1883 / 144 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 22 Jun 1883 18:00:01 GMT) scan diff

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lebe, sondern Frieden zwischen Staat und Kirche, nur auf dem richtigen Wege, wünsche, müsse gegen den Art. 1“ stimmen, da derselbe nicht zum Wohle des Staates beitragen könne. Der Artikel befreie eine große Anzahl von Geistlichen von der Anzeigepflicht, und zwar ziehe derselbe keine feste Grenze. Die Begriffe „Stell⸗ vertretung“ und „Hülfsgeistliche“ seien zu unbestimmt. Damit werde die Kirche gewissermaßen dazu aufgefordert, sich durch Anstellung von Hülfsgeistlichen u. s. w. der Anzeigepflicht möglichst zu entziehen. Einem Artikel der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ zufolge werde zwar die Kirche das nicht thun, weil es gegen ihr eigenes Interesse wäre. Das stehe aber mit den Erfahrungen der letzten Jahre in direktem Widerspruch. Seit Jahrzehnten zeige sich in vielen Diözesen das Bestreben, die feste Anstellung von Geistlichen möglichst zu vermeiden. Dies Bestreben, die Seelsorge thatsächlich mehr und mehr in eine Missions⸗ seelsorge zu verwandeln und die untere Geistlichkeit in eine immer stärkere Abhängiglteit zu bringen, widerspräche dem Interesse des Staates. Den Gedanken eines selbständigen Vorgehens Seitens des Staates billige seine Partei; aber der Weg, den die Regierung hier einschlage, sei ein falscher, und seine Partei könne der Regierung auf demselben nicht folgen. Sie werde gegen Art. 1 und gegen das ganze Gesetz stimmen. .

Der Abg. Dr. Reichensperger (Olpe) führte aus, daß die Kommissionsbeschlüsse über den engen Rahmen der Re— gierungsvorlage nicht hinausgegangen seien und auch nicht Dauerndes geschaffen hätten. An der Annahme der Beschlüsse der Kommission sei wohl nicht zu zweifeln. Man müsse aber dem Lande zeigen, wie gerechtfertigt die hier gebotene Abschlagszahlung, dieser Anfang der Verbesserung der Maigesetze sei. Der Staat könne auf seinem souveränen Boden das Verhältniß zur Kirche nur wirksam ordnen, wenn die Grenzen zwischen Staat und Kirche richtig gezogen wären, sonst bedürfe derselbe der Mitwirkung des Römischen Stuhles. Der Abg. von Cuny verstehe unter Beendigung des Kulturkampfs einfach die Unter⸗ werfung der Kurie unter den Staat. Er erwarte, daß die national⸗ liberale Partei wieder einmal das Prinziv der wahren Frei— heit auch der Kirche gegenüber aufstellen werde, wie sie das früher gethan, im Gegensoatz zu den jetzigen schwachen, aber übermüthigen Epigonen. Wenn der Gesetzentwurf eine wirk— liche Bedeutung erlangen solle, müßte der Minister von seinen diskretionären Vollmachten bezüglich der Wieder— aufnahme der Staatsleistungen ausgedehnteren Ge—⸗ brauch machen. Der einzige Weg, um die Falck— schen Machenschaften auf einmal zu beseitigen, wäre die Wiederherstellung der gestrichenen Verfassungs— artikel, die das liberale Deutschland in Frankfurt und das liberale Preußen hier in Berlin festgesetzt habe, die aber von den Nachkommen beseitigt worden seien. Redner ging sodann auf eine Vergleichung der österreichischen Kirchengesetzgebung mit der preußischen ein.

ö Bei Schluß des Blattes erhielt der Abg. Dr. Virchow das ort.

In Betreff der zollfreien Wiedereinfuhr der— jenigen Gegenstände, welche aus dem freien Verkehr des deutschen Zollgebiets zu der im Juli d. J. in Hamburg stattfindenden internationalen landwirthschaftlichen Thierausstellung gelangen, hat der Bundesrath in seiner Sitzung vom 7. d. Mts. nachfolgende Bestimmungen beschlossen:

J. Die Gegenstände aus dem freien Verkehr des deutschen Zollgebiets, welche mittelst der Eisenbahn, der Post oder zu Wasser zur Ausstellung nach Hamburg gelangen, sind, sofern auf den Wunsch des Ausstellers ihre zollamtliche Abfertigung nicht bei dem Hauptamte des Versendungsortes nach Maßgabe der dieserhalb bestehenden Bestimmungen bereits stattgefunden hat, in Hamburg, Altona oder Ottensen, bevor sie aus dem Ge— wahrsam der Eisenbahn- oder der Postverwaltung oder des Schiffsführers gelangen, der betreffenden Zollabfertigungsstelle vorzuführen und bei derselben, soweit gleichartige ausländische Gegenstände einer Eingangsabgabe unterliegen, behufs des späteren zollfreien Wiedereingangs schriftlich anzumelden.

II. Die angemeldeten Gegenstände werden speziell revi— dirt, um behufs Festhaltung der Identität, Gattung und Menge bezw. Stückzahl nach den Maßstäben des Zolltarifs festzustellen. Der Revisionsbefund wird möglichst unter An— führung der besonderen Beschaffenheit und etwaigen Kenn— zeichen, in der Deklaration vermerkt.

III. Zur zollfreien Wiedereinfuhr der Ausstel⸗ lungsgegenstände wird eine Frist von drei Monaten, zu deren Verlängerung der Provinzial -Steuerdirek⸗ tor zu Altona befugt ist, unter der Bedingung gewährt, daß die zur Ausstellung gebrachten Gegenstände der⸗ jenigen Zollstelle zur Wiedereingangsabfertigung vorgeführt werden, welche die Ausgangsabfertigung bewirkt hat.

IV. Bei der Abfertigung zum Wiedereingange der ausge— stellten Gegenstände in das deutsche Zollgebiet richtet sich die amtliche Ermittelung darauf, daß keine anderen Thiere ꝛc., als die ausgeführten, zurückgebracht werben. Bestehen in dieser Beziehung keine Zweifel, so werden die Thiere ꝛc. unter Berücksichtigung der Bestimmungen über die in den freien Verkehr zu setzenden Waaren zollfrei abgelassen.

V. Dem Dirigenten des Kaiserlichen Hauptzollamtes zu Hamburg und den von ihm mit Legitimationskarten zu ver— sehenden Beamten ist für die Zeit vom Eintreffen der Aus— stellungsgegenstände bis zum erfolgten Rücktransporte der— selben der freie Zutritt zu allen Lokalen, in denen Gegen⸗— stände ausgestellt sind, behufs der Zollkontrole zu gestatten; ebenso ist diesen Beamten auf Erfordern Einsicht in die Bücher und Korrespondenzen des Ausstellungskomités zu ge⸗ währen und ihnen jede durch das Zollinteresse gebotene Aus—⸗ kunft von dem Komité zu ertheilen.

VI. Rücksichtlich der weder mit der Post oder Eisenbahn, noch zu Wasser nach Hamburg gelangenden, zur zollfreien Wiedereinfuhr in das deutsche Zollgebiet bestimmten Gegen— stände bewendet es bei den bestehenden Bestimmungen.

Die Zurücknahme der erhobenen Privatklage wegen eines Antragsvergehens, bei welchem gesetzlich die Zurücknahme des Strafantrages unzulässig ist, hindert, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, 11. Strafsenats, vom 20. April d. J., nicht den Staatsanwalt, von Amts wegen die Strafverfolgung des gedachten Vergehens eintreten zu lassen.

Der Bevollmächtigt; zum Bundesrath, Fürstlich schwarzburgische Staats-Minister Dr. von Bertrab ist nach Rudolstadt abgereist.

Wies baden, 22. Juni. (W. T. B.) Se. Majestät der König von Dänemark hat heute Vormittag 106 Uhr 36 Minuten die Rückreise angetreten. Der König stattet zunächst Ihrer Majestät der Kaiserin in Coblenz und dann Sr. Majestät dem Kaiser in Ems einen Besuch ab.

Neuwied, 21. Juni. (W. T. B.) Se. Königliche Hoheit der Kronprinz von Schweden ist heute Vor⸗ mittag zum Besuche der Fürstlichen Familie hier eingetroffen. Die Abreise Ihrer Majestät der Königin von Rumänien wird vorauesichtlich Anfangs Juli erfolgen.

Bayern. München, 21. Juni. Wie die „Allg. Ztg.“ meldet, hat der König mittelst Allerhöchsten Hand⸗ schreibens den Prinzen Luitpold in Seiner Stell⸗ vertretung mit der feierlichen Eröffnung der internationalen Kunstausstellung betraut.

Sachsen. Dresden, 22. Juni. (W. T. B.) Der König und Prinz Georg besuchten gestern Nachmittag das Schießfest des mitteldeutschen Schützenbundes. Der König gab mehrere Schüsse auf eine Standscheibe ab und sprach dem Vorstande des Bundes seine Freude über den gün— stigen Verlauf des Festes aus.

Sachsen⸗ Coburg Gotha. Gotha, 21. Juni. Die „Gothaische Zeitung“ veröffentlicht in ihrer heutigen Nummer u. a. folgende Ernennungen: des Staatsraths Gustav Mönich unter Entbindung von der Leitung des Departe— ments II. zum Chef des vierten Departements; des bisherigen Königlich vreußischen Landraths Robert Oscar Freiherrn von Ketelhodt unter Verleihung des Dienstprädikats Geheimer Staatsrath zum Chef des zweiten Departements, und des Geheimen Regierungs Raths Otto Gebhardt in Coburg mit dem Dienstprädikat Staatsrath zum Chef des dritten Departements der hiesigen Abtheilung des Herzoglichen Staats-Ministeriums. Ferner sind ernannt der Geheime Regierungs⸗Rath Edmund Anacker zu Gotha zum Mitglied des Gesammt-Ministeriums und der Regierungs⸗Assessor Louis Baudler zu Coburg zum vortragenden Rath im Herzog—⸗ ,. Staats-Ministerium mit dem Dienstprädikat Regierungs—

ath.

Oesterreich⸗ Ungarn. Wien, 21. Zuni. (W. T. B.) Der „Polit. Corresp.“ wird aus Innsbruck gemeldet, daß der dortige Gerichtshof sich zu Gunsten der Umwandlung der über Sabadini verhängten Todesstrafe in eine Frei⸗ heitsstrafe ausgesprochen habe. Eine Kaiserliche Entschei— dung in diesem Sinne sei mit Bestimmtheit zu erwarten.

Trie st, 21. Juni. (W. T. B.) Der deutsche General⸗ Konsul Lutteroth feierte heute sein 50 jähriges Amts— jubiläum als Konsul von Triest. Alle Konsuln und zahl— reiche Freunde beglückwünschten den Jubilar. Die hier liegen— den deutschen Handelsschiffe waren in Flaggengala.

Großbritannien und Irland. London, 20. Juni. (Allg. Corr) Die Ernennung eines Ministers für schottische Angelegenheiten ist der Schwierigkeiten wegen, welche mit deren Durchführung verknüpft sind, auf einen spätern Zeitpunkt verschoben worden.

Der Parlamentsausschuß zur Prüfung des Kanaltunnel-Projekts wird die Vernehmung von Sach— verständigen im Laufe dieser Tage vollenden und dann, wahrscheinlich während der nächsten Woche, seinen Bericht er⸗ statten. Welche Anschauung auch immer der Ausschuß ver— treten wird, so ist doch keine Aussicht mehr vorhanden, daß bie den Bau des Tunnels betreffenden Vorlagen noch im Laufe dieser Session das Parlament passiren.

Großes Aufsehen erregt der Austritt des Hrn. Goeschen, Lord Ampthills und mehrerer anderer Herren aus dem Cobdenklub, der demnächst unter dem Vorsitz des Han— delsamts-Präsidenten Mr Chamberlain seine Jahresfeier ab— halten wird. Als Ursache dieser Secessionen gilt die Aufnahme Cléemenceau's, die als ein Anzeichen der in den Verein eindringenden sozialistischen Tendenzen hetrachtet wird und wahrscheinlich einen Massenaustritt der gemäßigten Liberalen zur Folge haben dürfte.

Der Vizekönig, Earl Spencer, wurde auch in Belfast außerordentlich festlich empfangen. Als er am Abend zum Theater fuhr, wurden die Pferde scheu und durch- brachen die Reihen der Spalier bildenden Miliz, wobei mehrere Mann leicht und ein Kanonier schwer verletzt wurden. Earl und Lady Spencer setzten hierauf den Weg zum Theater zu ö. fort und wurden überall mit lebhaften Hochrufen be— grüßt.

21. Juni. (W. T. B.) Im Unterhause erklärte heute der Unter-Staatssekretär, Lord Fitzmaurice: ehe man keine vollständige Information über das jüngste Vorgehen der Fran⸗ zosen auf Madagaskar habe, sei es unmöglich zu ent— . ob Vorstellungen nothwendig oder wünschenswerth eien.

Frankreich. Paris, 21. Juni. (W. T. B.) Die „Agence Havas“ bezeichnet die Nachricht, daß die fran— zösische Regierung die madagassische Gesandtschaft eingeladen hätte, nach Paris zurückzukammen, als unrichtig. Nach den letzten Ereignissen in Madagascar könne eine zweck— , b. Unterhandlung nur in Madagaccar selbst geführt werden.

Die Deputirienkammer hat den Gesetzentwurf, be— treffend Einführung der Festungs-Artillerie, an— genommen.

Der Minister⸗Präsident Ferry empfing heute Nachmittag den Gesandten Chinas, Marquis Tseng. Die mada⸗ gassische Sesandtschaft hat bei Hrn. Ferry um eine . nachgesucht, bis jetzt aber noch keine Antwort erhalten.

Die Zeitungen melden: aus den letzten Depeschen ron Madagascar gehe hervor, daß die Königin Ranavolo bereits seit sechs Monaten todt sei, daß aber die Militärpartei dieses Ereigniß verschwiegen habe.

Vor dem Schwurgerichtshof des Seine⸗Departements kam heute der Prozeß gegen Louise Michel zur Ver— handlung. Dieselbe gestand ein, s. 3. an dem Straßentumult in Paris theilgenommen und eine schwarze Fahne getragen zu haben, leugnete aber, zur Plünderung der Bäckerläden auf— gereizt zu haben, und sagte: sie habe in der Armee nur Pro⸗ paganda für die sozialistische Sache getrieben, um die orleani⸗ stische Propaganda zu verhindern. Die übrigen Zeugen brachien i, Neues vor. Der Prozeß wird voraussichtlich drei Tage

auern.

22. Juni. (W. T. B.) Bezüglich der gestern zwischen dem Minister⸗Präsidenten Jules Ferry und dem chine⸗ sischen Gesandten Marquis Tseng stattgefundenen Unterredung berichtet der „Gaulois“: Marquis Tseng habe dem Wunsche Ausdruck gegeben, es möchte eine Grund⸗ lage geschaffen werden, auf welcher eine Ausgleichung der Ansprüche Chinas und Frankreichs stattfinden könnte. Weitere Unterredungen sollen solgen.

Italien. Rom, 21. Juni. (W. T. B.) Der „Mo⸗ niteunr de Rome“ veröffentlicht das Resum é eines von dem Papste an den Präsidenten GSrévy gerichteten Schreibens, welches nach der Angabe des „Moniteur“ sehr umfangreich sein und eine wohlwollende aver feste Sprache führen soll. Der Papst setzt darin die mißliche Lage auseinander, welche der Kirche in Frankreich durch die gegen die Ordens⸗ geistlichen in den letzten Jahren befolgte Politik bereitet worden sei, erinnert an die hauptsächlichsten Phasen seit der Ausführung der Dekrete gegen die Klöster bis auf die neuesten Maßnahmen gegen die weltliche Geistlichkeit und spricht von den gegen⸗ wärtig in der Ausarbeitung begriffenen Gesetzen gegen die Kirche. Der Papst drückt schließlich die Hoffnung aus, daß die von der Regierung zu wiederholten Malen gegebenen fried⸗ lichen Versicherungen wirklich Bedeutung haben und daß man einen schmerzlichen Konflikt verhüten werde, der für Staat und Kirche gleich verderblich wäre, und bittet schließlich den Präsidenten, seinen hohen Einfluß in diesem Sinne zur Gel— tung zu bringen.

Griechenland. Athen, 19. Juni. (Pr.) In Larissa ist die griechisch türkische Wakuf-Kommission zusammen— getreten. Die mahomedanische Emigration aus Thessalien hält an.

Türkei. Konstantinopel, 19. Juni. (Pr.) Ruß⸗ land hat die Unterhandlungen wegen Abschlusses eines neuen Handelsvertrages durch den Delegirten Teremesijeff be⸗ gonnen. Der armenische Patriarch Narses hat aus Gesundheitsrücksichten seine Demission gegeben. Bei Kar— lowo an der ost-rumelischen Grenze hat sich eine Räuberbande von 30 Mann gebildet, welche den türkischen Truppen mit Erfolg widersteht.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 22. Juni. (W. T. B.) Der „Regierungs Anzeiger“ veröffentlicht die Ernennung des Botschafts-Raths, Geheimen Raths von Arapoff zum Gesandten in Portugal.

Auf Allerhöchsten Befehl wird im Odessaer Militär⸗ bezirk eine fünfte Sapeurbrigade formirt, bestehend aus drei Sapeur⸗Bataillonen, einem Pontonier-Bataillon, drei Feld⸗Telegraphenparks und einem Feld-Ingenieurpark; außer— dem werden die acht Feld⸗Telegraphenparks der ersten vier Sapeur-Brigaden zu zwölf Parks umgeschaffen.

Schweden und Norwegen. Christiania, 17. Juni. (Hamb. Nachr. Die Reichsgerichtssache gegen den Staats-Minister Selmer soll am 7. August zur Verhandlung kommen.

Amerika. New-York, 19. Juni. (Allg. Corr.) Eine Depesche aus Mexiko meldet, daß Sennor Mariscal., welcher Namens der mexikamschen Regierung die Erneue⸗ rung der diplomatischen Beziehungen zwischen England und Mexiko anbahnen soll, über New⸗HYork nach England abgesegelt ist.

Der Kapitän eines von Port Antonio in Philadelphia angekommenen Dampfers meldet, daß die haytischen Re— girrungstruppen Miragoane vom Meere aus an⸗— griffen, aber mit dem Verlust von zwei Schiffen und vielen Mannschaften zurückgeschlagen worden seien. Die Rebellen hätten Jacine eingenommen und wären im Besitz von fast der ganzen Westküste.

Das am Mississippi und Missouri eingetretene Hochwasser verursacht große Befürchtungen. Der Mississippi steht 5 Zoll über der Gefahrlinie und ist in St. Louis noch immer⸗ fort im Steigen. Das ganze Tiefland entlang dem Missouri ist überschwemmt und der Eisenbahnverkehr gänzlich unter— brochen. Kansas City ist durch die Fluthen vom Verkehr ab— geschnitten, und zwei Personen sind gestern dort, und sieben andere in Seneca, Kansas, ertrunken. In Smartsville (Kalifornien) platzte ein Wasserreserroir; das Wasser im Yuba⸗Flusse stieg in Folge dessen in der Thalenge um 100 Faß, riß alle Brücken weg und begrub viele Menschen in den Fluthen. Die Uferversicherungs-Kon— vention in Louisiana, die gestern in Baton Rouge zusammentrat, wird als die einflußreichste Versammlung ge— schildert, die seit vielen Jahren tagte. Der Zweck der Be— rathungen ist, sich über ein gemeinschaftliches Vorgehen zu einigen, um durch Uferverdämmungen die Ländereien am Mississippi vor Ueberschwemmungen zu sichern. Zur Geschäfts⸗ berathung wurde ein Ausschuß von 50 Mitgliedern erwählt.

Seitungsstimmen.

Die „Deutsche landwirthschaftliche Presse“ schreibt:

Der Reichstag ist geschlossen, nachdem er sein Pensum schließlich ohne jeden Widerstand, wenigstens was das Budget angeht, erledigt hatte. Man kann nicht umhin, in dem raschen und von allen, nicht streng zur Sache gehörigen Zwischenfällen möglichst freien Ver lauf dieser Etatsberathung ein günstiges Vorzeichen für zwei— jührige Etatsperioden zu erblicken. Alle Ausführungen darüber, daß sich so viele Monate vor dem neuen Etatsjahre die Sach lage noch nicht genügend übersehen lasse, werden dadurch hin⸗ fällig, daß der Etat überhaupt von den Zufälligkeiten eines Jahres unabhängig sein sollte und daß seine Berechnungen deshalb auf lange Durchschnitte, die durch das laufende Jahr nicht alterirt werden können, gegründet sein sollten. Thatsächlich giebt es ja auch Staaten genug, die den Etat stets mindestens ebenso früh berathen, wie dies bei uns jetzt ausnahmsweise einmal geschehen ist. Jetzt ist die Herbst⸗ session frei für das Unfallgesetz Die Sache ist auch so schwierig und so wichtig, daß sie nicht überstürzt werden darf. Inzwischen kann das glücklich fertig gestellte Kranken— kassengesetz in Funktion treten und an die hierfür nöthig werdenden Organisationen sich das weiter zum Aufbau un— serer soziglen Gesetzgebung nothwendig Werdende anschließen. Sehr zu bedauern bleibt es, daß die Mehrzahl der liberalen Mit⸗ glieder des Reichstages sich immer noch nicht entschließen kann, ganz und voll für die Gedanken dieser sozialpolitischen Gesetzgebung ein⸗ zutreten und z. B. immer noch krampfhaft an der Nichtausschließung der privaten Versicherungegesellschaften auf diesem Gebiete festhält. Wirft man einen Rückblick auf die Gesammterfolge dieser ungewöhn— lich langen Reichstagssession, so muß man gestehen, daß trotz aller Zerfahrenheit der Parteien und Verhältnisse doch schließlich die Re⸗ sultate zufriedenstellender sind, als man erwarten konnte. Es zeigt

sich, daß gerade auf dem sozialen Gebiete doch die Strömung zu Gunsten der Regierungsvorlagen eine so tiefgehende ist, daß selbst die oppositionellsten Parteien sich der Einwirkung dieses Druckes nicht ganz entziehen können. :

Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ be⸗ spricht den Jahresbericht der Handelskammer zu Kiel. In dem betreffenden Artikel heißt es:

Die Handelskammer zu Kiel bekennt sich heute noch mit voller i mmm zu freihändlerischen Grundsätzen; sie sagt klar und deutlich:

Was die gegenwärtige Zoll! und Handelspolitik Deutschlands anlangt, so steht die Handelskammer nach wie vor auf ihrem früheren Standpunkte und muß diese Politik als für die von ihr vertretenen Interessen vielfach nachtheilig wirkend ansehen

Nun hat sich bekanntlich die freihändlerische Agitation nicht allein die Aufgabe gemacht, das Prinzip einer nationalen Wirthschaftspolitik zu bestreiten, sondern sie fühlt sich verpflichtet, jede Maßnahme der bandelspolitischen Regierungsinstanzen zu bekämpfen, überall „‚Ab— sichten witternd, die auf ‚Einmischung“ in die freie Entfaltung der wirthschaftlichen Thätigkeit hinauslaufen. Besonders markant war diese Tendenz des Streitens bis ins Kleinste bei Gelegenheit jenes handelsministeriellen Erlasses vom 30. November 1881, welcher Durchführung der Oeffentlichkeit der Handelskammersitzungen, Ein— reichung der Jahresberichte vor ihrer Veröffentlichung ꝛc. ꝛc. an— ordnete. ... .

Irren wir nicht, so befand sich anfänglich auch die Kieler Handelt⸗ kammer unter den protestirenden; heute jedoch schreibt die unumwun— den sich zum Freihandel bekennende Handelskammer:

Eine unbefangene Auffassung wird gestehen, daß die Bedeutung der Handelskammern in Folge des gedachten Erlasses in der That 6 zurückgegangen, sondern im Gegentheil eher erhöht wor— dene

Während das echte Freihandelsthum es perhorreszirt, daß der Staat sich überhaupt nur um wirthschaftliche Dinge kümmere, neue Absatzwege anzubahnen suche ꝛc., und höchstens gestatten will, daß, wenn ein deutscher Kaufmann in überseeischen Ländern einmal ver— gewaltigt worden ist, ein Kanonenboot zur Eintreibung seiner Forderungen beordert werde; während im Innern Handel und Verkehr gänzlich unbeeinflußt ihre individuellen Wege gehen sollen. freut sich die Kieler Handelskammer des lebhaften Verkehrs der handels— politischen Staatsbehörden mit den Handelskammern; sie fühlt wohl, daß die Anregungen und Mahnungen der Centralstelle doch für vie Gesammtheit und den Einzelnen höchst ersprießliche Folgen haben können. Die unentwegt sich als freihändlerisch deklarirende Handels kammer sagt:

Dennoch begrüßt sie die Thatsache, wie die Reichsregierung die Anstrengungen des Handels zu Gunsten einer Erweiterung des Ab— satzes industrieller und landwirthschaftlicher Produkte Deutschlands im Auslande unterstützt. Besonders erfreulich ist es, daß die aus— wärtigen Vertreter des Veutschen Reichs in so hervorragendem Maße in den Dienst des deutschen Handels und der deutschen Industrie gestellt werden. Hoffentlich wird die Negierung dem auch fernerhin unausgesetzt die größte Aufmerksamkeit zuwenden. Unsere Konsulate lönnen und müssen eben ganz und ausschließlich zu wirthschaftlichen Beobachtungsstationen, die sich über den gesammten Erdkreis erstrecken, erhoben werden. Gerade deshalb, weil Deutschland nicht, wie Staaten und Reiche mit Kolonialbesitzungen, politische Zwecke in der Ferne zu verfolgen hat, darf es sich dort den ökonomischen Aufgaben um so energischer widmen.

Klingt das noch nach manchesterlicher Phrase von der freiesten Entfaltung des wirthschaftlichen Individuum?

Und endlich, last not least, was hat man Alles zu hören be— kommen über die Verderblichkeit der Vereinigung des handelspolitischen preußischen Portefeuilles mit dem des auswärtigen des Deutschen Reiches. . . . Und wie äußert sich die Handelskammer in Kiel? Sie sagt: ;

Von der Verbindung des Königlichen Ministeriums für Handel und Gewerbe in einer Hand mit der Leitung der Auswärtigen An— gelegenheiten Preußens und Deutschlands versprechen wir uns auf die Dauer für unser Wirthschaftsleben gedeihliche Früchte. Eine solche Verbindung wird am klarsten den innigen ökonomischen Zu— sammenhang von Land zu Land und von Welttheil zu Welttheil er— kennen lassen und das herbeiführen helfen, was für unser Vaterland wie jedes Nachbarland förderlich, ja unenthehrlich ist: ein lebendiger, jedoch immerhin friedlicher Austausch der Erzeugnisse der Arbeit zwischen allen Kulturstaaten, nicht aber gegenseitige Absperrung und Bekämpfung auf dem Wege der Zollpoliük.

Die letztere reservatio wird man dem noch „behaupteten“ frei⸗ händle rischen Standpunkte wohl zu Gute halten dürfen; wo sind denn aber alle die Gefahren geblieben, von denen man von anderer Seite so fleißig zu erzählen wußte.

Wenn nun noch den thatsächlichen Mittheilungen der Handels— kammer entnommen wird, daß Kiel sich immer mehr als Haupt— rerkehrspunkt Deutschlandd mit dem Norden entwickele der Dampfschiffsverkehr stieg um 27, derjenige mit deutschen Häfen um 74 00, dagegen ging, wie überall, die Segelschiffahrt um etwa 15069 zurück —, daß das finanzielle Erträgniß der immer mehr zum Dampfbetriebe übergehenden Rhederei ein durchweg günstiges sei, daß die eine große Werft in Kiel sich höchster Prosperität erfreue dieselbe beschäftigte Ende dieses Jahres 1128 Köpfe gegen 747 im Anfange desselben, die andere Werft hatte weniger günstige Ergebnisse, sie ging im Laufe des Jahres in anderen Besitz über und wird von der neuen Leitung ein Aufschwung er— hofft —, daß das Koloniglwaarengeschäft sich für die Detailisten recht befriedigend entwickelt habe, daß die Manufakturwaarenbranche u. A. in Folge der besseren Ernte und des Verschwindens der Wanderlager sich erhole, das Fischversandtgeschäft sich fortdauernd erheblich ver— größere, die Maschinenfabriken, Baugeschäfte und Ziegeleien flotten Geschäftsgang und durchweg lohnende Thätigkeit zu verzeichnen hatten, daß im Kleingewerbe sich eine Besserung vollzogen habe, die wesent⸗ lich mit dem inneren Ausbau der gewerblichen Organisation durch die freien Innungen zusammenhängt“ u. s. w. u. s. w., was verschlägt es dann wohl so groß, daß das Getreidegeschäft klage, weil die Zufuhren aus Dänemark ausgehlieben seien?

Wenn der Bericht dann am Schlusse sagt:

Es ist noch gar nicht sehr lange Zeit verflossen, seitdem die Stadt Kiel sich zu einem industriell und kommerziell hervor ragenderen Platze emporgeschwungen hat. Ihre wirthschaftlichen Kräfte waren und blieben unterbunden, so lange die dänische Herr— schaft über Schleswig⸗Holstein wäbrte. Das Verhältniß jedoch änderte sich mit einem Schlage durch den Anschluß der Nordmark an das deutsche Vaterland. Da war der Bann gebrochen, der nicht nur auf dem poli— tischen, sondern auch, und nicht minder schwer, auf dem ökonomischen Leben dieses Ortes gelastet hatte. Ein neuer Unter— nehmungsgeist zog in die Kreise der ansässigen Bevölkerung ein, der sehr bald und immer aus Neue von außen her frische Stärkung erhielt. Es muß ganz besonders der Fürsorge durch Staat und Reich gedacht werden, die Kiel aus militärischen Rücksichten zugewandt wurde. Gewiß hat diese Fürsorge in erheblichem Maße das Auf— blühen der Stadt und deren Umgegend befördert. Wer wollte und könnte das verkennen! Aber ebenso zweifellos ist doch, daß zuerst und zuletzt die daneben hergehende private Thätigkeit den eigentlichen Hebel der Fortschritte in Handel und Wandel gebildet hat.

dann wird man billigerweise anerkennen müssen, daß unseretwegen der „freihändlerischen⸗ Handelskammer Kiel zu Liebe trotz. der nationalen Wirthschaftspolitik Handel und Gewerbe sich in Kiel

und Umgegend gar nicht so schlecht befunden haben, wie man an

nehmen sollte, wenn man das Halloh liest, welches die Freihandels⸗ organe anschlagen unter alleiniger Citirung des oben zuerst angeführten Urtheils der Handelskammer.

Das Fazit ist: die unumwunden freihändlerische Handelskammer wahrt ihren prinzipiellen Standpunkt, sie erkennt aber Maßregeln und Dinge als heilsame und günstige an, die das prinzipielle Frei⸗

handelsthum verdammen muß. und die Thatsachen konstatiren fort- dauerndes Aufblühen des Kieler Platzes. Selbst der prinzipielle Ver⸗ treter antimanchesterlicher Politik wird mit diesem Fazit nicht unzu⸗ frieden sein wollen.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

56. Ausstellung der Königlichen Akademie der Künste. III. Die Klage über die Vernachlässigung der Geschichts— malerei und die Abwendung der Kunst von den großen, idealen Stoffen überhaupt wiederholt sich bei jeder Ausstellung schon seit Jahren mit Regelmäßigkeit. Auch der diesjährigen ist dieser Vorwurf nicht erspart geblieben, obgleich gerade heuer nicht mit rechtem Grunde. Denn man darf nicht vergessen, daß eine Reihe der besten Namen aus unserer Künstlerschaft gegenwärtig mit Aufträgen monumentalen Charakters für Staat und Städte vollauf beschäftigt ist und sich daher nur mit Gelegenheitsarbeiten, zum Theil gar nicht ihres Fachs, betheiligen konnte. Unter diesen Umständen mag man deshalb auch die Ehre, das räumlich und dem großen historischen Vor⸗ wurf nach hedeutendste Gemälde der diesjährigen Ausstellung ge— liefert zu haben, ohne Neid einem Ausländer überlassen. Vacslav Brozik (I. Z. in Paris) bekundet mit seinem Kolossalbilde: „Die Verurtheilung des Huß durch das Konzil zu Konstanz im Jahre 1415.“ gegen das, als Geschenk stets nur mit milden Augen angesehene, zwar brillant gemalte, aber recht äußerlich aufcefaßte Kostümbild in der Nationalgalerie, einen entschiedenen Fortschritt zu ernsterer Ver— tiefung und Charakterisirung. Letzteres gilt namentlich von den in allen Nüancen des Ausdrucks böchst mannigfaltig, vom stillen Einver— ständniß bis zum fanatischsten Haß (gegen den mehr ascetisch resignir— ten als gottbegeisterten Verurtheilten) mit packender Lehenswahrheit behandelten Köpfen der Geistlichen, während die bewegungslose und apathische Erscheinung des steif in seinem Thronsessel sitzenden Deut- schen Kaisers Sigismund einen absichtlichen Gegensatz dazu nicht verken— nen läßt, für den es, von dem subjektiven Standpunkt nationaler Vor— eingenommenheit des Malers auch nicht an einer naheliegenden Er— klärung fehlen dürfte. Dem Ganzen gebricht es übrigens, von der durchweg düsteren Farbe abgesehen, an Einheitlichkeit, und der Kom position an jener Vornehmheit der älteren guten Ueberlieferung, die die einzelnen Effekte stets der Gesammtwirkung unterordnete. Diesen Anforderungen genügt in weit höherem Maße ein Bild, das man überhaupt an erster Stelle zu nennen haben würde, wenn der darauf dargestellte Vorgang strenger historisch wäre, nämlich Hugo Vogels (Düsseldorf) Luther, der in der Kapelle der Wartburg vor dem Landgrafen und dessen Familie aus seiner Bibelübersetzung pre—⸗ digt. Hier vereinigen sich geschlossene und doch zwangslose Grup— pirung mit Treue in der keéstümlichen Erscheinung und liebevoller Individualisirung der einzelnen Andächtigen, während die imponirende Gestalt des Reformators den bindenden Mittelpunkt bildet. Die Figuren sind vortrefflich gezeichnet und das Interieur, die Kostüme und alles Beiwerk mit jener Sorgfalt und Tüchtigkeit gemalt, welche das unveräußerliche Erbtheil der Düsseldorfer Schule bildet. Das Ham— burger Museum hat sich den Eiwerb des schönen Werks nicht entgehen lassen. Die nicht minder tüchtigen Eigenschaften der Münchener Schule, die aber doch mehr nach der spezifisch malerischen Seite gravitirt und ihren Jüngern denn auch häufig eine Vorliebe für das Theatralische einimpft, zeigt ein Bild von dem Schweden Hellqvist (zur Zeit in Paris), welcher ebenfalls den Reformator, und zwar seine Ankunft auf der Wartburg, als Stoff wählte, ihn aber in allzu gesuchter Pose mit der Bibel in der Hand darstellte. Damit ist die Auswahl der bemerkenswertheren Bilder aus dem Gebiete der Geschichtsmalerei bereits erschöpft, denn Alexander Litowtschenko (St. Petersburg) bietet unter dem historischen Titel vorwande: „Horsey, der Gesandte der Königin Elisabeth von Eng— land, betrachtet im Palaste Iwans des Grausamen die Schätze und Kostbarkeiten des Ostens“ nur eine brillant gemalte Sammlung von Kostümen und Kostbarkeiten in gegeneinandertönenden Farben und von sehr unruhiger Gesammtwirkung. Auch die Schlachtenmalerei ist nur durch ein Werk vertreten, nämlich das im Auftrage der Hansestadt Bremen gemalte Bild von Hünten: Die Bremer in der Schlacht bei Loigny“, das uns wieder vollauf Anlaß giebt, die Ge— wissenhaftigkeit und Geschicklichkeit des in seinem Fach unübertroffenen Künstlers zu bewundern. Exrnest Slingeneyers (Brüssel) „Schiffbruch des Camoens“ gehört eigentlich bereits in die Literargeschichte, bewegt sich aber den Dimensionen und dem dramatischen Pathos nech in den Allüren der Historienmalerei. Die breite, genialisch flüchtige Mache, welche noch die Ueberlieferung der alten belgischen Schule erkennen läßt, prätendirt aber doch wohl mehr, als echte Kunst da— hinter zu finden ist, denn in Wahrheit bietet sie uns nur einen vir— tuos gemalten, leichenfahlen Körper mit einer Rolle (dem Lusiaden— manuskript) in der Hand und eine den rettenden Felsen peitschende Brandung. Die religiöse Malerei vertritt Plockhorst mit einer Kom— position, welche die drei Frauen am Grabe Christi zum Vorwurf hat; jedoch ist der hochgeschätzte Künstler mit diesem Werk, nament⸗— lich was die Farbe betrifft, bei Weitem nicht so erfolgreich gewesen wie mit den von ihm ausgestellten Portraits und vor Allem einer Serie von 14, grau in grau gemalten Darstellungen aus den Evangelien, in denen er wieder seine ganze Meisterschaft entfaltet hat. Emil Teschendorff geräth, wie seine neuesten Frauengestalten aus der Antike, Iphigenie und Antigone, erkennen lassen, bei diesen Wieder— holungen in die Gefahr der Manier. Das geschichtliche Genre in der zierlich miniaturhaften und archäologisch doktrinären Art Alma Tadema's repräsentirt Juliaan de Vriendt (Brüssel) mit zwei Bildern: „Nachtwache der heiligen Cäcilie! und „Palast— wache unter den Königen von Juda“, die aber über die delikate Ausführung hinaus nicht zu interessiren vermögen. Letzteres läßt sich weit eher von dem Gemälde des Grafen Woldemar von Reichenbach (Weimar) agen, welches, absichtlich archaistisch in der harten altdeutschen Manier ausgeführt, uns eine sittengeschicht— liche Episode aus dem Straßenleben einer mittelalterlichen Stadt vor Augen führt, nämlich die drastische ‚Bestrafung eines bösen Weibes, so ihren Mann geschlagen. Die Sorgfalt, mit der sich der Künstler den kulturgeschichtlichen Stoff gleichwie die frappant alterthümliche Malweise zu eigen gemacht hat, verdient gleichmäßig Anerkennung. Das letzterwähnte Bild leitet uns übrigens bereits in das hohere Genre hinüber. Auf diesem Gebiet ist die Ausbeute, welche die Aus— stellung gewährt, selbstverständlich viel reicher und bedeutsamer. Da begegnen wir sofort einem Werk, welches das allergrößte Auf— sehen gemacht haben würde, wenn es nicht bereits aus dem Salon von Gurlitt hinlänglich bekannt gewesen wäre: Böcklins wunderbar phantastischem Gemälde Im Spiel der Wellen“, welches trotz mancher sattsam bekrittelten barocken Einzelheiten in jeder Be—⸗ ziehung den Stempel eigenartigsten Ingeniums trägt und, ganz abgesehen von seinem Ueberreichthum an Phantasie, auch als rein malerisches Kunstwerk sehr boch zu stellen ist. Gegenüber dieser wild überschäumenden eigenen Erfindung halten sich andere Künstler an bereits vorhandene dichterische Stoffe. So sehen wir von Oscar Begas eine durch Adel der Komposition ud Poesie der Farbenstimmung gleich vollendete malerische Nachdichtung der Göthe'schen Elegie von dem neuen Pausias und seinem Blumen mädchen, ein Bild, das im Gegensatz zu dem Nervenreiz des Böcklinschen eine wohlthuend beruhigende Wirkung auf den Beschauer ausübt. Einen mehr äußerlichen, theatralischen Eindruck, namentlich wegen der gekünstelten Lichteffekte, die auch bei der Wahl des Stoffs bestim⸗ mend gewesen zu sein scheinen, macht August von Heydens Erschei⸗ nung der Eva, aus dem 29. Gesange des Purgatorio von Dante. Um so schlichter und absichtsloser, trotzdem aber in jeder Beziehung ausgezeichnete künstlerische Qualitäten verrathend, stellt sich uns ein Gemälde des in München gebildeten Polen Wladislaw von Czachörski dar. Es ist die berühmte Szene aus Shakespeares „Hamlet“, die Einführung der Schauspieler vor den Dänenprinzen, welche dem Bilde zu Grunde liegt und mit einer an Holbein und andere alte Meister erinnernden Gediegenheit und Gewissenhaftigkeit gezeichnet und gemalt ist. Die Köpfe sind von sprechendem innerlichem Ausdruck, namentlich der des Prinzen und des deklamirenden Schauspielers, die Posen und

Gesten so ungesucht, daß man garnicht an eine Theaterszene erinnert wird, sondern ihren dichterischen Inhalt unmittelbar vor sich zu haben glaubt, und dazu zeigt der Künstler auch in der Malerei des Interieurs, der Gewandung und aller Details eine so minutisse technische Sorg⸗ alt, daß man über diese seltene Vereinigung der verschiedenartigsten Vorzüge staunen muß. Bürcks Saxxpho und Alcäos ist wenig mehr als ein sorgfältig drapirter akademischer Doppelakt, der sich ziemlich unfrei ausnimmt und nicht von den äußerlichen Zufälligkeiten der Modelle los kommt. Die eine Zeit lang hervortretende Begünstigung der Märchenstoffe hat ebenfalls sehr nachgelassen. Von kemerkens—⸗ wertheren größeren Werken dieser Gattung gebührt neben einer an— muthig behandelten Episode aus der thüringischen Sage vom ge— raubten Schleier, welche Gustav Graf Wartensleben ausgestellt hat, nur der reizenden exotischen „Idylle in der Thebaide' von dem bekann⸗ ten Orientmaler Wilhelm Gentz Hervorhebung, welcher sich auf diesem Bilde nicht nur als Meister in der schwierigen Wiedergabe der dunklen Incarnation der zierlichen glutäugigen Repräsentanten der äthiopischen Race, sondern auch in Bezug auf den leicht heraus— zulesenden einfachen idyllischen Stoff als Dichter erweist.

An der Spitze der Genremaler katerochen steht Franz Defregger, freilich ebenfalls mit einem von anderen Ausstellungen her bereits guten Bekannten, dem „Salontyroler“. An dem köstlichen, frischen Humor des Bildes werden wir uns noch oft ergötzen können, da dasselbe für die Nationalgalerie erworben worden ist. Ludwig Knaus hat auf weitere Lorbeeren in seinem Fach verzichtet und stellt sich diesmal als intimer Porträtist vor, auf dem er ja auch früher bereits Außer— ordentliches geleistet hat. Adolf Menzel hat seinerseits nur einen winzigen Rahmen mit einer allerdings geistreich behandelten, aber doch den Charakter des Gelegentlichen nicht verleugnenden Parkseene, nach Erinnerungen aus Paris von 1868 ausgestellt. Vautier ist nicht so hervorragend vertreten wie sonst; Bokelmann bietet mit seinem „Gerichts vorsaal“ nichts, was seinem Ruhmeskranz neue Lorbeern hinzufügen könnte, und dasselbe gilt auch von Josef Brandts „Wettfahrt mit einer podolischen Post.“ Selbst Carl Böcker kann sich mit seinen prachtroll kostümirten „vornehmen Gästen“ nicht mehr übertreffen. Liebenswürdig wie immer ist W. Amberg mit seinen anmuthigen, sentimentalen Mädchenbildern in altmodisch-kleidsamer Tracht, denen er durch übereinstimmenden landschaftlichen Hintergrund und andere Zuthaten eine poetische oder genrehafte Bedeutung zu geben versteht. Auch sonst finden wir, wenn nicht hervorragende, so doch mancherlei hübsche Sachen: wir nennen nur Adalbert Begas, Alb. Conrad, Hans Dahl (Düssel⸗ dorf), Ehrentraut, Harburger, Kretzschmer, Otto Kirberg, Paul Klette, Meyer von Bremen, Eleuterio Pagliano (Mailand), Adolf Schlabitz (mit seinem bereits gelegentlich der Ausstellung im Künstlersalon in der Kommandantenstraße besprochenen, kraß naturalistischen . Schwur— gericht), William Shade in Rom (mit zwei delikaten kleinen Arbeiten), W. Zimmer (Weimar), denen noch manche andere Namen hinzugefügt werden könnten.

Gewerbe und Handel.

Die durch unablässige Verbesserungen und Vervollkommnungen der Elektrotechniker sich mehr und mehr anbahnende elektrische Be— leuchtung des Hauses stellt naturgemäß auch bereits an das Kunst— gewerbe die Anforderung, sich ihren Bedingungen anzupassen. Die elektro⸗technische Ausstellung in München zeigte die ersten Proben dieses Zweiges der Kunstindustrie. Ein sehr elegantes Muster einer elektrischen Glühlichtlampe für ein Schlafzimmer, welches der Ciseleur Hans Peter in Eßlingen entworfen hat, ist auf einer Tafel des Junihefts (21. Jahrgangs 1885) der „Gewerbehalle“ (redigirt von Eisen⸗ lohr und Weigle, Verlag von J. Engelhorn in Stuttgart) abgebildet. Die Ausführung derselben ist in Bronze, theilweise mit farbiger Ver⸗ goldung und oxydirter Versilberung, gedacht. Ferner bringt das Heft u. a. ein Blatt mit geschmackvollen Renaissance⸗Möbeln (Schrank und zwei Lehnstühle), entworfen und ausgeführt von Otto Fritzsche in München, und eine Reihe älterer kunstgewerb— licher Arbeiten von Werth zur Nachahmung oder Anregung. Eine Fülle von Motiren bietet namentlich die Tafel, auf welcher eine Thüre und das Chorgestühl aus der Kirche S. Severino in Neapel (16. Jahrh.) reproduzirt sind: es ist das Ensemble einer ganzen Wand dieser prachtvollen ornamentalen Holischnitzerei, von der bereits in früheren Heften eine Reihe ausgezeichneter Füllungen und sonstiger Details publizirt wurde und noch weitere Einzelauf— nahmen folgen sollen. Ein anderes Blatt zeigt eine Kollektion zierlicher Gittermotie aus Lübeck, von der Burg, dem jetzigen Gefängniß, und verschiedenen Kirchen, wo sie zur Abgrenzung alter Erbbegräbnisse und Grüfte gegen das Kirchenschiff dienen. Ganz unmittelbar verwendbar sind die schlichten gediegenen Motive der auf der vorletzten Tafel abgebildeten Konsolen in istrianischem KRalkstein aus Venedig, welche das Hamburgische Museum für Kunst und Gewerbe erworben hat. Das Farbendruckblatt des Heftes end lich zeigt im Facsimile zwei reiche Textilmuster, einen Seidenstoff und eine Sammttapete aus dem Bayerischen Nationalmuseum in München.

Dem Jahresbericht der Oberlausitzer Eisenba hn für das Jahr 1882 entnehmen wir folgende Daten: Im Jahre 1882 ist der Betrieb auf der Hauptbahnstrecke Kohlfurt⸗Falkenberg vom 1J. Januar his ult. Juni von der früheren Direktion der Berlin Anhaltischen Eisenbahn-Gesellschaft, vom 1. Juli ab, nach Uebergang der Berlin⸗Anhalter Bahn an den Staat, von der für das Berlin— Anhalter Eisenbahnunternehmen eingesetzten Königlichen Eisenbahn— Direktion geführt worden. Ebenso ist der Betrieb auf der Zweig— bahn Ruhland⸗Lauchhammer mit dem Uebergange der Cottbus— Großenhainer Eisenbahn an den Staat am 1. Mai 1882 von der Königlichen Eisenbahn-Direktion zu Berlin, ohne jegliche Aenderung übernommen worden. Es wurden in 1882 auf der Strecke Kohlfurt⸗Falkenberg befördert: 246 911 Personen l , ,, 114752. Militärs 8251) und dafür vereinnahmt 267 902 , gegen in 188! 268 596 Personen, und vereinnahmt 255 078 „S; es wurden ferner befördet in 1882 Güter, Gepäck, Vieh u. s. w. 243 089 t à 1000 kg, und dafür eingenommen 729 998 A, gegen in 1831 211 556 1 3 1000 kg, und dafür eingenommen 555 298 4 Die Betriebseinnahmen der Hauptbahnstrecke Kohlfurt⸗Falkenberg betrugen im Jahre 1882 1031 289 S gegen in 1881 81s 59g8 , demnach in 1887 mehr 212 691 M. Diese Mehreinnahme ist im Wesentlichen in der zweiten Hälfte des Jahres erzielt worden; der Bericht bemerkt hierbei, daß die Einwirkungen der in Folge der Er— weiterung des Staatsbahnnetzes, beziehentlich der erfolgten Ueber— nahme einer Anzahl Privatbahnen in Staatsverwaltung eingetretenen Veränderungen in den Verkehrleitungen für die Oberlausitzer Bahn erst im Laufe des Jahres 1883 sich voll übersehen lassen werden.

Nach dem Ueberlassungsvertrag vom 21. Februar 1878 hat die Gesellschaft von der eine Million Mark übersteigenden Einnahme „0 als Gewinnantheil zu erhalten, im vorliegenden Falle von 31 290 4 12515 M0, ferner von der Berlin⸗Anhalter Eisenbahn 20 000 4M als minimalen Gewinnantheil. Die Einnahmen der Zweigbahn Ruhland Lauchhammer haben pro 1882 betragen 21 882 ½ Da der Betrag von 24 000 M noch nicht erreicht ist, so resultirte für die Dber⸗ lausitzer Bahn daraus kein Gewinn. Es verblieb nach Abzug von 9705 M Ausgaben der eigenen Verwaltung und unter Hinzuziehung von 311 „é Zinsen ein Gewinnsaldo von 10 606 6, welcher dem Erneuerungsfonds zufiel als nachträgliche Dotirung für die demselben in den Jahren 1875— 77 zu wenig zugeführten Beträge.

Der Bestand des Reservefonds betrug ult. Dezember 1882 88 917 R 89 ; derselbe war vorhanden: in baarem Gelde 1545 M 80 Z, in Depositen 161 M 89 , in Effekten 87 220 M 20 , in Summa 88917 S6 89 5.

Der Erneuerungsfonds betrug ult. Dezember 1882 49 449 M 57 ; derselbe war vorhanden: in Effekten, und zwar in 150 000 preuß. 40/0 Consols 150 000 ½, in Oberbaumaterialien 1098769 6 33 , in verkäuflichem Altmaterial 485 S 5 , in Baar 150195 M 19 8, in Summa 409 449 Æ 57 4.

Nürnberg, 20 Juni. (Hopfenbericht von Leopold Held) Seit Beginn der Woche ist das Geschäft am Hopfenmarkte in