1883 / 205 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 01 Sep 1883 18:00:01 GMT) scan diff

Grak lifsements dieser Art soll, soweit sie wegen des Umfanges ihrer Wulichkeiten nicht wobl, in den Freihafenbezir? verlegt werden lonnen, der Fortbetrieb ihrer Fabrikation und deren Konkurn em⸗ Fabigkeit im Auslande in jeder den Verhältnässen nach zuläfsigen Weise für einen längeren Zeitraum ermöglicht werden. . Es ist also gesagt worden: denjenigen Fabriken. welche künftig im Zollgebiet gelegen sind und nicht gut verlegt werden können, soll thunlichst dieselbe Begünftigung zu Theil werden, wie denjenigen, die lünftig im Freihafengebiete angelegt werden. Es ist auch in diesem Sinne das Nebenvrotokoll gebalten worden. Da heißt es:

Mit Rücksicht auf die große Bedeutung des Spritervorts für die Hamburgische Seeschifahrt und für die ausländischen Vandelsbesiebungen Hamburgs ift es dringend wänschenswerth, daß den im künftigen Zollgebiet zur Zeit betebenden drei Sprit Rektisikationsanstalten dae Rektifiketion ausländischen Sprits unter Anrechnung des Rektiskatzons verluftes bei der Wiederausfuhr, sowie daß jwei mit Hefenfabrikatien verbundenen Kornbrennereien das steuerfreie Arbeiten unter aritlicher Aufsicht für den Export ge—⸗ stattet werde

Die bezeichneten fünf Anstahten können wegen des großen Um- fanges ihrer baulichen Anlagen nicht in den Freihafenbezirk verlegt werden und nwirden bei den bestehenden Zoll⸗ und Steuer⸗ vorschriften aufer Stande sein, ferner mit dem Auslande zu konkurriren.

Auf diese Bemerkung ist nachher jugesagt worden, daß von Seiten des Reichsfanzlers dahin gewirkt werde, daß diesen Wünschen thunlichst Rechnang getragen wird. Es hat sich also nur darum gehandelt, daß den im Zollgebiete befindlichen Rektifikationsastalten thunlichft dieselbe Erleichterung zu Theil würde in steuerlicher Bezehung und in Beziehung auf die Zollerhe—⸗ bung, als den im Fteihasengebiet gelegenen. Von ausländischen Ver⸗ hältniffen ist dabei garnicht die Rede gewesen, und ich glaube, daß der Vorwurf, daß dem Sinne oder der Absicht dieser Vereinbarung nicht entsprochen sei durch den Artikel des Schlußprotokolls, doch jeder Begründung entbehrt.

Meine Herren! Es ist auch die Behauptung vorgebracht wor— den, aus dem Zusatz zu dern Schlußprotokoll ginge hervor, daß man Hamburg nicht mit Wohlwollen gegenübertrete, daß man geneigt wär, ihm das,. was zugestanden wäre, zu verkümmern. Meine Herren! Man kann ja über die Nothwendigkeit des Zollanschlusses verschieden denken, sie ist ja sehr verschieden beurtheilt worden; aber darüber, glaube ich, war nur eine Stimme, daß die Bedingungen, die Damburg zugeftanden wurden bei dem Zollanschlusse, außerordentlich liberale gewesen sind, daß das allergrößte Entgegenkommen Seitens der Reichs verwaltung ausgesprochen ist, und ich kann hinzu fügen, daß es sich die Reichsverwaltung angelegen laffen sein wird, auch kei der Ausführung der Zollanschlusses, den hamburgischen Interessen jederzeit entgegen zu kommen, so weit es irgendwie möglich ist. Meine Herren, ich möchte auch nech ausdrücklich hervorheben, daß das Interesse, welches namentlich der Herr Reichekanzler an einer gedeihlichen Entwickelung AVamhurgs nimmt, noch in jüngster Zeit deutlich hervorgetreten ist. Es ist vor einiger Zeit zwischen den betheiligten Eisenbahn— verwaltungen Oesterreichs und Deutschlands ein Abkommen getroffen Werden hinsichtlich der Tarife für den Elbumschlagverkehr. Dieses Abkommen war unzweifelhaft besonders günstig für die betheiligten österreichischen Bahnen, und es wäre, wenn man lediglich das Eisenbahninteresse in Betracht gezogen hätte, unzweifel⸗ haft geboten gewesen, daß dieses Abkommen von deutscher Seite nicht gebilligt worden wäre, Der Herr Reichskanzler hat aber doch dahin gewirkt, daß es gebilligt wurde und zwar lediglich mit Rückicht darauf, daß die wohlthätigen Folgen dieses Abkommens Hamburgs Handel zu Theil werden müssen. Das ist auch ganz rückhaltlos von maßgebender Stelle in Hamburg anerkannt worden. Meine HDerren, ich halte mich für verpflichtet, das bier her— vorzuheben, um der Behauptung entgegenzutreten, als ob irgendwie an maßgebender Stelle die Absicht bestände, den Hamburgischen In— teressen nicht in früherer Weise förderlich zu sein.

Meine Herren! Ich will denn bei dieser Gelegenbeit doch auch noch darauf hinweisen. ich habe es gestern schon gethan, muß es heute aber wiederholen. daß die Auffassung eine absolut unrichtige ist. daß durch diese bekannte Sxritklausel Hamburg schlechter gestellt würde, als das dertsche Zollgebiet. Das ist doch eine meines Erachtens völlig unzutreffende Auffaffung; es wird ebenso behandelt wie das deutsche Zollgebiet. Ich gebe gerne zu, es verliert einen Vortheil, den es bisher voraus hatte Lor dem, deutschen Zollgebiete, aber daß es schlechter gestellt ware, wie das deutsche Zollgeblet, das ist eine Auf⸗ fafsung, die meines Erachtens absolut niht zu halten ist.

Ih beschränke mich zunãchst auf diese Bemerkungen.

Der Abg. Dr. Fee sprach sich gegen die Spritklausel aus. Dieselbe sei sehr bedenklicher Ratur, nicht nur wegen ihres Inhalts, sondern noch mehr wegen des dabei zu Tage getretenen Verfahrens der Reichs regierung, das ein sehr böses Präzedenz für die Vechtssicherheit in allen Einzelstaaten bilde. Es handele fich nicht um das Interesse einiger Spritfabrikanten, sondern hauptsächlich darum, ob der Reichstag es hinnehmen wolle, daß eine vor zwei Jahren bindend gegebene Zusage heute ohne Weiteres beseitigt werde. Hamburg habe sich damals, wie bekannt, nur schwer zuni Eintritt in den Zollverein entschließen können, und habe dies erst gethan, nachdem die Reichsregierung sich darüber entschieden habe,. daß erstens der Freihafen bleiben folle, und zweitens die Crportindustzie erhalter bleibe, wobei speziell der Sprit genannt sei. Die Vortheile, welche die Freihafenstellung gewährten, sollten Hamburg und damit Deutschkland erhalten werden. Ss gebe männlich Lohnende Industrien, die fremde Nohstoffe und Halbfabrikate verwenden könnten, wenn diese nicht durch Einfuhrzölle zu kestspielig würden. Dies zu ver— meiden, gebe es in einem mit Zöllen se gesegneten Lande wie Deutschland zwei Wege: Rückerstattung des Zolls auf Rohstoffe oder Halbfabrikate, die mer zur Industrie gebraucht würden, oder zweitens Festsetzung eines bestimmten Territortums, wo die Sachen ohne Zoll ein⸗ und wieder ausgeführt werden könnten. Hamburg habe also durchaus kein Privilegium anderen deutschen Staaten gegenüter, abgesehen davon, daß ja jeder Deutsche diese Freiheit Hamburgs benutzen könne. Dem Staatssekretär von Burchard Heifolge hätte sich Hamburg über nichts zu beklagen. Aber in der Vereinbarung vor zwei Jahren seien die Großindu striellen, welche ausländische Stoffe zollfrei für den Export verarbeiten woFten, ausdrücklich auf den Freihafen verwiesen. Und sollte denn das, was man damals ge⸗ währt habe, nur ein paar Jahre gelten? Sollte Hamburg die großen Aufwendungen, die über 100 Milliotien betragen hätten, nur für Line Nutznießung von zwei Jahren gemacht haben? Hamburg sei doch unter ganz bestünmten Vedingungen in das Zoll⸗ gebiet eingetreten, und der Reichstag könne sich unmöglich auf den Standpunkt, wie manche Geschaftsleute stellen, die, falls ihnen ein gutes Geschäft in Aussicht stehe, sich leicht über entgegenstehende frühere Abmachungen hinweg—⸗ setzten. Jedenfalls sei in dem Vertrage mit Hamburg nichts festgesetzr, was die Jegierung berechtigen könnte, die in Hambur innerhalb des Freihafengebiets festgegründete Industrie zu schädigen. Wenn nun hervorgehoben werde, daß der Hamburger Senat zugestimmt habe, so könne er als Ham⸗ burger sich garnicht darauf einlassen. Der Senat sei übrigens gar nicht berechtigt, eine derartige Zustirmmung ohne Anhörung der Bürgerschaft abzugeben. Sei denn mburg schon eine so miserable Republik geworden, daß die Bürgerschaft gar nichts mehr zu sagen habe? Werde die Majorität dieses

Hauses zugeben wollen, daß man das, was man Samburg srüher gewährt habe, auf diese Weise nun wieder fortnehme? Würden sich unter der Majorität nicht edle Seelen finden, welche ein solches Verfahren für unzulässig hielten? Was solle man dazu sagen, was gestern über die Unmoralität der russischen Beamten vorgebracht sei. Solle etwa der deutsche

Käufer erst Untersuchungen darüber anstellen, ob der russische Exporteur, von dem derselbe Sprit kaufe, die russische Regierung übervortheilt habe? Der rus—

sisch hamburgische Sprithandel habe sich schon seit langer Zeit entwickelt, Hamburg habe namentlich in Rücksicht darauf eine Dampferlinie gegründet, eine bestimmte blühende In⸗ dustrie habe sich darauf hin entwickelt, und dieser solle nun ohne gesetzliche Berechtigung, ja entgegen dem Inhalte früherer Abmachungen, die berechtigte Basis entzogen werden? Werde man etwa durch diese Spritklausel den schwedischen und russischen Sprit aus der Welt schaffen und den deutschen zum allein maßgebenden machen? Man werde jene Konkurrenz mit derartigen Mitteln nicht vernichten. Jedenfalls hoffe er, auf allen Seiten des Hauses Uebereinstimmung in Bezug auf die Klarheit des Uebereinkommens mit Hamburg von 1881 zu begegnen. Was solle denn aus den Einzelstaaten werden, wenn man sich in dieser Weise über feierliche mit ihnen ge⸗ troffene Abmachungen hinwegsetze? Deshalb bitte er die Sprit— klausel abzulehnen. .

Der Abg. von Ludwig erklärte, er wisse nicht, wie man, wenn es sich um die Hamburger Spritrektifikation handele, von sittlichen Mächten sprechen könne und bedauere, daß er seinen verehrten Freund, den Abg. Hänel in dieser Gesellschaft der Spritrektifikanten sehe. Der Abg. Bebel habe gestern mehrfach vom Großgrundbesitzer im Gegensatz zum kleinen Bauer gesprochen: aber vermöge der Associationen könnten die kleinen Bauern eben so gut Spiritus brennen, und das Schlagwort,Großgrundbesitzer“ sei durch starke Agitation so abge⸗ braucht, daß es nicht mehr ziehe und wenn der Abg. Bebel res mit diesem Schlagwort auf den Dörfern versuchen wollte, so könnte derselbe huͤbsch geprügelt werden. Die Schlußprognose des Abg. Bebel enthalte eine häufig, auch von ihm (dem Redner) hier mehrfach ausgesprochene Wahrheit; in der That müsse die Landwirthschaft mit solchem Nutzen arbeiten, daß sie sich im Falle eines Krieges selbst ernähren könne. In

diesem Gedanken begrüße er den Abg. Bebel als Kollegen, aber mit den Voraussetzungen, auf die der— selbe sich dabei stütze, sei er nicht einverstanden.

Es sei ein längst und tausend Mal widerlegter Gedanke, daß der Bau von Kartoffeln zum Branntweinbrennen und von Rüben zur Zuckerbereitung der Landwirthschaft weniger nütze, als die Produktion von Getreide zum Brot. Er halte die Spritklausel für eine Benachtheiligung der Sprit—⸗ fabrikanten, die mit den vom Abg. von Kardorff genügend geschilderten russischen Spiritusbrennern in Verbindung stän— den, aber sie sei ein Vortheil für Deutschland, und es müsse für die Herren von Boetticher, von Burchard und die übrigen Unterhändler mit Spanien peinlich sein, daß ihnen dieser für Deutschland heilsame und so naheliegende Gedanke erst von Spanien habe soufflirt werden müssen. Er lege der Re⸗ gierung ans Herz, ihn allerwegen zur Durchführung zu brin— gen, z. B. auch bei der Mühlenindustrie; durch die Einfuhr des feinen ausländischen Mehles zum Export habe die deutsche Mühlenindustrie im vorigen Jahre, da das deutsche Getreide ausgewachsen sei, stark gelitten. Er bitte die Regierung, die Ursprungszeugnisse des Mehls genau zu unterfuchen, und ehenso bei der Kontrole des in Deutschland gebrannten Sprits nicht auf Spanien zu warten, sondern selbst zuzusehen, ob nicht dabei doch russischer Spiritus eingeschmuggelt werde, was sehr leicht möglich sei, zumal bei der Schule, die die Herren bei den russischen Spiritusbrennern durchgemacht hätten. Der Abg. Härle bemerkte, es sei ihm überraschend, daß die Weintrauben in zwei Kategorien getrennt worden seien. Er hätte es am liebsten gesehen, wenn man sich auch hier

italienischen Handelsvertrage gethan habe. Die Tafeltraube sei nicht nur ein Genußmittel für die Reichen, sondern auch sehr häufig ein Nahrungsmittel für Arbeiter, er erinnere be— sonders an die so wichtigen Traubenkuren. Uebrigens wisse er nicht, wie die Unterscheidung zwischen Tafel- und Kelter— trauben zum Zwecke der verschledenen Besteuerung vorgenom⸗ ß solle, er bitte die Regierung um eine Auskunft ierüber. =

Der Bundeskommissar Geheime Regierungs⸗-Rath Schraut erwiderte, die Frage, in welcher Weise die Tafelkrauben von den Trauben zur? deinbereitung bei der Zollabfertigung zu unter— scheiden sein würden, liege dem Bundesrath bereits zur Er⸗ wägung vor. Im Allgemeinen werde die Bestimmung der Rehlauskonvention zu Grunde zu legen sein, wonach die Tafeltrauben in Kisten, Schachteln und Körben, die anderen Trauben in Fässern eingehen sollten. Selbstverstandlich habe Deutschland ein großes Interesse daran, zu verhindern, daß Mißbrauch stattfinde, und der Bundesrath werde nicht ver⸗ säumen, geeignete Kontrolmaßregeln anzuordnen, wie das auch in anderen Staaten geschehen sei, welche geschiedene el rr für Tafeltrauben und Trauben zur Weinbereitung

ätten.

Der Abg. Graf von Galen erklärte, im Jahre 1879 habe er den Schutzzoll für Korkwaaren nicht, wie der Abg. Sonne⸗ mann glaube, in Folge von Unkenntniß der Materie oder gar irregeleitet von spanischen Agitatoren, beantragt, sondern weil die armen Zugehörigen zur Korkindustrie durch einen solchen Zoll geschützt werden müßten; dieser Schutzzoll habe auch seine guten Folgen gehabt, wie unter Anderem aus der Erhöhung der Arbeitslöhne hervorgehe; um so bedauerlicher sei die jetzt eingetretene erhebliche Zollermäßigung. Er nehme allerdings an, daß diese Ermäßigung nicht dauernd sein werde, bedaure ihr Eintreten aber dennoch, zumal gerade jetzt erst Oesterreich und Rußland für Koörkwaaren so hohe Schutzzölle eingeführt hätten, daß der deutsche frühere Zoll durchaus nicht als exorbitant hoch angesehen werden könne.

Der Abg. Dr. Kapp erklärte, nachdem der Reichstag mit der Spritklausel das Opfer der Selbstoerstümmelung Hamburg gegenüber gebracht habe, halte sich seine (des Redners) Partei für verpflichtet, zu retten, was zu retten sei, und dazu habe er seinen Antrag gestellt. Nur mit Widerstreben könne er für das Schlußprotokoll stimmen, das der nationalen Wurde und den Interessen Deutschlands zu nahe trete. Die Sprit— klausel 6 weiter keinen Zweck, als mit Hülfe Deutschlands Rußland zu günstigen Zugeständnissen zu bringen. Deutsch⸗ land sei gewissermaßen der Sturmbock gegen Rußland. Deutschland werde von Spanien ausgespielt. Dem müsse er aber im Interesse der deritschen Souveränetät entgegentreten.

Der Bundeskommissar Geheime Regierungs-Rath Schraut

wieder so verhalten hätte, wie man es im Frühling bei dem

erwiderte, auch die Regierung bedauere lebhaft, daß sie den Zoll auf Korkwaaren habe e müssen. Da die Reichs regierung eine Ermäßigung der Weinzölle unbedingt habe ablehnen müssen, habe Spanien im Wesentlichen auf dieser Ermäßigung bestanden. Daß in künftigen Handelsverträgen eine weitere Ermäßigung der Korkzölle erfolgen werde, lasse sich durchaus nicht an⸗ nehmen, da Spanien bei der Korkeinfuhr allen anderen Ländern weit voraus sei. Was den Antrag Kapp be⸗ treff, so ftehe die Regierung materiell auf dem Voden desselben. In der Denkschrist sei bereits erwähnt, daß der vielbesprochene Grundjatz nach Auffassung der Reichs= regierung selbstverständlich nicht nur auf die deutsche Einfuhr, sondern in gleicher Weise auch auf die Einfuhren aus den übrigen Vertragsstaaten nach Spanien Anwendung finde.

Es sei nach seiner Meinung unzweifelhaft, daß auch die Meistbegünstigung auf die fragliche Klausel Anwendung finde. Trotz dieser materiellen Uebereinstimmung spreche er sich gegen die Annahme des Antrages aus, da es den Anschein gewin⸗ nen möchte, als ob die wiederholt als unzweifelhaft ausge⸗ sprochene Auffassung der Reichsregierung noch einer besonde⸗ ren ausdrücklichen Bestätigung bedürfte. Er sei auch nicht in der Lage, in Aussicht zu stellen, daß die verbündeten Regie⸗ rungen dem Antrage überhaupt oder in seiner gegenwärtigen Form zustimmen werden.

Der Abg. Uhden bemerkte, er halte den Antrag Kapp für uüberflüssig und deshalb verwerflich. Die Spritklausel müsse er vertheidigen. Von einem Veredelungsverfahren mit dem Spiritus in Hamburg könne gar keine Rede sein, die Fuselöle würden dem Spiritus dort nicht entzogen, und der russische Sprit werde niemals dem deutschen gleichkoömmen.

Der Abg. Dr. Hammacher erklärte, seine Freunde ständen materiell durchaus auf dem Boden des Antrages Kapp. Er würde für denselben stimmen, wenn er nicht glaubte, daß, nachdem vom Regierungstisch auf das Unzweideutigste ein materielles Einverständniß mit demselben erklärt worden sei, die Annahme desselben gradezu ein taktischer Fehler wäre.

Nachdem ein Schlußantrag angenommen war, ergriff noch der Bevollmächtigte zum Bundesrath Senator' Pr. Pers? mann das Wort:

Meine Herren! Ich bedauere, daß ich Sie noch einige Minuten um Ihre Aufmerksamkeit bitten muß; aber ich halte mich für ver— pflichtet, verschiedenen Uebertreibungen und geradezu unrichtigen Dar⸗ stellungen entgegenzutreten, welche im Laufe' der bisherigen Verhand⸗ lungen vorgekommen sind, und deren Berichtigung, wie es mir scheint, dach passend an die Diskussion des Art. 9 angeknüpft wird.

bemerke im Voraus, daß ich die wiederbolten Angriffe gegen den hamburgischen Senat ganz auf fich beruhen sasse. Wenn? bier gesagt ist, daß gerichtliche Verfolgungen in Aus icht stehen, ünd wenn don Seiten eines anderen hamburgischen Abgeordneten innere ham— burgische staatsrechtliche Fragen hier im Reickstage hineingemischt werden sollen, so erkläre ich, daß der hamburgische Senat dem mit der allergrößten Seelenruhe entgegensieht. Ich glaube für mein Tbeil, daß auf diese Ausfübrungen an keiner Stelle wieder zurück⸗ gegriffen werden wird, als böchstens vielleicht in den bevorstebenden hamburgischen Reichstagswahl versammlungen.

Nun komme ich zu den Uebertreibungen, die mich eigentlich auf die Tribüne getrieben haben. Zuerst muß ich es erklären, daß ich es als eine Uebertreibung betrachfe, wenn Uns, den Vertretern Ham⸗ burgs, von mehreren Mitgliedern des Hauses hat deduzirt werden sollen, daß der Zollanschlußvertrag Hamburg ein formelles vertragẽ· mäßiges Recht gewahrt habe, um dlesem Handelsvertrag wegen der Spritklausel zu widersprechen. Meine Herren, ich kann Sie versichern, daß, wenn das nach der Ueberzeugung des Senates der Fall gewesen wäre, er wirklich nicht so blöde gewesen wäre, das nicht geltend zu machen; und ich kann Ihnen die weitere Versicherung geben, denen, die fich so sehr dafür interessiren, daß der Senat am wenigsten geneigt ist, irgend etwas aufzugeben, was durch den Zollanschluß vertrag? Hamburg zůuge— sichert ist. Aber wir sind der Meinung, daß, jemehr man entfchloffen ist, die wirklichen Zusagen festzuhalten und auf ihrer Erfüllung auf jede Weise zu bestehen, desto mehr man woblthut, sich vor dergleichen Uebertreibungen zu buten.

Eine weitere Uebertreibung, die gan; außerordentlich schädlich ist, und der ich deswegen hier auf das Bestimmteste entgegentreten muß, ist die, daß der Freihafen nunmehr entwerthet fei, daß die Millionen fortgeworfen seien, und daß das Vertrauen in' den Freihafen voll⸗ ständig erschüttert sei. Nein, meine Herren, man kann ja natürlich

bei Interessenten derartige Aussprüche des Unwillens und des Unmuthes verstehen und kann sie denselben zu gute halten; ich bin aber (Zuruf links: Hat Keiner gesagt h)

zes ist von verschiedenen Seiten auf das Ällerbestimmtefte erklärt worden; ich babe diese Erklärung positiv gehört: Niemand würde mehr Vertrauen zu dem hamburgifchen Freihafen haben können ꝛc. (Zuruf) Nun, wenn es Niemand gesagt hat, ist es mir desto angenehmer. Ich erkläre aber nichts destoweniger, daß meiner Ueberzeugung nach der bamburgische Freihafen ganz denfelben Werth hat wie früher, nach wie vor dem spanischen Handels ertrag. Meine Herren! Wie die Verhältnisse Hamburgs sich in Zukunft gestalten werden, kann Niemand voraussehen; das liegt eben. im Schooße der Zukunft und ist von' sehr riefen Einflüssen abhangig; aber das will ich doch hier aussprechen, daß das Vertrauen, daß Hamburgs Welthandelestellung auch unter den neuen Verhältnifsen werde aufrecht erhalten werden, gan; ebenfo stark in. Hamburg ist nach diesem Vertrage, wie vorker. Meine Herren! Dieses Vertrauen berubt eben auf festeren Grundlagen, als daß es durch die Spritklausel ins Wanken gebracht werden könnte.

Es ist nämlich eine fernere Uebertreibung, wenn man gesagt hat: der ganze hamburgische Sprithandel sei nun mit einem Schlage ruinirt. sage, das ist. mit Nichten der Fall; ser ist empfindlich etroffen, aber ich habe die feste Ueberzeugung, daß es der Tüchtigkeit unserer Industriellen und der hohen Stufe der Ausbildung, auf welcher ihre maschinellen Einrichtungen in technischer Beziehung sich befinden, daß es der Rührigkeit und der Tüchtigkeit der hamburgischen Kaufmannschaft gelingen wird, diesen Schlag zu verwinden. Ich muß sagen, daß ich mir die Folgen fo denke: es wird allerdings etwas mehr deutscher Spiritus rektifizirt werden, aber es wird auch nach wie vor russischer Spiritus rektifizirt werden, es wer⸗ den dann die Marktverhältniffe hinzukommen und schließzlich ist ja auch die Welt außerhalb Spaniens noch groß. Kur; und gut, eine Veranlassung, hier nunmehr zumal von Seiten derer, die sich dieser Interessenten annehmen wollen, eine Leichen rede zu halten auf das Gefchäft derselben, liegt nicht vor, und ich muß meine Ueberzeugung dem ent gegenstellen, daß ich das für eine Uebertreibung ansehe.

. sagte eben, meine Herren, der russische Spiritus wird eben so wenig aus Hamburg verdrängt werden, und da komme ich denn zu den Herren, die über diese Frage des rufsischen Spiritus sich hier wesentlich geäußert haben. Da sind drei Herren, die sich besonders mit dieser Frage beschäftigt haben, die Herren Pr. Frege, von Kar⸗ dorff und von Ludwig. Der erste dieser Herren sagke, er wolle den Hamburgern gar keinen Vorwurf daraus machen, daß sie rusftschen Sprit rektifiziren. Ja, ich bedauere sehr, daß ich dem ver ehrten Herrn, dafür nicht befonders dankbar sein kann; das ist das natürliche Recht Hamburgs und ein Recht, welches außerdem im Zollanschlußvertrag ausdrücklich garantirt ist. Also darüber sollte man doch kein Wort verlieren.

Aber ich gehe auf den zweiten Satz des geehrten Herrn über, der sagt, wohl aber mache er den Hamburgern einen Vorwurf daraus, daß sie diesen aus russischem Spiritus hergestellten Sprit für eine deutsche Waare ausgeben und gewissermaßen als eine deutsche Waare unter einer falschen Firma so in die ganze Welt einführten. Es ist

dann dieses Thema von den beiden anderen genannten Herren

der öffentlichen Meinung innerhalb und außerhalb des

man ja lange in

es können nur

; zuletzt gesprochen hat: Es ist wissenschaftlich ich mich 1 Staats Laboratorium in

werden. sagen: Ich halte es wirklich fur ein Glück, daß der Zollanschluß·

in ho burg, sondern für das ganze deutsche Spritgeschäft, namentlich auch

bervorgehen. Deutschlanb geschieht, es sind ja offene Dinge, es ist ja bekannt, daß die Preisbeftimmung des Sprits unter Umständen in den Hän⸗ . den einer geringen Anzahl großer Spekulanten liegt wenn man

eine Waare zum Gegenstand des Börsenspieles macht, so tritt unter Unständen der

noch weiter ausgeführt worden und ist von dem dritten der ge— nannten Herrrn in einer Weise ausgebeutet und zu einem Exceß

getrieben, daß ich die Beurtheilung eines solchen Verfahrens wohl auses überlassen

kann. Nun, meine Herren, derartige Deduktionen, daß die hamburger

Sxritfabrikanten ihre aus schlechtem russischen Spiritus hergestellte Waare

ter falscher Flagge in die ganze Welt hinaus schmuggelten, kennt * ö * die hat man aber bisher immer nur in denjenigen Organen gefunden, deren Aufgabe es eben ist, die Interessen der jzollinländischen Konkurrenten den hambur⸗ gischen Rektifikateuren gegenüber zu vertreten, und da hat

man sich denn darüber vollständig hinweggesetzt, man hat sich gesagt, daß Konkurrenten leider kein Mittel scheuen, um sich gegenseitig den Vorrang abzugewinnen. Etwas ganz Anderes ist es ja aber natürlich,

wenn das an dieser Stelle vorgebracht wird, und da ist es denn doch

. wohl am Plate, ernsthaft auf diese Frage einen Augenblick einzu⸗

heit denn deutsche Waare? Meine Herren, zwei Bedeutungen in Frage kommen. Im Sinne des Handelsvertrages und des Zolltarifs beißt es ja einfach: eine Waare, die so und so viel Francs billiger in Spanien oder anderen Vertragsstaaten eingelassen wird. Ja, das ist bis zu diesem

gehen. Was

Augenblick denn doch jedenfalls vollständig unbestritten gewesen, daß 3. die in Hamburg hergestellte Waare in diesem Sinne eine deutsche Waare war. : diese n

werden, deswegen hat ja Spanien, um diesen bestehenden Zustand axabzuschaffen, sich diese Klausel ausbedungen, wie wir in der Denk schrist und durch die Erklärungen der Reichsregierung verschiedene

erst durch diese Klausel geändert

Das soll ja

Male gehört haben. Also natürlich ist in diesem Augenblick der

ganze bisher von Jedem ohne Weiteres als selbstverständlich ange— . 5 Zustand der, daß der in Hamburg rektifizirte Sxiritus dadurch deutscher Sprit wird. Nun aber irren die Herren sich auch in anderer Be⸗ tiehung, nämlich in dem, was sie über Ursprungsjeugnisse gesagt haben. Ich babe die gedruckten Formulare der hamburgischen cxeugnisse in meiner Akte und die lauten einfach dahin: Der Fabrikant

N. N. erklärt vor der Behörde, daß diese Waare, welche so und so

Ursprungs⸗

verschifft wird, in seiner Fabrik in Hamburg bergeftellt ist; Es ist nicht die Rede daron, daß sie aus deutschem oder schwedischem, oder russischem Spiritus hergestellt ist. Ja, meine Herren, wo ist denn da die falsche Flagane, welche Unter

lage ist denn da für derartige Verdächtigungen? Nun aber sage ich

weiter: hält man denn wirklich die Spanier für so außerordentlich naive Leute, daß sie speziell nur den deutschen Sprit aus Liebe zu Deutschland oder weshalb sonst haben wollen? So, meine Herren,

machen fich die Dinge auf dem Weltmarkte wirklich nicht. Auf dem Weltmarkte

deutsche Sprit mit schwedischem,

konkurrirt der . ̃ heute seit längerer Zeit

mit däͤnischem, ja schon

. mit österreichisch⸗ungarischem, der aus Fiume dorthin geht, und auch [ mit amerikanischem.

Jeder dieser Sprite wird nach seinem Werthe nicht nach seinem Ursprunge behandelt die Frage des Ursprungs

iist ja mit der Zollzahlung abgethan; jetzt aber kommt der Käufer,

der Konsument, der die Waare gebrauchen will, der weiß ganz

ö. genau, welche Waare er haben will und welchen Preis er dafür

zu zahlen hat. Es giebt Kartoffelsprit, es giebt Getreidesprit,

es giebt Maissprit, und folcher wird sowohl innerhalb, wie außer—

halb des Zollgebiets hergestellt, auch innerhalb des Zollgebiets, auch

in den deutschen Brennereien ja in ganz großen Mengen; bekannt⸗

lich in schlechten Kartaffeljabren, wenn es nicht genug Kartoffeln giebt, nehmen sie Getreide oder Mais u. dgl. Es wäre in meinen

. Augen geradezu etwas Verkehrtes, wenn man sagen wollte, das sei irgend eine Verfälschung oder ein Schmuggel. sttändig berechtigt.

Das ist ganz voll—

Man produzirt und verarbeitet die Waare, die man bat, und bringt

. sie auf den großen Markt als das, was sie ist, und der Käufer be—

zahlt sie als das, was sie werth ist. Ich weiß nicht, welche Illegiti⸗

9. mität oder Illovalität darin liegen soll, dafür fehlt mir vollständig das Verständniß.

Ferner sage ich, entgegen den Ausführungen des Herrn, der hier ian ich habe, als

mit der Frage beschäftigte, mich an das chemische Hamburg gewendet und mir von demselben ein Gutachten geben lassen also habe ich. doch

in dieser Beziehung eine Autgrität hinter mir und es ist mir von dieser wissenschaftlichen Stelle bestätigt worden, nach Besichtigung

; der großen hamburger Sprit ⸗Rektifikationsanstalten, daß es vollstän«

dig unmöglich sei, die hergeftellte Waare auf ihren Rohstoff zu unter- suchen, es sei absolut unmöglich, die Wissenschaft babe kein Mittel, Sprit hergestellt sei aus

um zu unterscheiden, ob der J russischem oder aus deutschem Kartoffelspiritus. Etwas ganz anderes ist es natürlich, daß man Spiritus aus Kar—

toffeln, aus Rüben und aus Korn unterscheiden kann; aber die Herren sind auf einem ganz außerordentlich falschen Wege, wenn

sie glauben, daß die feinen Sprite, die in Hamburg rektifizirt werden, aus Kornspiritus hergestellt werden, das ist ein seit vielen Jahren jberwundener Standpunkt. . einer Reihe von Jahren kommt, kommt lediglich aus den Ostsee⸗ provinzen und ist der reine Kartoffelspiritus.

Der Rohspiritus, der aus Rußland seit

Diese Erkundigungen babe ich aus Quellen eingezogen, die mir sachperständiger zu sein scheinen und zuverlässiger als die Behauptungen, die ich hier gehört habe. .

Nun frage ich zweitens: Was heißt es denn, die hamburgischen Rektifikanten bringen so gewissermassen unter falscher Flagge ihren

. aus schlechtem russischen Spiritus gemachten schlechten Sprit an den Mann, indem sie den Spaniern weiß machen, es sei deutscher. Ja, glauben Sie wirklich, daß man auf dem großen Weltmarkt mit

solchen Naivetäten Geschäfte machen kann, glauben Sie wirk— lich, daß der spanische Konsument nicht weiß, was er haben

. will, er wird jede Waare, die er gebraucht, nach ihrem Werthe be⸗

zahlen. Es geht viel feinster Sprit nach Spanien, es geht noch viel

mehr mittlerer und geringer Sprit nach Spanien und wird dort gebraucht, jede Waare wird nach ihrem Werthe bezahlt, und etwas

weiteres kann man dazu nicht sagen. Soll man sich denn wirklich sagen: Ja, ihr gebt euren aus schlechtem russischem Rohprodukt ge machten schlechten Sprit für deutschen aus, und dann fallen die Spanier darüber her und kaufen ihn! Ja, meine Herren, ist dergleichen zu glauben? Kaufen denn die Spanier aus Vorliebe für Deutschland? Oder konkurriren dort alle Sprit produzirenden Länder und wird

nicht jede ein clne Waate dort nach ibrem Werthe gewerthet und

bezahlt? Nun muß ich auch noch ein Wort über die wirthschaftliche Auf⸗ fassung sagen, die Hr. von Kardorff hier vertreten hat. Hr. von

. Kardorff will die Fabriken im Freihafengebiet unterdrücken oder fie verlegen, und dazu soll die ganze deutsche Spiritusfabrikation sich eine gewisse Selbstbesteuerung auferlegen und soll den

Umzug in das Zollgebiet verlegt

Fabriken kann ich denn doch nur

besorgen; es sollen die Darauf

Meine Herren!

83 uns dagegen schützt, denn es würde ja eine Sache sein, die en Grade beklagenswerth wäre. Es ist nicht nur für Ham

für die Brennereier, von einer ganz außerordentlichen Wichtig keit, daß in Hamburg ein Platz ist, welcher unabhängig ist von den innerhalb des Zollgebiels von einer kleinen Zahl von Inter—⸗ esenten mit Sprit betriebenen Agiotagegeschäften. Das ist für das

ö * deutsche Geschäft, sage ich, ein, ganz außerordentlich großes

Es würde ohne fremden Sprit, ohne diese vom Auslande

PVeogenen fremden Sprite Hamburg unter Umständen gar nicht in der Lage sein, die auswärtige Nachfrage zu befriedigen, und es wür⸗ den dataus dem deutschen Absatzgeschäfte die allergrößten Nachtheile

Meine Herren, wenn man eine Waare, wie es ja in

Umständer Fall ein, daß man statt Waaren Differenzen erhält. Mit Differenzen aber kann man nicht wirkliche Bedarfniffe befrie—

digen. damit kann man nicht wirkliche Geschäfts verbindungen auf. recht erbalten; das kann man nur, wenn man in der Lage ist, zu

jeder Zeit die nöthige. und richtige Waare liefern ju können. Also freuen wir uns, daß die ham burgischen Rektiskationsanstalten noch nicht todt sind, und boffen wir,

daß sie auch diesen Schlag, der jetzt bier durch den Vertrag ja natür licherweise zu großem Bedauern aller dabei Betheiligten gegen sie ge⸗ fübrt werden muß, mit Erfolg überwinden werden. Ich glaube, daß die Ergänzung, die die bamburgische Spritindustrie dem ganzen deut · schen Syritexportgeschäft giebt, eine ganz außerordentlich wichtige und wesentliche ist, und ich würde es im Interesse auch der deutschen Splitindustrie für ein außerordentlich zweifelhaftes Glück halten, wenn es Ihnen gelingen sollte, auf die eine oder die andere Weise diese Industrie zu unterdrücken.

Um 4 Uhr wurde die durch diese Rede wieder eröffnete

Diskussion auf Abends 8 Uhr vertagt.

Die gestrige Abendsitzung des Reichstags, welcher der Staats-Minister von Boetticher, sowie mehrere andere Bevollmächtigte zum Bundezsrath und Kommissarien desselben beiwohnten, wurde vom Präsidenten von Levetzow um Si“ Uhr eröffnet. Das Haus setzte die zweite Berathung des Handels⸗ und Schiffahrtsvertrags zwischen dem Deutschen Reich und Spanien speziell mit der Diskussion über Art. 9 und die dazu gestellten Anträge fort.

Der erste Redner war der Abg. Richter (Hagen); derselbe wandte sich zunächst gegen die Rede des Senators Pr. Vers— mann, und suchte die Fortschrittspartei gegen die Darlegungen des Bundesbevollmächtigten zu vertheidigen. Die Spritfabri⸗ kanten Hamburgs gehörten 9 nicht der Fortschrittspartei an, daher sei der Hinweis auf die Fruktifizirung der Spritklausel bei späteren Wahlen in Hamburg durch die Fortschrittspartei verfehlt. Das Verfahren der Reichsregierung gegen Hamburg werde die Hamburger Bevölkerung wohl von ihrem Patriotismus und Verehrung für den Fürsten Bismarck auch ohne die Reden der Fortschrittspartei heilen. Aber anzunehmen, daß eine große politische Partei, welche in ihren Reihen Interessenten aller Art, auch zollvereinsländische Spritfabrikanten, zähle, ihre Stellung zu grundsätzlichen Fragen zuschneide nach irgend welchen kleinen lokalen Wahlrücksichten, das sei eine so kleinliche Auffassung, wie er sie nicht dem Vertreter von Bückeburg oder Reuß ältere Linie, geschweige dem von Hamburg zugetraut hätte. Noch unaluüͤcklicher sei es von Hrn. Versmann gewesen, eine solche Bemerkung gegen den Abg. Rée zuzu— spitzen. Es könne keinen Hamburgischen Abgeordneten geben, der sich weniger von Nebenrücksichten und einzig von dem Interesse leiten lasse, als Abgeordneter seiner Vater— stadt durch Annahme eines Mandats zu nützen. Wie würde es Hrn. Versmann gefallen, wenn er (Redner) beispielsweise andeuten wollte, daß derselbe seine Ausführungen nicht aus eigener Ueberzeugung mache, sondern um sich in seiner Stellung im Hamburger Senat, im Lohn und Brot desselben zu befestigen. Wolle Hr. Versmann aber sagen, daß die Reden der Fort— schrittspartei zwar der Mehrheit der Hamburger Wähler ent—

sprächen, aber nicht die Gesinnungen Und Interessen Hamburgs widerspiegelten? Für einen richtigen Aus—

der Hamburger Bürgerschaft lebenden Anschauungen erblicke er in dem allgemeinen gleichen direkten Wahlrecht mehr Bürgschaft, als in dem künst— lichen Wahlmodus, jenem eigenthümlichen Destillations— und Rektifikationsprozeß des politischen Spiritus, mittelst dessen ein Hamburger Senator erzeugt werde. Darin komme er allerdings wieder mit Hrn. Versmann zusammen; er erkenne, daß die Stellung Hamburgs im Welthandel derart fest ver— ankert sei in der selbständigen Tüchtigkeit und Arbeitskraft der Hamburger Bürger, daß die falsche Wirthschaftspolitik des Fürsten Bismarck und selbst die Willfährigkeit des Hamburger Senats gegen dieselbe sie dauernd zu schädigen nicht im Stande sei.

Der Abg. Dr. Barth empfahl nochmals den Antrag Kapp, da es nicht genüge, daß die deutsche Regierung in der Denkschrift es sür selbstverständlich erkläre, daß die Sprit— klausel von Spanien auch für andere Vertragsstaaten ange— wendet werden würde. Wenn Spanien im autonomen Wege die Spritklausel habe herbeiführen können, so sei nicht abzusehen, weshalb es dann im Vertragswege erst dazu geschritten sei. Der Hinweis auf die französische Zollgesetz⸗ gebung in der Denkschrift hinke, da zwar die Bestimmung darin enthalten sei, nur Fabrikate würden als nationale behandelt, die durch die Veredelung in eine höhere Tarifklasse gekommen seien, dieselbe werde aber nicht angewendet. In Spanien habe indessen solch eine Bestimmung nie bestanden.

Der Bundeskommissar Geheime Regierungs⸗-Rath Schraut konstatirte nochmals, daß Spanien im Interesse des Exports seiner Weine auf der Spritklausel bestanden habe, daß es aber keineswegs beansprucht habe, diesem Grundsatz bezüglich des Veredelungsverkehrs allgemeine Gültigkeit zu geben.

Nachdem der Abg. Dr. Frege die Anschauungen des Abg. Dr. Barth widerlegt hatte, stellte der Bevollmächtigte zum Bundesrath Dr. Vers mann gegenüber dem Abg. Barth richtig, daß die Haltung des Hamburger Senats ja gerade auf dem Umstande beruhe, daß Spanien nach Mittheilung der Reichs— regierung auf der Spritklausel bestanden habe. Ebenso müsse er es zurückweisen, es Schmuggel zu nennen, wenn man in en rg auch aus russichem Sprit ein gutes Fabrikat

erstelle.

. Der Abg. Dirichlet protestirte gegen die Versuche der Abgg. von Ludwig und von Kardorff, eine Identität zwischen dem großen Grundbesitz und dem kleinen in Bezug auf die Spiritusfabrikation zu konstruiren. Das könne höchstens auf genossenschaftlichem Wege geschehen. .

Ein Schlußantrag wurde angenommen und nach einigen persönlichen Bemerkungen der Abgg. von Kardorff, Sonne—⸗ mann, Dirichlet, Dr. , von Galen und von Lud— wig wurde Tarif A. und B. sowie Artikel 9 mit großer Ma⸗ jorität angenommen, auch der betreffende Passus über Arti⸗ kel 9 in dem Schlußprotokoll wurde genehmigt.

Zu Art. 109, welcher von der gleichmäßigen Versteuerung des spanischen Weins ohne Unterschied auf den Spritgehalt desselben handelt, entspann sich eine kurze Debatte, an der sich die Abgg. Dr. Barth, Dr. Braun, Meyer (Bremen), Dr. Hammacher und der Bundeskommissar Geh. Neg.⸗Rath Schraut betheiligten. Dann wurde Art. 10 genehmigt. Ohne De— batte genehmigte das Haus auch die Art. 11 —- 23 nebst den betreffen den Bemerkungen in dem Schlußprotokoll. Ebenso wurden Titel und Ueberschrift des Gesetzes genehmigt

Schließlich kam das Haus zu dem in dem Uebersendungs⸗ schreiben enthaltenen Antrage der Reichsregierung, die nach der Bekanntmachung vom 9. August d. J. bezüglich der Zoll⸗ erhebung vorläufig getroffenen Bestimmungen nachträglich zu

druck der in

genehmigen.

Der Abg. Dr. Braun betonte, daß die Bekanntmachung vom 9. August eine Verfassungsverletzung enthalte. Wenn aber die Regierung etwas gethan habe, was wider die Verfassung streite, so könne das nur gut gemacht werden im Wege der Gesetzgebung unter Mitwirkung aller gesetzgebenden Faktoren. Das sei früher auch von der Reichsregierung mehrfach anerkannt worden. Auf dem Weg, den die Regierung diesmal betreten habe, könne die Verfassungsverletzung aber nicht beseitigt werden. In welcher Form solle man die Indemntität ertheilen? Er (Redner) wolle die Indemnität an sich ertheilen, weil wohl keine dolose Verfassungsverletzung vorliege, sondern nur eine von der Regierung bezeugte vollkommene Planlosigkeit. Di Indemnität müsse aber in der richtigen Form nachgesucht werden; geschehe das nicht, so könne er auch dem Regierungs⸗ antrag nicht zustimmen.

Hierauf nahm der Staats⸗Minister von Boetticher das Wort: (Wir werden diese Rede in der nächsten Nummer nach dem stenographischen Berichte im Wortlaute bringen).

Der Abg. Dr. Hänel bemerkte, die fachlichen Deduktionen des Staatssetretärs überzeugten ihn nicht, da dessen gestrigen Einwendungen unbegründet seien. Dürfe er der Regierung nicht Planlosigkeit vorwerfen, wenn der Staats-Minister von Boetticher meine, die Regierung habe den Reichstag in seinem eigenen Interesse nicht einberufen, während Hr. von Burchard es ihm (dem Redner) auf das Bitterste übelgenommen habe, daß er dies der Regierung imputirt habe. Es sei nicht zu verkennen, daß durch das persönliche Eintreten des Hrn. von Boetticher in die Materie, die Andere anders geplant hätten, der Sache ein anderes Ansehen gegeben sei. Gerade in Zeiten, wo eine solche Führerloßigkeit herrsche, sei die strengste Beobachtung der Ver⸗ fassung doppelt geboten. Indemnität könne seine Partei nur dann ertheilen, wenn sie besonders nachgesucht werde, unter diesen Umständen nicht.

Hierauf ergriff der Staats-Minister von Boetticher nochmals das Wort: (Wir werden diese Rede in der nächsten Nummer nach dem stenographischen Berichte im Worlaute bringen). .

Demnächst nahm der Staatssekretär des Reichs-Justizamt Dr. von Schelling das Wort:

Der Hr. Abg. Dr. Braun hat zwei an sich verschiedene Fragen mit einander in Verbindung gesetzt, und der Hr. Abg. Dr. Hänel, der sich diese Verschmelzung dieser beiden Fragen angeeignet hat, be⸗= nußte die dadurch geschaffene Brücke, um cinen Widerspruch zwischen der Erklärung, die ich gestern abzugeben die Ehre hatte, und zwischen den heutigen Erklärungen des Herrn Staatssekretärs des Reichs Schatzamts nachzuweisen.

Meine Herren, ich habe mich gestern nur über die Frage ver- breitet, in welcher Form das mit Sxanien getroffene Abkommen wegen vorläufiger Inkraftsetzung gewisser Tarifermäßigungen und die zur Ausführung dieses Uebereinkommens in der Bekanntmachung vom 9. August d. J. getroffenen Bestimmungen mit verfassungsmäßiger Geltung ausgestattet werden können. Ich habe ausgeführt und bleibe dabei stehen, daß, wenn dem betreffenden Theile der Bekanntmachung die Genebmigung Seitens des Reichstags ertheilt wird, diese Sat— heißung rückwirkende Kraft besitzt, und die Sache so anzusehen ist, als wäre das vorläufige Abkommen mit Spanien von Anfang an mit Zustimmung der legislativen Faktoren zu Stande gekommen. Ich habe weiter ausgeführt, daß diese Form auch genüge, um nach außen hin diesem Rechtszustand verbindliche Kraft zu verschaffen, weil ein Gesetz nicht nothwendig sei zur Sanktion von Staatsverträgen, vielmehr nach der konstanten staatsrechtlichen Praxis die einfache Bekanntmachung cines vom Reich geschlossenen Vertrags im Reichs -Gesetzblatte genüge, am demselben verbindliche Kraft zu verleihen. Meine Herren! Eine ganz andere Frage ist es, welche Konsequenzen aus den Spanien zugestan— denen Tarifermäßigungen gegenüber andern Nationen zu ziehen seien. Ueber diese Frage verbreiten sich die Bestimmungen im zweiten Absatz der Bekanntmachung vom 9. August 1883, und Sie hahen aus dem Munde des Herrn Staatssekretãrs des Reichs— Schatzamts gehört, daß die Reichsregierung sich für befugt erachtet hat, diese Bestimmungen schon nach Maßgabe der jetzt bestehen⸗ den Vertragsverhältnisse zu erlassen. Gleichzeitig ist aber von demselben anerkannt worden, daß die Vertragsbeziehungen zu den betreffenden anderen Staaten eine verschiedene Auslegung zulasfen, und es daher unter allen Umständen rorzuziehen sei, durch ein dus drückliches Gesetz festzustellen, daß die Spanien und Italien gewährten Tarifermäßigungen auch anderen Nationen zugebilligt werden können. Dahin zielt der Antrag von Kardorff und Genossen, welchem der Herr Staatssekretär des Reichs-Schatzamts seine vorläufige Billigung hat zu Theil werden lassen. Ein Widerspruch zwischen den beiderseitigen Auslassungen ist daher nicht vorhanden. w

Nachdem der Abg. von Kardorff besonders mit Rücksicht auf die Geschäftslage, und da ein Dolus der Regierung nicht vorliege, für Indemnität sich geäußert, der Abg. Dr. Braun dagegen gesprochen, wurde die Diskussion geschlossen.

Der Antrag der Regierung auf nachträgliche Genehmigung wurde angenommen.

Der Antrag Reichensperger, betr. die Einführung von Korinthen und Rosinen, kommt erst bei der dritten Lesung zur Abstimmung.

Hierauf wurde die internationale Fischerei-Konven— tion ohne Debatte in erster und zweiter Lesung genehmigt.

Es folgte der Antrag von Kardorff, die Zollermaßigungen, die in dem italienischen und spanischen Handelsvertrage aus— gesprochen sind, auch anderen Staaten, die keinen Vertrags— anspruch darauf haben, durch Kaiserliche Verordnung zu ge— währen, so lange sie Deutschland nicht schlechter behandeln als dritte Staaten.

Der Antrag wurde nach längerer Debatte und nachdem der Staats-Minister von Boetticher sich dahin ausgesprochen, falls der Antrag angenommen werden sollte, werde ihn die Regierung ausführen, in zweiter Berathung angenommen.

Hierauf vertagte sich das Haus um 12 Uhr auf Sonn—⸗ abend 11 Uhr.