1883 / 106 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 08 May 1883 18:00:01 GMT) scan diff

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so werde die Regierung in der Kirchenpolitik solche Sprünge machen, daß man alles Wetter leichter voraussagen könne, als die Haltung der Regierung; die Regierung wechsele also ihre AÄnsichten viel häufiger als das Volk; das gelte vom Kulturkampf wie von der Wirthschastspolitik. Die öffentliche Meinung sei so wenig veränderlich, daß die Regierung bei den Wahlen sich stetig bemühe, diese Meinung zu verändern; nichts anderes thäten alle Regierunge beamten bei den Wahlen vom Minister herab bis zum Landrath; alle jene kleinlichen Kunstgriffe aus der Zeit der Reaktions-Minister Westphal und von Manteuffel, zu denen Fürst Bismarck früher, als derselbe auf andere Weise eine Mehrheit sich habe schaffen können, zu vornehm gewesen sei, würden jetzt wieder hervorgesucht. Könne es ein größeres Zeugniß von Mißachtung des Reichs⸗ tages geben, als die citirten Worte des Ministers Scholz? Je mehr aber die verfassungsmäßigen Rechte Deutschlands eingeschränkt seien im Verhältniß zu denen anderer konstitu—- tioneller Staaten, um so mehr müsse has Haus darauf achten, daß sein Geldbewilligungsrecht nicht thatsächlich eingeschränkt werde.

Hierauf ergriff der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Staats⸗-Minister Scholz das Wort: ü

Die Nachlese des Herrn Vorredners zu der Sonnabendsitzung hat wieder mit den „70 Herren begonnen, und er hat, ich weiß nicht, ob es geschmackvoll war, mir eine „buregumäßige Auf⸗ fassung“ imputirt, deshalb, weil ich gemeint habe, daß das Schicksal dieser 70 Herren nicht entscheidend sein könne für die Frage des Zusammentagens der Parlamente des Reichs und Preußens, wenn nämlich die Angelegenheiten des Reichs und Preußens ein solches Zusammentagen erforderlich machen. Meine Herren, der Herr Abge⸗ ordnete hat in dem Zusammenhange einen Satz ausgesprochen, von dem ich nur beklagen kann, daß er und seine Freunde ihn nicht bewahrheitet haben, denn sie befinden sich dabei vollständig auf demselben Standpunkte, den die Regierung ihrerseits ein⸗ genommen hat, als sie Ihnen vorgeschlagen hat, in geordneter Weise dafür zu sorgen, daß dasjenige erreicht werden könnte, was der Herr Abgeordnete als sein Hauptziel gegenüber dieser ver— meinflich bureaumäßigen Auffassung im Auge hal. Der Herr Abge⸗ ordnete sagte etwas pathetisch: wir wollen, daß die gesammte politische Welt Antheil nehmen soll an unseren Arbeiten, ihr Auge ungetheilt auf das lenken, was jeweilig das große Parlament, sei es den Reichstag, sei es den Landtag, beschäftigt. Ja, meine Herren, was hat denn die Regierung anders gewollt? Hat nicht bei Vor— legung des Gesetzentwurfs wegen der zweijährigen Etatsperioden die Regierung ausdrücklich gesagt: wir halten es für einen ganz üblen Zustand, für einen auf die Länge der Zeit nicht wohl zu ertragenden 3 daß zu derselben Zeit das Interesse der Nation so nach ver— schiedenen Richtungen auseinandergezogen werden soll? Die Regierung hat allerdings dabei auch auf die Herren Rücksicht genommen, welche nach dem Willen ihrer Wähler in beiden Ver— sammlungen die einzelnen Wahlkreise zu vertreten haben sollten. Aber höher hat ihr doch das andere Ziel gestanden, gerade dasselbe, was der Herr Abgeordnete bezeichnet hat. Ich bedaure also nur, daß Sie diese Bestrebungen der Regierung, in geordneter organischer Weise dafür zu sorgen, daß die Theilnahme der gesammten Nation an dem öffentlichen politischen Leben stets möglich sei, nicht besser unterstützt haben.

Der Herr Abgeordnete hat geglaubt, einen großen Trumpf ausspielen zu können mit den 7 Millionen, die hinter den 70 Herren stehen. Ich will kalkulatorisch die Rechnung nicht zu genau ansehen, ob 7 Millionen dahinter stehen; jedenfalls stehen dann auf der anderen Seite ca. 35 Millionen, und nach den Prinzipien der Fort— schrittspartei ist es mir gar nicht erfindlich, wie gergde diese 7 Millionen den Ausschlag geben sollen; nach Ihren Prinzipien müßten Sie anerkennen, daß die Majorität größere Rücksichten erfordert, daß nicht die Geschicke Deutschlands und Preußens an eine Minorität von 7 Millionen gegen 35 gekettet werden dürfen.

Die zweite Bemerkung widmete der Herr Abgeordnete der Frage der Anträge, welche von dem hohen Hause an die Regierung zu richten seien. Er hat sie generell erörtert, weil sie, wie ich anerkenne, eine nicht unerhebliche formelle Bedeutung haben für die ganze Etats— berathung. Ich bedaure nur, daß der Herr Abgeordnete sich aber nicht hat genügen lassen an dem, was hier gesprochen und verhandelt worden ist, und an dem, was er aus den früheren Verhandlungen beizubringen für nöthig erachtet hat, sondern daß er, um eine heftige Polemik zu machen, es für nöthig befunden hat, ein, zwei, drei Zeitungsartikel hereinzuziehen. Ich kann ihm auf dem Gebiete nicht folgen, ich will nur im Allgemeinen sagen: es ist ja sehr möglich, daß hier und da schon so etwas vorgekommen ist, daß die Regierung darauf nicht aufmerksam gewesen ist oder ihre Gründe gehabt hat, es nicht in den Vordergrund zu stellen. Man kann nicht zu allen Zeiten allen Fragen die gleiche Wichtigkeit beilegen und sie alle zu gleicher Zeit aufnehmen wollen; es kann sehr gut der Fall gewesen sein, daß damals Gründe vorgelegen haben, Über diese Aeußerlichkeiten hinweg zu gehen; ich glauhe aber, der Standpunkt, der neulich hier zum Ausdruck gekommen ist, ist doch ganz korrekt, und ich will, da wir gerade hier auf diesen Theil der früheren Verhandlungen zurückgekommen sind, auch meinerseits in strengerer Beschränkung auf dasjenige, was hier verhandelt worden ist, auf dieselben Verhandlungen zurückkommen.

Ich war damals nicht von Anfang an im Hause und hatte den Zusammenhang dieser übrigens bei der Gewerbenovelle sich abspielen den Auseinandersetzungen nicht vollständig mitangehört, so daß ich mir deshalb auferlegte, zu schweigen, als ich den Hrn. Ahg. Richter hörte, wie er dem Herrn Kriegé-Minister gegenüber 5 bis 6 Mal das Wort gebrauchte, er sei Bevollmächtigter des Bundesrathes. Mir war es auffällig, da ich voraussetze und weiß, daß der Hr. Abg. Richter die Verfassung und die Bezeichnung der einzelnen Organe im Reiche so genau kennt wie irgend Jemand, daß er fort während diesen falschen Ausdruck gebrauchte, bis er kurz nachher die merkwürdige Schlußanwendung daraus machte, also hätte der . Kriegs⸗Minister hier noch der Majorität des Bundesrathes, im Finverständniß oder nach Anweisung des Vorsitzenden des Bundes rathes zu reden. Er hätte nicht Sr. Majestaͤt dem Könige von Preußen Vortrag zu halten, sondern der Reichskanzler hätte dem Kaiser Vortrag zu halten; das wäre das richtige Verhältniß. Wie koꝛnme der Herr Kriegs-Minister dazu, hier im Namen des Königs von Preußen zu sprechen und mit Hinweis auf ihn die Sache zu ver handeln? Ich habe damals geglaubt, ich hörte nicht recht, einen solch verfassungskundigen Herrn wie den Hrn. Abg. Richter eine solche Theorie aufstellen, die mit unserem verfassungsmäßigen Zustande auch nicht das Gexingste gemein hat.

Meine Herren! Es giebt Bevollmächtigte zum Bundesrath (Aha! links; sehr richtig! rechts; Unruhe und Heiterkeit), meine Herren, ich weiß nicht, wie Sie darüber schon jubeln können, wenn ich nun anfange, Ihnen erst das auseinanderzusetzen, das ist mir nicht ganz erklärlich, hören Sie nur erst weiter, also es giebt Bevoll— mächtigte zum Bundesrgthe und nicht des Bundesraths, und zwar Bevollmächtigte Sr. Majestät des Königs von Preußen zum Bundesrathe. Und ein solcher Bevollmächtigter habe ich die Ehre zu sein, und hat der Herr Kriegs ⸗Minister die Ehre zu sein, und als solche Bevollmächtigte haben wir natürlich das zu vertreten, was unser Herr Machtgeber uns beauftragt, nicht was die Körperschaft will, zu der wir eben bevollmächtigt sind. Nun ist das ein so natürliches Verhältniß, daß es gar nicht noch erörtert zu werden brauchte, daß gar nicht erst noch eine, besondere Garantie dafür irgendwo. zu. finden nöthig wäre. Aber der Hr. Abg. Richter soll te doch wissen, daß zum Ueberflusse Art. 9 der Verfaffung aus⸗ drücklich sagt:

Jedes Mitglied des Bundesraths hat das Recht, im Reichstage zu erscheinen u. s. w, um die Ansichten seiner Regierung zu vertreten, auch dann, wenn dieselben von der

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. des Bundesrathes nicht adoptirt worden nd.

Meine Herren! Das ist die Rechtslage. Es war vielleicht eine nicht ganz verbindliche Aeußerung, die der Hr. Abg. Richter damit verband, indem er andeutete, der Herr Kriegs-⸗Minister wohne noch nicht so lange diesen Verhandlungen bei, um alle die Gebräuche hier zu kennen. Ich glaube, das war das Einzige, was dem Herrn Kriegs⸗ Minister vielleicht unbekannt war, daß hier jo leicht auf Sand gebaut würde, um einen Angriff gegen die Regierung und gegen die anwesenden Vertreter der Regierung zu bauen. Der Herr Ab— geordnete hat sich dann als dritten Punkt für die Nachlese vom Sonnabend meine Bemerkung gewählt, daß es in der That jetzt mehr und ärgere Angriffe gegen die kleinen und großen Behörden gebe wie je, und daß dadurch die Empfindlichkeit auf deren Seite gesteigert worden sei. Ich habe schon am Sonn⸗

abend ausdrücklich gesagt, meine Herren, daß ich das gar nicht meiner⸗

seits etwa willkürlich in die Debatte hereingebracht habe, sondern daß ich blos zur Abwehr einer elegischen Betrachtung des Hrn. Abg. Bamberger den entgegengesetzten Standpunkt vertreten, und nur darauf aufmerksam gemacht habe, wohin man komme, wenn man in so einseitiger Weise die Dinge betrachte und darstelle. Der Herr Abgeordnete ist aber nun heute, hiervon wie aus einem Ausfalls—⸗ thore weitergegangen und hat gemeint, die Schuld an allen diesen Uebelständen liege darin, daß die Regierung die Parteien im Lande und selbst die einzelnen Abgeordneten mit ihren Angriffen in un⸗ erhörter Weise verfolge; er hat gesagt, das sind die Mittel des Welfenfonds, Hunderttausende aus dem Reptilienfonds würden

jährlich auf diefe Weise ausgegeben und verwendet zur Herabwür⸗ n t bei ausgeführt, daß das Bedenkliche in unseren Zuständen die that⸗

digung des Parlamentarismus, zur Beleidigung und Verleumdung der Abgeordneten. Meine Herren! Ich glaube nicht, daß der Hr. Abg. Richter durch irgend eine Indiskretion oder sonst wie Nachrichten über die Verwendung desjenigen Fonds, den er mit dem Namen Rep⸗ tilienfonds bezeichnet, zugegangen sind, sollten ihm solche durch Indiskretion zugegangen sein, so möchte ich gewärtigen, das er, wie es ihm sonst wohl auch nicht fern liegen würde, davon hier Gebrauch macht. Es würde sich das Weitere daran anknüpfen lassen. Bis da—⸗ hin bestreite ich, daß in dieser Weise, wie der Hr. Abg. Richter hier das als Thatsache glaubte hinstellen zu können, Verwendungen dieser Art stattfinden zur Herabwürdigung des Parlamentarismus,

zur Beleidigung und Verleumdung der Abgeordneten. Ich meine, meine Herren, daß die Kühnheit, ohne Thatsachen, die dafür sprechen, ohne

die Entschlüsse der Regierung zu kennen, die in dieser Beziehung zur Ausführung gelangen, der Regierung unterzuschieben, daß sie in ihrer . befindliche Mittel zur Herabwürdigung des Parlaments, zur Beleidigung und Verleumdung der Abgeordneten verwendet, daß diese

Kühnheit eine ganz enorme ist, wie man sie sich eigentlich gar ten . ĩ Organisation der Reichsverwaltung das Hinderniß wäre, der ist im Irrthum oder sucht irriges nach Außen zu verbreiten.

nicht vorstellen kann. Ich kann ja damit hinter Ihrer Auffassung zurückbleiben; aber für mich erscheint sie sehr groß.

Der Herr Abgeordnete hat dann, an einer Stelle meiner Rede ; für das Eintreten in die Etatberathung zu jetziger Zeit zwei Gründe mir denn nicht bekannt sei, daß der Cäsarismus den Uebergang geltend gemacht, erstens die Allerhöchste Botschaft und zweitens eine Rede des Hrn. Abg. Richter vom Jahre 1873. Ich glaube nicht,

rom Sonnabend Anstoß nehmend, seine Warnung ertönen lassen, ob

zur Republik bildet. Ich könnte ihn varauf fragen: wissen Sie denn nicht, daß die Republik sehr oft den Uebergang jum Cäsarismus gebildet hat? Aber, meine Herren, ich halte das über⸗ haupt für ganz unerheblich. Bei uns ist Gottlob von beiden nicht die Rede, weder von Cäsarismus noch von Republik.

Der Herr Abgeordnete hat, und ich freue mich, daß mir das Gelegenheit giebt, auf die persönliche Bemerkung jetzt zu ant⸗ worten, die der Abg. Bamberger am Schlusse voriger Sitzung gemacht

hat, gesagt, es sei eine nicht erlaubte Kampfesweise, ich glaube

so drückte er sich aus, daß ich mit dem Hrn. Abg. Bamberger, an⸗ de ̃ en, u gewissen Beruhigung der Debatte und zur Abschneidung von großen

knüpfend an das Wort „jetzt“ bei der Behauptung, daß der ein Narr fei, der republikanische Einrichtungen in Deutschland anstrebe, daß ich durch meine Betonung des Wortes „jetzt“' in unerlaubter Weise

gewissermaßen mit dem Hrn. Abg. Bamberger debattirt habe. Der Hr. Abg. Bamberger hat zu meiner Freude eine Erklärung am

Schlusse der neulichen Verhandlung abgegeben, die es mir vollkommen annehmbar macht, denn ich habe gar keinen Grund, irgend etwas Anderes vorauszusetzen, als was er gesagt hat, daz er bei dem Worte jetzt? an den Gegensatz gegen die Vergangenheit, insbesondere an 1848 gedacht hat. Er hat das ausdrücklich erklärt, und ich freue mich dessen. Ich kann aber nun sagen: Nach dem, was ich gehört und was ich über diese Rede der stenographische Bericht

liegt noch nicht vor in den Zeitungen gelesen habe, ist es nicht we ti ; J müssen. Er hat gesagt: Kämen wir zu einem Gesetze über die

meine Schuld, wenn ich dem „ietzt“' eine Beziehung auf die Zukunft

gegeben habe. Die Worte lauteten: ‚„Man kann sehr gut Repu⸗ blikaner in abstracto sein, aber wer in unserm lieben Deutschland gesetz, wie es damals allgemein genannt wurde, dann müßte S. I die ses Gesetzes lauten:

jetzt eine republikanische Verfassung erstreben wollte der wäre ein reiner Narr.“ Das „jetzt“ ist ganz ohne jede nähere Bezeichnung hin⸗ gestellt, und darum habe ich es auch so verstehen zu müssen geglaubt,

wie ich andeutete; mein Blick ging allerdings ron selbst in die Zu⸗ kunft, ich glaubte es nicht auf eine bloße Betrachtung der Vergangen— heit beziehen zu sollen. Ich erkenne aber an, daß sich diese Worte,

wie ich sie eben nach den Zeitungen gelesen habe, sehr wohl auch

alles das nicht zutrifft, was ich meinerseits an dieses Wort angeknüpft habe. Aber, meine Herren, irgend eine illoyale Art der Debat irung liegt doch darin wahrhaftig nicht, das inuß ich zurückweisen, und wenn der Hr. Abg. Richter glaubt, dem Hrn. Abg. Bamberger damit einen Dienst geleistet zu haben, daß er mir das vorgeworfen hat, so glaube ich, befindet er sich im Irrthum.

Der Hr. Abg. Richter hat bei dieser Gelegenheit ich glaube,

ich muß nach meinen Notizen an anderer Stelle auch noch einmal darauf zurückkommen —, mir vorgeworfen, daß ich die Worte des Kaisers hier gemißbraucht habe, daß ich die Allerhöchste Person gewissermaßen hier zum Ueberfluß in die Debatte gezogen habe, und er hat gemeint, wozu das, dem Auslande gegenüber oder dem Volke gegenüber, wohin solle das wirken? Ich glaube, meine Herren, dem Auslande gegenüber haben wir hier übechauht nicht die Absicht, große Wirkungen hervorzubringen, (Abg. Richter: An einer anderen Sielle!) habe ich Sie da mißverstanden, dann bitte ich um Entschuldigung. Jedenfalls hat der Herr Abgeordnete gemeint, ich hätte ihn und seine Freunde, welche die parlamentarische Regierung für die Zukunft anstreben, als Republikaner bezeichnet. Nun, meine Herren, ich habe das nicht gethan, ich habe Sie nicht als Republikaner bezeichnet, sondern ich habe ganz objektiv gezeigt, wohin die parla—⸗ nentarische Regierung führt. Ich habe nicht behauptet, daß Sie in Ihrem Innern oder nach Ihren Erklärungen Republikaner seien, ich habe Ihnen aber gesagt: das ist das Ende des Weges, auf den Sie unsere Verhältnisse drängen wollen.

Der Herr Abgeordnete meinte, die Rezierung habe bei diesen Ausfällen gegen die liberalen Parteien lediglich die Absicht, ihre eigene Art zu maskiren, ihre Art, die auf die Vernichtung der Volksfreiheit, auf die Verletzung der Volksrechte u. s. w. hinauslaufe. Nun, ich frage dann aber gegenüber diesen allgemeinen Behaup— tungen, sagen Sie mir doch, wo ist ein Volksrecht von der Regie— rung verletzt worden, wo ist ein Volksrecht von der Regierung ge⸗ schmälert worden? (Abg. Richter: Verletzt habe ich nicht gesagt!) Ich bestreite das, weisen Sie mir den Rechtsbruch der Regierung nach. (Abg. Richter: Rechtsbcuch habe ich nicht gesagt! Die Re—⸗ gierung geht ihre Geleise, das ist wahr, die Regierung strebt nach anderen Zielen, das ist wahr, aber die Regierung verletzt Ihre Rechte nicht und hat Ihre Rechte nicht verletzt, und diese allgemeine Anschuldigung ist deshalb unberechtigt, und die sollten Sie nicht immer wiederholen.

Der Herr Abgeordnete ist dann übergegangen zu dem ja gegen⸗ wärtig schon so oft erörterten Kampf gegen die Macht des Reichs— kanzlers, das Wort Hausmeier hat er vermieden, es mar aber im Hause sofort zu hören, was nach dem bekannten Zusammenhange viel— leicht nicht verwundert. Meine Herren, ich kann nur sagen, was ich neulich auch schon dem Herrn Abg. Bamberger erwidert habe, ich habe inzwischen das Datum der Rede des Herrn Reichskanzlers sest— gestellt, auf die ich neulich Bezug genommen habe, und ich em— pfehle die Wiederlesung dieser Rede aus vollster Neberzeugung meinerseins, es ist die Rede, die der Herr Reichskanzler hier in

diesem hoben Hause am 24. Januar 1882 hielt. Als ich sagte, ich hielte es fast für vermessen, nach dieser Rede in derselben Richtung hier noch einmal zu sprechen, da wurde mir ein mindestens recht unverbindliches Lachen zu Theil, der Zeitungsbericht erwähnt auch an dieser Stelle Heiterkeit links“. 8 wurde angesehen, wie ich annehmen muß, als eine Art Bvzantinismus, daß ich es vermessen fände, nach dieser Rede des Herrn Reichskanzlers hier meinerseits noch einmal in gleicher Richtung zu sprechen. Nun, meine Herren, ich bin von Byzantinismus so weit entfernt, wie Jeder von Ihnen voraussätzlich auch, aber das hat mich nie gehindert, die Ehrerbietung, die ich vor dem großen Manne empfinde, an jeder Stelle zu bekennen, auch hier mit dem moralischen Muth, der dazu, wie es scheint, Ihrer Meinung nach gehört. Ich habe diese Ehrerbietung vor den großen Verdiensten, vor der großen Geisteskraft und Bedeutung dieses Mannes stets empfunden und noch jetzt, wo es mir beschieden ist, zuweilen als Amtsgenosse ihm gegenüberzutreten, trete ich nur mit dem Gefühle der Ehrerbietung ihm gegenüber, was man einer solchen historischen Persönlichkeit gegenüber auch dann, wenn der Zufall einen in dieser Weise in ihre Nähe stellt, meiner Meinung nach ohne irgendwelche falsche Scham haben kann, haben soll. Ich freue mich, daß meine ganze politische Anschauungsweise mir dies nicht jemals als ein Opfer hat erscheinen lassen, sondern daß es mir zur Genugthuung gereicht, und ich bedauere Sie, meine Herren, die Sie innerlich gewiß Alle die Bewunderung dieses unseres größten mitlebenden Staatsgenossen doch theilen, daß Sie sich durch Ihre politische Stellung gezwungen glauben, den Kampf in vielleicht oft recht bedenklicher Weise gegen seine Person führen zu müssen.

Der Herr Abgeordnete hat bei dieser Gelegenheit des näheren

sächliche Beschränkung der Krone in der Auswahl, des leitenden Ministers, in der Auswahl des Reichskanzlers sei. Meine Herren! In

einem gewissen Umfang gebe ich diese thatsächliche Beschränkung

der Krone zu. Wir wissen es ja Alle, der Herr Reichskanzler ist krank, schwer krank, er sehnt sich nach Ruhe und er würde den Tag segnen, wo er diese Ruhe finden und sich von den schweren Pflichten seines Amtes zurückziehen könnte. Se. Majestät würde in Anerken⸗

nung der Dienste, welche der Herr Reichskanzler geleistet hat, in

Ansehung der Krankheit, des Ruhebedürfnisses, gewiß nicht anstehen, ihm in Gnaden den Abschied, den er so oft schon erbeten hat, zu ertheilen; aber Beide können es nicht. Thatsächlich ist für jetzt die Lage der Krone nicht blos, sondern die ganze Lage des Reiches eine derartige, daß man an einen solchen Wechsel nicht ohne die größte Sorge, den größten Kummer gehen könnte, und dieses Ver—

hältniß ist es, welches zur Zeit thatsächlich jenes Recht der Krone beschränkt hat, nichts anderes. Und wenn Jemand die Meinung zu

verbreiten sucht, daß die mangelhafte oder besonders zugeschnittene

Der Herr Abgeordnete ist dann der Meinung gewesen, ich hätte

meine Herren, daß das, was ich gesagt habe, sich in dieser Gegen— überstellung bewegt hat; ich habe aber allerdings auf die Rede des Hin. Abg. Richter Bezug genommen, nicht zu dem Behufe, um das hohe Haus im Ganzen zu bewegen, auf die Berathung des Etats jetzt einzugehen, sondern wie ich ausdrücklich gesagt habe um daran zu erinnern, was früher, als diese Frage noch keine solche Bedeutung hatte, wie ihr jetzt künstlich gegeben ist, von der Seite, von der eine Opposition zu erwarten war, objektiv darüber geurtheilt wurde. Ich wollte das in Erinnerung bringen, um damit zu einer

Ausführungen beizutragen, die gegenüber einer solchen damals abge⸗ gebenen Erklärung doch erschwert sind. Der Hr. Abg. Richter hat nun heute versucht, seine Erklärung von damals in einem ganz anderen Licht erscheinen zu lassen, als sie mir bei der Lektüre der Verhandlungen von 1873 erschienen ist; ich glaube aber, er hat wieder dasselbe dabei übersehen, was ich schon am Sonnabend dem Hrn. Abg. Dr. Bamberger gegenüber in Erinnerung gebracht habe, daß es damals nicht die besonderen Umstände waren, nicht der Zusam⸗ menhang mit seinen Anträgen, von denen er noch gesprochen hat und die damals zur Debatte gestanden, nicht die Frage der Ok tobersession 2c, sondern, daß es seine theoretische Ueberzeugung ge⸗ wesen ist, dauernd diese zeitige Vorlegung des Etats verlangen zu

Einnahmen und Ausgaben des Reiches, also ganz unabhängig von der augenblicklichen Situation, zu einem sogenannten Komptabilite—

„Der Etat inuß spätestens bis zum 1. April jeden Jahres vorgelegt werden.“ Meine Herren! Wer das damals gesagt hat in dieser ruhigen Art und bei lediglich aus einer tiefen Etatsbetrachtung hervorgehen den Beurtheilung, der kann heute nicht sagen, daß das eine nur

lediglich auf die Vergangenheit einschränken lassen, und daß dinn für die damaligen Verhältnisse geltende Meinuag gewesen sei.

Damit ist diese Sache wie ich glaube doch wohl erledigt, und auch der Versuch, dagegen das ins Feld zu führen, daß Fürst von Bismarck damals selbst ausgeführt hat, man könnte den Etat nicht wohl früher machen, ist doch nicht glücklich, wenn Sie bedenken, was so ost schon hier gesagt worden ist, daß kein Mensch in die zweijährigen Etatsperioden oder jetzt in die ausnahmsweise frühere Etatsberathung einzutreten empfiehlt, weil solches ohne allen Nach⸗ theil wäre, oder gar nur von Vortheil. Niemandem ist so etwas eingefallen, jeder Mensch erkennt an, daß ein Etat, ganz unmittelbar vor dem Etatsjahre gemacht, die größten Chancen der Richtigkeit hat; jeder Mensch erkennt an, daß, je weiter voraus ein Etat gemacht wird, desto mehr Chancen der Unsicherheit gegeben sind. Daß das auch Fürst Bismarck anerkannt und gesagt hat, ist nichts Wunder⸗ liches, das würde er auch ebenso heute anerkennen und Jedem zu— geben, der sich darin gefällt, diese Wahrheit noch einmal zu erörtern. Das ist doch kein Beweis gegen die Sache. Es sind große Bedürf⸗ nisse und Uebelstände des Reichs und Preußens, um die es sich han delt, welche früher die Regierung zu dem Vorschlage der zweijährigen Etatsperioden und ietzt zu dem Vorschlage einer ausnahmsweisen frühen Berathung des Etats veranlaßt haben, und es gilt abzu— wägen, nicht ob ein früherer oder späterer Etat an sich besser sei, son— dern oh die Gründe für dieses Verfahren überwiegen oder Gründe für die Negation. .

Der Herr Abgeordnete hat dann, und, das war vielleicht der die Ctatsvorlage am meisten betreffende Theil seiner Rede, gesagt, daß wir gar nicht dazu gelangen können, den Etat jetzt wirksam zu berathen und in zweckmäßiger Weise festzustellen, weil uns die Abschlüsse des Vorjahres fehlten, und weil die Uebersicht üher die Ergebnissz der Bausaison, weil die Ernteergebnisse noch nicht vorliegen. Alles das kann ich in Konsequenz dessen, was ich vorher gusgeführt habe, zugestehen. Gewiß würden Sie einen noch sichereren Etat machen können, wenn alle diese unsicheren Faktoren erst beseitigt wären, aber ich habe noch nie gehört, daß von Seiten der Fortschrittspartei der Wunsch auf⸗ gegeben sei, die Sessionen so einzurichten, daß, bevor der preußische Landtag tage, im Oktober der Reichstag einberufen werde, um seine Thätigkeit zu beginnen und wenn das der Fall wäre, so würde Ihnen die Uebersicht über die Ergebnisse der Bausaison auch nicht vorliegen, dann würde bei der Vorbereitung des Etats der Abschluß des Vor— jahrs auch noch nicht berücksichtigt sein und manche andere unsichere

Momente auch nicht wegfallen, die Sie jetzt so sehr hier betonen.

Im Uebrigen hat der Herr Abgeordnete nach allen Seiten des Hauses hin, wie mir schien, gruselig zu machen versucht, daß man nicht auf diesen ersten Schritt eingehen sollte, denn das sei immer das Ge⸗ fährlichste. Diesen Theil der Rede des Herrn Abgeordneten glaube ich, da er nicht an die Adresse der Regierung gerichtet war, meiner seits nicht weiter erörtern zu müssen, wohl aber seine Schlußausfüh⸗ rungen.

Hier finde ich zum zweiten Mal die Notiz, daß mir vorgeworfen ist, ich hätte mich hinter die Worte Sr. Majestät des Kaisers zurück=

gezogen und die Person Sr. Majestät in ganz ungerechtfertigter Weise

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in die Debatte hineingezogen; es sei die Verhandlung vom vergangenen Sonnabend in dieser Richtung sozusagen das Unerhörteste gewesen, was wir bisher gehabt hätten. Meine Herren, ich glaube, es ist dabei die Unmöglichkeit mit Schuld, sich gegenseitig zu verstehen von dem ganz verschiedenen Standpunkte aus, den man einnimmt. Wenn der Hr. Abg. Richter aber die Güte haben wollte, sich einmal auf den Frinzipiellen Standpunkt nur vorübergehend zu stellen, den ich am Sonnabend in Uebereinstimmung mit dieser Rede des Herrn Reichs⸗ fanzlers vom 24. Januar 1882 hier in Erinnerung gebracht habe, dann würde er die Billigkeit haben müssen, mir zuzugeben, daß sich von diesem Standpunkte aus Alles doch leichter erklären läßt und gerecht⸗ fertigter erscheint, als es ihm von seinem Standpunkt aus erschie⸗ nen ist. ! Reine Herren! Ich habe also gesagt, und wiederhole das, weil es nicht beachtet worden ist: wir sind nicht in dem Sinne ein Mini⸗ sterium, wie in anderen konstitutionellen Ländern das vielleicht der Fall ist, daß wir meinen, die Politik, die Leitung der Politik in letzter y in der Hand zu haben. Nein, wir sind durchdrungen davon Dund' wollen auch unsererseits Alles dazu beitragen, daß es so bleibt daß diese Leitung der Politik in den Händen des Monarchen sich beündek. Wenn wir nun aber diesen Standpunkt haben und wenn wir namentlich sehen, daß dieser Standpunkt ein durchaus berech⸗ figter und versassungsmäßiger ist, so wäre es ja doch eine ganz

eigenthümliche Sache, wenn wir nun so thun wollten, als wäre das,

was wir sagten, nicht die Meinung des Monarchen, als hätte der Monarch von dieser Sache vielleicht keinen Akt genommen, als wäre er möglicherweise anderer Meinung! Wir würden ja geradezu Versteck spielen mit Ihnen, meine Herren, wir würden in ein ganz eigen thümliches Licht uns und unsere Verfassungezustände stellen, wenn wir nicht bekennen wollten da, wo wir die Politik Sr. Majestät hier vertreten, daß es die Politik Sr. Majestät ist. Davon müssen wir sprechen, das ist unsere Verpflichtung, und deshalb war es so unendlich wie soll ich sagen? verfehlt, als der Hr. Abg. Bam⸗ berger unter Ihren großen Beifallsbezeugungen sagte, nicht so hätte ich meine Frage stellen sollen, wie ich sie gestellt habe, sondern es hatte sich nur fragen sollen: Hier hat der Minister Scholz gesprochen, und hier der Hr. Abg. Dr. Bamberger; wer von diesen Beiden hat Recht? Das kann ich nicht zugeben. Wäre ich Abgeordneter und hätte ich gegen Hrn. Abg. Bamberger debattirt, so wäre das das rich⸗ tige Verhältniß. Ich habe nicht die Ehre. Mitglied dieses hohen Hauses zu sein; daß ich hier stehe, daß ich die Ehre habe, zu Ihnen zu reden, das ist untrennbar von meinem Amte als Bevollmächtigter zum Bundesrathe Sr. Majestät des Königs von Preußen, und was ich spreche, srreche ich in dem Sinne, wie meine Regierung hier es gesprochen haben will. Deshalb haben meine Worte eine andere Be— deutung, als wenn etwa blos der Minister Scholz zu Ihnen spricht.

Es ist das auch durchaus nicht irgend etwas Neues, meine Herren, es sollte auch nicht überraschen, es sollte nicht diesen merk— würdigen Aufwand von Angriffsmitteln hervorrufen, denn alles das ist doch zu natürlich, ist bei uns zu sehr auch den dem täglichen Parteigetriebe Fernstehenden klar. Aber woher kommt das? Meine Herren, nicht weil es den Ministern beguemer ist, sich auf die Worte Sr. Majestät zu stützen oder, wie Sie sagen, hinter dieselben sich zurückzuziehen, nicht deshalb sind Sie so aufgebracht, sondern weil es Ihnen so empsindlich ist, daß Sie nicht blos die unbedeutende Person sich gegenüber haben, die allensalls auf demselben Niveau mit Ihnen diese Frage würde erörtern können, sondern daß Sie die Autorität, die monarchische Autorität sich gegenüber haben. Das ist Ihnen empfindlich, und deshalb haben Sie diesen doch ganz natürlichen Theil meiner Bemerkungen mit dem Uebermaß von Kraft bekämpft, das in einer anderen Sache vielleicht besser angewendet wäre. Es ist doch nichts natürlicher, meine Herren, als daß wenn ine Allerhöchste Botschaft dem Reichstage zugeht, daß sie die Sprache Sr. Majestät ist, und daß ich nicht über die Gedanken, die in dieser Allerhöchsten Botschaft stehen, mit Ihnen rede, wie über meine. Das wäre eine Herabwürdigung, die ganz unerhört wäre, und die Sie mir mit Recht zum Vorwurf machen könnten. ;

Ich habe gehört ich war leider durch andere Geschäfte ver— hindert, diesem Theil der Sonnabendsitzung beizuwohnen daß einer der Herren Abgeordneten die Frage der Berechtigung Sr. Majestät zu einer solchen Botschaft in den Kreis seiner Erörterungen gezogen hat und daß er ein Wort, welches mein Herr Kollege vom

in einer offenbar mißverstandenen Weise dahin gedeutet hat, als

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ist. Aber daß damit nicht irgend etwas Anderes hat gesagt werden sollen oder können, als wie: dieselbe Empfindung, die analoge Empfindung, die der Landesherr seinem engeren Lande gegenüber empfindet, die hat auch Se. Majestät gegenüber dem ganzen Reich, das liegt doch auf der Hand, und wenn Sie dafür den Ausdruck „landesväterlich“ nicht richtig finden, so würde ein anderer vielleicht zu finden sein, das gebe ich Ihnen zu, aber eine besondere große Be⸗ ö der Gebrauch dieses Wortes an jener Stelle ge— wiß nicht.

Es ist aber nicht blos der Ausdruck gewesen, sondern auch die staatsrechtliche Seite der Frage, wenn mir recht mitgetheilt worden ist, die der Herr Abgeordnete angezweifelt hat. Nun, meine Herren, die Allerhöchste Botschaft ist doch nicht ohne zahlreiche Präzedenz⸗ fälle. Es ist doch kaum denkbar, daß Sie selbst eine Eröffnung des Reichstages für angemessen halten würden, in der von Sr. Majestät nicht zu dem Reichstage gesprochen würde. Es steht aller dings nicht das gebe ich zu mit dürren Worten in der Ver— fa ssung, daß der Kaiser auch das Recht habe, zu dem Reichstage zu sprechen. Aber, meine Herren, es steht auch sehr Vieles nicht in der Verfassung, was uns auch lieb und werth ist und was wir nicht missen möchten, und wo keinem Menschen einfallen wird, zu fragen, ob das auch in der Verfassung steht oder nicht.

Wenn das Ideal Derer, die die Zeiten bis zum Jahre 1848 mit erlebt haben, das gewesen wäre: ein Kaiser und ein Reich, in dem der Kaiser nicht einmal zu dem deutschen Volke, zu dem deutschen Reichstage sprechen dürfte die wären um ihr Ideal nicht zu beneiden und nicht zu beneiden um die Theilnahme, die sie für das Reich jetzt erfüllen kann. ᷣᷣ

Aber ich meine, meine Herren, es ist das nicht blos mit dieser mehr der Empfindung angehörenden Seite zu erledigen, auch die Staaisrechtslehrer lassen darüber keinen Zweifel: der Kaiser ist dasjenige Organ des Reichs, welches alle anderen Organe erst in Gang setzt und ihren Gang regelt; dem Kaiser liegt die Regierung des Reiches ob, und darin ist ohne Weiteres das Recht enthalten, zum Reichstage zu sprechen, ein Recht, welches in der That auch von Ihnen nicht als ein solches angesehen werden könnte, welches an⸗ dere Rechte verletzt. Sie haben aber auch, meine Herren, wenn Sie das in Zweifel zichen wollten, sicher in diesem Falle die Nation nicht hinter sich.

Der Herr Abgeordnete ist endlich eingegangen auf meine neu⸗ liche Bemerkung über die öffentliche Meinung. Ich war provozirt dazu; ich bemerke das hier, indem ich mich zugleich vertheidige und Siß um Entschuldigung bitte wegen dieser verhältnißmäßig langen Rede, womit ich Ihre kostbare Zeit in Anspruch nehme; es ist mir auch für den Sonnabend in der Preffe 3 vor⸗ geworfen worden, daß ich zur Sache wenig gesprochen hätte, da⸗ gegen allerhand zur hohen Politik vorgebracht, was entbehrlich war. Nun hatte ich den Trost, den ich auch heute habe, daß ich die Rede des Hrn. Abg. Dr. Bamberger, so gut ich konnte, mir fkizzirt hatte und daß ich ihr in meiner Entgegnung gefolgt bin. Wenn das also nicht zur Sache war, so war ich wenigstens nicht der schuldige Theil, und ich bitte auch heute um Entschuldigung, meine Herren, wenn ich Sie mit meinen Bemerkungen von dem Etat abgelenkt und auf

die hohe Politik hinübergelenlt babe; ich folge eben heute nur

errn Richter. Er hat gemeint, ich hätte eine Geringschätzung des

olkes, eine Geringschäßung des Parlaments hier an den Tag gelegt, wie sie nicht schlimmer gedacht werden könnte, indem ich von der öffentlichen Meinung gesprochen, wie er vortrug. Das versichere ich Sie, meine Herren, eine solche Geringschätzung hier auszusprechen, ist nie meine Absicht; ich habe an dieser verantwortlichen Stelle die Pflicht, allen anderen als derartigen Empfindungen Ausdruck zu ge ben, die ich natürlich auch gar nicht habe, und ich beabsichtige auch, das immer getreu zu thun. Wenn ich derartig aufgefaßte Dinge bier sage, so entspringt das nicht dem Wunsche, gegen irgend eine Institution oder Person geringschätzend zu erscheinen, sondern geschieht es nur, weil ich glaube, daß es der Wahrheit gemäß so ist, und weil ich, wie Sie es ja für sich immer so wollen, auch für mich den Muth habe, meine, Meinung hier auszusprechen.

Nun sagen Sie, das wäre eine Geringschätzung der öffentlichen Meinung, daß ich nicht anerkenne, daß die öffentliche Meinung maß— gebend sein solle für die Regierung. Das ist der größte prin— zipielle Gegensatz. Sollte ich das anerkennen, meine Herren, so würde ich mich nicht nur einer Geringschätzung, sondern nach meiner Auf— fassung eines Verraths an Demjenigen schuldig machen, was mir zu wahren anvertraut ist.

Der Herr Abgeordnete, glaube ich, bat aber dabei auch den Balken im eigenen Auge so kann man wohl sagen doch übersehen. Wenn man verlangt, daß die öffentliche Meinung im Parlament oder außerhalb desselben genauer hat er das nicht bejeichnet positiv maßgebend sein soll für die Richtung der Regierung, so frage ich, geht die öffentliche Meinung vielleicht auf Bethätigung der von der Fortschrittspartei verfolgten Politik? Die öffentliche Meinung drückt sich doch nicht in einer verhältnißmäßigen Minder heit aus, die öffentliche Meinung muß doch, wenn sie Anspruch haben soll, irgend etwas zu bedeuten, positive Ziele einem anderen aufzuwingen, wenigstens die Meinung des großen Ganzen sein, der nur verschwindende Bruchtheile gegenüberstehen. Nun, ist diese öffentliche Meinung etwa für die Fortschrittspartei? Gewiß nein! und hat die Fortschrittspartei daraus Veranlassung genommen, an den Räck⸗ zug zu denken, weil sie der öffentlichen Meinung nicht entspricht? Niemals ist es dem Herrn Abgeordneten eingefallen, solches ihr zu empfehlen, und ich weiß nicht, warum es der Regierung empfohlen sein soll, gegen einen Bruchtheil der öffentlichen Meinung sich zurückzuziehen. (Ruf: Tabackmonopol!! Es würde mich freuen, wenn ich auch auf diese Frage noch eingehen könnte, aber ich glaube, es würde dies zu lange dauern. Die öffentliche Meinung beim Taback— monopol ist nicht eine unbeeinflußte, nicht eine natürliche, sondern eine künstliche Meinung gewesen. Das ist meine Ueberzeugung.

Der Herr Abgeordnete hat geglaubt, einen großen Erfolg mir gegenüber zu erzielen mit der ironischen Frage: Wo ist die ziel⸗ bewußte, starke Regierung? Nun könnte ich, wenn ich streiten wollte, sagen, ich habe gar nicht von der jetzigen Regierung behauptet, daß sie eine zielbewußte, starke Regierung sei, die Bescheidenheit würde mich abgehalten haben, dies unmittelbar hier zu behaupten. Ich habe nur gesagt, meine Herren, ganz allgemein: hat denn der Hr. Abg. Richter nicht wahrgenommen, daß die öffentliche Meinung zuweilen auch lieber einer starken, ziel bewußten Regierung folgt? Nun hat er die Güte gehabt, das zu interpretiren auf diese Regierung, und ich nehme das von ihm dankbar an.

Aber, meine Herren, er hat dies nur gethan, um daran seinen Widerspruch zu knüpfen und zu sagen: es ist eben gar keine ziel bewußte Regierung, und er hat versucht, dadurch, daß er sie an gewisse Verschiedenheiten ihres Vorgehens, an die Vergangenheit überhaupt erinnerte, auch jeden Eindruck des Vorhandenseins einer solchen Regierung bei Ihnen zu verwischen. Indessen, hoffe ich, wird ihm das auch nicht gelungen sein. Denn das ist doch klar, in Bezug auf die Mittel, die zum Ziele führen, kann man verschiedene Wege einschlagen, kann man bald diesen Weg für den besseren halten, bald jenen; muß man unter Umständen mit den Wegen wechseln, aber darum giebt man das Ziel selbst nicht auf, und das Ziel der Regierung ist irmer gewesen: das Wohl des ganzen deutschen Volkes und insbesondere die Befestigung des Reiches gegen alle An— griffe von außen und innen.

Der Abg. von Kardorff erklärte, wenn man die Abgg. Bamberger und Richter höre, sollte man glauben, daß in Deutschland die reine Willrürherrschaft und der Despotismus herrsche. Die Linke stelle dies als die öffentliche Meinung hin. Sie verwechsele damit die Meinung des Volks mit der Meinung der Fortschrittspartai. Die Linke bilde die ver— schwindende Minorität im Parlament und im Reiche. Wer gebe der Linken also das Recht, im Namen der öffentlichen Meinung zu sprechen? Der Abg. Richter habe die erzep— tionelle Stellung des Reichskanzlers zum Ausgangspunkt seiner Angriffe gemacht. Es sei begreiflich, daß ein Mann von der geistigen Begabung des Abg. Richter dieses Thema mit Virtuosität behandle, und alles herauszufinden wisse, um die Stellung des Reichskanzlers zu diskreditiren. Bei nüch— terner Betrachtung müsse er doch sagen, daß diese exzeptionelle Stellung des Reichskanzlers hervorgegangen sei aus der komplizirten Art der deutschen Verhältnisse, weil Deutsch— land kein Einheitsstaat, sondern ein Bundesstaat sei. Fürst Bismarck habe es verstanden, das volle Vertrauen der deutschen Fürsten und Regierungen zu gewinnen. Es würde mit der Zukunft der deutschen Zustände sehr schlecht aussehen, wenn dieses Vertrauen fehlte. Die ein⸗ heitliche Leitung des Staats⸗Ministeriums werde auch des Fürsen Nachfolger zufallen. Oder wolle man etwg, daß jeder Minister eine eigene Politik führe? Es sei auffallend, in wie hohem Maße der Abg. Bamberger die Neigung habe, sich Theorien hinzugeben, die mit der Wirklichkeit in Wider— spruch ständen. Wie denke sich der Abg. Bamberger die Kon⸗ struktion der parlamentarischen Regierung in Deutschland? Das preußische Abgeordnetenhaus sei seiner Meinung nach konservativ. Der Minister-Präsident müsse demnach nach de⸗ Theorie des Abg. Bamberger es auch sein. Welche Stel— lung würde derselbe nun einem liberalen Reichstag gegenüber einnehmen? Der Abg. Richter habe die jetzigen Zustände in Deutschland sehr schwarz gezeichnet. Er frage: in welchem Lande seien die Zustände besser? Etwa in Rußland, in Oesterreich, Frankreich, oder gar in England oder in den Vereinigten Staaten? Gebe es irgendwo ein schlagfertigeres Heer, einen unabhängigeren Richterstand, einen pflicht— treueren und unbestechlicheren Beamtenstand als in Deutschland? Der. Abg. Richter werfe dem Reichskanzler seine Wandlung im Kulturkampf. vor. Er sei nun immer der Meinung gewesen, daß kein deutscher Staatsmann denselben hätte vermeiden können. Wenn aber Fürst Bismarck heute einsehe, daß man bei dem Kulturkampf vielfach von irr— thümlichen Voraussetzungen ausgegangen sei, und eine Aende— rung in den gesammten Verhältnissen stattgefunden habe auch in der Stellung der römischen Kurie, daß erhebliche Fehler und Härten in der Maigesetzgebung vorhanden seien, könne derselbe da die Verantwortlichkeit tragen, diese Zustände fort— zuerhalten? Errare humanum, errorem coußiteri divinum. Man könne ihm sagen, auch er habe sich geirrt; gewiß, und doch sei die Differenz zwischen ihm und seinen Freunden im preußischen Abgeordnetenhaus nicht so groß, wie die zwischen den Abgg. Richter und Hänel. Der Abg. Richter habe letzt an den Abg. Windthorst die Mahnung gerichtet, sich in der Kulturkampffrage von dem Reichskanzler ja nicht ins Verder— ben stürzen zu lassen, denn dies sei bei der schwankenden Hal—

tung des Kanzlers wohl möglich. Diese Mahnung werde wohl nicht viel fruchten. Der Abg. Windthorst sei ja ein sehr schlichter Mann, aber bei aller Schlichtheit werde derselbe ein⸗ sehen, daß ihm der Reichskanzler für die Interessen der katho⸗ lischen Mitbürger doch positive und erreichbarere Garantien zu bieten vermöge, als die Zukunftspolitik der Fortschritts⸗ partei. Was nun die Sozialpolitik des Reichskanzlers anbe⸗ treffe, so müsse er zunächst anerkennen, daß der Ton der Fort⸗ schrittspartei ihr gegenüber ein anderer geworden sei, als es vor wenigen Jahren der Fall gewesen sei. Mit welcher Er⸗ bitterung habe die Linke nicht die ersten Versuche auf diesem Gebiete bekämpft! Heute erkenne die Linke selbst an, nicht blos, daß die Ziele erstrebenswerth seien, sondern daß auch der Staat bis zu einem gewissen Grade eingreifen müsse. Was ihm bei der Rede Richters dem Kriegs-Minister gegen⸗ über besonders aufgefallen, sei, daß ihm immer mehr ein Konfliktsbedürfniß bei der Fortschrittspartei hervorzutreten scheine. Der Abg. Richter habe gesagt, die Sprache des Kriegs⸗ Ministers erinnere an die Konfliktszeit. Er glaube, die Sprache, welche der Abg. Richter jetzt führe, erinnere doch sehr viel mehr an die Konfliktszeit. Denn was solle man dazu sagen, wenn der Abg. Richter die freie Meinung der Abge⸗ ordneten gegenüberstelle der Regierungsvertretung durch Höf⸗ linge und Kammerherren! Der Abg. Richter sehe den Splitter in fremden Augen und nicht den Balken im eigenen Auge. Wer sei es denn gewesen, der diesen Ton zuerst angeschlagen habe? Wer habe den Reichskanzler in so persönlicher Weise angegriffen und von demselben behauptet, daß er an Bedeu⸗ tung und Glanz verloren habe? Kein anderer als der Abg. Richter. Wie in der Konfliktszeit der Organisator der preußischen Armee Roon so viel berufener gewesen sei, die Organisation der Armee vorzunehmen, als die Parlaments⸗ Theoretiker, Strategen und Taktiker, so seien auch heute die großen Kapazitäten dazu berufener, als der Abg. Richter. Was nun die Budgetfrage betreffe, so wisse das Haus, daß er ein Anhänger der zweijährigen Etatsperiode sei. Er be⸗ haupte, daß der Reichstag mehr Zeit für andere wichtige Vor⸗ lagen gewinnen würde, wenn derselbe die Budgetberathung auf das finanztechnisch geringste Maß beschränkte. Sei es denn nöthig, daß jede Beschwerde gerade an die Budgetberathung geknüpft werde? Etatsanträge z. B. über die Sonntagsheiligung, die ja auch eine finanzielle Basis hätten, könnten selbständig ge— stellt werden. Die jetzige Art der Etatsberathung, die einzig in ihrer Art sei, und in keinem anderen Lande ihres Gleichen habe, sei nichts als ein parlamentarischer Zopf. Die soziale Gesetzgebung müsse ihr gegenüber entschieden den Vorrang haben. Im Interesse der Förderung dieser wichtigen Auf⸗ gaben möchte er bitten, das Budget rein finanziell technisch und so rasch wie möglich zu erledigen. Eine absichtliche Verschleppung der Debatte werde die öffentliche Meinung, auf die die Linke ja so großes Gewicht lege, nicht für sich haben, und die Verantwortlichkeit für die in Folge der Verzögerung eintretende Beschlußunfähigkeit des Hauses würde auf diejenigen fallen, welche dieselbe verschuldet hätten.

Der Abg. Rickert bemerkte, der Abg. von Kardorff irre, wenn derselbe glaube, daß der Abg. Bamberger und er stille geworden seien von der Wirthschaftspolitik. Seine Partei habe gar keine Ursache kleinlaut zu sein, auch kein Zugeständ⸗ niß gemacht. Die jetzige wirthschaftliche Besserung habe kom— men müssen, sie sei keine Folge der jetzigen Wirthschaftspolitik. Sie finde sich überall, in anderen Staaten noch mehr als in Deutschland. Man werde es erlehen, daß trotz der jetzigen Politik nach guten Jahren wieder einmal magere Jahre kom— men würden. Der Finanz⸗Minister habe gestern gemeint, die Liberalen wären Gegner der sozialpolitischen Vorlagen, weil sie der Manchesterschule angehörten. Was sei wohl eigentlich die Manchesterschule? Mit Schlagworten zu kämpfen sei bequem; er möchte von dem Minister aber gern eine nähere Ausklärung haben, welchen Begriff derselbe damit ver— binde. Der Minister habe die Rettung der Gesellschaft für nothwendig erklärt, die zerrissen sei in Atome und einen Urbrei bilde, mit dem die Gesetzgebung zum Theil das Vater— land beglückt habe. Eine eigenthümliche Kritik der Gesetz— gebung und der öffentlichen Zustände! Was sage der Abg. von Kardorff zu dieser Schwarzmalerei? Dagegen seien doch die Beschwerden der linken Seite sehr geringfügig. Er hätte gewünscht, daß der Finanz— Minister von der Rettung der Gesellschaft nicht gesprochen hätte. Dies Wort habe einen unerquicklichen Beigeschmack; es erinnere an die Losung, mit welcher Napoleon III. beim Staatsstreich die Volksvertretung mit Bayonetten habe aus— einander sprengen lassen. Es sei unangenehm, auf solche Er— innerungen gestoßen zu werden. Die konservative Presse denunzire die Manchestermänner als aminational und gar be— stochen von England. Ueber nichts herrsche mehr Unklarheit, als über dies Schlagwort. Natürlich traue er der Rechten derartige niedrige Verleumdungen nicht zu. Weshalb solle die Manchesterschule gegen den Eingriff des Staates in die Rechte des Einzelnen kämpfen, wo es nothwendig sei im Interesse des Ganzen? In dem Staate der allgemeinen Wehr— und Schulpflicht, den ja alle wollten, scheue sich Niemand vor der Beschränkung des Einzelnen zu Gunsten des allgemeinen Wohls. Solche Eingriffe aber, wie sie durch das letzte Reskript des preußischen Handels-Ministers bei den Versicherungsgetell⸗ schaften beabsichtigt würden, wolle er allerdings nicht. Er wolle nicht, daß die Versicherungsgesellschaften darüber zur Rechen⸗ schaft gezogen werden sollten, weil sie zu hohe Dividenden zahlten. Er nehme auch keinen Anstoß daran, daß die Zucker- und Spiritus fabrikanten Geld verdienten. Früher habe eine Partei sozial⸗politische Vorlagen nicht abgelehnt. Nenne man Manchestermänner Diejenigen, welche die Grundsätze von 1808 aufrecht erhalten wollten, durch deren Anwendung Deutschland von seinem materiellen Elend im Anfang dieses Jahrhunderts zu seiner heutigen Blüthe erhoben sei. Was habe die Rechte denn bis jetzt gethan, die sozial-politische Frage zu lösen? Begonnen habe sie damit, daß sie der armen Be— völkerung die nothwendigen Lebensmittel vertheuert habe. Wenn man sage, daß die Manchestermänner dagegen seien, so acceptire er diesen Namen. Auch er werde nach wie vor kämpfen gegen die Belastung der armen Volksklassen und für die Aufrechterhaltung der großen Grundsätze, wie sie in den Instruktionen von 1808 und 1817 enthalten seien; im Uebri⸗ gen aber wünsche er derartige Schlagwörter aus den Debatten entfernt zu sehen. Die Behauptung des Abg. von Kardorff, daß kein Land der Welt so lange Etatsberathungen habe, wie Deutschland, sei unrichtig. Derselbe verwechsele Deutschland mit Preußen. Dreizehn Sitzungstage für das Reichsbudget seien wahrlich nicht zu viel. Wenn das Haus jetzt den Etat durch⸗ berathe, was solle man in der Wintersession nach der General⸗ diskussion über das Unfallgesetz thun? Wenn die Kommission