1883 / 151 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 30 Jun 1883 18:00:01 GMT) scan diff

Nichtamtliches. Dentsches Reich. Preußen.

an

Bergh von Trips. Abends besuchten Se. Majestät das Theater.

Ihre Kaiserlichen und Königlichen Hoheiten der Kronprinz und die Kronprinzessin kamen gestern Vormittag 101, Uhr mit Ihrer Königlichen Hoheit der Prin⸗ zessin Victoria nach Berlin und statteten Ihrer Königlichen Hoheit der Großherzogin⸗Mutter von Mecklenburg-Schwerin einen Besuch ab. Hierauf besuchten die Höchsten Herrschaften die italienisch-⸗spanische Kunstausstellung im Central⸗Hotel und kehrten mit dem 1 Uhr⸗Zuge nach dem Neuen Palais bei

Potsdam zurück.

Die heutige (18. Sitzung des Herrenhauses, wurde von dem Präsidenten Herzog von Ratibor um 10 Uhr 20 Minuten eröffnet; derselben wohnten der Vize⸗Präsident des Staats⸗-Ministeriums, Minister des Innern von Puttkamer, die Staats-Minister von Boetticher und von Scholz mit

zahlreichen Regierungskommissarien bei.

Zunächst erstattete Herr von Schöning Namens der Pe⸗ titionekommission mündlichen Bericht über Petitionen. Ohne

Debatte wurde auf seinen Antrag die Petition des Joseph Broix zu Neuß und Genossen: die Beschäftigung der Staats— beamten an Sonn- und Feiertagen auf das geringste Maß einzuschränken, um ihnen die Erfüllung der religiösen Pflich— ten zu ermöglichen, der Staatsregierung zur Erwägung über— wiesen. Andere Petitionen wurden ohne Diskusfion für er— ledigt erklärt.

Es folgte als zweiter Gegenstand der Tagesordnung der Bericht der XII. Kommission, betreffend den Schiffahrts⸗ kanal von Dortmund über Henrichenburg, Münster, Bevergern, Neudörpen nach der unteren Ems.

Der Berichterstatter Herr Stumm beantragte Ablehnung der Vorlage. Derselbe wandte sich zunächst gegen die neuer— dings eingegangenen Petitionen zu dieser Vorlage, in welchen namentlich auch seine (Redners) Person Angriffen unter— zogen worden sei. Redner konstatirte und berief sich auf das Zeugniß aller Mitglieder der Kommission die ihm das zusagend bestätigten daß er in der Sache nichts weiter gethan, als ganz objektiv über die Verhandlungen der Kommission berichtet habe. Redner verwies zur Begründung des Kommissionsantrages auf die Zuverlässigkeit des den Kommissionsberathungen als Grundlage dienenden Zahlenmaterials. Die strategische Bedeutung des Kanals sei nicht genügend, um die Ausgabe so großer Summen zu rechtfertigen. Aus strategischen Gründen könnte man wohl hie Gelder für einen Nord⸗Ost⸗Kanal gewähren. Redner wendete sich namentlich gegen die Beschwerden der Petition, welche von der Kanalbau⸗Kommission in Münster gegen den Bericht der Kommission erhoben worden sind. Der Kanal würde sür die Hebung des Verkehrs in der Rheinyrovinz gar keine Wir— kung haben, denn es sei für jeden Kenner der Verhält⸗ nisse unbestritten, daß in Folge der Eisenbahnen auf beiden Ufern des Rheins der Verkehr auf dem Rhein immer mehr im Rückgang begriffen sei. Die Hoff⸗ nungen, welche die Landwirthschaft auf das Kanalprojeit gesetzt habe, seien bei Weitem übertrieben, ebenso die Berech— nungen des Vereins der Eisenindustriellen in Bezug auf die diesem Industriezweige aus dem Kanalbau erwachsenden Vor— theile. Vor Allem aber werde die Rentabilität der Vorlage allgemein überschätzt, an eine Verzinsung des auf die Anlage zu verwendenden Kapitals sei gar nicht zu denken.

Der Regierungskommissar Ministerial-Direktor Schultz trat diesen Anschauungen entgegen. Derselbe verwies zunächst auf die Verhandlungen, welche im Abgeordnetenhause über diese Vorlage gepflogen seien, welche durchaus keinen prin— zipiellen Widerstand in jenem Hause gefunden habe. Nur der Abg. Frhr. von Minnigero de habe mit einigen engeren Freunden schließlich gegen die Vorlage gestimmt. Anders gestalteten sich die Verhandlungen in diesem Hause, wo die Vorlage von vorn herein auf Widerspruch gestoßen sei, wo die Kommission sich durch gegnerische Anschauungen habe bewegen lassen, gegen die Regierungsvorlage zu opponiren und einen offen ausge— sprochenen Gegner der Vorlage zu ihrem Referenten ernannt habe. Die Regierung sei jedoch der Hoffnung, daß auch die Majo⸗ rität dieses Hauses, entgegen den Anschauungen ihrer Kom— mission, sich für die Annahme der Vorlage entscheiden werde, welche für das gesammte staatliche Interesse von aller⸗ größter Wichtigkeit sei. Die Kanäle und derartige Wasser— straßen könnten sehr gut neben den Eisenbahnen bestehen und würden auch das auf sie verwendete Anlagekapital stets ver—

zinsen. Wenn die Regierung nicht dieser Ueberzeugung wäre, würden weder der Handels-, noch der Ar—⸗ beits⸗ und der Finanz⸗Minister für diese Vorlage ein— getreten sein. Der Minister der öffentlichen Arbeiten sei den Behauptungen des Kommissionsberichts gegenüber der Meinung und nehme keinen Anstand hier zu erklären, daß die Vortheile, welche durch den in der Vorlage in Aus— sicht genommenen Kanal erzielt werden sollten, durch die Eisenbahnen nicht erreicht werden könnten. Der beständig sich hebende Verkehr könne durch die Eisenbahnen nicht allein be—⸗ wältigt werden. Durch die Regierung sei konstatirt, daß die Frachtsätze für Kanalgüter sich soviel billiger stellten, daß keine Eisenbahn ihnen Konkurrenz machen könnte. Es handele sich hier darum, Einrichtungen zu schaffen, die segensreich für das Land und die Allgemein— heit wirkten, wenn auch ihre Rentabilität erst später eintreten werde. Nur nach dem jeweiligen Stande der Finanzen würde eine Erweiterung des vorliegenden Projekts erfolgen können. Daß der Bergbau, die Eisenindustrie und die Landwirthschaft aus dem Kanale große Vortheile ziehen würden, sei unbestreitbar. Vor Allem aber werde in den be⸗ theiligten Kreisen die Hoffnung gehegt, durch das Kanalprojekt

Berlin, 30. Juni. Se. Majestät der Kaiser und König nahmen, wie „W. T. B.“ aus Ems meldet, heute Vormittag nach der Kur und Promenade die Vorträge des Hofmarschalls Grafen Perponcher und des Chefs des Civilkabinets, Wirklichen Geheimen Rarhs von Wilmowski

n dem gestrigen Diner bei Sr. Majestät nahmen u. A. theil: General-Lieutenant von Strubberg, General⸗Major Freiherr von Amelunxen, Ober⸗Staatsanwalt Hamm aus Cöin, Graf Beissel von Gymnich, Freiherr von der Leyen und Graf

die von dem anderen Hause vorgenommenen Aenderungen

schen Handelsverkehr zu brechen. Redner bat schließlich, die Politik des Reichskanzlers auch auf diesem Gebiete zu unter⸗ stützen und vor den ersten Opfern zu diesem Zwecke nicht zurückzuschrecken. Per aspera ad astra! Der Präsident theilte mit, daß der Fürst Hatzseldt den Antrag gestellt habe: „Die Regierungsvorlage zur Zeit abzu⸗ lehnen, dagegen die Regierung aufzufordern, den Plan zu einem die Wasserläufe der Monarchie von Osten nach Westen verbindenden Kanalprojekt vorzulegen, und zur Deckung der Kosten eine Anleihe aufzunehmen.“ Graf von Brühl erklärte sich gegen die Vorlage, die lelbst in den Kreisen der Interessenten und namentlich der Industriellen, welche davon betroffen werden, keine Billigung finde. Herr Krupp sei z. B. ein Gegner derselben. Unter solchen Bedingungen sei es unverantwortlich, den Staat in 9 n Ausgaben stürzen zu wollen. (Schluß des attes.

In der heutigen (87. Sitzung des Hauses der Abgeordneten, welcher der Vize⸗Präsident des Staats⸗ Ministeriums und Minister des Innern von Puttkamer, so— wie zahlreiche Kommissarien beiwohnten, stand zunächst auf der Tagesordnung der mündliche Bericht der Geschäftsordnungs— kommission, betr. die Frage der Mandatserledigung des Abg. Hahn. Die Kommission beantragte:

Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen, daß der Abg. Hahn durch seine Ernennung zum Vorsitzenden der Deputation für das Heimathwesen in Bromberg Sitz und Stimme im Abgeordnetenhause verloren habe.

Der Referent Abg. von Kleinsorgen befürwortete diesen von der Kommission einstimmig gefaßten Beschluß. Es handele sich hier nur um ein mit einer Remuneration ver— bundenes Nebenamt. Auch die Analogie früherer Fälle spreche für den Antrag der Kommission.

Das Haus genehmigte den Antrag ohne Debatte.

Es folgte der mündliche Bericht der Kommission für die Wahlprüfungen über die Wahl des Abg. Seyffardt (Crefeld). Die Kommission beantragte:

k der Abgeordneten wolle beschließen: „die Wahl des Fabrikbesitzers Seyffardt zum Abgeordneten für 10 K— (Crefeld) Un

die Wahl aller in diesem Wahlkreise zuletzt gewählten Wahl—

manner

für ungültig zu erklären.

Der Referent Abg. Francke bemerkte, daß der Abg. Seyffardt zwar sich bereit erklärt hahe, sein Mandat nieder— zulegen, es sei aber besser, daß die Wahl vom Hause für ungültig erklärt werde. Denn der Bürgermeister von Crefeld habe die Repartirung der Einwohner auf die einzelnen Wahl— bezirke nach einem salschen Prinzip vorgenommen. Es fei nun nothwendig, daß die auf Grund dieser falschen Einthei— lung erfolgten Wahlmännerwahlen sämmtlich einer Neuwahl unterlägen.

Das Haus schloß sich diesem Antrage ohne Debatte an. Es folgte die Berathung des vom Herrenhause in ver— änderter Fassung zurückgelangten Gesetzentwurfs, betreffend das Staats schuldbuch.

In der Generaldiskussion forderte der Abg. von Tiede— mann (Bomst) das Haus auf, den Entwurf in der Fassung des Herrenhauses zu genehmigen. Diesem Vorschlage schloß sich der Abg. Dr. Wagner (ststhavelland) an, obwohl er

bedauere.

In der Spezialdebatte meldete sich Niemand zum Wort. Das Haus genehmigte den Gesetzentwurf einstimmig.

Es folgte die Berathung der Ueberficht über die Ver— waltung der fiskalischen Bergwerke, Hütten und Salinen im preußischen Staate während des Etatsjahres 1881/82. Für den abwesenden Referenten Abg. Dr. Hammacher empfahl, der Abg. von Benda folgenden Antrag der Budget— kommission:

Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen:

1) Die Uebersicht über die Verwaltung der fiskalischen Berg— werke, Hütten und Salinen im preußischen Staate während des Etatsjahres 1881/82 durch den Bericht unter Nr. 48 der Druck— sachen für erledigt zu erklären.

2) Die Königliche Staatsregierung aufzufordern:

a. Die Uebersicht über die Verwaltung der fiskalischen Berg— werke, Hütten und Salinen in jedem Jahre dem Landtage vor der Berathung des Sraatshaushalts-Etats vorzulegen;

hb, der Uebersicht eine tabellarische, sich auf eine längere Periode erstreckende Statistik über die Einnahmen urd Ausgaben, sowie über die Verhältnisse der preußischen Knappschaftskassen mit Rück— sicht auf deren Entwickelung beizufügen;

ö e die Reform der Knappschaftegesetzgebung in Erwägung zu ziehen.

Das Haus trat diesem Antrage ohne Diskussion bei.

Es folgte ber dritte Bericht der Kommission für das

Gemeindewesen über Petitionen. Am 16, 17. und 18. August 1880 haben in der Stadt Torgau hie Wahlen zur Ergänzung der dortigen Stadtverord— netenversammlung um 7 neue Mitglieder staftgefunden. Das Verfahren, welches bei diesen Wahlen beobachtet wurde, hat einem Theile der stimmfähigen Bürgerschaft Veranlassung gegehen, sich mit einer Beschwerde an die Königliche Regierung zu Merseburg zu wenden mit dem Antrage, die in Rebe stehenden 7 Stadtverordneten-Ergänzungswahlen für ungültig zu erklären.

Die Kommission beantragte:

Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen, über die Petition von Gemeinde wählern der Stadt Torgau zur Tages⸗ ordnung überzugehen.

Das Haus genehmigte den Antrag ohne Debatte.

Der Gemeindevorsteher und der Gemeinderath zu Mellrich, Kreises Lippstadt, führt darüber Beschwerde, daß der Amt— mann von Papen aus Anroechte bei einem Feuer, das am 7. September 1878 in Mellrich stattfand, Löschmannschaften aus der benachbarten Ortschast Anroechie requirirte, für welche die Geineinde Mellrich die Summe von 147 S bezahlen soll. Die Kommission beantragte auch hier Uebergang zur Tagesordnung, und das Haus schloß sich diesem Antrage an. Es folgte der vierte Bericht der Kommission für das Unterrichtswesen über Petitionen.

In der Stadt Deutsch-Crone ist im Jahre 1877 auf staatliche Anregung eine dreiklassige Baugewerkschule errichtet worden. Die bislang für dieselbe entstandenen Kosten wur— den, soweit sie nicht durch das Schulgeld zur Deckung ge— langten, von der Stadt und dem Staate je zur Hälfte ge— tragen. Der Staat beabsichtigt jetzt, die Schule zu einer vierklassigen zu erweitern. Die Stadt, welche seither

den Widerstand der Niederländer und Belgier gegen den deut—

jährlich verpflichten. Die Gemeinde erkennt zwar die Nothwendig⸗ keit der Neuorganisation an, befindet sich nach Lage ihrer Finanzen aber außer Stande, den an sie gestellten Forderungen ent— sprechen zu können. Ein an den Kultus⸗Minister gerichtetes Gesuch um Uebernahme der jetzt von 115 Schülern besuchten Anstalt durch den Staat ist abschlägig beschieden worden. Die städtischen Behörden sind daher gewillt, die Schule eher ganz eingehen zu lassen, als die qu. Kosten in diesem Um⸗ fange zu übernehmen, und wenden sich in ihrer Nothlage jetzt mit der nachstehenden Bitte an das Haus der Abgeordneten: Hochdasselbe wolle geneigtest unter Anerkennung der Berechti= gung unserer Ausführungen Veranlassung nehmen, Seiner Seits der hohen Staatsregierung unseren Antrag, die Baugewerkschule in eigene Verwaltung auf eigene Kosten zu übernehmen, während unt die Verpflichtung verbleibt, die erforderlichen Unterrichtsräume nebst deren Ausstattung herzugeben und zu unterhalten, zur Berück- sichtigung zu empfehlen.

Die Kommission beantragte, die Petition der Königlichen Staatsregierung zur Berücksichtigung zu überweisen.

Dieser Antrag wurde ohne Debatte angenommen.

Es folgte der vierte Bericht der Kommission für das

Gemeindewesen über Petitionen. .Der Apotheker Horn zu Gronau in Hannover beschwert sich darüber, daß ihm ein Theil seines Grundeigenthums ohne Weiteres weggenommen werde, da dies doch eventuell nur auf dem Wege der Expropriation nach Maßgabe des Hannoverschen Wegegesetzes geschehen könne.

Die Kommission beantragte:

Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen, di Petition der Königlichen Staatsregierung zur Abhülfe zu überweisen.

Nach kurzer Diskussion trat das Haus diesem An— trage bei.

Es folgten mündliche Berichte der Kommission für das Justizwesen, der Kommission für das Gemeindewesen und der Budgetkommission über Petitionen, und zwar zunächst der Bericht über die Petition der Buchdrucker Bertelsmann und Genossen in Rotenburg und anderen Orten der Provinz Hessen— Vassau um Wiederzulassung zur Lieferung der gerichilichen Formulare.

Der Referent Dr. von Cuny empfahl folgenden Antrag der Justizkommission: Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen: die Petition der Königlichen Staatsregierung zur Erwägung zu überweisen.

Der Antrag wurde genehmigt.

Sodann folgte der Bericht der Kommission für das Ge— meindewesen über die Petition der Bürgermeisterei-⸗Versamm— lung Styrum, Kreis Mühlheim an der Ruhr, in welcher be— antragt wird: zu veranlassen, daß mehrere in der Petition näher bezeichnete Werle und Zechen von den betreffenden Königlichen Eisenbahnverwaltungen als kommunalsteuerpflich— tige Stationen anerkannt werden.

Die Kommission beantragte durch ihren Berichterstatter, Abg. von Oertzen (Jüterbog):

Das Haus der Abgeordneten wolle beschließzen: die Petition der Königlichen Staatsregierung als Material für den Entwurf des Gemeindesteuergesetzes zu überweisen.

Hierauf folgten die mündlichen Berichte der Kommission für das Unterrichtswesen über Petitionen, und zwar zunächst der mündliche Bericht der Kommission für Petitionen über die Petitionen des Kreisausschusses des Kreises Züllichau⸗Schwiebus, der Stadtverwaltung von Züllichau und einer Anzahl von Einwohnern des genannten Kreises und der Stadtverwaltung

von Giünberg, um Reparatur der Oderbrücke bei Tschicherzig,

Unterhaltung und Beaufsichtigung derselben auf Kosten des Staats sowie Wiederzulassung der Benutzung derselben im

öffentlichen Verkehr.

Die Kommission beantragte durch ihren Berichterstatter

Abg. Knoch:

Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen: die Petitienen der Königlichen Staatsregierung zur Berücksichtigung zu überweisen.

Nach kurzer Debatte wurde der Antrag der Kommission

angenommen.

Es folgte der mündliche Bericht der Kommission für Pe—

titionen über die Petition des Kreissekretärs a. D. Kiesler zu Stettin um Bemessung seiner Pension nach Maßgabe des Ge— setzes vom 31. März 1882.

Die Kommission beantragte durch ihren Berichterstatter,

Abg. Dr. Fornet:

Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen: üder die Petition zur Tagesordnung überzugehen. Der Antrag wurde ohne Diskussion genehmigt. Bei Schluß des Blattes ging das Haus zur Berathung

hes neunten Berichts der Kommission über Petitionen über.

Zur Herbeiführung eines gleichmäßigen Verfahrens

bei der Aufnahme und Behandlung von schwangeren Per— sonen in den Straf- und Gefangenenanstalten des Ressorts des Ministers des Innern hat Letzterer durch eine Cirkularverfügung vom 18 Mai d. J. bestimmt, daß die An⸗ staltsporsteher die Aufnahme von weiblichen Strafgefangenen, welche sich im Zustande der Schwangerschaft befinden, künftig nur in dem Falle abzulehnen haben, wenn die Schwanger— schaft bis zum siebenten Monat vorgeschritten ist. Die Ent⸗ bindung der in den Anstalten befindlichen weiblichen Ge⸗ fangenen hat in der Regel in der Anstalt selbst stattzufinden; wenn dies aher der lokalen Verhältnisse wegen unausführbar oder mit großen Uebelständen verknüpft ist, so sind die An⸗ staltsvorsteher befugt, die betreffenden Personen, unter gleich zeitiger Anzeige an die vorgesetzte Behörde, zum Behufe der Enthindung in einem öffentlichen Krankenhause oder bei zu— verlässigen Peivatpersonen (Hebeammen 2.) unterzubringen, auch die dadurch erwachsenden Kosten auf Anstaltsfonds zu übernehmen. In einzelnen Fällen, wo die schwangere Ge— fangene selbst auf ihre Beurlaubung anträgt, auch die Ver⸗ hältnisse derselben von der Art sind, daß zur Abhaltung der Wochen in ihrer Heimath, ohne dabei auf Armenfonds rekur— riren zu müssen, eine Unterkunft gesichert ist und nach der Dauer der noch zu verbüßenden Strafe, sowie nach den sonstigen Umständen keine Gefahr zu besorgen ist, daß die vorläufig auf freien Fuß gesetzte Gefangene ihre Freiheit dazu mißbrauchen werde, sich der Vollstreckung des noch nicht verbüßten Theils ihrer Strafe zu entziehen, kann die temporäre Entlassung nach Maß⸗ gabe der Cirkularverfügung vom 15. Juli 1876 beantragt werden. Die Kinder von weiblichen Gefangenen sind, so lange sie nach dem Gutachten des Arztes nicht von der Mutter ge

trennt werden können, in der Anstalt Kosten ihrer Verpflegung und Bekleidung aus Änstaltsfonds zu bestreiten. Hinsichtlich der schwangeren Untersuchungsgefan⸗

zu belassen und die

ca. 5 = 6000 4 jährlich an Zuschüssen zahlte, soll sich auf stactliche Veranlassung jetzt zur Zahlung eines Zuschusses bis zu 8000 6

genen und ihrer Kinder ist nach der Bestimmung des Ünter suchungsrichters zu verfahren.

Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Königlich sächsische Geheime Finanz⸗Rath Golz und der Bundesratha⸗ Kommissar der Landesverwaltung für Elsaß-Lothringen, Ober⸗ Regierungs⸗Rath Hauschild sind von Berlin abgereist.

Belgien. Brüssel, 29. Juni. (W. T. B.) Die Centralseition der Repräsentantenkammer lehnte auch die Steuern auf Taback und Kaffee ab.

Großbritannien und Irland. London, 28. Juni.

(Allg. Corr.) Der 45. Jahrestag der Krönung der Königin wurde heute in London und anderwärts durch Kanonensalven, Glockengeläut u. s. w. in üblicher Weise gefeiert. 29. Juni. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung des Unterhauses brachte der Staalssekretär des Innern, Har⸗ court, eine Bill, betreffend die Errichtung eines Ministeriums für die Lo kalverwalt ung Schottlands, mit Ausnahme des Unterrichtswesens, ein. Durch das Gehalt für den Minister, das auf 2060 Pfd. Sterl. festgesetzt ist, wird der Ausgabe⸗ Etat nicht erhöht, da das Gehalt des Geheim-Siegelbewahrers dem neuen Minister zugewandt wird. Die Bill wurde in er Lesung angenommen. ö 23 . e , eines Unterhausmitgliedes für Hastings wurde Gain (liberal) gewählt.

Frankreich. Paris, 28. Juni. (Köln. Ztg.) Die Bildsäule der Republik wurde in vergangener Nacht aus der Gießerei in der Rue Villiers auf den Platz der Re⸗ publik gebracht. Die Enthüllung derselben soll am 14. Juli stattfinden. Die Regierung hat an die Präfekten aller Küstendepartements die Weisung geschickt, strenge Maßregeln gegen die Cholera zu ergreifen. In Paris herrscht große Unruhe bezüglich der Cholera in Aegypten, zu— mal der gegenwärtige Gesundheitszustand von Paris ziemlich schlecht it. Die Uebereinkunft mit der Orleans⸗ bahngesellschaft ist unterzeichnet, und die Verhandlungen mit der Westbahn sind wieder aufgenommen worden.

29. Juni. (W. T. B.) Der „Temps“ erklärt das Gerücht von einem Abbruch der Verhandlungen in Shanghai für unrichtig, konstatirt aber, daß dieselben dadurch schwierig geworden seien, daß die chinesische Regierung jedes freundschaftliche Arrangeynent von der Anerkennung der Suzeränetät Chinas über Anam abhängig machen wolle. Das Blatt fügt hinzu: die chinesische Regie⸗ rung behaupte, der französische Gesandte habe der friedlichen Mission, mit der er beauftragt worden, einen provokatorischen Charakter verliehen, welcher aber durch die zwischen Frank— reich und China bestehenden Beziehungen nicht gerechtfertigt werde.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 29. Juni. (W. T. B.) Zu Sermaxa am Swirflusse fand gestern die feierliche Eröffnung des neuen Swir-Sigzg⸗ kanals durch den Kaiser und die Kaiserin statt. Mit den Majestäten waren zugleich mehrere Minister aus St. Petersburg eingetroffen. Deputationen der St. Petersburger und Rybinsker Kaufmannschaften begrüßten die Majestäten und überreichten eine Dankadresse. In der Erwiderung auf bie Ausprache derselben gab der Kaiser der Hoffnung Ausdruck, daß der neue Wasserweg zur Förderung des russischen Handels beitragen möge. Auf der Hin⸗ wie auf der Ruͤckreise wurde die Kaiserliche Flotille von den enthusiastischen Dvationen der am Ufer des Ladoga-Sees ansässigen Bevölke— rung begleitet. Der neu eröffnete Swirkanal führt den Namen des Kaisers, der Siaßkanal denjenigen der Kaiserin. Beide Kanale sind 8 Fuß tief, gestaͤtten die Durchfahrt großer Schiffe und ermöglichen die Beförderung der Waaren zum St. Petersburger Hafen um 10 Tage schneller, als dies bisher der Fall war.

Amerika. New⸗9York, 27. Juni. (Allg. Corr.) Das Hochwasser verläuft sich in St. Louis, und man glaubt, daß das Schlimmste jetzt vorüber ist. Allein die Verluste längs der Flüsse Mississippi und Missouri werden auf Millio- nen von Dollars veranschlagt. Ein ungeheurer Landstrich den Missouri entlang und quer über den ganzen Staat ist über⸗ fluthet. Aus der Stadt Kansas liegen Berichte über enorme Verluste vor. In Atchinson wird die Eisenbahngesellschaft 500 000. Dollars verlieren. Die St. Joseph⸗ und Western⸗ Eisenbahn ist auf eine Distanz von 60 Meilen gänzlich zer⸗ stört worden.

Süd⸗Amerika. Lima, 29. Juni. (W. T. B.) Der Kongreß von Peru ist in Arequipa zusammengetreten und hat die Regierung des Präsidenten Iglesigs ermächtigt, den Friedensvertrag mit Chile auf der Basis der Ab⸗ tretung Tarapacas an Chile abzuschließen.

Afrika. Tunis, 29. Juni. (W. T. B.). Mehrere Falschmünzer aus Malta, Griechenland und Italien, welche verhaftet worden waren, sind in der Nacht nach ihrer Ver⸗ haftung aus den Konsulargefängnissen entsprungen. Dies spricht dafür, daß die Aufhebung der Kapitulationen dringend nothwendig ist.

Seitungöftimmen.

Der „Kölnischen Zeitung“ wird aus Süddeutsch— land geschrieben; ; .

Die erregten Kulturkampfdebatten.; . haben den Nachtheil im Gefolge, daß die Würdigung des Ergebnisses der eben geschlossenen Reichstagssession dadurch in den Hintergrund gerückt worden ist. ... Nichtsdestorzeniger verdient auch trotz Kirchenkampf und Wahlwühlerei das Hauptergebniß der Reichstagssession, die Durchsetzung der obli gatorischen Krankenkassenversicherung, als ein erfreulicher Fortschritt in wirrer, wenig erfreulicher Zeit hervorgehoben zu werden, und die— jenigen Abgeordneten, welche diesem Gesetze ihre Zustimmung gaben, werden es leichter haben, vor den Wählern ihrer Partei diese Ab⸗ stimmung zu begründen, als die Nein sagenden Gegner. Es verdient hervorgehoben zu werden, daß die zur Secession zählenden süddeutschen Reichstagsmitglieder fast ausnahmölos für das Krankenversicherungs⸗ gesez gestimmt haben. Namentlich gilt dies von den bayerischen Äb— geordneten, welche dazu nicht mehr veranlaßt waren, weil die bayerische Gesetzgebung in wesentlichen Punkten der Reichsgesetzgebung voran—

gegangen ist. Deshalb wird auch die Durchführung des neuen Reichs⸗

gesetzes vielleicht die wenigsten Schwierigkeiten in Bayern machen. Dem „Deutschen Handelsarch iv“ wird aus Biele⸗ feld, im April, berichtet: Die geschäftliche Lage der industriellen Etablissements im ver— lossenen Quartal hat gegen das letzte des vorigen Jahres wesentliche Veränderungen nicht aufzuweisen.

Die in den Verhältnifsen der Spinnereien und Webereien ein⸗ getretene ** hat sich erhalten und sogar noch weitere Fort⸗ schritte gemacht ; ł w * Garngeschäft gestaltete sich sebr lebhaft. Der Export über⸗ stieg die ohnehin stark angespannte Produktion und verminderte da- durch neuerdings die Bestände der Spinnereien. Wenn die rauhe Witterung des Monats März die Fertigstellung der Garne in der Bleiche nicht so sehr verzögert hätte, würde der Umsatz ein bedeutend größerer gewesen sein. 2 ̃ 5

Die Garnpreise haben sich nach Abschluß umfangreicher Liefe- rungen gesteigert und werden voraussichtlich noch weiter in die Höhe gehen, nachdem die Spinner, mit Aufträgen reichlich versorgt, Ab schlüsse auf allzu entfernte Termine abgelehnt haben. ;

In der mechanischen Weberei wird der Geschäftsgang als ein guter bezeichnet. Namhafte Aufträge liesen zahlreich ein, und konnte trotz möglichst großer Produktion die Nachfrage nicht schnell genug befriedigt werden. t

Die Preise der Fabrikate zogen etwas an. Den Arbeitern wurden böhere Löhne bewilligt. . ; .

Im Leinengeschäft war der Absatz in Stückleinen ein zufrieden stellender. Die Lager sind meistens geräumat. Leider reicht die An⸗ zahl der Weber nicht hin, um die gelichteten Bestände ju füllen, und leiden unter diesen Umständen auch die Bleichen in fühlbarer Weise.

9 Geschäft in fertigen Hemden, Einsstzen, Kragen und Man⸗ schetten verlief befriedigend. Die Arbeitskräfte waren bei lobnendem Verdienst vollauf beschäftigt und konnten zheilweise bei den beiden zuletzt aufgeführten Artikeln die eingegangenen Aufträge zu den be⸗ stimmten Terminen nicht erledigen. Die Verkaufspreise sind aber immer noch niedrig, um einen angemessenen Nutzen abzuwerfen.

Im Damastgeschäfst war wohl wieder eine Besserung in den Absatzverhältnissen zu bemerken, indeß eine Preissteigerung noch nicht zu erzielen. .

Die Seidenfabrikanten klagen über den ungenügenden Bedarf an einfarbigen Stoffen. Verkäufe kamen nur zu weichenden Preisen zu Stande. . .

Etwas besser war der Verkauf in farbigen Artikeln, welche we⸗ nigzstens einen, wenn auch ganz geringfügigen Nutzen übrig lichen. In Folge des ungünstiger Geschäftsganges gingen die Preise für Rob— seide zurück. . . e

Im Plüschgeschäft blieb die Nachfrage unverändert gut, nament— lich für den Export. Die Preise für das Rohmaterial bewegten sich in langsam steigender Tendenz

In der „Berliner Börsen-Zeit ung“ lesen wir

Handel und Industrie erfreuen sich in der Provinz Hannover nach Berichten von, dort nach wie vor, auf fast allen Gebieten an⸗ haltender Besserung. Die Bewegung auf wirthschaftlichem Gebiete war zie mlich lebhaft, die Arbeitsgelegenheiten haben sich vermehrt und die Löhne eine feste Tendenz gezeigt; in mehreren Fabriken haben Lohnsteigerungen bis zu 20 9 stattgefunden. Was insbesondere den Handel betrifft, so wird von verschiedenen Seiten hervor gehoben, daß namentlich der Exporthandel sich hebt; ins⸗ befondere trifft dies zu bezüglich des Biers, der Mühlenfabrikate und des Zuckers, welcher hauptfächlich nach England, zum Thei aber auch nach Holland, Frankreich und Italien ausgeführt wird. Auch Klein handel und Handwerk nehraen einen zwar langsamen, aber wohl er— sichtlichen Aufschwung. Nur wird über den bisherigen ausgedehnten Hausirhandel immer noch Klage geführt, während die Schädigungen durch den Wanderlagerbetrieb in Folge der gesetzlichen Be⸗ steuerung solcher Betriebe glücklicher Weise sast ganz aufgehört haben. Die Lage der ländlichen Arbeiter kann, trotzdem das erste Drittel des. Jahres, welches die vorliegenden Berichte umfassen, der ungünstigste Zeitabschnitt ist dennoch als eine fortdauernd befriedigende bezeichnet werden. An Arbeit hat es nicht gefehlt. Die Mühlenindustrie hatte eine weitere Besserung zu verzeichnen. . . . Auch die Gesammtlage der Montan— industrie ift nach wie vor eine im Allgemeinen günstige. Der fiskalische Steinkohlenbergabau am Deister hat recht befriedigende Resultate gehabt Der schwunghafte Betrieb der der Ilseder Hütte gehörigen Eisenerz- Bergwerke hat fortgedauert; ebenso konnte der fiskalische Berghau am Oberharz mit unvermin— derten Kräften weiter geführt werden. Auch die Lage der beim Bergbau beschäftigten Arbeiter ist im Allgemeinen günstig gewesen, da allenthalben die volle Schichtenzah! bei normalem Lohne und auf den fiskalischen Steinkohlenbergwerken sogar theilweise Ueber schichten stattfinden konnten. Die Verhältnisse der Maschinen⸗ fabrikation sind dauernd günstig. Die bedeutende Maschinenbau— fabrik in Linden vor Hannover hat in (letzter Zeit ihren Arbeiter— stand von 1500 guf 1900 vermehrt. Die gegenwärtige Lage der Leinen, Baumwollen⸗ und Wollenindustrte ist eine recht günstige; die mechanische Weberei in Linden hat ihre Produktion um etwa ein Drittel des Betriebes verstärkt. Die Ziegeleien hatten in letzterer Zeit größeren Absatz 311d bessere Preise zu verzeichnen. Der Glas. hüttenbetrieb endlich hat sich im Allgemeinen gebessert, und der Export nach England und Süd-Amerika ist gestiegen.

Centecalblatt für das Deutsche Reich. Nr. 26. Inhalt: Zoll- und Steuerwesen: Befugnisse von Zoll- und Steuerstellen; Titelverleihung an einen Stationg-Controleur. Justizwesen; Ver⸗ zeichniß der Civil- und Strafgerichte der im österreichischen Reichs rathe vertretenen Königreiche und Länder. Heimathwesen: Erkennt— niß des Bundesamts für das Heimathwesen. Konsulatwesen: Er— nennung; Aufhebung eines Konsulats. Polizeiwesen: Ausweisung von Ausländern aus dem Reichsgebiete. . . ;

Amtsblatt des Reichs-Postam ts. Nr. 35. Inhalt Verfügungen: vom 22. Juni 1883. Neues Fahrpost ⸗Uebereinkommen mit der Schweiz.

JJ Blatt. Nr. 15. Inhalt: Theilnahme der bei Festungs-Gouvernements und Kommandanturen kommandirten Generalstabs-Offiziere zu Schießübungen der 5 Artillerie. Dislokation des 2. Bataillons Pommerschen Fuß⸗= Artillerie Regiments Nr. 2 und des 1. Bataillons Astpreußischen Fuß-Artillerie⸗Regiments Nr. J. Anwendung der Dezimal -Ein⸗ theilung bei der Papierbeschaffung. Anstrich der Wände in den Garnifon ⸗Lazarethen. Sommer -Fahrplan der Militär ⸗Eisenbahn. Nachtrag Nr. 8 zur Kriegsfeuerwerkerei, 1. Theil. Vorschrift für die Unterfuchung der scharfen Patronen MMI auf ihre Brauch= barkeit zu Uebungszwecken. Nachfrag zum Verzeichniß der höheren

Lehranstalten, welche zur Ausstellung von Zeugnissen über die wissen⸗ schaftliche Befähigung für den einjährig⸗freiwilligen Militärdienst be⸗

rechtigt sind. Instandhaltung der zu den Beständen der Truppen gehörigen Offizier-Seitengewehre. Normpreise für Brot und Fou—⸗

rage und Vergütungspreis für den aus preußischen Magazinen an

Kadettenanstalten verabreichten Roggen pro II. Semester 1883. Extraordinäre Verpflegungszuschüsse pro 3. Quartal 1883.

Neichstags⸗Angelegenheiten.

Hamburg, 29. Juni. (W. T. B.) Bei der heutigen Stich⸗ wahl zwischen Rabe (Fortschr und Bebel (Soz.) wurde der letztere mit einer Majorität von 1063 Stimmen zum Reichstagsabgeordneten gewählt. Die Zahl der für Rabe abgegebenen Stimmen betrug 11608, die Zahl der für Bebel abgegebenen 11711. 160 Stimmen waren für ungültig erklärt worden.

Statistische Nachrichten. Das russische Bergbau -⸗Departement hat kürzlich die Staristik des Bergwerkbetriebs in Rußland und Finnland und seiner Ergebnisse auf das Jahr 1881182 (vom 1. Mai bis 1. Mai) ver

öffentlicht. Dieselbe bezeugt, daß in vielen Zweigen dieses Betriebes Fortschritte zu verzeichnen sind. Interessant ist ein Vergleich der Produktion des Berichtsjahres 1881 mit der des Jahres 1872, welche die Nowoja Wremja“ der erwähnten Statistik entnimmt. Stellt man diese Zahlen nebeneinander, so ist das Ergebniß Folgendes: Gold 1881 2244 Pud gegen 2351 Pud im Jahre 1872 (1 Pud 16,38 Eg), Platina 182 P. gegen 97 P., Silber 576 P. gegen 752 P., Blei 60 218 P. gegen 74 662 P., Kupfer 211 465 P. gegen 227376 P., Zink 27 641 P. gegen 188 144 P., Zinn 604 P. gegen 233 P. Roh⸗ eisen 28 661 729 P. gegen 24 574 356 P, Eisen 178398199 P. gegen 16368 476 P., Stahl 1790 380 P. gegen 511727 Pud, Gußeisen 3 665 255 P. gegen 2936 300 P., Koh⸗ len 213 258 477 P. gegen 67 022 742 P, Naphta 40 474731 P. gegen 1535 981 P., Petroleum 12 810 656 P gegen 518546 P. Chromeisen 150 349 P. gegen 391 809 P.ͥ, Mangan 686 106 P. gegen —, Schwefel 6479 P. gegen 3439 P., gewöhnliches Salz 50 734 355 P. gegen 27 732790 P., Glaubersalz 1066335 P. gegen —. Diese ftatistischen Zahlen ergeben, daß eine Abnahme der Pro⸗ duktion bei Gold, Silber, Blei, Kupfer und Chromeisen stattgefunden hat. Indessen ist dabei zu bemerken, das einmal die Zahlen für das letztgenannte Metall nicht vollständig, sind, und daß die Goldgewinnung im Jahre 1881,82 in Sibirien und im Ural nur in Folge der außergewöhnlich regnerischen Witte⸗ rung des Sommers eine geringere gewesen ist, während sie in den 4 Jahren vorher mehr als 253 Tausend Pud betragen hat, nämlich 1877 2592 P., 1878 2572 P., 1879 2632 P. und 1880 2642 P. Ferner ist zu beachten, daß die oben für Gold und Silber verzeich— neten Zahlen die Rohgewinnung dieser Metalle angeben, während die Produktion von feinem Gold und Silber im Jahre 1881 nach den Angaben der Laboratorien und des Stempelamts auf ungefähr 1908 P. für das erstere und auf 707 für das zweite Edelmetall ge— stiegen ist. Die Silbergewinnung ist freilich unstreitig im Abnehmen und der Grund zu dieser Erscheinung in der mangelhaften Ausbeutung der Minen des Altai zu suchen. Beim Kupfer war die Abnahme der Produktion im Jahre 1881 nur vorübergehend und hat im Jahre i882 wieder zugenommen; gleichwohl bat sie nicht mehr die frühere Bedeutung, und Rußland entnimmt jetzt die Hälfte seines Bedarfs an Kupfer aus fremden Ländern. Alle anderen Zweige des russischen Bergwerksbetriebs haben einen größeren oder geringeren Fortschritt aufzu- weisen. Am auffaͤlligsten sind dieselben bei der Naphta⸗Industrie, deren Ertrag in 10 Jahren um das 20fache gewachsen ist, und der noch be⸗ deutend zunehmen dürfte, wenn erst durch Eisenbahnen und Röhren legungen Trangkaukasien die Mittel zum Export seiner Oele erhalten wird. Nächst der Naphtagewinnung hat die Stahl-⸗Industrie den schnellsten Entwickelungsgang angenommen, wenn sie auch für die Zu⸗ kunft nicht eben so glänzende Aussichten bietet. Während die Stahl⸗ fabrikation in 19 Jahren um mehr als 17 Millionen Pud gestiegen ist, ist die Gewinnung des Grundstoffs, des Roheisens, nur um 4 Millionen Pud vorgeschritten. Der Kohlenbergbau macht Fort⸗ schritte; diese würden aber, wie der Bericht sagt, noch be⸗ trächtlicher scin, wenn das Eisenbahnnetz eine größere Aus— dehnung hätte und sich die russischen Eisenbabnen mehr die Interessen dieser Industrie angelegen sein lassen wollten. Gegenwärtig betrachteten dieselben den Transport billiger Steinkohlen wie eine lästige Verpflichtung und schienen nicht zu verstehen, daß mit der Billigkeit dieses Brennmaterials das Entstehen neuer Fabriken und Werkstätten Hand in Hand gehe, und daß die neuen Industrie⸗ und Handels-Centren auch den Transport von höher tarifirten Gütern herbeiführen würden. Die Zunabme der Kohlengewinnung in den Hauptkohlenbecken bezifferte sich im Jahre 1881, verglichen mit dem Jahre 1872, folgendermaßen: Donez: 1881: 91 298 166 gegen 36 907 289 P. im Jahre 1872; Polen: S5 774 707 gegen 17466318 P.: Moskau: 23 426 204 P. gegen 9047 5966 P.; Ural: 10031292 gegen 683 045 P. In den anderen Becken ist die Kohlengewinnung unbedeutend und zeigt wenig Entwickelung. Die größten Fortschritte hat der Kohlen bergbau in den Becken des Königreichs Polen und des Ural, d. h. in den Gouvernements Piotrkow und Perm aufzuweisen, was seinen Grund in den zahlreichen Fabriken jener Gegenden hat. Ein be— sonderes Interesse bieten die Ziffern welche das gewonnene Salz be— treffen, und zwar insofern als das Jahr 1881 das erste, in welchem diese Industrie frei war Nach diesen Ziffern ist die Salzgewinnung um 3162439 Pud im Vergleich zu 1880 und um 7 146 459 Pud im Vergleich zu dem mittleren Ertrage der letzten 5 Jahre gewachsen. In Wirklichkeit aber hat sie noch in einem viel stärkeren Verhältniß zugenommen; jedoch ist es seit Aufhebung der Aceise sehr schwierig, genaue Angaben zu ermitteln.

Von dem „Statistischen Jahrbuch für das Groß⸗ herzogthum Baden? liegt der 14. Jahrgang 1881 in seiner ersten und zweiten Abtheilung vor, welcher in der Monklotschen Druckerei zu Karlsruhe im Druck erschienen sind. Wir entnehmen den Tabellen folgende summarischen Daten: 1) Ueber die Größe und Preise der veräußerten landwirthschaftlichen Liegenschaften und der durchschnittlichen Pachtzinse in 1881. Es betrugen die im Jahre 1881 im Großherzogthum Baden veräußerte Fläche (mit Ausschluß der Bauplätze) 23 459 he, (1880: 23 366 ha), davon varen Acker 14019 ba (1880 13 678 ha), Garten 356 ha (1880 360), Wiese 4202 ha (1880 4343 ha). Reh⸗ land 531 ha (1880 467 ha),. Wald 2979 ha (1880 2705 he), Sonstige landwirthschaftliche Fläche 1372 ha (1880 1807 ha). Der Gesammterlös der verkauften Fläche stellte sich 1881 auf sh ol 63 1860 auf 33 gs 0s , Hen du ech schnirtliche Erlös betrug für den Hektar Acker 1898 M (1880 1357 MÆ), Garten 14886 ½ (1880 4381 Æ), Wiese 2361 S 1880 2204 MS j, Rebland 4625 6 (1880 3957 A6), Wald SI2 M (1880 805 „½ς). Der durchschnittliche Pachtpreis betrug für den Hektar Acker 9 Sn (18280 92 M). Wiese 111 1 (1380 110 A6). 3) Ueber die Betreibungen, Konkurse, Civilprozesse, Pfand— urkunden im Jahre 18831. Im Großherzogthum Baden wurden Seitens der Buͤrgermeistermter 38 745. Zahlungsbefehle erlassen (1880 46338) und die von denselben erledigten Rechtsstreite beliefen sich auf bas (iss9 S40M Durch die Amtsgerichte wurden os 9s Zahlungsbefehle erlassen (1880 1114 931) 3. die vollzogenen Liegenschafts⸗ vollstreckungen umfaßten 3238 Fälle (1880 3736), die vollzogenen Fahrniß und Halmfrüchtevollstreckungen 4265 (1880 5575) Fälle; die Zahl der neu anhängig gewordenen Konkurse geteug 222 (1880 264), die Zahl der erledigten Civilprozesse der Amtsgerichte 35 482 (1880 38 694); die Zahl der Pfandurkunden betrug 12 741 über 48027 400 S (1880 14333 über 52 191 122 , die Zahl der richterlichen Unterpfänder 11 857 im Werthe ron 10321 7566 ½υ (1880 14635 im Werthe von 11893 805 4A). 3) Ueber die Steuer-Kapitglien 1881. Im Großherzogthum Baden beirug das Grund- und Gefällsteuer⸗Kapital 1477 236 136 .

(1880 1477 308 395 6, 1871 932 522 769 Æ6), das Hsäusersteuer⸗ Tapital 755 578 330 1 (1880 747 215 600 t, 1871 371 109257 At). Das Eiwerbsteuer - Kapital betrug ohne die von öffent— lichen Kassen konstatirten Beträge der Beamten und Angestellten 87 663 65 * (iss 977 356 709 S, 187 414584 357 6); jenes von den öffentlichen Kaffen konstatirte Kapital belief sich auf S8 gio söß M. (i886 S 258 5565 ο, IGF S0 889 994 ας). Das Kaxitalrentensteuer-Kapital belief sich auf Sir 256 9 M (6s 765 653 z Æ, 18.71 4589 564 313 A6. Im Ganzen betrugen die steuerbaren Kapitalien ohne die von öffentlichen Kassen konstatirten Erwerbsteuerkapitalien 4120 046 766 M (1880 4055 851495 , 1871 2288 610 720 M6); die konstatirten steuer⸗ freien Kapitalien betrugen 88 501 127 6 (1880 88 470 514 u, 1871 57 328 551 606). 4) Ueber die Brutto- Steuererträge 1881, a. direkte Steuern. Es betrug im Großherzogthum Baden die Grund-,, Gefäll! und Häusersteuer (einschl. Beförsterungs⸗ steuer) 6 380 335 SM (1880 6421324 M, 1871 5796746 . die Erwerbsteuer 2 826 990 46 (1880 2789 361 M 1871 2223 885 46), die Kapitalrentensteue! 1216885 66 (1880 1 159008. (, A371 734 226 M); die direkten Steuern (ohne die von öffentlichen Kassen konstafirte Erwerbsteuer) betrugen im Ganzen 10424210 Æ (1880