1883 / 128 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 04 Jun 1883 18:00:01 GMT) scan diff

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Königlich sächsischen Geheimen Raths Professors Dr. von Windscheid auf Entbindung desselben von der Theilnahme an den Arbeiten der Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines deutschen bürgerlichen Gesetzbuchs erhiell die Genehmi⸗ gung der Versammlung. Schließlich wurden mehrere Ein⸗ gaben von Privaten den zuständigen Ausschüssen zur Vor— berathung überwiesen.

Der Schlußbericht über die gestrige Sitzung des Reichstages befindet sich in der Ersten Beilage.

In der heutigen (95.) Sitzung des Reichstages, welcher mehrere Bevollmächtigte zum Bundesrath und Kom⸗ missarien desselben beiwohnten, nahm das Haus zunächst die dritte Lesung des Handels- und Schiffahrtsvertrags zwischen dem Deut schen Reiche und Italien vor.

Der Abg. Frhr. Dr. von Papius erklärte, er hätte bei Abschluß des Vertrages eine größere Berücksichtigung der deutschen Gärtnerei gewünscht.

Der Staatssekretär des Reichs⸗-Schatzamts, Burchard be— merkte dem Vorredner, daß es sich beim Abschluß von Handels⸗ verträgen wohl um Zollherabsetzungen, aber nicht um Ein⸗ führung von Schutzzöllen handele.

Der Abg. Dr. Hammacher richtete an den Vertreter der verbündeten Regierungen die Anfrage, ob eine Herabsetzung der Eisenbahntarife namentlich von der Gotthardbahn in Er— wägung gezogen worden sei.

Der Abg. Dr. Moufang sprach die Befürchtung aus, daß die im Vertrage vereinbarte Zollherabsetzung auf frischen Wein dem deutschen Weinbau nachtheilig sein möchte; es em— pfehle sich, zur Prüfung dieser Frage den Vertrag in die Kommission zu verweisen.

Der Staatssekretär des Reichs-Schatzamts, Burchard sprach sich gegen diesen Wunsch aus. Dem Abg. Hammacher entgegne er, daß eine Reform der Eisenbahntarife noch nicht beabsichtigt sei.

Der Abg. Dr. Majunke schloß sich den Ausführungen des Abg. Moufang an, wahrend der Abg. Dr. Buhl glaubte, daß sowohl der Vorredner, wie der Abg. Moufang die Weinzoll— frage zu tragisch nähmen; ihre Besorgnisse seien übertrieben.

Der Abg. Dr. von Bunsen erklärte, daß er nicht geglaubt habe, daß in der dritten Lesung dieses Handelsvertrages so kleinliche Fragen zur Sprache gebracht würden. Der Vertrag sei der erste, wichtige deutsche Handelsrertrag und werde die segensreichsten Folgen haben.

Nach einigen weiteren Bemerkungen der Abgg. Frhr. von Minnigerode, Dirichlet, Dr. Majunke und des Bundes— kommissars Geh. Regierungs-Raths Schrautt wurde die Ge— neraldiskussion geschlossen.

In der Spezialdiskussion wurde der Vertrag unverändert genehmigt und sodann bei Schluß des Blattes die dritte Be— rathung der am 19. April 1883 mit Frankreich wegen gegenseitigen Schutzes der Rechte an Werken der Literatur und Kunst abgeschlossenen Ueberein— kunft begonnen. (Schluß des Blattes.)

In der heutigen (73.) Sitzung des Hauses der Abgeordneten, welcher die Staats-Minister Dr. Lucius, Dr. Friedberg und von Goßler sowie mehrere Kommissarien beiwohnten, stand zunächst auf der Tagesordnung die Ver— lesung der Interpellation der Abgg. Dr. von Stablewski und Kantak, betreffend die Anwendung der deutschen bezw. der pol nischen Sprache bei dem Religionsunterricht in den Volksschulen der Provinz Posen, bieselbe lautete:

In der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 14. März er. bei Berathung des Antrages Br. von Stablewski, Kantak und Ge— nossen hat der Herr Minister für die geistlichen und Medizinal— angelegenheiten wörtlich erklärt:

„Sie haben den Religionsunterricht derselbe wird nur ausnahmsweise nicht in allen Stufen der Volksschule polnisch ertheilt, und diese Ausnabme beschränkt sich auf insgesammt 44 Fälle.“

Dahingegen hat unterm J. April die Königliche Regierung zu

Posen eine Verfügung erlassen, in welcher sie die sofortige aus—

nahmslose Einführung der deutschen UnterrichtsCsprache in der

Religion vom 1. Mai er. auf der Mittel⸗ und Oberstufe sämmt—

licher städtischer Volks- und Privatschulen, in allen anderen Volks—

schulen aber, in welchen die Zahl der deutschsprechenden Kinder die Hälfte der Gesammtzahl oder mehr beträgt, anordnet.

Dieser Verfügung folgte unterm 27. April eine neue, welche ohne den Grundsatz der Einführung der deutschen Sprache im Religionsunterricht aufzugeben, dieselbe von vorgängigen Berichten der Kreisschulinspektoren über die Fortschritte der Kinder in deut⸗ scher Sprache abhängig machte.

Faktisch wird aber von mehreren Kreisschulinspektoren, Rektoren der Mittelschulen und Lehrern an den Glementar— schulen im Großherzogthum Posen in Bezug auf den Religions unterricht der katholisch⸗polnischen Kinder ein Verfahren beobachtet, welches lediglich eine Ausführung der von der Königlichen Regierung zu Posen selbst modifizirten Verfügung vom 7. April er ist. In den betreffenden Schulen wird sogar neben der Anwendung der deutschen Sprache im Religionsunterricht das tägliche Morgengebet für die Kinder polnischer Nationalität in deutscher Sprache abgehalten. Die Folge daron jst eine sich stei⸗ ernde Verwirrung der ö . Erziehung der katholisch ⸗polnischen

ugend und eine tiefe Verbitterung der Gemüther der gesammten

Bevölkerung.

An die Königliche Staatsregierung richten wir die Anfrage:

1) Sind derselben diese Umstände bekannt?

2) Ist dieselbe gewillt dafür Remedur zu beschaffen, und event.

in welcher Weise?

Nachdem auf Anfrage des Präsidenten von Köller der Kultus-Minister von Goßler sich zur sofortigen Beantwortung der Interpellation bereit erklärt hatte, erhielt zur Begründung derselben Abg. Dr. von Stablewski das Wort. Derselbe führte aus, daß die Ertheilung des Religiongunter— richts in der Muttersprache eigentlich etwas Selbst— verständliches sein sollte. Es handele sich hier um die Erziehung der Kinder nicht für einen bestimmten Staat, sondern für die civitas Dei. Redner schilderte sodann die Wirkungen der von der Posener Regierung neuerdings erlassenen Verfügungen und bat den Minister, für Aufhebung derselben zu sorgen.

ö e eta nahm der Staats⸗Minister von Goßler das ort:

Bei der Beantwortung der Interpellation werde ich mich möglichst genau an diejenigen beiden Fragen anschließen, welche in der gedruckten Vorlage an die Königliche Staatsregierung gerichtet sind. Die erste Frage lautet:

Sind derselben diese Umstände bekannt?

Auf diese Frage kann ich im wesentlichen insofern bejahend antworten, als die Verfügung der Königlichen Regierung in Posen vom 7. April, die den Ausgangspunkt der ganzen Differenz bildet, der Staatsregierung jzunächst aus öffentlichen Blättern, und später durch Berichte bekannt geworden ist Es ist der Staats⸗ regierung ferner bekannt geworden, daß die Regierung die Verfügung

vom 27. April erlassen bat, und daß auch nach Erlaß dieser Ver⸗ fügung in speziellen Fällen auf der Grundlage der Verfügung vom 7. April verfahren worden ist, und daß in Folge dessen Beschwerden, auch in Volksversammlungen, Reklamationen in der Presse erhoben worden sind.

Die zweite Frage, welche die wichtigere ist, lautet:

Ist die Königliche Staatsregierung gewillt, dafür Remedur zu

schaffen und eventuell in welcher Weise? Auf diese Frage habe ich zu antworten, daß im Wesentlichen schon Remedur geschaffen worden ist. Die Grundlage, welche als Aus- gangspunkt für die Behandlung des Religionsunterrichts in der Pro- vinz Posen anzusehen ist, ist von dem Herrn Interpellanten bereits richtig bezeichnet worden. Sie ist gegeben in der Verordnung vom 27. Oktober 1873. In dem Absatz II. dieser Verordnung ist aus⸗ drücklich als Prinzip ausgesprochen worden, daß „der Unterricht in der Religion und im Kirchengesange den Kindern polnischer Zunge in der Muttersprache ertheilt wird, daß aber mit besonderer Genehmigung der Regierung auch in den Mittel⸗ und Oberstufen die deutsche Sprache als Unterrichtssprache eingeführt werden kann, wenn die Kinder pol— nischer Zunge ein richtiges Verständniß bei dem in Deutscher Sprache erfolgenden Unterricht nicht haben bezw. erreichen können.“ Diese Bestimmung ist für die Unterrichts verwaltung bindend; weder die Re⸗ gierung noch ich selbst sind in der Lage, diese Verordnung zu än— 7 Also auf diesen rechtlichen Standpunkt habe ich mich zu ellen.

Frage ich nun, wie die Regierung dieser Verordnung von 1873 gegenüber prozedirt hat, so ist hervorzuheben, daß die Verfügung vom 7. April 1873 zwei Theile enthält, den ersten Theil, welcher den Grundsatz ausspricht, daß die Kinder deutscher Nationalität auch in der deutschen Sprache den Religionsunterricht empfangen sollen, und den zweiten Theil, in welchem bestimmt worden ist, daß in den öffent—

lichen und privaten Schulen, in welchen die Zahl der deutschsprechen—

den Kinder die Hälfte der Gesammtzahl oder mehr beträgt, ferner in sämmtlichen drei! und mehrklassigen öffentlichen und privaten städti⸗ schen Schulen die Unterrichtssprache auch für die Mittel- und Ober— stufen durchweg die deutsche sein soll.

Prüft man weiter, ob eine Veranlassung für die Bezirsregierung vorlag, der Verordnung vom Jahre 1873 gegenüber oder den gegen— wärtigen thatsächlichen Verhältnissen gegenüber eine derartige Verord— nung zu erlassen, so ist diese Frage, selbst wenn man die Kompetenz⸗ frage unentschieden lassen will, nach der Auffassung der Königlichen Staatsregierung zu verneinen.

Tritt man in die materielle Erörterung der Anoronung ein, so ist für die Staatsregierung kein Zweifel, daß der erste Theil der Verfügung vom 7. April berechtigt ist. Ebenso ist es aber anderer⸗ seits nicht zu verkennen, daß der zweite Theil der Auffassung unter— liegen kann, als ob die Schulverwaltung über die Grundsaͤtze der Verordnung vom Jahre 1873 hinausgehe oder hinausgehen wolle. In Folge dessen hat die Bezirksregierung unter dem 27. April eine dekla⸗ rirende Verfügung erlassen, in welcher sie ausdrücklich ausgesprochen, sie habe mit ihrer Verfügung vom 7. April nichts anderes bezweckt, , Ausführung der Bestimmungen vom Jahre 1873 sicherstellen wollen.

Gleichwohl haben hinterher, wie ich schon vorhin bemerkte, in einzelnen Fällen auf Grund der Verfügung vom 7. April 1883 noch in einzelnen Fällen eine Einführung der deutschen Unterrichts sprache in der Ober- und Mittelstufe in dem Religionsunterricht statt⸗ gefunden. In Folge der Beschwerden, welche die Posener Familien väter an mich gerichtet haben, habe ich in einer an die Interessenten gerichteten Verfügung ausdrücklich ausgesprochen, daß im Prinzipe die Staatsregierung festhält und festhalten muß an der Verordnung von 1873 und daß, soweit darüber in einzelnen Fällen hinausgegangen ist, eine Prüfung und Entscheidung der Cinzelbeschwerden eintreten muß. Ich habe, wie ich dem Herrn Interpellanten bemerke, nicht in der Verfügung gesagt: nur durch die Bezirksregierung.

Was nun die einzelnen Fälle anlangt, auf deren Erledigung nunmehr die Sache hinautäuft, da die prinzipielle Frage meines Erachtens so beantwortet worden ist, wie der Herr Interpellant es erwartet, so ist Vorsorge getroffen, daß neue Fälle nicht entstehen. Ferner ist Vorsorge getroffen, daß die⸗ jenigen Fälle, welche noch zur Entscheidung der Bezirksregierung aus— stehen, in einer Weise geregelt werden, welche, soweit irgend möglich, den früheren Zustand wieder herbeiführen. Dann bleibt eine dritte, und zwar kleine Kategorie von Fällen übrig, in welchen die Regie rung nicht mehr dominns rei ist; hier steht die Entscheidung der Königlichen Staatsregierung, also in cagn dem Unterrichts-Minister, zu, und wie diese Entscheidung ausfallen wird, geht meines Exachtens aus den Worten, die ich bisher ausgesprochen habe, bereits heryxor.

Auf Antrag des Abg. Kantak trat das Haus in eine Be— sprechung der Interpellation ein.

Der Abg. Frhr. von Hammerstein erklärte, daß Preußen, als Vormacht Deutschlands, nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht zu germaͤnisiren habe, so weit es mit politisch er laubten Maßregeln möglich sei. Dazu gehöre ober die hier in Frage stehende Verfügung nicht. Der Religionsunter— richt müsse dem Kinde in seiner Muttersprache ertheilt werden, wenn dasselbe überhaupt sittlich erzogen werden solle. Die Erklärung des Ministers könnte in jeder Beziehung zu— srieden stellen, wenn man nicht wüßte, daß die unteren Instanzen und Behörden im Uebereifer oft über die Absichten der oberen hinausgingen.

Der Abg. Dr. Windthorst sprach seine Verwunderung darüber aus, daß eine so tief eingreifende Verfügung, wie die vom 7. April, ohne Wissen des Ministers erlassen werden könne; das müßte generell verhindert werben. Er wünsche, daß das Ministerium einfach die Ver— ordnung vom 7. April kassire; das würde das tief erschütterte Vertrauen der Bevölkerung wiederherstellen. Er müsse es überhaupt aussprechen, daß der Schulzwang etwas unhaltbares sei, wenn er auch wisse, daß diese Wahrheit nicht sobald anerkannt werden würde. Die Polen aber seien nur ich gewinnen, wenn man gegen sie gerecht und billig ver— ahre.

Der Abg. Kantak schloß sich den Ausführungen des Abg. von Stablewski an, und ersuchte den Minister, auch die Ver⸗ ordnung von 1873 generell zu prüfen.

Der Abg. Dirichlet erkannte an, daß den heute von den Polen vorgebrachten Klagen eine Berechtigung nicht abzu⸗ sprechen sei. Dem Abg. Windthorst bestreite er die Möglich⸗ keit der Aufhebung des allgemeinen Schulzwangs, der eine Grundlage des preußischen Staates sei.

Hierauf wurde die Debatte geschlossen und die zweite Berathung des Entwurfs einer Landgüterordnung für die Provinz Brandenburg fortgesetzt.

In der am Sonnabend abgebrochenen Debatte über §. 1 erklärte zunächst der Abg. Köhler (Göttingen), daß die Provinz Hannover anfangs eine Intestatordnung gewünscht habe, daß sich aber dort die Höferolle gut bewährt habe; so werde es auch in Brandenburg gehen.

Der Abg. Freiherr von Schorlemer-Alst wünschte auch, daß man statt der Höferolle eine Intestatordnung bekommen hätte, aber wenn das Bessere nicht zu erreichen sei, müsse man sich mit dem Guten begnügen.

Der Staats⸗Minister Dr. Lucius sprach seine Freude darüber aus, daß mit einer Ausnahme sämmtliche Redner sich mit der Vorlage einperstanden erklärt hätten. Nur sei bedauert worden, daß man sich mit einer Höserolle begnügt habe, statt eine all⸗

gemeine Intestatordnung einzuführen. Die Institution der

SHöferolle habe sich in Hannover, Lauenbnrg, und seit einem Viertel⸗

jahr auch in Westfalen gut bewährt. Wenn sich die Interessenten um die Popularisirung der neuen Maßregel bemühten, dann werde sich dieselbe in kurzer Zeit auch in Brandenburg ein⸗ leben. Das jetzt in Ausarbeitung begriffene bürgerliche Gesetz⸗ buch werde das Intestaterbrecht regeln; dasselbe werde keinen Unterschied machen zwischen Mobilien und Immobilien, zwischen ländlichem und städtischem Grundbesitz, es werde also die hier vorgeschlagene Maßregel dadurch nicht berührt werden. Mit den Anträgen des Abg. v. Meyer (Arnswalde) könne er sich einverstanden erklären, und er empfehle dem Hause Annahme der Kommissionsvorschläge mit diesen Modifikationen.

Nach einigen weiteren Bemerkungen der Abg. Zelle, Simon von Zastrow, Frhrn. von Schorlemer⸗Alst und des Referenten Abg. Hansen wurde §. 1 mit einer redaktionellen Verbesserung des Abg. Hartmann angenommen. Desgleichen ohne Debatte die S5. 2— 5.

§. 6, welcher lautet:

Die Feststellung der Taxe erfolgt nach folgenden Grundsätzen:

. dreißigfache Betrag des Grundsteuerreinertrages der Liegenschaften, zusaͤtzlich des zwanzigfachen Betrages des bei der Veranlagung zur Gebäudesteuer eingeschätzten Nutzungswerthes der⸗ jenigen Gebäude, welche weder zur Wohnung des Eigenthümerks, seiner Famalie, seiner Dienstleute und Arbeiter bestimmt, noch zur Bewirthschaftung erforderlich sind, wird als Werth des Landgutes angenommen.

II. Dem Werthe zu J. wird hinzugerechnet:

1) der zwanzigfache Jahresbetrag der mit dem Landgute als Zubebör verbundenen nutzbaren Gerechtigkeiten, Renten und Gefälle; 2) der Werth des nach forstwissenschaftlichen Grundsätzen überständigen Holzes auf solchen Grundstücken, welche zur forst— wissenschaftlichen Benutzung bestimmt sind;

3) der Werth der auf dem Landgute befindlichen gewerblichen Anlagen, soweit solche nicht für den Betrieb der Land⸗ oder Forst⸗ wirthschaft erforderlich sind.

III. Nicht besonders abgeschätzt werden und bleiben außer Be⸗ rechnung:

1) die zur Wohnung des Eigenthümers, seiner Familie, Dienstleute und Arbeiter bestimmten, sowie die zur Bewirthschaf— tung erforderlichen Gebäude;

2) das Gutsinventarium und alle sonstigen beweglichen Per⸗ tinenzstücke (58. 48 ff, §8§. 75 ff. Titel 2 Theil J. des Allgemeinen Landrechts);

ö 3) Bäume und Holzungen, welche nicht unter die Nr. II. 2 fallen.

IV. Von den Werthe zu J. und II. wird abgesetzt der Werth der auf dem Landgute nebst Zubehör ruhenden Lasten und Abgaben.

Dauernde Lasten und Abgaben werden mit dem Zwanzigfachen ihres muthmaßlichen Jahresbetrages, vorübergehende, z. B. Alten theile, mit einem noch Maßgabe des 5. 9 der Civilprozeßordnung zu berechnenden Kapitale, höchstens aber mit dem Zwanzigfachen des Jahresbetrages in Abzug gebracht.

Für Lasten und Abgaben, auf welche die Ablösungsgesetze An⸗ wendung finden, wird das nach diesen zu berechnende Abloöͤsungs— kapital in Abzug gebracht

V. In Ermangelung einer Vereinbarung der Betheiligten über die Taxe erfolgt die Feststellung der letzteren nach den Bestimmungen unter J. bis 1IV. durch Sachverständige, über deren Person sich die Betheiligten zu einigen haben, unter Leitung des Nachlaßrichters. Kommt unter den Betheiligten über die Person der Sachver⸗ ständigen eine Einigung nicht zu Stande, so ernennt der Nachlaß⸗ richter zwei Sachverständige und erforderlichenfalls einen Obmann.

Diese müssen mit einer zum Betriebe der Land oder Forst⸗ wirthschaft bestimmten Besitzung, welche mindestens den im 8. 1 angegebenen geringsten Reinertrag hat, in der Provinz Branden burg angesessen sein.

Sie sind, sofern sie nicht zur Abgabe von Gusachten der be— treffenden Art ein für alle Mal beeidigt sind, vom Nachlaßrichter nach §. 375 der Civilprozeßordnung zu beeidigen. Das erstattete Gutachten ist nur unter den Voraussetzungen der Nrn. 2 —5 des §. 6543 der Civilprozeßordnung anfechtbar.

wurde nach kurzer Debatte mit einer vom Abg. von Meyer (Arnswalde) beantragten Aenderung angenommen.

Ebenso wurde ohne Debatte der Rest des Entwurfs mit den redaktionellen Verbesserungen des Abg. Hartmann geneh⸗— migt. Schluß 1216 Uhr.

Nächste Sitzung Dienstag 9 Uhr.

Der Königlich schwedisch⸗-norwegische Gesandte am hiesigen Allerhöchsten Hofe, Baron von Bildt, hat Berlin mit Urlaub verlassen. Während seiner Abwesenheit fungirt der Legations-Sekretär von Adelborg als interimistischer Geschäftsträger.

Der General der Kavallerie, Graf von Branden— burg, General-Adjutant Sr. Majestät bes Kaisers und Königs und kommandirender General des Garde⸗-Corps, hat sich behufs Inspizirung des 4. Garde-Grenadier-Regiments Königin nach Coblenz begeben, desgleichen der General Lieutenant von Oppell, Commandeur der 2. Garde⸗Infanterie⸗Division.

Der Chef der Admiralität, General-Lieutenant von Caprivi, ist von Inspizirungsreisen hierher zurückgekehrt.

Neuwied, 4. Juni. (W. T. B.) Ihre Königliche Hoheit die Großherzogin von Baden ist zum Besuch der Fürstlichen Familie hier eingetroffen.

Eckernförde, 4. Juni. (W. T. B.) Das deutsche Panzergeschwader ging heut früh von hier nach Sonder— burg in See.

Erbach i. Rheingau, 4. Juni. (W. T. B.) Heute Vor⸗ mittag hat auf dem hiesigen Friedhofe unter Theilnahme Ihrer Königlichen Hoheiten des Prinzen und der Prinzessin Albrecht von Preußen sowie Ihrer drei ältesten Kinder, der Herzogin Wilhelm von Mecklenburg-Schwerin, sowie Sr. Hoheit des Herzogs von Sachsen-Altenburg, des Erbprinzen und der Prinzessin Marie Elisabeth von Sachsen-Meiningen, ingleichen der Abgesandten der fremden Höfe, der Spitzen der Behörden und zahlreicher Vertreter von Städten und Korpo⸗ rationen die feierliche Beisetzung der Prinzessin Marianne der Niederlande stattgefunden. Der Pfarrer Deißmann sprach das Grabgebet. Die hiesigen Vereine bil— deten bei der Grabstätte und auf dem Wege zu derselben Spalier.

Württemberg. Stuttgart, 1. Juni. (St. A. f. W.) Der König ist heute Mittag um 1117 Uhr nebst Gefolge mittels Extrazugs wieder hier eingetroffen. Der vierzehn⸗ tägige Aufenthalt in Bebenhausen hat Se. Majestät ent⸗ schieden gekräftigt. Immerhin treten noch einzelne krankhafte Erscheinungen hervor und ist namentlich das Gefühl von Mattigkeit noch nicht gehoben. Es ist daher zur Unterstützung der Kur eine baldige Uebersiedelung nach Friedrichshafen von Sr. Majestät in Aussicht genommen. .

Langenargen, 31. Mai. Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin Louise von Preußen ist gestern Vormittag mit Gefolge und Dienerschaft hier im Schlosse Montfort ein⸗ getroffen und hat heute schon die erste Ausfahrt unternommen.

Baden. Karlsruhe, 4. Juni. (W. T. B.) Ihre Königliche Hoheit die Großherzogin hat sich heute zum Besuch der Fürstin von Wied und der Königin von Schweden nach Neuwied begeben. Die Kronprinzessin von Schweden ist heute zu längerem Kurgebrauch nach

Rippoldsau abgereist.

lsaß Lothringen. Straßburg, 3. Juni. (W. T. B.) Der . General⸗Feldmarschall dn von Man⸗ Feuffei, ift zum Kurgebrauch nach Karlsbad abgereist.

nkreich. Paris, 2. Juni. (W. T. B) . Im . Graf St. Vallier heute die Regierung über die Ereignisse in Tonkin, erwähnte der in der auswärtigen Presse verbreiteten beunruhigenden Gerüchte und forderte die Regierung auf, die öffentliche Meinung zu be⸗ ruhigen. Es sei der Moment gekommen, energisch zu handeln; man‘ müsse zeigen, daß Frankreich fest enischlossen sei, in diesem Unternehmen obzusiegen. Der Minister des Acußeren, Challemel-Lacour, erklärte: die Re⸗ gierung habe alle Maßregeln getroffen, um den Erfolg der Expedilion in Tonkin zu sichern. Schnelle Kreuzerschiffe brächten gegenwärtig Truppen dorthin, auch habe der Gou⸗ verneur von Cochinchina Verstärkungen abgehen lassen. Ende dieses Monats werde in Tonlin eine kleine Armee vereinigt sein, welche hinreiche, um den Schwierigkeiten die Spitze zu bieten. Der Minister bemerkte unter Bezugnahme auf den Tod des Kommandanten Riviere; diese Katastrophe werde den Entschluß der Regierung nicht erschüttern; sie zähle dabei auf die Unterstützung des Senats. Der von dem Gesandten Bourrée mit China abgeschlossene Vertrag sei unannehm⸗ bar gewesen, weil derselbe ohne Ermächtigung Seitens der Regierung geschlossen worden und den Interessen Frankreichs nachtheilig gewesen sei. Die Regierung werde indessen bestrebt sein, die Schwierigkeiten mit China wie solche mit anderen Nationen auszugleichen. Es sei. durchaus kein Grund vorhanden, anzunehmen, daß Ching mit Frankreich sollte brechen wollen. China werde sich durch eifersüchtige und“ interessirte Rathschlage nicht beeinflussen lassen, und es könne in einer Angelegenheit, in welcher es weder ein Recht noch ein Interesse zu wahren habe, nicht interveniren wollen. Diesé Erklärung wurde mit Beifall aufgenommen, und der Zwischenfall war damit erledigt.

3. Juni. (W. T. B. Der „National“ erfährt, der französischen Regierung seien von den Behörden der Howas auf Madagaskar zum Zweck einer Verständigung Er— öffnungen gemacht worden.

Italien. Rom, 2. Juni. (W. T. B.). Die De⸗ putirtenkammer genehmigte einstimmig den Gesetzentwurf, betreffend die Errichtung eines Nationaldenkmals für Garibaldi auf dem Monte Janiculo. Der Staat trägt eine Million Lire dazu bei. ;

3. Juni. (W. T. B.) Hier und in mehreren Pro⸗ vinzialstädten wurde der Todestag Garibaldi's mit der Enihüllung von Büsten und Gedenktafeln gefeiert.

Nußland und Polen. St. Petersburg, 4. Juni. (W. T. B.) General Tschernajeff, welcher, von Astrachan kom⸗ mend, hier erwartet wird, wird ein umfangreiches Material, be⸗ treffend die agrarischen, kommerziellen und militärischen Ver⸗ hälinisse Turkestans, mitbringen. Die Eisenbahn— linie Batum-Samtredi ist am 2. d. M. eröffnet worden.

Moskau, 2. Juni. (W. T. B.). Das heutige Volks⸗ fest war ein wahrhaft großartiges. Dasselbe entwickelte sich auf einem Raum von etwa hunpert Hektaren, auf welchem mehrere Theater, Cirkus, viele Zelte zꝛc. errichtet sind. Ein weißes, mit Gold und rothem Sammet verziertes Zelt war für den Kaiser und die Fürstlichkeiten bestimmt. Zu beiden Seiten des Kaiserzelts dehnen sich mächtige Tribünen für die Eingeladenen aus. Das Volk umdrängte die 140 mit Bier gefüllten und mit je 8 Zapfkrahnen versehenen Waggons, und jeder dargereichte Becher wurde sofort gefüllt. Beim Be⸗ treten des Festplatzes erhielt ein Jeder aus dem Volke einen Becher, eine Pastete, einen Kuchen und ein Säckchen mit Naschwerk. Gegen Mittag waren alle Vorräthe erschöpft, da sich mehr als eine Million als Empfänger präsentirt hatten. Um Af Uhr trafen der Kaiser, die Kaiserin, die Kaiserliche Familie und die fremden Fürstlichkeiten auf dem Festplatze ein und wurden von der nach Hunderttausenden zählenden Bevölke— rung mit begeisterten Hurrahs empfangen. Ucherall herrschte die fröhlichste Stimmung; kein Streit, keine Thätlichkeit ver⸗ ursachte die geringste Störung. Viele Bauern waren aus weit entfernten Provinzen zu Fuß hergekommen. Der Kaiser, die Kaiserin und die Prinzen verließen um 3 Uhr das Fest.

Nach dem Volksfest fand im Petrowski⸗Palast ein

Diner für die Vorsteher der Landgemeinden und die Pro— vinzial-Adelsmarschälle statt. Während desselben richtete der Kaiser an die Vorsteher der Landgemeinden folgende An— sprache: ; Ich bin sehr erfreut, Euch nochmals zu sehen; ich danke Euch für Eure herzliche Theilnahme an den Festlichkeiten., welche von ganz Rußland so freudig begrüßt worden sind. Wenn Ihr heimkehrt, so überbringt Allen meinen herzlichen Dank. Folget dem Rathe und der Führung Eurer Adelsmarschälle, schenket keinen Glauben den un— sinnigen Gerüchten über Landvertheilung und unentgeltliche Erweite⸗ rung des Grundbesitzes und dergleichen. Solche Gerüchte werden durch unsere Feinde verbreitet. Jedes Eigenthum, auch das u ge muß unantastbar sein. Gott gebe Euch Glück und Ge— undheit!

Zu den Adelsmarschällen sagte der Kaiser:

Ich danke Ihnen für Ihre Treue! Ich bin von den treuen und innigen Gefühlen des Adels stets überzeugt gewesen und vertraue fest darauf, daß derselbe wie immer eine feste Stütze bei allem Guten und zum Segen des Thrones und des Vaterlandes sein wird. Gott möge uns ein friedliches und ruhiges Leben gewähren! Ich danke Ihnen nochmals von Herzen!

3. Juni, Vormittags 11 Uhr. (W. T. B.) Der Kaiser und die Kaiserin sind soeben ohne Escorte unter enthusiastischen Kundgebungen der Bevölkerung durch die ganze Stadt gefahren, um sich nach dem Dreifaltigkeitskloster des heiligen Sergius zu begeben. Heuie Mittag finden auf dem gestrigen Festplatze militärische Uebungen der Kosaken und Tscherkessen statt, denen die fremden Fürstlich⸗ keiten und Botschafter beiwohnen. ,

3. Juni. (W. T. B.) Der Kaiser und die Kai⸗ sexin sind heute Abend 6 Uhr von dem Besuch des Drei⸗ faltigkeitsklosters des heiligen Sergius nach Moskau zurück— gekehrt. Ihre Majestäten legten wie heute Vormittag den

Wagen zurück und wurden von der Bevölkerung auf das Wärmste begrüßt. Anläßlich des heutigen Jahrestages des Todes der Mutter des Kaisers wohnten der Kaiser und die Kaiserin einer Todtenmesse für die Verstorbene bei. Die militärischen Uebungen und Scheingefechte der Kosaken und Tscherkessen, welche heute Mittag auf dem gestrigen i—ẽ— stattfanden, boten ein außerordentlich glänzendes Schauspiel dar.

Süd⸗Amerika. Brasilien. Rio de Janeiro, 3. Juni. (W. T. B.) Das bisherige Ministerium ist durch ein neues Kabinet ersetzt worden, in welchem Lafayette die Präsidentschaft und das Finanz⸗Ministerium, Maciel das Ministerium des Innern und Brandas das Mi⸗ nisterium des Auswärtigen übernommen haben. Sämmtliche neuen Minister gehören wie die bisherigen der liberalen Partei an, zählen aber zu einer etwas mehr vorgeschrittenen Gruppe derselben.

Afrika. Egypten. Kairo, 3. Juni. (W. T. B.) ee, nm nm. des Sultans, Kadry Bey, ist abberufen worden.

geitungsstimm en.

Die „Neue Preußische Zeitung“ äußert sich über den Abschluß der Diskussion über das Krankenkassen⸗ gesetz, wie folgt: . Zweihundert sechszehn gegen neun und neunzig; das ist die Stimm- zahl, mit welcher eins der großen sozialistischen Gesetze schließlich vom Reichstage angenommen worden ist. Das ist mehr, als die wider wärtigen täglichen Kämpfe, welche unser parlamentarisches Leben ver— giften, die Signatur dieser durch, die kräftige Initiative eines Staatsmannes ersten Ranges geleiteten Zeit, erwarten ließen. Wer hätte noch vor wenigen Jahren ein solches Resultat für mög⸗ lich gehalten gegenüber den damals herrschenden Theorien und An⸗ schauungen. Wir wollen nicht zurückverweisen auf das, was das Manchesterthum etwa vor sechs Jahren in seiner ausschließlichen Weisheit und Erleuchtunz über den in Rede stehenden Gegenstand gelehrt hat. wir greifen auch nicht, zurück auf die bodenlose Verleumdung, mit welcher noch bei den letzten Reichstagswahlen alle sozialen Intentionen des Kanzlers verlästert sind, wir wollen nur erinnern an die Urtheile, welche wir noch vor wenigen Monaten über das Wesen und die Aussichten des Gefetzes verno nmen haben, es ist für uns ganz unzweifelhaft, daß nicht nur die soziale Politik im letzten Jahre heilsame Fortschritte in positiver Richtung gemacht hat, sondern daß dabei auch gerade der Botschaft vom 17. November der größte Einfluß zuzu⸗ schreiben ist. Man wird nicht läugnen können, daß von der Zeit an, wo diese Botschaft verkündet wurde, ein anderer Ton in die Behandlung dieser Fragen bei allen Parteien gekommen ist; keine hat sich dem Eindruck derselben ganz entziehen können. Vor⸗ läufig können wir uns des errungenen Resultates in dieser Beʒiehung nur aufrichtig freuen, obgleich viele und große Wünsche auf diesem Gebiete noch übrig bleiben, und obwohl, wir auch den errungenen Erfolg nur als Ermunterung ansehen für weitere und größere Be⸗ strebungen.

Dem „Metallarbeiter“ entnehmen wir Folgendes:

Der niederrheinisch⸗westfälische Montanbezirk befindet sich augen⸗ blicklich in einer fieberhaften Aufregung. In nächster Zeit wird der kürzlich wieder zusammengetretene Landtag das Schicksal des von der Regierung projektirten Kanals von Dortmund iber Henrichenburg nach den Emshäfen entscheiden. Günstige Aussichten bieten sich allerdings für das Unternehmen keine; die vom Abgeordnetenhause zur Prüfung der Vorlage der Regierung eingesetzte Kommission hat das Yrojekt mit 13 gegen 11 Stimmen abgelehnt und wird in dieser negativen Haltung urch die Opposition der Aeltesten der Berliner Kaufmannschaft, der Handelskammern zu Hannover und Braunschweig, den Magistrat zu Magdeburg ꝛc. unterstützt. Der Protest verlangt in einer Petition an das Abgeordnetenhaus die zuvorige oder mindestens gleichzeitige Ausführung des binnenländischen Rhein ⸗Weser Elbe ⸗Kanalz.

Wird die jetzige Regierungsvorlage vom Abgeordnetenhause ver— worfen, so wird aller Voraussicht nach den gesetzgebenden Körper— schaften nicht etwa der Entwurf des letzteren Kanals zur Beschluß⸗ fassung unterbreitet werden, sondern die Sache einfach ad acta ge— legt werden, und wir stehen dann genau, da; wo wir vor 30 Jahren standen, als die Agitation für den Rhein ⸗Weser, Elbe⸗Kanal begann.

In Rheinland-Westfalen ist man von der Wichtigkeit der Ent⸗ scheidung des Abgeordnetenhauses für den weiteren Absatz der Pro— dukte des Ruhrbeckens vollständig durchdrungen und ist von dort die Befürwortung des Kanalprojekts den Abgeordneten dringend ans Herz

elegt. . . ö nge der Entscheid des Landtags in diesem Sinne ausfallen; verzinst sich auch der Kanal in den ersten Jahren nicht, so würde seine Ausfuhrung doch als nationale That aufzufassen sein, die von den segen4zreichsten Folgen für die rheinisch⸗westfälische Industrie be— gleitet wäre.

Die „Germania“ schreiht: .

Der „Jahresbericht über den Zustand der Landeskultur in der Provinz Westfalen im Jahre 1882. enthält folgenden Passus, be— treffend die Steuergesetzgebung: Allgemein ist die Klage über den unverhältnißmäßig hohen Prozentsatz, den, die Landwirthe zu den Landeg. und Kommunalsteuern leisten müssen. Der Kreisverein Dortmund berichtet: ‚Die Lage des Grundbesitzers ist insofern eine ungünstigere geworden, als er schwer leidet unter den drückenden Gemeinde und Schulsteuern, und alt diese bei nicht günstiger Ernte im erheblichen Maße das Fortkommen beeinträchtigen. Der Lokalverein Amelsbüren-Hiltrup dußert sich darüber, wie folgt: „Der Steuer⸗ druck, welcher nicht ab-, sondern mit jedem Jahre zunimmt, lastet schwer auf dem Grundbesitz. Fälle, daß 2900 0 0 der Klassen⸗ oder klassifizirten Einkommensteuer an Gesammtsteuer gezahlt werden, so daß annähernd die Hälfte des gesammten sich durch die Klassen resp. Einkommensteuer ergebenden reinen Einkommens an Steuer zu ent- richten ist, kommen häufig vor. Es ist daher dringend nöthig, daß es der Gesetzgebung gelingt, hier Erleichterung zu schaffen.“ Aehnliche Klagen werden auch aus anderen Kreisen laut.

In der, Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ lesen wir: .

Glücklicherweise thut nicht einmal der Großhandel den Frei⸗ händlern den Gefallen, sich an ihre Prophezeiungen zu kehren; dazu liefert die Statistik der Waareneinfuhr Hamburgs in 1882 den erfreulichen Beweis. Wieder, wie im Vorjahre gegen 1880, ist die selbe nach Maß und Gewichtsmengt erheblich gestiegen, und zwar hauptsächlich ist es der vermehrte deutsche Export, der diese Steigerung bewirkt hat. Der ‚Wes. Ztg“ entnehmen wir darüber folgende Angaben: Während 1881 der Werth der Gesammteinfuhr zu Wasser und zu Lande sich exklusive Kontanten und Edelmetallen auf 2918 507 000 „M6. bezifferte, stellte er sich 1882 auf 2 084 858 0900 „, ist also um 6tz,z Millionen und gegen 1889 um 1154 Millionen gestiegen. Das. Gewicht der Ein⸗ fuhr war 1880: 55,5, 1881: 56,8 1882: 609 Millionen Doppel eentner. Die Gewichtsmenge betrug im Durchschnitt der Jahre 1871 75 nur 35,8, 1846— 50 nur 10,3 Millionen Doppelcentner Beweis für die rapide Entwickelung des Hamburger Wagrenhandels. Von der Vermehrung der Einfuhrwerthe um 66.3 Millionen Mark entfällt nur der verfchwindend kleine Theil von 1.7 Millionen auf die Einfuhr seewärts, der Rest mit 64,5 Millionen Mark dagegen auf die Ein⸗ fuhr fluß und landwärts. Da letztere im Wesentlichen die Einfuhr

der Ausfuhr deutscher Produkte über Hamburg. Die Einfuhr land⸗ und flußwärts betrug 1114631 000 ƽ gegen 1911766900 4 in 1880. Die Einfuhr zur See kam 1882 in 6189 Segelschiffen mit 3030900 Reg. Tons, davon waren 3604 Dampfschiffe mit 2 4537 666 Reg. Tons und 26585 Segelschiffe mit 593243 Reg. Tons. Die Dampfer waren also der Zahl nach 600, der ankommenden Schiffe, während sie 1861— 7) nur 33*/3 o ausgemacht hatten. Die Segel⸗ schiffe lieferten 1882 nur der ankommenden Reg.⸗-Tons, während 1871— 75 die Dampf⸗ zu den Segelschiffen der Tonnenzahl nach noch wie 1: 3 sich verhalten hatten. Der auch hier konstatirte gewaltige Umschwung zu Gunsten der Dampfrhederei liefert von Neuem den Beweis, wie tendenziös es ist, aus dem Rückgange der Segelschiffahrt Schlüsse gegen die deutsche Handelspolitik ziehen zu wollen.

Wie „Das Deutsche Wollengewerbe“ mittheilt, hat die XVII. ordentliche Delegirtenversammlung des Central⸗ vereins der deutschen Wollenwaarenfabrikanten am 28. Mai d. J. zu Chemnitz in Betreff der Kranken- und Unfallversiche⸗ rung solgende Resolution angenommen: .

1) die heutige Delegirtenversammlung des Centralvereins der deutschen Wollenwaarenfabrikanten spricht dem Herrn Reichskanzler und den verbündeten Regierungen ihren verbindlichsten Dank dafür aus, daß sie es unternommen haben, durch allgemeine und öffentliche Versiche⸗ rungseinrichtungen die Arbeitskräfte und Erwerbsfähigkeit der Arbeiter vor den Zufälligkeiten und Gefährlichkeiten, mit denen das mensch— liche Leben bedroht ist, möglichst sicher zu stellen; .

Y sie erwartet auch von dem Krankenkassenentwurf, dessen An⸗ nahme in dritter Lesung heute erfolgen dürfte, trotz mancherlei Män⸗ gel, heilsame Wirkungen für unser wirthschaftliches Leben;

3) fie giebt sich der Hoffnung hin, daß es in der nächsten Reicht— tagssefsion gelingen wird, auch über die Unfallsvorlage eine allen Interessen, sowohl denen der Arbeiter, als auch der Unternehmer ent— sprechende Verständigung zu erzielen; . =

4) sie unterläßt aber nicht, schon jetzt auf die großen Gefahren aufmerkfam zu machen, welche das vorzeitige und keineswegs dringliche Hereinziehen weitragender anderer Fragen, wie der Alters.! und Invalidenversorgung, der Versorgung gegen Arbeitslosigkeit u. dgl. m. nicht blos für die Industrie, sondern für die ganze bürgerliche Gesellschaft mit sich bringen würde, und bittet daher ehrerbietigst, hiervon Abstand zu nehmen.

Centralblatt für das Deutsche Rejch. Nr. 22. Inhalt: Finanzwesen: Nachtrag zur Nachweisung über Einnahmen des Reichs m April 1883. Zoll. und Steuerwesen; Bestellung eines Stations-Controleurs; Befugnisse von Steuerstellen. Konsulat⸗ wesen: Ernennung; Ermächtigung zur Vornahme von Civilstands—⸗ akten; Exequatur⸗Ertheilung. Polizeiwesen: Ausweisung von Ausländern aus dem Reichsgebiet. . ö. Amtsblatt des Reichs-Poestamts. Nr. 29. Inhalt: Verfügungen vom 25. Mai 1883: Mangelhafte Anfertigung der Ab⸗ schriften von Postzustellungsurkunden; vom 25. Mai 1883; Führung der Statistik über den Postauftragsverkehr mit Oesterreich⸗Ungarn; vom 29. Mai 1883: Postverbindung mit Helgoland. . Marineverordnungsblatt. Nr. 11 Inhalt: Strümpfe. Lebensversicherungsanstalt. Tafelgelder. Schulverzeichnisse. Schiffsverpflegung. Havarien. Gebührnisse. Lederzeug. Schiffsbücherkisten. Personalveränderungen. Benachrichti⸗ gungen. ( eu stiz · Nin ister ial · Blatt. Nr. 22. —– Inhalt: Allgemeine Verfügung vom 22. Mai 1883, betreffend die Einführung einer ein⸗ heitlichen Papierberechnung. Erkenntniß des Reichsgerichts vom; 10. November 1882.

Statistische Nachrichten.

Das Aprilheft der Monatshefte des Kaiserlichen Statistischen Amts enthält folgende Arbeiten: ) Vorläufiges spezielles Ergebniß der Berufszählung vom 5. Juni 1882 für das Reich, 2 die Anmusterungen von Vollmatrosen und unbefah⸗ renen Schiffsjungen bei der deutschen Handels marine im Jahre 1882, 3) die unmittelbare Durchfuhr fremder Waaren durch das deutsche Zollgebiet im Jahre 1882, 4) Ueberseeische Auswanderung aus dem Deutschen Reich in den vier ersten Mongten des Jahres 1883; außerdem die regelmäßig für den betreffenden Monat zu ver— öffentlichenden Nachweife über die Waareneinfuhr und Ausfuhr und Großhandelspreise wichtiger Wagren. .

Im Monat Mai d. J. wurden bei der Allgemeinen Unfall-VerficherungsBank in Leipzig 16 Todesfälle, 5h lebensgefährliche Verletzungen, 8 Unfälle, die ihrer Natur nach eine gänzliche oder theilweise Invalidität erwarten lassen, und N Unfälle von voraussichtlich nur vorübergehender Erwerbsunfähigkeit der Ver— letzten, zusammen 1603 Un fälle angemeldet.

Gewerbe und Handel.

Vom Berliner Pfandbrief⸗Institut sind bis Ende Mai 1883 199 200 ½ . 3H, 15 882 300 4 , 44 323 S0 0. M. 41 oi go und 9198 900 Æ 5g, zusammen 69 604 200 M Pfandbriefe ausgegeben, wovon noch 199 200 „Æ6. 3 J0so, 15 628 500 6 40so, 36 777 900 ½. 41½ ! und 6 895 200 A 50/9, zusammen 59 500 800 4. Pfandbriefe verzinslich sind. Es sind zugesichert, aber noch nicht ab— gehoben 472 806 ½, im Laufe des Monats Mai 1883 angemeldet 4 Grundstücke mit einem Teuerversicherungswerthe von 106 500 4.

Guben, 2. Juni. (W. T. B.) In der heutigen Generalver— sammlung der Märkisch Posener Bahn wurden die ausschei⸗ denden Verwaltungsraths⸗-Mitglieder wiedergewählt.

Breslau, J. Juni. In der heutigen 8. ordentlichen General versammlung der Aktionäre der Oels-Gnesener Eisenbahn⸗ gesellschaft waren 3064 200 46 Aktien mit 858? Stimmen vertreten. In Erledigung der Tagesordnung fand die Neuwabl dreier Mitglieder und die Ersatzwahl eines Mitgliedes des Aufsichtsraths, die Berichterstat - tung über die Lage der Geschäfte der Gesellschaft und die Ertheilung der Decharge für das Geschäfts-(Kalender⸗ Jahr 1882 an Aufsichts⸗ rath und Virektion auf Grund der Bau- und Betriebsrechnung statt. Sodann wurde auf Vorschlag des Aufsichisraths beschlossen, aus pem Reingewinn des Jahres i8s2 auf die Prioritäts-Stammaktien eine Dividende von 259 (also von 12 A für eine Aktie), auf den Divi⸗ dendenschein fär 1882 zahlbar, zu vertheilen. Der dann noch verblei⸗ 1 geringe Ueberschuß soll der Rechnung für 1883 vorgetragen werben.

Frankfurt a. M., 1. Juni. (Oelbericht von Wirth K Co.) Das Petroleumgeschäft hat im abgelaufenen Monat in Folge von Berichten über beträchtliche Produktionsabnahme im Cooper Distrikt und des stets bedeutenden Verbrauchs in Fabriken einigen Aufschwung genommen. United Certificates sind daher bei fester Haltung in fortwährend steigender Tendenz und werden laut Kabel kelegramm heute mit 108 C. per Faß notirt. Merkwürdiger Weise hat diese Bewegung aber auf raffinirtes keinen Einfluß geübt. Dasselbe ist vielmehr trotz großer Anstrengungen der Haussiers im Preise zurück-

ewichen und notirt jetzt 4. Mineral: Schmierole (Lubricating⸗Oils)

. bei der immerhin beschränkten Produktion gegenüber dem stets zunehmenden Konsum fest auf Preisen, und Schwankungen, wie sie im Petroleumgeschäft Regel sind, kommen hier nicht vor. Für Sommeröle herrscht fortwährend gute Nachfrage, und Ordres für Herbst und Winter müssen mit Avance bezahlt werden.

London, 2. Junk. (W. T. B.) Bei der gestrigen Woll auktion waren Preise unverändert.

Glasgow, 2. Juni. (W. T. B. Die Vorräthe von Roheisen in den Stores belaufen sich auf 578 600 Tons gegen

au dem deutschen Zollgebiete darstellt, die zum Export über Hamburg

ganzen Weg durch die Stadt ohne alle Escorte und im offenen

ins Ausland bestimmt ist, so ergiebz sich eine erhebliche Vergrößerung

637 400 Tons im vorigen Jahre. Zahl der im Betriebe befindlichen Hochöfen 117 gegen 108 im vorigen Jahre.