszugebenden, die Architektur des Athenaheiligthums um fassen⸗ den Bandes thätig und hat damit zugleich die durchgreifende Neu⸗ ordnung der in der Säulenhalle verwahrten pergamenischen Fund— stücke in die Hand genommen. Sie ist nahezu vollendet.
Die nöthig gewordene neue Auflage des kleinen Verzeichnisses der Gipsabgüsse wurde bis auf einige letzte Nachträge im Manuskript fertig gestellt. .
Die Redaktion des ausführlichen Katalogs der Originalskulpturen schritt bis zur Nr. 313 ver.
An Stelle des Direktorial-Assistenten Hrn. Dr. Furtwängler, welcher in gleicher Stellung an das Antigůuarium übergetreten ist, fungirte, provisorisch vom 1. Oktober ab Hr. Dr. von Domaszewẽski ö. Wien, der Begleiter des Hrn. Humann auf dessen Reise nach Ancyra.
Der Direktor besuchte im Dezember Wien, um bie lykischen Skulpturen von Giölbaschi kennen zu lernen, von denen Ahgüsse als⸗ bald hierher gelangen werden. Conze.
. Il. Abtheilung der mittelalterlichen und Renaissance⸗ Skulpturen.
Die Sammlung der Originale wurde bereichert durch den An⸗ kauf eines größeren Marmorreliefs, Maria mit dem Kinde auf dem 37 welches mit einem Vogel spielt; wahrscheinlich eine Arbeit des Giacomo Cozzarelli von Siena. Die Arbeit ist ein besonders charakteristisches und anziehendes Werk der sienesischen Kunst vom Ausgange des Quattrocento, die sich durch Innigkeit der Empfindung, wie durch fleißige Ausführung der Einzelheiten (hier besonders der geschmackvollen Gewandung) auszeichnet. Merkwürdig ist der Um⸗ stand, daß der Marmor, nach dem Urtheil des Hrn. Freres, mit dem der pergamenischen Reliefs identisch ist, also aus Klein⸗Asien oder von den griechischen Inseln stammt.
Die Sammlung der Abgüsse erhielt als Geschenk der Regierung in Metz den Abguß der Reiterstatuette Kaiser Karls des Großen, welche, ursprünglich im Dom zu Metz, jetzt im Mussée Carnavalet zu Paris aufbewahrt wird. Die Figur des Kaisers scheint noch auf Karolinger Zeit zurückzugehen, während das Pferd einen entschieden moderneren Charakter zeigt.
Ferner wurde der Abtheilung als Ausguß einer guten Form im Besiße der Museumsformerei ein Abguß des Grabmals von Kardinal Pietro Foscari (6 1485) in Sta. Maria del Popolo zu Rom überwiesen; die tüchtige Bronzearbeit eines unbekannten toska— nischen Künstlers in der Art des A. Pollajuolo. *
ode.
C. Antiquarium.
Es wurden erworben vom 1. Oktober bis 31. Dezember 1882:
An geschnittenen Steinen eine griechische Gemme (Bergkrystall) mit bekränztem leierspielenden Silen.
An Terrakotten eine Reihe von Statuetten, stehender Hermes mit nebenstehendem Widder, mit Basis und Farben wohl erhalten (Tanagra); Pädagog mit Wickelkind auf dem Schoße (Korinth); Ar- temis auf einem Hahn sPeiraieus); Stirnziegel mit schönem Frauen— kopf (Athen); sitzende Frau mit hoher Stephane (Kyme in Aeolis); alterthümlicher Athenakopf (Athen); schwangere Frau, sitzend, das Knie aus einem Alabastron reibend, mit zwei Näpfen vor ihr (Ko⸗ rinth); sitzende Frau mit Apfel in der erhobenen Rechten, mit ein—⸗ geritzter Inschrift EPMokPALTOYC auf der Rückseite (Gryneion). Ferner an Bronzen eine Statuettenbasis aus Argos mit Weih⸗ inschrift an die Dioskuren; auf der Basis noch die Füße einer alter thümlichen Statuette.
E. Curtius.
D. Münzkabinet.
Im Quartal Oktober bis Dezember 18827 betrug der Zuwachs, mit Ausnahme einer unten zu erwähnenden Sammlung, 113 Stücke, darunter 3 goldene und 2A silberne.
Geschenkt wurden 4 moderne bronzene Medaillen: Vom König—⸗ lichen Ministerium der öffentlichen Arbeiten die von Bendemann ge— zeichnete und von Schwerzer ausgeführte Medaille für Verdienste um das Bauwesen, ferner von der Generalverwaltung der Museen eine Medaille auf den Epigraphiker G. B. de Rossi in Rom; enblich von der Geographischen Gesellschaft zwei Medaillen mit den Bildnissen
Alexanders von Humboldt und Karl Ritters; in Gold und Silber
ausgeprägt sollen sie als Belohnung für Verdienste um die Erdkunde vertheilt werden.
Vom Antiquarium wurde eine dort befindlich gewesene Kaiser— ,. 6 Tarsus überwiesen, mit dem Herakles, der den Antaeus erdrückt.
Ankäufe von bedeutenden griechischen Münzen kamen fast nicht vor. Der Kaiserliche Konsul Tettenborn in Smyrna vermittelte wieder einige Sendungen, unter denen sich wohl manche erwünschte kleine Bronzestücke, aber nur ein werthvolles, von Ninive Claudio polis, befand. Noch geringer war die Zahl der ange— kauften römischen Münzen darunter jedoch eine sehr werth— volle, ein Aureus des Diadumenian; von diesem Sohn des Kaisers Macrinus besaß das Kabinet noch keine Goldmünze.
Zahlreicher war der Zuwachs an Mittelaltermünzen. Die Reihe der ältesten Päpstlichen wurde durch zwei des IX. Jahrhunderts ver⸗ mehrt, auf denen noch von den Päpsten die karolingischen Kaiser als die Schenker und Schützer ihres Landbesitzes genannt sind. Von späteren päpstlichen Münzen ist der Zeecchino Julius des II. zu er— wähnen, welchen er nach der Eroberung von Bologng und Vertreibung des Johann Bentivoglio 1506 von Francia prägen ließ, mit der Auf⸗ schrift ß DNN P IVL A TIRANO - LIBERAL - Bononia per Julium a tyranno liberata). Ein CQuarto ducato Clemens des FII. ist gleich nach der Plünderung Roms 1527, um dem Geldmangel abzuhelfen, aus Kirchengeräthen geprägt, ein ungewöhnliches Werth⸗ stück, das weder früher noch später vorkömmt.
Deutsche Münzen zu erwerben bot sich keine Gelegenheit; nur eine von Stendal aus dem XIII. Jahrhundert kam uns zu, welche die Aufschrift 8LIENDALESoHR hat; sie ist erst unlängst in wenigen Exemplaren aus einem Funde ans Licht gekommen.
Beträchtlicher war die Vermehrung an Medaillen, zunächst an deutschen: eine silberne des Dresdener Goldschmieds Tobias Wolf, eine Nürnbergsche auf Melchior Schedel, dann eine goldene des Her⸗ zogs Albert II. von Bayern mit goldener emaillirter Einfassung, eine ähnliche vollkommen erhaltene des Grafen Karl II. von Hohenzollern, Stamm herrn det sigmaringenschen Hauses. Diese ist von dem Nürn⸗ berger Goldschmied Valentin Maler Cf 1603); ihm darf wohl auch die schöne und zierliche goldene Einrahmung der Medaille zugeschrieben werden, die an drei Kettchen von einem Ring herabhängt.
Auch ein paar italienische Medaillen kamen uns zu. Ein großer gegossener Medaillon der Dogaressa Malipiero um 1460, eine bisher unbekannte Arbeit des venezianischen Künstlers Petrus de Domo Fani; auch einige hübsche Medaillen des Caradosso und Pomedello. Kunst⸗ geschichtlich interessant ist eine Silbermünze des Pandulfus Malatesta als Herrn von Brescia, 1404 —- 1421, mit dem Köpfchen eines Her kules, wohl nach einem antiken Vorbild, von einer Schönheit, die in so früher Zeit vereinzelt dasteht. .
Die wichtigste Erwerbung des Vierteljahrs war die in den letzten Wochen abgeschlossene: nahe an 600 Denare der römischen Republik und der ersten Imperatoren. Der englische Kapitän Sandes, dessen Bronzemünzen der römischen Kaiser vor einigen Jahren erworben wurden, hatte, auch diese Sammlung von vollkommen schönen Denaren vereinigt. Wir erhielten eine Anzahl der seltensten Stücke, die uns noch fehlten, und eine Reihe von Bildnißköpfen in der schönsten Er⸗ haltung: Cäsar, Pompeius, Antonius, sein Bruder Lucius, Labienus Augustus, seine Tochter Julia. .
S. Friedlaender.
(Fortsetzung folgt.
Krolls Theater,. Für nächsten Mittwoch ist das Debut des Tenoristen Hrn. Wilhelm Richter vom Hoftheater in Weimar angesetzt. Der Künstler tritt al; „Eleazar? in Halsvys , Jüdin“ auf. Am Bienstag wird die Oper „Martha“ wiederholt, in welcher sich Frl. Hiller als Lady und Hr, Neydhart als Lionel bereits auf das Vortheilhafteste eingeführt haben. Frl. Hermine Bely, vom Publikum bei ihrem Debut mit außerordentlichem Beifall ausgezeichnet, tritt am morgigen Sonntag nochmals als „‚Rosine' im Barbier“ auf.
Redacteur: Riedel.
Berlag der Expedition (Kessel). Druck: W. Elsner. Sechs Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage).
Berlin:
zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.
Erste Beilage
Berlin, Sonnabend, den 5. Mai
1883.
ntsich es.
d 1. Berlin, 5. Mai. Die gestrige Nachmit⸗ ta r Reichstags wurde um 2 Uhr 25. Min. vom Prasidenten von Levetzow mit der Ertheilung einiger Urlaubs⸗ *,, in die Tagesordnung bemerkte der Abg. Dirichlet zur Geschäftsordnung, zu seinem Bedauern müsse er den Antrag stellen, die eben eröffnete Sitzung zu vertagen, da diejenigen Formalitäten nicht erfüllt seien, die zu erfüllen seien, sobal? es sich um die Anberaumung einer neuen Sitzung handele. Es heiße in der Geschäfts ordnung: Die Tagesord— nung werde durch den Druck mitgetheilt, und nmüsse den ein zelnen Mitgliedern zugestellt werden. Diese Vestin mung sei hier nicht erfüllt. Die größere Hälfte der Mitglieder des Reichstags sei hier nicht im Saale anwesend gewesen, habe alfo die Tagesordnung gar nicht lesen können. - ;
Der Präsident von Levetzow erwiderte, er werde selbst⸗ verständlich den Antrag auf Vertagung zur. Abstimmung bringen, berufe sich aber ausdrücklich auf ein HPräzedens im Jahre 1879, wo nach einer durch Beschlußunfähigkeit beendeten Sitzung darauf eine zweite Sitzung. eröffnet i. .
Der Abg. Richter (Hagen) erklärte, im Jahre 1879 habe er nur Widerspruch erhoben, ohne Abstimmung zu verlangen, damals habe aber ein Zeitraum von 1— Stunden zwischen den Sitzungen gelegen, heut nur ein solcher von 1 Stunde. Die Linke würde auf, den Buchstaben der Geschästsordnung nicht bestehen, wenn sie sich nicht in außerordentlichen Um⸗ ständen befände. Wenn die Mehrheit des Reichstages und des preußischen Abgeordnetenhauses derartige Sitzungen an, heraume, so sei es nicht möglich, seinen Pflichten an beiden Stellen zu genügen, und gebe es kein anderes Mittel für die Minorität, als von der Geschäftsordnung zu ihrem Schutze den ausgedehntesten Gebrauch zu machen. .
Der Abg. Frhr. von Minnigerode erklärte, er müsse doch dem Abg. Richter bemerken, daß der Zwischenraum beute nicht „, sondern „, Stunden betragen habe, und außerdem berufe er sich auf frühere analoge Fälle, wo das Haus in anz ahn⸗ licher Weise gehandelt habe, auch hei mangelnder Beschluß— fähigkeit des Hauses. Die Bemerkung wolle er noch chinzu⸗ fügen, daß die Geschäftsordnungsreden die Geschäste des Hanf selbst nicht förderten. Wenn man meine, sich in dieser Wife bei der ersten Lesung des Etats, wo es zu entscheidenden Ab⸗ stimmungen nicht komme, widersetzen zu müssen, so verstehe er das nicht. I‚n Uebrigen müsse er den Herren die Verant⸗ wortung überlassen für die Unzuträglichkeiten, welche sie durch die Vertagung herbeiführen würden. .
Der Präsident konstatirte nochmals, daß in der Sitzung vom 7. Juni 1879 das Haus in seiner Majorität sich zu dem Verfahren entschieden habe, was er heute eingeschlagen habe.
Der Abg. Pr. Windthorst betonte, die Frage, ob die Herren sich in der Minorität befanden oder nicht, komme hier gar nicht in Betracht. Das Haus werde in die Generaldebatte des Ctats eintreten, in welcher vorläufig ein Beschluß nicht gefaßt werde. Er bedauere die Lage der Verhältnisse im Rbgeordnetenhause; aber ohne die Regierung könne man ja nichts anderes machen. Wenn die Herren von der Linken ihren Willen durchsetzen wollten, bleibe ihnen nur übrig, die Beschlußfähigkeit des Hauses zu bezweifeln.
Der Abg. Dr. Dirichlet erwiderte, für die Linke handele es sich einfach um die Frage, ob sie sich bewußt in einen Zustand durch ihre thätige Mithülfe hineinversetzen lassen solle, welche mit der Stellung seiner (des Redners) Partei hier wie im Abgeordnetenhause nicht mehr vereinbar sei. wie auch der Abg. Windthorst wiederholt anerkannt habe, Wenn dem Abg. Windthorst die heutige Abendsitzung im Abgeord⸗ netenhause nicht lieb sei, warum habe derselhe denn nicht gegen dieselbe gestimmt? (Rufe: Zur Sache ) Der Abg. Windthorst habe diesen Punkt berührt, und er werde sich das Recht nicht nehmen lassen, demselben darauf zu antworten, die Cenfur sei Sache des Präsidenten und im Uebrigen seien ihm die Interjektionen absolut gleichgültig. Der Äübg. Windthorst habe es in der Hand gehabt, gegen den Antrag Köhler zu votiren. Der Abg. Windthorst trage also mit seinen politischen Freunden auch die Verantwortlich⸗ keit für die Situation, in der man sich befinde. Was die Anzweifelung der Beschlußfähigkeit betreffe, so wolle er sich nicht binden, daß er von derselben keinen Gebrauch mache.
Der Abg. Br. Windthorst erklärte, er habe deswegen für die Abendsitzung gestimmt, weil er sonst hätte fürchten müssen, daß die Debatte über die Simultanschulen erst in der näch⸗ sten Woche zu Ende geführt werden könnte. ö.
Der Abg. Richter (Hagen) bemerkte, daß Reichstag und Landtag an demselben Tage gesessen. hätten, sei schon vor— gekommen, daß aber an demselben Tage auch noch eine dritte Sitzung stattfinde, übersteige doch alles; der jetzige Zustand sei nicht geeignet, die Würde des Parlaments zu erhöhen; wenn man Las absichtlich herbeisühren wollte, hrauchte man sich wahrlich keines andern Verfahrens zu bedienen. Diesem Zu⸗ stand mit allen Mitteln her Geschästsordnung ein Ende zu machen, sei der Zweck, den die Linke verfolge. Der Abg. Winzthorst habe durch seine schwankende, stets vermittelnde Haltung diesen Zustand verschuldet. Wenn der Abg, Windt— horst nicht nur geklagt, sondern seiner sonstigen Thatkraft entsprechend, sich gegen das Zusammentagen erklärt hätte, so würde man nicht in diese Lage gekommen sein.
Der Abg. Frhr. von Minnigerode erklärte, wenn der Abg. Richter sage, er (der Abg. Richter) müsse alle Mittel der Geschästsordnung anwenden, so mache er darauf aufmerk— sam, daß auf Grund der Geschäftsordnung der Antrag Dirichlet erst zur Abstimmung kom]men könne, wenn die De— batte bereits begonnen habe. Nach §. 53 der Geschästsordnung könne eine Debatte vertagt werden, wenn der Antrag die Unterstützung von 30 Mitgliedern erhalte. ö
Der Präsident erwiderte, daß er auf Grund der Geschästs⸗ ordnung berechtigt sei, über den Antrag Dirichlet abstimmen zu lassen. ⸗
Der Abg. Dr. Windthorst bedauerte, daß der Abg.
Ansehn des Reichstags nicht vermehren. Der Abg. Richter solle ihm (dem Redner) doch einen Punkt nennen, worin er schwanke. Die Linke wisse überhaupt nicht, wo sie stehe. Er sei gewohnt, genau zu wissen, wie weit er gehen könne. Den Kopf sich einzurennen, überlasse er Anderen. . Der Abg. Dirichlet bemerkte, der Abg. von Minnigerode scheine die Vertagung einer Debatte über einen bestimmten Gegenstand mit Vertagung einer Sitzung zu verwechseln. Was derselbe zitirt habe, passe nicht auf den vorliegenden Fall. Im Uebrigen würde er bealsichtigen, die Beschlußfähig— keit des Hauses in Frage zu ziehen. . Der Präsident erwiderte, der 8. 63 der Geschästsordnung bestimme, daß, wenn ein Antrag auf Vertagung einlaufe, ohne weitere Motivirung und ohne Diskussion darüber abge⸗ stimmt werden solle. . Der mid, r. von Minnigerode erklärte, der Abg. Dirichlet sei der Meinung gewesen, daß 8. 53 nicht zutreffe, er behaupte nach wie vor, daß in der ganzen Geschästsord⸗ nung des Reichstages überhaupt nur in 5. 53 davon die Rede sei. ; . . Der Präsident von Levetzow schritt zur Abstimmung. Der Abg. Richter rief, er bezweifle die Beschlußfähigkeit des Hauses. Der Präsident erklärte, das Haus befinde sich in der Abstimmung. ᷣ . ; * ö amg ergab, daß der Antrag Dirichlet ab⸗ lehnt wurde. - ö . Abg. Richter stellte nochmals den Antrag auf Ver⸗ tagung und behauptete, Abg. Dirichlet habe die Beschluß⸗ fähigkeit des Hauses angezweifelt. . Der Präfident erklärte, er habe sein Verfahren zu recht— fertigen. Er berufe sich auf das Zeugniß der anw e sen den Mit⸗ glieder. Der Abg. Windthorst habe den Abg. Dirichlet auf⸗ merksam gemacht, daß, wenn derselbe seinen. Zweck erreichen wolle, er die Beschlußfähigkeit anzweifeln müsse, und der Abg. Dirichlet habe dies abgelehnt. . Der Abg. Dirichlet bemerkte, er habe es sich vorbehalten, habe aber die Beschlußfähigkeit des Hauses nicht angezweifelt. Der Präsident erklärte, der Abg. Richter habe nochmals den Antrag auf Vertagung gestellt, dieser Antrag könne jeder⸗ zeit gestellt werden. ; ⸗ J ‚ Der Abg. Richter (Hagen) bemerkte, daß nach seiner An— sicht die Beschlußfähigkeit des Hauses nicht vorhanden sei. Es ersolgte hierauf ein Namensaufruf, der die Anwesen⸗ heit von 185 Mitgliedern ergab. Somit war das Haus nicht
beschlußfähig. und beraumte die nächste auf Sonnabend Mittag 1 Uhr an. — Die in der gestrigen (78.) Sitzung des Reichs⸗
setzes, betr. die Abänderung der Gewerbe- Ordnung (8. 148) nach dem Abg. von Kleist⸗Retzow vom Regierungskommissar Geh. Regierungs-Rath Bödiker gehaltene Rede hat folgenden Wortlaut: . .
Meine Herren Dem Antrage des Herrn Vorredners, den vor— liegenden Antrag nicht annehmen zu wollen, kann ich mich nur an⸗ schließen. Es handelt sich eben, — und bas ist das unterscheidende
des Hausfriedensbruches — um die öffentliche Ordnung in po lizei⸗ licher Hinsicht. Die Aufrech terhaltung dieser öffentlichen Ordnung pflegt nirgendwo von Anträgen abhängig gemacht zu werden. — Wenn von jener Seite (links) gesagt wird, daß Leute, die nicht Hausirer sind, ohne Erlaubniß in die Wohnungen ein— treten können, obne riskiren zu müssen, gestraft zu werden, so ist zu bedenken, daß die Hausirer gerade in Folge ihres Gewerbebetriehes fortgesetzt in fremde, nicht selten isolirt gelegene und unbewachte Häufer einzutreten veranlaßt sind, und daß einem solchen Gewerbe— betriebe gegenüber ein gewisser Schutz für die betreffenden Haus⸗ bewohner denn doch in der That angezeigt ist. Der Hauptgesichte: punkt, der von jener (linken) Seite für den Antrag geltend gemacht wurde, führt in seiner Schlußperspektive dazu, daß die Strafhestim—⸗ mung überhaupt keinen Werth mehr hat. Die Annahme des gestellten Antrags kommt der Streichung der Strafvorschrift vollständig gleich, theils mit Rücksicht auf die Bequemlichkeit und Nachlässigkeit der Leute, welche den Strafantrag würden stellen müssen, theils mit Räücksicht
denn unzweifelhaft wird mancher einen Strafantrag nicht stellen cut Furcht vor der Rache des Hausirers. Formell habe ich sodann dem Auntrage das Bedenken entgegenzustellen, daß derselbe ein ganz neuer Prinzip in die Gewerbeordnung einführt. Die Gewerbeordnung kennt keine Verhängung von Strafen auf Grund eines Antrags, sie hat feine ‚Antrage vergehen“ und „Antragsübertretungen?. Hier würde der „Antrag“ zum eisten Male als Voraussetzung, der Strafbarkeit eingeführt werden. Wenn Sie nun aber die Bestimmungen der Ge⸗ werbeordnung durchsehen wollten, so würden Sie eine ganze Reihe von Bestimmungen finden, bei denen eben so sehr, wenn nicht noch mehr, ein Antrag als Voraussetzung der Bestrafung gerechtfertigt wäre, 3. B. die Bestimmung in 8. 148, daß es strafbar sei, die genehmigten Taxen zu überschreiten, — ein Droschkenkutscher, der die Tare über⸗ schreitet, ist strafbar, auch ohne Antrag des Geschädigten, — ferner die Bestimmung des §. 147, daß es strafbar sei, ohne Genehmigung gewisse Anlagen zu errichten, die durch Rauch 2c. die Nachbarschaft belästigen, und namentlich die sehr wichtige, das Trucksystem betreffende Bestimmung des §. 146, wodurch die Gewerbetreibenden unter Strafe gestellt werden, die bei der Zahlung des Lohnes dem 5. 115 zuwider— handeln. Es sind das lauter Vorschriften, die wesentlich mit auf dem Gebiete des Priyatrechtes liegen; aber in keinem dieser Fälle bedarf es des Antrages zur Begründung der Strafbarkeit — Nun bedenken Sie die Konsequenzen der Annahme Ihres Antrags. Endlich erwidere ich dem Hrn. Abg. Munkel, daß eine so exorbitante Bestimmung hier garnicht in Frage ist. Die Bestimmung ist vielmehr altes preußisches Recht, und es handelt sich nicht nur um fahrlässige Uebertretungen, sondern auch um ein muthwilliges Eindringen in die Wohnungen; auch dieses würde nach Ihrem Antrage nur auf Antrag strafbar sein. Das preußische Haufirregulativ vom Jahre 1824 setzte auf das muth⸗ willige Eintreten in Häuser ohne vorgängige. „Aufforderung unfehlbar“ Gefängnißstrafe (36. 29), auf nicht muthwilliges Eintreten ohne Aufforderung stand Geldstrafe, und ähnlich waren die Bestim— mungen in anderen deutschen Staaten. Daß die grundlegende Hauzt⸗ bestimmung auch in dem Gewerbeordnungsentwurfe vom Jahre 1869 gestanden hat, habe ich früher bereits ausgeführt. .
Die Strafvorschrift soll eine erziehende, eine warnende Wirkung auf die Hausirer äußern; die übelwollenden Hausirer werden sich aber um die Bestimmung außerordentlich wenig kümmern, wenn sie wissen,
Richter jede Veranlassung zu persönlichen Angriffen benutze. Das könne unmöglich zu eiwas Gutem führen und werde das
daß sie eventuell nur auf Antrag bestraft werden. Der Umstand, daß die Anwendung des Paragraphen möglicherweise Härten zur
Der Präsident schloß hierauf die Sitzung um 31 Uhr
auf deren Unwissenheit und Indolenz und häufig auch Furcht;
Folge haben kann, darf nicht hindern, ein an und für sich als richtig erkanntes Prinzip zur Geltung zu bringen. Uebrigens ist nichts leichter, als mit der hier fraglichen Strafvorschrist nicht in Kon—⸗ flikt zu kommen. Ein gesitteter Hausirer läuft diese Gefahr nie⸗ mals. Wenn der Hr. Abg. Dr. Baumbach sagt, es sei iu bedenken, daß auch auf die mit landwirthschaftlichen Produkten Hausirenden die Bestimmung Anwendung finden könne, so glaube ich, daß derartige Hausirer kein Gewicht darauf legen, weniger höflich oder gesittet sein zu dürfen, als andere Hausirer. Also insofern kann man die Landwirthschaft gegen die Vorlage hier nicht ins Gefecht führen. Aus diesen Gründen und mit Rüͤcksicht darauf, daß gerade der von dem Hrn. Abg. Baumbach zitirte §. 59 überhaupt zu Um⸗ gehungen leicht benutzt werden könnte, wenn nicht auch dieser Para⸗ graph unter der vorliegenden Strafsanktion stände, möchte ich bitten, den Antrag abzulehnen und den Paragraphen, so wie er lautet, an— zunehmen.
— Die gestrige Abendsitzung des Hauses der Ab⸗ geordneten, welcher der Vize-Präsident des Staatz⸗ Ministeriums von Puttkamer und der Minister der geist⸗ lichen c. Angelegenheiten von Goßler, sowie mehrere Regie⸗ rungskommissarien beiwohnten, wurde vom Präsidenten um 7 Uhr eröffnet. . .
Das Haus setzte die Debatte über die Petition der Cre⸗ felder Stadtverordneten, betreffend das Simultanschul⸗ wesen, fort. Die Petenten baten, daß die zu Crefeld zu Recht bestehenden paritätischen Volksschulen erhalten bleiben möchten. . . ö
Hierzu lagen folgende Anträge vor:
Die Kommission beantragte:
Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen:
1) Ueber die Petition der Stadtverordneten von Crefeld, de Greiff und Genossen, II. 382 zur Tagesordnung überzugehen, 2) die Petition der 3274 Bürger Crefelds, Matthias und Ge- nossen, II. 630, durch diesen Beschluß für erledigt zu erklären,
3) die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, von dem in der Verfügung vom 16. Juni 1876 ausgesprochenen Grundsatz, daß:
„die Genehmigung zu paritätischen Schuleinrichtungen nicht
versagt werden solle, wenn da, wo die Schulunterhaltungs⸗ pflicht der bürgerlichen Gemeinde obliegt, Seitens der
Gemeindebehörden ein dahingehender Antrag gestellt werde“ in Zukunft Abstand nehmen zu wollen.
Hierzu lag folgender Abänderungsantrag der Abgg. Senf⸗ fardt (Crefeld) und Genossen vor ;;
Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen: . Die Petitionen der Stadtverordneten von Creseld, de Greiff und Genossen, und der 3274 Bürger Crefelds, Matthias und Ge— nossen, II. Nr. 382 und 630 der Königlichen Staatsregierung zur Berücksichtigung zu überweisen.
Endlich lag von den Abgg. von Rauchhaupt und Gen. ein Antrag auf motivirte Tagesordnung vor, in welchem die Ne⸗ solution der Kommission (ad 3) zur Erwägung der König⸗
* es Rerchs⸗ lichen Staatsregierung gestellt wird. tags bei der zweiten Berathung des Entwurfs eines Ge-⸗
Der Abg. Dr. Langerhans sprach für den von ihm mit⸗ unterstützten Antrag Seyffardt (Crefeld), die Petition der Königlichen Staatsregierung zur Berücksichtigung zu über⸗ weisen. Ein paritätischer Staat wie Preußen müsse auch paritätische Volksschulen haben. Hinsichtlich der Unterrichts⸗ erfolge seien die Simultanschulen den konfessionellen Schulen durchaus ebenbürtig; außerdem verlange die Gerechtigkeit, daß
6 . ö. en in Gegenden mit Bevölkerung verschiedener Konfessionen auch die Moment für die uns hier beschäftigende Materie gegenüber der Frage in Gegenden mit Bevölkerung verschie f
Angehörigen der in der Minderzahl vertretenen Konfession ihren Kindern eine gute Schulerziehung angedeihen lassen könnten. Das sei aber nur möglich, wenn in solchen Gegenden Simultan⸗ schulen errichtet würden. Mit der Zunahme der Schulbildung nähmen die Verbrechen notorisch ab. Das Centrum wünsche, daß das Volk nicht zu viel lerne; die Liberalen wünschten im Gegentheil, daß die Leute auch der niederen Klasse so viel lernten, wie irgend nach den Verhältnissen möglich sei. Nur dadurch könne man das Proletariat nennenswerth vermindern. Er bedauere, daß ein preußischer Kultus-Minister durch Ab- schiffung der paritätischen Schulen eines der besten Mittel zur Erhaltung des konfessionellen Friedens von der Hand were. ö . Der Abg. von Tiedemann (Inowrazlaw) erklärte sich Namens seiner Partei für den einfachen Uebergang zur Tagesordnung. Nur in konfessionellen Schulen. könne reli⸗ gißser Sinn geweckt werden. In den Simultanschulen werde nicht der konfessionelle Friede gefördert, sondern es träten darin die konfessionellen Gegensätze hervor und würden ge⸗ schärft. Gerade im Interesse des Friedens unter den
Konfessionen müsse die Konfessionsschule die Regel sein. Allerdings müsse man für manche Gegenden, wo be⸗ stimmte Ausnahmeverhältnisse vorlägen, Simultanschulen zu⸗ lassen. Keine Provinz in Preußen aber sei weniger geeignet für Versuche mit Simultanschulen, als die Rheinprovinz und in der Rheinprovinz wieder keine Kommune weniger, als gerade Crefeld. Dem Abg. Langerhans bemerke er, daß es ein großer Fehler sei, die Schule zum Versuchsfeld für poli⸗ tische Experimente zu machen. Er werde also für die Num⸗ mern 1 und 2 der Kommissionsanträge stimmen; die ad 3 von der Kommission beantragte Resolution halte er allerdings ür verfehlt. ;. t Hierauf wurde die Diskussion geschlossen, der Antrag Seyffardt abgelehnt, dagegen der Antrag von Rauchhaupt mit 158 gegen 127 Stimmen angenommen. ;
Hierauf vertagte sich auf Antrag des Abg. Windthorst um Sis hr das Haus auf Sonnabend 9 Uhr.
Statistische Nachrichten. ⸗
Der schon erwähnten „Statistik. der zum Ressort des Königlich preußischen Ministeriums des Innern gehö⸗— renden Siraf‘ und Gefangenanstalten pro 1. April 1851.82“ entnehmen wir weiter noch folgende Angaben: Ueber den Gesundheitszustand und die Sterblichkeit der Gefangenen wird be⸗ richtet, daß im täglichen Durchschnitt 1071 Kranke waren, darunter Zuchthausgefangene 12, und zwar Lazarethkranke S57, darunter Zuchthausgefangene 634, Rexierkranke 214, darunter Zuchthausgefan⸗ Jene 75. Der Durchschnittsbestand an Kranken überhaupt stellt sich hiernach zur Durchschnitts-Kopsstärke auf 3,86 oö bei den Männern und 4,965 oo bei den Weibern und 3.59 0/0 gegen 3,81 9,0 de 1880⸗81 bei beiden Geschlechtern zusammen, und zwar bei den Zuchthausgefangenen auf 3,32 bezw. 3.76 und 338 0 gegen 344 de 1880ñ81. Aus dem Lazareth schieden mit Einschluß