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denen der erste in Zugfront, der zweite in Compagniefront ausgesührt wurde. Die Garde⸗Jäger defilirten das zweite Mal im Laufschritt.
— Der Ausschuß des Bundesraths für Justizwesen, die vereinigten Ausschüsse desselben für Justizwesen und für die Verfassung, sowie die vereinigten Aueschüsse für Handel und Verkehr und für Justizwesen hielten heute Sitzungen.
— Der Schl ußbericht über die gestrige Sitzung des Reichstages befindet sich in der Ersten Beilage.
— In der heutigen (92.) Sitzung des Reichstages, welcher mehrere Bevollmächtigte zum Bundesrath und Kom⸗ missarien desselben beiwohnten, ertheilte der Präsident von Levetzow vor Eintritt in die Tagesordnung dem Abg. Dietz (Hamburg) das Wort. Derselbe erklärte im Namen der sozialdemokratischen Partei, daß das Krankenkassen gesetz nicht den Anforderungen entspreche, welche die arbeite nden Klassen an ein solches Gesetz zu stellen berechtigt seien; dasselbe bedeute sogar in vielen Hinsichten zine Verschlechterung der bisherigen Lage der Arbeiter. Zu hen unannehmbaren Be— stimmungen gehörten namentlich der Ausschluß der ländlichen Arbeiter und die Beibehaltung der Fabrikkrankenkassen.
Der Abg. Dr. Reichensperger (Crefeld) wünschte, daß dieser Vorgang nicht zu einem Präjudiz werde, so daß es üblich würde, mit solchen Reden auf abgeschlossene Diskussio— nen zurückzukommen.
Der Abg. Richter (Hagen) dankte dem Präsidenten dafür, daß er dem Abg. Dietz gestattet habe, die gehörte Erklärung abzugeben; das sei nur dasselbe, was der Minister von Scholz neulich gethan, und was einem Minister recht sei, das müsse einem Abgeordneten billig sein.
Der Abg. von Kardorff machte den Vorredner darauf aufmerksam, daß sowohl nach der Verfassung wie nach der Geschäftsordnung zwischen einem Mitgliede des Bundesraths und einem Abgeordneten ein großer Unterschied sei.
Der Abg. Dr. Windthorst fand die heutige Opposition des Abg. Richter sehr unglücklich.
Der Präsident von Levetzow erklärte, daß er von dem ihm zustehenden Rechte, Abgeordneten vor der Tagesordnung das Wort zu ertheilen, immer Gebrauch gemacht habe, wo er geglaubt habe, daß dem hetreffenden Abgeordneten an der Abgabe der Erklärung viel gelegen sei, und daß dieselbe die Geschäfte des Hauses nicht wesentlich aufhalten würde. Er glaube nicht, daß er heute von der Praxis abgewichen sei, die er bisher unbeanstandet gehandhabt habe. Wie immer habe er auch heute von dem Inhalt der Erklärung Kenntniß ge— nommen, und er glaube, daß ohne die daran geknüpften Bemerkungen die Angelegenheit keinen Aufenthalt verursacht haben würde. Er bitte, ihn in dieser seiner diskretionären Gewalt nicht zu beschränken.
Nach einigen weiteren Bemerkungen der Abgg. Richter (Hagen), Frhr. von Minnigerode und Dr. Reichensperger (Crefeld) trat das Haus in die Tagesordnung ein. Erster Gegenstand derselben war die Gesammtabstimmung über den Gesetzentwurf, betr. die Krankenversicherung der Arbeiter.
Nach dem Antrage der Abgg. Grillenberger und Frhrn. von Minnigerode war dieselbe eine namentliche. Das Gesetz wurde mit 216 gegen 99 Stimmen angenommen.
Hierauf setzte bei Schluß des Blattes das Haus die dritte Berathung des Gesetzentwurfs, betr. die Abänderung der Gewerbeordnung, fort.
— In der heutigen (70.) Sitzung des Hauses der Abgeordneten, welcher der Vize-Präsident des Staats—⸗ Ministeriums und Minister des Innern von Puttkamer, die Staats-Minister Dr. Lucius, Dr. Friedberg und von Scholz sowie zahlreiche Kommissarien beiwohnten, war erster Gegen— stand der Tagesordnung: die zweite Berathung des Gesetz— entwurfs zur Abänderung des Gesetzes, betr. die Landes— bank von Wiesbaden vom 25. Dezember 1869.
Der Referent Abg. Spahn ersuchte um Annahme des Gesetzentwurfs; die Kommission habe denselben nicht verändert r ihm nur etwas hinzugefügt, nämlich zum 8. 29 folgenden
atz:
Kö Ankauf und cessionsweise Uebernahme ausstehender Geld forderungen für verkaufte oder versteigerte, im kommunalständischen Bezirke belegene Immobilien, sofern diese Forderungen 1erminsweis binnen längstens fünf Jahren fällig werden und hypothekarisch oder durch Eigenthumsvorbehalt an den veräußerten Immobilien ge— sichert sind, mit der Maßgabe, daß, wenn und so lange das für den Ausstand bestellte Pfand nicht doppelte Sicherheit (5. 10) ge— währt, zur Ergänzung der letzteren weitere Sicherheit durch aus— reichende Bürgschaft geleistet werden muß«
Der Abg. Wirth erklärte, daß dieser hinzugefügte Absatz auf einem von ihm gestellten Antrag beruhe, er glaube nicht, daß derselbe einer weiteren Begründung bedürfe.
Der Regierungskommissar Geheime Ober ⸗Regie— rungs-⸗Rath Dr. Forch wandte sich gegen diesen Zusatz. Derselbe durchbreche das Prinzip, welches dem altländischen Sparkassenverkehr und dem Nassauischen Bank— gesetz von 1869 zu Grunde liege, daß nämlich ein längerer Kredit nur bei vollständiger realer Sicherheit gewährt werde; ein Personalkredit dagegen nur auf kurze Fristen. Ein ge— nügender Grund zu einer so gefährlichen Neuerung sei über— haupt nicht gefunden.
Der Abg. Wirth vertheidigte den Zusatz zu §. 29, den die Kommission einstimmig angenommen, und dessen Wir— kungen durchaus keine Gefahr in sich trügen. Die Bedenken des Kommissars schienen ihm mehr formaler Natur zu sein.
Der Vize-Präsident des Staats-Ministeriums und Minister des Innern von Puttkamer erklärte, daß der Vorredner irre, wenn er glaube, daß die Bedenken der Regierung gegen den fraglichen Zusatßz rein formeller oder hureaukratischer Natur seien. Die Vorlage beweise, daß es sich lediglich um das Interesse handele, dem Bezirk Wiesbaden eine Quelle des Kredits wieder zu eröffnen, welche aus bekannten Gründen aufgehört habe. Nichts liege der Regierung ferner, als etwa ein Mangel an Wohlwollen für die Inter⸗ essen der Landwirthschaft. Das alte preußische Spar— kassengesetz von 1838 sorge in strenger Weise dafür, die Sparkassen gegen die Gefahren zu sichern, welche aus dem Kreditgeben entstehen könnten. Würde der Antrag angenommen, müsse die Regierung eine Exemplifi— zirung auf die andern preußischen Provinzen fürchten. Sie würde dann dem Andrängen derselben .. Relaxationen der strengen Vorschriften des Gesetzes von 1835 nicht mehr wider— stehen kö8üd'nen; es würden damit die Schleusen geöffnet, und ein Dammbruch verursacht, der die ernstesten Gefahren für das ganze Sparkassenwesen mit sich führen würde. Die Sicherheiten, welche die Wirthsche Neuerung böten, seien
durchaus unzureichend. Aus allen diesen Gründen müsse er es dem Hause anheim geben, ob es sich dem Vorschlage der Kommission anschließen wolle.
Der Abg. von Rauchhaupt beantragte, hinter dem Worte „Bürgschaft“ auf der vorletzten Zeile die Klammer einzu— schalten: „confer. 1e.“ Dieser Zusatz sei geeignet, sowohl die Bedenken der Regierung zu zerstreuen, als auch die Nassauische Sparkassenbank zufrieden zu stellen.
Nach einigen weiteren Ausführungen der Abgg. Knebel, Wirth und Dr. Wagner wurde der Antrag Rauchhaupt ab⸗ gelehnt, der Zusatz zu 5. 29 und der Rest des Gesetzes sodann ohne Debatte unverändert genehmigt.
Es folgte die zweite Berathung des Gesetzentwurfs, be— treffend das Staatsschuldbuch.
§. L lautet:
Schuldverschreibungen der vierprozentigen konsolidirten An⸗ leihe können in Buchschulden des Staats auf den Namen eines bestimmten Gläubigers umgewandelt werden.“
Nachdem der Reserent Abg. Francke die Kommissions— beschlüsse empfohlen, führte der Abg. Beisert aus, daß er ver— schiedene von ihm in der ersten Lesung geäußerte Bedenken in der Kommission durch Anträge zu beseitigen versucht habe, namentlich wünsche er die Ausgabe von Namenspapieren. Diese Anträge seien leider sämmtlich abgelehnt worden.
Der Abg. von Rauchhaupt sprach mehrere Bedenken gegen den Gesetzentwurf aus, namentlich in Bezug auf die Kost— spieligkeit der Eintragung in das Staatsschuldbuch.
Der Finanz Minister von Scholz erklärte, daß der Ent— wurf nicht von der Regierung in der Absicht eingebracht sei, um etwa den Staatskredit zu heben. Nicht um ein Interesse des Staates handele es sich hier, sondern um ein Entgegen— kommen gegen hier im Hause laut gewordenen Wünsche. Das Amendement, welches die Kostentragung durch die Interessenten beseitigen wolle, verstehe er nicht. Der Gesetzentwurf bezwecke nur die möglichst große Sicherheit derjenigen Staatsgläubiger, welche von der neuen Einrichtung Gebrauch machen wollten. Aber den kleinen Kapitalisten dürfe diese Sicherheit nicht auf Kosten der Steuerzahler gewährt werden.
Der Abg. Dr. Wagner führte aus, daß diese Angelegen— heit vom gesammten volkswirthschaftlichen Standpunkt aus betrachtet werden müsse. Der gegenwärtige Staatsschuld— Zinsfuß von 4 Proz. müsse noch weiter heruntergesetzt werden. Dies wäre volkswirthschaftlich ein großer Fortschritt, und würde die internationale Konkurrenz erleichtern. Die hier in Aussicht genommenen Gebühren seien aber namentlich für die kleinen Kapitale zu hoch, um die Ein— richtung des Staatsschuldbuchs beliebt zu machen.
Der Finanz-Minister von Scholz entgegnete, daß er dem Vorredner gern die Ermäßigung der Gebühren zugestehen würde, wenn er die Sicherheit hätt, daß durch die Einrichtung des Staatsschuldbuchs die Verzinsung der Staatsschuld sich um ein Zehnrel, ja auch nur ein Zwanzigstel billiger stellen würde. Es sei eben ein Experiment, aber dies Experiment dürfe nicht auf Kosten des Fiskus gemacht werden.
Der Abg. Frhr. von Zedlitz und Neukirch bestritt die Behauptung des Abg. Wagner bez. des unmittelbaren Zusammenhanges zwischen den Gebühren und der Zinshöhe der Staatsschuld.
Der Abg. Dr. Wagner kam nochmals auf seine Aus— führungen zurück.
Hierauf schloß die Debatte. §. 1 wurde unverändert angenommen.
Hierauf vertagte sich um 12 Uhr das Haus auf Freitag 9 Uhr.
— Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Bürgermeister der freien Hansestadt Hremen, Dr. Gildemeister, ist hier angekommen.
— Der General-Inspecteur der Artillerie, General-Lieu— tenant von Voigts-Rhetz, hat sich behufs der Besichtigung der Fuß⸗-Artillerie⸗Regimenter Nr. 3, 4 und 8 auf den Schieß— plätzen bei Darmstadt, Wahn und Wesel auf Dienstreisen be— geben.
Bromberg, 30. Mai. (W. T. B.) Heute Abend fand hierselbst in Gegenwart des Ober-Präsidenten von Günther und des Regierungs-Präsidenten von Tiedemann die Eräöff— nung des Provinzialvereins der Gustav-Adolf— Stiftung statt. Konsistorial-Rath Taube und Ober-Burger— meister Bachmann begrüßten die Versammlung, in deren Namen Konsistorial-Präsident von der Gröben dankte.
Elsaß⸗Lothringen. Straßb rg, 29. Mai. (Els.-Lothr. Ztg.) In seinem, die Schulreform betreffenden Erlaß vom II. April 1882 hatte der Statthalter verfügt, daß der vom Ober-Schulrath auf Grund des ärztlichen Gutachtens auszu— arbeitende Entwurf zu neuen Regulativen 2c. einer ad hoe zu berusenden, aus hervorragenden Männern des Landes bestehenden Kommission vorgelegt werde, in welcher sich ir tzbesondere befinden sollten
a. die Bischöfe von Straßburg und Metz,ů b. Geistliche der beiden protestantischen Konfessionen, e. ein Mitglied eines der drei isrgelitischen Konsistorien, d. einige Professoren der Kaiser-Wilhelms-Universität Straßburg, e. eine entsprechende Anzahl weder im unmittelbaren Landesdienste noch im öffent— lichen Lehramte stehender Landesangehöriger.
Diese Kommission ist am 28. d. M. zusammengetreten und hat, unter dem Vorsitz des Kaiserlichen Staatesekretärs, die ihr vorgelegten Entwürfe
eines neuen Regulativs für die höheren Schulen in
Elsaß Loꝛhringen,
einer „Ordnung der Lehraufgaben der höheren Schulen
und der Vertheilung der Leh stunhen“,
einer „Ordnung der Ferien für die höheren Schulen“,
einer „Ordnung der Reifeprüfung an den Gymnasien“,
einer „Ordnung der Reifeprüsung an den Realschulen“, der Prüfung namentlich vom allgemein ethischen und praktischen Standpunkte aus unterzogen. Die Mitglieder des Ober⸗Schulraths wohnten den Sitzungen behufs Ertheilung von Auskunst bei.
Belgien. Brüssel, 30. Mai. (W. T. B.) Der Finanz-Minister brachte in der Kammer 5 Finanz⸗ gesetzentwürfe ein, in welchen Maßregeln zur Befrie— digung der BSedürfnisse des Staatsschatzes vorgeschlagen werden. Der erste Entwurf legt eine Steuer auf die beweglichen Werthe und die Wech sel-Operationen; der zweite enthält Abänderungen der Gesetze über die Personalbesteuerung; in dem dritten wird eine Erhöhung der Abgaben von Branntwein, in dem vierten eine Erhöhung der Taback—
steuer, in dem fünften die Erhöhung eines Eingangs⸗ zolles auf Kaffee, Cacao und Weinessig vorgeschlagen. Die vorgeschlagenen Eingangszölle betragen für ungerösteten Kaffee bis zu 30 Fres. pro 100 kg, für nicht fabrizirte Tabacke bis 100 Fres. pro 100 kg, für Cigarren und Cigaretten 300 Fres. und die Eingangszölle auf fremde Branntweine 100 Fres.
— 30. Mai. (W. T. B.) Die von dem Finanz⸗Mi⸗ nister vorgeschlagenen neuen Steuern und Steuer⸗ erhöhungen werden anschlagsmäßig einen dem Budget⸗ Defizit entsprechenden Betrag von 22 300 000 Fr. ergeben. Der Finanz⸗Minister brachte in der Kammer noch einen wei⸗ teren Gesetzentwurf ein, wonach die Regierung ermächtigt werden soll, die neuen Steuern sofort provisorisch zur Er⸗ hebung zu bringen, um etwaigen Manövern von Spekulanten vorzubeugen. Der Centralausschuß der Kammer nahm diesen Entwurf mit 5 gegen 2 Stimmen an.
Frankreich. Paris, 30. Mai. (W. T. B.) Die an der heutigen Börse verbreiteten Gerüchte von der Demission des Marine-Ministers Brun sowie von der Nieder⸗ metzelung der Garnison von Hanoi werden von der „Agence Havas“ als unbegründet bezeichnet. Ebenso unrichtig sei es, daß der Ministerrath gestern über einen neuen Kredit für die Expedition nach Tonkin berathen habe. — Nachrichten aus Gorea, vom 19. Mai, welche bei Schiffs⸗ rhedern in Bordeaux eingegangen sind, erwähnen nichts von den alarmirenden Gerüchten über die Lage des Obersten Desbordes; nach einer Privatdepesche ist der Oberst Anfangs dieses Monats in Kila angekommen. — Nach der „France“ sollen Transportdampfer nach Algier gehen, um da— selbst Truppen für Tonk in einzuschiffen.
Die Kommission der Deputirtenkammer für die Vorberathung der Regierungsvorlage, betreffend das Tonkordat, hielt heute eine Sitzung. Entgegen der Ansicht der Regierung hält die Kommission alle Artikel des Bertschen Entwurfs aufrecht, namentlich die vollständige Aufhebung der Seminarstipendien, die Aufhebung der freien Wohnungen der Bischöfe und den Rückfall der gegenwärtig im Besitz der Kon— gregation befindlichen Liegenschaften an den Staat. Aus—⸗ genommen sind die von den Ministern des Aeußern und der Marine empfohlenen Kongregationen. Die Kommission spricht sich gleichfalls für das Recht der Regierung aus, die Bezüge der Geistlichen zu suspendiren, und zwar bis zur Dauer eines Jahres.
Spanien. Madrid, 30. Mai. (W. T. B.) Bei der heutigen Eröffnung der mineralogischen Aus— stellung, welcher der König und die Königin von Spanien mit dem König und der Königin von Portugal beiwohnten, hielt König Alphons eine Rede, in welcher er sagte: Spanien und Portugal würden stets zusammengehen; der einzig mögliche Kampf unter ihnen sei der friedliche Wettstreit der Industrien. Beide Nationen seien Schwestern. Die Rede wurde mit den Rufen: „es lebe Spanien, es lebe Portugal!“ aufgenommen.
— 531. Mai. (W. T. B.) Die Verhandlungen zwischen Spanien und Portugal über einen Han— delsvertrag haben auf dem Wege gegenseitiger Zugeständ— nisse zur Feststellung der Grundlagen geführt. Ein Protokoll, welches die Hauptpunkte des abzuschließenden Vertrages regelt, ist festgestellt. Der König von Portugal ist in dieser Nacht nach Lissabon abgereist.
Miglien, Rom, 30 Mai ( , ar heutigen Sitzung der Deputirtenkammer zeigte der Minister-Präsident Depretis die Lösung der Minister⸗ krisis an, wobei er hervorhob- die Regierung werde streng an den politischen Grundsätzen festhalten, welche sie vor den allgemeinen Wahlen kundgegeben und im Parlament bekräf— tigt habe. — Der Minister des Aeußern, Mancini, legte den mit Deutschland abgeschlossenen Handels⸗ vertrag vor und verlangte die Dringlichkeit für dessen Be— rathung.
Die wegen der Ruhestörung auf der Piazza Scigrra Angeklagten sind bis auf Ferrari, Tondi und Passera freigesprochen worden. Ersterer wurde wegen Aufreizung zum Aufruhr, die beiden Letzteren wegen Preßvergehen zu je einjährigem Gefängniß und 500 Lire Geldstrafe ver— urtheilt.
vumänien. Bu karest, 30. Mai. (W. T. B.) Auf Ersuchen der Kammermajorität behält Rosetti das Prä— sidium. — Der Minister-Präsident Trikupis beantragte bei der Kammer, während der Ausarbeitung der Ver⸗ fassungsre vision einige andere dringende Vorlagen zu erledigen.
Rußland und Polen. St. Petersburg, 30. Mai. (W. T. B.) Der heutige „Regierungs-Anzeiger!“ ver— oͤffentlicht eine weitere Liste von Auszeichnungen. In derselben ist die Verleihung von Orden und Titeln an eine größere Anzahl von Würdenträgern der lutherischen und ka— tholischen Kirche besonders bemerkenswerth. So erhielten: der lutherische Bischof Richter den Weißen Adler-Orden, der ka— tholische Metropolit, Erzbischof von Mohilew, Gintowt, und der Warschauer Erzbischof Popiel den Annen⸗Orden J. Klasse, der Moskauer lutherische Oberpastor Dickhoff dieselbe Klasse des Staͤnislaus-Ordens; der Präsident des Warschauer Kon— sistoriums Augsburger Konfession, Ewert, die Bischofswürde. Der „Regierungs-Anzeiger“ verkündet ferner eine Reihe von Ordensverleihungen an Großindustrielle, wegen ihrer Verdienste um den Handel und die Industrie Rußlands; es befinden sich darunter viele deutsche, sowie etliche österreichische, englische und französische Unterthanen.
Moskau, 30. Mai, Nachmittags 3 Uhr 30 Minuten. (W. T. B.) Bei der heute Mittag im Andreassaale des Kremlpalastes fortgesetzten Beglückwünschungscour nahmen der Kaiser und die Kaiserin die Huldigungen der Ehrendamen und Ehrenfräuleins der Kaiserin und der Groß— fürstinnen, der Damen der ersten sechs Rangklassen sowie der Gemahlinnen und Töchter des erblichen Adels entgegen. —
Heute Abend findet eine Galgvorstellung im Theater statt, bei welcher ein „Nacht und Tag“ betiteltes Ballet und ein
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Akt aus der Oper „Das Leben für den Czaren“ zur Auffüh⸗ rung gelangen.
Der Kaiser stattete heute Nachmittag gegen halb drei Uhr dem Prinzen Albrecht von Preußen anläßlich des Hinscheidens seiner Mutter, der Prinzessin Ma⸗ rianne der Niederlande, einen längeren Kondolenz— besuch ab. In Begleitung bes Kaisers, der den Weg im offenen Wagen und ohne Eskorte zurückgelegt hatte, befand sich der Großfürst Alexius. Der Kaiser trug die Uniform seines
preußischen Kaiser Alexander Garde Grenadier⸗Regiments Nr. 1. Nach fast halbstündigem Aufenthalt verabschiedete sich der Kaiser in herzlichster Weise von dem Prinzen, der heute Abend 11 Uhr Moskau verläßt. Im Laufe des heutigen Vormittags hatte Prinz Albrecht den unter Führung des deutschen Konsuls erschienenen Vorstand des hiesigen Vereins deutscher Reichs— angehöriger empfangen.
— 51. Mei, früh 1 Uhr. (W. T. B.) Die gestrige Galavorstellung im Theater nahm einen äußerst glän⸗ zenden Verlauf. Der Eindruck, den der aufs Prachtvollste er⸗ leuchtete Saal und die darin versammelte glänzende Gesell⸗ schaft machte, war ein wahrhaft großartiger. Im Parterre hatten die Minister, die Generalität und die hohen Würdenträger Platz ge⸗ nommen. Als der Kaiser und die Kaiserin um 7i½ Uhr in der Kaiserlichen Loge erschienen, erhob sich die Versammlung und begrüßte die Majestäten mit enthusiastischen und fort— gesetzten Hochrufen. Der Kaiser und die Kaiserin, welche das Band des St. Andreas⸗Ordens angelegt hatten, nahmen im Vordergrunde der Loge Platz; denselben zur Seite ließen sich die Königin von Griechenland, die Erzherzogin Karl Ludwig von Oesterreich und die Großfürstinnen Wladimir und Konstantin nieder. In der über der Kaiserlichen gele— genen Loge hatte der Herzog von Aosta und die übrigen Großfürsten Platz genommen. Der Großfürst-Thronfolger befand sich in der einen Seitenloge der Kaiserlichen mit dem Herzog von Edinburg, in russischer Admiralsuniform; in der anderen Seitenloge saßen die Herzogin von Edinburg, die Großfürstin Michael und die Großherzogin von Mecklenburg-Strelitz. Die an⸗ deren hir anwesenden Fürstlichkeiten hatten in den Proszeniums— logen Platz genommen. Die Mitglieder der Gesandtschaften befanden sich in den Logen des ersten Ranges. Der Botschaster von Schweinitz trug den Großkordon des Alexander-Newaky⸗ Ordens. Als der Kaiser und die Kaiserin sich während der Vorstellung auf einige Zeit zurückgezogen hatten und dann wieder erschienen, wurden dieselben abermals mit stürmischen Zurufen begrüßt; die Versammlung stimmte die National— hymne an, welche die Majestäten, an der Brüstung der Loge stehend, mit anhörten. Der Kaiser und die Kaiserin verließen den Saal gleichfalls unter den enthusiastischen Hochrufen der Versammlung.
— 31. Mai. (W. T. B.) Se. Königliche Hoheit der Prinz Albrecht von Preußen hat Moskau gestern Abend 11 Uhr verlassen. — Heute findet die Uebertragung der Kaiserlichen Regalien aus dem Thronsaal in die Rüstkammer und dann in der Granowitaja Palata ein Fest— banket für die Geistlichkeit und die Mitglieder beiderlei Ge— schlechls der ersten zwei Rangklassen statt. Am Abend ver— anstaltet der Moskauer Adel einen Ball.
Warschau, 31. Mai. (W. T. B.) Der General— gouverneur von Warschau, General Albedinsky, ist heute Morgen 8 Uhr gestorben.
Amerika. New⸗York, 30 Mai. (W. T. 3.) Als heute Nachmittag sich eine große Menschenmenge auf der kürz— lich dem Verkehr übergebenen neuen Brücke zwischen Brooklyn und New-Hork befand, entstand auf den Ruf: „Die Brücke fällt“ eine panikartige Verwirrung, in welcher mehrere Personen umgekommen und Viele niedergetreten und verletzt worden sind.
— 31. Mai. (W. T. B.) Bei der durch den falschen Lärm über das Einbrechen der neuen Brücke zwischen hier und Brooklyn entstandenen panikartigen Verwirrung haben, wie weiter verlautet, 12 Personen das Leben eingebüßt und sind 26 andere mehr oder weniger schwer verletzt worden.
Zeitungsstimmen.
In Nr. 30 der Zeitschrift ‚Politische Gesellschafts— blätter“ befand sich unter dem Titel „Zölle und Zahlen“ ein Artikel, dessen Inhalt sich, im Gegensatz zu den bisher von der genannten Zeitschrift vertretenen Prinzipien als „Eine De— duktion der manchesterlichen Grundsätze mit philanthropischen Redensarten“ darstellte. In dem 31. Hest der „Politischen Ge— sellschaftsblätter“ veröffentlicht nun die Redaktion derselben die vorbehaltene Erwiderung auf jenen Artikel, welchem wir fol— gende Stellen entnehmen:
Der angebliche Grund der schlechteren Qualität des deutschen Getreides ist aber auch nicht der einzige, ja nicht einmal der Haupt— grund, weshalb die Großhändler den Bezug fremden Getreides oder Mehles dem Einkauf der heimischen Früchte vorziehen. Das Haupt— motiv ist vielmehr, daß sie ungenirter und besser mit den aus dem Auslande bezogenen Produkten spekuliren können, denn M) sind die erzielten Gewinne weniger kontrolirbar und 2) ist die Spekulation für denjenigen, der über große Kapitalien verfügt, eine viel leichtere. Der Einkauf im Inlande dagegen ist mit manchen Schwierigkeiten, besonders aber mit Bekämpfung leicht entstehender Konkurrenz verbunden. . .. Die bündigste Widerlegung der Behauptung, daß die höheren Ge— treidepreise die Ursache der Vertheuerung des Brodes seien, dürfte nachstehender Auszug aus einer Tabelle geben, welcher einer kleinen Arbeit entnommen ist, die im Jahre 1879 auch in der „Deutschen Landes-Zeitung“ abgedruckt wurde:
Durchschnittspreis Gestiegen Verkaufs⸗ von in
Produkt Einheit. 1842 — 1352, 1870—1878. Prozenten.
ö s⸗ 3) 2.
Korn 149 — 132 5. 22 Brod J K ö 55 — Differenz 4s 0/9. —
Aus vorstehenden Auszug geht klar hervor, daß die übermäßige Vertheuerung des Brodes nicht in den böheren Getreidepreisen ihren Grund hat, und daß also eine weitere Steigerung der Getreidepreise, wie sie durch eine etwaige Erhöhung der Kornzölle hervorgerufen werden könnte, nicht auch als nothwendige Folge eine Steigerung der Brodpreise haben müsse. Obige Berechnung beweist aber auch ferner, daß der Zwischenhandel in Folge der mit dem Korn- oder Mehl—⸗ handel verbundenen Spekulation die Hauptdifferenz zwischen dem Roh- und veredelten Produkt einsteckt
Der Verfasser des Artikels fährt nun aber, nachdem er diesen Begenstand erschöpfend besprochen zu haben glaubt, mit den Worten fort: Für die Gewerbe ergiebt sich cin ähnliches Refultat. Wir wollen ihm ausnahmsweise dies glauben und seinen uns höchst un⸗ klaren Ausführungen nicht weiter folgen. Dieselben werden wohl ganz ähnlich de jenigen über Kornzölle d. h. unrichtig sein. Nur auf einige Grundirrthümer möchten wir ihn noch aufmerksam machen, deren Widerlegung uns doch zu wichtig erscheint.
1) hehauptet der Artikel, daß wir den augenblicklich nicht zu leug— nenden Aufschwung, den die Industrie genommen hat lediglich dem über⸗ raschenden Aufblühen, Amerikas zu verdanken haben, er übersieht aber, daß dieses Aufblühen nicht erst in den letzten Jahren, sondern schon vor der Rückkehr Deutschlands zum Schutzzoll begonnen, wir aber vor der Einführung der Zölle von der fegenzreichen Wirkung desselben nichts gemerkt hatten. Uebrigens zeigt das Bekenntniß, daß ihn dieses Aufblühen überraschte, von einer ziemlichen Unkennk— niß wirthschaftlicher Verhältnisse, da eine Reihe von Männern wohl
nicht dadurch überrascht worden sind. Auch scheint er die Gründe dieses Aufblühens zu ignoriren, denn sonst würde er nicht gerade in einem Artikel, welcher das Schutzzollsystem bekämpfen soll, darauf hinweisen. Amerika, verdankt ja seinen großartigen wirth—⸗ schaftlichen Aufschwung lediglich dem mit echt. amerika— nischer Energie gefaßten Entschluß, die heimische Pro— duktion durch hohe Schutzzölle zu schüßzen; dabei führte es freilich so hohe Zölle ein, daß es fast Prohibitiozölle wurden, deshalb auch der rasche Erfolg. Doch sind wir weit davon entfernt, der deutschen Reichsregierung daraus einen Vorwurf machen zu wollen, daß sie nicht auch so hohe Zollsätze beantragt, da wir recht gut wissen, daß sie dieselben im Reichstage gar nicht durchgesetzt haben würde. Der Grund hiervon liegt in der Natur des Deutschen, welcher stets auf . herumreitet, während der Amerikaner durchaus prak⸗ J
Den größten Irrthum begeht der Herr Verfasser aber darin, daß er die Interessen der verschiedenen Produktivstände als einander gegen⸗ überstehend betrachtet, wahrend doch das Wohlergehen des einen durch das des andern bedingt ist.
Wie kann man sich z. B. eine blühende Industrie denken, wenn die ackerbautreibende Bevölkerung und die Handwerker sich in einer Nothlage befinden, und deshalb nicht im Stande sind, die Erzeugnisse der Industrie zu kaufen. Eine lediglich für den Erport arbeitende Industrie ist doch nicht gut denkbar, auch würde sie ja jeder sicheren Grundlage entbehren, da sie bei jeder politischen Komplikation dem Ruin anheimfallen würde. Aehnlich verhält es sich mit dem Hand werk. Wenn es dem übrigen Theil der Beyölkerung schlecht geht. dann kann auch das Handwerk nicht prosperiren, denn es fehlt für seine Erzeugnisse die Nachfrage. In einer etwas günstigeren Lage be⸗ findet sich freilich die ackerbautreibende Bevölkerung, denn sie erzeugt Gegenstände, die kein Mensch entbehren kann weil sie zum täglichen Unterhalt nöthig sind. Dieser günstigere Standpunkt ist aber auch ein sehr beschränkter, da es auch für die Landwirthschaft einen großen Unterschied macht, ob die anderen Produktivstände sich nur auf den 6 des Nothwendigsten beschränken müssen oder ob sie reichlich kaufen.
Es ist deshalb vollständig falsch, wenn man die Interessen des einen Produktivstandes denen des anderen gegenüber stellt. Was der eine dringend zu seinem Wohlergehen bedarf, kommt auch dem anderen zu gute. . . .
— Die „Kaufmännischen Blätter“, Fachschrift für den gesammten Kaufmannsstand und für die Interessen der Handlungsgehülfen (Herausgeber: Georg Hiller in Leipzig), schreiben in ihrer Wochenschau:
Unsere Leser wissen, daß Freimuth uns nie gefehlt hat und daß wir eher für das Ausschneiden von Eiterbeulen sind, anstatt diese mit Schönheitspflästerchen zu bekleben. Wir nehmen deshalb auch keinen Anstoß — und wir wissen, daß alle unsere intelligenten und weiter— blickenden Kollegen hinter uns stehen — hier zu erklären, daß wir das Krankenversicherungs⸗Gesetz deshalb um so freudiger willkommen heißen, weil es einen gewissen Zwang auch auf die Handlungs⸗— gehülfen aufübt und diese dazu veranlaßt werden, sich einer Krankenkasse anschließen zu müssen. Ferner aber, weil das Gesetz das Gute hat, daß die Handlungsgehülfen endlich einmal insgesammt von Staatswegen darauf auf— merksam gemacht werden, daß sie nicht außerhalb der großen sozialen Bewegung stehen, sondern, daß auch sie ein Glied in der Kette bilden, die gemeinhin soziale Frage genannt wird. Alle diejenigen — und es sind ihrer die Mehrzahl in unserem Stande, nur ein kleines Häuflein ist anderer Ansicht, — welche sich auf dem Piedestal der Unduldsam— keit in Bezug auf das gemeinsame Interesse, welche alle Kauf— leute, Prinzipale oder Gehülfen, haben, so wohl befinden, alle die, welche meinen, daß ihnen das Bestreben der anderen nichts an— gehe, daß sie, jeder für sich allein, die Welt nach ihrer Idee lenken, alle die sind vom Gesetzgeber recht unsanft in die Seite gestoßen worden und ihnen die Nichtigkeit ihrer Anschauung durch einen kleinen Gesetzesparagraphen vor die Augen geführt worden. Jeder, weß Standes er auch sei, hat für das Wohl seines Standes zu arbeiten und die Interessen desselben zu fördern und darf nicht im Gefühl einer erdichteten, eingebildeten Würde sich vom Streben der All— gemeinheit abwenden Und deshalb freuen wir uns, daß es so mit der Krankenversicherung gekommen ist und daß die kleinen Paragraphen der Luftzug werden, welcher die Lethargie, diesen Sumpf und Ablagerungsstätte aller Fäulniß alias Faulheit im Denken und Handeln, aus dem gesammten Kauf— mannsstande herausblasen und uns die frische Luft des gemeinsamen Wirkens, des gemeinsamen Strebens und Fortschritts bringen wird. Jeder aber, der diese Zeilen liest unh mit uns einverstanden ist, der helfe mit, nicht nur das Saatkorn zur Hebung des ganzen Kauf— mannsstandes auszustreuen, sondern auch den Boden für dasselbe urbar zu machen und die Schläfer, die im Stande sind, unsere ganze nationale Entwickelung zu verschlafen, aufzurütteln und ihnen alle Tage vorzupredigen, daß Deutschland und seine Kinder nur dann gedeihen können, wenn sie sich selbst für die Interessen ihres Standes und damit ihres Volkes erziehen. .
Central⸗Blatt der Abgaben⸗-Gesetzgebung und Ver- waltung in den Königlich preußischen Staaten. Nr. 11. — Inhalt: Anzeige der in der Gesetzsammlung erschienenen Gesetze und Verordnungen. — Allgemeine Verwaltungsgegenstände: Veränderungen in dem Stande und in den Befugnissen der Zoll- und Steuerstellen.
Verordnung, betreffend die Kautionsleistung der Beamten des Hauptstempelmagazins. — Beitreibung der Kosten des Strafverfahrens. — Annahme von Eisenbahn-Prioritätsobligationen als Amtskaution. — Indirekte Steuern: Ermittelung des zollpflichtigen Gewichts von in Eisenbahnwagen eingehenden Massengütern. — Tarifirung von Röhren aus hartem Glase. — Statistik: Abänderung der Vorschriften über die statistische Anschreibung des Veredelungsverkehrs. — Per— sonalnachrichten. — Beilage: Abänderung der Vorschriften über die statistische Anschreibung des Veredelungsverkehrs.
Kunst, Wissenschaft und Literatur.
Der durch seine Uebersetzungen ungarischer Volkslieder wohl berufene Ludwig Aigner veranstaltet gegenwärtig unter Mitwirkung einer Reihe anderer geschickter Uebersetzer eine Ausgabe der Poesien Petöfi's, welche im Selbstverlage des Herausgebers in Budapest er= scheinen. Der erste Band, „Läebesperlen“, ist bereits seit einiger Zeit abgeschlossen und hat in der sorgfältigen, mit feinem Gefühl den Originalen nachgedichteten Verdeutschung vielen Beifall und Verbrei⸗ tung gefunden. Nunmehr liegt auch der zweite Band, das „Buch des Lebens“ vollendet vor und vermittelt uns in der dankenewerthesten Weise die eigenartigen lyrischen Eingebungen des genialen, unglück— lichen Dichters. Weinseliger Frohsinn wechselt mit den düstersten Lebensansichten, und drastischer Humor mit philosophischer Resignation. Da die Gedichte chronologisch geordnet sind, so bilden sie einen lebendigen poetischen Kommentar zu den wechselvollen Lebensschicksalen des Dichters, der damit die tiefsten Sympathien des Lesers gewinnt. Kann derselbe seinem Fühlen, Denken und Dichten aach eigentlich nur von den Angehörigen des Volkes, für das er gelitten hat, ganz verstanden werden, so reicht seine Bedeutung als Dichter doch weit über die nationalen Grenzen hinaus und hat ein Recht auf allgemein menschliche Antheilnahme. Die vortreffliche Interpretation, welche seine Poesien durch Verwandte seiner Zunge und Nation in
den vorliegenden beiden Bändchen gefunden haben, wird deshalb auch
bei den Deutschen zum Verständniß des wohlberechtigten Enthusiasmus beitragen, mit dem Petöfi bei seinen Landsleuten stets gefeiert worden ist.
— Im Verlage von J. J. Weber in Leipzig ist soeben er⸗ schienen: Katechismus der Psychologie“, von Friedrich Kirchner (20 Bogen kl. 8. Preis in Originalband 3 ). Dieser Katechismus versucht, die Psychologie für Gebildete — insbesondere Studenten, Examinanden und Lehrer — populär, doch nicht ober⸗ flächlich darzustellen. Der Verfasser hat sich bemüht, die Leser sowohl mit dem jetzigen Stande der Forschung als auch mit den Schwierig⸗ keiten der einzelnen Probleme gründlich bekannt zu machen. Sein Standpunkt ist weder der einseitig empirische noch der rein spiritua⸗ listische; im Gegensatz zu jenem wird ausführlich über das Wesen der Seele, ihre Entstehung und Zukunft abgehandelt. Abweichend vom Spiritualismus sucht Kirchner die Resultate der Anthropologie und Physiologie zu verwerthen. Auch die Geschichte der Pfsychologie hat eine sicherlich Vielen willkommene Berücksichtigung erfahren. — Der Inhalt des Buches ist folgender: Einleitung. Begriff der Psychologie. — Verhältniß derselben zu den anderen Wissenschaften. — Geschichte der Psychologie. — Methode der Psychologie. — Eintheilung der Psychologie. — J. Das Wesen der Seele. Uebersicht. — Vom Be⸗ wußtsein. — Gehirn und Seele. — Metaphwsische Ableitung. — II. Die Seelenvermögen. Uebersicht. — Von den Empfindungen. — Von den Bewegungen. — Vom Vorstellen. — Von den Gefühlen. — Von den Affekten. — Von den Trieben. — Das Begehren. — Das Wollen. — Die Freiheit des Willens. — Die Seelenkrank— heiten. — Register.
— Unter dem Titel: „Symnasium, Zeitschrift für Lehrer an Gymnasien und verwandten Unterrichtsanstalten“, erscheint seit dem L. April d. J im Verlage von Ferdinand Schöningh in Paderborn ein Organ, welches auf dem Gebiet, für welches es wirken will, einen vorwiegend praktischen Zweck verfolgt, so daß der Gymnasiallehrer darin alles vereinigt finden soll, was sonst in den verschiedensten Zeitschriften zerstreut ist. Der Inhalt der uns vorliegenden 4 bisher ausgegebenen Nummern mag die Absicht, welche das Blatt verfolgt, andeuten: sie enthalten Aufsätze: „Zur lateinischen Tempuslehre“, von dem Redac⸗ teur Dr. Wetzel in Paderborn, „Praktische Vorschläge zur Förderung des höheren Schulwesens“, von O. Josupeit in Insterburg, „Zur rein analytischen Methode der Auflösung trigonometrischer Aufgaben“, von Luke in Marienburg, und Zur Ueberbürdungsftage, mit Rücksicht auf die Beschlüsse der Darmstädter Kommission“, von Schäffer in Prenzlau. Den weiteren Inhalt jeder Nummer bilden Recensionen, eine Zeit⸗ schriften und Bücherschau, welche alle Nova auf dem Gebiete der Pädagogik und aller den Gymnasiallehrer interessirenden Wissen⸗ schaften verzeichnet, Nachrichten, eine Uebersicht der Lehrervakanzen und Anzeigen. Die unter Mitwirkung von A. Luke in Marienburg i. W. Pr. und Th. Plattner in Chäteau⸗Salins i. Lothr., von Dr. Mö. Wetzel in Paderborn redigirte Zeitschrift erscheint in dem oben genannten Verlage am 1. und 16. jeden Monats zum Preise von nur 3 „S für das Halbjahr. Bestellungen nehmen alle Buchhandlungen und Postanstalten an.
— Von den „Europäischen Wanderbildern“ (Verlag von Orell Füßli u. Co. in Zürich) erwähnen wir zwei ältere Lieferungen: Nr. 36: Die Vitznau⸗Rigibahn, von M. A. Feierabend, mit 10 Illustrationen von J. Weber und einer Karte (Preis 50 ) und Nr. 38 und 39: Bad Krankenheil⸗Tölz, von Gustav Schäfer, mit 13 Illustrationen von J. Weber und einer Karte (Preis 1 6), und die neueste (Nr. 55 und 56) Battaglia bei Padua, von Prof. J. Klob und Eduard Mautner, mit 38 Illustrationen von C. E. Petrowits und J. Weber und einer Karte (Preis 1 MA). Was insbesondere den an der Route Venedig-Florenz, unweit Padua, be— legenen freundlichen Marktflecken Battaglia betrifft, so ist derselbe durch das dort befindliche Bad mit der Dampfgrotte (470 C.) be⸗ rühmt geworden. Es wird Aerzten und Leidenden von beson— derem Interesse sein, aus dieser kleinen Schrift Näheres über dieses Bad aus seine Umgebung zu erfahren. Das Büchlein ist mit 38 terefflichen Bildern ausgestattet. — Die ‚Europäischen Wanderbilder“ orientiren den Reisenden in ebenso sachlicher wie anregender Weise und unter Fernhaltung jeder Reklame über die Naturschönheiten, die Geschichte, die örtlichen, klimatischen und hygienischen Verhältnisse der Bäder und Kurorte sowie über lohnende Ausflüge in die Umgebung. Auf die Ausstattung, namentlich auf die zahlreichen Illustrationen, ist, ungeachtet des geringen Preises, große Sorgfalt verwendet, so daß auch die oben erwahnten Lieferungen, von denen zwei besonders beliebte Touren zum Gegenstande haben, eine weite Verbreitung finden werden.
— Vom 1. Juni ab erscheint in Güstrow eine plattdeutsche Zeit⸗ schrift mit dem Titel: Husmannskost'“, welche es sich zur Auf— gabe stellt, ‚zunserer alten niederdeutschen Muttersprache wieder zu ihrem guten Recht zu verhelfen“, indem sie ihr, mit den besten plattdeutschen Schriftstellern zur Seite, immer mehr neue Freunde und Anhänger erwerben und zuführen will. Der Redacteur und Herausgeber Adolf Hinrichsen wendet sich in der Probenummer, die bereits versandt wird, mit einer launigen poetischen Ansprache an die ‚Lesers und so'n de't warden wullen“ und läßt dann, ebenfalls aus seiner eigenen Feder, den Anfang eines Romans folgen, der die Ueberschrift ‚Frömd in de Welt“ führt und, nach der Probe zu urtheilen, den ehrlichen Ernst und naiven Humor des plattdeutschen Idioms und seiner Cha— raktere wohl getroffen hat. Verschiedene kleinere Beiträge in gebun⸗ dener und ungebundener Sprache streben mit Glück dem Vorbilde Fritz Reuters nach. Als stehende komische Figuren erscheinen nach bekanntem Muster die Nawers Witt und Swart im Zwiegespräch. In einer Pries⸗Upgaw“ wird die Aufgabe gestellt, ein mitgetheiltes hochdeutsches Gedicht des Herausgebers in das Plattdeutsche frei zu übertragen; die beste Uebertragung, welche bis zum 20. Juni eingeht, soll mit einem plattdeutschen Buch prämiirt und das Gedicht mit der Preiskrönung sodann in der „Husmannskost“ veröffentlicht werden. — Die Zeitschrift erscheint sonntäglich zu dem geringen Abonnementspreise von 1 4AÆ 50 vierteljährlich.
Gewerbe und Handel.
Die New Yorker Höls. Ztg.“ schreibt in ihrem Wochen bericht unter dem 18. Mai: Neber das Geschäft am Waaren⸗ und Produktenmarkt läßt sich auch in dieser Woche nichts be⸗ sonders Erfreuliches berichten. Von Brodstoffen blieb Mais für Export beachtet, während Weizen und Weizenmehl nach dieser Rich⸗ tung vernachlässigt waren, Der Frachtenmarkt verharrte in fester Haltung. Baumwolle in disp. Waare hatte an einzelnen Tagen ziemlich animirtes Export« und Konsumgeschäft, Termine wurden da⸗ gegen nicht so lebhaft gehandelt wie in der Vorwoche. Der Kaffee⸗ markt war flau, für Rohzucker hat die Frage wieder nachgelassen und der reguläre Verkehr in Thee ist unter dem Einfluß der bedeuten den Quantitäten, welche in Auktion offerirt worden, still geblieben. Das legitime Geschäft am Markt für Praovisionen nahm während des größeren Theils der Woche einen schleppenden Verlauf und gewann erst ganz am Schluß, durch stärkeres Auftreten der Exportfrage für Schmalz etwas an Leben. Terpentinöl und Harz waren ruhig, aber fest. Am Hopfenmarkt dauerte die weichende Tendenz fort. Raffi— nirtes Petroleum in Fässern höher und fest. Für fremde und ein⸗— heimische Manufakturwaaren ist die Saison als geschlossen zu betrach—⸗ ten und das Geschäft ist auf gelegentliche Einkäufe behufs Reassor— tirung der Läger beschränkt gewesen. Der Inport fremder Web- stoffe für die heute beendete Woche beträgt 1492949 Doll. gegen 2121424 Doll. in der Parallelwoche des Vorjahres.
Glogau, 30. Mai. (W. T. B.) Der heute abgehaltene Wollmarkt war vollständig bedeutungslos. Dominialwollen fehl⸗ ten gänzlich. ö ; ⸗ ⸗ =
Nürnberg, 306 Mai, (SH opfenbericht von Leopold Held) Der Umsatz der ersten Hälfte dieser Woche beläuft sich auf ea. 100 Ballen. Gesucht waren grüne Hopfen jeder Qualität, gelbe blieben außer Frage. Man zahlte für Prima 395 —415 „, für Gepackte 350 bis . und für bessere Mittelbhopfen 365— 335 S Die Stimmung ist fest.
Wien, 30. Mai. (W. T. B.) Die heutige Generalversamm⸗ lung der östereichischen Nordwestbahn ertheilte dem Ver⸗ waltungsrathe Decharge. Die Rechnung des gargatirten Netzes schließt mit einem Abgange von 289 073 Fl. Von dem zur