1883 / 156 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 06 Jul 1883 18:00:01 GMT) scan diff

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§. 9.

Hat das Schiff gistfangende Waaren aus solchen Gegenden an Bord, welche gemäß 5§. 1 ft 2 als pestverdächtig anzu⸗ sehen sind, oder hat das Schiff in derartigen Orten gift⸗ fangende Waaren geladen, so dürfen dieselben erst nach vor⸗ gängiger Unschädlichmachung in den Verkehr gebracht werden.

Die Wiederausfuhr der Gegenstände ist gestattet, muß jedoch ohne Umladung geschehen. ;

Als giftfangende Gegenstände im Sinne dieser Verord⸗ nung gelten namentlich Hadern oder Lumpen, gebrauchte Leib oder Bettwäsche, gebrauchte Kleider, Papierabfäll e,

lachs, Hanf, Werg, thierische Abfälle (Knochen, Blasen,

ärme u. dergl.), Felle, Häute, Haare, Borsten, Federn, Wolle, Filz, Pelzwerk, Kürschnerwaaren, wollene oder seidene Waaren.

Die Schiffsräume, in welchen derartige Gegenstände ver— dächtiger Provenienz (Abs. 1) verladen gewesen sind, müssen desinfizirt werden.

§. 10.

Der Bilgeraum der unter §. 1 Ziffer 2 und 4 fallenden Schiffe ist mit seinem Inhalte zu desinfiziren. Je nach den Umständen ist die Desinfektion auch auf sonstige Räume solcher Schiffe zu erstrecken. 4

Bei unentschiedenen Krankheitsfällen kann das Schiff einer nach den Umständen zu bemessenden Beobachtungs⸗ quarantäne unterworfen und eventuell die Zuziehung weiterer Sachverständiger angeordnet , n

Können die in den §8§. 8 bis 11 aufgeführten Vorsichts⸗ waßregeln in einem Hafen nicht getroffen werden, so ist das Schiff an einen mit den erforderlichen Einrichtungen ver— sehenen Hafen zu ö

Strandet ein den Bestimmungen der Verordnung unter— liegendes Schiff an der deutschen Küste, so haben die Strand— behörden die erforderlichen Maßnahmen im Sinne dieser Ver— ordnung zu treffen.

Läuft ein solches Schiff einen deutschen Hafen als Noth— hafen an, so kann es daselbst unter Vewachung und unter Beobachtung der von der Hafenbehörde vorzuschreibenden Sicherungsmaßregeln so lange unter Quarantäneflagge liegen bleiben, als der Nothfall dauert, und darf die erforderliche Hülfe erhalten.

§. 14.

Auf die Schiffe und Fahrzeuge der Kaiserlichen Marine finden die Vorschriften der Verordnung nicht Anwendung.

Berlin, den 5. Juli 1883. Der Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal—⸗ und Gewerbe.

Angelegenheiten. In Vertretung: von Goßler. von Moeller.

Der Minister für Handel

Fragebogen.

Die nachstehenden Fragen sind von dem Schiffer und den Steuermann alsbald nach Empfang des Fragebogens schriftlich der Wahrheit gemäß vollständig zu beantworten. Die Richtigkeit der Antworten ist durch eigenhändige Namensunterschrift zu versichern und auf Erfordern eidlich zu bestärken. Der ausgefüllte Frage— bogen ist nebst

1) der Musterrolle, . ;

2) dem Gesundheitspasse des Abgangshafens und der etwa wäh— rend der Reise berührten Plätze,

3) denjenigen sonstigen Papieren, aus denen hervorgeht, an welchen Tagen das Schiff den Abgangshafen verlassen bezw. die unter— wegs berührten Plätze angelaufen und wieder verlassen hat,

zur Verfügung der Behörde zu halten.

1) Wie heißt das Schiff? .

23) Wie heißt der Schiffer (Kapitän?

3) Unter welcher Flagge fährt das Schiff?

4 Wo hat das Schiff seine Ladung eingenommen?

5) Wann hat das Schiff den Abgangshafen erreicht?

Wann hat es denselben verlassen? .

6) Welche Plätze hat das Schiff auf seiner Reise berührt?

Wann ist dies geschehen? (bezüglich eines jeden einzelnen Platzes zu beantworten).

7) Hat das Schiff unterwegs mit einem andern Schiffe Verkehr gehabt?

Wann hat der Verkehr stattgefunden?

Worin bestand derselbe?

Woher kam das fremde Schiff?

8) Nach welchem Platze ist das Schiff bestimmt? .

9) Hat das Schiff einen Gesundheitspaß vom Abgangshafen?

Von den während der Reise berührten Plätzen?

9 Hat das Schiff irgendwo in Quarantäne gelegen?

o?

Wann?

Wie lange? ;

1) .‚War an dem Abgangshafen oder an einem der Plätze, welche das Schiff berührt hat, die Pest, das gelbe Fieber oder die Cholera ausgebrochen, als das Schiff sich dort befand?

12) Wie groß ist die Zahl

der Besatzung der Reisenden an Bord? . h

ö. Hat das Schiff unterwegs Personen aufgenommen? o?

14) Sind an Bord alle gesund oder ist ein Kranker an Bord?

15) Ist während der Reise an Bord Jemand krank gewesen?

An welcher Krankheit? . .

16) Ist Jemand von der Besatzung oder von den Reisenden auf der Reise gestorben?

An welcher Krankheit?

Wann? .

179) Befinden sich die Betten oder die Kleidungsstücke, welche der (die) Verstorbeneln) an Bord benutzt hat (haben), noch auf dem Schiffe?

18) Aus was für Gütern besteht die Ladung? .

Sind darunter Hadern oder Lumpen, gebrauchte Leib⸗ oder Bettwäsche, gebrauchte Kleider, Papierabfälle, Flachs. Hanf, Werg, thierische Abfälle (Knochen, Blasen, Därme und dergl.), Felle, Häute, Hagre, Borsten, Federn, Wolle, Filz, Pelzwerk, Kürschnerwaaren, wollene oder seidene Waaren?

Die Richtigkeit und Vollständigkeit vorstehender Antworten ver— sichern wir hierdurch und erklären uns zur eidlichen Bestärkung der— selben bereit.

Schiffsarzt.

(Auf der Rückseite des Fragebogens sind die 55. 156, 183 und 327 des Straf⸗Gesetzbuchs ihrem voll ständigen Wortlaute nach abzudrucken.)

Abgereist: der Präsident des Königlichen Ober⸗Verwal⸗ tungsgerichts Persius nach Süddeutschland.

In der heutigen Handelsregister⸗Beilage wird Nr. 27 der Zeichen register⸗Bekanntmachungen veroffentlicht.

Aichtamtliches. Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 6. Juli. Zu dem gestrigen Diner bei Sr. Majestät dem Kaiser in Ems hatten, wie „W. T. B.“ meldet, Prinz Alexander von Oldenburg nebst Gemahlin Einladungen erhalten. Abends besuchten der Kaiser das Theater.

Heute machten Se. Majestät die übliche Kurpromenade und nahmen sodann Vorträge entgegen.

Se. Kaiser liche und Königliche Hoheit der Kronprinz begab Sich gestern zur Besichtigung der vier Garde⸗Landwehr⸗Uebungs⸗Bataillone vom 2. Garde⸗, 3. Garde⸗, dem Kaiser Alexander⸗ und Kaiser Franz⸗Regiment um 5 Uhr 29 Minuten früh nach Berlin und um 91, Uhr nach der Hygiene⸗Ausstellung zur Vertheilung der von Ihrer Majestät der Kaiserin gestifteten Preismedaillen.

Um 2 Uhr fand im Neuen Palais ein Diner statt, zu welchem die Mitglieder des Vorstandes der Hygiene⸗-Ausstellung eingeladen waren.

Die Befreiung der Briefe und Telegramme über die unter Nr. 4a. des Tarifs zum Reichs⸗Stem pelgesetz vom 1. Juli 1881 bezeichneten Geschäfte auf Entfernung von mindestens 15 kim von dem für Schlußnoten, Schluß— zettel ꝛc. vorgeschriebenen Stempel erstreckt sich, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, III. Strafsenats, vom 2. Mai d. J., nicht nur auf Briefe, welche nur unverbindliche Mit— theilungen enthalten, sondern auch auf solche Briefe, durch deren Inhalt der Beweis für den Abschluß des Geschäfts und dessen Bedingungen geführt werden kann. Hat aber das in Briefform abgefaßte Schriftstück die Bestimmung, eine Beweis⸗ urkunde über den Geschäftsabschluß zu schaffen, so ist dieses Schriftstück mit dem Stempel zu versehen Dies gilt ebenso für die Correspondenz zwischen Kontrahenten als auch für die Correspondenz zwischen Auftraggeber und Unterhändler über die von dem Letztecen vermittelten oder abgeschlossenen Ge— schäfte der in Tarifnummer 4a. gedachten Art.

Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Großherzoglich sächsische Geheime Legations-Rath Dr. Heer wart ist von hier abgereist.

Der heutigen Nummer des „Reichs- und Staats— Anzeigers“ ist eine „Besondere Beilage“ (Nr. 6), enthaltend Entscheidungen des Reichsgerichts, veigefügt.

Neuwied, 5. Juli. (W. T. B.) Als die Königin von Rumänien, die mrinze fin Feinrich ber Niederlande und der Fürst und die Fürstin von Wied gestern nach Coblenz fuhren, um Ihrer Majestät der Kgiserin einen Besuch abzustatten, wurden die Lakaien von der Equipage durch einen Blitz, der während eines schweren Gewitters in einen Baum schlug, heruntergeschleudert, ohne jedoch erheb— liche Verletzungen zu erhalten; die Hohen Herrschaften blieben unverletzt

Oesterreich⸗ Ungarn. Wien, 5. Juli. (W. T. B.) Die „Polit. Corresp.“ schreibt: Obschon eine imminente Gefahr für die Verschleppung der Cholera nach den Gegenden Oesterreichs vorerst nicht vorhanden ist, so hat die Regierung dennoch eine Reihe von Vorsichts— maßregeln angeordnet und den Behörden sowie der Be— völkerung zur strengen Nachachtung empfohlen. Die egyptischen Provenienzen, sowie die Reisenden werden in den österreichisch ungarischen Hafenorten einem in den Sanitätsreglements vorgezeichneten kontumaz-ärztlichen Ver— fahren unterzogen und die choleraverdächtigen Effekten gereinigt und desinfizirt. Die Eisenbahnverwaltungen sind verpflichtet, auf die sorgfältige Reinhaltung der Wartesäle, Restaurationen,

Aborte u. s. w. zu achten. Ein Cirkularerlaß an die einzelnen

Landesbehörden ordnet die sofortige telegraphische Anzeige der etwaigen bedenklichen Erkrankungsfälle an, die größeren Orts⸗ gemeinden sind angehalten, für die rechtzeitige Beschaffung von Unterkunftsräumen, die Reinigung und Entfernung der Fäulnißherde, die sanitäre Ueberwachung der Gasthöfe, Her⸗ bergen und Massenquartiere durch einzusetzende Sanitäts⸗ kommissionen Vorsorge zu treffen. Mit der ungarischen und der Landesregierung von Serajewo wird über die in Aus— führung begriffenen ober noch nöthigen Vorkehrungen eine ge— genseitige Verständigung hergestellt, wie auch dafür gesorgt ist, doß die Maßnahmen anderer Staaten gegen die Cholera so⸗ fort bekannt gegeben werden.

Frohsdorf, 6. Juli. (W. T. B.) Graf Chambord erfuhr erst gestern Abend die Ankunft der Prinzen von Orleans in Wien und beauftragte sofort de Riancourt, sich heute früh nach Wien zu begeben, um seinerseits den Grafen von Paris zu besuchen. Graf Chambord hatte bisher auf Rath der Aerzte Niemanden empfangen, auch nicht den päpst— lichen Nuntius.

Prag, 5. Juli. (W. T. B.) Der Landtag ist heute eröffnet worden. Der Oberst-Landmarschall, Fürst Lobkow tz, betonte in der Eröffnungsrede, das Land erwarte von seinen Vertretern eine Milderung der bestehenden Gegensätze und eine Festigung des beide Nationalitäten seit Jahrhunderten eng— umschließenden Bandes. Die Erreichung dieses Zieles und die Wahrung resp. Wiederherstellung des nationalen Friedens sei nur durch beivderseitige weise Mäßigung und Selbstbeherrschung möglich. Der Marschall gab der Hoff— nung Ausdruck, daß die Session nicht aus einem unfrucht— haren Kampf, sondern aus friedlicher, gemeinsamer Arbeit be⸗ stehen werde, und schloß endlich mit einem „Slava“ und „Hoch“ auf den Kaiser, worin die Versammlung begeistert einstimmte. Der Statthalter sagte in seiner Begrüßungsansprache an den Landtag, die von dem Oberst-Landmarschall geäußerten Wünsche entsprächen den Intentionen der Regierung und seinen perstn— lichen Wünschen und Bestrebungen. (Beifall.) Der öster—

reichische Patriotismus sei in diesem Hause jederzeit heimisch gewesen und bleibe es auch. Er hoffe zupersichtlich, daß die beiden Volksstämme trotz aller Schwierigkeiten zu friedlicher Arbeit und einträchtigem Zusammenwirken sich die Hände reichen, allen darauf gerichteten Bestrebungen werde er seine ganze Kraft weihen.

Wie das „Prag. Abendbl.“ meldet, wurde laut eines Telegrammes des Minister⸗Präsidenten Grafen Taaffe an den Statthalter mittels Entschließung vom 4. Juli Fürst Georg Lobkowitz zum Oberst⸗-Landmarschall und Dr. Waldert zum Stellvertreter ernannt. Das Landtags⸗Präsidium giebt bekannt, daß am 5 Juni um 11 Uhr ein feierlicher Gottesdienst in der Niklaskirche und um 12 Uhr die Eröffnung des Landtages stattfindet.

Schweiz. Bern, 5. Juli. (W. T. B.) Der National⸗ rath hat mit großer Mehrheit an den Bundesrath das Ver⸗ langen gestellt, die Frage zu prüfen, ob die Gotthardbahn zum Bau der aufgeschobenen Linien anzuhalten sei.

Großbritannien und Irland. London, 4. Juli. (Allg. Corr.) Im Oberhause stellte der Earl von Wemyß die Anfrage, welche Ausdehnung die Cholera in Egypten genommen habe, und welche Schutzmaßregeln die Regierung zu treffen beabsichtige, um eine Einschleppung der Seuche im Vereinigten Königreiche zu verhindern. Lord Granville sagte, die Frage sei von außerordentlicher Wichtigkeit, und die öffentliche Gesundheit müsse die Hauptsorge jeder Regie⸗ rung bilden. Die Cholera sei plötzlich an mehreren Orten in Egypten, namentlich aber in Damiette ausgebrochen, welche Stadt zu dieser Jahreszeit notorisch ungesund sei. Für die Ein— schleppung der Krankheit aus Indien liege nicht der geringste Beweis vor. Den eingetroffenen Berichten zufolge entwickelt die egyptische Regierung die größte Energie, um die Distrikte, wo die Krankheit ausbrach, zu isoliren und jede Verschleppung unmöglich zu machen. Gleich nach dem Eintreffen der ersten Nachrichten über den Ausbruch der Cholera erließ Lord Hartington die strengsten Weisungen an das Kommando der in Egypten stehenden britischen Truppen zur Ergreifung aller erdenklichen Vorsichtsmaßregeln, welche jedoch bereits getroffen worden waren, als dieser Befehl eintraf. In den englischen Häfen werden alle aus Egypten kommende Schiffe in Uebereinstimmung mit den Regulativen vom Jahre 1873 des— infizirt und die Ankömmlinge einer ärztlichen Untersuchung unterworfen. Ueber die Gefahr der Einschleppung der Krank⸗ heit könne er (Lord Granville) sich nicht offiziell äußern; allein ein von Sir William Gull, eine der ersten medi⸗ zinischen Autoritäten, abgegebenes Gutachten laute sehr be— ruhigend. Dr. Gull ist nämlich der Ansicht, daß der plötzliche und lokal beschränkte Ausbruch der Cholera darauf hindeutet, daß man es nicht mit der asigatischen Cholera zu thun habe, die sich stets schon im vorhergehenden Winter durch einzelne Fälle ankündigt, sondern daß man es mit einer choleraartigen Fieberform zu thun habe, die, durch lokale Ursachen hervor— gerufen, auch lokal bleiben, bald erlöschen und keinen epide— mischen Charakter annehmen wird

In Belfast kam es gestern Abend zu ernstlichen Ruhe— störungen. Die Katholiken suchten einer Schaar von Protestanten, die von einem Ausfluge heimkehrten, eine Fahne zu entreißen, was zu einem Straßenkrawall führte, der nur mit Mühe von der Polizei unterdrückt werden konnte. Ez gab zahlreiche Verwundungen und einige der Rädelsführer wurden verhaftet.

5. Juli. (W. T. B.) Der Herzog von Marlbo⸗ rough ist gestorven. Nach einem Telegramme des „Reuterschen Bureaus“ aus Brisbane (Queensland) vom heutigen Tage stößt die Entscheidung der englischen Regie— rung, die Annexion von Neu-Guinea zurückzu— welsen, wegen der dadurch hervorgerufenen Unzufriedenheit auf den Widerspruch der Kolonialregierungen von Queensland und, Viktoria, und weigern sich die Premier-Minister beider Regierungen die Entscheidung der englischen Regierung als delinitiv anzuerkennen.

Im Unterhause theilte der Unter-Staatssekretär Lord Fitzmaurice mit, daß bei dem Bombardement von Tama⸗ tave und Najunka englische Unterthanen nicht ums Leben gekommen wären, wohl aber Eigenthum eingebüßt hätten. Für den Fall, daß es nöthig werden sollte, würde das Schiff „Briton“ von Zanzibar nach Madagaskar beordert werden. Bezüglich der zwischen Frankreich und China bestehenden Differenzen erklärte Lord Fitzmaurice, daß die englische Regierung den beiden Staaten ihre Vermittelung bisher nicht angeboten habe. Lord Gladstone zeigte an, Colvin werde Baring in Indien ersetzen, der Letztere übernehme indeß nicht die Funktionen eines finanziellen Beiraths des Khedive. Unter⸗Staatssekretär Croß bestätigte, daß bis zum 23. Mai kein Cholerafall zu Salem in Ostindien vorgekommen wäre.

Oberst Clarke in Alexandrien, welchem der Sa— nitätskordon unterstellt ist, telegraphirte hierher, daß unter den Truppen, die den Kordon bilden, zwei Todesfälle in Folge Cholera vorgekommen sind.

Frankreich. Paris, 4. Juli. (Köln. Ztg.) Graf Cham bord hat auf seinen Wunsch den Segen des Papstes empfangen. In den Pariser Kirchen werden die Fürbitten fortgesetzt.

Der Ausschuß für den Staatshaushalt hat gestern beschlossen, der Kammer seinen Bericht über die Verträge mit den Eisenbahnen erst nach der Berathung der Tarife vorzulegen. .

5. Juli. (W. T. B.) Privatnachrichten aus Froh s— dorf zufolge hat sich der Zustand des Grafen von Cham— bord verschlimmert, die Schmerzen haben sich vermehrt.

Der Rinisterrath hat beschloßen, die Verlängerung der Session der Kammern bis nach erledigter Berathung über die Konventionen mit den Bahngesellschaften zu beantragen und erforderlichenfalls den Erlaß eines Gesetzes zur Hinausschiebung, der Generalrathswahlen vorzuschlagen. Der Ministerpräsident Ferry wird am 14. d. M. der Eathüllung der Statue der Republik auf der „(place de la 1ôbublique beiwohnen und dabei eine Rede halten. Der „Temps“ mißhilligt das Verhalten derjenigen Präfekten, welche den Geistlichen ihre Gehälter vorent—

halten, ohne sie vorher zu vernehmen, und welche Denun—

ziationen zu leicht zugänglich sind. Die Suezkanal— gesellschaft versendet folgendes Communiqué: Nachdem die Grundlagen für eine Verständigung zwischen der Suezkanal— gesellschast und der euglischen Regierung festgesetzt sind, be— giebt sich Lesseps auf Wunsch der Letzteren heute Abend nach London, um die Verständigung perfekt zu machen.

Svanien. Madrid, 6. Juli. Gesundheitsrath von Gibraltar verfügte eine Quarantäne von 21 Tagen für alle Provenienzen aus dem Orient, die den Suezkan al nach dem 28. Juni passirt haben. Das Auftreten der Cholera in Carthagena wird offiziell dementirt. In Teres sind 43 Anarchisten verhaftet worden.

Nußland und Polen. St. Petersburg, 3. Juli. (St. Petersbg. Ztg.) Der dirigirende Senat hat folgende Erläuterungen in Betreff des Rechts der Juden zum Getränkehandel publizirt: J. Im Weichbilde der Städte und Flecken wird den Juden der Handel mit Getränken in den Häusern gestattet, welche auf ihrem Grund und Boden stehen, auch wenn sie dieselben nach dem 3. Mai 1882 er⸗ worben haben sollten. II. Außerhalb des Weichbildes der Städte und Flecken dürfen die Juden nur in ihren eigenen Häusern, welche auf ihnen gehörendem Grunde erbaut wurden und nicht später als am 3. Mai 1882 in ihren Besitz über⸗ gingen, nach Bestätigung sämmtlicher Akten oder laut gericht⸗ licher Entscheidung mit Getränken handeln. III. Das Recht, in eigenen Häusern und auf eigenem Boden den Handel mit Getränken zu betreiben, kann auf diejenigen Juden ausge⸗ dehnt werden, welche solchen Besitz auch nach dem 3. Mai 1882 in solchen Gegenden geerbt haben, wo ihnen gestattet ist zu wohnen oder sich wieder anzusiedeln. IV. Um darzuthun, daß ein gewisses Haus und Grundstück wirklich einem Juden gehöre, muß, wenn er in demselben Handel mit Getränken treiben will, ein Akt über seine Einführung in den Besitz vorgewiesen werden. Die Einführung selbst kann dabei auch nach dem 3. Mai 18827 statt—⸗ gefunden haben, wenn nur das Eigenthumsrecht von dem Betreffenden vor dieser Zeit erworben ist. V. Die Juden haben nicht das Recht, den Handel mit Getränken auf einem Grund und in einem Hause auszuüben, welche ihnen nur auf lebenslängliche oder Zinspacht vergeben worden. Es wurde beschlossen, hiervon die Minister und die Dirigirenden der ein— zelnen Verwaltungen in Kenntniß zu sttzen, jene durch Ukase, diese durch Uebergebung einer Kopie dieser neuen Bestimmung an den Ober-Procureur des ersten Departements des Senats; desgleichen durch Ukase zu benachrichtigen: die General Gou⸗— verneure, Gouverneure und Gouvernements⸗Regierungen der— jenigen Ortschaften, in welchen den Juden die Niederlassung gestattet, und diese Bestimmung in vorgeschriebener Weise ab— zudrucken.

5. Juli. (W. T. B.) In Friedrichstadt (Kur— land) sind gestern Nachmittag durch eine Feuersbrunst gegen 50 Gebäude, darunter auch das Postamt, zerstört wor— den. 2000 Pud Flachs verbrannten, Menschenverluste sind nicht zu beklagen.

6. Juli. (B. T. B.) Der Minister des Innern hat angesichts der in Egypten ausgebrochenen Cholera— epidemie solgende Schutzmaßregeln gegen die eventuelle Einschleppung derselben in die südlichen russischen Gouverne— ments angeordnet: sämmtliche aus den egyptischen und an— deren Häfen des Mittelmeeres in die russischen Häfen des Schwarzen Meeres einlaufenden Schiffe, welche wegen der asiatischen Cholera unklare Patente haben, sollen mit den auf ihnen befindlichen Personen und deren Effekten einer sieben— tägigen Quarantäne unterworfen werden; die Abgabe von Pässen an xrussische Unterthanen mohamedanischer Religion, die nach Mekka zu pilgern beabsichtigen, soll sistirt werben; den Dampfern, die mit Arrestanten nach Ostsibirien gehen, ist untersagt, diejenigen egyptischen Häfen, wo die Epidemie herrscht, anzulaufen; die Packetboote, welche die regelmäßige Kommunikation zwischen den Häfen des Schwarzen Meeres und Konstantinopel resp. Egypten unterhalten, sollen während der Epidemie Schiffsärzte an Bord haben.

Die Reichseinnahmen betrugen im 1. Quartal d. J. 150 490 389 Rubel gegen 152 124 482 Rubel im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Der Ausfall ist durch die noch aus der vorjährigen Rechnung stammende Vexringerung der Ein— künfte entstanden, während die budgetmäßigen Einnahmen des 1. Quartals d. J. ein Plus von 386 233 aufweisen. Die Reichsausgaben im 1. Quartal d. J. betrugen 158 471 477 oder 3 825 310 Rubel mehr als im 1. Quartal 1882.

Asien. Persien. Teheran, 3. Juli. (Allg. Corr.) Es verlautet, daß zwischen Rußland und Perfien ein Vertrag über die Regulirung der nordöstlichen Grenze abgeschlossen worden ist, nach welchem Persien Kelati und Nadir behalten würde, Mero dagegen soll als russisches Territorium betrachtet werden. Die Ratifikation des Ver— trages soll in einigen Monaten erfolgen. Ein persischer Ge— neral geht demnächst nach der Grenze ab. Persien verpflichtet sich, alle Turkomanen, die sich auf persisches Gebiet geflüchtet haben, an Rußland auszuliefern und fie nicht weiter zu be— schützen oder für sie einzutreten, Turkomanen jedoch, die in Persien angesiedelt sind, bleiben daselbst. Der Vertrag besagt weiter, daß, wenn eine fremde Macht (England ist namentlich angeführt) gegen dieses Uebereinkommen Einsprache erheben sollte, Rußland die Beantwortung dieser Proteste üher— nehmen wird.

Zeitungs stimmen. In den „Berliner politischen Nachrichten“ lesen wir:

Als der Bundesrath seinerzeit das Verbot der Einfuhr amerika—

nischen Schweinefleisches erließ, da war die Entrüstung unserer frei⸗ händlerischen Opposition schon groß genug; ihr Zorn kannte aber keine Grenzen mehr, nachdem das Verbot auch auf Speckwaaren Anwendung fand, und die regierungsfeindlichen deutschen Blätter machten sich bereitwilligst zum Echo der ebenso sinn- als grundlosen Invektiven, mit denen eine wenig skrupulöse Interessenten⸗ klique jenseirs des Oeeans in den ihr zu Gebote stehenden amerika— nischen Preßerganen über das Deutsche Reich und den leitenden Staatsmann desselben herfiel. Wie ungerechtfertigt auch in diesem zweiten Fall das offensive Vorgehen unserer hetzerischen Opposition war, dürfte daraus erhellen, daß jetzt in Amerika selber Zeugen auf— treten, deren Aussagen ein fehr eigenthümliches Licht auf die bei Her= stellung der in den Konsum gebrachten Speck, und sonstigen Fett⸗ waaren werfen. ö Eine uns vorliegende Nummer der Chicagoer „Times. vom 13. Juni d. J erörtert die Prohibitivmaßregeln der Reichsregierung und die dagegen losgelassenen Angriffe der amerikanischen Produzenten, um dann wörtlich zu erklären:

; Die Times“ bedauern, sagen zu müssen, daß einige neuerdings aus Licht, gezogene Umstände ihnen nicht erlauben, den Schutz der amerilan ischen Schweinsprodukte mit gleichem Vertrauen sortzufüh— ren. Aus 1intersuchungen, die gegenwärtig am hiesigen Orte (Chi⸗— Ugo) angestellt werden, erhellt, daß es zwar Speck giebt, der aus Schweinefett besteht, aber auch solchen, in' dem daz Feit von Baum

(W. T. B.) Der

wollsamen, von Ochsen, Schafen und wer weiß was noch ent— halten ist. Es wird bejeugt, daß eine umfangreiche Speck⸗ Raffinerie hiesiger Stadt ein ganzes Spstem von Kesseln. Röhren, Kübeln, Bottichen und anderen Paraphernalienꝰ zum ‚Raffiniren“ des Speckes besitzt, deren effektive Leistungen verzweifelte Aehnlichkeit mit der patentitten Wurstfabrikationsmaschine jenes Jankees haben, welche man mit dem einen Ende blos in der Naͤhe einer Hundehütte aufzustellen braucht, um aus dem anderen alsbald echt importirte“ Bologneser Bratwurst zum Vorschein kommen zu sehen. Ein Mann, welcher eine der geheimnißvollen Speckleitungs röhren beaufsichtigte, sagte, daß der Inhalt aus dem Kessel Nr. 4 der Raffinerie in den Speckraum des Packhauses liefe, und daß befagter Kessel mit Talg und Baumwollsamenöl gefüllt wäre. An der Röhre waren Verschlußkappen derart angebracht, daß der Kesselinhalt nach Belieben entweder in die Raffinerie oder in einen der Bottiche geleitet werden konnte, wo der zur Versendung bestimmte Speck fabrizirt wurde. Ein anderer Zeuge, welcher in den Dampfräumen der Raffinerie ge— arbeitet hatte, sagte aus, daß in jenen Räumen der ranzig gewordene Sy an . * ; jeder er Raffinerie aeleite

Speck eingeschmolzen und wieder nach der Raffinerie geleitet wurde, Kessel Nr. 4 wurde außerdem zur Dämpfung des Rinder- und Hammeltalges und des Baumwollsamenöles benutzt.

Chemische Analysen der Chicagoer „Schweinefett“ Waaren ergaben, daß in den untersuchten Objekten sechsmal so viel Stearin steckte, als in reinem Speck enthalten ist; ferner wurde das Vor— handensein von nicht weniger als 100 0,0 Talg, oder Baumwollsamenöl oder anderen Pflanzenölen konstatirt.“

Auch in die Geheimnisse der transatlantischen Butterfabrikation führen uns die Chicagoer ‚Times“' ein Sie schreiben diesbetreffs:

„Butter, einst eine durch Schütteln von Sahne oder Milch er— zeugte Fettsubstanz, deren Erzeugung man an die Existenz der Kuh geknüpft glaubte, hängt jetzt von der Verwendung von Talg, Baum⸗ wollsamen, terra alba und anderer Färbemittel ab. Um der gestei⸗ gerten Nachfrage zu genügen, bedarf es keiner Vermehrung des Kuh— bestandes. Man braucht nur das nöthige Quantnm von Geräthschaften, als da sind: Kessel, Röhren, Bottiche ꝛc. . . . Gleich den Wunderflaschen, aus welchen Jahrmarktsgaukler alle möglichen Flüssigkeiten ausschenken, giebt der Inhalt eines und desselben Kessels, aus einer Mischung von Talg und Baumwollsamenöl bestehend, je nachdem Butter oder Speck jedes gewünschten Grades und Qualität. Wollt ihr Speck, so dreht ihr an dem Abzugs hahn so, daß das genannte Mixtum compo-— situm nach dem Speckraum fließt; wollt ihr Butter, dann dreht ihn so, daß die Masse nach dem Butterraum geleitet wird. Das Ver— fahren zeichnet sich durch seine Einfachheit aus und erspart gegenüber den alten Methoden zur Herstellung dieser angenehmen Konfumtilien viele Arbeit.“

Die Quintessenz ihrer Darstellung ziehen gendem:

»Es mag unverständig scheinen, daß fremde Regierungen Ein— wendungen wider dergleichen Produkte amerikanischer Industrie er— heben, aber ist dem auch wirklich so? Wir haben Grund zu der Annahme, daß ihre Einwendnngen sich auf den Namen beziehen, unter welchem jene Artikel auf ihre Märkte gebracht werden. Wür— den dieselben in ehrlicher Weise als Mixturen von Talg, Baumwoll— samenöl ꝛc. zum Verkauf gestellt, so würden Einwendungen gegen ihren Import am Ende kaum Platz greifen. Wenn aber AÄmerikaner auf europäischen Märkten ein Gemisch von Baumwollsamenöl und Talg als amerikanische Butter oder amerikanischen Speck feil⸗ bieten, dann hat das Verfahren außerordentliche Aehnlichkeit mit Betrug und mit den Schwindelmanövern von der Holzschinken und Holz⸗Muskatnußsorte. Es ist gerade diese amerikanische Schwindel praxis, welche mit gutem Recht die Feindschaft der fremden Mächte hervorruft, und welche der ehrenhaften amerikäanischen Industrie un—⸗ berechenbaren Schaden zufügt.“

Die „Berliner Börsen-⸗-Zeitung“ schreibt:

Die allgemeine Geschäftslage von Handel und Industrie im Re— gierungsberik Cassel schreitet in der Besserung zwar langsam, aber stetig fort und ein Rückgang ift nirgend wahrzunehmen. Der seit Jahresfrist in der Nähe bei Cassel bei Hohenkirchen im Kreise Hof— geiemar aufgenommene Eisenerzbergbau hat sich in erfreulicher Weife entwickelt. Die Zahl der Bergarbeiter ist in fortwährendem Steigen begriffen. Auch das von einer Privatgesellschaft wieder in Betrieb gefetzte fiskalische Eisenbergwerk bei Bieber im Kreise Gelnhausen zeigt günstige Resultate, was um so erfreulicher ist, als die sehr arme Bevölkerung der Gegend loh— nende Beschäftigung theils beim Bergbau selbst, theils durch Fuhren— leistung nach den nächsten Bahnstationen findet. Ebenso haben die Steinkohlengruben bei Obernkirchen in Förderung und Absctz befrie— digende Resultate aufzuveisen. Die Maschinenfabriken haben volle Beschäftigung gehabt. Die Tuchfabriken in Melsungen, Hersfeld und Eschwege haben genügenze Aufträge und sind in stetem Betrieb; des⸗ gleichen die Filzwaarenfaͤbriken.

Ferner:

Als ein Beweis, daß die deutsche Schiffsbau⸗Industrie auch im Auslande und selbst in England sich Terrain zu erobern anfängt, dürfte die Thatsache Erwähnung verdienen, daß auf Ullrichs Werft in Vegesack z. Z. ein Dampfer von ca. 800 t in Ban ist für die Rhederei William France in London. Der Dampfer wird vollständig bis auf die Maschine fertig gestellt, dann unter Segel nach England gebracht und wird in Glasgow die Maschine erhalten.

Aus Dresden wird der „Schlesischen Zeitung“ über den Export nach Amerika berichtet:

Im zweiten Quartal d. J. bezifferte sich die Waarenaus— fuhr nach den Vereinigten Staaten für den Konsularbezirk Dresden auf 222 297 Dollar, was gegen die correspon— dirende Periode des Vorjahres ein Plus von 32 144 Dollar ausmach!. Die Hauptausfuhrartikel bildeten Glas-, Por—⸗ zellan⸗ und Steingutwaaren, photographische Papiere, Woll— leinene und halbleinene Waaren. Auch im Konsularbezirk Leipzig hat sich die Ausfuhr nach den Vereinigten Staaten von Amerika im Jahre 1882 gegen das Vorjahr mit 3565 3665 Dollar um 32978 Dollar gehoben. Der Konfularbezirk Chemnitz endlich exportirte n. d. J. für 3 202 761 S 76 3 nach der nordamerikanischen

nion.

Der „Ledermarkt“ enthält einen Aufsatz üher die Lederfabrikation in Elsaß-Lothringen, dem wir Folgendes entnehmen:

Das Reichsland ist ein gesegneter Strich Ecde; seine Bewohner sind ein kernhaftes, tüchtiges Volk. Wenn auch die politischen Er— eignisse der Jahre 1870/71 noch eine gewisse Verbitterung bei der Bevölkerung der Reichlande hinterlassen haben, so beginnt man doch nach und nach einzusehen, daß der Tausch der Nationalität mehr Vortheile wie Nachtheile bringen kann, sobald man sich mehr den deutschen Verhältnissen angepaßt haben wird, und mit der Zeit schwindet dann immer mehr der Groll, der bei jedem Besiegten sich einzustellen pflegt. . . . Taback, Hopfen, Wein, die drei Haupterträgnisse des Landes, haben an Deutschland einen besseren Abnehmer gefunden, als früher Frank— reich war; die Steuern und Lasten, namentlich die indirekten Abgaben, sind kleiner wie jetzt in Frankeeich, und nicht größer als früher. Auch einzelne Industriezweige prosperiren jetzt mehr als vor 1870, nur mußte der Industrielle seine alte französische Kundschaft meist aufgeben und sich in Deutschland neue suchen; dieser Wechsel hat selbstverständlich vielseitig Opfer verlangt und auch Lehrgeld gekostet.

. ... Von den Gerbern des Reichslandes kann man nicht sagen, daß es ihnen schlechter ginge wie unter Frankreich; einzelne Zweige, namentlich die Kalb und Vachelederfabrikation, haben fogar profitirt, andere keinesfalls verloren. Der Uebergang war allerdings schwierig und es gab auch hier Gerber, die aus Angst naß zu werden, ins Wasser liefen; sie ließen ihre Geschäfte aus Aversion gegen Deutschland eingehen und wanderten nach Frankreich, wo sie eine noch schwierigere Situation vorfanden. Dem Gerber im Reichsland stehen drei Vortheile zu Gebote: ein vorzügliches Rohmaterial, sowohl in Qualität wie in Schlachtung, dann der günstige Bezug guter einheimischer und französischer Rinde . . . . und endlich ein

in Fol⸗

; . die „Times

gutes Arbeitspersonal. Eine Schwierigkeit dagegen besteht, wie be⸗ reits erwähnt, für ihn darin, daß die französische Zollgrenze ihn außer Stand sehn, viel nach Frankreich zu liefern, und er es noch nicht verstanden bat, sich in Deutschland eine neue Kundschaft zu er= werben. Er ist dadurch oft auf den beschränkten Ab- satz im Reichsland selbst angewiesen, das aber nicht genügend Konsum für die ganze Fabrikation hat. .... Die meisten größeren Gerbereien baben hier gute maschinelle Einrich—⸗ tungen (Dampfbetrieb, Walken, Hämmer, Ausstoß, Lissir⸗, Spalt maschinen 2c. c eigenthümlicherweise aber höchst selten gute Walz- werke. Für Kalb und Vacheleder ist das Reichsland entschieden zu den leistungsfähigsten Gegenden Deutschlands zu rechnen be⸗ sonders Barr, Straßburg ꝛc. für die übrigen lohgaren Sorten, namentlich für Zahmsohlleder, zu den beachtenswerthesten Dabei ist der reichsländische Gerber intelligent, interessirt sich für alle Neuerungen und ist für wirkliche Fortschritte in der Fabri kation immer zu haben. Er ist auch von früh bis spät immer im Geschãfte zu finden, dabei einfach und bescheiden in seiner Lebens- weise. Die Fabrikation der Reichslande gewinnt deshalb mit der Zeit jedenfalls an Ausdehnung, sie wird dereinst am deutschen Markte noch eine beachtenswerthe Rolle spielen.

Zurichtereien, wie man sie in Frankreich findet, giebt es mit einer Ausnahme, die wir gleich nennen werden, im Reichsland nicht. Seit Elsaß⸗Lothringen deutsch geworden, hat sich aber und dies ist die erwähnte Ausnahme in Straßburg eine große Zurichterei, verbunden mit Gerberei und Lederhandel, etablirt. . ..

Die Erzeugnisse dieser Fabrik sind, was Gerbung und Zurich tung anbelangt, als vollkommen zu bezeichnen. Die Fabrik ist mit allen Sorten Maschinen (Spaltmaschine. Walkfässer, Klopfhammer, Krispel“, Stoß-, Chagrinier-⸗, Walz⸗, Quadrillier Streckmaschine) der Neuzeit versehen und arbeitet mit 5 Zurichtern, so daß das be⸗ treffende Geschäft als auf der Höhe der Zeit stehend angesehen werden darf.

Die elsaß lothringer Lederindustrie ist ein kräftiger Zweig an dem Stamm der deutschen Gerberei geworden; möge sie ferner wachsen und gedeihen!

Aus dem Wolffschen Telegraphen-Bureau.

London, Freitag, 6. Juli. Das „Reutersche Bureau“ läßt sich aus Sydney vom heutigen Tage melden, ein fran— zösisches Kriegsschiff habe die französische Flagge auf den Neuen Hebriden aufgehißt.

Statiftische Nachrichten.

Die deutsche überseeische Auswanderung über deutsche Häfen und Antwerpen betrug im Mai d. J. 25 184 Personen, in den 5 Mo⸗ naten Januar bis Mai 80 813; im Vorjahre 27 537 bezw. 102 324.

Nach Mittheilung des Statistischen Amts der Stadt Berlin sind bei den hiesigen Standesämtern in der Woche vom 24. Juni bis inkl. 30. Juni er. zur Anmeldung gekommen: 184 Ehe⸗ schließungen, 812 Lebendgeborene, 37 Todtgeborene, 973 Sterbefälle.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Dr. Georg Herzog, der neu ernannte Direktor der König lichen Porzellanmanufaktur, ist in der Nacht zum Mittwoch hierselbft gestorben.

Von den Predigten, die der Pastor Pank in der Nikolaikirche zu Leipzig hält, erscheint bekanntlich eine Auswahl von den 12 Predigten in einzelnen Druckheften, die später zu einem Bande vereinigt werden können. Dem ersten Heft (Singet dem Herrn ein neues Lied) ist jetzt ein zweites gefolgt: Die Jordanfurt des neuen Testaments, Predigt über Apostelgeschichte 2, 357 39, am Trinitatis ˖ Sonntag 1883, die, wie Jephtha mit den Gileaditen an der Jordanfurt den Feinden die Frage vorlegte: „Bist Du ein Ephraiter?“ Diejenigen, welche durch die Taufe in das Christen thum aufgenommen sind, der Probe und Peüfung unterwirft, ob sie zum Volke Gottes gehören. Den Verlag dieser Predigten zesitzen jetzt die Herren Friedr. Schulze in Berlin und die F. C. Hinrichssche Buchhandlung in Leipzig. Der Preis der Hefte stellt sich auf 25 3, bei Vorausbestellung der ganzen Sammlung auf 20 3

Die illustritte Prachtausgabe von Lessings Werken, welche Sigmund Bensingers Verlag in Wien, Leipzig und Prag ver— anstaltet hat, liegt mit der kürzlich erschienenen 59. Lieferung nun— mehr abgeschlossen vor. Die drei letzten Lieferungen enthalten die Fortsetzung der Briefe antiquarischen Inhalts und die höchst interessante und geistvolle, ästhetischkunstgeschichtliche Untersuchung: „Wie die Alten den Tod gebildet“, letztere noch besonders reich und sorgfältig illustrirt. Die bekanntlich von Heinrich Laube revidirte Ausgabe hietet in der vorliegenden Gestalt eine Autlese des Bedeutsamsten, was Lessing als Dichter und Kritiker hinter⸗ lassen hat, unter klüglichem Verzicht auf die dem weiteren Vublikum nur wenig Interesse bietenden theologischen Schriften und die schönwissenschaftlichen Kritiken, welche nur den Literaturhistoriker angehen. Eine Anzahl begabter Vertreter der jungen Wiener Malerschule hat die illustrative Ausstattung besorgt, die in zahlreichen, vortrefflich in Holz geschnittenen Einzelblättern, Terthil dern, Kopfleicten, Initialen und Schlußstücken eine Fülle frisch sprudelnder, ja üppiger künstlerischer Erfindung zeigt. Trotz diefes reichen äußeren Schmucks hat die Verlagshandlung den Preis der Lieferung auf nur 50 3 berzessen, so daß die ganze Ausgabe sich für die Abonnenten (ungebunden) auf noch nicht 30 berechnet. Für den Eiaband hat die Ben singersche Verlagsbuchhandlung elegante farbige Leinwanddecken in Gold und Schwarzdruck herstellen lassen, die von ihr zum Preise von 1BI0 M für jeden der drei Bände des Werks abgegeben werden.

»Die Bedeutung der Viehversicherung für die QWypgiene ist der Titel einer interessanten Abbandlung, welche der Direktor der Rheinischen Viehversicherungs⸗Gesellschaft zu Cöln, A. Jacger, im Verlage der L. Moekerschen Druckerei zu Cöln hat erscheinen lassen. Der Verfasser will, wie er in der Einleitung sagt. nicht nur etwaige Zweifel an der Berechtigung der Zusammenstellung der Viehversicherung und Hygiene heben, sondern vielmehr den Nachweis führen, daß gerade die Viehversicherung für die Hygiene eine sehr große Bedeutung hat. Diesen Nachweis giebt der Verfasser in Gestalt der Lösung der folgenden 3 Fragen: 1) Liegt im Jateresse der öffentlichen Gesundheitspflege das Bedürfniß vor, die zum menschlichen Genuß bestimmten, krank— heitshalber abgeschlachteten Thiere vor und nach dem Schlachten der thierärztlichen Beschau zu unterstellen? 2) Wie ist es mit der Fleisch= beschau und dem Veterinärwesen im Deutschen Reich bestellt? 3) In wie weit bietet die. Viehversicherung einen Ersatz für die Fleischbeschau? Die fleißige Arbeit findet in umfangreichen tatistischen Tabellen, für welche das Material zu beschaffen offenbar sehr mühevoll war, ihre erläuternde Stütze. In diesen Tabellen sindet man über alle größeren Städte Deutschlands u. A. folgende Fragen beantwortet: Bestehen dort öffentliche Schlacht— häuser? Welche Thiergattungen werden darin geschlachtet? Stehen die Schlachthöfe unter veterinärpolizeilicher Aufsicht? Be— steht Schlachthauszwang? Müssen die zu schlachtenden Tbiere vor dem Tödten durch einen approbirten Thierarzt untersucht werden? Wird die Fleischschau auch durch Nichtthierärzte ausgeübt? Ferner findet man da Angaben aus einigen Städten über die Masse des in den letzten Jahren geschlachteten und des als völlig oder theilweise ungenießbar verworfenen Viehes.

Im Verlage von Opitz u. Co. in Güstrow erschien soeben:

Das Altarwerk der beiden Brüsffeler Meister Jan

Bormann und Bernaert van Orley in der Pfarrkirche zu Güstrow. 9 Fo iophotographien in eleganter Mappe mit Erläuterung von Hofrath Dr. Fr. Schlie, Direktor des Großherzog