2 Gegen die von dem Amtmann in Westfalen oder von dem Bürgermeister in der Rheinprovinz auf Grund des §. 83 der Westfälischen Landgemeindeordnung vom 19. März 1656, beziehungsweise der 8§. 83 und 104 der Rheinischen Gemeinde⸗ ordnung vom 23. Juli 1845 gegen Unterbeamte der Ge⸗ meinden, Aemter oder Bürgermeistereien erlassenen Straf⸗ verfügungen findet innerhalb zwei Wochen die Beschwerde an den Landrath und gegen den auf die Beschwerde ergehenden Beschluß des Landrathes innerhalb zwei Wochen die Beschwerde an den Regierungs⸗Präsidenten statt.
3) Gegen den auf die Beschwerde in den Fällen zu 1 und 2 in letzter Instanz ergehenden Beschluß des Regierungs⸗ Präsidenten, beziehungsweise des Ober⸗Präsidenten findet innerhalb zwei Wochen die Klage bei dem Ober⸗-Verwaltungs⸗ gerichte stait.
In den Hohenzollernschen Landen findet gegen die Straf⸗ ver ügungen des Regierungs⸗Präsidenten innerhalb zwei Wochen unmittelbar die Klage bei dem Ober-Verwaltungs⸗ gerichte statt
4) In dem Verfahren auf Entfernung aus dem Amte wird die Einleitung des Verfahrens von dem Landrathe oder von dem Regierungs⸗Präsidenten verfügt und von denselben der Untersuchungskommissar und der Vertreter der Staats⸗ anwaltschaft ernannt. Als entscheidende Dis iplinarbehörde erster Instanz tritt an die Stelle der Bezirks⸗Regierung der Kreisausschuß; an die Stelle des Staats-Ministeriums tritt das Ober⸗Verwaltungsgericht. Der Vertreter der Staats⸗ anwaltschaft bei dem Ober⸗Verwaltungsgerichte wird von dem Minister des Innern ernannt.
In dem vorstehend zu 4 vorgesehenen Verfahren ist ent— stehenden Falles auch über die Thatsache der Dien stunfähigkeit der ländlichen Gemeindebeamten Entscheidung zu treffen.
Ueber streitige Pensionsansprüche der besoldeten Gemeinde⸗ beamten beschließt, soweit nach den Gemeindeverfassungsgesetzen die Beschlußfassung der Aufsichtsbehörde zusteht, der Kreis—⸗ ausschuß, und zwar, soweit der Beschluß sich darauf erstreckt, welcher Theil des Diensteinkommens bei Feststellung der Pen⸗ sionsansprüche als Gehalt anzusehen ist, vorbehaltlich der den Betheiligten gegen einander zustehenden Klage im Verwal⸗ tungsstreitverfahren, im Uebrigen vorbehaltlich des ordentlichen Rechtsweges. Der Beschluß ist vorläufig vollstreckbar.
§. 37. Zuständig in erster Instanz ist im Verwaltungs—⸗ streitverfahren für die in diesem Titel vorgesehenen Fälle, sofern nicht im Einzelnen anders bestimmt ist, der Kreis⸗ ausschuß. Die Frist zur Anstellung der Klage beträgt in allen Fällen zwei Wochen.
Die Gemeindeversammlung, die Gemeindevertretung, be— ziehungsweise der kollegialische Gemeindevorstand können zur Wahrnehmung ihrer Rechte im Verwaltungsstreitverfahren einen besonderen Vertreter bestellen.
§. 38. 1) In den Landgemeinden des vormaligen Kur— fürstenthums Hessen ist als Gemeindevorstand der Gemeinde⸗ rath, als Gemeindevertretung der Gemeindeausschuß,
2) in den vormals Großherzoglich hessischen Landestheilen ist als Gemeindevorstand der Bürgermeister, als Gemeinde⸗ vertretung der Gemeinderath,
3) in den Landgemeinden der vormals Königlich bayerischen Landestheile ist als Gemeindevorstand der Ge⸗ meindevorsteher, als Gemeindevertretung der Gemeinde⸗ ausschuß,
) in den Gemeinden des vormaligen Herzogthums Nassau ist als Gemeindevorstand der Gemeinderath, als Ge⸗ meindevertretung der Bürgerausschuß,
5) in den Gemeinden des vormals Landgräflich hessichen Amtes Homburg ist als Gemeindevorstand der Bürgermeister, als Gemeindevertretung der Gemeindevorstand,
6) in den Landgemeinden des Stadtkreises Frankfurt a. M. ist als Gemeindevorstand der Schultheiß, als Gemeinde⸗ vertretung der Gemeindeausschuß,
7) in den Landgemeinden des ehemaligen Fürstenthums Hohenzollern⸗Hechingen ist als Gemeindevorstand das Oris— gericht, als Gemeindevertretung der Bürgerausschuß.
s) in den Gemeinden des ehemaligen ,, Hohenzoll ern-Sigmaringen ist als Gemeindevorstand der Ge⸗ irn e l als Gemeindevertretung der Bürgerausschuß zu etrachten.
VI. Titel. Armenangelegenheiten.
6. 39. Streitigkeiten zwischen Armenverbänden wegen öffentlicher Unterstützung Hülfsbedürftiger werden im Ver— waltungsstreitverfahren entschieden.
Zuständig in erster Instanz ist der Bezirksausschuß.
Im Uebrigen behält es bei den Bestimmungen des Reichs⸗ esetzes über den Unterstützungswohnsitz vom 6. Juni 1870 ein Bewenden.
s. 40. Der Bezirksausschuß beschließt endgültig über die Bestätigung der in den 85. 8, 9, 10 und 12 des Gesetzes, betreffend die Ausführung des Bundesgesetzes über den Unter⸗ stützungswohnsitz, vom 8. März 1871 (Gesetz⸗ Sammlung Seite 130) und des betreffenden lauenburgischen Gesetzes vom XW. Juni 1871 (Offizielles Wochenblatt Seite 183) gedachten Statuten zur Regelung der Armenpflege in den nicht aus— schließlich im Eigenthum des Gutsbesttzers stehenden Guts— bezirken und in den Gesammtarmenverbänden, sowie über die Genehmigung zur Wiederauflösung von Gesammtarmenver⸗ bänden (5. 14 a. ꝗ9. O.).
Soweit die Feststellung der Statuten bisher dem Kreis⸗ tage oblag, erfolgt dieselbe fortan durch den Kreisausschuß.
Ist den Statuten die Bestätigung wiederholt verfagt worden, so stellt der Bezirksausschuß dieselben endgültig fest.
8. 41. Beschwerden von Armen gegen Verfügungen von Drts armen verbänden darüber, ob, in welcher Höhe und in welcher Weise Armenunterstützungen zu gewähren sind (5. 63 des Gesetzes vom 8. März und 8. 5 des Gesetzes vom 24. Juni 1871), unterliegen:
1) sofern eine Stadt von mehr als 10 000 Einwohnern an dem Armenverbande betheiligt ist, der endgültigen Beschluß⸗ fassung des Bezirksausschusses;
2) andernfalls der endgültigen Beschlußfassung des Kreis⸗ ausschusses.
Desgleichen unterliegen Beschwerden von Armen gegen Verfügungen von Landarmenverbänden über die Art und Höhe der Unterstützung der endgültigen Beschlußfassung des Bezirks⸗ ausschusses, sofern die Landarmenderbände nur aus einem
Kreise bestehen. 5. 42. Beschwerden von Ortsarmenverbänden gegen Ver⸗ fügungen der Landarmenverbände daruber, ob, in welcher Höhe
zur
Gesetzes vom 8. März 1871), unterliegen der endgültigen Be⸗ schlußfassung des Provinzialrathes.
S. 453. Der Kreis⸗ (Stadt) Ausschuß beschließt:
Ian Stelle der in den S5. 60 bis 62 des Gesetzes vom 8. März 1871 und in den 88. 48 bis 50 des lauenburgischen Gesetzes vom 24. Juni 1871 bezeichneten Kreiskommission über Streitigkeiten zwischen Armenverbänden im schiedsrichterlichen oder sühneamtlichen Vermittelung verfahren;
2) an Stelle des Landraths, beziehungsweise des städti⸗ schen Gemeindevorstandes, auf den Antrag eines Armen⸗ verbandes gegen die zur Unterstützung eines Hülfsbedürftigen r, mn Angehörigen gemäß 5. 65 beziehungsweise 8. 53 a. a. O.
Die Beschlüsse des Kreis- (Stadt-) Ausschusses sind, vor⸗ behaltlich des ordentlichen Rechts weges im Falle zu 2, endgültig.
§. 44. Auf Beschwerden und Einsprüche, betreffend
1) die Verpflichtung zur Theilnahme an den Lasten der
Armenpflege in Gutsbezirken und in Gesammtarmen⸗ verbänden (55. 8 ff. des Gesetzes vom 8. März 1871),
2) die Heranziehung oder Veranlagung zu den Lasten der
Landarmen verbände (5. 29 a. a. O3), beschließt in den Fällen zu J der Gutsvorsteher, beziehungs— weise der Vorsitzende der Vertretung des Gesammtarmen— verbandes, in den Fällen zu 2 der Vorstand des Landarmen⸗ verbandes.
Gegen den Beschluß findet innerhalb zwei Wochen die Klage im Verwaltungsstreitverfahren statt. il emnig ist in den. Fällen zu 1 der Kreisausschuß, in den Fällen zu 2 der Bezirksausschuß. Gegen die Entscheidung des Bezirks— ausschusses ist in allen Fällen nur das Rechtsmittel der Revision zulässig.
Einsprüche gegen Zuschläge zu den direkten Staatssteuern, . sc gegen den Prinzipalsatz der letzteren richten, sind unzulässig.
Die Beschwerden und die Einsprüche, sowie die Klage haben keine aufschiebende Wirkung. Dieselben stehen in den Fällen zu 2 nur den unmittelbar zur Aufbringung ' der Kosten der Landarmenpflege herangezogenen einzelnen Verbänden, Kreisen und Gemeinden zu.
VII. Titel. Schulangelegenheiten.
S. 45. Ueber die Feststellung des Geldwerthes der Vaturalien uud des Ertrages der Ländereien bei amtlicher Festsetzung des Einkommens der Elementarlehrer beschließt auf. Anrufen von Betheiligten der Kreisausschuß und, sofern es sich um Stadtschulen handelt, der Bezirksausschuß. Der Beschluß des Bezirksausschusses in erster ober zweiter Instanz ist endgültig.
S. 46. Auf Beschmerden und Einsprüche, betreffend die Heranziehung zu Abgaben und sonstigen nach öffentlichem Rechte zu fordernden Leistungen für Schulen, welche der all— gemeinen Schulpflicht dienen, beschließt, vorbehaltlich der Bestimmungen des §. 47, die örtliche Behörde, welche die Ab— gaben und Leistungen für die Schule ausgeschrieben hat (Vorstand des Schulverbandes, der Schulgemeinde, Schul⸗ sozietät, Schulkommune ꝛc.).
Gegen den Beschluß findet innerhalb zwei Wochen die
Klage im Verwaltungsstreit verfahren statt. Der Entscheidung im Verwaltungsstreitverfahren unter⸗ liegen desgleichen Streitigkeiten zwischen Betheiligten über ihre in dem öffentlichen Rechte begründete Verpflichtung zu Abgaben und Leistungen für Schulen, welche der allgemeinen Schulpflicht dienen.
Zuständig in erster Instanz ist im Verwaltungsstreitver— fahren der Kreisausschuß und, sofern es sich um Stadtschulen handelt, der Bezirksausschuß.
Die Entscheidung über streitige Abgaben und sonstige nach öffentlichem Rechte zu fordernde Leistungen für Schulen der bezeichneten Art oder für deren Beamte, fowie über strei⸗ tiges Schulgeld für solche Schulen nach 8. 15 des Gesetzes über die Erweiterung des Rechtsweges vom 24. Mai 1861 Gesetz⸗Sammlung Seite 241) erfolgt fortan im Verwaltungs⸗ ee, die Höh 3
Einsprüche gegen die Höhe von Zuschlägen für Schul— zwecke zu den direkten Staatssteuern, 3 ,. Prinzipalsatz der letzteren richten, sind unzulaͤssig.
Die Beschwerden und die Einsprüche, sowie die Klage haben keine aufschiebende Wirkung.
Die Vorschriften dieses Paragraphen finden auf solche Abgaben und Leistungen für Schulen, welche zu den Gemeinde⸗ lasten (63. 18, 34) gehören, keine Anwendung.
8. 47. Ueber die Anordnung von Neu⸗ und Reparatur— bauten bei Schulen, welche der allgemeinen Schulpflicht die⸗ nen, über die öffentlich⸗rechtliche Verpflichtung zur Aufbringung der Baukosten, sowie über die Vertheilung derselben auf Ge⸗ meinden (Gutsbezirke), Schulverbände und Dritte, statt der⸗ selben oder neben denselben Verpflichtete beschließt, sofern Streit entsteht, die Schulaufsichtsbehörde.
Gegen den Beschluß findet die Klage im Verwaltungs⸗ streitverfahren statt. Dieselbe ist, soweit der in Anspruch Ge⸗ nommene zu der ihm angesonnenen Leistung aus Gründen des öffentlichen Rechts statt seiner einen Anderen für ver⸗ pflichtet erachtet, zugleich gegen diesen zu richten.
. Auch im Uebrigen unterliegen Streitigkeiten der Bethei⸗ ligten (Absatz ) darüber, wem von ihnen die öffentlich⸗recht⸗ liche Verbindlichkeit zum Bau oder zur Unterhaltung einer der Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht dienenden Schule ob— liegt, der Entscheidung im Verwaltungsstreitverfahren.
Die Klage ist in den Fällen des zweiten Absatzes inner⸗ halb zwei Wochen anzubringen. Die zustäͤndige Behörde kann Vervollständigung der Klage eine angemessene Ra frist gewähren. Durch den Ablauf dieser Fristen wird jedoch die Klage im Verwaltungsstreitverfahren auf Erstattung des Ge⸗ leisteten gegen einen aus Gründen des öffentlichen Rechts ver⸗ pflichteten Dritten nicht ausgeschlossen.
Zuständig im Verwaltungsstreitverfahren ist in erster Instanz der Kreisausschuß und, sofern es sich um Stadt— chulen handelt, der Bezirksausschuß.
s. 48. Unterläßt oder verweigert ein Schulverband Schulgemeinde, Schulsozietät, Schulkommune ꝛc) bei Schulen, welche der allgemeinen Schulpflicht dienen, in anderen als den in 5. 47 Absatz 1 bezeichneten Fällen die ihm nach öffent⸗ lichem Rechte obliegenden, von der Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Zuständigkeit festgestellten Leistungen auf den Haushaltsetat zu bringen oder außerordentlich zu genehmigen beziehungsweise zu erfüllen, so verfügt der Landrath und, fo⸗ fern es sich um Stadtschulen handelt, der Regierungs⸗Prä⸗
und in welcher Weise Beihülfen zu gewähren sind (8. 36 des
§. 49. Die Vorschristen des 8. 47 finden auch Anwen⸗ dung, wenn die Schule mit der Küsterei verbunden ist.
Für die im Verwaltungsstreitverfahren nach 5. 47 zu treffenden Entscheidungen sind die von behörden innerhalb ihrer gesetzlichen ga digte getroffenen allgemeinen Anordnungen über die bauten maßgebend.
zustehende Befugniß zur Einrichtung neuer oder Theilung vorhandener Schulsozietäten bleibt unberührt.
VIII. Titel. Einquartierungsangelegenheiten.
S. 509. Ueber die Bestätigung von Gemeindebeschlüssen oder Ortsstatuten wegen Vertheilung der Quartierleistungen
Juni 1868, betreffend die Quartierleistungen nete Macht während des Friedenszustandes, Seite 523 und 5.7 Absatz 2 des Gesetzes über die Nakural⸗ leistungen für die bewaffnete Macht im bruar 1875, Veichs Gesetzblatt Seite 52) beschließt der Kreis⸗ ausschuß, in Städten der Bezirksausschuß.
Der Kreisausschuß beschließt über die Festsetzung des Um⸗ fangs der Quartierleistung für solche Gutsbezirke, welche eine Vereinigung mit einer Gemeinde nicht abgeschlossen haben (6. , des Gesetzes vom 25. Juni 1868). leisitungen aufgestellten Kataster (3. 6 Absatz 4 des Gesetzes vom 25. Juni 1868) innerhalb der gesetzlich bestimmten Frist
Ortschaften der Kreisausschuß zu beschließen.
Gegen den Beschluß findet innerhalb zwei Wochen die Beschwerde an den Bezirksausschuß statt.
Der Beschluß des Bezirksausschusses ist endgültig.
IX. Titel.
Sparkassenangelegenheiten.
S. 52. Stadt- und Landgemeinden, und andere Über den Umfang eines Kreises nicht . kommunale Verbände bedarf der staatlichen Gene in welchen eine solche bisher nicht vorgeschrieben war.
Diese Genehmigung, sowie die Bestätigung der bezüglichen Statuten steht dem Ober⸗Präsidenten zu. Die Genehmigung (Bestätigung darf nur unter Zustimmung des Provinzial⸗ rathes versagt werden. des Provinzialrathes zu Statutenänderungen und zur Auf lösung von Sparkassen, soweit solche der Sber⸗-Präsident nach bestehendem Rechte gegen den Willen der Kreise, Gemeinden oder sonstigen Verbände vorzunehmen ermächtigt ist.
§. 53. Die Aufsicht über die Verwaltung der im 8. 52 bezeichneten Sparkassen wird durch die geordneten Kommunal⸗ aufsichts behörden geübt.
Wo bezüglich dieser Verwaltung in bestehenden Gesetzen oder in den Statuten eine ausdrückliche staatliche Genehmi⸗ gung vorgeschrieben ist, ertheilt dieselbe der Regierungs⸗Prä⸗ sident, in Berlin der Ober⸗Präsident. Die Versagung der Genehmigung darf nur unter Zustimmung des Bezirksaus—⸗ schusses erfolgen.
X. Titel. Synagogengemeinde⸗Angelegenheiten.
§. 54. Der Bezirksausschuß entscheidet auf Klagen Ein⸗ zelner wegen der ihnen, als Mitgliedern einer Synagogen—⸗ gemeinde, oder auf Grund des Gesetzes vom 28. Juli 1876, betreffend den Austritt aus den jüdischen Synagogengemeinden (Gesetz Sammlung Seite 353), zustehenden Rechte und oblie⸗ genden Verpflichtungen zu Abgaben und Leistungen.
Schluß folgt.)
sident die Eintragung in den Etat beziehungsweife die Fest⸗ stellung der außerordentlichen Ausgabe.
Gegen die Verfügung des Landraths steht dem Schul⸗ verb ande die Klage bei dem Bezirksausschusse, gegen die Ver ⸗ fügung des Regierungs-Prasidenten die Klage be' dem Ober⸗- Verwaltungsgerichte zu. Dabei finden die Bestimmungen dez ö 8. 47 Absatz 2 Satz 2 und Absatz 4 sinngemäße Anwendung.
den Schulaufsichlz⸗
und sonstigen Naturalleistungen (Vorspann, Natural verpfle⸗
gung, Fourage), (8.7 Absatz 3 bis 5 des . vom 25. ür die bewaff
Bundes⸗Gesetzblait
Frieden vom 13. Fe⸗
erden gegen die für die Vertheilung der Quartier ⸗
von 21 Tagen Einwendungen erhoben, so hat hierüber in ö Betreff der Städte der Gemeindevorstand, in Betreff der übrigen
Die Errichtung von Sparkassen durch Kreise,
migung auch in denjenigen Landestheilen,
Ingleichen bedarf es der Zustimmung
ö.
2
Zweite Beilage
Berlin, Montag, den 3. September
zum Deutschen Reichs⸗-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.
1883.
Xn 208. . Aichtamtlich es.
Preußen. Berlin, 3. September. In der vor⸗ gestrigen. (5.) Sitzung des Reichstags trat das Haus in die dritte Berathung des Handels⸗ und Schiff⸗ ffahrtsvertrages zwischen dem Deutschen Reich und Swpanien ein.
. Vor dem Eintritt in die dritte Berathung des Vertrages mit Spanien wurde ein Antrag der Abgg. Dr. Braun, Meyer (Jena) und Wölfel mitgetheilt, den Antrag von Kardorffs in folgender Weise zu amendiren:
. Der Reichstag wolle beschließen: .
1) Dem vorgeschlagenen Gesetzentwurf folgende Ueherschrift zu geben: Gesetz, betreffend die Ertheilung der Indemnität für die durch die Bekanntmachung vom 9. August 1883 angeordneten Zoll⸗ ermäßigungen sowie die Verallgemeinerung der Zollermäßigungen in den Tarifen A. zu dem deutschitalienischen und dem deutsch⸗ spanischen Handels⸗ und Schiffahrtsvertrage.
2) Folgende Bestimmung als 5§. 1 einzufügen: S. 1. Dem Reichskanzler wird für die durch die in der Anlage abgedruckte Be⸗ kanntmachung . 7 August , erfolgten Anordnungen von
ollermäßigungen Indemnität ertheilt. ;. 8 3) ß ien unverändert in der gestern Abend beschlossenen Fassung: Durch Kaiserliche Verordnung nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths kann angeordnet werden, daß die Zollermäßigun⸗ gen, welche in dem Tarif A,. zu dem Handels und Schiffahrts: vertrage zwischen dem Deutschen Reiche und Italien vom 4. Mai 1883 und in dem Tarif A. zu dem Handels und Schiffahrts: vertrage zwischen dem Deutschen Reiche und Spanien vom 12. Juli 1883 enthalten sind, auch solchen Staaten gegenüber Anwendung finden, welche einen vertragsmäßigen Anspruch auf diese Ermäßi⸗
geungen nicht haben. . ö ö In der Generaldiskussion bemerkte der Abg. Grad, zur Zeit der Berathung des Handelsvertrages mit Italien habe er den Wunsch ausgesprochen, die Reichsregierung möge in künftigen Handelsverträgen eine Ermäßigung des Weinzolles z3u Gunsten gegenseitiger Herabsetzung anderer Länder für deutsche Manufakturerzeugnisse gewähren. Diesem Wunsche sei im Vertrage mit Spanien nicht entsprochen worden, Er ver— trete mehr als ein anderes Mitglied des Hauses eine Herab— setzung des Weinzolles in Konventionaltarifen, selbst vom Standpunkt des Schutzsystems. Elsaß⸗-Lothringen erzeuge ver— hältnißmäßig mehr Wein, als irgend ein anderes Land im Deutschen Reiche, Es würden gegenwärtig in Deutschland 120 000 ha mit Reben bebaut; Elsaß⸗-Lothringen habe für sich allein 382 000 ha Reben. Nun habe er schon 1879 den Auf⸗ trag gehabt, Petitionen von landmirthschaftlichen Vereinen und Handelskammern des Reichslandes, gegen Erhöhung des früheren Weinzolls zu unterstützen. Einmal seien die Wein— bauer im Elsaß der Ansicht, der damalige Zoll von 16416 pro Hektoliter genüge, um dieselben zu schützen, und eine Er— höhung derselben käme nur der Industrie von Kunstwein zu Gute. Ein Zoll von 16 66 bei einem durchschnittlichen Preis vwon 40 S pro Hektoliter gewähre ja einen Schutz im Betrage von 40 Prozent. Die Erhdhung dieses Schutzes auf 69 Pro— zent, auf 24 6 pro Hektoliter, habe thatsächlich nur die Er⸗ ö zeugung von Kunstwein zum Nachtheil von Traubenwein be— fördert. Ferner sei dieselbe noch eine Prämie für den
Branntweingenuß, welcher jetzt wie eine Plage unter den Ar⸗
beitern im Elsaß wüthe. Die Preise von Branntwein, von
Schnaps ständen jetzt per Liter dem des Weines gleich, und sei der Verbrauch des Sprits in Mülhausen seit 1870 auf
das Zehnfache gestiegen. Also die Erhöhung habe im
Reichslande dem Weinbauer nichts genutzt, während bei Herabsetzung des Zolls die Mehreinfuhr fremden
Weins auch die Reichskasse nicht benachtheiligt hätte.
Hätte aber Deutschland Spanien eine Ermäßigung des Wein— zolles bewilligt, so wäre Spanien auch in der Lage gewesen gegenseitig Ermäßigung auf deutsche Manufakturerzeugnisse zu 3 ö. Die Einfuhr spanischen Weins nach Deutschland
.
usführung von Schul ⸗- Die der Schuigufsichtshehörde nach Maßgabe des Gesetze
habe 1881 nur 31 900 hl betragen. Hingegen sei die Aus— ifuhr des Elsaß in Baumwollwaaren nach Spanien gleich Null, vwell die Sätze im spanischen Zolltarif prohibitiv seien. Selbst mĩit dem Konventionaltarif, welchen Deutschland in Zukunft haben werde, sei der Zoll auf Baumwollgarn in gewöhnlichen Sorten nach Spanien fünfmal, der auf Tücher nach Spanien dreimal so groß wie nach Deutschland. Auf diesem Gebiete hätte der Vertrag für die deutsche Industrie viel besser werden GFHBönnen. Im Großen und Ganzen sei der Vertrag zwar für Deutschland günstig, derselbe hätte sich aber für Deutschland viel günstiger gestalten können, wenn nicht die gegensettigen Ermäßigungen zwischen Deutschland und Spanien mit dem System der Meistbegünstigung auch anderen Staaten zu Gute kämen. Die Meistbegünstigungsklausel wirke gegen den Zweck der Handelsverträge. Er möchte noch einmal der Reichs— regierung empfehlen, für die Zukunst alles mögliche zu thun, um die Meistbegünstigungsklausel aus der Welt zu bringen, zum Besten und zur Förderung der nationalen Arbeit durch künftige Handelsverträge. . Der Abg. Dr. Bamberger erklärte, nachdem in der gestrigen Sitzung sich die Unmöglichkeit herausgestellt habe, eine Gene⸗ rxalisirung der Zollherabsetzungen zu erlangen, werde er heute dem Antrag Kardorff mit dem Amendement Braun seine Zustim⸗ mung geben. Dem Senator Versmann halte er das Urtheil der HBHamburger Handelskammer entgegen, welche aus 75 der hervor⸗ ragendsten Kaufleute bestehe und die dem Reichstage ge⸗ rathen habe, lieber den ganzen Vertrag abzulehnen, als ihn mit der Spritklausel anzunehmen. Solche Stimmen aus der Hamburger Bürgerschaft seien für ihn mehr werth als die Des Herrn Senators. Nach seiner Meinung werde mit der Spritklausel ein ökonomischer Fehler gemacht. Die Indem⸗ nitätsfrage müsse auf möglichst regel mäßige Weise erledigt werden, eine so unvollkommene Indemnilät, wie sie gestern beschlossen sei, dürfe nicht in den Akten des Reichstags be— lassen werden. Dem ganzen Verfahren der Negierung hafte eine außerordentliche Mangelhaftigkeit an, die sich auch ge⸗ . zeigt habe in der Nothwendigkeit, Verordnungen zur Gene— . ralisirung des Tarifs ergehen zu lassen und der ganzen
wirthschaftlichen Situation, in der sich das Reich neuerdings befinde, die Signatur aufdrücke. Wäre ein soslches Herumtappen nach den richtigen For⸗
men, wie man es seit vier Tagen erlebe, unter Delbrück
möglich gewesen? Wenn man überhaupt unter jenem Regi— ment, das soviel verlästert worden sei, obwohl demselben die Nation Eminentes verdanke, erlebt hätte, daß eine außer⸗ ordentliche Session zu einem solchen Reichstag nöthig geworden, wenn das überhaupt denkbar gewesen wäre, so ware, wenn der Reichstag zusammengekommen, alles bis auf den letzten Stift ausgedacht und geregelt und an der Form nichts aus— zusetzen gewesen. Der Reichstag hätte sich nicht erst besinnen müssen, wie denn die Dinge in eine gesetzmäßige, anerkennens⸗ werthe, richtige Form zu bringen seien. Die 24 die heute hier die Regierung verträten und die zum Theil unter Del brücks Aegide aufgewachsen und groß geworden seien, würden sicher mit ihm (em Redner) dem Manne den Tribut zollen, den er demselben aus vollem Herzen zolle, und mit ihm zuge— stehen, daß derartige Verwirrungen damals nicht vorgekommen seien; die ganze Situation komme eben daher, daß die Handels- und die ganze Wirthschaftspolitik in Deutschland nicht mehr aus rein sachlichen Gründen, sondern nach politischen und diplomatischen Motiven geführt werde. Deswegen fehle auch, unbewußt und ohne dolus, der ernste sachliche Geist, der sich nur um die Dinge selbst kümmere, und sie mit ängstlicher Gewissen— haftigkeit prüfe, wie es früher unter einem puren Fachmanne in diesen Dingen üblich gewesen sei. Seine Partei werde diesen Vertrag und seine Unvollkommenheiten schließlich gut— heißen, ohne Enthusiasmus. Was gut an ihm sei, sei, daß derselbe überhaupt ein Vertrag sei; denn für das, was der— selbe leiste, könne man sich nicht begeistern, weniger hätte er nicht leisten können. Aber seine Form, die lange Zeit, die derselbe gebraucht habe, um zu Stande zu kommen, die ganze Geschichte seiner Einführung, das alles seien bedenkliche Wir— kungen des Zustandes, in dem sich die deutsche Wirthschafts— politik zur Zeit befände. Trotzdem er sehr häusig in einem starken Gegensatz zum Fürsten Bismarck stehe, so glaube er doch, daß selbst mancher seiner Freunde demselben weniger Gerechtigkeit widerfahren lasse als er, und jedenfalls stehe er (Redner, besser zum Kanzler, als derselbe zu ihm. Aber alle Schäden dieses Verwirrungszustandes wären vermieden wor— den, wenn der Reichskanzler bedacht hätte, daß nicht blos ein Schuster, sondern auch ein sehr großer Staatsmann einen Leisten habe, über den derselbe nicht hinausgehen sollte, und er halte für einen der am wenigsten gluͤcklichen Tage des Reichskanzlers und des Reichs den Tag, an dem Fürst Bis— marck geglaubt habe, preußischer Handelsminister und Leiter des deutschen Handelswesens werden zu müssen. Das sei die Moral von der Geschichte. ö.
Der Abg. von Vollmar betonte, die deutsche Verfassung gehöre gewiß nicht zu den besten; trotzdem habe seine Partei keine Veranlassung, diesen schwachen Damm gegen die Re— gierungswillkür durchlöchern zu lassen, wie es geschehen würde, wenn der Reichstag das Vorgehen der Regierung gutheißen wollte. Seine Partei erblicke ferner in der Art, wie die Re⸗ gierung gehandelt habe, einen jener systematischen Angriffe auf den Reichstag, wie man sie seit langer Zeit habe beob— achten können. Obwohl kein Freund des Parlamentarismus, halte seine Partei doch den Reichstag für einen schwachen Keim der Volkssouveränetät und möchte nicht die Hand dazu bieten, die schon viel zu starke Regierung durch eine Schwächung des Reichstages noch mächtiger zu machen. Auch wolle seine Vartei nicht mitschuldig sein an dem im Handelsvertrag mit Spanien enthaltenen Bruch der gegenüber Hamburg vom Reiche übernommenen Verpflichtungen, zumal dieser Bruch nur zu Gunsten einiger Privatinteressenten stattgefunden habe. Seine Fraktion werde daher, wie er glaube, einstimmig gegen den Vertrag stimmen.
Der Abg. von Kardorff bemerkte, der Abg. Bam— berger habe die Verdienste des Herrn Delbrück sehr warm gelobt, und habe behauptet, seitdem Fürst Bismarck die Leitung der Wirthschaftspolitik in die Hand genommen habe, datire eine gewisse Unsicherheit, Zerfahrenheit und Unschlüssigkeit in dieser Politik, zum Nachtheil für die wirthschaftliche Entwicke— lung Deutschlands. Er verkenne nicht die Verdienste, welche Herr Delbrück sich nach vielen Richtungen hin erworben habe, aber er glaube, wenn die Nachwelt einmal unbeirrt durch die Leidenschaften der gegenwärtigen Parteiverwickelungen über die wirthschaftliche Thätigkeit des Fürsten Bismarck urtheilen werde, so werde sie unter die mannigfachen Verdienste dieses Staatsmannes um das deutsche Vaterland auch das rechnen, daß derselbe mit all seiner Energie und seinem hervor— ragenden gesunden Menschenverstand die wirthschaftliche Entwickelung Deutschlands aus den falsqc en Bahnen herausgelenkt habe, in die sie durch eine frühere falsche Politik gerathen sei. Das Vaterland werde dem Für⸗ sten Bismarck dafür immer dankbar sein, daß derselbe den wirthschaftlichen Wohlstand der Nation durch eine sichere und richtige Politik erheblich gefördert habe, die Deutschland unter Delbrück leider aufgegeben habe, um es vom Freihandel treiben zu lassen. Insdesondere aber sollte dieser Handels vertrag doch dem Abg. Bamberger keinen Anlaß zu seinen Angriffen gegeben haben, denn in diesem Vertrag gerade werde das Land ein neues erfreuliches Zeichen erblicken von der Fürsorge des Reichskanzlers in wirthschaftlicher Beziehung, und es werde für diesen Vertrag dem Reichskanzler nur Dank wissen. -
s Der Abg. Frhr. von Minnigerode hob hervor, wie bei diesem Vertrage gerade die Sozialdemokraten der Regierung eine Lektion ertheilen wollten, sei ihm unverständlich. Die Herren wollten doch die Interessen der Arbeiter vertreten, und gerade die Arbeiter hätten an dem Aufblühen des deutschen Exports, welches durch den Handelsvertrag gesichert werden sollte, den lebhaftesten Antheil. Die Arbeiter würden dadurch Brot und Arbeit und eine sichere Existenz erhalten. Die Sozialdemokraten schienen also über die Interessen ihrer Wähler nur recht mangelhaft informirt zu sein, wenn sie den Handels⸗ vertrag ablehnten. Die Lobrede des Abg. Bamherger auf Herrn Delbrück bei dieser Gelegenheit und dessen Kritik des Ver⸗ trages sei um so unmotivirter, als der Abg. Bamberger doch wisse, welche Schwierigkeiten der Abschluß dieses Vertrages gehabt habe. Auch sei er nunmehr gezwungen, dem Aog. Bamberger zu engegnen, daß gerade auf dem Boden der Handelsverträge die Politik Delbrücks ausgesprochen nichts
geleistet habe, weil eben Herr Delbrück keinen festen Zolltarif, und damit kein Konzessions- und kein Drohmaterial gegenüber den Nachbarn in Händen gehabt habe. Bedenke man ferner die vollständige Unterbilanz, die Deutschland zur Zeit des Herrn Delbrück gehabt habe, eine Unterbilanz, die nach Millionen fich berechnet habe. Erst seit dem Beginn der neuen Wirthschaftspolitik sei der Export Deutschlands wieder im Wachsen begriffen, und gehe der Import nach Deutschland zurück. Das sei ein Zeichen einer gefunden Entwickelung, in der das Deutsche Reich sich jetzt befände.
Der Abg. Rittinghausen erklärte, daß er abweichend von seinen sozialdemokratischen Parteigenossen den Handelsvertrag für dienlich den Arbeiterinteressen halte, und deshalb dafür stimmen werde.
Der Abg. Richter (Hagen) bemerkte, der Abg. Ritting⸗ hausen unterscheide korrekt wie die Fortschrittspartei zwischen Vergangenheit und Zukunft beim spanischen Handelsvertrag. Die Genehmigung des Letzteren für die nächste Zeit habe das habe der Abg. von Vollmar nicht klar erkannt — mit Rechts- und Verfassungsfragen überhaupt nichts zu thun. Es liege gar kein Grund vor in Bezug auf den Inhalt des Handelsvertrages auf eine spätere Zukunft zu vertrösten. Ob die Spanier von Deutschland kaufen würden, hänge mit der Staatsform dort gar nicht zusammen. — In Bejug auf den Reichskanzler möchte er dem Abg. von Kardorff erwidern: Es sei doch seltsam, daß der Reichskanzler mit feinen Freunden sich jetzt mehr und mehr auf die Anerkennung der Nachwelt vertrösten müsse, während sie früher dies nicht nöthig gehabt hätten, sondern genug Anerkennung schon bei der Mitwelt gefunden hatten. (Rufe rechts: Bei der Fortschrittspartei vor 1866 nicht! Von der neuen Wirthschaftspolitik werde einst die Nachwelt nicht mehr viel vorfinden, denn dieselbe stehe nur auf den zwei Augen des Kanzlers. Denke man sich den Reichskanzler fort, so würden bei freier Wahl dann nicht einmal von der rechten Sete viele übrig bleiben, um sich auch nur das Begräbniß der neuen Gesetze anzusehen. Wäre man sich dessen nicht bewußt, so würden nicht so viele Kunststücke und Praktiken wie mit dem Wort „sofort“ und dergleichen bei den Wahlen jetzt versucht werden. Er hätte nicht erwartet, daß der Abg. von Minni— gerode derartige Betrachtungen über die Handelsbilanz vor und nach dem neuen Zolltarif angestellt hätte, denn über die Ausfuhr gebe es überhaupt erst seit 1880 eine vollständige Statistik. Vorher habe keine Verpflichtung zur Anmeldung desselben bestanden. Die Handelsbilanz seit 1880 aber beweise, daß Import und Export in der Gesammtheit in engfster Wechselwirkung mit einander stehen. Man spreche von Ruhe und Sicherheit in den Tarifen. Früher sei eine stetige Ent— wicklung in einer bestimmten Richtung. . . .. (Zuruf: alle drei Jahre.) Jetzt brauche man nicht einmal drei Jahre, um Alles wieder zu ändern. Die neue Wirthschaftspolitik sei alles andere eher als eine feste, stabile; die schnellen Wechsel der Zollsätze für Weintrauben bewiesen es. Die Herabsetzung des Kork— zolles lasse jeden Schutz der nationalen Arbeit, von dem 1879 aus⸗ schließlich die Rede gewesen sei, vermissen. Eigentlich sollte man die neue Wirthschaftspolitik eine Schnapspolitik nennen; je nachdem es für den heimischen Sprit förderlich fei, werde Schutzzoll oder Freihandel getrieben, wie man an der neuerlichen Be— handlung der Eisenbahntarife deutlich erkennen önne. Das Vorgehen gegen die Hamburger Spritfabrikanten im Vertrage sei nicht vereinzelt; soeben würden die Eisenbahntarife ür den Export von Spiritus nach Hamburg herabgesetzt. Sie seien herabgesetzt für Sprit, aber nicht für Rohspiritus, es sei denn, daß der Rohspiritus nicht für Hamburg verarbeitet, sondern direkt per mare ausgeführt werde. Also der Roh⸗ spiritus, wenn derselbe zuerst von Deutschen — und das seien doch die Hamburger — verarbeitet werde, werde theurer nach Hamburg gefahren, als wenn derselbe direkt zur Ausfuhr. nach Hamburg gehe, Diese neue Maßregel im Kriege gegen die hamburger Spritfabrikanten falle noch mehr ins Gewicht, als die Spritklausel. Dies zur Charakterxistik der Wirth⸗ schaftspolitik im Ganzen. Gegen die Indemnitätsertheilung. stimme er trotz der heutigen Darlegungen des Abg. Dr. Bam berger.
J Der Abg. Sonnemann erklärte, die Volkspartei werder für den Handelsvertrag votiren, weil seid langer Zeit nicht so wichtige Interessen für die Industrie in Frage gekommen seien, wie bei diesem Vertrage. Das gehe allein aus den zahlreichen Eingaben und Zuschriften hervor, die an die Ab⸗ geordneten aus industriellen Kreisen gelangt seien, als im März die Gefahr vorgelegen habe, das der Vertrag nicht zu Stande kommen würde. Die deutschs Industrie könne man
nicht für die Fehler, welchés die Regierung mache, büßen
lassen. Gerade in Spanien habe die dentsche Indastrie in den letzten fünf Jahren außerordentliche Anstrengungen und Frankreich erfolgreiche Konkurrenz gemacht, und es fei sehr wichtig, daß die deutsche Industrie dort ür die Zukunst dem festen Boden zum Weiterarcbeiten erhalte, den dieser Vertrag ihr gewähre. Seine Partei sei auch für den Vertrag troß. des großen handelspolitischen Bedenkens, welches in der nach⸗ träglich von Deutschland Spanien nahegelegten Spritklausel liege. Daß die Spritllansel mit in den Kauf genommen werden müsse, müsse er nochmals bedauern, zumal auch aus den Verhandlungen der Cortes sich ergebe, daß die erste An⸗ regung dazu nicht von spanischer Seite ausgegangen sei. Für die hohen Fähigkeiten des Reichskanzlers auf handel spoliti⸗ schem Gebiete spreche die Art und Weise des Zustandekommens dieses Handelsvertrages doch nur in geringem Grade. Habe doch Oesterreich, die Schweiz, Schweden u. s. w. ihre Verträge mit Spanien leicht und glatt erneuern können; nur mit Deutschland habe dies so große Schwierigkeiten gemacht, und das sei ja gerade die Folge der jetzigen Handelspolitik. Ganz getrennt von der Frage der Annahme des Vertrages behandele seine Partei aber die konstitutionelle Frage, und betrachte die nicht vechtzeitige Einberufung des Reichstags als eine Geringschätzung der Rechte des Reichstags und als einen neuen Versuch der Regierung, dieselben herabzusetzen. Er sehe insbeson dere die Sache nicht so an, wie der Abg. Oechel⸗ häuser, der sich geradezu bei der Regierung dafür bedankt habe, daß sie die Verfassung verletzt habe. Ebenso stimme