1883 / 117 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 22 May 1883 18:00:01 GMT) scan diff

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wiesen: die Beschlüsse des Reichetags, betreffend die Unter⸗ suchung der Stromwverhältnisse des Nheins und seiner Neben⸗ flüsse c.; der Bericht der Reichsschulden⸗Kommission über die Verwaltung des Schuldenwesens des Norddeutschen Bundes und des Reichs sowie der ihrer Beaufsichtigung unterstellten Fonds ꝛc.,, und ein Gesuch um Zulassung zur Schifferprüfung.

In der heutigen (84) Sitzung des Reichstages, welcher der Staats⸗Minister von Scholz sowie mehrere andere Bevollmächtigte zum Bundesrath und Kommissarien desselben beiwohnten, theilte der Präsident von Levetzow zunächst den Eingang eines Berichts der Staatsschuldenkommission mit.

Der erste Gegenstand der Tagesordnung war die Inter⸗ pellation des Abg. Johannsen wegen Wiederaufnahme nord⸗ schleswigscher Optanten in den Staatsverband. Dieselbe lautet:

Veranlaßt durch die im Anfange dieses Jahres erlassene Verfügung, worin alle in Nordschleswig wohnenden dänischen Staatsangehörigen, die im Jahre 1863 gehoren waren, auf⸗ gefordert worden, sich zur preußischen Stam nrolle zu melden, widrigenfalls ihre Ausweisung aus Deutschland in Aussicht gestellt ward, haben sich auch junge, noch vor dem militär pflichtigen Alter stehende nordschleswigsche Optan en zur preußischen Stammrolle gemeldet und um Wiederaufnahme in den preußischen und damit auch deutschen Staatsverband nachgesucht. Es ist nun vorgekommen, daß man von zwei Brüdern dem einen die Aufnahme zu Theil werden ließ, dagegen dem anderen selbige verweigerte.

erner scheint es jetzt ein allgemein befolgtes Prinzip für Nordschleswig geworden zu sein, den daselbst wohnenden älteren Optanten, die wiederum preußische und damit auch deutsche Unter⸗ thanen zu werden wünschen, die Wiederaufnahme in den preußischen und beziehungsweise deutschen Staats verband zu verweigern.

Und endlich haben die Polizeibehörden in den nordschleswig⸗ schen Städten sowie auf dem Lande jetzt ein bisher nicht befolgtes Verfahren gegen dänische Unterthanen eingeleitet, indem man ihnen ohne Weiteres verbietet, sich in Nordschleswig zu verheirathen oder seßhaft zu werden, selbst wenn sie alle von Ausländern sonst ge— wöhnlich verlangten Garantien mit Rücksicht auf eventuelle Ver⸗ armung ꝛée. leisten wollen und können.

Ich erlaube mir auf Grund dessen den Herrn Reichskanzler zu fragen:

1) Sind die angeführten Thatsachen der hohen Reichsregierung bekannt?

2) Ist die hohe Regierung willens, die zur Abhülfe dieser Be—⸗ schwerden erforderlichen Maßregeln zu veranlassen? .

Auf Anfrage des Präsidenten erklärte der Staats⸗Minister von Scholz, daß er auf eine derartige Interpellation jede Antwort ablehne und sich an einer eventuellen Besprechung keinesfalls betheiligen werde.

Hierauf erhielt bei Schluß des Blattes zur Begründung der Interpellation der Abg. Johannsen das Wort.

Nachdem die Aufstellung der Denkmäler für Wil⸗ helm und Alexander von Hum boldt im Vorgarten der Königlichen Universität nunmehr beendet ist, findet auf Befehl Sr. Majestät des Kaisers und Königs die feierliche Enthüllung derselben am Montag, den 28. Mai, Mittags 12 Uhr, statt. Die Einladungen zu der Feier ergehen durch den Unterrichts⸗Minister.

Die Kaiserliche Normal Aichungs-Kom⸗ mission ist in neuerer Zeit mehrfach darum angegangen worden, Beamten und Sachverständigen, welche Seitens größerer Polizeiverwaltungen oder kaufmannischer Vereinigungen mit der Ausführung und Ueberwachung von Petroleum⸗Unter⸗ suchungen beauftragt werden sollten, praktische Unter⸗ weisung in der Ausführung und Ueberwachung von Petroleum-Untersuchungen mittelst des Abel⸗ schen Probers zu ertheilen.

Die Kommission hat derartigen Gesuchen bisher bereit— willig entsprochen, und es soll, soweit als thunlich, in gleicher Weise auch in Zukunft verfahren werden. Um aber über— sehen zu können, inwieweit die Erfüllung solcher Wünsche mit den sonstigen der Kaiserlichen Normal-Aichungs-Kom⸗ mission obliegenden Aufgaben sich vereinigen läßt, ist, nach einem Circularerlaß des Ministers des Innern, vom 9. April d. J, der Reichskanzler künftig von den einzelnen Anträgen vorher in Kenntniß zu setzen.

Nachdem seit den auf der Domäne Packisch im Kreise Liebenwerda ausgeführten Milzbrandimpfungen nach der Methode von Pasteur ein Jahr verflossen ist, wird es für die praktischen Landwirthe von Interesse sein, zu er— fahren, inwieweit diese Schutzimpfungen bisher eine günstige Wirkung geäußert haben.

Nach Beendigung der Impfversuche am 1. Juni v. J. waren auf der Domäne Packisch vorhanden:

266 geimpfte Schafe, 215 der Kontrole wegen ungeimpft gebliebene Schafe, 83 geimpfte Stück Rindvieh.

Ungeimpft gebliebenes Rindvieh befand sich auf der Do— mäne nicht, jedoch besitzen die dortigen Dienstleute einige Kühe, welche nicht geimpft worden sind; von den letzteren ist eine Kuh an Milzbrand gefallen.

Bis zum 1. Mai d. J. mithin in 11 Monaten —, sind an Milzbrand gefallen:

4 geimpfte Schafe 1,50 Proz, 10 ungeimpfte Schafe 455 2 Stück Rindvieh 241

Ein am 3. Juli v. J. gefallenes geimpftes Schaf, bei welchem die Krankheit wegen vorgeschrittener Fäulniß des Ka⸗ davers nicht mit Sicherheit konstatirt werden konnte, ist bei dieser Berechnung außer Anschlag geblieben.

Der Prozentsatz der Milzbrandfälle bei den ungeimpft gebliebenen Schafen ist mithin etwa un bas Dreisache höher als bei den geimpften. Dabei ist zu beachten, daß die Abtheilung der ungeimpften Schafe 51 Schafe weniger enthielt, als die Abtheilung der geimpften. Bei fast gleicher Kopfzahl des Rindvieh⸗ nnd Schafbestandes in den letzten 4 Jahren be— rechnen sich die Verluste durch Milzbrand auf der Domäne

Packisch: beim Rindvieh bei Schafen 1879/80. . . . auf 74,70 Proz., auf 4,57 Proz. 1 . P J „1d6l . im dreijährigen Durchschnit auf 5. 7. Tro, anf 555 Fro; Die viel geringeren Verluste an den geimpften Rindern und Schafen in dem Jahre 1882/83 haben den Pächter der Domäne veranlaßt, im laufenden Monat wiederum seinen gesammten., Schaf und Rindviehbestand, mit Ausnahme einer Anzahl von Kontrolthieren durch den Departements; Thierarzi Oemler in Merseburg mit der Pasteur'schen Impfflüssigkeit impfen zu lassen. Den Organen des Herrn Ministers für Landwirthschaft, Domänen und Forsten, welcher der Milzbrandimpfung forigesetzt sein

Interesse zuwendet, ist auch bei diesen neuen Impfungen die Kontrole über die Ausführung der Impfung und über deren Wirkung gesichert worden. J Noch geringer als in Packisch sind die Verluste, welche der Milzbrand in Dlonie nach den im Juni und Juli v. J. dort auf Veranlassung der Gutsverwaltung ausgeführten Impfungen verursacht hat. . ö Nach Beendigung der Impfung blieben in Dlonie Bestand: 246 Stück geimpftes Rindvieh, 661 geimpfte Schafe. Hiervon sind bis zum 1. Mai cr. an Milzbrand gefallen: 3 1,36 Proz. 1 St. Nindviehr-- , a0 Pre;. Nimmt man an, daß die Kopfzahl des Bestandes in den letzten Jahren die gleiche war, so betrug vor der Impfung der Verlust durch Milzbrand in Dlonie: bei Schasen.

bei Rindvieh im Jahre 1881: 17, 10 Proz. 13,60 Proz. Vom 1. Januar bis 30. Juni 1882: 5,70 Proz. 4,00 Prez

Wenn diese Vorgänge auch noch nicht ein abschließendes Urtheil über die praktische Bedeutung der Milzbrand-⸗Schutz⸗ impfungen nach der Methode Pasteurs gestatten, so lassen sie doch nicht verkennen, daß die geimpften Rinder und Schafe in erheblich geringerem Maße als die ungeimpften Thiere dieser Gattung den Milzbrand erzeugenden Schädlichkeiten solcher Grundstücke erliegen, auf welchen der Milzbrand stationär geworden ist.

Nach einem Uttheil des Reichsgerichts, II. Straf— senats, vom 13. März d. J, werden die auf Grund einer simulirten Cession vom Cessionar für den Gläubiger eingeklagten und eingezogenen Geldbeträge Eigenthum des Cessionars, und dieser ist, wenn er die Geldbeträge an sich behält und in seinem Nutzen verausgabt, nicht wegen Unter— schlagung zu bestrafen. Nur in dem Falle, wenn dem Cessionar nachgewiesen werden kann, daß er von vornherein die Forde⸗ rungen sich in der Absicht und zu dem Zwecke hatte cediren lassen, um die sodann eingezogenen Beträge nicht an seinen Auftraggeber und Scheincedenten abzuführen, sondern in seinem eigenen Nutzen zu verwenden, ist er wegen Betruges zu bestrafen; eventuell würde er wegen Untreue (5§. 266,2 Str.⸗G.⸗B.) zu bestrafen sein, wenn er die Forderungen gleich in der Absicht eingezogen hat, die erhaltenen Beträge fär sich zu verwenden und nicht an seinen Auftraggeber abzuführen.

Der Präsident des Reichsgerichts, Wirkliche Geheime Rath Dr. Eduard Sim son begeht heute in Leipzig das 50 jährige Jubiläum seines Eintritts in den Staatsdienst als außerordentlicher Professor der Rechte an der Universität Königsberg.

Die Bevollmächtigten zum Bundesrath, Königlich bayerischer Ministerial⸗Rath Herrmann und Königlich württembergischer Wirklicher Geheimer Kriegsrath von Horion sind hier angekommen.

Der Kaiserliche Botschaster am russischen Hofe, von Schweinitz, ist mit den Mitgliedern der Kaiserlichen Botschaft für die Zeit der Krönungsfeierlichkeiten nach Moskau über— siedelt und daselbst vorgestern eingetroffen.

Der Kaiserliche Gesandte am brasilianischen Hofe, Le Maistre, hat einen ihm Allerhöchst bewilligten Urlaub nach Europa angetreten. Während seiner Abwesenheit von Rio de Janeiro fungirt der Legationssekretär Dr. von Mutzen— becher als interimistischer Geschäftsträger.

Die zur Krönung nach Moskau Allerhöchst be— fohlene Deputation, zu welcher auch der General⸗Major Graf von Alten, General à la suite Sr. Majestät des Kaisers und Königs und Commandeur der 1. Garde-Kavallerie-Bri— a, kommandirt worden ist, hat gestern Abend Berlin ver— lassen.

Mecklenburg ⸗Schwerin. Schwerin, 22. Mai. (W. T. B.) Die hiesigen Zeitungen veröffentlichen eine von Mentone datirte Danksagung des Großherzogs für die zahlreichen Beileidsbezeugungen, welche Sr. Königlichen Hoheit aus allen Theilen des Landes von Korporationen und Privatpersonen, wie auch aus ganz Deutschland und von vielen Ausländern zugesandt worden sind.

Schwarzburg⸗ Sondershausen. Sondershausen, 18. Mai. (Leipz. Ztg. Der Landtag ist nach einer kurzen Vertagung wieder hier zusammengetreten. In seiner letzten öffentlichen Sitzung hat er u. A. einen Gesetzentwurf, betreffend die Unterbringung verwahrloster Kinder, angenommen und wird nun an die Erledigung der übrigen Vorlagen heran— treten.

Oesterreich⸗ ungarn. Wien, 21. Mai. (W. T. B.) Der Herzog von Aosta hat mit den Mitgliedern der italienischen Krönungsbotschaft heute Vormittag die Reise nach Moskau sortgesetzt.

22. Mai. Die „Wiener Zeitung“ veröffentlicht ein Kaiserliches Patent, durch welches die Auftösung des böh— mischen Landtags ausgesprochen und die Einberufung des nen zu wählenden Landtags auf den 5. Juli d. J. angeord⸗ net wird.

Pest, 21. Mai. (W. T. B.) Das Abgeordneten⸗ haus hat die Suspension des dem Abg. Istoczy zustehen⸗ den Immunitätsrechts bezüglich des von demselben in seinen antisemitischen Flugschriften begangenen Preßvergehens aus— gesprochen; es ist damit das Hinderniß hinweggeräumt, das

der gerichtlichen Verfolgung Istoczys durch den Staatsanwalt

bisher im Wege stand.

Großbritannien und Irland. London, 21. Mai. (W. T. B.) Trotz des päpstlichen Schreibens haben gestern an den Thüren der katholischen Kirchen in Kildysert, Kilmurry und Coolnien Zeichnungen für einen Parnell⸗ Testimonigl-Fund staitgesunden. Die Priester hatten die Pfarreingesessenen ermahnt, Beiträge zu leisten. In Mullagh, wo der Pfarrer der Kirche es abgelehnt hatte, die Annahme von Zeichnungen an der Thür seiner Kirche zu gestatten, wurde nicht weit davon von einzelnen Personen ein Tisch aufgestellt, an welchem Zeichnungen entgegengenommen wurden.

22. Mai. (W. T. B.) An Stelle des Marquis of Lorne ist der MarquZuis of Lansdowne zum General— gouverneur von Kanada ernannt worden.

ng. Corr. Die Vertheilung der egyptischen Kriegsmedaille ist nunmehr beendet. Im Ganzen wurden 44 000 Medaillen ausgegeben. Jede derselben trägt eingravirt den Namen des Empfängers. Das Silbergewicht der Me—

daillen, die unter Kontrole von einem Birminghamer Fabri⸗ kanten hergestellt wurden, beträgt über 33 Centner.

Die Zustände im Zululande haben seit der Rück⸗ kehr Ket schwayos eine Gestalt angenommen, welche eine neuerliche Gefahr für den Frieden Süd⸗Afrikas bedeutet und ein wiederholtes Einschreiten Englands gebieterisch zu fordern scheint. So unliebsam dies auch in den Regierungskreisen empfunden werden mag, die Nothwendigkeit ist vorhanden, und die „Daily News“ selbst gesteht in einem Pietermaritz⸗ burger Telegramme zu, daß im Zululande die größte Ver⸗ wirrung herrsche; daß die Annexionsgelüste in Natal und Transvaal von Neuem entfesselt seien und daß eine unpar⸗ teiische Untersuchung dringend geboten erscheine.

Frankreich. Paris, 21. Mai. (W. T. B.) Der „Français“ will wissen, die vom Vatikan an die franzö— sische Regierung gerichtete Note trage keinen offiziellen Charakter, sondern sei eine vertrauliche Mittheilung und durch 3 jüngst in Paris eingetroffenen Prälaten überbracht worden.

(Köln. Ztg. Der Herausgeber des Lyoner Sozialistenblatts „La Lutte“ wurde wegen Aufreizung zur Ermordung des Czaren während der Krönung zu zwei Jahren Gefängniß verurtheilt. Drei der jüngst festgenom⸗ menen Anarchisten sind wegen Aufreizung zur Meuterei in der Armee dem Geschworenengericht überwiesen worden.

Italien. Rom, 21. Mai. (W. T. B.) Der an⸗ gekündigte Ministerrath hat heute Mittag stattgefunden. Der Minister-Präsident Depretis wird heute noch mit dem König konferiren.

22. Mai. (W. T. B.) Die Regierung hat in Er⸗ widerung auf die Note der Pforte wegen des neu abzu— schließenden Handelsvertrages bis zum Abschluß des— selben die Anwendung des Tarifs des abgelaufenen Handels— vertrages verlangt.

Türkei. Kon stantinopel, 21. Mai. (W. T. B.) Dem Vernehmen nach hat die Kommission für die Ausarbeitung von Reformen ihre Arbeiten beendet und dem Sultan Bericht erstattet. Die Kommission spricht sich für eine Dezentralisirung aus und will die Eintheilung in große Bezirke, wie sie gegenwärtig bestehen, ersetzt wissen durch die Einrichtung kleiner Verwaltungsbezirke. Der Firman betreffend die Tabackregie soll, wie es heißt, morgen von der Pforte erlassen werden.

Rußland und Polen. Moskau, 21. Mai. (W. T. B.) Der Kaiser und die Kaiserin empfingen heute Nach⸗ mittag im Petrowski⸗Palast die Botschafter und das diplo⸗ matische Corps, dessen Mitglieder vollzählig erschienen waren. Die Stadt hat seit der Ankunst des Kaiserpaares ein außerordentlich belebtes Aussehen gewonnen: die Be— völkerung ist von ganz unbeschreiblichem Enthusiasmus und Jubel erfüllt, und im Kreml drängt sich eine Masse von Neugierigen, um die zur Theilnahme an der Krönung erschienenen Deputationen sowie die fremden Trachten und Kostüme zu sehen. Die Vertreter der ausländischen Presse erhielten heute die Erlaubniß, das Innere der Kathedralen und des Kremlpalastes zu betreten und die Vorbereitungen zu den Krönungsfeierlichkeiten sowie die Krönungs-Insignien in Augenschein zu nehmen. Die Journalisten sind mit silbernen Abzeichen und mit einem ihre Photographie ent⸗ haltenden Passirschein versehen worden. Das Wetter ist sehr schön geworden.

21. Mai, Abends. (W. T. B.) Der Herzog und die Zerzogin von Edinhurg sind heute hier eingetroffen und am Brester Bahnhof von den Großfürsten Wladimir,

Michael und Nikolaus empfangen worden. Der feier⸗

liche Einzug des Kaisers und der Kaiserin ist auf morgen Nachmittag 1 Uhr festgesetzt.

22. Mai, Vormittags 10 Uhr. (W. T. B.) Die Vor⸗ bereitungen zu dem heutigen feierlichen Einzuge des Kaisers und der Kaiserin wurden in dieser Nacht vollendet; die Stadt bietet einen außerordentlich glänzenden Anblick dar. Vom Petrowski⸗Palast bis zum Kreml, auf eine Entfernung von 5 km, welche der Kaiserliche Zug pas— ren wird, wehen unzählige Fahnen und Flaggen in den Farben Rußlands und des Kaiserlichen Hauses; die Häuser, in denen die fremden Botschafter und Gesandten wohnen, tragen deren bezügliche Landesfarben. Die Straßen entlang ziehen sich mit Fahnen geschmückte Masten, an den Fenstern und Balkonen befinden sich Zeltdekoratio⸗ nen in den lebhaftesten Farben; die zahllosen Glocken— hürme, mit Fahnen geschmückt, machen einen pittoresken Eindruck. Ueberall erscheinen die Namenszüge des Kaiserlichen Paares in den verschiedensten Formen. Schon vom frühen Morgen an waren Straßen und Fenster von Menschen dicht besetzt. Viele hatten sogar die Nacht auf den Straßen zugebracht. In den Gegenden, welche der Zug passirt, ist das Gedränge bereits so groß, daß der Vertehr fast unmöglich ist. Während der Nacht waren die Kirchen massenhaft von Andächtigen besucht, die für das Kaiserliche Paar beteten. Auf allen Plätzen, an denen der Zug vorüber⸗ fährt, sind große Tribünen errichtet, wo die geladenen Gäste, namentlich die Angehörigen des diplomatischen Corps, Platz nehmen. Das Wetter ist prachtvoll.

22. Mai, Vormittags 10 Uhr. (W. T. B.) Die Stadt prangt im reichsten Schmuck der Fahnen, Banner und Flaggen; die eine Meile lange Einzugstraße vom Petrowski⸗ palaste bis zum Kreml ist in eine Via triumphalis verwan⸗ delt, alle Balkone sind mit Teppichen geziert und mit Zu—⸗ schauern in sestlich erregter Stimmung dicht besetzt. Der Än— drang der Bevölkerung in den Straßen ist ein gewaltiger. Auf dem ganzen Einzugswege bilden die Truppen Spalier. An den Hauptstationen sind Tribünen errichtet, die schon gegenwärtig dicht besetzt sind. Der Einzug in den Kreml dürfte Nachmittags zwischen 4 und 5 Uhr erfolgen. Das Wetter ist mild und heiter.

22. Mai, Vormittags 11 Uhr. (W. T. B.) Der Fürst von Montenegro und der Herzog von Monipensier sind gestern Nacht 11 Uhr 50 Minuten hier eingetroffen und auf dem Bahnhofe von den Großfürsten, dem General-Gouverneur sowie den hohen Würdenträgern empfangen worden, welche ihren montenegrinischen Orden an⸗ gelegt hatten. Die Musik der aufgestellten Ehrenwache spielte die spanische und montenegrinische Nationalhymne. Die zahl⸗ i ö. Bevölkerung begrüßte den Fürsten mit lauten

urrahs.

Dänemark. Kopenhagen, 21. Mai. (W. T. B.) Der Kronprinz und die Kronprinzessin sind heute von ihrer Reise nach Athen hierher zurückgekehrt.

Afrika. Egypten. Kairo, 20. Mai. (W. T. B.) Einer Nachricht der Agence Havas“ aus Kairo zufolge soll die Pro⸗ vinz Sennaar fast vollständig befreit sein; die Schaaren Mahdi's wären durch egyptische Truppen zersprengt worden und die einzelnen Stämme hätten sich wieder unterworfen.

Zeitungs stimmen.

Die „Deutsche volkswirthschaftliche Corre⸗ spon denz“ veröffentlicht die von dem Verein Deutscher Eisen⸗ und Stahlindustrieller zusammengestellte Statistik über die Lohnverhältnisse und bemerkt dazu:

Wir dächten, diese Ziffern sprächen deutlich genug, so daß die Freihändler nunmehr Buße in Sack und Asche thun sollten. Fürst Bismarck mag an diesen Ziffern seine Freude haben, denn sie be— weisen mit unwiderstehlicher Kraft, daß die einzig und allein seiner Initiative zu verdankende Aenderung der Zollpolitik dem Lande einen großen Segen gebracht hat. Abgesehen davon, daß nun die fremde Konkurrenz unsere Arbeiter nicht mehr brod—⸗ los machen, unsere heimischen Eisen⸗Industriewerke nickt mehr wie feindliche Schiffe in den Grund bohren kann, ist es auch ein wahrlich großes Wort, daß die schon in den obigen 325 Werken beschäftigten etwa 2090 000 Arbeiter einen Jahres⸗Mehrverdienst von 645 Mill. Mark haben. Wenn diese Ziffern vor die Augen des Reichskanzlers gelangen, mag er sich vergnügt die Pfeife stopfen und souverain über alle ihm gewordenen Anfechtungen hinwegsehen. Solche Resultate erwärmen das Herz wahrlich nicht wenig! Wie haben sie den Fürsten umkreist und umkrächzt die Raben der Freihandelspartei, als ihm sein Genius eingab, die Lehren ihrer „Wissenschaft“ etwas auf ihren Gehalt und bezw. ihre Anwendbarkeit auf unsere Verhältnisse zu prüfen. Wie umkrächzen sie ihn noch, wenn er mit gigantischer Hand dem Volke neue Gaben darbietet. Zeugnisse, wie die obigen, für die Richtigkeit dessen, daß ein ein— ziger wirklich genialer Mann viel weiter sieht als das ge— sammte Parlament und resp. als alle Streithähne desselben, können logischer Weise dem Wunsche nur noch weitere Nahrung geben, daß Fürst Bismarck auch die weiteren Ketten und Stricke zerreiße, mit welchen man ihm die Hände binden will, wenn er die Wohlfahrt der Nation anstrebt. Bis jetzt hat man noch jedesmal später bitter bedauern müssen, daß Dasjenige, was er vorschlug, nicht allsogleich genehmigt wurde. ahrlich, wahrlich, es wird eine Zeit kommen, wo man aus jenem papierenen Zeughause, wo man die von seinem Griffel gekommenen aber vom Reichstage verworfenen Vorschläge aufgethürmt hat, sammt und sonders hervor— holen wird, aber wie immer wieder zu spät.

„Steins deutsche Correspondenz schreibt:

„Wer den Zoll bezahlt. Zu dieser Kontroverse liefert der Ka— taleg der Grands magasins du printémps in Paris einen inter— essanten Beitrag. In den Bemerkungen vesselben heißt es in Bezug auf Deutschland:

„Die wahren Vortheile, die wir im Stande sind, unseren werthen Kunden des Auslandes zu bieten, stammen nicht blos daher, daß wir sowohl in Paris, als auch im Auslande zu gleichen und stets billigen Preisen verkaufen, sondern auch von der Einrichtung von Spezial Bureaux, welche kein Haus unseres Ranges aufweisen kann. Die Abtheilung unseres Katalogs, welche die Einfuhrsteuer in den deut— schen Zollverein bespricht, dient als neuer Beweis dafür, daß wir kein Opfer scheuen da, wo es heißt, die Verbindungen mit dem Aus— lande zu erleichtern und auszudehnen.“

Aus dem von dem Pariser Magazin Gesagten geht klar hervor, daß die Einfuhrabgabe nach Deutschland ihm Opfer auferlegt, die es selbst und nicht etwa der deutsche Privatkunde trägt. Dahin deuten auch die gleichen für Paris und das Ausland erwähnten Preise. Trägt schon im direkten Verkehr mit Privatkunden der ausländische Importeur eingestandenermaßen Opfer für unseren Zoll, wie viel mehr wird es der Fall sein, wenn der Verkehr zwischen dem Aus— lande und dem inlaäͤndischen Konsumenten indirekt ist, d. h. wenn der inländische Handel dazwischen geschoben wird? Uebrigens wollen wir damit in keiner Weise für das Pariser Magazin Reklame machen. Jeder wird am besten und schließlich auch noch billiger kaufen, wenn er von einem soliden deutschen Kaufmanne deutsche Waaren bezieht.

In den „Berliner Politischen Nachrichten“ lesen wir:

Das waren doch noch gute Zeiten für die Freihändler, als die Erfahrung die Zugkraft der großen Schlagworte von Brot und Licht und von der Pfeife des armen Mannes noch nicht beseitigt hatte. Jetzt aber, wo auch die urtheilslosen Massen sich nicht mehr durch diefelben kaptiviren lassen, ist die Noth um wirksame Agitationsmittel offenbar sehr groß. Aber wie das Sprichwort sagt, wo die Noth am größten, ist die Hülfe am nächsten. Wie gerufen erscheint der italie— nische Handelsvertrag und der „Rosinenkuchen des armen Mannes“ wir? mit Grazie servirt. Der „‚Freihandele⸗-Correspondenz“ gebührt das Verdienst dieser neuesten Erfindung; sie schreibt:

„Die Zollermäßigungen, welche nach offiziösen Angaben in dem neuen deutsch-italienischen Handelsvertrage Seitens des Deutschen Reiches zugestanden sind, tragen insofern einen übereinstimmenden Charakter, als sie sich ausschließlich auf solche Gegenstände beziehen, welche in der Hauptsache als Artikel des feineren Lebensgenusses, als Luxusartikel anzusehen sind. Tafeltrauben, Avpfelsinen, Citronen, Pomeranzen, Datteln, Mandeln, Oliven und Olivenöl sind Artikel, welche für den Konsum der großen Masse der Bevölkerung gar keine Rolle spielen; nur Apfelsinen sind allenfalls in einer gewissen Zeit des Jahres, aber wohl auch nur in größeren Städten, in weitere Kreise gedrungen. Dagegen sind gerade Rosinen und Korinthen, die wenigstens in den Festkuchen der ärmeren Klassen häufig eine Stelle finden, von den vereinbarten Ermäßigungen ausgeschlossen.“

Daß die Korinthen und Rosinen nur zum kleineren Theile aus Italien bezogen werden und daß bei einem Handelsvertrage in der Hauptsache nur solche Zollermäßigungen platzgreifen, auf welche der andere Kontrahent, hier also Italien, Werth legt, sei nur nebenher erwähnt. Die Sache selbst aber hat neben der scherzhaften auch eine überaus ernste Seite. Welcher Grad von Berbissenheit, welches Ueberwuchern der Parteisucht über das objektive oder auch nur loyale Urtheil gehört dazu, in einer Zeit, in welcher der leitende Staatsmann die großen Probleme der Sicherung der arbeitenden, also. der ärmeren Bevölkerung gegen die Gefahren des Arbeitsbetriehes wirksam in Angriff genommen hat, und in dem Krankenkassengesetze die erste ptaktische Frucht auf dem Gebiete posiriver Sozialpolitik zu ernten im Begriff ist, mit der Unfallversicherungsvorlage aber, selbst wenn im Einzelnen noch Schwierigkeiten in der Durchführung sich ergeben sollten, den Grundgedanken der obligatorischen Versicherung aus Gründen des Gemeinwohls doch eine so breite Bahn in dem Bewußtsein der Nation gebrochen hat, daß er schon heute als com- munis opinio gelten kann, kein anderes Bestreben zu haben, als alles Denkbare und Undenkbare hervorzusuchen, um gegen, den leitenden Staatsmann den Vorwurf einer planmäßigen Beguͤnstigung der wohlhabenden Klassen der Bevölkerung gegenüber den ärmeren erheben zu können! Mit der tendenziösen Art der Sachbehandlung

eht eine beinahe erschreckende Kleinlichkeit der Auffassung Hand in

and, welche gegenüber den großen Gesichtspunkten, von denen die Soziglpolitzk der Reichsregierung geleitet wird, nichts als Nörgeleien und Nadelstiche der bezeichneten Art zu finden weiß. Unter denselben hat der „Rosinenkuchen des armen Mannes“ wenigstens den Vorzug einer herzerfrischenden Naivetät.

Die „Sche sische Zeitung“ hebt aus einem Wahl— aufruf vom 12. d. M., welchen das liberale Wahlcomité in Dortmund zu Gunsten des Grubendirektors Klein veröffent— licht hat, folgende Stellen hervor:

Herr Lenzmann will das Sozialistengesetz aufgehoben haben! Denkt an die Mord und Brandverfuche in England, Rußland und

6. Wir haben Ruhe in Deutschland das Sozialistengesetz at uns vor gleichen Gefahren bewahrt. Herr Lenzmann ist ent schiedener Gegner der jetzigen Wirthschaftspolitik und predigt überall, daß sie dem Arbeiter das Brod vertheuere. Daß vom Beginne dieser Wirthschaftspolitik das allmähliche Wiederaufblühen unserer In—⸗ dustrie zu rechnen ist, daß seitdem der Arbeiter volle Arbeit findet und höheren Verdienst hat, daß infolge dieser Wirthschaftspolitik die beiden untersten Stufen der Klassensteuer aufgehoben sind und dadurch das Einkommen bis zu 900 frei von der Staatssteuer ist das alles verschweigt Herr Lenzmann. Und wie stellen sich seine Freunde zu dem für die Arbeiter so wohlthätigen Krankenkassengesetz? Sie haben dagegen gestimmt. Ihre Wortführer wollten durchaus, daß der Bei—⸗ trag des Arbeitgebers wegfalle, daß also die Arbeiter um die Hälfte höhere Beiträge zahlen. Auch dem Unfallgesetze gegenüber haben sie sich ablehnend verhalten. J

Die „Neue Preußische Zeitung“ meldet:

Auch in Schleswig⸗Holstein hat sich der schon letzthin wahrnehm⸗ bare Aufschwung in Handel und Industrie durch eine weitere gedeih—⸗ liche Entwickelung als ein dauernder erwiesen. Der nicht strenge Winter hat auch für die ländliche Arbeiterbevölkerung die Arbeit niemals ganz zum Stillstand kommen lassen. Nur das Vagabonden⸗ thum, welches eine große Belästigung geworden, will noch immer nicht ab⸗ nehmen. Eine wesentliche Zunahme zeigen auf dem Gebiete der landwirth⸗ schaftlichen Gewerbe die Meiereien mit Dampfbetrieb; es bestehen zur Zeit schon 39 derartige Anlagen in der Provinz, von denen die erste im Winter 1878/79 in Betrieb genommen wurde. Der Eisen— schiffbau hat mit Ausnahme der Werft in Gaarden, deren Arbeiter zahl zurückgegangen ist, eine weitere günstigere Entwickelung ge⸗ nommen.

Eisenbahn⸗Verordnungs⸗Blatt. Nr. 9. Inhalt: Allerhöchster Erlaß, betr. die Genehmigung des zwischen der Direktion der Imebahn-Gesellschaft und der Direktion der Braunschweigischen Eisenbahngesellschaft abgeschlosenen, die Betriebsführung auf der Eisenbahn von Einbeck nach Dassel betreffenden Vertrages. Vom 18. April 1883. Allerhöchster Erlaß, betr. anderweite Abgrenzung der Eisenbahn⸗Direktionsbezirke Elberfeld und Cöln (rechtsrheinisch). Vom 25. April 1883. Erlasse des Ministers der öffentlichen Ar— beiten: vom 16. April 1883, bete. Rapportirung von Betriebsunfällen; vom 20. April 1883, betr. die an der Grenze zweier oder mehrerer Direktionsbezirke gelegenen Werkstätten; vom 25. April 1883, betr. die Revision der Centesimalwaagen und des Eigengewichtes der Fahr⸗ zeuge; vom 265. April 1883, betr. Abänderung des Betriebsreglements für die Eisenbahnen Deutschlands; vom 27. April 1883, betr. ander⸗ weite Abgrenzung der Gescha fte bezirfe der Königlichen Eisenbahn⸗ Betriebtämter zu Düsseldorf (Gisenbahn-⸗Direktionsbezirk Elberfeld) und zu Cöln (Eisenbahn-Direktionsbezirk Cöln, rechtsrheinisch); vom 2. Mai 1883, betr. unentgeltliche Benutzung der Staats- und unter Staatsverwaltung stehenden Eisenbahnen; rom 15. Mai 1883, betr. Berichtigung mangelhafter Begleitpapiere durch die Expeditionen. Nachrichten.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Aus dem Verlage der Königlichen Hof⸗ Buchhandlung von Ernst Siegfried Mittler und Sohn hierselbst liegen folgende Werke vor:

Kulturgeschichte der Kreuzzüge, von Dr. Hans Prutz, ord. öffentl. Professor der Geschichte an der Universität Königsberg. Preis 14 M Das große, Jahrhunderte beherrschende Ereigniß der Kreuzzüge wird in diesem Werke nach seinem Überaus reichen, auf allen Gebieten des Lebens zu Tage tretenden Kulturwerth erforscht. Der Zustand der beiden großen Welten, des Drients und Oeeci— dents, vor ihrer Berührung durch die Kreuzzüge, und die Kenntniß, welche die abendländische Christenheit damals vom Drient und JItlam besaß, bilden den Eingang der Darstellung. Die eigenthümlichen und mannigfachen Gebilde, welche die Kreuzzüge hervorriefen, die Fraagkenstaaten Syriens, die Ritterorden, werden sodann in ihrer Geschichte und ihrer Kultur geschildert und schließlich wird die Uebertragung der werthvollen und hochentwickelten Kulturmomente des Orients auf alle Industrien, Künste und Wissenschaften der Christen heit nachgewiesen. Als Quellen der Forschung haben ebenso die orientalischen Schriftsteller wie die Litteratur des christlichen Mittelalters gedient, und verwerthet sind für sie, wie der Verfasser in dem Vorworte mittheilt, seine wiederholten und ergiebigen archivalischen Studien zu Paris, Rom und Malta.

Roßbach und Jena. Studien über die Zustände und das geistige Leben in der preußischen Armee während der Uebergangszeit vom XVIII. zum XIX Jahrhindert Von Colmar Frhr. v. d. Golz, Major im Generaglstabe. Preis 7 . Die Worte, mit denen der Verfasser seine Studien schließt, charakterisiren am besten ihren wesentlichen Werth: „Nicht junkerlicher Uebermuth und aristo— kratische Verstocktheit führten . von Roßbach nach Jena, son⸗ dern die Politik, welche List ohne Kraft anwenden wollte, die ver künstelte Auffassung der Kriegführung; die Einwirkung des in seichter Aufklärung, falscher Humanität, Genuß⸗ und Sebstsucht entarteten Zeitgeistes auf das Heer, dessen gedrückte Lage und die daraus entstehende Scheu, die sich im Kriege darbietenden Mittel rücksichts⸗ los zu gebrauchen; die Zurückhaltung des Königs, welcher zwar schärfer sah als seine Räthe, sich aber ihrem Urtheil aus Bescheidenheit unter— ordnete; die Sorge, dem Lande zu mißfallen oder es zu belasten; die aus ängstlicher Gewissenhaftigkeit enfsprungene unrichtige Sparsam—⸗ keit, und endlich eine Pietät für die Vergangenheit, welche sich auf Aeußerlichkeiten richtete, nicht auf das Wesen der Sache, und allmahlich das Urtheil trübte.“

Die Osterinsel. Eine Stätte prähistorischer Kultur in der Südsee. Bericht des Kommandanten S. M. Kanonenboot „Hyäne“, Kapitän ⸗Lieutenant Geiseler, über die ethnologischen Untersuchun⸗ gen der Osterinsel (Rapanui) an den Chef der Kaiserlichen Admira— lität. Mit 22 lithogr. Tafeln und 1 Karte. Preis 2 MS 75 3. Wie aus dem Eingange zu dem Bericht ersichtlich, hatte die Kaiser— liche Admiralität im Interesse der Wissenschaft dem Kommandanten S. M. Knbt. Hyäne! den Auftrag ertheilt, die alten Kultur— stätten der Osterinsel im Stillen Ocean zu untersuchen. Die gründlichen Mittheilungen über Lebensweise und Sprache der früheren Bewohner und die überraschend reichen Funde, welche für die wissen⸗ schaftliche Verwerthung und insbesondere für Vergleichung mit den Kulturwelten Polynesiens und Mittelamerikas wichtige Folgerungen ergeben, legt der Kommandant jenes Schiffes in diesem Berichte an die Kaiserliche Admiralität ausführlich und unter Beifügung zahl— reicher Abbildungen vor.

Land⸗ und Forstwirthschaft.

In den vom Verein für Sozialpolitik veröffentlichten Berichten

über die bäuerlichen Zustände in Deutschland berichtet Hr. Gutsbesitzer Winkelmann, Köbbing, der geschäftsführende Vize-Praͤsident des Westfälischen Bauernvereins, u. A. über die gegenwärtigen bäuerlichen hältnisse im Paderborner Bezirk, d. i. in den Kreisen Büren, Höxter, Paderborn, Warburg. Betreffs der hypothekarischen Verschuldung der dortigen Bauerngüter hebt der Berichterstatter hervor, daß dieselbe eine sehr große sei. Die Gesammtsumme aller Hypothekenschulden in den 4 Kreisen, wovon allerdings ein Theil auf die Rittergüter und den Kleingrundbesitz entfalle, werde von kom petenter Seite auf 45 Millionen Mark geschätzt. So habe z. B. die Gemeinde Hembsen im Kreise Höxter bei einem Katastral⸗Rein⸗ ertrage von 19000 SY und Gebäudenutzungswerth von 2000 M, in Summa also 21 000 ε, nachgewiesene Schuld von 346 000 MM Inkl. Steuern und Renten würden in dieser Gemeinde pro Morgen 6 91 3 an Abgaben inkl. Zinsen gezahlt, während der Morgen an Pacht, wenn der Verpächter die Abgaben zahle, Brutto 12 4 einbringe. Im Großen und Ganzen würde die Ver— schuldung des bäuerlichen Grundbesitzes im Paderborner Lande min—

destens 4 des Werthes betragen. Freilich gebe es noch manche Bauern, die außer freiem Besitz ausstehende Kapitalien hätten, aber dem gegenüber seien auch viele, deren Besitz über die Hälfte des Werthes mit Schulden belastet sei. In den letzten Jahren habe die Verschuldung sehr zugenommen, namentlich in Folge der durch un— günstige Witterung hervorgerufenen schlechten Ernten. In manchen Fällen seien auch zu hoch normirte Abfindungen an Geschwister sowie Neubauten die Ursachen. Aus einzelnen Gemeinden, namentlich solchen, wo separirt sei, werde eine Abnahme der Ver⸗ schuldung konstatitt. Die Sypothekengläubiger seien: die Sparkassen mit etwa 10 Millionen, die Landschaft mit etwa 3 Millionen, andere öffentlche Fonds mit etwa 7 Millionen, Private mit etwa 25 Mill. Mark. Wenige Bauern führten Buch und sehe es in dieser Beziehung traurig aus. Eine Abrechnung mit dem Kaufmann erfolge nie. Wenn Korn, Vieh oder sonstige Haus—⸗ haltungssachen hingebracht würden, so nehme der Bauer auch gleich ansehnliche Posten an Waaren mit. Der Händler habe die außer⸗ ordentliche Begabung den Bauer vertrauensselig zu machen. Man finde im Paderborner Lande fast durchgehends, daß Händler und Bauer sich mit Du“ anredeten. Es gefalle dem Bauer, wenn er in seiner westfälischen Weise den reichen Kaufmann mit Vornamen und Du anreden könne. Der Bauer erhalte bei Ablieferung der Waare stets ein gutes Frühstück, er müsse dann aber für die Frau gehörig Waare entnehmen; abgerechnet werde nicht. Der Bauer setze fast seinen Stolz darin, derartige Geschäftsverbindung zu haben; diesen Stolz pflege der Kaufmann und bald habe der Bauer beim Kaufmann große Summen als Schuld im Buche stehen. Habe der— selbe dann noch eine verschwenderische Frau oder eitle Tochter, so entnähmen auch diese ohne Wissen des Vaters von dem Hausfreund Waaren, und die paar Centner Korn, die im Herbste abgeliefert würden, deckten kaum diese Zinsen, von der Schuld werde Nichts ab— getragen; wie groß die augenblicklich sei, wisse fast kein Bauer. Ländliche Darlennskassen fehlten leider noch ganz, würden aber sicher vortheilhaft wirken. Die Bauern seien daher bei kleinen Darlehen und sobald ihr Besitz bis zum 22fachen Reinertrage verschuldet sei, den zahlreichen Wucherern auf Gnade und Ungnade übergeben. Sehr günstig habe in dieser Beziehung das Gesetz betreffend Wucherfreiheit gewirkt, so daß im Jahre 1880 bei der Regierung zwei Reklama—⸗ tionen von jüdischen Wucherern eingelaufen seien, welche in der Ein— kommensteuer hätten herabgesetzt werden wollen, weil ihre Einnahmen in Folge Aufhebung der Wucherfreiheit bedeutend reduzirt seien.

In der Regel erhalte der älteste Sohn den Hof und zwar meist schon bei Lebzeiten der Eltern durch Uebertrag; in einigen Gemeinden der Aemter Steinheim, Nieheim und Beverungen aber auch wohl die jüngste Tochter oder der jüngste Sohn. Es fänden aber auch Aus— nahmen statt und erhalte dasjenige Kind den Hof, das nach Ansicht der Eltern die meiste Gewähr biete, daß sie selbst einen ruhigen Lebentabend genössen. In der Steinheimer und Lügder Gegend werde auch wohl in natura getheilt zum Ruin des Bauernstandes. Wie könne da das Gehöft mit den Gebäuden, welche für das ganze Gut eingerichtet seien, getheilt werden? In demselben Hause wohnen gehe nicht an, einen Neubau gestatteten gewöhnlich die Verhältnisse nicht; die Zu⸗ sammenlegung der Grundstücke, welche vielleicht vor einigen Jahren vor sich gegangen, werde durch die Natura⸗Theilung illusorisch und werthlos; die darauf verwendeten Kosten seien verloren; die ange⸗

legten Wege paßten nicht für die Theilung u. s. w. Es ließe sich

noch Vieles über diesen unsinnigen Gebrauch sagen, und sei es ein Glück, daß er immer mehr abnehme, in welcher Beziehung sicher auch die neue Landgüterordnung für die Provinz Westfalen segensreich wirken werde. Bei der Abfindung werde der Gutsübernehmer immer bevorzugt; in der Regel erhalte er die Hälfte vorab und gehe dann mit den übrigen Geschwistern für den Rest in gleiche Theile. Die Abfindung sei aber davon abhängig, ob Kapital oder Schulden, ob viele oder wenige Kinder vorhanden seien u. s. w. Die Eltern richteten dies in der Regel ganz verständig ein und übergäben schon bei Lebzeiten, da ihnen daran liege, Zeuge zu sein, daß der Hof für die neue Ge— neration erhalten bleibe. Der Altentheil werde festgesetzt, aber selten abgenommen.

Ein eigentlicher Güterhandel finde nicht statt. Der bei weitem größte Theil des Grund und Bodens sei in festem ererbtem Besitz. Besitzwechsel steigere fast immer die Verschuldung. Schulden seien meistens der Grund des Verkaufs; in einzelnen Fällen auch Erb— theilung. Von den 3 in der Gemeinde Hembsen liegeaden größeren Gütern seien 2 theilungshalber in den letzten 20 Jahren verkauft, das eine an einen Großgrundbesitzer, das andere parzellirt. Die 4 Höfe der Vollmeier dieser Gemeinde befänden sich seit undenk— lichen Jahren im Besitze derselben Familie. Von den 9 Halb— meierhöfen seien vor 10 Jahren 2 von Güterhändlern ausgeschlachtet und parzellirt worden, und 2 seien in Folge zu hoher Ab— findungen bei plötzlichem Tode der Eltern ohne Testament in so schlechten Verhältnissen, daß sich dieselben schwerlich halten würden.

Daß Bauerngüter von Großgundbesitzern angekauft und ihren Gütern zugetheilt werden, komme fast nie vor; ebensowenig würden neue größere Besitzungen gebildet. Die Ankäufer seien meistens Handelsleute. Dieselben warteten dann mit dem Einzelverkaufe bis zu einem passenden Moment, den sie instinktmäßig in der Regel günstig träfen, verkauften die einzelnen Parzellen an Handwerker und Tagelöhner und verdienten dabei oft 50/9. Als Sicherheit für den stipulirten Kaufpreis werde ihnen dann nicht nur das Verkaufsobjekt, sondern der ganze Besitz der Ankäufer verpfändet und oft noch eine Kaution ertra eingetragen. So sei vor mehreren Jahren ein Hof für 20 000 Thaler von einem Handelsmann angekauft, nach einem Jahre für 30 000 Thaler in einzelnen Parzellen wieder verkauft worden. Die Pfandobjekte, welche er als Sicherstellung der Zahlung dieser 30 000 Thaler im Ganzen erhalten hätte, hätten aber mindestens den doppelten Werth des Verkaufsobjekts repräsentirt; er habe also 109000 Thaler baar verdient und sein Geld doppelt so sicher angelegt als früher. Die Gemeinde, resp. die ersten Verkäufer seien um 10000 Thaler ärmer geworden, welche der Händler mit in die Stadt nehme. Werde aber einer der Ankäufer zahlungsunfähig, so beantrage der Handelsmann Zwangsversteigerung des ganzen Besitzes und mache womöglich hier von Neuem sein Geschäft.

Vor einigen Jahren sei der Werth der Grundstücke und die Pachtpreise bedeutend gefallen gewesen; neuerdings, seit Errichtung der Zuckerrübenfabrik würden für guten Räbenboden höhere Preise gejahlt, während der schlechte Boden immer mehr im Preise falle und häufig zur Holzkultur verwandt werde, aber auch als Holzboden der niedrigen Holzpreise wegen wenig Ertrag liefere.

Gewerbe und Handel.

Die hiesige Firma Jaceb Landau lädt zur Zeichnung auf 00000 M. Aktien der Frankfurter Gütereisenbahn⸗ Gesellschaft ein. Die , am findet 23. d. M. in Berlin, Breslau und Frankfurt a. O. zum Course von 105 90ͤ statt.

London, 21. Mai. (W. T. B.) Bei der am Sonn⸗ abend abgehaltenen Wollauktion waren Preise unverändert.

Glasgow, 21. Mai. (W. T. B.) Die Verschiffungen von Roheisen betrugen in der vorigen Woche 14141 gegen 12122 Tons in derselben Woche des vorigen Jahres.

Genua, 22. Mai. (W. T. B.) Der unter den hiesigen Hafenarbeitern ausgebrochene Strike kann nunmehr als beendet angesehen werden, und die Arbeiten sind wieder in vollem

Gange. Ver dehrs⸗Anstalten.

Bei dem Königlichen Eisenbahn-Betriebs-⸗Amt zu Berlin (Direktions bezirk Bromberg), Ostbahnhof, sind gegenwärtig eine Anzahl Stellen im Weichenftellerdienst, beziehungs⸗ weise für Haltestellen⸗Vorsteher, für Militär⸗Anwärter frei, für welche Stellen zur Zeit Anwärter fehlen.

Bewerber, welche im Besitze des Civil⸗Versorgungsscheins sind, gutes Seh und Hörvermögen haben, körperlich gewandt, rüstig und gewillt sind, sich dem Königlichen Eisenbahndienste zu widmen, können s; bei der vorgedachten Behörde unter Einreichung des Civil-Ver⸗= orgungsscheins und der übrigen Militärpapiere, sowie eines selbst geschriebenen Lebenslaufs, melven.

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