1883 / 235 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 06 Oct 1883 18:00:01 GMT) scan diff

Bayern. München, 5. Oktober. (Allg. Ztg.) In der heutigen Sitzung des Magistrats wurde ein Antrag des Rechtsraths Ruppert, in die Vorstandschaft der höheren Töchterschule je einen geistlichen Inspektor katho⸗ lischer und protestantischer Konfession aufzunehmen und dem⸗ gemäß eine Aenderung des Anstaltsstatuts zu erwirken, mit großer Majorität angenommen. Der Antragsteller hatte unter anderem die Ansicht ausgesprochen: es solle die Religion nicht . ein Lehrfach sein, sondern alle Lehrgegenstände durch⸗ ringen.

Die Ersatzwahl für den verstorbenen Abg. von Schlör im Wahlkreise Weiden ist von der Kreisregierung der Ober— pfalz auf den 6. Norember festgesetzt worden.

Der definitive Schluß der Internationalen Kunst— ausstellung findet am 15. d. M. statt.

Baden. Karlsruhe, 5. Oktober. (W. T. B.) Bei den heute stattgehabten Wahlen zur Zweiten Kammer haben die Tiberalen 4 Stimmen gewonnen.

Sachsen Weimar ⸗Eisenach. Weimar, 4. Oktober. (Th. C.) Der Landtag des Großherzogthums wird zum 21. Oktober einberufen werden.

Neuß j. L. Gera, 4. Oktober. (Th. C.) Vorgestern fand in der alten Klosterkirche zu Kloster Lausnitz eine Lutherfeier statt, zu der die Kirchenregierungen von Reuß j. und ä. L., Sachsen⸗Altenburg und Schwarzburg-⸗Rudolstadt den Anstoß gegeben hatten. Die Feier war sehr gut besucht. Nach dem Gottesdienst sprach General-Superintendent Rogge aus Altenburg über Luther, den deutschen Mann, sodann General-Superintendent Trautvetter aus Rudolstadt über Luther und das evangelische Pfarrhaus, endlich Ober-Kirchen— Rath Lotze von hier über Luther den Kirchenreformator, be— sonders im Hinblick auf seine Lehre von der Rechtfertigung allein aus dem Glauben und auf seine Lehre vom Abendmahl.

Samburg, 4. Oktober. (Hamb Corr.) Vor der Tages⸗ ordnung der gestrigen Sitzung der Bürgerschaft theilte der Präsident folgende Auskunft des Senats auf das Aus⸗ kunstsersuchen von Richter und Dr. Gieschen, betreffend den deutsch-⸗spanischen Handelsvertrag, mit:

Zu 1. Vor der Unterzeichnung des deutsch-spanischen Handels- verträges hat der Senat von dem Inhalt desselben keine Kenntniß gehabt. Der Wortlaut des Vertrages ist dem Senat vor dessen Ver⸗ öffentlichung auf diplomatischem Wege mitgetheilt worden.

Zu 2. Der Senat hat sich angelegen sein lassen, die Bedenken, welche im Interesse des hiesigen Spritgeschäfts gegen die im Schluß protokoll zu Art. 9 enthaltene Bestimmung zu erheben waren, unter Benutzung des von den Interessenten und von den hiesigen Handels behörden beigebrachten Materials, der Reichsregierung gegenüber geltend zu machen, zugleich aber die Veranlassung, die wirkliche Mei⸗ nung und die praktische Tragweite dieser Bestimmung auf dem Wege der mündlichen Erörterung und mittelst der Correspondenz mit der Reichs⸗ regierung vor der Einberufung des Bundesraths festzustellen. Von em Inhalt der gegebenen Aufklärungen, welche auch in der dem Bundesrathe und später dem Reichstage zugegangenen Denkschrift zum Vertrage Anlage 1. aufgenommen sind, hat der Senat die hiesige Handelsbehörde sowie durch deren Vermittelung die hiesigen Interessenten in Kenntniß setzen lassen.

Zu 3. Nachdem sich bei eingehender Prüfung der Rechtsfragen ergeben hatte, daß der auf den Sprit bezüglichen Bestimmung des Schlußprotokolls, obgleich von derselben thatsächlich ein zur Zeit nur in Hamburg betriebener Fabrikationszweig betroffen wird, doch eine präjudizielle Bedeutung fuͤr die Stellung der Freihafengebiete zu den Handels verträgen des Deutschen Reichs im Allgemeinen nicht bei zulegen war, sowie, daß der erwähnten Bestimmung auch die mit dem Reiche wegen des Zollanschlusses getroffene Vereinbarung vom 25. Mai 1881 nicht entgegengehalten werden konnte, mußte erwogen werden, 6 nicht das Schlußprotokoll für sich allein in Frage stand, sondern, daß der Handelsrertrag in seiner Gesammtheit abzulehnen oder an— zunehmen war. ;

Da das Inkrafttreten dieses Vertrages, wie allseitig anerkannt worden ist, nicht nur für Deutschland im Allgemeinen, sondern speziell auch für den hamburgischen Handel erhebliche direkte und indirekte Vortheile in Aussicht stellte, auch nach den dem Senate von der Reichsregierung gegebenen Aufklärungen anzunehmen war, daß die schädliche Wirkung des Schlußprotokolls eine wesentlich geringere sein werde, als es anfänglich den Anschein gehabt haͤtte, hat der Senat es für richtiger gehalten, von einem Widerspruch gegen die Annahme des Vertrages abzusehen und bei der Abstimmung im Bundesrathe die Erklärung abgeben zu lassen: ‚daß er das im Schlußprotokoll zu Artikel 9 des Vertrages gemachte Zugeständniß wegen der nachtheiligen Folgen, welche dasselbe durch die Erschwerung eines bedeutenden hamburgischen Industriezweiges keineswegs blos für diesen, jondern auch, für die allgemeinen deutschen Han— dels⸗ und Schiffahrtsbeziehungen mit Spanien haben könne, lebhaft bedauere, gleichwohl aber gegenüber der von der Reichsregierung in der Denkschrift zum Vertrage auf. Seite 39 abgegebenen Erklärung, daß Spanien die bezügliche Auf— fassung bereits im ersten Stadium der Verhandlungen kundgegeben babe, und daß durch nachhaltigen Widerspruch gegen die Aufnahme der entsprechenden Erklärung in das Schlußprotokoll die Vertrags— verhandlungen zum Scheitern gebracht sein würden, von einem Wider⸗ spruch gegen die im Uebrigen für die allgemein wirthschaftlichen Interessen Deutschlands wünschenswerthe Annahme des Vertrags Ab— stand nehme,.“

Dr. Gieschen beantragte, diese Auskunft an einen Aus— schuß von 7 Personen zu verweisen. Der Antrag wurde ge— nügend unterstützt und kommt auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung.

Oesterreich⸗ Ungarn. Wien, 6. Oktober. (W. T. B.) Die Delegationen sind auf den 23. d. M. nach Wien einberufen worden.

4. Oktober. (Presse.) Der Minister⸗Präsident Tisza hielt gesten im ungarischen Abgeordnetenhause eile Rede, welche als Motiwirung des kroatischen „Ausgleichs“ von der Rechten mit unausgesetztem Beifall aufgenommen wurde. Die Rede, enthielt neben bereits bekannten Ausführungen die deutliche Mahnung an die Kroaten, daß von einer prinzipiellen Modifikation des 1868er Ausgleichs keine Rede sein könne, und daß ohne eine versöhnliche Haltung der Kroaten, ohne sichtbare Garantien sür die Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung in Kroatien an die baldige Ernennung des neuen Banus nicht gedacht werden könne.

Großbritannien und Irland. London, 4. Oktober. (Allg. Corr.) Der Kongreß der Vereinigten Handels—⸗ kammern für Großbritannien und Irland hat gestern seine Sitzungen geschlossen. Es wurden noch Resolutionen zu Gunsten der Errichtung eines Handels Ministeriums, der strengsten Untersuchung über die Entstehung von Feuers— brünsten, dann der Einbringung eines Gesetzes über die Theil— haberschaft in geschaftlichen Unternehmungen und der Erleich⸗ terung im Telegraphenverkehr angenommen.

Kapstadt, 3. Oltober. (Allg. Corr. Der Premier⸗ Minister hat gestern die Reise nach England angetreten.

Frankreich. Paris, 5. Oktober. (W. T. B) Dem Minister des Auswärtigen, Challemel-Lacour, ist von dem spanischen Botschafter gestern keine Note überreicht worden. Dagegen soll der Botschafter münd⸗ liche Vorstellungen erhoben haben, die sich, dem „Temps“ zufolge, namentlich darauf bezogen, daß keine gerichtliche Verfolgung der Urheber der Kund⸗ gebung gegen den König Alphöns eingeleitet und daß nicht der volle Wortlaut der zwischen dem König Alphons und dem Präsidenten Grevy gewechselten Erklärungen im „Journal officiel“ veröffentlicht worden sei. Betreffs dieser beiden Punkte erscheine die Antwort der französischen Regie⸗ rung jetzt geeignet, eine Verständigung herbeizuführen.

Dem „Temps“ zufolge wäre das Kriegs⸗Ministerium dem General Saussier angeboten worden. Das Demis⸗ sionsgesuch des Kriegs-Ministers Thibaudin lautet, nach der „France“, wie folgt: „Obschon mich meine politischen Feinde während der Ferien des Parlaments in die von ihnen berechnete Ohnmacht haben versetzen wollen, meine Handlungen dem Urtheil der Vertreter des Landes zu unterwerfen, so zögere ich doch nicht, meine Demission zu geben mit der nämlichen Ergebenheit gegen Ihre Person und gegen die Republik, die ich an dem Tage hegte, wo ich es als meine Pflicht betrachtete, der an meinen Patriotismus ge— richteten Aufforderung durch Uebernahme des Portefeuilles zu entsprechen“.

6. Oktober. (W. T. B.) Das „Journal offi⸗ ciel“ veröffentlicht folgende Note: Es sind verschiedene Ver⸗ sionen in Umlauf gesetzt worden hinsichtlich der Worte, welche bei dem Besuch ausgetauscht wurden, den der Präsident der Republik am letzten Sonntage dem König von Spanien machte, um denselben seiner Gesinnungen und derjenigen des Landes zu versichern. Die einzige authen— tische Wiedergabe ist diejenige, die den Zeitungen durch die „Agence Havas“ mitgetheist worden und die als offiziell an— zusehen ist.

Die Morgenblätter besprechen die Entlassung Thi— baudins. Die Organe der gemäßigten Republikaner und der Monarchisten billigen dieselbe. Die „République francaise“ sagt: die Belassung Thibaudins auf seinem Posten würde jede reguläre Beziehung zu den benachbarten Nationen un⸗ möglich gemacht haben. „La Paix“ hätte gewünscht, daß diefe Maßregel weniger unerwartet ergriffen worden wäre. Der „Gaulois“ schreibt: Thibaudin sei ein dem allgemeinen Frieden gefährlicher Kriegs-Minister gewesen. Die Journale der Intransigenten greifen das Ministerium heftig an und hoffen, der Rücktritt Thibaudins werde nur von kurzer Dauer sein. Der „Voltaire“ dementirt die Nachricht, das Spanien die Entlassung Thibaudins verlangt habe. Mehrere Morgen⸗ blätter melden: Thibaudin werde sich von der äußersten Linken in einem südlichen Wahlkreise für die Deputirtenkammer auf— stellen lassen.

Türkei. Konstantinopel, 3. Oktober. (Allg. Corr.) Die Pforte hat soeben die britische Note betreffs des Handelsvertrages beantwortet; sie lehnt die verlangte Einräumung des „meistbegünstigten Tarifs“ entschieden ab und verweigert jede Verlängerung des bestehenden Vertrages. Inzwischen hat die Zollkommission den Auftrag erhalten, den neuen Tarif so rasch als nur immer möglich auszuarbeiten.

5. Oktober. (W. T. B.) Wie offiziell versichert wird, wäre der englische Botschafter Lord Dufferin, welcher heute vom Sultan in Audienz empfangen werden soll, mit keiner eine Spezialfrage betreffenden Mission betraut. Die Pforte wird heute die Ratifikation des den Eisen—⸗ bahnanschluß betreffenden Abkommens nach Wien ab— gehen lassen.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 6. Oktober. (W. T. B.) Das „Journal de St. Pétersbourg“ dementirt den Inhalt! eines Wiener Telegramms der „Daily News“, nach welchem in St. Petersburg, Kolpina, Charkow und Simbirsk zahlreiche Offiziere verhaftet und große Dynamitvorräthe entdeckt worden sein sollten. Gleich⸗ zeitig dementirt das Journal eine Nachricht des „Pester Lloyd“ in Betreff eines Bauernaufstandes in Südrußland. Es habe sich dabei lediglich um die Ermordung eines Gutsverwalters im Gouvernement Jekaterinoslav und um die Beraubung eines Uhrmacherladens gehandelt. Solche Uebertreibungen verfolgten nur den Zweck, die betreffenden Zeitungen interessant zu machen. Bezüglich der von einigen Pariser Blättern in dem spanischen Zwischenfall geführten Sprache bemerkt das „Journal de St. Petersbourg“, daß eine solche Sprache sich gegenüber einer stolzen Nation nicht zieme. Es sei dies ein schlechtes Mittel zur Erwerbung von Allianzen.

Die Generale Kaulbars und Soboleff Sofia hier angekommen.

Bei dem asiatischen Departement des Aus⸗ wärtigen Amts sind Unterrichtskurse für orien— talische Sprachen für Offiziere errichtet worden. Die Kurse sind 3jährig und die Offiziere, welche an denselben theilnehmen, verpflichtet, mindestens 3 Jahre in den asia— tischen Militärbezirken Rußlands zu dienen.

Schweden und Norwegen. Stockholm, 5. Okto⸗ ber. (W. T. B.) Dem Staats⸗Minister Thysel ius ist an Stelle des Staatsraths Hederstjerna, welcher zum Lande s— hauptmann der Provinz Westeras ernannt wurde, auch der Posten des Chefs des Departements des Innern übertragen worden. Zum Mitglied des Staatsraths mit be— rathender Stimme wurde der bisherige Expeditionschef, von Krusen stjerna, ernannt.

Christignig, 5. Oktober. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung des Reichsgerichts wurde auf Verlangen des An⸗ klägers die weitere Verhandlung gegen den Staats-Minister Kierulf auf den 1. Dezember verschoben.

Afrika. Egypten. Alexandrien, 5. Oktober (W. T. B.) Eine Deputation von hier ansässigen Englän—⸗ dern hatte heute eine Unterredung mit dem englischen General⸗ konsul Major Baring und stellte an ihn die Frage, ob er ungefähr den Zeitpunkt angeben könne, wann die Ent⸗ schädig ungen für die Verluste an Eigenthum ausgezahlt würden. Baring verneinte die Frage, bemerkte aber, die An⸗ gelegenheit unterliege der Erwägung der Regierung. Gleich⸗ zeitig wies Baring auf die Anomalie von Seiten der hier wohn⸗ haften Ausländer hin, welche darin liege, daß sie die egyp— tische Regierung verantwortlich für die Zerstörung ihres Eigen⸗

sind von

thums machten und Entschädigung verlangten, während sie von jeder Steuer befreit gewesen seien und nichts zu den Kosten des Schutzes für das Eigenthum beigetragen hätten. Baring fügte noch hinzu: es habe gar kein Grund vorgelegen, einen übermäßigen Druck auf die Regierung auszuüben, die⸗ selbe werde jedoch nach besten Kräften die Auszahlung der Entschädigungssummen beschleunigen.

Seitungsstimmen.

Die „National⸗Zeitung“ enthält folgenden Artikel über die Agitation für Groschenmarkensparkassen und deren Ausdehnung auf die Großindustrie:

Die Sache der Groschenmarkenkassen ist seit einigen Jahren in mehreren Staaten mit großem Eifer aufgenommen worden und bereits zu sehr erfreulichen Resultaten gelangt, neuerdings aber in ihrer Entwickelung einen Schritt vorwärts gekommen durch ihre Aus⸗ dehnung auf die Arbeiterschaften großindustrieller Etablissements, in welcher Wendung die Kassen, die zum Theil noch ihre Hauptpflege⸗ stätten in den Schulen haben, eine höhere sozialpolitische Wichtigkeit gewinnen können. ;

Der Ausgangspunkt dieses neuen Sparsystems sind die Post⸗ sparkassen Englands, über deren Erfolge die deutsche Presse vielfach berichtet hat. Allmählich sind dem englischen Beispiele Frankreich, r fin, Holland, Italien und zuletzt, im vorigen Jahre, Oesterreich gefolgt.

Das Wunder der Aufsammlung kolossaler Summen Seitens der englischen Kassen beruht auf dem an sich einfachen, aber Leben und Gewohnheit der kleinen Leute ungemein fein in Rechnung ziehenden System, daß jederzeit auch kleinste Beträge fast ohne Mühe und ganz ohne Kosten eingezahlt und so vor unproduktiver Vergeudung in Sicherheit gebracht werden können durch Lösung einer Groschen— marke beim nächsten Postamt. Es war nur freudig zu be— grüßen, daß über dieses System in kurzer Zeit eine zahlreiche Literatur entstand, wobei diesmal Desterreich die Hauptwerke lieferte, ausgestattet mit einem reichen statistischen Material über den neuesten Stand der Kassenerfolzge. Wir erseben aus dem jüngsten Werke, daß trotz der meist pennyweisen Aufsammlung die englischen Postsparkassen dieselben sind nach der ausdrücklich betonten Absicht des Gesetzes nur für die unbemittelten Klassen bestimmt im Jahre 1880 die Summe von 34375936 12 eh 3 4 Bestand hatten, also über 609 Millionen Mark! Wenn auch die Einrichtung schon 20 Jahre besteht und die alten Sparkassen zumeist der neuen Form sich an— bequemt, ihre Kapitalien also mit herübergebracht haben, so bleibt das Resultat nichtsdestoweniger der Bewunderung werth.

Die interessanteste Seite der Kassen deckt der Vergleich der Jahresergebnisse seit 1861 auf. weil hier die große innere Attraktions kraft des Systems zahlenmäßig zu Tage tritt, bezw. der Fortschritt der Entwicklung sowohl was die Zahl der Einlagen, als was die durchschnittliche Sparsumme pro Sparer anlangt. Wir geben hier— für eine kleine Zahlenreihe:

Zahl Durchschnittlich der Einlagen per Sparer

1861 639 216 190 sh. 3 d.

1865 1302309 k 1870 1802031 1 1875 2 800537 22 4 1880 2 754 689 6 11

Besonders letztere Reihe ist der Beachtung werth, sie zeigt wie glänzend dieses einfache System auf die Entwickelung des Sparkriebes zu wirken vermocht hat. Man hat mit eminent prak⸗ tischem Geiste das Sparen in der Weise zu organisiren verstanden, daß auch hier eine freie Mithülfe von Volksfreunden ein griff, nämlich durch sogen. Pennybanken, die nicht sowohl „Banken“ als humane Vereine sind, welche, da die Post erst auf einen Schilling ein Sparbuch verabreicht, dem Sparer eine Karte zum Aufkleben von 12 Stück Pennymarken unentgeltlich verabreichen und ihm Marken verkaufen. Solcher Banken giebt es jetzt über 1400 im Lande, die überall dem Arbeiter die feste Hand entgegenhalten, einen Penny bei Seite zu bringen, der in seiner lockeren Hand, vielleicht schon beim Passiren des nächsten Wirthshauses leichtsinnig verthan wird. So gelang es den Vereinen beispielsweise im Jahre 1880 nicht weniger als 90 00 Sparkarten auszugeben. .

In Deutschland hat man es, ebenfalls nach dem Beispiele Eng— lands, zuerst mit Schulsparkassen nach diesem System versucht, am weitesten ist man auch hier im Königreich Sachsen gelangt, das schon bisher in Betreff der älteren Sparkassen die höchste Entwicke— lung unter den deutschen Staaten erreicht hatte. Seitdem hat man auch in Berlin einen Anfang mit derartigen Groschenmarken— Kassen für kleine Leute gemacht. Neuerer noch ist auf die fem Gebiete ein Schritt vorwärts, für den zuerst der kera— mische Verband (deutscher Thonwaarenfabriken) auf seiner Ge⸗ neralversammlung von 1882 die Initiative ergriffen hat: Ein—⸗ führung des in den Postsparkassen liegenden Systems in die Fabriken. Die Fabriksparkassen fußten bisher auf sehr verschiedener Basis; sie bestanden zum Theil aus Stiftungen des Grundkapitals Seitens der Arbeitgeber, zum Theil waren es freiwillige, zum Theil Zwangs sparkaffen. Das Verdienst des ersten praktischen Versuches der Ein⸗ richtung von Groschensparkassen für Fabriken gebührt der bekannten größten Steingutfirma Deutschlands, Villeroy u. Boch in Mettlach an der Saar, die im Besitz von fünf Etablissements ist. .

Es gilt also hier bei der Anpassung des englischen Systems (mit seinen vom Staat verwalteten Kassen) auf deutsche Fabrikverhältnisse, in erster Reihe Einrichtungen zu schaffen, welche, ohne eine staatliche Verwaltung zu Hülfe zu rufen, die Vorzüge dieses einfachen Kassen⸗ wesens in sich aufnehmen und zu praktischer Verwaltung und Wir— kung gelangen lassen! Hauptpunkt der Organisation müßte also bleiben, die denkbarste Bequemlichkeit der Insicherheitbringung kleinster Sparbeträge ohne alle Mühe, namentlich ohne allen Zeitverlust, Anregung hierzu, Beschaffung von Sparbüchern einer Fffentlichen Sparkasse. Den Markenverkauf 4 10 hat sowohl während der Arbeitszeit als für Pausen und Sonntage der Portier der Fabrik, ebenso reicht derselbe die mit 10 leeren Quadraten verfehenen, zum Aufkleben der Fabrikmarken bestimmten Sparkarten aus. Sind 10 Marken auf der Karte beisammen, so liefert das Comptoir dem Sparer dagegen ein Sparkassenbuch, in welches nun— mehr der Betrag von einer Mark eingetragen und verzinst wird. Zur Erkangung von Sparkassenbüchern setzt sich die Fabrik mit der Orte oder Kreissparkaffe in Verbindung, an welche die Beträge abgeliefert werden. Um den Spartrieb anzuregen, geben wohl die Fabriken fo die der genannten Firma die erste Marke oder 5 Stück zx. als Geschenk an den jungen Sparkandidaten. Man erkennt sofort, wie ungemein wichttz es ist, daß der Arbeiter einen guten Vorsat sofort ausführen kann mit einem Minimalbetrage, ohne sich eine Minute zu versäumen, bezw. ohne ihn für den Abend in der Tasche fortzutragen! Seitdem sind eine Reihe weiterer Fabriken gefolgt, so die in Schlierbach (Hessen), Altwasser (Schlesien) u. s. w., überall mit trefflichstem Erfolge, wirthschaftlich wie moralisch. Einen großen Erfolg aber hat der genannte Verband, der seit einem Jahre energisch nach allen Seiten für diese Kassen in der angegebenen Or ganifationsform (als Ersatz der uns fehlenden Postsparkassen) agitirt hat, bei den Eisenbahnen erreicht, vor allen bei der sächsischen Staat bahn-⸗Direktion, die mit Einsicht und Wärme die Groschensparkassen über das ganze Bahnnetz ausgedehnt hat.

Bekanntlich hatte die Einführung der Postsparkassen nach eng' lischem Muster vor einigen Jahren bei der Reichsregierung einen Ver⸗ treter in dem General⸗Postmeister gefunden Eine Ungunst haben diese Kassen so weit sich Stimmen in die Oeffentlichkeit hervorgewagt haben bei einzelnen Magistraten gefunden, welche fur ihre Sparkassen alten Systems besorgt sind, die manchen Kom. munen nicht unwesentliche Dienste leisten; ungünstig endlich haben sich einzelne Mitglieder der Fortschrittspartei aus Besorgniß vor

einem finan ziellen Machtzuwachs der Regierung zur Sache gestellt, eine Gefahr, welche kaum in Betracht kommen dürfte. ;

Wir si nd der Ueberzeugung, daß eine so bedeutsame, nunmehr in fünf Staaten eingeführte und durch in der That großartige Re⸗ jultate bewährte Einrichtung, wie die der Postsparkassen, mit der Zeit auch bei uns durchdringen wird. Die oben dargelegte Selbsthülfe im Sparkassenwesen gleichen Systems innerhalb der Großindustrie ver dient inzwischen Anerkennung und Nachfolge.

Centralblatt für das Deutsche Reich. Nr. 40. Inhalt: Zoll⸗ und Steuerwesen: Veränderungen in dem Bestande und in den Befugnissen von Steuerstellen. Konsulatwesen: Ernennungen. Polizeiwesen: Ausweisung von Ausländern aus dem Reichsgebiet.

Justiz ⸗Ministerial Blatt. Nr. 36. Inhalt: Er— kenntniß des Reichsgerichts vom 23. September 1882.

Centralblatt der Bauverwaltung. Nr. 40. Inhalt: Amtliches: Personal nachrichten. Gutachten der Königlichen Aka⸗ demie des Bauwesens, betr. die Wirksamkeit der Schutzvorrichtungen beim Brande des National Theaters in Berlin. Nichtamlliches: Der neue Centrtalbahnhof in Straßburg (Foris.). Die Pariser Stadtbahnen. Der Stannards Rock ⸗Leuchtthurm. Neue Nor- mal Bahnhofs Anlagen. Vermischtes: Auszeichnungen bei Gelegen ˖ beit der Entbüllung des National ⸗Denkmals auf dem Niederwald. Befestigung der Schiffe an Kaimauern. Konkurrenz um den Bau einer Eisenbahnbrücke über die Donau in Rumänien. Recht- sprechung.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Durch die mit dem 1. Oktober d. J in Kraft getretene Landgüterordnung für die Provinz Brandenburg vom 10. Juli d. J. sind neue Bestimmungen bezüglich der Vererbung der Landgüter das sogenannte Anerbenrecht in der genannten Pro⸗ vinz eingeführt worden, deren praktische Bewährung wesentlich davon abhängig sein wird, daß dieselben richtig gehandhabt werden bezw. zur Kenntniß der betheiligten Landwirthe gelangen. Diesen Zwecken zu dienen, sind zwei im Verlage von G. W. Müller, Berlin, kürzlich er⸗ schienene Schriften bestimmt. welche der Amtsrichter MaxSchultzen— stein bearbeitet hat. Die eine bietet eine eingehende wissen schaftliche Erläuterung des gedachten Gesetzes, welche sowohl den richterlichen ꝛc. Beamten das Studium und die Anwendung der neuen Bestimmungen erleichtern, ols auch dem betheiligten Grund— besitzer eine gründliche Information gewähren wird. Der Verfasser hat in derselben die allgemeinen Grundsätze des Gesetzes einer syste matischen Darstellung unterzogen und diejenigen Erläuterungen, welche sich zu einer solchen Behandlung nicht eignen, dem dem Wortlaut nach mitgetheilten Gesetze, sowie der allgemeinen Verfügung des Justiz⸗ Ministers vom 56. August 18853, betr. die Führung der Landgüterrollen im Bezirke des Kammergerichts, in der Form von Anmerkungen hinzu⸗ gefügt. Gebührentabellen, eine Reihe von Musterbeispielen sowie ein Sachregister erhöhen die praktische Brauchbarkeit des Werks. Der Preis desselben beträgt 4 50.0 In der zweiten Schrift hat der Verfasser das qu. Gesetz für Landwirthe besprochen. (Preis 50 3.) Dieselbe soll ledig⸗ lich die bei dem Gesetz am meisten betheiligten Grundbesitzer über daßeelbe insoweit unterrichten, als sie sich nicht auf den Rath Dritter verlassen dürfen, sondern sich über ihr Verhalten der Landgüter⸗ ordnung gegenüber selbst schlüssig machen müssen, d. h so weit es sich darum handelt, ob sie ihre Grundstücke in die Landgüterrolle ein- tragen oder, nachdem die Eintragung erfolgt ist, darin stehen lassen sollen, bezw. ob und welche besonderen Verfügungen sie in diesem Falle etwa noch zu treffen haben. Die Schrift gewährt daher keine vollständige Erörterung des Inhalts der Landgüterordnung; diejenigen Bestimmungen und Gesichtspunkte, welche dem Zweck nicht ent= sprechen, sind vielmehr unberücksichtigt geblieben. Ein Abdruck des Gesetzes ist dieser Darstellung angeschlossen.

Der in Friedr. Schulze's Verlag hierselbst (Wilhelmstr. Ja) erschienene Festgruß von N. Fries zum 10. November 1883, dem Geburtstage Martin Luthers, ist bereits in der 6. Auflage (ol -= 60 060 Exemplare) erschienen. Die besonders zur Vertheilung in Schulen geeignete kleine, aber gediegene und inhaltreiche Schrift kostet in einzelnen Exemplaren 15 4, bei 26 50 Exemplaren 14 , bei , 13 , 76 - 100 12 8, 101-200 11 3, 201 und darüber

5.

Joseph Bär u. Co., Buchhändler und Antiquare in Frankfurt a. M., Paris und London, haben über ihr antiguarisches Bücher⸗ lager den Lagerkatalog Nr. 131 veröffentlicht. Derselbe enthält die Bibliothek des bekannten Sprachforschers Dr. Lor. Diefenbach und umfaßt ein Verzeichniß von 2785 Schriften über Linguistik, welche unter folgende Abtheilungen vertheilt sind: J. Allgemeine Schriften und linguistische Hülfswissenschaften: Linguistische Zeitschriften und Sammelwerke (49 Nrn.), Linguistische Bibliographie und Biographi⸗ sches (35 Nrn.), Alphabetik und Paläographie (33 Nrn.), Mythologie und Religionssysteme (136 Nrn.), Märchen und Sagenkunde, Volkslieder und Sprüchwörter (im Ganzen 218 Nrn); II. Allgemeine und vergleichende Sprachwissenschaft und Poly⸗ glotten (im Ganzen 290 Nrn); III. Arische Sprachen: im Allgemeinen (5 Nrn), Indische Sprachen (Sanskrit, Prakrit, Pali, neuiagdische Sprachen, im Ganzen 48 Nrn.), Zigeuner sprachen (20 Nrn.), Eranische Sprachen (Zend, Persisch, Armenisch, Avghanisch, Ossetlsch, Kurdisch, im Ganzen 47 Nrn.); 1V. Griechische Sprachstämme: Altgriechisch (15 Nrn.), Neugriechisch (13 Nrn. ). Al⸗ banesisch (10 Nrn.); V. Lateinisch⸗Romanischer Sprackstamm: Allge⸗ meine Schriften (24 Nrn.), Altitalisch (12 Nrn.) und Lateinisch (68 Nrn.), Italienisch mit den Dialekten (107 Nrn.), Rumänisch (38 Nrn., Rbätoromanisch und Ladinisch lim Ganzen 18 Nrn.), Alt. und Neu -Provenzalisch (27 Nrn.), Französische Grammatik (26 Nrn.), Französische Literatur bis 1600 145 Nrn), Französische Dialekte (46 Nrn.), Spanisch⸗Catalanisch (70. Nrn), Portugiesisch (18. Nrn. ; VI. Celtische Sprachen (Irisch. Welsch, Bee⸗ tonisch, Eornisch lim Ganzen 165 Nrn.); VII. Germanische Sprachen: Allgemeines (15 Nrn) und Runen (12 Nrn.), Gothisch (52 Rrn.), Altsächsisch und Angelsächsisch im Ganzen 10 Nrn ), jowie Anglonormannisch (9 Nrn.), Englische Sprache und Dialekte, sowie Altenglisch (im Ganzen 145 Nrn.), Skandinavische Sprachen (144 Nrn., wovon 57 auf Sagger), Niederdeutsch, Friesisch und Holländisch (im Ganzen 103 Nrn.), Alt⸗, Mittel und Neuboch⸗ deutsch (im Ganzen 163 Nrn.), Deutsche Mundarten (A4 Nrn.); VII. Slavischlettische Sprachen (112 Nrn.); 1X. Semitische Sprachen (27 Nrn.); X. Ural-Altaische Sprachen. (7. Nrn ; XI. die übrigen Sprachstämme (Afrika, Amerika, Australien, Baskisch, Faukasische Sprachen, im Ganzen 53 Nrn.); Nachtrag (22 Nen). Unter den aufgeführten Schriften befindet sich eine Menge wichtiger und zum Theil seltener Werke. Von den letzteren erwähnen wir be⸗ sonders: Megister, Thesaurus polyglottus ete. 1593; die Barthsche niederdeutsche Bibel „Biblia Düdesch D. M. Luther“ 1588. 4; Nomenclatura rerum domesticarum. Norimb. 1530. kl. 8.

Halle a. S., 4. Oktober, (Th. C.) Der Thüringisch ⸗sächsische Verein für Erdkunde hielt am 3. d. hier seine Wanderversamm⸗ lung. Unter den Vortragenden befanden sich Rohlfs (Weimar): über deuische Interessen in Afrika; Liebscher (Jena): über die neuesten Vorgänge in Japan; Dr. Aßmann (Magdeburg): über den Werth des Brockens als Höhenstaticn für die wissenschaftliche und praktische

eteorologie u. A. Im Mittelpunkt des Interesseg, stand aber das eben eröffnete ethnograyhische Museum des Dr. Riebeck, dessen Reichthum an Kunst- und Gewerbesachen von Sachverständigen als unübertreff lich bezeichnet wird, während sie zugleich das feine Ver⸗ ständniß bei Anlegung der Sammlung durch den jungen verdienst⸗— vollen Forscher rühmen. Dieselbe wird dem Museum in Berlin ein⸗ verleibt werden, doch verbleiben die naturwissenschaftlichen Gegen⸗ stände der Universität Halle.

Gewerbe und Handel.

Nürnberg, 4. Oktoher. (Dopfenmarktbericht von Lecvold Held) Gestern und vorgestern war das Geschäft am Hopfen markt wenig belebt; nur je ca. 22 Ballen wechselten die Eigner; heute berrsckte wieder regere Kauflust, und gegen 15300 Säcke mögen verkauft worden sein. Die Preise sind im Allgemeinen unverändert geblieben, und ist für Markthopfen sogar stellenweise einige Mack mehr gelöst worden. Die Stimmung ist bei Marktschluß eine feste. Es cirkulirt: Württemberger prima 163 170 M, mittel 140 bis 150 M, Hallertauer prima 165— 170 , mittel 140 - 159 w, Elsässer prima 130 135 A, mittel und geringe 1290 125 0, Polen, gut mittel 150 46, Badischer prima 150-155 4, mittel 120 bis 140 S, Gebirgs hopfen 140 143 MÆ, Marktwaagre 130 - 140 4

Leipzig, 5. Oktober. Eeipz. Ztg) Für Posamenten, Knopfwaaren und einschlägige Artikel, welche in erster Linie mit der Mode in Berührung kommen, ist die Zeit, in welche die Michalis⸗ messe fällt, nicht besonders günstig. Außerdem ist, wie in vielen an⸗ deren Branchen, den Konsumenten und Kleinverkäufern zu jeder Zeit außer den Messen durch den Verkehr mit den Reisenden der Fabrik geschäfte und Großhandlungshäuser zu sehr Gelegenheit geboten, ihren Bedarf zu decken und ihre Lager zu ergänzen, als daß sie hierzu der Leipziger Messe bedürften. Andererseits genügen den Kunden die ihnen zu Gebote stehenden Muster, um danach ihre Ordres zu geben und die Käufe auf dem billigeren Wege der Post— vermittelung zu effektuiren. Der Verkehr zu diesjähriger Messe in der Posamentenbranche ist daher als sehr bescheiden zu registriren. Was das Garngeschäft (Seiden und Wollgarne) betrifft, so ist das Vorstehende fast nur zu wiederholen. Trotzdem größere Auf⸗ träge für die Wintersaison hätten erwartet werden können, be— wegte sich das Geschäft in sehr engen Grenzen. Neuigkeiten in diesem Geschäftszweige sind nicht zu verzeichnen. In feineren Wollenwagaren (Tüchern, Umhängen, Kapotten ꝛc.) war zu gegen⸗ wärtiger Michaelismesse, abweichend von dem allzemein matten Se— schäftsgange in den meisten Branchen, ein ziemlich lebhafter Verkehr zu verzeichnen, indem speziell die bessere Waare in größeren Posten aus dem Markte genommen wurde. Insbesondere bezog sich dies auch auf Cachenez für Herren, sowie auf Kapotten und Pelerinen. Von letzteren zeichnen sich die bisher nur als echt französisch anzu— treffenden Pelerinen in Cbenille als eine Neuigkeit von besonderer Feinheit und Eleganz in Fabrikat und Geschmack speziell aus, die sich bald größerer Beliebheit erfreuen dürften. Ebenso sind die Fichus und Ehaäles in Chenille sächsischen Fabrikates, welches das französische Fabrikat dieses Genres übertrifft, wieder in Aufnahme gekommen. Leidliches Geschäft machte sich auch für die wollenen Umschlagetücher, aus den einbeimischen Fabriken hervorgehend, geltend.

New⸗Jork, 5. Oktober. (W. T. B.) Baum wollen Wochenbericht. Zufuhren in allen Unionshäfen 164 000 B. Ausfuhr nach Großbritannien 20000 B., Ausfuhr nach dem Konti— nent 47 000 B., Vorrath 408 000 B.

Verkehrs⸗Anftalten.

Hamburg, 5. Oktober. (W. T. B.) Der Postdampfer Bavaria“ der Hamburg⸗Amerikanischen Packetfahrts-⸗ Aktiengesellschaft hat, von New⸗Jork kommend, heute früh 5 Uhr Kap Lizard passirt.

Berlin, 6. Oktober 1883.

Mehrfachen Anregungen folgend, hat der Vorstand des Bayeri- schen Kun stgewerbe-Vereins zu München neuerdings ein Adreßbuch der Mitglieder mit einem kunstge werblichen Fachregister als Führer für die im Verein vertretenen Zweige kunstgewerblicher Pfege und Thätigkeit“ heraus⸗ gegeben, das mit Einschluß der reich illustrirten Geschäftsanzeigen eine Reihe dem Verein angehöriger Firmen einen vortrefflich ausge— statteten, gefällig ansprechenden Band von nahezu 309 Seiten Um fang bildet. Als ECinleitung ist demselben eine Orientirung über die Zwecke, die Organisation und die Wirksamkeit des Vereins vorauf⸗ geschickt, der, im Jahre 1861 begründet, eine außerordentlich glückliche Entwickelung genommen hat. Er verfügt zur Zeit über ein eigenes stattliches Gebäude mit Zeichensaal, Bibliothek, Ausstellungshalle und Fest—⸗ räumen, publizirt eine der angesehensten kunstgewerblichen Zeitschriften und veranstaltet periodisch Ausstellungen, Lehrkurse, Verloosungen und Konkurrenzen. Einer Einnahme von 75 624 M stellt die letzte Jahresrechnung eine Ausgabe von 67261 gegenüber. In der Äusftellungshalle gelangten 13718 Gegenstände im Werth von 357 874 S zur Ausstellung, von welchen 8935 im Werthe von 110 654 66 verkauft und außerdem für 83 000 (66. Ver— loosungsgewinne erworben wurden. An diese Nachweisungen schließt sich das alphabetische Verzeichniß der gegenwärtigen 1911 Mitglieder, an deren Spitze die dem Verein angehoͤrigen Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften genannt sind, und es folgt sodann das Fachregister, welches die im Verein verttetenen Lehranstalten, Museen, Behörden und anderweitigen Vereine, die als Architekten, Bildhauer, Maler 2c. thätigen Mitglieder und schließlich, nach den einzelnen industriellen Betriebs zweigen geordnet, die kunstgewerbtreibenden Mitglieder aufführt. Vorwiegend im Interesse der letzteren zusammen⸗ gestellt, bildet dieses Adreßbuch zugleich ein dankenswerthes Hülfsmittel für das Publikum, das sich auf dem Gebiet der modernen Kunstindustrie zu orientiren wünscht— Wie der Verein selber, dessen Mitglieder den verschiedensten Theilen des Reichs angehören, beschränkt es sich dabei keineswegs blos auf das Münchener Kunstgewerbe, sondern weist daneben noch eine stattliche Anzahl ge— achteter Firmen aus Süd und Norddeutschland nach. In der An— lage darf es als eine brauchbare Vorarbeit zu einem gewiß für weite Kreise erwünschten allgemeinen kunstgewerblichen Adreßbuch für Deutschland gelten; in der illustrativen Ausstattung der Geschäfts anzeigen bietet es eine ganze Reihe trefflicher Muster künstlerisch an⸗ gemessener Gestaltung unseres modernen Annoncen und Plakaten⸗ wesens.

Der Märkische Centralverein für Bienenzucht trat heute hierselbst im oberen Saale der Königstädtischen Bierhalle zu feiner 12. Generalversammlung zusammen. Vertreten waren die Zweigvereine zu Berlin, Lichtenberg, Brandenhurg, Beelitz, Ringen walde, Bernau, Werneuchen, Fürstenwalde, Potsdam, Straußberg, Teltom, Mehrow, Prenzlau. Ruppin, Kyritz, Neustadt, Strasburg, Französisch ˖ Buchholz, Fredersdorf und Oderberg, sowie der Verein ‚Vor⸗ wärts“ und der Bienenzuchtverein der Märkischen Schweiz. Wie wir den vom Förster a. D. Gühler geleiteten Verhandlungen entnehmen, um⸗ faßt der Centralvereln z. Z. 48 Zweigvereine mit insgesammt 1052 Mitgliedern. Das Imkerwesen der Mark hat sich in den letzten zwei Jahren annähernd auf gleicher Höhe erhalten; seiner weiteren Aus dehnung standen die ungünstigen Witterungsverhältnisse entgegen, die nicht gerade ermunternd auf die Imker einwirkten. Auch der letzte Sommer war als kein günstiger zu bezeichnen. Dürre und Nisse haben die Hoffnungen zerstört, die zu Beginn des Sommerß von den Imkern gehegt wurden. Das am hiesigen Ort in der Spandauerstraße 7! bestehende Vereins honigdepot hat den Mit- gliedern leichten und lohnenden Absatz ihrer Produkte ermöglicht. Das innerhalb der Grenzen des Vereinsgebiets, in Buckow unter Leitung der Herren Otto Schulz und Gühler stehende Etablisse˖ ment sür Fienenwirthschaftliche Artikel hat den Mitgliedern Gelegenheit gegeben, ihre Einrichtungen auf der Höhe der Zeit zu erhalten. Von, wesentlichem Einfluß auf die Entwickelung des Imkerwesens in der Mark dürfte die große Bienenzuchtausstellung werden, die der Deutsche Centralverein vor⸗ autsichtlich im September 1884 im benachbarten Charlottenburg ab⸗ zuhalten gedenkt. Nach Erledigung der geschäftlichen Angelegenheiten solgte die Behandlung bienenwirthschaftlicher Fragen, die im Wesent lichen nur fachliches Interesse hatten.

(1. Woldts W. Corr) Der Weltreisende Wilhelm Joe st aus Cöln a. Rh, dessen achtjährige Tour um die Erde im vorigen Jahre mit einer guer durch Asien und Europa ausgeführten Fahrt endete, und dessen interessantes Buch: „Aus Japan nach Deutschland durch Sibirien“ in weiteren Kreisen bekannt geworden ist, hat soeben seinen derzeitigen Aufenthaltsort Berlin verlassen und kegiebt sich auf seine zweite große Reise. Er wird zunächst das Kapland und die Diamantenfelder in Südafrika besuchen, alsdann so lange in Mada-⸗ gaskar Aufenthalt nehmen, als dies sein Gesundheitszustand gestattet, sich hierauf über Aden nach Australien wenden und die Inseln der Südfee linguistischen und ethnologischen Forschungen unterziehen sowie nach Möglichkeit Sammlungen ethnographischer Gegenstände machen. Was er alsdann unternehmen wird, ob er über Amerika oder Asien

beimkehren wird, ist noch nicht bestimmt.

(A. Woldts W. Corr) Das Vorgebirge und Heilig⸗ thum Artemision, unweit dessen im Jahre 480 v. Chr. die Griechen unter Eurybiades sich zuerst mit den Persern zur See maßen, suchte man bisher an der Nordspitze Euboeas, dem heutigen Kap Pontikonisi. Ein kürzlich gemachter Inschriftenfund zeigt jedoch, daß der Artemistempel, das Artemision, westlich von Palaeokajtro,

zwei Wegstunden nordöstlich von Ferochori, ca. 19 Minuten vom

Dorfe Kurbatsi, an einer Stelle, welche Ai Giorgi (6. Georg) heißt, und wo einst eine Kirche dieses Heiligen gewesen sein soll, stand. Dort fanden sich sorgfältig bearbeitete Marmorblöcke, wo du cch die Eigenthümer dieses Platzes, die Gebrüder Wild aus der Schweiz zu Nachgrabungen veranlaßt wurden. Dieselben führten zur Ent— deckung jener oben genannten Inschrift, anscheinend aus der zweiten Hälfte, des zweiten vorchristlichen Jahrhunderts, durch welche Ai Giorgi als die Stelle des antiken Artemision festgestellt wird. Plutarchs Schilderung des Kampfplatzes soll den heutigen Verhält⸗ nissen durchaus entsprechen.

Das Deutsche Theater hatte, um sich auf der Höhe der Kunst auch, im xrezitirenden Schauspiel vor dem kunstverstãndigen Berlin zu zeigen, Goethe's Iphigenie“ ausersehen. Dieses Meister⸗ werk erschien fur den Zweck besonders geeignet, weil es durch frühere vorzügliche Darstellungen hier allbekannt ist. Den letzteren reihte sich die gestrige erste Aufführung des Schauspiels durch die Sozietäre ebenbürtig an. Frl. Haverland ist in der Partie der Iphigenie bier nicht neu, sie trat aber gestern mit ihrer glänzenden Erscheinuna nicht so weit aus dem Rahmen des Ganzen hervor wie früher, weil ihr Hr. Barnay als Orest zur Seite stand, der diese Partie in freilich etwas moderner, aber desto wirkungevollerer Weise zur Geltung zu bringen wußte. Das Erkennen der Geschwister im dritten Aufzug ist wohr selten so überwältigend zur Anschauung gebracht worden wie durch Frl. Haverland und Hrn. Barnav, der in dem folgenden Monolog Noch Einen! reiche mir aus Lethes Fluthen .. . .“ die gehobene Stimmung der Hörer noch zu steigern verstand. Den Glanzpunkt in der Partie der Iphigenia bildete das Parzenlied. Die drei kleinen Rollen des Schauspiels waren ebenfalls mit tüchtigen Kräften besetzt. Hr. Sommerstorf faßte den Thoas sehr verständig auf, und bestach kesonders durch sein sonores kräftiges Organ. Hr. Kainz bewährte sich im Pylades als denkender und begabter Schauspieler; zu bedauern war nur, daß sein allzu jugendliches, fast mädchenhaftes Aeußere die Wirkung seines Talents beeinträchtigte. Den Arkas hatte Hr. ö übernommen: ein anerkennenswerthes Opfer, welches er dem Ganzen gebracht hat. Vorzugsweise zu loben ist das frische Ensemblespiel, durch welches die Sozietäre die Dialoge der Iphigenie, die häufig nur deklamirt werden, belebten und die Dichtung dadurch zu einem wirklichen fesselnden Drama gestalteten. Die Kostüme und Deko rationen waren auch diesmal stylrichtig und reich. Ein Uebelstand, der sich während der gestrigen Vorstellung in empfindlicher Weise geltend machte, ein sehr heftiger Zug, der durch das Parquet wehte, ist hoffentlich durch nur vorübergehende Verhältnisse veranlaßt worden.

Das heute veröffentlichte Repertoire des Deutschen Theaters für die nächste Woche weist, neben Wiederholungen der beiden Eröff⸗ nungsstücke, als neue Vorstellung das Lustspiel ‚Krisen? von Bauern feld auf. In demselben spielt Fr. Niemann die „Priska“, Hr. Haase den Lämmchen, Hr. Barnay den Doktor, Hr. Förster den Simon und Hr. Friedmann den Baron Hohenberg. Für die nächste Vor— stelltng von „Kabale und Liebe“, am Dienstag, sind Anstalten ge—⸗ troffen, daß dieselbe nunmehr nur bis 1063 Uhr dauern wird.

Literarische Neuigkeiten und periodische Schriften.

Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gewerbfleißes. 1883. 7. Heft. Inhalt: Abhandlungen. G. Vermischte Abhandlungen. Die Konstruktion der Webstühle, die n,, . und die Eintraggeräthe beim Weben im Alterthum. Eine technologisch⸗wissenschaftliche Studie von Dr. Hermann Grothe in Berlin. Mit 26 Abbildungen. Amtliche Mittheilungen. Be— richte über die elektrische Ausstellung in München 1882. Hierzu der Sitzungsbericht vom 2. Juli 1883: Inhalt: Vereinsnachrichten. Einleitende Worte über den gewerblichen Theil der Hygiene Aus- stellung. Sicherung der Arbeiter gegen Gefahr für Leben und Ge sundheit im Fabrikenbetriebe Ueber die Kollektip⸗Ausstellung für Bergbau. und Hüttenwesen. Runkgang zur Besichtigung der Kollektiv. Ausstellung des Königlichen Ministeriums für Handel und Gewerbe.

Deutsche Landwirthschaftliche Presse. Nr. 89. In⸗ halt: Das Krankenversicherungsgesetz vom 15. Juni 1883 und die Landwirthfchaft. Von Dr. jur. Wilhelmi, Direktionsmitglied der Kaiser Wilbelms⸗Spende. J. Allgemeines. Nordamerxikanische Zuckerproduktion. Von B. Martiny. Die Graseule und ihre Ver tilgung. Von Prof. Dr. Altum in Eherswalde. Personalien. Ausstellungen. Miscellen. Sprechsaal. Rundschau. Handel und Verkehr.

Milch-⸗Zeitung. Nr. 40. Inhalt: Ueber Anforderungen an rationeller? Besamung der Weiden und Betrieb der Weidewirth⸗ schaft. Von Kulturingenleur Th. von Neergaard, Wiesenbau⸗Kon⸗ fulenten des landwirthschaftlichen Generalvereins für Schleswig-

olstein. Allgemeine Berichte. Einmachen von Grünfutter.

ur Rindviehzuchk in Bayern. Erfahrungen in der Praxis. Die Erträge der gräfl. von Schlieffenschen Molkerei des Gutes Raden im Jahre 1882. Ueber den Rothlauf der Schweine. Erkennung des amerikanischen Klees. Erfahrungen der Amerikaner über das Ein machen von Grünfutter. Biologie. Ueber die Phosphorsäure⸗Ver= bindungen in der Milch. Sprechsaal. Rindvleh⸗ Stallungen zum Liegenlassen des Düngerz. An = und Verkäufe von Zuchtvieh. Marktberichte. ; .

Die gefiederte Welt. Zeitschrift für Vogelliebhaber, Züchter und Händler. Herausgegeben von Dr. Karl Ruß. Nr. 40. Inhalt: Zum Vogelschutz. Die Schleiergrasmücke. Der letzte Vogel heerd in der Dresdener Haide. Züchtung von Plattschweifsittichen (Schluß). Leiden und Freuden eines Kangrienzüchters.́ = Zũch ˖ tungen seltener Vögel. Briefliche Mittheilungen. Anfragen und' Auskunft. Aug den Vereinen: Magdeburg; Ausstellungen. Bücher- und Schriftenschau. Briefwechsel. Anzeigen.

Ifis. Zeitschrift für alle naturwissenschaftlichen Liebhabereien. Herausgegeben von Pr. Karl Ruß und Bruno Dürigen. Nr. 40. Inhalt: ö Zur Fortpflanzung des Alpensalamanders. Die Entstchung der Bienenzellen (Schluß). Britische im Gegen= satz zu anderen europäischen Lepidopteren. Bgtanik: Ucber Die Kultur der Vietoria regia. Mikroskopie: Das mikroskopische Dauerpräparat (Forts.). Anregendes und Unterhaltendes: Thier bilder aus Südamerika: 2 Der Cuyote. Kleinere Mittheilungen. Nachrichlen aus den Naturanstalten: Berlin; Dresden; Goln. Vereine und Ausstellungen: Verein deutscher Rosisten; Verein deutscher Pomologen und Obstzüchter. Bücher und Schriftenschau. Mancherlei.