1883 / 128 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 04 Jun 1883 18:00:01 GMT) scan diff

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Verkehrs⸗Anstalten.

Reichs Kursbuch. Bearbeitet im Kursbureau des Reichs-

rn, 1883. Ausgabe N. III. Juni. Sommer ahrpläne. Berlin. Julius Springer. Preis 60

Die diesjährigen, seit dem 1. Juni in Kraft getretenen Sommerfahrpläne enthalten besonders zahlreiche Aenderungen. Diese Aenderungen sind nicht allein auf Vermehrung und Ver— besserung der Reiseverbindungen nach Bädern und Gebirgegegenden

erichtet, sondern verfolgen jum Theil viel wichtigere, dem großen eltverkehr dienende Ziele.

Eine wesentliche Reihe von Zugverschiebungen ist durch das Be streben hervorgerufen worden. Italien und den Orient näher an Deutschland und dessen nördliche Nachbarländer zu rücken. Die Eisen⸗ bahnzüge zwischen Berlin -Leipzig und München und andrerseits zwischen München und Verong sind so zusammengeschoben und beschleunigt worden, daß sie in München unmittelbar aneinander anschließen und dem Norden Deutschlands eine um 10—12 Stunden schnellere Ver⸗ bindung als bisher mit Tirol, Italien und dem Orient, mit Indien, China und Japan gewähren. . ;

Eine wesentliche Verschiebung und Beschleunigung ist dem Mittagszuge von Wien über Passau nach Cöln zu Theil geworden. Derselbe geht aus Wien statt 12.15 erst 333, aus Nürnberg 2.2, aus Würzburg 4 25, aus Mainz 8.5 ab und ist in Cöln 12.* (in Frank furt 743). An diesen Zug schließt der Zug Cöln-Verviers . Sstende (London). Der Weg nach London ist hierdurch sowohl für die an dieser Route gelegenen Orte als auch für die der Anschlußlinien wesentlich beschleunigt worden. Sogar für Dresden und Leipzig ge⸗ währt der Anschluß an diesen Zug nach London über Frankfurt- Mainz ⸗Cöln noch Vortheis. Auch die Orient-Expreßzüge mit den Anschlüfsen aus Konstantinopel erreichen in Wels noch den An— Ei an den obigen Zug über Passau und Cöln nach Ostende und

ondon.

Eine ganz neue Einrichtung (Luxuszüge J. Kl. mit Schlafwagen, Speisesalon ꝛc sind die eben erwähnten Orient⸗Expreßzüge, welche wöchentlich zweimal zwischen Paris-Wien⸗Verciorova⸗Bukarest Giur⸗ evo verkehren und unmittelbaren Anschluß einerseits von bz. nach zondon, andererseits nach bz. von Konstantigopel gewähren.

Von den lange geplanten kombinirten Rundreisebillets gelangen einige zur Einführung, nämlich 1) von Berlin, Breslau, Dresden und anderen Orten nach dem Riesengebirge und der sächsischen Schweiz (RkB 719 IILa), ?) innerhalb der Schweiz (EkB 719 XVI), ) nach Italien (RkB 719 XVIIIa). .

Während die beiden ersteren nach Belieben aus einer Menge einzelner, kleiner Couponstrecken zusammensetzbar sind, bestehen die⸗ jenigen nach Italien aus drei Haupttheilen: 1) einem Billet (von Berlin oder Cöln, Hamburg, Straßburg ꝛe.) bis zur italienischen Grenze, also entweder bis Ventimiglia oder Modane, Chiasso, Pino, Luino, Ala, Pontebba, Cormons, 2) einem sich an das erste Billet anschließenden italienischen Rundreisebillet, welches zur Reise von der Grenze ab durch Italien bis zu einem andern der oben aufgeführten Grenzorte Gültigkeit hat, 3) einem an das Billet 2 anschließenden Rückreisebillet von der italienischen Ausgangs grenze. Die Billets gelten 60 Tage; jedes derselben besteht aus einer geschlossenen Reihe von Coupons und berechtigt zum Aufent— halte unterwegs auf jeder beliebigen Couponstation. Das italienische Rundreisebillet führt den Reisenden je nach seiner Wahl entweder nur durch Oberitalien oder dehnt die Reiseroute weiter aus bis Rom, Neapel oder Messina ec.

Anzuerkennen ist es, daß trotz kolossaler Schwierigkeiten, gehen doch viele Fahrpläne erst in letzter Stunde auf telegraphischem Wege ein es ermöglicht worden ist, diese nicht allein für den Reisenden, sondern auch für den Geschäftsmann so überaus wichtige Ausgabe noch rechtzeitig fertigzustellen.

Rarl ruhe, 7. Juni. MW. T. B) Der neue Jagdzug Cöln-⸗Basel, der um 3 Uhr 50 Minuten Nachmittags vom hiesigen Bahnhof abgeht, ist auf einen Kieszug aufgefahren. Die Lokomotive wurde zertrümmert, Menschen jedoch nicht verletzt. Der Verkehr ist unterbrochen.

St. Petersburg, 3. Juni. (W. T. B.) Gestern, am Spät: abend, fand auf der St. Petersburg-Warschauer Bahn bei Serebrianki ein Zusammenstoß eines Passagierzuges mit einem aus Pliussy kommenden Güterzuge statt. Ein Schaffner wurde a n ein Heizer schwer verwundet und mehrere Passagiere kon— tusionirt.

Bremen, 2. Juni. (W. T. B.) Der Dampfer des Nord“ deutschen Lloyd „Rhein“ ist heute früh 5 Uhr in NewYork eingetroffen.

, Rn, (n n ) Der wampser de Norddeutschen Lloyd Hohenstaufen“ ist gestern in Balti—⸗ more angekommen.

Hamburg, 4. Juni. (W. T. B.) Der Dampfer Frisia“ von der Hamburg ⸗Amerikanischen Packetfahrts⸗Aktien⸗ gesellschaft ist gestern Abend 10 Uhr in Plymouth eingetroffen.

*. Jin. (w. R, D Der anmpfer Achille ist heute Vormirtag mit der ostindisch-chinesischen Ueberlandspost aus Alexandrien hier eingetroffen.

Berlin, 4. Juni 1883.

Der Verein für Hinderniß-⸗Rennen hielt am geürigen Sonntage auf der Rennbahn zu Hoppegarten den ersten Tag seines Sommer⸗Meetings ab, zu dem sich ein recht zahlreiches Publikum bei prächtigem Wetter und günftigem Verlauf der ein zelnen Rennen eingefunden hatte. Die Rennen begannen um 3 Uhr mit:

J. Dahlwitzer Hürden⸗ Rennen. Preis 700 S Verkaufs⸗ Rennen. Für 4 jühr. und ältere Pferde, 50 „S Einsatz, s S6 Reun— geld, Distanz 400 m. Das Rennen hatte 5 Unterschriften, für drei Pferde wurde Reugeld gezahlt und am Start erschienen nur zwei Pferde, von denen des Grafen M. Schmettow 4 jähr. F H. . Basalt“ (2500 S), des Lieut. Prinz Radziwill 4 jähr. br. H. . Presto“ leicht mit 6 Längen schlug und den Preis von 890 M erhielt. Der Sieger wurde in der Auktion für 2000 „MS von seinem Besitzer wieder zurück gekauft. Es folgte diesen Rennen um 395 Uhr: .

II. Offizier ⸗Iggd-Rennen. Preis 500 Für vierjähr. und ältere Pferd im Besitz von aktiven Offizieren der deutschen Ar—⸗ mee und von solchen zu reiten. 10 M Einsatz, 5 A Reugeld. Distanz 3000 m. Von 14 zu diesem Rennen genannten Pferden zahlten 9 Reugeld und 5 erschienen am Start. Es siegte nach einem fehr schönen Rennen sicher mit zwei Längen des Rittm. v. d. Osten (Grde. Kür. Regt.) br. W. „Faustin? gegen des Lieut. v. Sydow J. (3. Hus. Regt) 5 jähr. br. St. „Redlock'. Preis 574 S6 dem Sie⸗ er, 72 M der zweiten, 24 A dem dritten. Dem Rennen schloß

ch um 4 Uhr an⸗

IlöII. Antinous-Jagd⸗Rennen. Preis 800 M Herren— Reiten. Verkaufsrennen. Für jährige und ältere Pferde. 50 Einsatz. 30 S Reugeld. Distanz 3500 m. Dem zweiten Pferde bis 200 6 aus den Einsätzen und Reugeldern. Zu dem Rennen waren 8 Pferde genannt, von denen 4 Reugeld zahlten und ebensoviel am Pfosten erschienen. Es siegte des Mr. Doan a. br. W. . Wege⸗ lagerer⸗ (2000 S) nach Gefallen mit 10 Längen gegen des Lieut. Grf. Schaffgotsch Ejähr. br. W. „Bell the Cat“. Werth 929 dem Sieger, 200 Æ dem zweiten. Der Sieger wurde in der Auklion für 240 „M von seinem Besitzer zurückgekauft, Um 45 Uhr folgte dem Rennen:

IVI. Siegespalme⸗Hürden⸗ Rennen. Preis 600 n,, Verkaufsrennen. Für 4jähr. und ältere Pferde. 5) M Eins. 20 1 Reug. Distanz 2400 m. Das Rennen hatten 11 Pferde angenommen, darunter „Hymne“ mit dreifachem Eigsatz Es siegte nach einem scharfen Kampf mit einer Kopflänge des Mr. Doan jähr. schwbr. St. Viren“ (2500 Æ) gegen des Hrn. Ulrich a. br. St. „Hymne“ Preis 1010 K, welche der Siegerin zufielen, die in der Auktion für 252 „6 von ihrem Besitzer zurückgekauft wurde. Den Schluß des Tages bildete um 5 Uhr:

V. Handicap⸗Jagd⸗Rennen. Preis 90 Für 4 jähr. und ältere Pferde. 40 M Einsatz. 10 M Reugeld. Dem zweiten Pferde ßO / der Einsätze und Reugelder ꝛc. Distanz 400) m. Das Rennen hatte 16 Unterschriften, drei Pferde erschienen aber nur am Start, von denen nach einem brillanten Finish mit einer Halslänge des Trainer G. Sear 4jähr. br. St. Amazone“ siegte, gegen des Trainer O. Germann 5 jähr. br. H. . Van Dieman“‘. Preis 1009 der Siegerin, 150 M dem zweiten. Am künftigen Sonntag beginnt das Sommermeeting des Unionklub.

Der unter dem Protektorat Ihrer Kaiserlichen und Königlichen Hoheit der Kronprinzessin stehende Verein für häusliche Gesundheitspflege hielt am Sonntag Mittag in einem Sitzungszimmer des Herrenhauses seine General- versammlung ab. Dem von dem Vorsitzenden, Staats⸗Minister von Bernuth, erstatteten Jahresbericht war zu entnehmen, daß die Ein⸗ richtungen des Vereins sich im Allgemeinen fester gestaltet haben, so daß auch die Wirksamkeit des Vereins eine kräftigere and ausge— breitetere geworden ist. Die drei Bezirks⸗-Comités (für die Rosen⸗ thaler Vorstadt, für die Stadtbezirke 45 53 und für die Stadtbezirke 1—4) haben ihre Thätigkeit in mehreren Beziehungen erweitert. Der Zweck dieser Comités besteht darin, auf die Gesundheitsverhält⸗ nisse der ärmeren Familien ihrer Bezirke durch persönliche Thätigkeit der Comitémitglieder und durch an diese sich anschließende Einrich⸗ tungen einen bessernden Einfluß zu üben. Die Comités für die Rosenthaler Vorstadt und die Stadtbezirke 43— 53 besitzen Poli⸗ kliniken, Badeeinrichtungen und Flickschulen und das Comité für die Rosenthaler Vorstadt außerdem eine kleine Klinik zur Aufnahme von Kranken, welche sich einer Operation haben unter— ziehen müssen. Alle drei Comités verabreichen außerdem Stärkungs— mittel und Milch an die ärmeren Familien ihres Bezirks. Ebenso haben sich die Comités an der Auswahl der Kinder für die Ferien- kolonien eifrig betheiligt und betrachten es als eine besondere Auf— gabe, für die Kinder, welche in denselben gewesen sind, später auch noch Fürsorge zu üben Das Comits für die Ferienkolonien hat im vergangenen Jahre 276 Kinder in eigentliche Ferienfolonien, 17 Kin— der in das vom Verein für Kinderheilstätten geleitete Hospiz in Norderney entsenden und außerdem eine sogenannte Halbkolonie für 60 Mädchen am Friedrichshain in Berlin einrichten können. In diesem Jahre wird die Mädchenkolonie Pförten vom 1. Juni bis 30 September im Gange sein. Das Comité für die Ausbildung von Krankenpflegerinnen hat im vergangenen Jahre die ihm zuge⸗ wiesene Aufgabe, eine Anzahl Krankenpflegerinnen auszubilden und eine Krankenpflegerinnen-Anstalt zu gründen, erfüllt. Die Anstalten des Vereins sind nunmehr derartig, daß sie alle jene Unterstützung bieten können, welche für die häusliche Gesundheitspflege nothwendig ist: Heilung bei Krankheiten durch die Polikliniken, Pflege durch die Pflegerinnen, Stärkung für Schwache und Genesend— durch allerhand Stärkungsmittel und durch die Ferienkolonien in ihrer erweiterten Form mit Seebädern, Halbkolonien, Re— konvaleszenten⸗Kolonien, Bäder für Reinlichkeit und Heilung, sowie mannigfachen Zuspruch, Rath und Hülfe. Die Bilanz der Einnahmen und Ausgaben pro 1882 beziffert sich auf 11 593 ½ Unter den Ein nahmen figuriren wiederum namhafte Beiträge von dem Kronprinzen und der Kronprinzessin. Der Bericht schließt mit der Bitte, den Verein nach Möglichkeit zu unterstützen, da die Vereinsbedürfnisse immer größere werden. Die Versammlung ertheilte hierauf dem Vorstande Decharge. Es wurde alsdann mitgetheilt, daß der Verein in nächster Zeit Korporationsrechte erhalten werde. Mit der Wiederwahl der turnusmäßig ausscheidenden Vorstandsmitglie er schloß die Generalversammlung.

Die Hochzeitgeschenke Ihrer Königlichen Hoheiten des Prinzen und der Prinzessin Wilhelm werden vom morgigen Dienstag ab im Kunstgewerbe⸗Museum ausgestellt sein (nicht, wie früher berichtet wurde, vom Sonntag ab). Die Auf⸗ stellung findet wieder im Lichthofe des Museums statt. Das herr— liche Tafelsilber, das Geschenk der Städte. wird wie auf den Gala⸗ tafeln der Hoffestlichkeiten mit Tellern, Gläsern und Blumenschmuck aufgestellt. . eingereiht die großen Silbergeschenke der Provinzen Westfalen, Pdmmern, Westpreußen, Posen, Sach en, das Album mit 193 Aquarellen und Zeichnungen der Berliner Künstler, eine Anzahl künstlerisch ausgeführter Adressen und eine Fülle anderer Kunstwerke. Die Ausëstellung, welche die rein persönlichen Geschenke nicht umfaßt, giebt in einer Auswahl alle künstlerisch wochtigen Stücke. Die Dauer der Ausstellung ist auf 4 Wochen bemessen, der Ertrag ist von Höchster Seite für wohlthätige Zwecke bestimmt.

In der Hygiene⸗Ausstellung hat am Sonnabend zer erste Cyclus hygienischer Vorträge begonnen. Professor Dr. Fsmarch hat den Anfang mit einer Darlegung seiner Ansichten von den Sa— mariterschulen gemacht. Der mit Flaggen und Bildern dekorirte Löbsche Paoillon in der Ostecke der Ausstellung war dicht gefüllt mit einem distinguirten, etwa zur Hälfte aus Damen bestehen⸗ den Publikum. Der Vortrag wurde von Dr. Paul Börner mit Worten der Begrüßung und mit einen Hinweise auf die Bedeutung und den Zusammenhang dieser Vorträge mit der Ausstellung eingeleitet. Dann bestieg Dr. Esmarch die Redner⸗ tribune, um zunächst einige Erläuterungen über Entstehung und Zweck der Samaritervereine zu geben, und dann gegen die seinen Bestrebungen erwachsene Opposition vorzugehen. Er wies das Unstichhaltige der gegnerischen Einwände nach, gab ein kurzes Bild der Thätigkeit eines nach seinen Intentionen gebildeten Samaritervereins und plaidirre namentlich auch dafür, daß die Gesundheitspflege als obligatorischer Lehrgegenstand in die Volksschule aufgenommen werde Zum Schluß forderte er zum Ausharren in dem begonnenen Kampfe auf, der nichts Anderes sei, als ein Kampf der Humanität gegen die Unwissenheit. Reicher Beifall lohnte dem Redner. Heut Abend folgt ein Vortrag des Dr. Baron ron Mundy über das Rettungswesen und seine Erfolge in Eucopa. Am 6. Juni spricht der Bauinspektor zur Nieden über die Impro— ö von Pflegstätten im Kriege. Die Vorträge beginnen um

Uhr.

Die Gesellschaft für Erdkunde trat am Sonnabend im Architektenhause zu ihrer fälligen Monatssitzung zusammen. Der zweite stellvertretende Vorsitzende der Gesellschaft, Geh. Legations— Rath Hepke, entschuldigte den Vorsitzenden, Contre⸗Admiral Frhrn. von ö der in Sachen der Nordpolarkommi'ssion zu einer wichtigen Besprechung nach Hamburg gereist ist. Hieran anknüpfend, gab Redner eine kurze Uebersicht über den Stand der internationalen Polarforschung. Nordenskjöld ist am 20. Mai nach dem Innern Grönlands abgedampft; von Kopenhagen aus hat sich am 7. Mai eine Expedition nach dem Osten Grönlands begeben. Der einge— sandte Jahresbericht der St. Petersburger Geographischen Gesell⸗ schaft giebt Aufschlͤuß über Ergebnisse der russischen Polarexpedition, desgleichen über die Untersuchungen im Ural und Kaukasus. Neu geplant wird von genannter Gesellschaft eine Entdeckungsreise nach dem Altai. Von Schweden aus wird eine neue Weltumsegelung ins Werk gesetzt. Die im Gange befindlichen Arbeiten zur Erleichterung des Verkehrs auf beiden Hemisphären weisen erhebliche Fortschritte auf. Die 150 km lange Eisenbahn, welche Mexiko durchschneidet und den Golf mit dem Stillen Dzean verbindet, ist vollendet. Die Kommisszon, welche den Plan einer Durchstechung der Landenge von Krah beräth, um den Seeweg nach China abzukürzen, hat ihre Arbeiten beendet; es sind nur 50 km zu durchstechen. In Afrika hofft man demnächst den Tanganjika— see mit Dampfern zu befahren. Die letzten Nachrichten von Dr. Junker und die werthvollen Erwerbungen von der Osterinsel haben bereits ihren Weg in die Presse gefunden. Hierauf sprach Professor J. Fritsch über die Anwendbarkeit der modernen Phots⸗ graphie auf Reisen. Redner hat seinen Apparat derartig vervoll⸗ kornmnet, daß er vorzügliche Augenblicksbilder fertigt, daß er auch auf beweglichem Grunde Wasser u, s. w. Aufnahmen bewerk⸗ stelligt und daß das Dämmerlicht in Kirchen, Säulengängen, vor Sonnenaufgang kein Hinderniß mehr bildet. Zahlreiche aus⸗

gehängte Proben bestätigten die angedeuteten Vorzüge. Zum i . sprach noch Dr. A. Krause über seine Reise im südlichen aska.

Dem Ethnologischen Museum ist als ein Geschenk des früheren Kaiserlichen Konsuls in Valparaiso, Hrn. Schlubach, eine Sen⸗ dung werthvoller Gegenstände von der Osterinsel, jenem kultur⸗ geschichtlich bemerkenswerthen einsamen Eilande im Stillen Ozean, zuge⸗ gangen. Die Museumsverwaltung war schon früher auf diese Insel auf⸗ merksam gemacht worden; mächtige Steinkolosse nach Art der Memnons.« figuren tragen dort hieroglyphenartige Schrift; eichen, um deren Lösung sich unter Anregung des Museumsdirektors Philippi in Santiago die hiesige Gesellschaft für Erdkunde verdient gemacht hat. Die Sendung ent⸗ hält neben vielem Anderen eine ungemein korrekt in Holz geschnittene Inschrift; ferner einige Idole von Holz mit langgezogenen Menschen— gesichtern, steinerne Götzen in Frucht und Napfform Die Hauptwaffe der ausgestorbenen Urbevölkerung bestand in einem Wuifgeschosse, an dessen Ende sich ein von Obsidian, einem vulkanischen, glasähnlichen Steine, ge⸗ bildete, nierenförmige Platte befand, welche zwei Spitzen trugen. Ein halbmondförmiger, hölzerner Brustschmuck, sehr huͤbsch geflochtene, zum Theil gemusterte Taschen, gestrickte Netze aus Pflanzenfasern, Zeug aus Baumrinde, das mit Schlägeln bearbeitet ist, praktische Schlingen, um große Meeraale zu fangen, erinnern an die wirthschaft⸗ lichen Sorgen dieses Völkchens. Eine zweite, gleich werthvolle Sen dung der Osterinsel ist der Museumsverwaltung durch die bereit willige Vermittelung der Kaiserlichen Admiralität zugegangen, in deren Auftrage das Kanonenboot Hyäne“, Komdt. Kapitän ⸗Lieutenant Geiseler, bekanntlich die Insel besucht hat.

Bochum, 3. Juni. (W. T. B.) Nach einer Meldung der Volkszeitung“ fand gestern Nachmittag auf der Zeche „Präsi⸗ dent“ eine Explosion durch schlagende Wetter statt, die 8 Mann tödtete und 3 schwer verwundete.

Dres den, 4. Juni. (W. T. B.) Die Delegirten⸗Kon⸗ ferenz der deutschen Gewerbekammern, welche von etwa der Hälfte der bestehenden Gewerbekammern beschickt ist, wurde heute in Gegenwart des Königlichen Kreisbauptmanns durch den Vor— sitzenden Schröer (Dresden) eröffnet. Bürgermeister Rüger begrüßte die Versammlung Namens der Stadt.

Zur Ausführung von Eisenbahn-Oberbau⸗Arbeiten auf der neuen Zweigbahn Strehlen-Nimptsch hat gestern Abend ein Kommando des Gisenbahn-Regiments unter Führung des Hauptmanns Muencke in der Stärke von 4 Offizieren, 12 Unteroffizieren und 104 Mann cuf ea. 6 Wochen per Bahn die Garnison verlassen.

Das Kommando wird während der Dauer der Arbeiten in Strehlen und Umgegend Quartier beziehen.

Berlin im Porte monnaie oder in der Westentasche,“ das dem Berliner Publikum seit vielen Jahren bekannte Büchlein, ist soehen in der ,,, erschienen. Die neuen Fahr⸗ pläne der Eisenbahnen, Pferdebahnen u. s. w. sind möglichst einfach und übersichtlich, dem praktischen Bedürfnisse des Publikums ent— sprechend, zusammengestellt und das kleine Format, die Reichhaltigkeit des Inhalts und der billige Preis von 25 3 machen das Büchlein zu einem praktischen Führer durch die Berliner Verkehrsverhältnisse.

Mit Bezug auf den in Nr. 114 des Reichs ⸗Anzeigers, veröffent- lichten Bericht des deutschen Konsuls in Danedin (Neu-⸗-Seeland), in welchem sich der Konsul dahin ausspricht. daß er für einen direkten Handel mit Deutschland vorläufig keine Aussicht sehe, theilt uns Hr. Paul Erfurt aus Dunedin mit, daß er sich zur Zeit in Berlin (per Adr. Gebr. Schuster, G., Gertraudtenstr. 18. 19) befinde, um einen direkten Handel zwischen Deutschland und Neu— Seeland anzubahnen.

Im Residenz⸗Theater hat am Sonnabend eine Novität: „Ein Kniff“ (Le True d'Arthur), Schwank in drei Akten von

A. Duru und H. Chivot, lebhaften Beifall gefunden. Es ist leichte

französische Waare, aber mit großem Geschick gearbeitet und von Humor übersprudelnd. Ueber alle Klippen des Unwahrscheinlichen half Hrn. Kadelburgs ausgezeichnetes Spiel leicht hinweg. Hr. Hän⸗ seler stand ihm würdig zur Seite, und auch die Hrrn. Haack und Guthery beherrschten ihre Rollen in anerkennenswerther Weise. Von den Damen trug besonders Frl. Hagen zum Erfolg des Schwankes bei; neben ihr sind aber Frl. Hocke und Frl. Dienstl lobend zu er— wähnen. Das Ensemble erinnerte an die besten Zeiten des Residenz Theaters. .

Im Belle⸗Alliance⸗Theater ist am Sonnabend die alte Rädersche Posse Robert und Bertram aufgefrischt worden, die Hrn. Engels Gelegenheit bot, sein Talent als Schauspieler und Komiker nach vielen neuen Seiten hin zu entfalten. Ihm und Hrn. Seidel, der ihm als Robert würdig zur Seite stand, ist es zu danken, daß die alte Posse vor dem vollbesetzten Hause wieder leb— haften Beifall fand und herzlich belacht wurde. Alle kleineren Rollen waren ebenfalls gut besetzt, und das Zusammenspiel ließ nichts zu wünschen übrig. Auch auf die Ausstattung war Sorgfalt verwendet.

Hannover, 3. Juni. (W. T. B.) Bei der heute Abend im Hof⸗Theater stattgehabten Aufführung der Oper Margarethe“ von Gounod fand im 2. Akte an einem Beleuchtungsapparat eine Knallgasexplosion statt; die Flamme wurde aber durch den Hydranten sofort gelöscht. Die Vorstellung nahm ununterbrochen ihren Fortgang und das Publikum bewahrte bei dem Zwischenfall die größte Ruhe.

Stuttgart, 2. Juni. (W. T. B.) Das Abgeordneten⸗ haus hat die Vorlage, betreffend die Herstellung umfassender Ver— hesserungen in den Baueinrichtungen des Hoftheaters, genehmigt. Das Hoftheater wird in Folge dessen auf 5 Monate geschlossen.— Der Direktor der hiesigen Kunstschule, Liezenmaper, hat seine Bemission erhalten; zum Nachfolger desselben wurde Schraudolph aus München ernannt.

Das Sternsche Konservatorium der Mu si? artistischer Direktor: Robert Radecke, Königlicher Hofkapellmeister), Abtheilung Opernschule (Damen und Herren⸗Solo⸗Gesangklasse: Frl. Jennd Meyer, Ensemble ⸗Gesangklasse: Hr. Radecke, Rollenstudium; Hr. Gräfen, Königlicher Chordirektor, Deklamation: Hr. Hellmuth-Bräm, Königlicher Hofschauspieler, Mimik: Hr. Ebel, Königlicher Panto— mimist), veränstaltet am Donnerstag. den 7. Juni d. J.,. Abends

ühr, präcife, im Louifenstädtischen Cheater, Dres denerstraßze 3/15, eine öffentliche Aufführung. Auf dem Programm stehen ? J. a. Erster Akt, b. Scene aus dem zweiten Akt aus der Oper „Orpheus“ von Gluck, II. Gartenscene des dritten Aktes aus der Oper Margarethe von Gounod, III. Erster und zweiter Akt aus der Oper „Figaros . von Mozart. Regie: Hr. Ebel. Begleitung am Piano— orte und Direktion: Hr. Radecke.

Ber i Redacteur: Riedel. erlin: K Verlag der Expedition (E, esselh. Druck: W. Elsner.

Fünf Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage) (6745

zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preu

n 128.

Erste Beilage

Berlin, Montag den 4. Juni

8

ßischen Staats⸗Anzeiger.

ISesq.

Aichtamt liches.

Preußen. Berlin, 4. Juni. In der vorgestrigen (94.) Sitzung des Reichstags trat das Haus in die erste Berathung des Handels- und Schiffahrtsvertrages zwischen dem Deutschen Reiche und Italien ein.

Der Abg. Sonnemann drückte zunächst seine Befriedigung darüber aus, daß der Vertrag nach ziemlich langen Verhand⸗ lungen zum Abschluß gebracht sei, der die Ein- und Ausfuhr⸗ verhältnisse Deutschlands Italien gegenüber wenigstens mit denen der übrigen Staaten gleichstelle. Ueber die Zollverhältnisse selbst habe er nicht zu klagen, ein Novum aber sei die Wiedereinführung der Differenzial— tarife, die, nachdem sie glücklicherweise aus dem deutschen Zoll⸗ system entfernt seien, nun in dem Vertrage wieder zur Gel⸗ tung gekommen seien. Er bedauere ferner, daß es den Unter⸗ handlungen der verbündeten Regierungen nicht gelungen sei, einem politisch befreundeten Staat gegenüber in handels⸗ politischer Beziehung mehr zu erreichen. Auch hier seien die Hoffnungen der deutschen Industrie ebenso ins Wasser ge⸗ fallen, wie bei dem Vertrage mit Oesterreich und vermuthlich später auch mit Spanien; Deutschland habe wenig Grund, auf die von Italien erlangten Konzessionen stolz zu sein. Denn während Deutschland Italien sehr bedeutende Zoll— ermäßigungen eingeräumt habe, die Deutschland etwa 11 Millionen Mark Verlust an den Zolleinnahmen bringen würden, habe Italien gar nichts von Belang nach— gegeben. Die Konzessionen für alkalische Salze, Blei, Zucker und Hopfen seien vollständig gegenstandslos, die Ausfuhr dieser Produkte betrage nur J bis 2Prozent der Ge— sammtausfuhr. Wenn man von deutscher Seite nun schon einmal so große Opfer habe bringen wollen, wie es geschehen sei, dann hätte er wenigstens gewünscht, daß man eine Anzahl von Handfabrikaten entlastet hätte. Namentlich bedauere er auch, daß man auf Baumwollenwaaren keine Konzessionen er— langt habe, was um so wünschenswerther gewesen wäre, als gerade die Lage der deutschen Baumwollen-Industrie nach den Ausweisungen des statistischen Amtes keine besonders günstige sei. Während die deutsche Eisenindustrie von Jahr zu Jahr eine Steigerung erfahren habe, könne dies bei der Baum— wollenindustrie leider nicht behauptet werden. Der Umsatz habe 1878.79 140 000 Doppelcentner, 1880 144 000 Doppelcentner und 1881 149 000 Doppelcentner betragen, und sei 1882 auf 147 000 zurückgegangen; in den ersten vier Monaten des ver⸗ gangenen Jahres habe der Umsatz noch 88 000 be— tragen, während derselbe in den ersten vier Monaten dieses Jahres sogar auf S1 000 zurückgegangen sei. Die halbseidenen Gewebe seien um 15 Prozent zurückgegangen. Dazu sei noch der Veredelungsverkehr, der gerade in Bezug auf die Baumwollenindustrie eine so große Rolle gespielt habe, außerordentlich reduzirt worden. Wie es um die Baum— wollenindustrie stehe, das beweise der Umstand, baß bereits eine Anzahl größerer Etablissements gesucht hätten, im Aus— lande Fabriken zu errichten. Wie nothwendig es gewesen wäre, gerade die deutsche Baumwollenindustrie wieder etwas zu entlasten er sage das immer im Hinblick auf 1 Mil— lionen, die Deutschland durch diesen Vertrag an Zöllen ver— liere sei ihm heute erst wieder recht klar geworden in Folge eines Briefes, der ihm aus Cannstadt, dem früheren Wahlkreise des Hrn. von Varnbüler, zugegangen sei. In die sem Kreise sitze besonders die Korsetindustrie, die über 2000 Arbeiter in Württemberg beschäftige, und der ihre Doublegarne durch den Zolltarif er— heblich vertheuert worden seien. Nicht nur die Garne seien dieser Industrie erheblich vertheuert worden, sondern auch das sogenannte Hornfischbein, das man 1879 mit 10 6 tarifirt habe, aber jetzt es gehöre das vielleicht auch zu den Zoll— kuriosa mit 30 66 heranziehe. Dadurch sei dieser Industrie das Material derart vertheuert worden, daß sie kaum noch konkurrenzfähig sei, und daß sein Gewährsmann daran denke, seine Fabrik ganz ins Ausland zu verlegen. Es würde sehr nahe liegen, hier eine Apschweifung auf Spanien zu machen, doch versage er sich dies, a die Verhandlungen mit Spanien noch nicht abgeschnitten seien, und immer noch Hoffnung sei, daß der für heide Theile nothwendige Vertrag zu Stande komme. Nur eine Seite dieses Gebietes möchte er berühren, die von all—

emein nationalem Interesse sei, und in der er hoffe, eine be—

riedigendere Auskunft von den Regierungsvertretern zu erhalten,

als man nach den Aeußerungen der iheilweise offiziösen Presse annehmen müsse. Er meine die Frage, ob von Spanien das Angebot hierher gelangt sei, den Handelsvertrag mit Ausschluß von Hamburg und Bremen zu schließen. Er frage die Ver— treter des Bundesraths, ob Spanien wirklich ein so ganz unge—⸗ wöhnliches Ansinnen an Deutschland gestellt habe, Deutschland sollte einen Theil des Bundesgebietes von der Anwendung eines Handelsvertrages ausschließen. Ein solches Ansinnen wäre um so weniger zu billigen, als über Hamburg und Bremen ein großer Theil der Ausfuhr Deutschlands nach Spanien gehe, und da die Reichsregierung ja mit Hamburg bezüglich des Freihafens mit den bekannten Mitteln ein Abkommen erzielt hahe. Allerdings sei wohl in der letzten veröffentlichten deutschen Note nach Madrid ein gewisser Anreiz für Spanien zu einer solchen Forderung gegeben, indem darauf hingewiesen sei, daß dieser Handelsvertrag viel mehr Vortheile für Ham— burg und Bremen bieten würde, als für das Deutsche Reich. Vielleicht habe man daraus die Anregung geschöpft, eine der⸗ artige Forderung zu stellen. Er hoffe aber, wenn dies der Fall gewesen sein sollte, daß man ein derartiges Ansinnen deutscherseits mit aller Entschiedenheit zurückweisen werde. Man dürfe im nationalen Interesse niemals einen Theil des deutschen Reichsgebietes von den Vortheilen eines Handels— vertrags ausschließen. Er bitte noch heute in die zweite Lesung einzutreten und den Vertrag zu genehmigen.

Der Abg. Dr. Barth erklärte, die Bedeutung dieses Ver⸗ trags bestehe darin, daß es Deutschland gelungen sei, nach wie vor mit Italien in einem Vertragsverhältniß zu leben, welches die Klausel der Meistbegänstigung enthalte. Ohne dieselbe würde z. B. deutscher Spiritus unter den General— tarif-Italiens gefallen sein, und nicht 12 Lire, wie jetzt, sondern 25 Lire pro Hektoliter an Zoll zu bezahlen haben. Von prak— tischer und prinzipieller Bedeutung fei eine Erklärung in der

Denkschrift, daß die Vortheile, welche Deutschland Italien gegenüber eingeräumt habe, und welche zum Theil in einer Zollherabsetzung bestehe, nur denjenigen Staaten einzuräumen seien, welche mit Deutschland im Meistbegünstigungsverhältniß stehen. Diese Herabsetzung der Zölle würde also nicht zu Gute kommen Rußland, den Vereinigten Stagten von Nordamerika, Spanien und Griechenland. Diese differenzielle Behandlung sei nicht wünschenswerth. Deutschland werde in Folge dieser Verschiedenheit gezwungen sein, Ursprungecertifikate zu ver⸗ langen bezüglich der Artikel, wesche eine Zollermäßigung ge— nießen sollten, und dieser Nachweis sei höchst unbequem, zumal wenn die Artikel Zwischenländer transitirten. Beabsich⸗ tige die Reichsregierung in nächster Zeit einen Gesetzentwurf vorzulegen, wonach diese Zollermäßigung, die für Italien eingeführt sei, generell eingeführt werde, um sie auch anderen Staaten zu Gute kommen zu lassen? Es lasse sich dies um so mehr erwarten, als die Regierung sich 1879 für einen einheitlichen Zolltarif ausgesprochen habe. Insbesondere habe der damalige Präsident des Reichskanzleramts Hof— mann bei Berathung des §. 5 des Zolltarifzesetzes von 1879, welcher von der Retorsion gegen andere Staaten handele, er— klärt: „Wenn ein fremder Staat Deutschland ungünstiger be— handele als anhere Staaten, so sei eine solche differentielle Behandlung deutscher Erzeugnisse ein Akt der Feinoseligkeit, der sich offen als solcher zu erkennen gebe.“ Das, was man nun nach dieser Aeußerung als einen Akt der Feindseligkeit betrachten müsse, wenn es Deutschland gegenüber geschehe, das sollte Deutschland auch fremden Staaten gegenüber nicht thun. Daß die Gesetzgebung von 1879 dies nicht gewollt habe, habe auch der ehemalige Minister, damalige Abg. Delbrück, mit den Worten markirt: „Indem man in das Gesetz hineinschreibe, daß Deutschland es sich nicht gefallen lassen wolle, von einem anderen Staate ungünstiger behandelt zu werden, wie dritte Staaten, spreche man zugleich aus, daß auch Deutschland in Zukunft entschlossen sei, alle Staaten gleichmäßig zu be—⸗ handeln.“

Hierauf ergriff der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Staatssekretär des Reichs⸗-Schatzamts Burchard das Wort:

Meine Herren! Ich freue mich, zunächst konstatiren zu können nach den Worten der beiden Herren Vorredner und namentlich des letzten Herrn Vorredners, daß der Handelsvertrag im Prinzip sym— päthische Aufnahme findet auch bei denjenigen Herren, von denen man vielleicht am ehesten einen Widerspruch hätte erwarten können. In der That würde es auch weder den allgemeinen nahen Beziehungen, welche zwischen beiden Reichen bestehen, entsprechen, noch auch dem umfangreichen Verkehr, welcher sich zwischen beiden Reichen angebahnt hat und in erfreulichem Aufschwunge sich befindet, wenn beide Staaten auf dem inländischen Markt sich gegenseitig ungünstiger be— handeln wollten, als eine dritte Nation. Von diesem Stand⸗ punkte aus hatte auch Deutschland zunächst das Interesse, mit Italien, ähnlich wie es bisher der Fall gewesen ist, einen Meist— begünstigungsvertrag abzuschließen, ohne daß besondere Tarifkonzessionen in denselben aufgenommen würden. Es entsprach dieses durchaus auch den bekannt gewordenen Wünschen unserer Industrie. Denn unsere Industrie legt im allgemeinen weniger Werth darauf, daß die italienischen Eingangszölle herabgesetzt würden und ihr eine erleichterte Konkurrenz mit der italienischen Produktion zu Theil würde, als daß sie auf dem italienischen Markte eine vollständig gleichberechtigte Rolle mit allen übrigen Völkern spiele.

Italien war indessen nicht geneigt, auf diesen Wunsch einzu— gehen, und glaubte seinerseits in Anspruch nehmen zu können, daß, wenn es die Meistbegünstigung an Deutschland zugestände, Deutsch⸗ land wenige Tarifkonzessionen mache. Diesem Wunsche hahen sich die deutschen Unterhändler nicht entziehen zu können geglaubt

Es muß anerkannt werden, daß die Sachlage in der Beziehung einigermaßen für Italiens Ansprüche spricht. Italien hat einen generellen Tarif errichtet, aber auch einen sehr umfangreichen Kon— ventionaltarif mit Oesterreich⸗Ungarn und mit Frankreich vereinbart, und in diesem Konventionaltarif sind im Wesentlichen die Wäünsche, welche früher von deutschen Industriezweigen ausgesprochen wurden in Bezug auf die Ermäßigung itälienischer Zollsätze, erfüllt worden. Durch die Meistbegünstigung werden diese Zoliherabsetzungen der deutschen Industrie in gleichem Maße zu Theil. Auf der anderen

Selte hat Deutschland seinen neuen Tarif im Jahre 1879 be⸗

schlossen, und Ermäßigungen an diesem Tarif sind bis jetzt keiner Nation zugestanden worden; es sind nur einzelne Artikel, die aller= dings für Italien nicht ohne Bedeutung sind, gebunden worden.

Hiernach schien es für die deutschen Unterhändler nicht abzu⸗ weisen zu sein, daß Italien bezüglich derjenigen Produkte, auf die es naturgemäß besonderen Werth zu legen hat, einige Tarifkonzessionen zu Theil wurden. Solche Tarifkonzessionen hat Italien nicht in An— spruch genommen bezüglich des Weines ich möchte das gleich bervorheben obwohl es erbeblich Wein nach Deutschland ausführt. Es hat davon abgesehen, Deutschland die Zumuthung zu stellen, seinerfeits den Weinzoll zu ermäßigen, weil es sich der Er— kenntniß nicht verschließen konnte, daß durch das finanzielle Opfer, was Deutschland dadurch brächte, Italien nicht auch nur an nähernd in entsprechendem Maße begünstigt würde, sondern, daß diese finanziellen Opfer bei Weitem in erster Linie andern meistbegünstigten Nationen zu Statten kommen würden. Dagegen hat es Ermäßigung verlangt bezüglich einiger zollpflichtigen Artikel, die vorzugsweise aus Italien nach Deutschland ausgeführt werden. Deutschland hat seiner⸗ seits keinen Anstand genommen, gerade diese Forderung zu bewilligen, besonders auch deswegen, weil diese Artikel, auf die die Konzession sich erstrecken sollte, nur von Italien und einigen wenigen andern Staaten eingeführt würden, und zwar von Italien in einem sehr erheblichen Umfange, sodaß in der That das finanziell: Opser, was Deutschland bringt, auch Jtalien in wesentlichem Maße zu gute kommt. Es ist in der Presse verschiedentlich beklagt worden, daß man den Zollzweck auf Artikel, die doch vorzugsweise den Konsum der Wohlhabenden bilden, ermäßige und nicht eine Zoll— ermäßigung eintreten ließe für Artikel, die den Konsum der minder wohlhabenden Klassen bilden. Diese Erwägung würde wohl berech tigt sein, wenn es sich um autonome Tarifermäßigungen handelte. Ich bitte aber im Auge zu behalten, daß es sich hier um einen Ver⸗ trag handelt. Italien hat 5 ,, , in Anspruch genemmen für diejenigen Artikel, die es in erheblichem Maße nach Deutschland einführt. Es wäre ausgeschlossen gewesen zu sagen: für diese Artikel wollen wir die Ermäßigung nicht zugestehen, aber für andere Artikel, wie z. B. Petroleum, oder Schmalz, die Italien nicht exportirt. Es handelte sich um die Frage, ob man das vertragsmäßige Verhältniß mit Italien fortbestehen lassen wollte und dann war Deutschland genöthigt, diese Tarifkonzessionen zu machen oder ob man cbbrechen wollte. Ich glaube, es wird auch Ihrerseits die Antwort zu Gunsten der ersten Alternative ausfallen müssen. .

Was nun die Höhe des Opfers betrifft, so ist schon in der Denkschrift auseinandergesetzt, daß, wenn man die Gesammteinfuhr dieser Artikel nach Deutschland ins Auge faßt, das Oowfer sich auf

höchstens 17 Millionen Mark beziffert. Auch wenn man annimmt,

daß die gesammte Einfuhr nur dem ermäßigten Zollsatz unterliegen werde und das ist im Wesentlichen anzunehmen so glaube ich, kann das Opfer doch diese Höhe im Allgemeinen nicht wohl erreichen. Zunächst möchte ich darauf aufmerksam machen. daß die Zollherab⸗ setzung auf frische Südfrüchte was in der Denkschrift nicht näher erörtert ist in der That nicht so hoch ist, wie sie der Ziffer nach erscheint, also nicht im Verhälmiß von 12: 4, sondern nur ron 10: 4 stebt, aus dem Grunde, weil der jetzige Zollsatz von 12 von dem Nettogewichte der Waare, während der Zollsatz von 4 MS vom Bruttogewicht erhoben wird. Erwägt man dies, so stellt sich nicht das Verhältniß von 12: 4, sondern etwa von 10: 4 heraus. .

Außerdem ist unzweifelhaft anzunehmen, daß, wenn die Zölle so weit herabgesetzt werden, der Konsum und dadurch auch die Ein⸗ fuhr sich erheblich steigern werden. Der Zoll von 12 „, wie er his- her von Südfrüchten erhoben ist, war so hoch, daß man 1879 An- stand nahm, den Zoll zu erhöhen, weil man einsah, daß das finanziell unvortheilbaft sein würde, denn er stellt, wenn man lediglich die Werthe ins Auge faßt, einen Werthzoll von 33 0/0 dar. Es kommt hinzu, daß die Waaren dem Verderben sehr ausgesetzt sind, daß der Zoll in Wirtlichkeit einen höheren Prozentsatz darstellt, als 33 0.

Meine Herren! Es wäre dann zu erwägen, ob das finanzielle Opfer, was Deutschland durch den Vertrag gebracht hat, in dem rich⸗ tigen Verhältnisse steht zu den Vortheilen, welche es sich durch den Vertrag sicherte. Eine solche Erwägung ist außerordentlich schwer und in dem vorliegende Falle besonders schwer, weil auf der einen Seite finanzielle Opfer und auf der andern Seite gewerbliche Vor⸗ theile stehen, und dazwischen giebt es eigentlich ein tertinm com- parationis nicht.

Außerdem läßt sich der Umfang der Handelsbilanz zwischen Italien und Deutschland auch nicht mit annähernder Sicherheit be⸗ messen, besonders deshalb, weil beide Länder nicht aneinander grenzen, sondern durch Zwischenländer getrennt sind, und der Verkehr entweder durch diese Zwischenländer geführt werden muß oder über See und da besonders über die Freihäfen; hier aber geht die Nationalität der Waare verloren, in der Statistik steht sie nur als Einfuhr aus den Freihäfen. Es ist deshalb sehr schwer, darüber ein Bild zu gewinnen, wie sich der Verkehr zwischen Italien und Deutschland stellt, wie umfangreich er ist; in der vorliegenden amtlichen Statistik für 1881 sind die Ziffern angegeben für die Waareneinfuhr nach Italien auf 70,8 Millionen und die Einfuhr von Italien auf 57 Millionen, aber, wie gesagt, es giebt das kein auch nur annähernd richtiges Bild.

Es kommt hinzu, daß im vorigen Jahre eine neue bedeutsame Verkehrsstraße dem Handel erschlossen ist, die Gotthardbahn. Die Wirkungen dieser neuen Handelsstraße haben sich noch nicht voll be⸗ thätigen können, sie sind aber in der Entwickelung begriffen, und man kann mit Bestimmtheit annehmen, daß die Verbindung zu einer großen Bedeutung erwachsen wird. Deshalb ist es für Deutschland sowohl wie für Italien von der größten Wichtigkeit, daß beide Staaten sich auch ferner auf dem Fuße der meistbegünstigten Nationen behandeln.

Wenn man aber prüft und darauf möchte ich noch erhebliches Ge⸗ wicht legen woraus setzt sich die Ausfuhr von Italien nach Deutschland und umgekehrt von Deutschland nach Italien zusammen, so besteht die Ausfuhr von Italien hauptsächlich in Rohprodukten wie Seide, außerdem in Wein, Südfrüchten, Oel ꝛc., und nur zum geringen Theil in Industrieprodukten; dagegen umfaßt die Ausfuhr aus Deutschland nach Italien ganz vorzugsweise Industrieprodukte, Meine Herren, auch dieses Verhältniß bitte ich in Betracht zu ziehen, und ich glaube, wenn Sie dies alles würdigen und abwägen, werden Sie zu der Auffassung kommen, daß das Opfer, was Deutschland finanziell gebracht hat, keinesfalls zu groß ist den Vortheilen gegenüber, welche voraussichtlich für den deutschen Handel aus dem Handelsvertrage mit Italien erwachsen werden.

Was nun die Ausführungen des Hrn. Abg. Sonnemann betrifft, so glaube ich, wird das Haus nicht wünschen, daß ich hier auf die Erörterungen über Lie Prosperität eines einzelnen Industriezweiges eingehe, und ich enthalte mich, hierauf zurückzukommen. Ich möchte mich nur zu der Frage wenden, die der Herr Abgeordnete an den Bundesrathetisch gerichtet hat, ob nämlich bei den Verhandlungen mit Spanien dieses die Frage gestellt habe, ob Hamburg und Bremen nicht ausgeschlossen werden könnten; der Herr Abgeordnete hat selber vorher gesagt, es empfehle sich nicht. während der schwebenden Ver⸗ handlungen über den Stand der Verhandlungen und über einzelne Punkte in eine Diskussion zu treten, gleichwohl stellte er die Frage. Ich glaube, daß Sie nicht verlangen werden, daß ich darauf irgend eine Antwort ertheile, das würde den deutschen Interessen jedenfalls nicht entsprechen.

Ich darf mich dann zu den Auseinandersetzungen des Hrn. Abg. Barth wenden, daß wir früher nur einen einheitlichen Tarif gehabt hätten und in diesen Vertrag gewissermaßen die Einleitung getroffen würde zu einem Konventionaltarif, daß wir also neben einem allge⸗ meinen Tarif, der Allen gegenüber besteht. einen besonderen Tarif erhalten würden, der nur den meistbegünstigten Staaten gegenüber in Anwendung kommt.

Im Jahre 1879 ist allerdings von hier erklärt worden, daß es wünschenswerth wäre, einen einheitlichen Tarif zu haben, und daß deshalb §. 6 des Zolltarifgesetzes uns die Möglichkeit sichern müsse, Abwehrmaßregeln zu ergreifen. Inzwischen hat sich aber der Zustand sehr wesentlich verändert; fast alle größeren Länder, die um Deutschland liegen, haben einen Konventioncl⸗ und Generaltarif, und ich glaube, Sie werden nicht verkennen können, es ist das eine Einrichtung, die außerordentlich vortheilhasft ist bei Verhandlungen über Handelsvertaäge. Inwieweit dieser Umstand zu der Erwägung führen wird. ob wir auch einen ausführlichen General⸗ und Konventionaltarif einzuführen haben, das. will ich ganz dahingestellt sein lassen, aber ich glaube, die Erfahrun- gen, die vorliegen, fordern nicht dazu auf, daß inan flugs dazu über⸗ gehe, wie das früher geschehen ist, nun diese Begünstigungen, die den einzelnen Staaten zugestanden sind, zu generalisiren für alle Staaten.

Dann, meine Herren, spielt in dieser Frage doch auch mit die Rücksicht auf Spanien und auf die mit diesem Lande schwebenden Vertragsverhandlungen. Die Artikel, die jetzt im Zoll ermäßigt sind, gehen vorzugsweise ein von Italien, Spanien und vielleicht noch von einigen anderen meistbegünstigten Staaten; auf Griechenland komme ich nachher noch besonders. Wenn es gelingt, mit Spanien einen Vertrag zu Stande zu bringen, dann wird allerdings die Frage aufgeworfen werden können, ob man Ursprungsatteste for= dern soll, oder ob man von solchen absehen kann. Wenn aber der Vertrag mit Spanien nicht zu Stande kommt, so wird es vollends ausgeschlossen sein, daß man diese Begünstigungen generalisirt und damit auch auf Spanien ausdehnt.

Was nun Griechenland anbetrifft, so ist unser handelspolitisches Verhältniß zu Griechenland allerdings kein völlig klares. Ein Ver— trag zwischen dem Zollverein oder dem Deutschen Reiche und Griechen⸗ land existirt nicht; aber es besteht ein älterer Meistbegünstigungs⸗ vertrag zwischen Preußen und Griechenland. und zu diesem Vertrage ist von Griechenland zugesagt, daß es diese Meistbegünstigung auch auf das übrige zollgeeinte Teutschland anwen den würde. Dieser Zustand besteht noch jetzt, und thatsächlich ist die Frage, ob wir etwa Griechen—