1 h . .
. 1 , J . . — ; . . ; ͤ
angemessenste
Woffenstillstand herbeizuführen. .
worüber die Herren vom Centrum sich zum Theil mit Recht beschweren könnten, daß wan mit Sicherheit annehmen müsse, daß die Agitation weiter bestehen werde unter Verhält— niffen, welche unzweifelhaft für die Agitatoren günstiger seien, als für die Regierung. Man würde der Regierung sagen, sie habe den Katholiken viel, aber nicht genug gegeben. Der Kultus⸗-Minister habe auf alle Anfragen bezüglich neuer Unterhandlungen und neuer Konzessionen in der Kom— mission mit kühlem Schweigen, oder mit allgemeinen Be⸗ merkungen geantwortet. Er wolle denselben auch heute nicht weiter beläsligen. Au den Minister-Präsidenten selbst würde er vielleicht eine Frage richten, denn dieser wäre ja wahrschein⸗ lich in der Lage, etwas bestimmteres zu sagen. Wenn aber die Regierung noch nicht wisse, wie weit sie gehen solle, welches Maß von Zugeständnissen sie gewähren solle, dann hätte sie doch ein paar Monate bis zur neuen Session warten sollen, um genau festzustellen, wie weit sie gehen dürfe, und nicht neue Wünsche und Hoffnungen erregen sollen. Die latholische Kirche bereite sich in jedem Augenblicke, wo die Regierung neue Konzessionen mache, vor, diese so gut wie möglich auszubeuten. Das beweise der neueste Erlaß des Fürstbischofs von Breslau. Sonderbarer Weise stehe in dem Kommissionsberichte darüber nichts, obwohl ihm privatim er⸗ zählt worden sei, daß die Frage in der Kommission berührt worden, daß aber vom Kultus-Minister keine genügende Er— klärung ergangen sei, wie die Regierung diesem Erlasse gegenüber sich zu verhalten gedenke. Um so mehr glaube er hier eine direkte Anfrage in diesem Sinne richten zu dürfen. Der Erlaß widerstreite an sich der bestehenden Gesetzgebung, und würde Gegenstand gerichtlicher Verfolgung sein können. Man habe aber nicht vernommen, daß die Regierung in ir⸗ gend einer Weise eingeschritten wäre, es würde aber für das Volk von beruhigender Wirkung sein, wenn die Regierung ein derartiges Verfahren verhindern wollte. Seine Partei habe nämlich die Vorstellung, daß, wenn die Praxis des Fürst— vischofs allgemein eingeführt würde, daraus nichts weiter her— vorgehen würde, als daß dem Bischof eine Art von Kriegs kasse zu bilden gestattet wäre für die Kriegführung der ecelesig militans. Diese Verstärkung der bischöflichen Macht stehe nach seiner (des Redners) Auffassung in diametralem Gegen— satz zum Interesse der Gemeinden und des Staates. Die Herren vom Eentrum trösteten das Haus damit, daß die Zahl der seßhaften Pfarrer nicht vermindert werden würde. Dagegen spreche die Geschichte. In allen Kriegszeiten habe die Kirche mit solchen mobilen Corps operirt. Wenn das Ge⸗ setz werde, was hier proponirt sei, dann werde eine immer größere Jahl von regelmäßigen Pfarrern den Gemeinden ent⸗ zogen werden, so daß. wenn diese Verhältnisse fortbestehen würden, nach einiger Zeit überhaupt keine angestellten Pfarrer vorhanden sein würden, und schließlich eine Missionsthätigkeit eintreten werde, wie zur Zeit des heiligen Bonifazius. Das Centrum verweise auf Das jus circa sacra. Er glaube aber nicht, daß der Papst den König von Preußen auf dieselbe Stufe stellen werde, wie den Kaiser von Oesterreich. Dann heiße es: eine katholische Abtheilung fehle. Man misse noch, mit welchem Hohn und Spott Fürst Bismarck diese Ab⸗ theilung überschüttet habe, und wie derselbe sie ohne Weiteres aufgelöst habe. Der eiserne Fürst, wie man ihn im Auslande nenne, sei bekanntlich in neuerer Zeit so biegsam geworden, wie ausgezeichneter Stahl. Es sei schwierig zu wissen, ob derselbe bei seiner früheren Ansicht beharren und ob derselbe nicht dem Centrum zu Liebe die katholische Abtheilung wieder herstellen werde. Darauf hin könne man keine politischen Operationen vornehmen. Komme aber die katholische Abtheilung nicht, dann komme auch nicht das Benennungsrecht der Geistlichen, dann werde eine allmähliche Verödung der Pfarreien erfolgen, und die Umwandlung der unabsetzbaren in absetzbare Pfarrer. Dieses Verhältniß halte er für so bedenklich und gefährlich, daß das für seine Partei genüge, um hem Gesetzentwurf, wie derselbe aus der Kommission hervorgegangen sei, ihre Zustimmung zu versagen. Er bleibe dabei, daß die Regelung dieser Dinge nothwendiger Weise auf dem Wege der preußischen Gesetz⸗ gebung gesucht werben müsse, daß man von jeder speziellen Hereinziehung des Papstes in die Verhandlungen Abstand nehmen müsse. Es sei das keine allgemeine Aversion gegen die Religion, wie man in der Presse glauben machen wolle. Man habe sogar behauptet, sein Verfahren erkläre sich blos daraus, daß er Freimaurer sei. Er habe nie die allerleisesten Beziehungen zum Freimaurerorden gehabt. Er sei nicht Frei⸗ maurer, sei es nicht, und gedenke es auch niemals zu werden, wisse auch nichts von freimaurerischen Dingen und glaube, daß eine große Zahl katholischer Mitbürger darüber besser unterrichtet sei wie er. In Chemnitz habe man sogar in einer These ausgesprochen, er wäre eigentlich ein Jude. Er werde ein Ursprungszeugniß beibringen müssen, daß er aus einer alten christlichen Familie abstamme. Er bitte doch, daß die Herren von der Rechten ihren Einfluß dahin auswendeten, daß wenigstens solche Auswüchse abgeschnitten würden. Er
sei weder Freimaurer, noch Jude, noch Feind der katholischen Kirche, er sei aber ein Feind aller Privilegien; er hasse Mo⸗ nopole und Privilegien, er wolle keine Vorrechte. Insofern stehe er ganz auf dem Standpunkt des Art. 17 der Frank⸗ furter Verfassung. Er habe im Kulturkainpf stets diesen Standpunkt eingenommen, und auch der Abg. Windthorst habe sich ja bereit erklärt, mit ihm in dieser Frage Schulter an Schulter zu stehen. Seine Partei reservire sich freilich, das wolle er nicht verbergen, so lange als überhaupt die pri⸗ vilegirte Stellung gewisser Kirchen bestehe, auch das Recht, diesen Kirchen bestimmte Vorschriften zu machen. Sein An⸗ trag habe den Vorzug, daß derselbe diese Grenze nirgends überschteite. Er würde es sehr angenehm empsinden, wenn das Centrum nicht blos theoretisch seine Befriedigung über dieses Amendement ausspräche, sondern auch dafür stimmen würde. Seine Partei wäre gern bereit, die sich daraus er⸗ gebenden weiteren Konsequenzen zu ziehen.
Der Abg. von Rauchhaupt erklärte, der Abg. von Cuny habe behauptet, daß die Konservativen die Vorlage lediglich dem Centrum zu Liebe mundrecht gemacht hätten. Nicht dem Centrum zu Liebe, sondern dem Vaterlande zu Liebe, und der katholischen Bevölkerung zu Liebe habe seine Partei der Vor⸗ lage in dieser Form zugestimmt. Er begreife ja, daß die nationalliberale Partel einer Konzession, wie sie 8. 1 gewähre, nach ihrem ganzen kulturkämpferischen Standpunkt, nicht zu⸗ stimmen möchte. Die konservative Partei habe Bedenken gegen den Art 1 gehabt mit Rücksicht auf den Ausdruck der Amovibilität. Diese Bedenken seien durch die bündigen Er— klärungen der Herren vom Centrum genommen. Der Abg. Mosler habe in der Kommission erklärt, daß das kanonische Recht nur inamovible Pfarrer kenne. Seine Partei sehe den Rechts⸗ schutz, den der Staat verlangen müsse, in 8.9 des Gesetzes vom 11. Mai 1873, wonach Feine unwiderrufliche Stelle ohne Genehmigung des Staates in eine widerrufliche verwandelt werden dürfe. Diesen Rechtsschutz wolle seine Partei nicht aufgeben. Auch besorge er nicht, wie die Gegner des Gesetzes, daß nach Annahme desselben die nationale Vorbildung der Geistlichen nicht festgehalten werden werde. Diese Frage sei im vorigen Jahre im Einverständniß mit dem Centrum geregelt worden. AUußerdem bestehe ja noch die Bestimmung der Maigesetze, wonach die Geistlichen unter Strase gestellt würden, welche nicht die Vorbildung und das Indigenat besäßen. Man male hier nur Gespenster an die Wand, und er scheue sich nicht, wiederholt und öffentlich es für gefährlich zu er—⸗ klären, daß man die Katholiken dieses Landes als Reichsfeinde behandelt habe. Er habe nie Zweifel an ihrer deutschen Ge⸗ sinnung gehabt; die katholische Kirche habe ja auch gar kein Intereffe daran, auch widerrufliche Geistliche dem Staat nicht anzuzeigen; wenn sie es nicht thue, und dem Qber-Präsidenten die Liste der Kapläne mit der Unterlage ihrer gesetzlichen Qualifikation nicht mittheile, so. würde sie sich der Gesghr aussetzen, daß die Staatsorgane in einem ungeeigneten Mo⸗ ment, vielleicht vor dem Altar, von dem Kaplan den Quali⸗ sikationsnachweis fordern würden. Ebenso unbegründet sei die Befürchtung, daß die Zahl der widerruflichen Geistlichen nach Annahme dieses Gesetzes eine erhebliche Vermehrung erfahren würde; die Herren, die das meinten, verständen vom Wesen der Kirche techt wenig. Glaube die Linke denn, daß eine Kirche wirklich in der Lage sei, auf die Dauer blos mit Hülfsgeistlichen und Stellvertretern zu be— stehen? Schon die Stellung des Geistlichen zu seiner Gemeinde erfordere eine gewisse Stabilität. Eine persönliche Betanntschast mit den Verhältnissen der Ge⸗ meinde wäre nicht denkbar, wenn der Pfarrer nur vorüber⸗ gehend in der Gemeinde wäre. Auch würden diese ein solches Verhältniß auf die Dauer sich nicht gefallen lassen. Die Ge⸗ meinden sähen es ja auch nicht gern, wenn sie mit Wander— lehrern abgespeist würden. Ein letzter Einwand gehe dahin, daß durch Annahme dieses Gesetzes der kirchliche Friede ge⸗ stört werden könne. Diese Befürchtung sei gleichfalls unbe— gründet. Man habe noch den Kanzelparagraphen, das Ex— patriirungs- und Internirungsgesetz, die Drohung der Amts⸗ entlassung, das Einspruchsrecht des Staates beim Parochus, so daß die Hoffnung bestehe, daß man unfriedfertige Kapläne fernhalten werde. Deshalb werde er gerade um des Friedens willen den Artikel 1 und dieses Gesetz annehmen, wie es aus der Komnission hervorgegangen sei; er bitie daher das Haus, den Artikel 1 nach der Kommissionsvorlage anzunehmen.
Der Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch bemerkte, darüber, daß der Zweck der gegenwärtigen Vorlage ein durchaus erwünschter, ein solcher sei, ber sowohl im Intere se des Staates als der katholischen Mitbürger sehr wünschens— werth erscheine, könne in diesem Hause kein Zweifel bestehen. Die erhobenen Zweifel richteten sich lediglich gegen die Art und Weise, wie die Vorlage und insonderheit Art. 1 den Zweck zu erreichen gedenke. In dieser Beziehung müsse er allerding in gewissem Gegensatz zum Vorredner recht erhebliche Bedenken gegen den vorgeschlagenen modus pröcedendi gektend machen, und selbst wenn die Voraus— sctzung, auf der der gesetzgeberische Plan der Regierung beruhe, daß nämlich die Anzeigepflicht in dem aufrecht erhaltenen Um⸗ fang erfüllt werde, berwirklicht werde, bleibe eine Reihe von Bedenken übrig. Es sei nicht zu verkennen, daß, indem die Erfordernisse der Anzeigepflicht und die Konstruirung des Einspruchsrechts lediglich an das Vorhandensein eines Bene— fiziums, nicht mehr an ein selbständig und verantwortlich ge⸗ führtes Amt geknüpft würden, eine gewisse Tendenz zur Erleichterung der Verflüchtigung der katholischen Seelsorge in amovible Aemter gegeben sei. Darüber könne auch die vom Abg. von Rauchhaupt gegebene Definition nicht hinweg⸗ helfen. Ihm und allen, welche vom kanonischen Recht auch nur oberflächliche Kenntniß hätten, sei sie nicht eben neu, aber ebenso sei nachgewiesen, daß von jener theoretischen Gestaltung des Rechts in der Praxis vielfach abgewichen sei, daß man statt der unabsetzbaren Pfarrer die Verwaltung durch absetzbare Geistliche vorziehe. Der Kultus⸗Minister habe nun in der Kommission erklärt, daß nach dem Allgemeinen Landrecht die lose Stellvertretung in einem Pfarr— amte nach 14 Tagen in eine durch den Staat genehmigte Verwesung überzugehen habe. Aber es sei keinerlei Garantie dafür vorhanden, daß in ähnlicher Weise eine Auslegung des vorliegenden Gesetzes nothwendig sei, daß nothwendig mit dem Ablauf einer bestimmten Frist auch die volle Pfarr— verwesung und somit die Benennungspflicht eintreten werde, im Gegentheil habe der Abg. von Jazdzewski in seinen lehr⸗ reichen Erörterungen in der Kommission aus der Praxis den Nachweis geführt, daß außer der förmlichen Pfarrverwesung eine Stellvertretung in sehr zahlreichen Formen mehr oder minder douernder Natur bereits längst gebräuchlich sei. Die Gefahr also sei nicht ausgeschlossen, daß in dieser
Weise die Einsprache des Staats illusorisch gemacht werde. Die katholische Kirche sei in der neueren Praxis vielfach vom kanonischen Recht abgewichen; sie sei immer mehr im Begriff, absetzbare Pfarrer statt der unabsetzbaren einzuführen, und so das Einspruchsrecht des Staates illusorisch zu machen. Man habe auch keine Garantie dafür, daß der Papst nach Emanation dieses Gesetzes erlauben werde, daß künftig die Benennungen stattfänden. Es sei auch charakteristisch, daß der Abg. Windthorst in der Kommission beantragt habe, das Einspruchsrecht des Staates in Bezug auf die Pfarrverweser zu beseitigen. Wenn man also für das ge⸗ fallene Einspruchsrecht des Staates keine schärferen Repressions⸗ maßregeln erhalte, um Geistliche, die den konfessionellen Frieden störten, aus dem Amte zu entsernen, so würden seine Bedenken gegen die Vorlage noch steigen. Er habe in der Kom— mission beantragt, daß abberufbare Geistliche wirklich abru⸗ berufen seien, wenn sie den Frieden gestört hätten. Der Mi⸗ nister habe aber eingewendet, ein solcher Antrag, dem derselbe materiell nicht entgegentrete, passe nicht zum gegenwärtigen Friedenswerk. Es wäre vielleicht richtiger, solche Maßregeln in ruhigen Zeiten zu machen nach dem Grundsatz si vis pacem, para bellum. Wenn nun noch dazukomme, daß die Herren vom Centrum dies Gesetz nur als Abschlagszahlung auf eine Funditus-Zerstörung der Maigesetzgebung betrachteten, begreife man wohl, daß es Vielen von seiner Partei schwer werde, dem Gesetze, so wie es sei, zuzustimmen. Seine Partei wolle nicht, daß das Vetorecht des Staates und das Recht, eine nationale Vorbildung der Geistlichen zu fordern, in den Sumpf der „organischen Revision“ versinke. .
Hierauf ergriff der Minister der geistlichen 2c. Angelgen— heiten von Goßler, wie folgt, das Wort:
Aus den Bemerkungen, welche ich die Ehre haben werde Ihnen vorzuführen, beabsichtige ich alle diejenigen Gesichtspunkte auszuschei⸗ den, welche nicht im näheren Zusammenhange mit dem Art. 1 der Vorlage stehen; ich thue das um so mehr, weil die bisherigen De batten mit hinübergegriffen haben über den unmittelbaren Rahmen der einzelnen zur Diskussion stehenden Bestimmungen, und weil ich, wie ich besonders in der FKommission ausgeführt habe, die gegenwärtige Vorlage für geeignet halte, mehr die Gegensätze auszugleichen, als die Ver⸗ schiedenheiten zu schärfen. Ich werde mir in diesem Zusammenhange auch versagen, auf eine Reihe von einzelnen Angriffen, die gegen Ausführungen, die meinerseits gemacht worden, erhoben sind, einzu⸗— gehen, namentlich die alte Streitfrage wieder zu erörtern, was eigent⸗ lich das österreichische Gesetz für ein System verfolge, insbesondere ob es überhaupt identifizirt werden könne mit dem Antrage, welcher den Namen Virchow und Genossen trägt. Ferner versage ich mir, so interessant es auch wäre, und wenngleich ich bei anderer Gelegenheit diesen Punkt gerne erörtern würde, auf die Verfassungsurkunde, auf ihre Entstehung einzugehen, namentlich auf ihren Ünterschied von der sogenannten deutschen Ver⸗ fassungkurkunde. Ich möchte gegenwärtig dem Hrn. Abg. Virchow gegenüber nur bemerken, daß, wenn er seine Spezial⸗ studien über den letzteren Punkt weiter ausdehnt, er nicht außer Acht lassen möchte den sogenannten Entwurf der norddeutschen Königreiche, also von Preußen, Hannover und Sachsen; vielleicht indet er dann in diesem Entwurfe den Schlüssel, weshalb der von ihm beklagte Wegfall des Zusatzes der Frankfurter Verfassung bei der preußischen Verfassung eingetreten ist. Es ist sodann von demselben Herrn Abgeordneten die Frage au mich gerichtet, weshalb ich in der Kommission, und wie es scheint, auch im Plenum noch nicht Stellung genommen habe zur Verfügung des Fürstbischofs von Breslau vom März d. J. wegen der Interkalarien. Ich habe es in der Kommission nicht ge— than, weil die Frage nicht brennend war und weil ich auch dort Alles vermieden sehen wollte, was den Gang der Debatte hätte trüben können, außerdem habe ich mich mit der Sache erst während der Kommissionsberathungen eingehend beschäftigt; auch heute habe ich eine Verfügung noch nicht erlassen, aber zur Beruhigung des Herrn Abgeordneten möchte ich doch anführen, daß, wenn ich auch anerkenne, daß das Vorgehen des Fürstbischofs, eine ymptomatische Bedeutung hat oder haben kann, doch die Verfügung insofern nicht der Verallgemeinerung fähig ist, als sie beruht auf der eigenthümlichen Verfassung und den besonderen Institutionen der Diözese Breslau. Es handelt sich hierbei um feine Rechtsfragen und ich will in meinen jetzigen Aeußerungen auch so weit gehen, zu sagen, daß ich über einen erheblichen Theil der in Betracht kemmen⸗ den Rechtsfragen eine andere Meinung habe, als der Fürstbischof; aber ich leite hieraus nicht das Recht für mich ab, generell behaupten zu wollen, daß wir in dem Fürstbischöflichen Erlasse einer großen, vorbedachten allgemeinen Aktion, der Bischöfe gegenüber stehen, denn, wie ich wiederhole, die Verfassungen der verschiedenen Landestheile, namentlich auch der neu erworbenen Landesthesle sind ganz andere, als die von Schlesien. Dies näher nachzuweisen, bin ich bereit, in einer sachlichen Diskussion zu thun. Hier will ich dies nur andeuten, spreche es aber aus, um zu erkennen zu geben, daß ich mich vor solchen Diskussionen nicht scheue.
Von den Ausführungen der Herren Vorredner waren mir von besonderem Interesse diejenigen des Vertreters der nationalliberalen Partei, und ich glaube, an dem Eindruck festhalten zu sollen, daß, wenn er auch sehr scharf mit der Kritik gegen Lie Regierung vorgegangen ist, doch eine große Anzahl von Vereinigungspunkten übrig bleibt, ja daß sogar ein erheblicher Theil seiner Ausführungen eigentlich hat zu dem Schluß führen müssen, daß er sich auf den Boden der Vorlage hätte stellen sollen oder können. Seine allgemeinen Ausführungen waren allerdings zu Gunsten der Regierung nicht vielversprechend. Der Herr Abgeordnete erkannte zwar auf der einen Seite durchaus billigend an, wenn die Regierung sich mit dem Papst verständige, aber er warf auf der andern Seite der Regierung vor, daß sie die Unterhandlungen mit dem Papst nicht abgebrochen habe. Dieser Widerspruch trat allerdings in verschiedenen Theilen der Rede hervor, aber ich habe hier die Antithese scharf hingestellt und zweifle nicht, daß der stenographische Bericht die Richtigkeit meiner Wahrnehmung bestätigen wird. Das, was ich in der Kommission gesagt habe, kann ich nur wiederholen; es schweben nicht, wie der Herr Abgeordnete anzunehmen geneigt scheint, Spezial⸗ verhandlungen zwischen Regierung und Kurie über bestimmte Ent— würfe, Vorlagen u. dergl., sondern wir haben es mit gewöhnlichen und üblichen Unterhaltungen, wie sie bei ständigen Gesandtschaften üblich und selbstverständlich sind,, zu. thun. Es ist die preußische Gesandtschaft bei der. Kurie nicht eingerichtet worden, um über die gegenwärtige oder ähnliche kirchenpolitische Vorlagen Unterhandlungen zu führen, sondern um überhaupt die Beziehungen zu pflegen, welche zwischen zwei Mächten bestehen. Daß bei Pflege dieser Beziehungen zwischen den beiden Mächten auch wichtige kirchenpolitische Fragen in den Kreis der Diskussion gezogen werden können, ist naturgemäß, und ich weiß nicht, wie man von mir die Erklärung erwarten kann, daß der preußische Gesandte dann, wenn kicchenpolitische Angelegenheiten nochmals zum Gegenstand der Unterhaltung gemacht werden sollten, antworten werde: ich bin angewiesen, zu schweigen. ]
Eine andere allgemeine, meines Erachtens in sich widerspruchs⸗ volle Bemerkung war die, daß der Inhalt des Art.! sich in der Note vom 5. Mai ganz gut gemacht habe, aber als Mittel zu selbst⸗ ständigem gesetzgeberischen Vorgehen nicht geeignet, die gegenwärtige Vorlage alfo zu verwerfen sei. Ich möchte dies nicht bekennen und ich glaube festhalten zu dürfen an der Anschauung, daß, wenn die Regierung etwas für nützlich hält im Interesse ihrer eigenen Unter“ thanen, fie sich durch eine auswärts stehende Macht nicht zwingen lassen soll, es nicht zu thun, und ich glaube, eine solche sich selbst festlegende Aktion werden die Herren, auch wenn Sie von ihrem eigenen Stand⸗ punkt aus die Sache nach der politischen Verantwortung prüfen, nicht gut heißen. ⸗ .
Berselbe geehrte Herr Abgeordnete wies auf den Unterschied der
Lage hin zwischen Preußen und andere Staaten, indem er in dieser Deduktion anerkannte, daß zwar der materielle Inhalt des Art. 1 an und für sich gar nicht so übel sei, aber deswegen erheblichen Be⸗ denken unterliege, weil es an einer kirchlichen Anerkennung fehle oder demnächst doch fehlen werde. Der geehrte Herr Abgeordnete hat hierbei aber Oesterreich vergessen; Oesterreich hat auch nicht vorher gefragt, ob diejenigen Bestimmungen, welche in den S§. 2 bis 10 u. s. w. des Gesetzes 1874 erlassen worden sind, die Billigung der römischen Kurie finden werde oder nicht. Schließlich ist doch dem Gesetze Folge gegeben.
Mit dieser etwas pessimistischen Erörierung hat der Herr Ab⸗ geordnete aber denjenigen Punkt bereits berührt, den er als den Angelpunkt seiner Erörterung hinstellt, indem er nämlich zu erkennen gab, er würde der Regierung auf dem betretenen Wege folgen können, wenn sie ihm die Garantie gäbe, daß nach Erlaß des Gesetzes die Bese tzung, die Benennung in Ansehung der fest zu besetzenden geistlichen Aemter eintreten würde.
Meine Herren! Wenn Sie wollen, ist das das Ei des Kolumbus; Sie können auf die gestellte Frage keine Antwort geben und ich gebe sie auch nicht, kann sie auch nicht geben, aber um deßwillen gleichsam in eine Sackgasse sich festrennen zu lassen und so lange ab⸗ zuwarten, bis von der anderen Seite eine Garantie dafür gegeben wird, daß sich die preußischen Bischöfe auf den Standpunkt der Vor lage, wenn sie Gesetz wird, stellen werden, ein solches Ver⸗ fahren können Sie auch von Ihrem Standpunkte nicht empfehlen. Und wenn selbst das gewünschte Versprechen gegeben werden sollte, so haben Sie immer noch nicht die dauernde Sickerheit, daß das Versprechen nicht einmal zurückgezogen wird, etwa weil aus irgend einem Grunde die Voraussetzungen für das Versprechen als nicht erfüllt angesehen werden. Die vom Hrn. Abg. von Cuny aufgeworfene Frage hat sich die Staatsregierung selbst— verständlich mit allem Ernst vorlegen müssen, ob sich die Kurie auf den Standpunkt der Vorlage stellen wird, oder nicht — aber auch bei einer Verneinung der Frage hat die Staats— regierung nicht zögern zu dürfen geglaubt, daß sie das, was sie für richtig hält im Interesse des Friedens des eigenen Landes, auch dem Landtage zur verfassungsmäßigen Beschlußnahme vorschlägt und abwartet, was sich aus diesem Vorgehen hier im Landtage und darüber hinaus entwickelt. Wollte man einer anderen Auffassung folgen, würde man Gefahr laufen, in eine falsche Stellung gegenüber dem eigenen Lande zu gerathen, und würde politisch sich festlegen müssen auf einem Gebiete, auf dem doch nur mit geistigen Mitteln verkehrt werden kann und auf dem dann auch eine Debellation nicht zum Ziele führen würde.
So viel ist klar, daß, wenn die Vorlage angenommen wird, im Großen und Ganzen nach Auffassung der Staatsregierung ein Zu— stand eintritt, der zwar den vollständigen Frieden noch nicht in sich schließt, aber einem friedensähnlichen Zustand sehr nahe kommt. Wir werden auf den wichtigsten Gebieten der staatlichkirchlichen Beziehungen zur Ruhe gelangen und werden dann mit sehr viel mehr Verständniß an die Erörterung anderer Fragen herantreten können.
Es ist von dem Hrn. Abg. Dr. Virchow der Vorwurf erhoben worden, — ich kann ihn wohl gleich hier im Zusammenhang erledigen — daß die Regierung darin einen Fehler gemacht habe, daß sie nicht in vollem Umfang das Programm über das, was sie in der kirchen politischen n , der Abänderung für fähig erachtet, aufstellt. Ich gebe gern zu, daß bei der Gründlichkeit, mit der wir in den Parlamenten arbeiten, es manche Vorzüge hätte, wenn wir das ganze Programm aufstellen und erledigen könnten. Wenn Sie aber, meine Herren, die Güte haben, sich zu erinnern an die Entwickelung der letzten Jahre und an sich selber zu prüfen — diese Prüfung habe ich auch an mir selber vornehmen dürfen und müssen — wie schwer es gewesen ist, Über eine ganze Reihe von Fundamentalpunkten, über die heute große Unterschiede nicht mehr bestehen, vor verhältnißmäßig kurzer Zeit sich überhaupt zu verständigen: hätten Sie es für möglich gehalten, daß wir im Jahre 1880 eine Vorlage hätten bringen können, in welcher die Anzeigepflicht in der Regelung Ihnen vorgeführt wäre, wie heute? Und die Vorwürfe, die Sie gegenwärtig gegen die Vorlage er— heben, — wenn Sie Ihre eigenen Erklärungen ansehen — sind ja eigentlich nicht mehr fundamentaler Natur, wie es früher der Fall war, wo der Regierung vorgeworfen wurde, sie lege die Art an die Wurzel des ganzen staatskirchlichen Gebäudes, sobald nur die Frage nach der Benennungepflicht gestreift werde; vielmehr sind es Einwendungen aus Opportunitärsrücksichten, welche erhoben warden, wie von dem Hrn. Abg. von Zedlitz und den beiden Herren Abgeordneten von der linken Seite des Hauses. Sie wollen doch, weng Sie ihre eigenen Auslassungen sich vergegenwärtigen, anerkennen, daß wir uns erheblich genähert haben. Ich will nun nicht mit Bezug auf die Vorlage sagen, in der Beschränkung zeigt sich der Meister, aber ich habe bereits im vorigen Jahre — ich glaube nicht mit Un— recht — darauf aufmerksam gemacht, daß in der That die Beschränkung auf einzelne bestimmte, konkret zu behandelnde Aufgaben, die allerdings nach ihrer brennenden Natur von der Regierung klassifizirt worden sind, die zweckmäßigsten Mittel und Wege darbietet, um zu einer gemeinsamen Aktion zu gelangen. Bereuen Sie etwa die vorjährige Vorlage? Daß kann ich von mir auch nach einjähriger Erfahrung nicht sagen; auch die linke Seite des Hauses wird nicht behaupten wollen, daß mit der vorjährigen Vorlage irgend ein erkennbarer Schaden ein— getreten wäre. (Zurufe links — Dann haben Sie vielleicht die Güte, es mir zu sagen; ich würde Ihnen dankbar sein für die Be— lehrung.
Ich gehe nun auf den anderen Theil der Erörterungen über, in—⸗ dem ich namentlich den Betrachtungen des Hrn. Abg. von Zedlitz folge und klar zu machen suche: welcher Zustand tritt ein, wenn die Benennung in Änsehung der definitiv zu besetzenden geistlichen Aemter nicht erfolgt? Zunächst kann darüber meines Erachtens kein Zweifel bestehen, daß aus dem Vorgehen der Staatsregierung und namentlich wenn die Vorlage Gesetz wird, jedenfalls ein allgemeiner politischer Gewinn sich ergiebt, der sich überhaupt nicht mehr aus der Welt schaffen läßt, nämlich der, daß die preußische Staatsregierung in einer unverkennbaren und nicht auslöschbaren Weise bezeugt, daß sie ein warmes Herz für die Auffassung ihrer katholischen Staats angehörigen hat. Und die Staatsregierung hat sich deshalb bei der Ausarbeitung des . von der Ueberzeugung leiten lassen, daß sie den Gesetzentwurf so einzurichten hat, daß einmal die Seelsorgenoth beseitigt und hiermit das unbequemste Agitationsmittel aus der Welt geschafft wird, und zweitens daß, was die organische Regelung betrifft, dieselbe nach erprobten festen Prinzipien in einer Form erfolge, welche auch nach dem katholischen Bewußtsein, nach den Erfahrungen unserer eigenen Vergangenheit, nach den Erfahrungen anderer Staaten mög— lich und erträglich ist. Ich gebe hierbei willig zu, man kann nach geistreicheren Gesichtspunkten solche Gesetze machen, aber gerade darin habe ich immer eine gewisse Gefahr in der kirchenpolitischen Gesetz⸗ gebung gefunden, daß man versucht hat und auch heute noch gern ver— sucht, etwas neues und theoretisch vollkommenes zu erfinden. Ich bin dagegen der Ansicht — und soweit ich Einfluß auf diese Angelegenheiten gewonnen, und soweit ich selbst mit die Linie für meine Verantwortung gezogen, habe ich das immer betont, — daß man so weit als möglich einmal anknüpfen muß an dasjenige, was wir in unserem Vaterlande gehabt haben, sei es in den alten Landestheilen, sei es in den neuen, und zwar in den neuen oft in recht ausgiebiger Weise bis zu einer Zeit, die erst kurz hinter uns liegt, bis zum Oltober 1867, und daß wir ferner nicht außer Acht lassen dürfen, was in anderen konstitutio— nellen Staaten des Kontinents, die mit uns gleichartige Verhältnisse haben, Rechtens und, in Uebung ist. Ich räume ein, das ist nicht geistreich, aber in dieser Auffassung liegt meiner Ansicht nach ge— sunder praktischer Sinn, der mehr Erfolg rerspricht, als theoretische Neuschöpfungen, und auch unsere katholische Bevölkerung wird es verstehen, daß wir nicht immer nach neuen Aufgaben und neuen For— men suchen, sondern daß wir die Frage so zu JLösen suchen, wie sie zu anderen Zeiten oder an anderen Orten bereits gelöst sind.
Und weiter, meine Hexren! Wenn sich die Kurie nicht auf den Standpunkt der Vorlage stellt, so ist jeden falls klar zu übersehen, daß
nach der katholsch ⸗Kirchlichen Seite bin Schwierigkeiten eintreten wer⸗ den, wie auch schon Hr. von Rauchhaupt richtig hervorgehoben hat, und was ich auch von meinem Standpunkte aus bestätigen kann. Die Sorge besteht lebhaft in sehr gut katholischen Kreisen, namentlich auch in den Kreisen der Gemeinden und des Klerus, daß, wenn nicht auf dem Boden der Vorlage bezw. des zu erhoffenden Gesetzes die⸗ jenigen Zustände eintreten, die wir alle boffen, sich in der That große Unzuträglichkeiten für die katholische Seelsorge selbst ergeben werden. Man kann nicht verkennen, daß in einzelnen Diözesen eine große Unlust bei den Bischöfen bestanden hat, die Pfarrämter definitir zu besetzen, und daß eine bestimmte Richtung mehrfach dahin gegangen ist, den Kuratklerus immer mehr unter die Hand des Bischofs zu bringen, wie ich dies bereits in der Kommission auseinandergesetzt habe, und wer sich über die leitenden Gedanken belehren will, der lese den Briefwechsel des Kardinals Geißel nach; da wird er auch den Schlüssel zu diesen Vorgängen finden.
Ich erkenne daher an, daß in der Vorlage eine gewisse Gefahr für die katholischen Geistlichen und Gemeinden liegt. Es liegt einmal in unseren deutschen Verhälmissen begründet. daß die Gemeinden an ihren festangestellten Pfarrer hangen und daß auch der deutsche katholische Geistliche den innigen Wunsch hegt, in einer physisch begrenzten Gemeinde zu wirken, mit derselben in ein inniges, festes, dauerndes Verhältniß, das ja auch unter dem Bilde der Ehe aufgefaßt wird, zu treten. Ich erkenne auf der an⸗ deren Seite auch weiter an, daß aus der Nichtausführung des Art. 1 Nachtheile für den Staat eintreten können, in welcher Richtung und in welchem Umfange, das will ich hier nicht spezialisiren, weil es sonst hieße, den Teufel an die Wand malen. Aber immerhin fragt sich, wie Hr. von Rauchheupt vorhin schon angedeutet hat: was thut denn der Staat, wenn auch für ihn schwere Nachtheile eintreten? Es giebt zwei Mittel: entweder wendet er den 5. 18 des Gesetzes vom 11. Mai 1873 an, und ich bitte, nicht zu vergessen, daß an diesem §. 18 der ganze Streit mit den Bischöfen erwachsen ist; nach dieser Richtung hin würde also eine gewisse Garantie schon gegeben sein. Wollte man aber aus irgend einem Grunde von dem §. 18 nicht in odium der Bischöfe Gebrauch machen, so würde allerdings, glaube ich, die weitere ernste Frage an die Staatsregierung treten: ist es denn überhaupr noch möglich, auf dem Boden stehen zu bleiben, der ein positives Zusammenwirken zwischen Staat und katholischer Kirche zur Voraussetzung hat? Oder: ist es nothwendig, dann den Haken, an den der ganze kirchenpolitische Konflikt gehängt ist, zer brechen zu lassen und die Benennungspflicht über Bord zu werfen.
Meine Herren! Heute habe ich keinen Widerspruch, als ich diese Worte gesagt habe, erfahren, und vor drei Jahren — das werden die Herren mir zugestehen — würde allseitige Ueberraschung eingetre— ten sein. Heute wird bereits in Blättern aller Parteien die von mir berührte Frage eingehend diskutirt und die Möglichkeit einer solchen Lösung ernstlich erörtert. Auf diesen Weg, meine Herren, der, wie die Ausführungen des Hrn. Abg. Dr. Virchow klar erkennen lassen, nicht etwa einen Stillstand finden würde in dem jetzigen Antrage Virchow, sondern der, wie der Herr Ab— geordnete meines Erachtens richtig entwickelt hat, naturgemäß zu immer neuen Konsequenzen führen wird, möchte die Staatsregie— rung unter den gegenwärtigen Umständen nicht eintreten, sondern sie will unter allen Umständen ernstlich versuchen, Halt zu machen auf dem Boden der Vorlage. Denn Hr. Abg. Virchow hat bereits zu⸗— treffend bemerkt: in der Konsequenz seines Antrages liegt es, daß die Dlener unserer privilegirten Kirchen an die Stelle von Privatdienern treten, wenn gewisse Voraussetzungen nicht erfüllt werden, und es kann gar kein Zweifel darüber bestehen, wenn einmal erst das Holz an dem Punkte der Verbindung zwischen Staat und Kirche ange⸗ schnitten ist, so wird sich dieser Schnitt nicht mehr verkleistern lassen, fondern die Trennung des Staates von der Kirche wird sich mit un— aufhaltsamer Gewalt vollziehen. Darüber kann man sich nicht täu— schen, und ich kann daher mit Recht sagen: es ist eine große Frage, vor deren Entscheidung wir heute stehen; finden wir eine neue Grundlage, auf der der Staat mit der katholischen Kirche sich neu und organisch aufbaut? oder haben wir blos eine Etappe erreicht auf dem abschüssigen Wege, den der Abg. Virchow weiter vorwärts schreiten will? Ich male damit keine schwarzen Bilder. Denn es ist das ganz klar: wenn die Hoffnungen, die wir kei der Vorlage haben, nicht in Erfüllung gehen, dann tritt an die Staatsregierung in immer erkennbarerer Weise die Pflicht heran, zu erwägen, was mit der Be⸗
nennungepflicht noch anzufangen ist, ob es überhaupt noch werthvoll
ist, mit diesem Mittel zu operiren und dies Alles in der Erkenntniß, daß an die Verwerfung der Benennungspflicht sich eine Reihe großer Schwierigkeiten knüpfen würde, denen vorzubeugen auf dem Wege der Vorlage man wohl in der Läge wäre. Aber ich halte hier ein, ich persönlich identifinre mich absolut mit der Vorlage insofern, als ich glaube, sie gewährt durchaus die Möglichkeit, daß auf ihrem Boden, entsprechend unserer deutschen Entwicklung, ein gedeihliches nicht allein Nebeneinanderleben sondern Zusammenleben aller christlichen Kirchen und namentlich auch der römisch-⸗katholischen mit dem preußischen Staate möglich ist, und ich würde es von meinem Standpunkte tief beklagen, wenn in einem vorzeitigen Augen blick und ungedrängt durch die Macht der Verhältnisse, die Staats regierung sich entschließen würde, den Bodeg, den sie sich bemüht gegen⸗ wärtig zu legen, zu verlassen. Meine Herren, in diesem Bekenntniß liegt auch ein irenischer Gedanke, und ich glaube wohl., daß Sie, wenn Sie sich auf den Standpunkt der Stagtsregierung stellen, volles Ver⸗ ständniß dafür haben werden, daß sie Ihnen die Vorlage so, wie sie liegt, gemacht hat.
Der Abg. Dr. Windthorst erklärte, seine Freunde und er würden für die Vorlage stimmen, wie sie sich durch die Kom— missionbeschlüsse gestaltet habe, und er glaube damit einen Schritt zu einer friedlichen Entwickelung zu thun. Durch dieses Votum allein gebe das Centrum die Stellung, die es von Anfang an zu den Maigesetzen eingenommen habe, weder im Ganzen noch in Beziehung auf die Theile, die durch dieses Gesetz nicht aufgehoben würden, in keiner Weise auf. Vor allen Dingen erkenne das Centrum damit nicht etwa die Be⸗ rechtigung des kirchlichen Gerichtshofes an, und er sei der Meinung, daß der nächste Schritt, den die Regie⸗ rung zu thun habe, die gänzliche Beseitigung dieses Gerichtshofs sein müsse. Wenn er nicht weitere Aufklärungen über den Sinn der Vorlage verlange, so geschehe das mit Rücksicht auf die Kommissionsverhandlungen, wo solche Er— klärungen auch nicht erfolgt seien. Er glaube, bei wohlwollen⸗ der Anwendung des Gesetzes würden die Zweifel beseitigt werden, die darüber jetzt noch beständen; werde es nicht wohl⸗ wollend angewandt, so würden allerdings manche Hoffaungen, die sich an dasselbe knüpften, vernichtet werden. Auf den Sinn und den Geist, in dem ein Gesetz ausgeführt werde, komme mehr an, als auf den stiikten Tenor desselben. Die österreichische Gesetzgebung, auf die vielfach exemplifizirt worden sei, habe nicht den Grundfehler gemacht, alles auf einen strikten formalen Standpunkt, und auf die Entscheidung der Gerichte zu stellen, sondern es sei der Verwaltung ein Spielraum gelassen, und sie sei oft eine solche gewesen, daß alle die Verord— nungen auf dem Papier gestanden hätten. Weise Gesetz⸗ geber hätten auch zuweilen Gesetze gegeben, um nach einer ge⸗ wissen Zeit zu beruhigen, hätten sich aber freie Hand behalten, sie unker Äümständen nicht auszuführen. Daß mit diesem Gesetz nicht erreicht werde, was erreicht werden müsse, sei klar. Es sei eine Anbahnung des Friedens, und er hoffe, die Regierung werde sich beeilen, nach Ruͤcksprache mit der Kurie dem Hause eine gänzliche Revision vorzulegen. Der Papst sei das Haupt der katholischen Kirche, und ohne das Haupt werde man mit den Gliedern nicht fertig. Ob das angenehm sei oder nicht, ge⸗
höre nicht hierher. Es sei so und werde so bleiben. Zu kei⸗ ner Zeit in der Weltgeschichte sei das moralische Ansehen des heiligen Stuhles so groß gewesen, wie jetzt. Gerade auch in Deutschland habe der Kulturkampf zum Bewußtsein gebracht, daß es noch einen Vapst gebe. Glaube man denn, daß auch nur dies Gesetz ausgeführt werden könnte ohne Billi⸗ gung des Papstes? Wie sollte denn die Nothseelsorge eingerichtet werden, wenn der Papst es nicht erlaube? Er hätte gewünscht, daß es der Kommission gelungen wäre, die Verhältnisse noch weiter zu ordnen. Er habe daher bean⸗ tragt — leider vergeblich, die Anzeigepflicht auf die Pfarrer zu beschränken, und gleichzeitig den 8. 18 des Gesetzes vom 11. Mai 1873 aufzuheben. Damit würde man einen defini⸗ tiven Frieden vielmehr vorbereitetet haben als jetzt. Durch die Anzeigepflicht und das Einspruchsrecht wolle der Staat sich die Geistlichen willfähriger machen. Genüge es denn nicht, wenn der Staat sich diesen Einfluß auf die oberen Geistlichen sichere? Brauche man — um in einem militärischen Staat militärisch zu sprechen — wenn man der Generäle, Obersten und Hauptleute sicher sei, sich auch noch den Einfluß auf die Lieutenants zu sichern? Die unwürdigen Strafandrohungen gegen die Würdenträger der Kirche seien durchaus unnöthig, denn nach kanonischen Grundsätzen würden die Pfarrstellen definitiv besetzt, und der Drang, bits zu thun, sei, wie die Erfahrung zeige, sehr stark in der Kirche, so daß es eines Zwanges nicht bedürfe. Die Zahlen, welche der Minister über die mit amoviblen Geistlichen besetzten Pfarr⸗ stellen angeführt habe, bewiesen an sich gar nichts, dazu müßte man die näheren Umstände kennen, weswegen die Stellen nicht definitiv besetzt seien. Ueberhaupt sei die ganze Vorstellung von dem Verhältniß des höheren zum niederen Klerus eine falsche. Es fehle dem Minister an sachverständigen Organen in dieser Beziehung, es werde nicht eher besser werden, als bis wieder katholische Räthe im Kultus⸗-Ministerium sitzen würden. Dem Abg. von Cuny wolle er zu seinem Trost auch noch daran erinnern, daß die Besetzung der Pfarrstellen mit Vikaren ihre Grenze habe durch die Zahl der zur Verfügung stehenden Geistlichen, und die Mittel zu ihrer Besoldung. Aber selbst wenn es zu einer ausgedehnten Besetzung der Pfarrstellen durch Stellvertreter käme, dann trage man doch Schuld daran durch Aufrechterhaltung der Anzeigepflicht. Habe denn vor den Maigesetzen eine solche Farcht bestanden, und habe man ähnliche Zustände unter der glorreichen Re— gierung Friedrich Wilhelm IV. gekannt? Auf die weiteren Ausführungen der Vorredner gehe er, um bei einem Friedens⸗ werk nicht bitter zu werden, nicht ein. Mit Befriedigung habe er gesehen, daß der Minister dem Antrage Virchow größere Aufmerksamkeit geschenkt habe, als früher. Er könne nur wiederholen, die Basis dieses Antrages sei die Trennung von Staat und Kirche, und er fürchte, daß man mit der Zeit dahin gedrängt werde; er halte diese Trennung an und für sich durchaus nicht für wünschens⸗ werth, denn nur durch enges Zusammenwirken von Staat und Kirche könne das Glück der Völker dauernd be— gründet werden. Wenn man aber die Ordnung der Kirche durch die Gesetze zerstöre, dann bleibe nichts übrig als die Trennung. Das Ueberhandnehmen unchristlicher Ideen in der ganzen Welt dränge nach dieser Entwicklung hin, und wolle man die Trennung in Preußen verhüten, so beseitige man bald die verhängnißvolle Kirchengesetzgebung. Zur Zeit und wie der Antrag Virchow jetzt gestellt sei, stimme er nicht fr denselben. Daß er auch nicht für den Antrag Zedlitz stimme, sei selbstverständlich. An ein Wohlwollen für die Katholiken könne man nach diesem Antrag, und der Rede des Abg. von Zedlitz nicht glauben. Auch alle Ausführungen des Abg. von Rauchhaupt könne er nicht acceptiren, doch genüge ihm das Resultat, daß derselbe mit seinen Freunden das Gesetz an— nehmen werde. Es gereiche ihm zur großen Befriedigung, dabei gerade mit den Konservativen zusammen zu wirken, und er hoffe, das werde auch auf anderen Gebieten nicht ohne Nutzen sein. ,
Die Diskussion wurde geschlossen.
Der Abg. Dr. von Jazdzewski konstatirte in persönlicher Bemerkung, daß er nicht, wie mehrfach behauptet, in der Kom⸗ mission gesagt habe, daß die Neigung bei den Bischöfen be— stände, die Pfarrstellen nicht definitiv zu besetzen.
Der Abg. Dr. von Cuny gab zu, daß die Ausführungen des Abg. von Jazdzewski in der Kommission eine solche Deu⸗ tung, die ihnen auch die Presse gegeben, nicht zuließen.
In der Abstimmung wurde darauf der Antrag Virchom abgelehnt und Artikel ] mit 245 gegen 87 Stimmen ange— nommen.
Hierauf vertagte sich das Haus um 4 Uhr auf Sonnabend 11 Uhr.
Literarische Neuigkeiten und periodische Schriften.
Zeitschrift für Preußische Geschichte und Landes kunde. Heft Nr. 5 und 6. — Inhalt: Die Zeit der größten Ab hängigkeit des Herzogthums Preußen von Polen in den Jahren 1566 bis 1568. Dr. Leon von Poblocki. — Zur Erforschung und Erhal⸗— tung der Kunstdenkmäler im preußischen Staatsgebiet. Dr. J. Jastrow. — Das Grabfeld. Eine topographisch⸗ kulturhistorische Skizze. H. Spieß. — Der Streit Wolf Hornungs mit Kurfürst Joachim J. von Brandenhurg und Luthers Betheiligung an demselben. Paul Zimmermann. — Joachim J. und die Raubritter. F. Wagner. — Friedrich Wadzeck. Eine Berlinische Erinnerung. W. Pierson. — Aus den Veröffentlichungen der deutschen Geschichtswvereine.
Die gefiederte Welt. Zeitschrift für Vogelliebbaber, Züchter und Händler. Herausgegeben von Pr. Karl Ruf. Nr. 25. — Inhalt: Der Zug der Vögel. (Fortsetzung) — Jahresbericht über die Thätig⸗ keit des Vereins ‚Ornis“ in Berlin. — Gesangsleistungen eines roth⸗ rückigen Würgers. — Die kastanienbraun ⸗bäuchige Elsterdrossel. — Goffin's Kakadu. — Die Kanarienzüchterei des Bergmanns W. Trute in St. Andreasberg. (Schluß) — Aus Haus, Hof, Feld und Wald. — Briefliche Mittheilungen. — Anfragen und Auskunft. — Aus den Vereinen: Halle a. S.; Liegnitz: Ausstellungen. — Vom Vogel markt. — Zur Beachtung für die Liebhaber kerbthierfrefsender Vögel. — Mancherlei. — Briefwechsel. ö
Isis. Zeitschrift für alle naturwissenschaftlichen Liebhabereien. Herausgegeben von Dr. Karl Ruß und Bruno Dürigen. Nr. 25. — Inhalt: Zoologie: Springmäuse in, der Gefangenschaft. (Fort- setzung. ) — Seewasser⸗Aquarien im Zimmer. (Fortsetzung) — Bo⸗ tanik: Wasserpflanzen und ihre Verwendung. (Mit Abbildungen.) — Chemie: Spiegelballon. — Kleinere Mittheilungen: Entomolo⸗ gische Beobachtungen. — Nachrichten aus den Ngturanstalten: Berlin, Hamburg, Breslau, Leipzig. — Vereine und Ausstellungen:
weite Hunde⸗Ausstellung des „Hektor“ zu Berlin (Fortsetzung); vgiene⸗Ausstellung Berlin (Fortsetzung) — Anfragen und Auskunft.