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Armirungs⸗ und Schießübungen der zur Inspektion gehörigen Regimenter hier wieder eingetroffen.
— Der Contre⸗-Admiral Graf von Walder see, à la snite der Marine, ist zur Abstattang persönlicher Meldungen hier angekommen.
Bayern. München, 30. August. Die „Allg. Ztg.“ meldet: Auf Befehl Sr. Majestät des Königs begiebt sich Obersthosmarschall Freiherr von Malsen am Sonnabend mit der benöthigten Ho)dienerschaft, Equipagen u. s. w. nach Würzburg, woselbst auch heuer der Kronprinz des Deut⸗ schen Reiches und von Preußen die ihm von Sr. Majestät zur Verfügung gestellte Wohnung im Königlichen Schlosse be— ziehen wird. Der Hohe Gast trisst in der Nacht vom Sonn— tag auf Montag dort ein, bleibt bis Dienstag Nachmittag und reist dann direkt nach Berlin ab.
— 31. August. (W. T. B. Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz traf heute Mittag, kurz vor 12 Uhr von Ingolstadt, wo Höchstderselbe Truppen— besichtigungen vorgenommen hatte, hier ein, wurde am Bahn— hofe vom Ober⸗Bürgermeister von Erhardt und von dem stell— vertretenden Polizei⸗Direktor Regierungs⸗Rath Schuster, sowie von dem preußischen Legations-Sekretar Grafen Eulenburg, in Vertretung des abwesenden Gesandten Grafen Werthern, em— pfangen und begab Sich nach Seinem Absteigequartier in den „Vier Jahr szeiten“. Heute Nachmittag wird Se. Kaiserliche Hoheit um er Führung des Grasen Kalkreuih die Kunstaus— stellung besuchen.
Sachsen Coburg Gotha. Coburg, 30. August. (W. T. B.) Die Erbprinzessin von Sachsen⸗Mei⸗ ningen und der Herzog von Edinburg sind hier ein— getroffen.
Oesterreich⸗ Ungarn. Salzburg, 30. August. (W. T. B.). Der Reichskanzler Fürst von Bismarck ist mit seiner Gemahlin und seinem Sohne, dem Grafen Herbert von Bismarck, heute Nachmittag 1, Uhr hier ein— getroffen und im Hotel Europe abgestiegen. Nachmittag 3 Uhr traf der Minister des Auswärtigen, Graf Kalnoky, hier ein und wurde am Bahnhofe von dem Grafen Herbert Bismarck en pfangen und in das Hotel Europe geleitet.
Pest, 29. August. (Pr.) Der „Nemzel“ theilt mit: die Rücktehr mehrerer Minister nach Pest hänge mit den ernsten Angelegenheiten in Kroatien zusammen, nachdem der Banus die ihm aufgetragene Aufgabe auszuführen sich weigert. ö
— 30. August. (W. T. B.) Nach hier eingetroffenen Nachrichten aus Socitor hat eine Bande von 400 wohl— bewaffneten fremden Meuterern in der vergangenen Nacht
von Mitternacht bis 3 Uhr früh das der jüdischen Be—
völkerung gehörende Eigenthüum geraubt, indem sie die Einwohner mit Niederschießen bedrohte. .
Agram, 30. August. (W. T. B.) Wie die „Agramer Zeitung“ meldet, hatte der Banus die Vollstreckung der Ministerrathsbeschlüsse nur unter der Bedingung übernommen, daß dieselben glatt durchführbar wären. Der Banus mußte aber aus den Berichten die Ueberzeugung schöpfen, daß die Bevölkerung von Kroatien lieber alle Kon— sequenzen einer Weigerung ertragen, als die in den Wappen— . mit ungarischer Schrift liegende Ungesetzlichleit dulden würde.
Frankreich. Paris, 30. August. (W. T. B.) Dle Minister Chaͤllemel-Lacour und Peyron machten im Ministerrath heute srüh detaillirte Mittheilungen über die Verhandlungen in Hue. Das Vertrags⸗ instrument werde in etwa einem Monat hierher gelangen. Außer den bereits bekannten Klauseln bestimmt die Kon— vention auch, daß die Proxinz VBinthuan an Frankreich ab— getreten werde, als Abzahlung der alten Schulden Annams an Frankreich. Ein Lufttelegraph wird zwischen Saigun und Hanoi hergestellt. In den Hauptorten aller Provinzen Tongkings können Residenten angestellt werden; die Residenten werden begleitet sein von französischen Streit— kräften in einer Anzahl, die für nothwendig erachtet wird. Die französische Regierung soll ebenfalls dem rothen Fluß entlang Befestigungen und die nöthigen Posten errichten können. Der französische Resident in Hue wird das Privilegium persönlicher Audienzen bei dem Souverän erhalten. Die Zollver— waltung in Annam wird vollständig in die Hände Frankreichs
gelegt. In weiteren Konferenzen soll das Handels- und Zollregime
geregelt werden. Der Schiffs Lieutenant Champeaux ist zum bevollmächtigten Minister für Hue ernannt worden. Ordensauszeichnungen und Geschenke werden demnächst an den König von Annam und seine Bevollmächtigten abgesandt werden. Der Civilkommissar Harmand ist zum Offizier der Ehrenlegion ernannt und für den Bischof Caspar das Kreuz der Ehrenlegion verlangt worden für die hervorragenden Dienste, welche er Harmand nach dessen eigener Mittheilung bei den letzen Ereignissen leistete.
Türkei. Konstantinopel, 29. August. (Pr.) In Folge der ungünstigen Berichte über die Zustände an der serbischen und montenegrinischen Grenze wurde Ahmed Hifsi Pascha, der Gouverneur von Kosowo, zur Be— richterstattung hierher berufen.
dtumänien. Bu kare st, 30. August. (W. T. B.). Dem „Romanul“ zufolge ist der Minister-Präsident Bratiano noch leidend und wird demnächst nach Aix⸗les⸗bains zurückkehren.
Bulgarien. Ru stschuk, 29. August. (Presse.) Der Fürst hat den Führer der Liberalen, Dragan Zan kow, in besonderer Audienz empfangen und die Fusion der Liberalen und Konservativen gutgeheißen. Zankow erklärte, daß die Li— beralen Rußland gegenüber, das Bulgarien befreite, nicht feindselig gesinnt sein können; es sei aber zu wünschen, daß Bulgarien nicht der Willlür einzelner Beamten und Offiziere ausgesetzt bleibe.
Rußland und Polen. St. Petersburg, 30. August, (W. T. B.) Die Zolleinnahmen betrugen bis zum 1. Juli d. J. 456233 095 Rbl. gegen 4919 209 Rbl. in dem gleichen Zeitraum des Vorjahres, der Edelmetallimport 2 748 356 Rbl. gegen 4047 285 Rbl, der Edelmetallexport 23 651 686 Rbl. gegen 31 895 024 Rbl.
Dänemark. Kopenhagen, 30. August. (W. T. B. Vom Hafenplatze aus hegab sich der Kaiser von Riu Fand mit dem König und dem Kronprinzen in einem offenen Wagen durch die mit Flaggen festlich geschmückte Stadt nach
dem Bahnhofe; die Kaiserin und die Königin folgten in
einem zweiten offenen Wagen, und an diesen schlossen sich die
Wagen mit den anderen Mitgliedern und Gästen der König—
lichen Familie an. Um 12 Uhr begab sich der ganze König—
r. Hof mit seinen Gästen mittels Extrazuges nach Fredens— org.
Amerika. New-⸗York, 28. August. (Allg. Corr.) Die Regierung der Vereinigten Staaten hat das Gut Wakefield, im Kreise Westmoreland, Virginien, wo George Washington geboren wurde, käuflich erworben. Es ist etwa S6 englische Meilen von Washington gelegen, hat 20 Morgen im Umfange und bildete einen Theil des Besitzthums von Washingtons Großvater. Der Kongreß hat überdies 33990 Dollars votirt behufs Exrichtung eines Menuments auf der Stelle, wo der „Vater seines Landes“ das Licht der Welt erblickte.
Zeitungsstimmen.
In ihrem heutigen Leitartikel sagt die „Po st“ über die Rede, mit welcher der Staats-Minister von Boetticher den Reichstag eröffnet hat:
In der Sache selbst bestätigt die Rede in vollem Umfange die Auffassung, welcher wir bezüglich der Absichten der Reichsregierung und ihrer auf die sorgsamste Wahrung der verfassungsmäßigen Rechte des Reichstages gerichteten Tendenzen vorgestern Ausdruck gaben. ... = Dieser entgegenkommende Charakter der Eröffnungsrede findet seinen besonders scharfen Ausdruck in dem diittletzten Satz der Rede, in welchem als Grund für die beschleunigte Zusam menherufung des Reichstags die in weiten Kreisen laut gewordene Klage über die Abweichung von dem Buchstaben der Verfassung bezeichnet wird. Wir, unsererseits können diesen Standpunkt nur mit Genugthuung begrüßen. .. .
Je sorgsamer die Regierung sich die Wahrung der Rechte der Bolks— vertretung angelegen sein läßt, um so nachdrücklicher kann sie Angriffe auf ihre eigenen Rechte zurückweisen, um so sicherer auf die Unter— stützung aller nicht fattiösen Elemente in den gesetzgeberischen Körper⸗ schaften rechnen. Vor Allem aber ebnet eine solchke peinliche Berücksichti— gung der bestehenden Verfassungsrechte den positiven Aufgaben der Gesetz. gebung und namentlich denen die Wege, deren befriedigende Lösung die Zusammenfassung der ganzen Kraft der gesetzgeberischen Srgane er heischt, wie dies bezüglich der Sozialgesetze der Fall ist. Hierbei ist offenbar der in den Kinderjahren konstitutionellen Lebens Überall und vorzugt weise in Deutschland hervortretende, bei uns noch immer nicht ganzüberwundene Standpunkt grundsätzlichen Mißtrauens gegen die Re⸗ gierung ein überaus erschwerendes Moment. Die Befürchtung eines auf Machterweiterung gerichteten Hintergedankens kränkelt bei uns nur allzu⸗ leicht selbst die Bearbeitung solcher Fragen an, welche die volle und rückbaltlose Hingabe aller Betheiligten, die ausschließliche kraftvolle Durchdringung mit den Forderungen der galus publica fordern. In der Begrüßungsrede an den Reichstag erblicken wir daher nicht nur die Gewähr für die harmonische Lösung der vorliegenden Frage, sonder ein gutes Omen für die künftig in Angriff zu nehmen den großen Probleme der Sozialgesetzgebung. . W Die „Frankfurter Zeitung“ äußert sich über
die Reichstags-Eröffnungsrede wee folgt: . Die Genugthnung, die man in den weitesten Kreisen über die Einberufung des Reichstags empfand, kann durch die Rede, mit der der Minister Boetticher die Session eröffnete, nur befestigt und ver— stärkt werden. Die Regierung bestreitet jede Absicht einer Ver af⸗ sungsverletzung; sie will bei Inkraftsetzung des Tarifs lediglich die wirthschaftlichen Interessen der Nation im Auge gehabt und Willenz gewesen sein, die nachträgliche Zustimmung des Reichstags sobald els thunlich herbeizuführen. Wir haben keinen Grund, die boöͤna fides der Regierung zu bestreiten
— Die heutige „Staatsbürger-Zeitung“ schreibt:
Die Diskussion in der gestrigen Sitzung des Deutschen Reichs tags wird unsere Leser davon überzeugt haben, daß der Handelsvertrag zwischen dem Deutschea Reich und Spanien an und für sich auf keinen Widerstand stößt. Nur für die Hamburger Spritfabrikanten glaubt man eine Lanze brechen zu müssen, ohne daran zu denken, daß alles, was man dafür sagen kann, den Interessen, um derentwillen überhaupt Handelsverträge abgeschlossen werden, direkt widerspricht.
Wir geben zu, daß die Zurückweisung des russischen Spiritus über Hamburg für die deuische Spiritussabrikation günstig ist, und daß die Agrarier diesen Ausschluß ungemein willkommen heißen; was folgt aber daraus? Wir meinen die Hebung eines Industrie—⸗ zweiges, der in Deutschland eine sehr große Rolle spielt. Aus die sem Grunde sehen wir denn aber auch gar nicht ein, weshalb die dertsche Reichsregierung durch Zurückweisung einer Forderung dec spansschen Regierung, die einem sehr großen Theile der deutschen Bevölkerung u Gute kommt, das Zustandekommen eines Handelsvertrages ge— fährden soll, dessen Vortheile für das Deutsche Reich allgemein an—Q erkannt worden sind.
Die Vertreter der Interessen der Hamburger Spritfabrikanten sprechen davon, daß der zussische Spiritus dem deutschen Spiritus garnicht nachstehe, und daß es für die Spanier denn auch ganz gleich sei, ob sie den Sprit aus russischem oder aus deutschem Sxpiritus beziehen. Wir sind in dieser Sache zu wenig Techniker, um diese Behauptung zu wiederlegen, aber wir meinen, daß es für einen Staat doch der sonstigen Motive genug geben kann, die Einfuhr ge— wisser Gegenstände aus einem anderen Staate nicht zuzulassen. Nehmen wir an, daß die spanische Regierung durch dieses Verbot die russische Regierung zu Konzessionen zwingen will, welche die letztere bisher hartnäckig verweigerte. Hat in diesem Falle das Deuische Reich cin Recht, diese Weigerung illusorisch zu machen, indem es die Um gehung derselben ermöglicht? „Ja, wenn es doch nur nicht die Agrarier wären!“ Dies ist der eigentliché Grund, aus dem man sich in so hohem Grade für die Hamburger Spritfabrikanten echauffirt. Wir können einen solchen Grund umspweniger anerkennen, als wir meinen, daß man Parteiinteressen und wirthschaftliche Interessen sehr sorgfältig auseinander halten sollte. Im übrigen glauben wir, daß der deuische Reichstag durchaus nicht dazu berufen ist, „ hambur gischer' zu sein, als der Hamburger Senat, der das Zustandekommen des Handelsvertrages für die Interessen des Teutschen Reichs und wahrscheinlich auch für die des Hamburger Gebiets höher veranschlagt als die Sonderinteressen einiger Spritfabrikanten, deren Schädigung vielleicht auch mehr eine eingebildete als eine wirkliche ist. . . .
Neichstags⸗Angelegenheiten.
. Die Abtheilungen des Reichstages haben sich gestern kon⸗ stituirt. Es sind gewählt worden: in der ersten Abtheilung Abg. rhr, von Wendt zum Vorsitzenden, Abg, von Bernuth zu dessen Stellvertreter, Abg. von Uechtritz⸗Steinkirch zum Schriftführer und Ahg, Schroeder (Wittenberg) zu dessen Stellvertreter; in der zweiten Abtheilung: Abg. Dr. Bamberger, Abg. von Sceydewitz,. Abg. Graf von Preysing (Landshut) und Abg. Lüders (Hessen); in der dritten Abtheilung: Abg. Ackermann, Abg. Dr. Reichensperger (Crefeld), Abg. Härle und Abg., Pr. Gauß; in der vierten Abtheilung: Abg. Dr. Stephani, Abg. Täöwe, Abg. Heydemann und Abg. Grüte⸗ ring; in der fünften Abtheilung: Abg. Dr. Windthorst, Abg. Dr. Frhr. Schenck von Stauffenberg, Abg. Br. Hartmann und Abg. Dr. Schläger; in der sechsten Abtheilung: Abg. Ausfeldt, Abg. Frhr. von Unruh⸗Bomst. Abg. Dr. Porsch und Abg. Rademacher; in der siebenten Abtheilung: Abg. Staelin, Abg. Horn, Abg. Frhr. von Dalwigk und Abg. von Köller.
Etatistische Nachrichten.
Das rom Kaiserlichen Statistischen Amt soeben ausgegebene Juli-Heft zur Statistik des Deutschen Reichs enthält neben den auf den Menat Juli bejüglichen Uebersichten über die Waarenein und Ausfuhr. Großhandels preise und Auswanderung eine Anzahl zum Theil umfangreicher Arbeiten bezw. Nachweisungen, nämlich I) über die Ernte des abgelaufenen Erntejahres; 2) uber Menge und Werth der Waareneinfuhr und Ausfuhr im Jahre 1382 (Auszug aus dem kürzlich erschienenen 60. Bande der Statistik des Deutschen Reichs); 3) über die im Jahre 1852 von deutschen Geꝛichten abgeurtheilten Verbrechen und Vergehen; 4) eine auf die Berufsstatistik bezügliche Arbeit, enthaltend Be⸗ rechnungen über die Vertretung der Geschlechter und der Altersklassen bei den Selbständigen, dem Verwaltungspersonal, den Gehülfen und Arbeitern in den einzelnen Berufe gruppen; außerdem eine Nachwei⸗ sung über die Straffälle in Bezug auf Zölle und Steuern und über . Weinhändlern gewährten Zollbegünstigungen im Etatsjahr
— Nach Mittheilung des Statistischen Amts der Stadt Berlin sind bei den hiesigen Standesämtern in der Woche vom 19. August bis inkl. 25. August er. zur Anmeldung gekommen: 161 Che— schließungen, 888 Lebendgeborene, 21 Todtgeborene, 645 Sterbefälle.
Kunst, Wissenschaft und Literatur.
Von der „Zeitschrift für Bauwesen“ (herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten, Redaktions ⸗ Kommission: G. Herrmann, Ober-Baudirektor, J. W. Schwedler, O. Bänsch, H. Oberbeck. Geh. Ober ⸗Bauräthe, F. Endell, Regierungs. und Baurath; Redacteur: L. v. Tiedemann, Reglerungs- und Baurath. Verlag von Ernst und Korn, Gropiussche Buch—= und Kunsthandlung hierselbst) ist kürzlich das Tripelheft 7 bis 9. 25. Jahrgangs 1883 ausgegeben worden. Das Heft bringt an der Spitze eine Beschreibung des Denkmals für den im Sommer 1880 verstorbenen Geh. Ober⸗Hof⸗Baurath Prof. Joh. Heinrich Strack, welches Schüler und Verehrer desselben ihm über seinem Grabe auf dem Dorotheenstädtischen Kirchhof hierselbst in der Nähe der Grabstätten Schinkel und Stülers errichtet haben. Ein Blatt des beigegeben Atlas enthält eine Zeichnung des Monu—⸗ ments. — Bauführer Dr. P. Lehfeldt giebt eine Beschreibung des Schlosses Friedwald, einer interessanten Ruine aus der Renaissance⸗ Periode im Regierungsbezirk Coblenz, nebst Illustrationen im Text und einer Ansicht im Atlas. — Ferner enthält das Heft noch folgende fachwissenschaftliche Beiträge: Der Hafen zu Pillau (mit einem Blatt im Atlas), vom Geh Ober-⸗Baurath L. Hagen hierselbst; Korrektions⸗ Methoden am Missouri, vom Regierungs« und Baurath Lange in Washington (mit vielen Zeichnungen im Text); die Bau ausfühlungen auf der Eisenbahnstrecke Berlin-Blankenheim J. smit Zeichnungen im Tert und 7 Blättern im Atlas); die Dampfstraßenwalze für Chaussee-Unterhaltung vom Landes Bauinspektor E. Müller in Magdeburg; Beiträge zur Theoeir der Versteifung labiler und lexibler Bogenträger vom Civil - Ingenieur Heinrich Müller⸗Breslau (mit Zeichnungen im Text); über die Nutzbarmachung der Pegel - Beobach⸗ tungen, vom Wasserbauinspeltor Oppermann in Meppen, — Endlich finden wir in dem Heft auch die Fortsetzung der statistischen Nach= weisungen, betreffend die in den Jahren 1871 bis einschließlich 1880 vollendeten und abgerechneten preußischen Staatsbauten, welche im Auftrage des Ministers der öffentlichen Arbeiten von den Herren Regierungs⸗ und Baurath Endell und Regie⸗ rungs⸗Baumeister Frommann aufgestellt worden sind. — Der Atlas enthält außer den schon erwähnten Zeichnungen noch drei Blätter zu dem Aufsatz über das Opernhaus zu Frankfurt a. M. (Hinteransicht, Längenschnitt, Durchschnitt durch die Bühne) und zwei Blätter zu dem Umbau der Neuen Kirche hierselbst (Emporen grundriß, Ansicht des Haupt und eines Nebeneinganges und östliche
Ansicht). Gemerbe und Handel.
Hamburg, 30. August. (W. T. B.) Tie heutige außerordentliche Gene ralversammlung der Altona⸗Kieler Eisenbahngesellschaft war nicht beschlußfäbig, da nicht die Hälfte, sondern nur 4965 Aktien an gemeldet waren. In der Debatte sprachen sich die Aktionäre gegen den Vorschlag des Verwaltungsraths aus, die Dividende pro 1883 zu retten. Die nächste endgültige Generalversammlung ist auf den 13. Oktober anberaumt.
London, 36. August. (W. T. B.) Bei der gestrigen Woll⸗ auktion waren Preise unverändert, eiwas fester.
Bradford, 530. August. (W. T. B) Wolle stetig, wollene Garne in guter Nachfrage, wollene Stoffe, namentlich Worstegd Wating belebt.
Berkehrs⸗ Anstalten.
Bremen, 31. August. (W. T. B.) Der Dampfer des Norddeutschen Lloyd „Werra“ ist gestern Nachmittag 4 Uhr in Southampton eingetroffen.
Triest, 30. August. (W. T. B.) Der Lloyddampfer „Aust ria“ ist aus Konstantinopel hier eingetroffen.
Berlin, 31. August 1883.
Die Stäbe und Truppentheile des Garde⸗ Corps der hiesigen Garnison und umliegenden Cantonnements sind gestern resp. heute in das Mannöverterrain abgerückt. — Das Garde⸗Fuß⸗ Artillerie ⸗ Regiment hat sich gestern per Eisenbahn nach Jüter— bog behufs Ausführung der bis gegen Ende künftigen Monats dauern den Schießübung begeben.
London, 30. August. (W. T. B.) Nach einer Meldung aus
Batavia, von heute, haben sich 16 neue vulkanische Er— höhungen zwischen dem Orte, wo Krakatog sich befand, und den Sibisi'schen (?7 Inseln erhoben. Aus dem Vulkan Soengepan sind 5 neue Vulkane nistanden. Die Stadt Bantam ist mit Asche be⸗ deckt und verlassen; die Bevölkerung befindet sich in trostloser Lage, und das Vieh ist ohne Weide. Im Distrikt Tanara hat man bis jetzt gegen 700 Leichname ausgegraben, in der Ortschaft Kramat etwa 500, meistens Chinesen, im Distrikt Seraing 40.
London, 31. August. (W. T. B.) Nach einer Meldung des „Reuterschen Büreaus“ aus Zanzibar, von heute, ist der deutsche Afrikareisende Dr. Fifcher von seiner Reise aus dem Innern Afrikas wohlbehalten in Zanzibar eingetroffen.
In Krolls Thegter tritt morgen Hr. Schott noch einmal als Mafaniello“, am Sonntag aber in einer seiner glänzendsten Helden⸗ partien, nämlich als „Prophet“ auf. Für das Krollsche Theater ist das Meyerbeersche Werk neu und bedurfte zur Inscenirung auch einer völlig neuen Ausstattung. In der Nolle der „Fides“ wird Frl Kopp mayer sich zum ersten Male hören lassen. Die Oper ist unter Leitung. des Kapellmeisters Hrn. Götze sorgfältig vorbereitet.
Redacteur: J. V.: Siemenroth. Verlag der Expedition (Kessel). Druck: W. Elsner. Vier Beilagen
Berlin:
(einschließlich Börsen⸗Beilage).
2 204.
,
Erste Beilage zum Dentschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.
Berlin, Freitag den 31. August
e 8 —
1883.
Aichtamtliches.
Preußen. Berlin, 31. August. Im weiteren Ver⸗ laufe der gestrigen (2. Sitzung des Reichstages wurde die erste Berathung des Handels- und Schiff⸗ fahrtsvertrages zwischen dem Deutschen Reich und Spanien fortgesetzt. Nach dem Abg. Dr. Hänel ergriff der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Senator Dr. Versmann das Wort: . ;
Der Herr Vorredner, meine Herren, hat die Haltung und die Abstimmung der hamburgischen Regierung im Bundesrathe zum Gegen⸗ stand seiner Kritik gemacht, und hat derselben den hamburgischen Interessenten gegenüber gewissermaßen die Schuld daran zu schieben wollen, wenn der Reichstag diesen Vertrag und mit demselben die für die hamburgischen Interessenten allerdings empfindliche Spritklausel genehmigen sollte. Ich gestehe, daß ich den Deduktionen, die damik verbunden waren, doch in der That mehr einen dialektischen als einen reellen Werth beilegen kann, und ich bin überzeugt, daß die hanburgischen Interessenten, die von dem Vorredner in Schutz und Vertretung genommen werden sollten, selbst durchaus nicht darüber im Zweifel und im Unklaren sein werden, von welcher Seite sie die wirksamste Vertretung ihrer Interessen zu gewärtigen haben. . . .
Was nun diese Deduktionen selbst betrifft, so kann ich nur im Allgemeinen darüber sagen, daß dieselhen sich doch eigentlich mehr in dem Gedankenkreise bewegen, welcher die öffentliche Diskussion dieser Frage beherrscht hat, bevor die Erklärungen, welche Ihnen in der Denkschrift jetzt auch gegeben sind, bekannt waren. Diese Er⸗ klärungen haben ja seiner Zeit auch der hamburgischen Regierung und dem Bundesrath, vorgelegen und sie sind es gewesen, durch welche der hamburgische Senat seine Haltung im Bundesrath hat bestimmen lassen. Gegenüber den Annahmen, die bisher in der Diskussion dieser Frage die herrschenden waren. gegenüber diesen Annahmen, auf wesche alle Deduftionen in der Preffe gerichtet waren, — ich brauche sie ja im Einzelnen nicht zu wiederholen, — erklärt die Reichs regierung klar und deutlich, und durch Uebergabe dieser Denkschrift hat der Bundesrath sich dem an— geschlossen, es wird also öffentlich vor ganz Deutschland erklärt, daß die Voraussetzungen, von denen man bisher und zuerst auch in Hamburg ausgegangen ist über das Zustandekommen dieser Spritklausel, un⸗ begründet sind. Es wird hier klar und deutlich erklärt, daß Spanien sein Interesse in der Geltendmachung dieser Klausel gesehen hat, daß es bereits im ersten Stadium der Verhandlungen die Auffassung kund gegeben hat, welche im Schlußprotokoll in der Erklärung zum Aus druck gekommen ist, und es wird ferner mit großer Bestimmtheit die Erklärung abgegeben, daß durch nachhaltiges Widersprechen gegen die Aufnahme dieser Erklärung die Vertragsverhandlungen zum Scheitern gebracht sein würden. Durch diese Erklärungen, meine Herren, hat der hamburgische Senat seine Stellung zum ganzen Vertrag leiten laffen, wie er sich auch verpflichtet gehalten hat, im Bundesraih zu Protokoll zu geben. Er hat es allerdings beklagen müssen, daß eine erhebliche Industrie in Hamburg auf diese Weise in Mitleidenschaft gezogen wird, er hat aber gegenüber der ausdrücklichen Erklärung, daß ohne dieses Opfer der Vertrag nicht zu Stande zu bringen gewesen sein würde, geglaubt, daß es in dem Bundesverhältniß begründet sei, auch da, wo parti⸗ kul are Interessen in Frage stünden, das Ganze im Auge zu behalten.
Er hat deswegen gesagt, in Anerkennung des Umstandes, daß es sich um sehr weit verbreitete, bedeutende, ganz Deutschland betreffende allgemeine Interessen handelt, bei der Frage, ob der Vertrag zu Stande kommen soll oder nicht zu Stande kommen soll, in dieser Erwägung hat der Senat erklärt, von einem Widerspruch gegen die Annahme dieses Vertrages absehen zu wollen.
Dieses Votum, meine Herren, wird der Senat von Hamburg an der Stelle, wo die Frage eventuell zum Austrage kommen könnte, zu vertreten wissen. Die Organe des Reiches aber sind es gewiß am wenigsten, die sich über dieses Votum und über diese Haltung des Senats von Hamburg zu beklagen haben.
Hierauf nahm der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Staatssekretär des Reichs-Schatzamts von Burchard wie folgt das Wort:
Meine Herren! Ich bätte gehofft, daß nach dem Wortlaute der Denkschrift und nach den Worten der Einleitungsrede, mit der der Reichstag eröffnet worden ist, in der That eine ruhigere Auffassung Platz gegriffen haben würde sowohl über das Provisorium, wenn ich mich kurz so ausdrücken soll, als auch über denjenigen Punkt, der vorher in der Oeffentlichkeit und in der Presse besonderes Aufsehen gemacht hat, über die Spritklausel. Zu meinem großen Bedauern ist diese Wirkung nicht erzielt worden, denn ich kann allerdings kaum eine lebhaftere, um nicht zu sagen maßlosere Weise des Angriffs mir denken, als sie ausgegangen ist vom Hrn. Abg. Hänel. Ich habe diesen Ausdruck „maßlos“ mit Willen gebraucht, denn wenn der geehrte Herr Abgeordnete die Aufforderung an uns xichtet, wir sollten doch bedenken, ob ein solches Verhalten unserer würdig wäre, so muß ich diesen Ausdruck zurückweisen.
Aber ich will mich möglichst bemühen, ruhig die Frage zu erörtern, und Sie mögen mir erlauben, zunächst auf die Gründe ein zugehen, welche die Regierung veranlaßt haben, die provisorische Be—⸗ kanntmachung zu erlassen.
Meine Herren, der Hr. Abg. Hänel sagt, es wäre ja ganz über— flüssig gewesen, dadurch wären ja höchstens 14 Tage gespart worden, und wenn der Reichstag nach der Untenzeichnung des Vertrages so⸗
ort einberufen worden wäre, so hätte auch mit Zu⸗
timmung des Reichstags der Vertrag früher in Kraft treten können. So kurz läßt sich die Sache doch nicht behandeln. Sie können überzeugt sein, daß der spanische Vertrag sowohl in den Vor— ängen vor seinem Abschluß als auch nachher die Aufmerksamkeit der degierung auf das Eingehendste beschäftigt hat, und daß die Frage, wie zum Nutzen des Landes der spanische Vertrag am schnellsten und besten in Wirksamkeit zu setzen wäre, allseitig auf das Eingehendste erwogen worden ist. Als der Vertrag zu Stande gekommen war, war es geboten, zunächst die Haltung der Cortes in Spanien abzu— warten — weshalh, brauche ich nicht näher anseinanderzusetzen. Die Zustimmung der Cortes erfolgte gegen Ende des Monats Juli. Es war von der Regierung zunächst in Aussicht genommen worden, ein Meistbegünstigungsverhältniß mit Spanten herzustellen, ein Verhältniß derart, daß beide Staaten sich bis zur Ratifikation des Vertrages auf dem Fuß der meistbegünstigten Nationen behandeln sollten. Meine Herten, auch dieses Abkommen hätte nach dem strengen Buchstahen der Verfassung der Zustzmmung, des Reichstages e durst. Das will ich keinen Augenblick in Abrede stellen. Aber die Regierung hatte das Vertrauen, daß wenn es möglich wäre, ein solches den deutschen Interessen unzweifelhaft vortheilhaftes Abkommen zu i,. , der Reichstag die nachträgliche Zustimmung nicht versagen würde. Die spanische Regierung lehnte. das ab, und es trat nun Anfangs. August an die Regierung die Frage heran: was soll nun geschehen, um den spanischen Vertrag in Kraft zu setzen? Es lagen damals nicht einzelne Stimmen von Interessenten, wie der Hr. Übg. Dr. Hänel sagt, vor, sondern eine große Anzahl von Interessentenkreisen, ja ich möchte sagen, fast alle
in Betracht kommenden Interessentenkreise hatten sich geäußert. Solche Aeußerungen lagen der Regierung vor, die auf das dringendste verlangten, daß der Vertrag thunlichst bald in Kraft gesetzt werden soll. Ja es war der 15. August als der äußerste Termin bezeichnet worden, der im Interesse unserer inländischen Industrie zu wahlen sei, um Sicherbeit zu geben über die herrschenden Zollsätze. Die Regierung hat die Frage ernstlich erwogen, ob es zweckmäßig und nothwendig sei, den Reichstag alsbald einzuberufen. Es wäre un—⸗ möglich gewesen, Anfangs August auf diese Weise mit derselben Schleunigkeit den Vertrag in Kraft zu setzen Der Hr. Abg. Dr. Hänel sagt: dazu hätte es auch blos eines Zeitraums von 14 Tagen bedurft. Meine Herren, der jetzige Vorgang beweist, daß es nicht möglich ist, eine Entscheidung des Reichstags herbeizuführen, vom Tage der Einberufung an, vor Ablauf von 14 Tagen. Darüber kann gar kein Zweifel existiren. Aber es kommt noch hinzu, daß die Bestimmung besteht — (Rufe: 8 Tage!) es werden jetzt auch 14 Tage verlaufen und ich glaube nicht, daß der Reichstag der Ansicht ist, daß es möglich gewesen wäre, eine kürzere Frist für seine Einberufung in Aussicht zu nehmen — vom Tage der Einberufung bis zum Beschluß. Es steht aber auch in dem Vertrage selbst, daß der Vertrag erst in Wirksamkeit treten soll 10 Tage nach der Ratifikation. Nach dem Beschluß des Reichstages muß erst die Ra— tifikation erfolgen und nach Ablauf von 10 Tagen erst tritt der Ver⸗ trag in Wirksamkeit. Selbst wenn Anfang August der Reichstag sofort einberufen wäre, so wäre der Vertrag doch kaum perfekt geworden vor Ablauf des August, es wäre nicht möglich gewesen, den Vertrag schon am 14. August in Kraft treten zu lassen.
Meine Herren! Bei dem ganzen Verfahren hat die Regierung nur die Rücksicht auf die Bedürfnisse der inländischen Industrie und auf die Bedürfnisse des Reichstags geleitet. Der Hr. Abg. Dr. Hänel sagt, die Bequemlichkeit einzelner Mitglieder. Meine Herren, dieser Ausdruck steht weder in der Denkschrift, noch in der Eröffnungsrede. Der Ausdruck hat dem Hrn. Abgeordneten wahrscheinlich bequem ge⸗— schienen für seine Deduktion. Auf die Bequemlichkeit nimmt man keine Rücksicht, wohl aber auf die gerechtfertigten Bedürfnisse der , hielt sich die Regierung verpflichtet, Rücksicht u nehmen.
Meine Herren! Welche Klagen sind vorgebracht worden über die Rücksichtslosigkeit der Regierung, wenn sie gemeinschaftliche Sitzungen des preußischen Abgeordnetenhauses und des Reichstages nicht ver— meiden konnte? Meine Herren, hier hätte doch in der That ein Mangel an Rücksicht vorgelegen, wenn der Reichstag eben erst aus⸗ einandergeht — die Mitglieder haben zum großen Tbeile die Er— holung absolut nothwendig. Die Kornernte hat eben begonnen (Heiterkeit!), darüber lachen Sie? Es ist so.
Meine Herren! Die Regierung glaubte ihrerseits, daß sie es dem Reichstag schuldig sei, ihn damals nicht einzuberufen. Sollte sie sich dariz getäuscht haben, so bedauert sie das; aber es hat sie nichts anderes geleitet als die Rücksicht auf den Reichstag Der Gedanke, den Rechten des Reichstags zu nahe treten zu wollen, hat der Regie⸗ rung absolut ferne gelegen.
Meine Herren! Der Hr. Abg. Dr. Hänel findet nun auch die Erklärungen, mit denen dieses Provisorium eingeführt und die Indemnität erbeten wird — dieser Ausdruck steht ausdrücklich in der Eröffnungsrede —, gewunden und nicht klar, er findet, daß die Regierung nicht die Ueber⸗ zeugung klar ausspricht, sie hätte der Zustimmung des Reichstags be— durft. Meine Herren, klarer kann man ja gar nicht sprechen. Es stehen diesen Worten gegenüber diejenigen Worte, die seiner Zeit bei dem Vorgange, den der Herr Abgeordnete nur kurz berührt hat, im Jahre 1878 gesprochen worden sind. Es handelte sich damals um den österreichischen Handelsvertrag und die Regierung hat allerdings in diesem Vorgange jetzt eine volle Rechtfertigung für ihr Verhalten erblickt, sie hat nicht geglaubt, sich solcher Vorwürfe ausgesetzi zu schen, wit ig der r, Abg. Känel etzĩů erke en hat. Als im Jahre 1878 der Vertrag mit Oesterreich abgeschlossen war, erfolgte die Vorlage an den Bindesrath nicht erst am 23. desselben Monats, sondern bereits am 17. Am 23. wurde er vom Bundes⸗ rath genehmigt, das steht ausdrücklich in dem Aktenstück, das dem Reichstage vorgelegt worden ist — Der Hr. Abg. Hänel meint, er wäre erst am 23. dem Bundesrath vorgelegt worden. Der Reichstag wurde damals nicht einberufen, soadern der Vertrag wurde ratifizirt ohne Zustimmung des Reichstages, die Ratifikationen wurden aus— gewechfelt und der Vertrag im Reichs⸗Gesetzblatt“ puklizirt. Es wurde also vollauf die gesezliche Wirkung dem Vertrage beigelegt, die Form der Gesetzesverkündung wurde vollständig erfüllt. die Genehmigung des Reichstages wurde vorbehalten, ohne daß dies im „Reichs-Gesetzblatt“ ersichtlich war. Bei diesem Vorgange ist man doch viel weiter gegangen als in dem vorliegenden Falle.
Ich komme noch auf diesen Punkt später zurück, ich möchte mir aber jetzt erlauben, das vorzutragen, was damals von Seite des Herrn Reichskanzlers bei Vorlage des Vertrages, welche unter dem 12. Februar 1879 erfolgte, schriftlich gesagt worden ist. Damals wurde in dem Aktenstücke kurz ausgeführt, daß der Vertrag am 16. unter zeichnet, am 17. dem Bundesrath vorgelegt worden sei, daß am 23. Dezember die Zustimmung des Bundesraths erfolgt, und daß es bet dieser Sachlage geboten erscheine, um Schaden von den Inter— essenten abzuwenden, den Vertrag vorläufig in Wirksamkeit zu fetzen. Es heißt dann am Schlusse:
In dieser Entschließung ist der Unterzeichnete durch die zuver⸗ sichtliche Erwartung bestärkt worden, daß der Reichstag nachträg⸗ lich die Genehmigung des eingehaltenen Verfahrens in Hinblick auf
ie dargelegten Umstände, welche die rechtzeitige Einholung der Ge⸗
nehmigung des Reichstages verhinderten, nicht versagen wird.
Das ist Alles, es ist das Wort „Indemnität“ nicht gebraucht, es hatte sich die Regierung einfach der Erwartung hingegeben, daß der Vertrag nachträglich genehmigt werde und meines Erachtens mit vollem Recht.
Welche Stellung hat der Reichstag damals zu dieser Angelegen⸗ heit genommen? Ich nehme an, daß der Hr. Abg. Hänel da— mals auch im Reichstage war. Der Reichstag hat diese Vorlage sachlich berathen in ruhiger Weise und es ist auch nicht ein Vorwurf gegen die Regierung erhoben worden, man hat die Frage gar nicht berührt, nur der Hr. Abg. Delbrück hat ein Wort dazu gesprochen, aber nicht ein Wort des Tadels, sondern der Anerkennung; er hat gesagt, es wäre voll kommen richtig gewesen von der Regierung, daß sie so verfahren, denn es hätte mit der Bedeu⸗ tung des Gegenstandes nicht in Einklang gestanden, wenn Ende De— zember der Reichstag einberufen worden ware. Ich unterschreibe das voll. ständig; aber wenn es Ende Dezember der Bedeutung der Sache nicht entsprach, daß der Reichstag einberufen wurde, dann entsprach es ganz gewiß nicht Anfangs August der Bedeutung dieser Vorlage, daß der Reichstag wegen dieser Vorlage einberufen wurde. Das ist die Ueberzeugung, die die Regierung geleitet hat; sie hätte geglaubt, sich Vorwürfen auszusetzen, wenn sie den Reichstag damals einberufen hätte, und diese Erwägung hat sie bestimmt, den Weg zu gehen, den sie eingeschlagen hat. Hat sie sich geirrt, dann hat sie unzweifelhaft bona fide gehandelt, es hat ihr absolut ferne gelegen, den Reichstag in seinen Rechten zu beschränken. Von diesem Standpunkte aus bitte ich die Sache ruhig zu trachten.
Der Hr. Abg. Hänel sagt, es gäbe gar keinen W egang, weder in anderen Staaten noch in Preußen, auß dem man ähnliches her= ausfolgern könnte. Nun, ich möchte ihn doch darauf hinweisen, daß
in ganz ähnlicher Weise schon in Preußen verfahren worden ist, im
Jahre 1863, also unter der Herrschaft der jetzigen Verfassung. Da⸗ mals wurde eine Verordnung wegen Abänderung des Zolltarifes er⸗ lassen, in der es heißt:
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden re, verordnen, nachdem die Regierungen des Zollvereins darüber übereinge⸗ kommen sind ꝛc, unter Vorbehalt der Genehmigung beider Häuser des Landtags wie folgt — — dann werden einige Tarifsätze abgeändert, es wurde beispielsweise Seewasser und Weinhefe vom Zoll befreit, in der zweiten Abtheilung des Tarifs wurde der Zoll von eingeschmolzenem Fett von Schweinen und von Talg ermäßigt, die Taxe von Käse verändert u. s. w. Das ö. eben im Jahre 1863, die Verordnung datirt vom 20. Sep⸗ ember.
Meine Herren! Man sieht aus diesem Vorgange, daß die Be⸗ dürfnisse des praktischen Lebens in solchen Fragen, die doch schließlich keine so eminente Bedeutung haben, die erste Richtschnur geben müssen. Ich glaube in der That, daß das Pathos, mit dem der Hr. Abg. Hänel ausgerufen hat: wo ist auch nur ein Vorgang, der sich dem vorliegenden an die Seite stellen kann?“ vollständig unberechtigt ist gegenüber diesem Vorgang. Meine Herren, ich glaube sogar, daß der Vorgang hinsichtlich des österreichischen Handel svertrages nach allen Richtungen hin nicht nur eine Entschuldigung, sondern eine volle Rechtfertigung für die Regierung bildet. Die Regierung bat Anstand genommen, den Vertrag zu ratifiziren und Spanien gegenüber Deutschland durch Auswechselung der Ratifikationen zu verpflichten. Damals ist eine solche Reserve nicht geübt, man hat damals Deutschland und Oester⸗ reich durch Auswechselung der Ratifikationen auf die Dauer des Vertrages verpflichtet. Also auch in dieser Beziehung war der Vorgang ein weitgebenderer. Ferner enthielt der öster⸗ reichische Vertrag Strafbestimmungen, Verpflichtungen für die Angehörigen beider Theile, während die jetzige Verordnung sich darauf beschränkt, lediglich die Zollsätze in Wirksamkeit treten zu lassen, natürlich mit der Gegenleistung, daß Spanien auch seinerseits der deutschen Einfuhr die Meistbegünstigungsbehandlung zu Theil werden läßt. Ich kann auch den Herrn Abgeordneten darüber beruhi⸗ gen, daß die Regierung nicht erst durch die Zeitungen darauf auf⸗ merksam gemacht wurde, daß dieses Provisiorium nicht ganz der Verfassung entspräche. Diese Frage ist auf das Eingehendste erwogen worden und es hat auch nicht der mindeste Zweifel geherrscht, daß auch dieses Provisorium der nachträglichen Genehmigung des Reichs⸗ tags bedürfe. ö
Meine Herren! Wenn ich mich nun zu dem Vertrage selbst wende, so hat sich der Hr. Abg. Hänel ja günstig über den Vertrag im Ganzen ausgesprochen, er hat aber des Näheren berührt die Sprit⸗ klausel und gegen diese Spritklausel seine eingehenden Bedenken vor⸗ getragen.
Meine Herren! Ich glaube, diese Ausführungen beruhen doch zum Theil auf einer Verkennung zer, inneren Bedeutung und Trag= weite dieser sog Spritklausel. Ich hatte gehofft, nachdem die Denk= schrist und die Eröffnungsrede die Bedeutung dieses Theils des Schlußprotokolls klargelegt hatte, daß hier im hohen Hause doch nicht derartige Vorwürfe gegen die Regierung daraus hergeleitet wer⸗ den können, wie sie bergeleitet worden sind. Meine Hoffnung ist leider getäuscht worden und ich halte mich verpflichtet, nun näher auf die Bedeutung dieser Klansel einzugehen.
Diese Klausel charakterisirt fich in dem Schlußprotokoll als Zu⸗ satz zu Art. 9. In Art. 9 heißt es: ö.
Die in dem beiliegenden Tarife A. bezeichneten Gegenstände spanischer Herkunft oder Fabrikation werden bei ihrer Einfuhr in Deutschland zu den durch diesen Tarif und die darin enthaltenen Bestimmungen zestgestellten Zöllen zugelassen —— *
und umgekehrt. Es ist also eine Begünstigung statuirt für die „Her⸗ kunft‘ oder „Fabrikation ?. Was Herkunft“ ist, darüber kann kein Zweifel herrfchen. Zweifelhafter ist dagegen der Begriff der ‚Fabri⸗ ation“. Wann fängt eine Fabrikation an, in welchen Momenten der Herstellung ist eine förmliche Fabrikation im Sinne dieses Art. 9 zu finden? Meine Herren, das ist eine Streit- frage, die nach Lage der thatsächlichen Verhältnisse wiederholt zur Erscheinung tritt. Es werden solche Streitfragen in gewöhnlicher Weise erörtert im diplomatischen Wege und man bemüht sich gegen seitig, dem Geiste des Vertrages entsprechend die einzelnen Fragen zu lösen. Solche Zweifel können nun sehr viele hervortreten bei einer großen Anzahl von Artikeln. Man kann zweifelhaft sein, z. B. ob eine Fabrikation darin liegt, wenn aus ausländischem Woalzdraht im Inlende ein feinerer Draht gewonnen wird; es erfordert das ja eine umfangreiche Fabrikation; man kann zweifelhaft darüber sein, ob, wenn . geschält wird, was auch in Fabriken erfolgt, dadurch eine Fabrikation im Sinne des Vertrages gegeben ist. Dasselbe gilt vom Petroleum; man kann zweifelhaft sein, ob, wenn rohes Petroleum gereinigt wird. dadurch eine Fabrikation im Sinne des Vertrages zegeben ist. Meine Herren, diese Zweifel werden später auszutragen e. in den Vertrage selbst kann man über alle diese Punkte nichts Näheres sagen, und wenn der Hr. Abg. Hänel sagt: Zweifel an diesen Vertragsbestimmungen dürfen nicht aufkommen, — so ist es eben un= möglich, in den Vertrag alle diese einzelnen Fälle aufzunehmen. Das Leben ist in dieser Beziehung mannigfaltiger, als die Kasuistik es be⸗ urtheilen kann.
Als die Vertragsverhandlungen begonnen waren, da wurden auch über die Bedeutung diefes Art. 9 Erörterungen gepflogen, und es kam dabei zur Sprache, daß bezüglich des Spiritus sich die Sachlage in. Spanien vollständig geändert, hat. Spanien hatte bis zum 15. Oktober v. J. einen Vertrag mit Ruß⸗ land, nach welchem russischer Spiritus bei der Einfuhr in Spanien dem Konventionaltarifszollgesetz unterlaz. Dieser Vertrag ist außer Wirkfamkeit getreten, Rußlands Einfuhr gehört seitdem nicht mehr zu der in Spanien meistbegünstigten. Spanien hat also in der That ein Interesse daran, daß nun auch, diesem Rechtszu⸗ stande entsprechend, russischer Spiritus nicht mehr als meist begünstigt eingeht. Das ist das Interesse, was der Hr. bg. Hänel nicht kannte oder nicht kennen wollte, Und diefes Inkeresse ist ein vollständig berechtigtes. Denn wenn überhauyt. Spanien Werth, darauf legt, daß andere Nationen mit ihm Handelsverträge schließen, dann muß es dahin wirken, daß diejen gen Nationen, mit denen es nicht im Handel vertrage steht, nicht behandelt werden wie diejenigen, mit denen es Verträge abge= schlossen hat. Spanien nahm also in Anspruch, daß der russische Spiritus nicht meistbegünstigt sei. 2
Nun kennt der spanische Zolltarif überhaupt nur Spiritus. Es existirt im spanischen Zolltarif gar nicht der Begriff . rektifizirter' oder nicht rektifizirter- Spiritus. Die ganze Position des spanischen Zoll tarifs lautet „Spiritus“; es ist bei der Einfubr nichts weiter zu deklariren als „Spiritus? und in dem Ursxrungsattest ist nichts weiter zu sagen, als daß dieser Spiritus in dem meistbegünstigten Lande hergestellt ist, ö. .
An dieser Sachlage bielt Spanien fest und folgerte daraus, daß, wenn Spiritus, sei es nun Sprit oder Rohspiritus, aus Deutsch⸗ land nach Spanien eingefübrt wird, dieser Spiritus in Deutschland hergestellt sein muß, das beißt schon als Rohspiritus, denn der Zoll⸗ beamte untersucht gar nicht, eb der Spiritus, der eingeführt wird, Rohspiritus oder reftifizirter Spiritus ist, — für ihn ist das gleich⸗
alt tg 5 . ; Meine Herren! Dieses Verlangen der Spanier bei den Ver—