1883 / 118 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 23 May 1883 18:00:01 GMT) scan diff

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Arbeiterverhältnisse. Der Lohn müsse eine solche Höhe haben, daß er nicht nur für die Tageabedürßfnisse ausreiche, sondern auch die Bildung eines Reservesonds für Krankheitsfälle und dergl. ermögliche. Für unberechtigt halte er den Zwang da, woes sich nicht um abhängige Lohnarbeiter, sondern um selbst⸗ ständige handele, wo die Grenze zwischen Arbeitgeber und Arbeit⸗ nehmer nicht scharf zu ziehen sei. Deshalb könne er einer allgemeinen Ausdehnung der Versicherungspflicht auf die land⸗ wirthschaftlichen Arbeiter nicht zustimmen. Er bitte, seinen Antrag anzunehmen. 1

Der Abg. Eberty warnte vor einer Ueberstürzung auf diesem schwierigen Gebiete. In England habe die normale Regelung dieser Verhältnisse 60 Jahre in Anspruch genommen. Es liege hier ein Versuch vor, gesetzmäßig eine Mini⸗ mallohnhöhe zu fixiren; dies hänge aber von ganz andern Faktoren ab. Die praktische Unausführbar keit dieses ersten Schrittes im Sinne der Kai erlichen Botschaft sei ihm vollkommen klar; das Volk werde das hier Gebotene nicht als eine Wohlthat, sondern als eine Last empfinden.

Bei Schluß des Blattes nahm der Staats-Minister von Scholz das Wort.

Nach Mittheilungen aus dem Ausland sind folgende Submissionen ausgeschrieben worden;

1) von der Generaleisenbahn-Direktion zu Rom bezw. von der Königlich italienischen Präfektur zu Luccg für den 5. Juni d. Ig, bis 10 Uhr Vormittags, eine Submission auf die zum Bau der Zweigbahn Lucca⸗Viareggio erforder⸗ lichen Vorarbeiten und Lieferungen (Bahnlänge 2906m, Tax⸗ werth 471 930 Lire), . 1

2) von der Artillerie⸗Direktien der Geschützgießerei zu Genua für den 7. Juni d. Is, bis 3 Uhr Nachmittags, eine Submission auf Lieferung von 149170 kg Stabeisen zum Taxwerth von 59 249,60 Lire. .

Ueber die speziellen Bedingungen ist das Nähere an Ort und Stelle einzusehen.

Die egyptische Regierung hat nunmehr ein Dekret veröffentlicht, welches die Modalitäten festsetzi, unter welchen die Auszahlung derjenigen von der internationalen Entschädigungs⸗Kommission zugebilligten Entschädigungs⸗ summen erfolgen soll, den Betrag von 5200 Franes nicht übersteigt. ) .

Hiernach wird die Auszahlung durch Vermittelung der anglo⸗egyptischen Bank zu Alexandrien bewirkt.

Die Reklamanten haben auf den ihnen von der Ent— schädigungskommission zugesandten Benachrichtigungsschreiben (ättres d'avis) zu quittiren und diese ihre Quittungen in be⸗ glaubigter Form in den Bureaux der Bank, zu präsentiren, woselbst Delegirte der egyptischen Regierung die er⸗ forderlichen Verifikationen vornehmen werden. Die Prü⸗ fung wird sich unter Anderem darauf erstrecken, ob die hetreffenden Forderungen ganz oder theilweise cedirt beziehungsweise mit Beschlag belegt worden sind, sowie eventuell auf die Legalität der hierüber vorgelegten Dokumente.

Nach erfolgter Verifikation werden die Regierungs— delegirten diejenigen Reklamanten, deren Papiere in Ordnung befunden worden sind, durch Anschlag an der Börse von Alexandrien und an den Thüren des Bankgebäudes zur Empfangnahme der ihnen zustehenden Zahlungen auffordern lassen.

; Nach amtlicher Zusammenstellung werden zz deutsche Rekla⸗ manten mit einer Gesammtsumme von 4428 Eg. Pfd. Sterl. an diesem Auszahlungsverfahren theilnehmen.

Die Bestimmung des 8. 263 Abs. 4, daß der Be⸗ trug gegen Angehörige nur auf Antrag zu verfolgen ist, findet nach einem Urtheil des Reichsgerichts, J. Straf— senals, vom 19. März d. J., keine Anwendung auf die durch eine bigamische (also ungültige) Ehe herbeigeführte Verwandt— schaft resp. Schwägerschaft.

Mittelst Allerhöchster Kabinetsordre vom 10. d. Mts. ist bestimmt worden, daß zum 1. April 1884 das 3. Rhei⸗ nische Infanterie-Regiment Nr. 29 von Metz nach Trier und das Infanterie-Regiment Nr. 130, unter Uebertritt in den Verband des XV. Armee-Corps und zwar zur 59. Infanterie⸗Brigade —, von Trier nach Metz verlegt, sowie das 7. Brandenburgische Infanterie-Regiment Nr. 66 der 62. Infanterie⸗Brigade zugetheilt wird, sowie daß die 2. und 3. Escadron Oldenbhurgischen Dragoner⸗ Regiments Nr. 19 von Cloppenburg nach Oldenburg zu verlegen sind, sobald in letzterem Orte die erforderliche Unter⸗ kunft sichergestellt ist.

Der General Lieutenant von Massow, bisher Commandeur der 24. Infanterie⸗Brigade, ist anläßlich seiner Beförderung sowie Ernennung zum Commandeur der 18. Division zur Abstattung persönlicher Meldungen auf einige Tage hier eingetroffen.

S. M. S. „Leipzig“, 12 Geschütze, Kommandant Korvetten⸗-Kapitän Herbig, ist am 22. Mai er. in Yokohama eingetroffen.

Sachsen. Leipzig, 22. Mai. (W. T. B.) Anläßlich des 50jährigen Amtsjubiläums des Präsidenten des Reichsgerichts, Sim son, überreichte heute der Staats⸗ sekretär von Schelling demselben im Auftrage Sr. Majestät bes Kaisers und Königs den Rothen Adler-Orden 1. Klasse. An der Spitze der Reichsgerichtsdeputation brachte der älteste Senats⸗Präsident Dr. Drechsler die Glückwünsche des Kollegiums dar, welches dem Präsidenten zugleich ein von Paulsen gemaltes, für den Sessionssaal des Reichsgerichts bestimmtes Bild desselben, verehrte. Der Ober⸗Reichsanwalt von Seckendorff überbrachte sodann mit den Glückwünschen der Reichsanwaltschaft die— jenigen des preußischen Justiz⸗Ministeriums. Ober⸗-Postdirektor Walter erschien mit einem Schreiben des Staatssekretärs Stephan. Auch die sächsische Regierungsbehörde, die Justiz— behörden, welche in Leipzig ihren Sitz hahen, die juristische Fakultät der hiesigen Universität und die Geistlichkeit Leipzigs gratulirten durch Deputationen. Die Ober⸗Bürgermeister und Stadtverordnetenvorsteher von Königsberg und Leipzig überreichten Ehrenbürgerbriese ihrer Städte, und der Ober⸗Bürger⸗ meister von Leipzig, Dr. Georgi, verband damit zugleich die Mittheilung, daß der Magistrat beschlofssen hahe, bie Straße, an welcher das künstige Reichsgerichtsgebäude errichtet wird, Simsonstraße zu benennen. Außerdem langten Glück— wunschschreiben und Telegramme Seitens des Deutschen Reichstags, von verschiedenen sächsischen, preußischen und Reichsbehörden und andere unzählige Beweise von Auszeich— nungen für den Jubilar an. Das freie deutsche Hochstift zu

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Frankfurt a. M. sandte eine Adresse mit dem Bilde Goethe's, der Großherzog von Oldenburg gratulirte telegraphisch, die Stadt Frankfurt a. O. überreichte eine Adresse, und der Groß⸗ herzog von Baden verlieh dem Präsidenten das Großkreuz des Zähringer Löwen-DOrdens. Am Nachmittag vereinigte die Senats⸗-Präsidenten und Räthe des Reichsgerichts ein Festmahl zu Ehren des Jubilars.

Baden. Karlsruhe, 20. Mai. Wie die „Karlsr. 3. meldet, gebraucht der Großherzog die Kur in Kissingen mit bestem Erfolge; auf ärztlichen Rath soll dieselbe bis zu vollen vier Wochen fortgesetzt werden. Se. Königliche Hoheit wird deshalb noch bis gegen Ende dieses Monats in Bad Kissingen verweilen. .

21. Mai. Die Kronprinzessin von Schweden und Norwegen ist mit dem Herzog von Schoonen von Berlin kommend heute Mittag in der Residenz eingetroffen und wurde von der Großherzogin und dem Prinzen Ludwig . Bahnhofe empfangen und in das Großherzogliche Schloß geleitet.

Oesterreich ungarn. Prag, 23. Mai. (W. T. B.) Die jetzt erfolgte Ausschreibung der Neuwahlen zum böhmischen Landtage setzt die Wahltage wie folgt fest: die Landgemeinden wählen am 28. Juni, die Städte am 30. Juni, die Handelskammern am 2. Juli, der Großgrund⸗ besitz wählt am 3. Juli.

Niederlande. Haag, 22. Mai. (W. T. B) Der König hat den General-Gouverneur von Indien autorisirt, nach Atschin zu gehen und persönlich dort die Verhältnisse zu prüfen.

Großbritannien und Irland. London, 22. Mai. (W. T. B) Dem „Neuterschen Bureau“ wird aus Simla, vom heutigen Tage, gemeldet, daß die Ersetzung Malets durch den gegenwärtigen Finanz-Minister der indischen Regie— rung, Major Baring, beschlossene Sache sei.

Frankreich. Paris, 22. Mai. (W. T. B.) Der Justiz-Minister dürfte morgen in der Kommission für das Konkordat darlegen, daß die Regierung unbedingt für die Aufrechterhaltung des Konkordats sei und keine Hinzu fügung der Strafklauseln, welche von den Nadikalen vor⸗ geschlagen sind, zulassen werde. Das Konkordat müsse wie ein Friedensvertrag ausgelegt und angewandt werden. Die Re⸗ gierung werde den Artikel, welcher der Exekutive das Recht verleihen soll, die Bezüge der Mitglieder des Klerus durch disziplinarische Maßregeln zu suspendiren, zurückweisen und anführen, daß dies Recht schon existire und durch den jüngsten

Ausspruch des Staatsraths anerkannt worden sei.

Italien. Rom, 22. Mai. (W. T. B.) In der Deputirtenkammer zeigte der Minister-Präsident De⸗ pretis heute an, daß er in Folge der im Schoße des Kabinets entstandenen Meinungsverschiedenheiten dem Könige ein Entlassungsgesuch für sich und seine Kollegen ein⸗ gereicht und daß der König ihn mit der Neubildung des Kabinets beauftragt hahe. Die Minister würden bis dahin zur Erledigung der Geschästz auf ihren Postel bleiben. Depretis ersuchte die Kammern, sich bis zum 30. d. M. zu vertagen. Der Senat ist einberufen worden, um eine gleichlautende Erklärung entgegenzunehmen.

Vor dem hiesigen Schwurgericht begann heute der Prozeß gegen die JIrredentisten, welche die Kund— gebungen auf der Piazza Sciarra veranstaltet hatten. Ein Theil derselben ist angeklagt, den Staai einer Kriegserklärung aus⸗ gesetzt zu haben, Andere wegen Handlungen, welche geeignet waren, Verachtung und Unzufriedenheit gegen den König zu erregen und Beleidigungen gegen die Person des Königs ent— hielten, noch Andere sind wegen Verherrlichung des politischen Mordes unter Anklage gestellt. Nach Erledigung der For— malien wurde mit dem Verhör der Angeklagten begonnen.

Rumänien. Bukarest, 22. Mai. (W. T. B.) Die Thronrede, mit welcher der König die Kammern eröffnete, heißt die Landesvertretung willkommen, hebt hervor, daß trotz mancherleich Schwierigkeiten der inneren und äußeren Politik stets Ruhe und Ordnung im Lande geherrscht habe, und daß, die Beziehungen des Landes zu den auswärtigen Mächten be— friedigend seien, indem es die Verpflichtungen erfüllte, welche aus den Verträgen hervorgingen oder welche es selbst kontra— hirt hätte. Die Proklamirung des Königreichs auf Grund— lagen der erblichen Monarchie sei für Europa ein weiterer Be⸗

ein Heerd der Unruhen und Agitationen werden würde, welcher andere Mächte beunruhigen könnte. Alles das ber ech— tige zu der unumstößlichen Ueberzeugung, daß Europa Ru⸗ mänientz Rechte als unabhängiger Staat nicht antasten und von demselben nicht die Ausführungen von Entscheidungen verlangen werde, an welchen es nicht theilgenommen und welchen es nicht zugestimmt habe. Bezüglich der beabsichtigten Aenderung des Wahlrechts sagt die Thronxede, daß die Regie— rung ein Wehlgesetz vorschlagen werde, welches eine stärkere Garantie für allgemeine Interessen biete und geeigneter sei, die Unabhängigkeit und Moralität der Wahlen zu sichern.

Rußland und Polen. Moskau, 22. Mai, Abends 6 Uhr. (W. T. B.) Gegen Mittag gaben 9 Kanonenschüsse das Signal zur Bildung des Kaiserlichen Zuges. Die Truppen formirten alsbald die ganze Ausdehnung der via triumphalis entlang ein Spalier, durch welche sich der Zug zu bewegen hat. Derselbe entsprach genau den Anordnungen des offiziellen Programms. Namentlich waren es die Depu— tationen der asiatischen Völkerschaften in ihren reichen und selt— samen Kostümen, welche, unmittelbar nach dem Leib Convoi des Kaisers reitend, zunächst die allgemeine Aufmerksamkeit erregten. Nachdem die Großwürdenträger, zum Theil in Gala- Equipagen, zum Theil zu Pferde, und eine Abtheilung der Chevaliergarde vor⸗ übergezogen waren, erschien, einen gewissen Zwischenraum zwischen den Voranziehenden und den Folgenden lassend, der Kaiser in großer Generalsunifomm auf einem weißen Rosse. Bei

Menschenmenge, welche die Straßen in undurchdringlichen Massen, ebenso wie alle Dächer, Balkone und Fenster hesetzt hielt, ein unermeßlicher Jubel aus. Ruhig und ernst erwiderte der Kaiser, welcher langsam vorwärts ritt, die enthusigstischen Zurufe der Menge. Einen besonders prächtigen Anblick ge⸗ währten die nach einem gewissen Zwischenraum hinter dem Kaiser folgenden Großfürsten. Als die Kaiserin in einer reich vergoldeten achtspännigen, von Stallmeistern und Pagen

) Vergl. Nr. 108 des „Reicht und Staats . Anzeigers‘.

umgebenen Equipage erschien, brach der enthusiastische Juhel

weis der Ordnung und Beständigkeit Rumäniens, welches niemals

dem Erscheinen des Kaisers brach unter der unzählharen

von Neuem los. Im Wagen der Kaiserin befand sich die fünfjährige Großfürstin Tenia, welche der Menge ununter⸗ brochen Kußhände zuwarf. An den Pforten der Kirchen, welche der Zug passirte, war die Geistlichkeit aufgestellt, welche das Kaiserliche Paar segnete. Nachdem der Kaiser die eigentliche Stadt betreten hatte, erfolgte die Begrüßung durch den General⸗ gouverneur, Fürsten Dolgorucky, alsdann durch das Stadthaupt, den Adelsmarschall und den Civilgouverneur. An der Twers⸗ kajastraße, welche bis zur Kapelle der heiligen Jungfrau von Iberien stark absteigt, war es möglich, einen Blick über den größeren Theil des Kaiserlichen Zuges zu werfen; der Anblick war überwältigend. Als der Kaiser am Woskressenski⸗Thor vom Pferde stieg und die Kaiserin den Wagen verlassen hatte, um in der Iberischen Kapelle zu beten, erhoben sich aus der undurchdringlichen Menge wahrhaft be⸗ täubende Jubelrufe. Nachdem die Majestäten ihre Andacht verrichtet hatten, setzte sich der Zug von Neuem in Bewegung und betrat alsbald den Kreml. Der Kaiser wird nicht im Kreml Wohnung nehmen, sondern sich nach dem Alexan— droffski⸗Palais begeben und daselbst bis zur Krönung ver⸗ weilen. Gegenwärtig findet in den verschiedenen Kirchen des Kremls der vorgeschriebene Gottesdienst statt. Der Himmel ist etwas bedeckt.

22. Mai, Abends 7 Uhr. (W. T. B.) Bei Glocken⸗ geläute und Kanonendonner hat der feierliche Einzug der Majestäten in die Krönungsstadt stattgefunden. Alles verlief programmmäßig ohne die geringste Störung. Der Kaiser, begleitet vom Thronfolger, allen Großfürsten, den fremden Prinzen und einer Suite zahlreicher General-Adju— tanten, Generale und fremder Militär-Attachés, wurde enthu— siastisch von dem Volke begrüßt, welches massenhaft unmittel— bar hinter dem Soldatenspalier auf beiden Seiten der Einz ugs— straße stand und auf diese Weise seinen Herrscher in unmit— telbarer Nähe sehen konnte. Um 3 Uhr langte der Zug bei der Kapelle an, wo sich das Bild der iberischen Mutter Gottes befindet; hier wurden die Majestäten von dem Bischofe von Dmitrowsk und zahlreichen Geistlichen empfangen, worauf sich der Zug nach dem Kreml richtete. Um 3 Uhr 45 Mi⸗ nuten kamen die Majestäten im Kaiserlichen Palais im Kreml an. Die Kaiserin und alle Großfürstinnen trugen national— russische Anzüge. Die asiatischen, unter Rutzlands Szepter stehenden Völker waren zahlreich vertreten. Alle Fenster und Balkons auf der Twerskaja sind sestlich bekorirt und dicht besetzt; die ganze Stadt jubelt. Abends findet eine glänzende Illumination statt.

22. Mai, Abends 7 Uhr 30 Minuten. (W. T. B.) Der Einzug des Kaiserpaares ist glänzend verlaufen. Auf der ganzen Strecke vom Petrowski⸗Palast bis zum Kreml wurden die Majestäten mit unbeschreiblichem Jubel und Enthu— siasmus begrüßt. Am Eingange zum Kreml sangen einige Hundert Sänger die Volkshymne als Bewillkommnungsgruß. Nach dem Einzuge in den Kreml fand ein kurzer Gottesdienst. in den Kathedralen statt. Der Zug bot ein ungemein imposantes Bild durch die glänzende Pracht der Uniformen und der Hofwagen, durch die Mannigfaltigkeit der nationalen Trachten der Truppen und der asiatischen Völkerschaften, sowie durch die malerische Szenerie der Straßen und Plätze. Die Haltung der Bevölkerung war eine ebenso enthusiastische wie ehrerbielige. Bei der Annäherung der Spitze des Zuges eniblößte Alles das Haupt. Das Weiter ist milde.

23. Mai, Vormitt. 10 Uhr 30 Min. (W. T. B. ) Nach dem feierlichen Einzuge in den Kreml begaben sich der Kalser und die Kaisferin nach dem Ulexander— Schlosse im Neskutschny⸗ Park, im Süden der Stadt an der Moskwa, um daselbst in völliger Zurückgezogenheit die vor⸗ geschriebene Fastenzeit zu verbringen. Heute Mittag findet die feierliche Weihe der Reichsfahne durch den Ka fer statt. Die Stadt ist in fortdauernder festlicher Er— regung; der Kaiser wurde überall, wo er erschien, enthusiastisch begrüßt.

23. Mai, Vormitlags 11 Uhr. (Telegramm der „Nordi⸗ schen Telegraphen-Agentur“.) Betreffs des gestrigen feierlichen Einzuges find noch folgende Details zu melden: Alle Mit— glieder der Kaiserlichen Familie, die ausländischen Fürftlich— keiten, die höheren Höofchargen, sowie die Gesandten der fremden Mächte und die Gemeinde-Repräsentanten kamen im Petrowski-Palais gegen 10 Uhr Vormittags an. Zuerst erschien der General-Gouverneur von Moskau, Fürst Dol⸗ gorukow, Mittags der Fürst von Montenegro und der Herzog von Montpensier. An dem Dejeuner, welches dem Einzug voranging, nahmen alle Großfürsten und Großfürstinnen, der Herzog von Edinburg mit Gemahlin, die Farsten von Montenegro und Bulgarien, die Minister und andere hohe Würdenträger Theil. Als Ober-Ceremonien— meister fungirte Fürst Kurakin. Der Großfürst-Thronfolger trug Kosakenuniform. Gestern sind angekommen: Prinz Ferdinand von Sachsen-Coburg-Gotha, Prinz Hermann von Sachsen-Weimar⸗Eisenach mit seinem Sohne, dem Prinzen Bernhard, der dänische außerordentliche Gesandte von Wind, der japanische außerordentliche Gesandte Chanabusa mit den Sekretären Akahonsi und Samano-Utschi. Die Ein— weihung des Reichsbanners erfolgt heute Nachmittag um 2 Uhr.

Schweden und Norwegen. Stockholm, 22. Mai. (W. T. B.) Die Erste Kammer des Reichstags hat mit 70 gegen 63 Stimmen die Paragraphen der Regierungs— vorlage über die Heeres-Organisation, welche be— stimmen, daß der Stamm der Truppen durch Werbung be— schafft werden soll, verworfen. Die ganze Vorlage ist da— durch gefallen.

Christiania, 23. Mai. (W. T. B.) Der Staats⸗ Minister Selmer hat bei der Auswahl 13 Mitglieder des Reichsgerichts perhorreszirt. Es verlautet, daß die Ver⸗ handlungen des Reichsgerichts gegen Selmer in der nächsten Woche beginnen werden.

Amerika. New⸗Hork, 19. Mai. (Allg. Corr.) In Racine (Wisconsin) wurden 25 Personen durch den Wirbelsturm getödtet. Der Sturm berührte übrigens nur einen kleinen Theil der Stadt. Wirbelstürme haben auch Chemung (Illinois) heimgesucht, wo mehrere Personen ge⸗ tötet und 260 verletzt wurden, sowie Dal nuth (Minnesota), Watertown (Wisconsin) und Clinton (Illinois), wo eben⸗ falls mehrere Menschen getödtet und verletzt wurden. Mehrere Opfer gab es auch in der Umgegend von Staunton Illinois) und anderen Theilen dieses Staates und Wisconsins. Alle diese Ortschaften haben beträchtlich gelitten. N

20. Mai. (Allg. Corr.) Weitere detaillirte Be⸗ richte über den Wirbelsturm, welcher Racine in Wis⸗ confin heimsuchte, melden, daß die Katastrophe auf das Eigen⸗

thum von Arbeitern und Handwerkern, welche dort kleine Häuser besitzen. beschränkt war. Aus verschiedenen Theilen von Illinois laufen fortwährend Berichte über die durch die Wirbelstürme verursachten Verheerungen ein. In Illinois haben 63 Personen ihr Leben verloren und über 200 mehr oder minder erhebliche Verletzungen davongetragen. In⸗ folge der Beschädigung der Telegraphendrähte in Wisconsin kann eine genaue Schätzung des dortigen Verlustes an Menschenleben nicht aufgestellt werden.

Afrika. Egypten. Alexandrien, 23. Mai. (W. T. B.) Der Minister des Innern Ismail Eyub Pascha hat seine Entlassung erheten und erhalten. Als sein Nachfolger wird der bisherige Minister des Unterrichts Khairi Pascha und

als künftiger Minister des Unterrichts Khadry Pascha

genannt.

Zeitungsstimmen.

Die „Schlesische Zeitung“ schreibt unter der Ueber— schrist Scheinkonstitutionalismus“:

Ein Schlagwort aus dem Jahre 18418 ist neuerdings wieder lebhabt in Schwang gekommen. Die ganze linksliberale und radi⸗ kale Presse eifert gegen den „Scheinkonstitutionalismus“, der viel schlimmer sei als der nackte Absolutismus. Wir sind diesem Schlag⸗ worte jedesmal begegnet, wenn die Regierung der Opposition gegen—⸗ über in streng verfassungsmäßigem Wege eine Reihe größerer Erfolge errungen hatte. Aehnlich liegen die Dinge auch heute. Die Wandlung in der Handelspolitik, die Verstaatlichung der Eisenbahnen, die Korrekturen der Gewerbeordnung, die Umschränkung der Wucher⸗ und Verfälchungsfreiheit, die Inangriffnahme tiefgreifen⸗ der sozialpolitischer Reformen alle diese und noch viele andere Akte der Gesetzgebung bezeichnen eine Reihe eklatansteter Niederlagen des manchesterlichen Liberalismus. Jeder dieser Akte ist unter Zu— stimmung ansehnlicher Majoritäten freigewählter parlamentarischer Körperschaften zustande gekommen, sie alle sind also konstitutionell unanfechtbar. Dennoch redet man von Scheinkonstitutionalismus.

Dem Fortschritt und seinem Anhang genügt es keineswegs, daß die Gesetze in streng verfassungsmäßigem Wege zu Stande kommen, in seinen Augen liegt das Kriterium eines freien Staates vielmehr darin, daß dieselben das Werk einer bestimmten herrschenden Partei sind. Das ganze Streben dieser Herren ist auf ein par— lamentarisches Parteiregiment gerichtet. Wie in manchen an— deren Staaten, sollen die jeweiligen Majoritäten der gewählten Vertretungskörper über die Ministerportefeuilles verfügen der Krone soll nur das Recht bleiben, die Anstellungsdekrete der ihr aufgedräng⸗ ien Räthe und die von denselben mit den Majoritäten vereinbarten Gesetze zu vollziehen. Im Uebrigen soll sie hoch oben im Nebel ver schwinden. Das allein nennt der wahrhafte Liberalismus wahrhaften Konstitutionalismus.

Die Herren Manchestermänner haben vollständig recht, wenn sie der Ansicht sind, daß bei einem solchen Regimente die erwähnten, ihnen tief widerstrebenden Akte der Gesetzgebung wenigstens bis zur Stunde nicht möglich geworden sein würden. Die Dinge würden sich nach menschlichem Ermessen ganz anders entwickelt haben. Bismarck hätte vom Schauplatze abtreten müssen, als die manchesterliche Majorität von ehedem zuerst entschieden gegen ihn Front machte. . . . In Preußen-Deutschland ist konstitutionell, wahrhaft konstitutionell, nicht scheinkonstitutionell, was verfassungsmäßig begründet ist nichts anderes. Staats« und Reichsverfassung gewähren den Parlamenten eir reiche? Maß schwerwiegender Rechte. Kein Gesetz kann ohne ihre Zustimmung zu Stande kommen, keine Steuer auferlegt, kein Pfennig verausgabt werden; das gesammte Finanzwesen steht unter ihrer strengsten Kontrole, sie können über alle Akte der Verwal⸗ tung von der Regierung Verantwortung fordern, sie haben das Recht der legislatorischen Initiative, das Recht, ihr Präsidium zu wählen, und ihre Geschäftsordnung festzustellen, und last not least das Recht des freien Wortes vor dem ganzen Lande. Alle diese Rechte werden von der Krone und ihren Räthen voll und ganz respektirt, und so lange dies geschieht, ist das Wort Scheinkonstitutionalismus eine Lüge. Der Versuch, eine Berechtigung für dasselbe daraus herzuleiten, daß die Regierung den Parlamenten einzelne Gesetzentwürfe in wenig veränderter Form aufs neue vorgelegt hat, nachdem dieselben bereits wiederholt abgelehnt waren, zeigt nur, daß man an preußische und deutsche Verxhältnisse stets die konstitutionelle Schablone anderer Staaten anlegt. Regierung und Parlament sind nach unseren Verfassungs⸗ prinzipien im Punkte der Gesetzgebung durchaus gleichberechtigte Faktoren. So gut aber die Fortschrittspartei das Recht hatte, lange Zeit hindurch alljährlich mit ihrem Antrag auf Bewilligung von Biäten an die Reichstagsabgeordneten wiederzukehren, und so gut Hr. Windthorst berechtigt war, seine kirchenpolitischen Offensivanträge periodisch zu erneuern, ebenso gut hat die Regie⸗ rung das Recht, bereits abgelehnte Gesetzentwürfe binnen der ver— fassungsmäßig vorgezeichneten Frist, d. h. nach Beginn einer neuen Session, wiederum einzubringen. Hrn. Bambergers Begriffen von „Parlamentarismus“, nach welchen, wie er kürzlich unumwunden aussprach, „die Regierung der Ausdruck der (jeweiligen) Mehrheit der Volksvertretung ist“, entspricht das freilich nicht, aber wo dies Prinzip gilt das, wie Hr. Bamberger frank und frei erklärte, er und seine sezessionistischen Freunde als das Ziel unserer Entwickelung anstreben da herrscht der König nicht mehr, da ruht die Souveränetät beim Parlamente. In Preußen aber regiert, gottlob, der König und in Deutschland der Kaiser unter Mitwirkung der verbündeten Regierungen.

Daß in Preußen alle Rechte der Regierung beim Könige ruhen, soweit er nach dem Wortlaute der Verfassung nicht ausdrücklich an die Zustimmung des Landtags gebunden ist, hat selbst Hr. Hänel, die staatsrechtliche Autorität der Fortschrittspartei, bei den Debatten über den Allerhöchsten Erlaß vom 4. Januar v. J. unumwunden an— erkennen müssen. Und Niemand wagte ein Wort der Erwiderung, als Fürst Bismarck damals erklärte:

„Der Erlaß sollre kein neues Recht schaffen, aber er hat den Zweck, die Verdunkelung des bestehenden Rechtes zu verhüten, die konstitutionellen Legenden zu bekämpfen, welche sich wie wucherische Schlingpflanzen an den ganz klaren Wortlaut der preußischen Ver— fassungsurkunde legen, als ob es noch andere Rechtsquellen für uns gäbe außer dem preußischen geschriebenen Rechte, als ob die zufällig in anderen Ländern bestehenden Traditionen oder Verfassungen auf irgend welche Gültigkeit bei uns in Preußen Anspruch hätten.“

Die Wirkung dieser Worte war damals eine so gewaltige, daß die gesammte nationalliberale, sezessionistische und fortschritt⸗ liche Presse es für pure Verleumdung erklärte, wenn ihr nach⸗— gesagt werde, jemals unser konstitutionelles Wesen anders erfaßt und nach einem parlamentarischen Parteiregiment verlangt zu haben. In neuerer Zeit indeß hat der Linksliberalismus dies Feigenblatt längst wieder bei Seite geworfen, und seit Bamberger in seinem und seiner Freunde Namen das oben ceitirte große Wort gesprochen, hallt es in allen wahrhaft liberalen Organen wieder: dem parlamentarischen Regiment gehört die Zukunft. Einstweilen halten wir daran fest, daß unser diffuses Parteiwesen ein solches Regiment, überhaupt nur als ein kurzlebiges Experiment mög— lich macht, daß ein solches dem Wortlaute wie dem Geiste der ö Verfassung entschieden widerspricht, daß es mit unseren Reichsinstitutionen absolut unvereinbar ist und was mehr Als alles Andere gilt daß die Nation in ihrer überwältigenden Mehrheit ein solches Regiment nicht will. Unser mannhaftes Volk will keinen Kaiser. keinen König, der, wie Louis Philipp, den Regenschirm als Attribut führt, sondern einen Monarchen vom Schlage der Hohenzollern, der bei aller Achtung vor Verfassung und Recht mit gleich fester Hand im Frieden das Scepter führt wie im Kriege das Schwert,

„Der Deutsche Leinen-Industrielle“ sagt in seiner Umschau: =. Ist auch die Prosperität der industriellen Unternehmungen je nach der zu bestehenden ausländischen Konkurrenz wie nach der geo— graphischen Lage und der Spezialität der Erzeugnisse eine gewiß un⸗ gleiche, so mag doch die Hoffnung gehegt werden, daß die Fortdauer der überall wieder hervorgetretenen Geschäftslust, namentlich bei glück lichem Ausfall der nächsten Ernte, auch tiese! Unterschiede in gün⸗ stigem Sinne in etwas nivelliren wird. Daß und wieriel davon dem in manchen Positionen recht bescheidenen Schutzzoll zu danken ist, darüber mögen die Herren Theoretiker streiten, während wir uns der Thatsache erfreuen.

Ein Industriezweig zeigt allerdings, daß ihm der neue Zoll⸗ tarif hervorragend genutzt hat. Es ist die Jute ⸗Industrie, welche, bis zur Einführung unserer Zollreform in krampfhaftem Ringen nur vegetirend, inzwischen zu einem üppigen Gedeihen emporwuchern konnte. Wir theilen nicht den Standpunkt des Reichstags⸗ Abgeordneten Lohren, welcher in der Reichstagssitzung vom 16. Februar er. die. Jute Industrie als eine Feindin der deutschen Leinenindustrie hinstellte. Wir sind gern einverstanden, wenn man anerkennt, daß unsere Flachs⸗ und Hanfinduftrie gegenüber der Jute⸗‚Industrie im Zolltarif viel zu niedrig geschätzt wurde, hegen aber andererseits die bescheidene Meinung, daß bei niedrigem Zoll auf Jute und die daraus hergestellten Stoffe lediglich die Thatsache zur Erscheinung gelangt sein würde, daß Schottland uns mit den der mannigfaltigsten Verwendung fähig gewordenen Jutegeweben über schwemmt hätte, während jetzt deutsches Kapital und deutsche Arbeit in dieser neuen Industrie eine fruchtbringende Verwerthung gefunden haben. Ja, es darf sogar nicht verkannt werden, daß eben die Jute⸗Industrie in manchen Landegtheilen eine Anzahl alter, schon verstaubter Handwebstühle wieder in Funktion gebracht hat, die anders schwerlich die Rumpelkammer so bald wieder verlassen hätten, und von diesem Gesichtspunkte möchte es sogar freudig begrüßt werden. daß der Holltarif Deutschlands Industriethätigkeit um einen neuen kräftigen Zweig bereichert hat. . . . .

Armee⸗Verordnungs-⸗Blatt. Nr. 13. Inhalt: Dislokation des 3. Rheinischen Infanterie⸗Regiments Nr. 29 und des Infanterie⸗ Regiments Nr. 130 und Uebertritt des 7. Branden— burgischen Infanterie⸗Regiments Nr. 60 zur 62. Infanterie Brigade. Dislokation der 2. und 3 Escadron Oldenburgischen Dragoner⸗ Regiments Nr. 19. Höchste Loosnummer im Aushebungsbezirk Hammelburg für das Jahr 1852. Verausgabung von Nachträgen zu verschiedenen Reglements. Anstrich der Wände in den Schneider⸗ werkstätten der Truppen. Eröffnung einer neuen Eisenbahn. Bekanntmachung eines Verzeichnisses derjenigen höheren Lehranstalten, welche zur Ausstellung von Zeugnissen über die wissenschaftliche Be⸗ fähigung für den einjährig⸗ freiwilligen Militärdienst berechtigt sind. Gebührnisse der zur Probedienstleistung als Zeugfeldwebel und Zeugsergeanten kommandirten Unteroffiziere. Feier des Todestages des Herzogs Leopold vnn Braunschweig. Bekanntmachung der Lebensversicherungsanstalt für die Armee und Marine.

Amtsblatt des Reichs-⸗Postamts. Nr. 25. Inhalt: Verfügung vom 12. Mai 1883: Veränderte Behandlung der Post— nachnahmen im Verkehr mit Oesterreich⸗Ungarn.

Archiv für Post und Telegraphie. Nr. 9. Inhalt: Aktenstücke und Auffätze: Neue türkische Postordnung. Das Relais und dessen Regulirung. Das Postwesen der Sandwichs⸗-Inseln. Egypten und seine Stellung im Weltverkehr Kleine Mitthei⸗ lungen: Nachsuchungen und Beschlagnahmen auf der Post in Belgien. Elektrische Eisenbahn im schweizerischen Kanton Graubünden. Zeitschriften⸗Ueberschau.

Justiz⸗Ministerial⸗ Blatt. Nr. 20. Inhalt: Er— kenntniß des Reichsgerichts vom 22. Februar 18583.

Statifti sche Nachrichten.

Gemäß den Veröffentlichungen des Kaiserlichean Gesund⸗ heitsamts sind in der 19. Jahreswoche von je 1000 Bewohnern auf den Jahresdurchschnitt berechnet als gestorben gemeldet: in Berlin 28,5, in Breslau 34,8, in Königsberg 31.1, in Cöln 26,9, in Frankfurt a. M. 23,2, in Hannover 30,9, in Cassel 32,4, in Magdeburg A, 2, in Stettin 28,1, in Altona 23,8, in Straßburg 30,1, in Metz 23, l, in München 34,2, in Nürnberg 26,2, in Augsburg 46,7, in Dres den 30,6, in Leipzig 29,2, in Stuttgart 20,5, in Braunschweig 24,8. in Karlsruhe 20,9, in Hamburg 30,2, in Wien 37,0, in Budapest 35,2, in Prag 42.7, in Triest in Krakau ,t, in Basel 14,3, in Brüssel 36,, in Paris 29,»s, in Amsterdam 29,3, in London 21,8, in Glasgow 31,2“, in Liverpool 30,', in Dublin 31,6, in Edinburg 16, in Kopenhagen 32,5, in Stockholm 26,0, in Chri— stiania 19,3, in St. Petersburg 41,9, in Warschau 27,9, in Odessa 30,2, in Rom 35,2, in Turin 27,1, in Bukarest 31,2. in Madrid 49,6, in Alexandrien (Egypten) 40,5. Ferner aus der Zeit vom 15. bis 21. April er.: in New⸗Jork 28,3, in Philadelphia 235,8, in Chicago , in Cineinnati 22,3, in St. Louis —, in San Franzisko 20,2, in Kalkutta 27,9, in Bombay 30.6, in Madras —.

Beim Beginn und in den ersten Tagen der Berichtswoche waren an den ostdeutschen Beobachtungsorten nördliche, in Konitz bis Nord— west laufende, an den anderen deutschen Stationen nordöftliche, in München auch östliche Winde vorherrschend, die am 8. Mai ziemlich allgemein nach Süd und Südost, in Bremen und Karlsruhe chier aber erst am ) nach West und Südwest gingen und an den Ost— stationen und in Cöln mit Nordwest wechselno, bis an das Ende der Woche vorwiegend blieben. Die Temperatur der Luft war wohl eine höhere als in der Vyorwoche, entsprach jedoch im Wochendurchschnitt nur in Cöln und in Heiligenstadt der normalen. Nachtfröste wurden aus keiner Station mehr gemeldet. Niederschläge, in Heiligenftadt Schnee, in Cöln auch Hagel, fielen besonders in den nord⸗ und süddeutschen Stationen häufig; elektrische Entladungen fanden in Nord-, Mittel, West- und Süddeutschland mehrfach statt. Der beim Beginn der Woche mäßig hohe Luftdruck zeigte während der Woche nur geringe Schwankungen; erst am Wochenschluß stieg der Barometer an allen Stationen erheblicher.

In den meisten Großstädten Europas war die Sterblichkeit in der Berichtswoche nicht kleiner, in einer größeren Zahl (Berlin) sogar noch größer als in der Vorwoche. Namentlich waren es noch immer akute entzündliche Prozesse der Athmungsorgane, die zahl—⸗ reiche Todesfälle herbeiführten. Für die deutschen Städte war die allgemeine Sterblichkeitsverhältnißzahl ein wenig kleiner, 27,? gegen 27,9 der Vorwoche (pro Mille und Jahr herechnet). Die Theil⸗ nahme des Säuglingsalters an der Sterblichkeit blieb im Allgemeinen die gleiche wie in der vorangegangenen Woche. Es starben von 10 000 Lebenden (aufs Jahr berechnet) 85 Säuglinge, in Berlin 76, in München 119. Dagegen war die Sterblichkeit in der Altersklasse über 60 Jahre erheblich vermindert.

Unter den Todesursachen riefen Diphtherie, Keuchhusten und Pocken weniger, Masern, Scharlach und typhöse Fieber etwas mehr Todesfälle hervor. Namentlich zeigten sich Masern in Berlin in großer Zahl und bedingten 62 Todesfälle; auch in München, Cassel, Würzburg, Görlitz, Brandenburg, Pforzheim, Prag. Genf, Paris, London, Glasgow, Liverpool, St. Petersburg und Madrid ist die Zahl derselben eine zum Theil recht bedeutende; in den Regierungs— bezirken Marienwerder, Stralsund, Erfurt, Trier, Stettin und Hildes⸗ heim waren Masernerkrankungen sehr zahlreich. Das Scharlach fieber raffte in Gießen, Berlin, Hannover, Remscheid mehr, in Hamburg etwas weniger Kinder hin. Diphtherie und Croup wurden in Königsberg, Elbing, Schwerin i. M., Breslau, München, Leipzig. Berlin, Hannover, Crefeld, Amsterdam, Paris, St. Petersburg, Madrid häufig Todesveranlassung. Erkrankungen kamen in den Regierungsbezirken Erfurt, Stettin, Schleswig und Hildesheim vielfach vor. Unterleibstyphen bedingten in Paris, St. Petersburg und Alexandria mehr Todesfälle. Vereinzelte Sterbe⸗

fälle an Flecktyybus kamen aus Braunschweig, Budapest, Krakau, London, Warschau, Granada zur Meldung, mehrfache aus Valencia, St. Petersburg, Saragossa, Malaga, Murcia und Madrid. —Dem Kind⸗ bettfieber erlagen in deutschen Städten 23 Frauen. Der Keuchhusten verlief in Berlin, Nürnberg, Würjburg, Hamburg milder, in Wien bat die Zahl der Opfer wieder zugenommen. Darmkatarrhe der Kinder nahmen in Breslau, Müncken, Berlin, Straßburg, Wien, Budapest, Prag, Paris, St. Petersburg, Warschau nicht selten einen tödlichen Ausgang. Pockensterbefälle kamen aus deutschen Städten nur 2 (aus Mainz und Wiesbaden je 1) zur Anzeige. Erkrankungen wurden aus dem Regierungsbezirk Wiesbaden 16, aus Berlin 2, aus den Regierungsbezirken Stettin, Trier und Marienwerder 3, bezw. 4 und 6 gemeldet. Aus Wien, Brüssel. Liverpool, Birmingham, Warschau kamen einzelne, aus London, Amsterdam, Prag, Valencia, Murcia, Alexandria, Madrid, Malaga mehrfache Todesfälle zur Anzeige. Größer war die Zahl derselben in Rotterdam, Paris, St. Peters⸗ burg, New⸗Orleans und Bombay.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Von dem bereits besprochenen und empfohlenen Werk: „Die Gesetzgebung des Deutschen Reiches von der Gründung des Nord deutschen Bundes bis auf die Gegenwart, mit Er⸗ läuterungen und Registern herausgegeben von B. Gaupp, Geh. Regierungs- Rath, A. Hellweg, Landrichter, R. Koch, Kaiserl. Geh. Ober-Finanz⸗ Rath, W. Neubauer, Ober ⸗Landesgerichts-Rath, W. L. Solms, Ober— Corps⸗Auditeur, R. Sydow, Ober⸗Postrath. W. Turnau, Kammer⸗ gerichts Rath, F. Vierhaus, Landrichter. (Verlag von J. Guttentag (D. Collin) in Berlin und Leipzig) erschien soeben die zweite Liefe⸗ rung, während die dritte und vierte Lieferung als demnächst erschei⸗ nend in Aussicht gestellt sind. Die zweite Lieferung bringt u. A. zunächst den Schluß der Militär ⸗Strafgerichts⸗ ordnung, die Schiffahrtsverträge mit Italien und der Republik Liberia, die Post- und Telegraphenrerträge mit den Vereinigten Staaten von Amerika, Norwegen, Dänemark, Belgien und Luxemburg; den Vertrag mit den Vereinigten Staaten von Amerika, betreffend die Staatsangehörigkeit der Einwanderer; das Gesetz, betreffend die Besteuerung des Branntweins; das Gesetz, betreffend die subsidiarische Haftung des Brennerei⸗Unternehmers für Zuwiderhandlungen gegen die Branntweinsteuergesetze; das Gesetz, betreffend die privatrechtliche Stellung der Erwerbs und Wirthschafts-Genossenschaften; und endlich im Anschluß an das Gesetz, betreffend die Kontrole des Bundes⸗ (Reichs-) Haushalts, die Instruktion für den Rechnungshof des Deutschen Reiches, die aus dem Centralblatt für das Deutsche Reich übernommen worden ist. Bei dem billigen Preise von 1ů50 „S6 für die Lieferung wird das sorgfältig bearbeitete und gut ausgestattete Werk weite Verbreitung finden.

Zur Lutherfeier ist im Verlage von Friedr. Schulze, (Berlin, Wilhelmstr. Ja) eine kleine Festschrift erschienen, welche sich durch ihren gediegenen Inhalt wie durch ihren billigen Preis als Festgabe zur Vertheilung in Schulen, Vereinen u. s. w. vorzugsweise eignet. Sie führt den Titel Martin Luther, der Mann von Gott ge— sandt, ein Festgruß, dargebracht der evangelischen Christenheit, den Alten und den Jungen, zum 10. November 1883, von N. Fries, Hauptpastor in Heiligenstedten. Die Schrift entwirft in kräftigen kurzen Zügen das Bild des Reformators, schildert seinen Lebens— und Entwickelungsgang, das Wesen und die Bedeutung der Refor— mation. Nur wer den gewaltigen Stoff so beherrscht und von dem Geiste des Reformators so durchdrungen ist, wie der Verfasser, ist im Stande, den Stoff in so kurzer, prägnanter und erschöpfender Weise auf 63 Seiten in klein 40 wiederzugeben, wie dies in der vorliegenden Schrift geschehen ist, deren Preis sich auf nur 15 3, in Partien noch billiger stellt (26 bis 50 Eremplare à 14 3, 51—75 à 13 3, 76— 1090 à 12 83, 101-200 à 11 , 200 und datüber à 10 9).

Von dem Prachtwerk: ‚Die deutsche Kaiserstadt Berlin und ihre Umgebung“, geschildert von Max Ring, ist die 11. Lieferung erschienen (Leipzig, Schmidt und Günther), die den Leser durch die Villenstraßen der Stadt, nach dem Denkmal auf dem Kreuzberge und dann nach dem Alten Museum führt. Einige der schönsten Villen, das Denkmal auf dem Kreuzberg mit seinen zukünf— tigen Anlagen, das Germaniagebäude in der Friedrichstraße, eine Ansicht des Alten Museum und hervorragende Skulpturen aus dem⸗ selben bilden die Textillustrationen der Lieferung, die als Vollbilder Ansichten des Königlichen Schauspielhauses und des Alten Museums, Alles in wohlgelungener Ausführung, enthält. Der Preis der Liefe⸗— rung stellt sich auf 1 .

Gewerbe und Handel.

Im Verlage von W. und S. Löwenthal hierselbst ist soeben der dritte Jahrgang des, Kaufmännischen Adreßbuches von Ber⸗— lin (1883) erschienen. Das freundlich und haltbar ausgestattete Nachschlagebuch ist inhaltlich wiederum gewachsen und bringt diesmal in seinem ersten Theil das Verzeichniß der Fabriken und Handlungen Berlins nach Branchen geordnet und in seinem zweiten Theil das Ver— zeichniß der Behörden, Korperationen, Vereine und Institute für Handel, Industrie und Landwirthschaft, sowie der Zeitungen und Zeit— schrifsten Berlins; in einem Anhange findet man ferner die Sehens würdigkeiten von Berlin sowie ein Verzeichniß der Straßen und Plätze mit Angabe der Himmelsrichtungen. Das kaufmännische Adreßbuch hat seit den wenigen Jahren seines Bestehens sich bereits als nützliches Nachschlagebuch neben dem in demselben Verlage er— scheinenden „Berliner Adreßbuch“ bewiesen. Während das letztere umfängliche Buch eine mehr lokale Bedeutung hat, ist das kauf— männische Adreßbuch auf den gesammten deutfchen Kaufmannsstand und wohl auf noch weitere Kreis berechnet. Die Brauchbarkeit des in Rede stehenden Nachschlagebuches wird durch ein sorgfältiges alpha⸗ betisches Inhaltsverzeichniß wesentlich unterstützt. J

In der Genzralversammlung der Dortmund ⸗Gronau⸗ Enscheder Eisenbahn waren 13 Aktionäre vertreten, welche 1949 Stimmen repräsentirten Auf die Verlesung des Geschäftsberichts und der Bilanz wurde verzichtet. Die beiden nach dem Turnus aus cheidenden Mitglieder, Herren Baurath Lent Berlin und Justiz⸗Rath Strobandt Coesseld wurden wiedergewählt. In der sich an die Generalversammlung anschließenden Verwaltungs— rathssitzung wurde der Direktion auf Grund der festgesetzten Bilanz Decharge ertheilt. Als Anfangstermin für die Auszahlung der Dividende (2/8 ½υ ) ist der 2. Juli 1883 festgesetzt.

Nach dem Jahresbericht der Allgemeinen Unfa Versicherungs⸗Bank in Leipzig sind am 31. Dezember 1 276 557 Personen (20566 mehr gegen das Vorjahr) versichert ge—⸗ wesen und im Jahre 1882 11836 Unfälle angemeldet worden Der Bericht konstatirt, daß seit dem Bestehen der Bank, dem 1. Juli 1871ñ᷑ bis 31. Dezember 1882: 70 896 Unfälle zur An⸗ meldung gelangten, von denen 21 745 als haftpflichtig anerkannt und durch Gewähr einer Entschädigungssumme von 9144 148 (M6 er⸗ ledigt, 38 707 Unfälle aber bei gleichzeitiger Versicherung gegen nicht⸗ haftpflichtige Unfälle der Zweiggenossenschaft überwiesen und von diefer mit 3 596 621 S entschädigt werden konnten. Aus der Jahres⸗ rechnung ist zu ersehen, daß die Reserve⸗ und Rentenfonds der Bank die Höhe von 2300 521 „u erreicht haben und der Effektenbesitz von 1451597 M bei der Reichsbank in Berlin und der Allgemeinen deutschen Kreditanstalt in Leipzig deponirt ist.

Wien, 23. Mai (W. T. B.) Ausweis der Karl⸗Ludwigs⸗ bahn (gesammtes Netz) vom 11 bis 20. Mai: 261 056 Fl., Min zer⸗ einnahme 59 391 Fl., die Einnahmen des alten Netzes betrugen in derselben Zeit 25 119 Fl., Mindereinnahme 30 676 Fl.

London, 22. Mai. (W. T. B.) Bei der gestrigen Woll auktion waren Preise unverändert. ;

Liverpool, 22. Mai. (W. T. B.) Zu der hier eröffneten Wollauktion sind 15 000 B. angeboten, die Konkurrenz ist träge, die Preise stellen sich ungefähr 50½ niedriger als bei der letzten Auktlon. ö

New⸗JYork, 21. Mai. (W. T. B.) Weizenverschif⸗ fungen der letzten Woche pon den atlantischen Häfen der Ver—= einigten Staaten nach Großbritannien 77 009), do. nach Frank reich 15 000, do. nach anderen Häfen des Kontinents 12 000, do. von