Monat vorliegt, und sein hauptsäcklicher Inhalt durch die dankenk—⸗ werthe Mithülfe der Presse auch bereits in den weitesten Kreisen Verbreitung und Beleuchtung gefunden hat. (Heiterkeit rechts) Ich meine das ernstlich, meine 1 daß in soelchem Falle die Mit⸗ wirkung der Presse als eine durchaus erwünschte und für die Ver⸗ breitung der Kenntniß unserer Zustände förderliche anzuseben ist. Ich möchte mir also nur bervorzubeben erlauben, meine Herren, be⸗ züglich des Ordinartums, daß Sie da dei den Betriebs verwaltungen eine Reihe von Minderansätzen der Uederschüsse finden, und zwar erstlich dei der Forstverwaltung einen solchen von 185 000 4, was natürlich sebr im Gegensatz zu den Bemerkungen erscheint, die ich mir rorhin zu machen erlaubte in Bezug auf die erwartete Mehr ⸗Gunnahme des laufenden Jahres. Es erklärt sich dies eben einfach daraus, daß dieser Etatsansatz nach den regelmäßigen Prin⸗ ziwien der Veranschlagung aufgestellt ist, bei der die noch ungewissen günstigen Erwartungen des laufenden Jahres noch nicht mitgewirkt haben können. Ich nehme natürlich selbst gar keinen Anstand, die —offnung auszusrcechen, daß dieser Minderansatz in Wahrheit nicht zur Berechnung kommen wird. Bei den Erlösen aus Ablösungen von Domanengefällen u. s. w. bat eine Mindereinnahme von 1 Million Mark etatisirt werden müßen, bei den indirekten Steuern, um andlich den Erfahrungen voll gerecht zu werden, die wir gemacht haben, wegen der geringeren Erträge der Stempel⸗ und Gerichte kosten ein Minderüberschuß von 4 025 000 „, endlich bei der Seehandlung, meine Hecten, einen solchen von 661 C0) „, weil es nicht länger angängig erscheint, das seit 10 Jahren geübte Verfabren fortzusetzen, daß die Seebandlung außer den wirklichen Gewinnen, die ihre Ge⸗ schaftsführung ergab, jährlich auch noch Kapitalablieferungen zu den allgemeinen Staatsfonds machen müßte. Ihr Betriebskapital ist durch die bisherigen Kavpitalablieferungen bereits auf unter 23 Millio⸗ nen herabgegangen, den Betrag, der s. Z. auch hier in diesem hohen Hause als mindestens erforderlich angesehen worden ist, um dies Institut wirklich als ein leistungsfähiges, nützliches für die Finanz— verwaltung ferner zu erbalten. Dagegen haben andererseits Mehrüber⸗ schüsse angesetzt werden können, meine Herren, bei der Domänen⸗ verwaltung 2265 000 M, bei den direkten Steuern 1 843 (0) 4. bei der Bergwerksverwaltung 2361 000 M, woran alle Kaxitel der Ver⸗ waltung betheiligt sind, besonders aber die Hüttenwerke und auch die Bergzwerksabgaben mit 249 070 AMS; endlich bei der Eisenbahnverwal⸗ tung 34000 600 n mehr als im laufenden Etat, oder, nach Abzug der gegenüäberstehenden Mehrausgaben von 21 C00 00 AM bei der öffentlichen Schuld, noch 13 221 000 K
Im zweiten Etatsabschnitt, den Dotationen und der allgemeinen Finanzverwaltung, tritt bei der öffentlichen Schuld nicht die ganze er⸗ wähnte Mehrausgabe, sondern nur eine solche von 20 671 000 M hervor, indem bei einigen Verzinsungsfonds ein Minderbedarf einge—⸗ treten ist.
Die Staateschuld wird am 1. April 1884, also einschließlich der bis dahin noch in Umtausch gegen Aktien oder durch Veräußerung gegen baar zu hbegebende Staatsschuldscheine sich voraussichtüich auf 3291 Millionen Mark belaufen und zu ihrer Verzinsung 129 000 000 , zu ihrer Tilgung 19 000000 M in Anspruch nehmen. In letzterer Summe ftecken aber, wie ich nicht unterlassen darf hinzuzusetzen, die 7000 000 „, welche bekanntlich in Folge des Konsolidations⸗ gesetzes nur in Ausgabe und Einnahme durchlaufen, für welche die Tilgung der Schuld nur wiederum durch Begebung neuer Konsols geschieht. Da die Aktien und Prioritätsobligationen von den bereits verstaatlichten Bahnen noch auf rund 1435 Millionen in Staatsschuld⸗ scheinen umzurechnen sind und außerdem am 1. April k. J. noch etwa 136 000 000 Æ anbegebener Kredite in den Händen der Regierung bleiben werden, so stellt sich darnach die künftige Ziffer der Staatsschuld auf zusammen 4772 Millionen, und zu dieser Summe müssen wir nun noch eine in anderer Art gebuchte und verbriefte Schuld setzen, die Schuld des Staates aus dem Hinterlegunssfonds, welche am 1. April 1884 etwa 253 Millionen beträgt, nachdem sie am 1. April 1880 rund 40 Millionen betragen hatte und in den Jahren seit 1880 aus den laufenden Einkünften des Staates im Ganzen um ca. 15 Millionen getilgt worden ist; auch ein günstiges Ergebniß der Verwaltung dieser Jahre, worauf ich Sie aufmerksam zu machen mir erlaube. Mit Einschluß dieser Schuld aus dem Hinterlegungsfonds stellt sich dann die Ziffer der Staateschuld also auf nahezu 4800 Mil⸗ lionen Mark, eine gewiß sehr große Ziffer der Schuld, aber einer Schuld, die allein durch den Besitz des Staates an Domänen, Forsten, Bergwerken und Eisenbahnen mebr als gedeckt wird.
Der Etat der allgemeinen Finanzverwaltung verbessert sich im Ganzen um die Summe von 8992 076 S5 Fast auf diesen ganzen Betrag würde sich die Verbesserung dieses Etats allein vom Reich stellen, wenn wär die Ansätze des Reichshaushalts-Etats für 1884/35 ganz unverändert unserem Etat zu Grunde legen wollten. Von diesem an sich richtigen Prinzip haben wir aber geglaubt, eine Ausnahme machen zu müssen, eine Ausnahme namlich mit Rücksicht auf den inzwischen abgeschlossenen spanischen Handelsvertrag. Nach den Dar⸗ legungen, di: dieserhalb im Reichstage gegeben worden sind, wird dieser Hande lsvertrag die Einnahmen des Reiches aus Zöllen um etwa ? Mill ionen Mark schmälern, und der davon auf Preußen entfallende Th eil würde 1223 000 6 ungefähr betragen. Um diesen Betrag Faben rir veshalb geglaubt, die Einnahmen Preußens von den Zöllen und der Tahacksteuer geringer ansetzen zu müssen, als sie nach dem Reichsetet sich stellen. Dagegen haben wir nun fast zum gleichen Be— trage eine Mehr einnahme aus dem Staatsschatz von 12150 0 , so Daß die Verbess erung des Etats der allgemelnen Finanzverwaltung sich, wie gefagt, doch im Genzen auf über 8 Millionen Mark stellt. Lassen Sie mnich, meine Herren, noch einen Augenblick verweilen bei der Betrachtung dieses Etats der allgemeinen Finanzverwaltung und des daril hdervortretendeg finanziellen Verhält“ nisses zur Rei ch. Während noch nach dem Etat für das Jahr 1679/30 Preußen Für seine Bedürfnisse vom Reich nichts zu Empfangen, wel aber fär die Sedürfnisse des Reichs 42 Millionen Marf Matrikularbeitrag zu zahlen hatte, erhält es gach diesem jetzt aufgestellten Etat vom Reich 49 851000 6 wan den Zöllen und der Tabacksteuer, außer⸗ dem Jäc03 (0 6 von den Reichsstempelabgaben, zu sam men vom Reich 57 254 V0 Æ Es zahlt dagegen an Matrikular⸗ beitzag nur noch 407899068 M Effektiv ist es also so, daß das Reich von Preußen für seine Bedürfnisse über baupt nichts mehr empfängt, daß es dagegen zu Preußens Bedürfnissan nach die sem Etat 155 Mil- lionen Mark beiträgt. Ein solches Verkältniß, daß Preußen Dem Reiche nichts giebt, aber vom Reich nech jr seine Bedärfnisse empfängt, ist zum ersten Male, meine Herren, bei dem Etat des laufenden Jahres hexvorgetretea, und bei Einbringung desselben im vorigen Jahre habe ich auch nicht verfehlt, Ihre Aufmerksamkeit auf dieses Verhältniß zu lenken. Nach den Zfffern, die damals von mir zu Gronde gelegt werden mußten, konnte ich nur annehmen, daß die Herauszahlung vom Reich an Preußen im laufenden Jahr sich Auf etwa 35 Millionen Mark belaufen würde; die spätere Fest= stellung des Reichshaushalts⸗Etats, wobei u. A. verbältuißmäßig erheb- liche Abstriche im Reichttage gemacht worden sind., hat bewirkt, Daß wir im laufenden Jahre nicht blos jene 37 Millionen Mark, sondern 10 Millionen Mark vom Reich herars bekommen.
Im nächsten Jahre also steigert sich unser Empfang noch um weitere „6 Millionen Mark, auf 165 Millionen Mark. Auf die se totale Umgestaltung un feres finanziellen Verhältnifses zum Reich muß immer wieder von Neuem laut und nach drücklich mit Befriedigung und Hoffnung zugleich hin—⸗ gewiesen werden. Ich erianere mich gern, wie im Jabre 1878, als es sich um die Vorbereitung der neuen Bahnen handelte, welche der Reichskanzler für unsere Finanr und Wirthschaftepolitik für noth⸗ wendig erachtete, als es sich um die Vorbereitung der Ausführung jenes nachher oft wiederholten Wortes handelte, daß das Reich nicht Als lästiger Kostgänger an den Thüren der Einjelstaaten betteln, sondern ein wirkliches Reich von seinen Ueberschüssen an die Einzel“ staaten abgeben sollte, wie, sage ich, damals ein hervorragender Politiker, der diesen Dingen sehr sfotifch gegenüberstand, zu mir sagte: Der Gedanke des Reichskanzlers ist ja ganz genial, aber
5
unansführbar; ja, wenn es ibm gelönge, nur einen Pfennig aus den Reicht kassen hinüber springen zu lassen in die Kassen der Einzel staaten, dann wäre das Uebrige leicht, dann könnte all unserer Noth auf dem Wege leicht abgeholfen werden. Aber der erste Pfennig ist es, an dem er scheitern muß. der Grundgedanke ist es eines solchen Verhältnisses zwischen Reich und Einzelstaaten, der nicht an⸗ genommen werden kann.“
Nun, meine Herren, nach dem Etat dieses Jabres sxrringt nicht nur ein Pfennig, sondern es springen gleich 1060 Millionen Pfennige aus der Reichskasse in die preußische Staatskasse binüber. Sollte das nicht auch dem kurzsichtigsten Auge, nicht auch dem zweiselndsten Politiker die große Bedeutung des Sieges der Politik tlar machen belfen, die von dem Reichskaniler eingeschlagen und aller oft unerhörten Anfeindungen ungeachtet, mit eiserner Hand weiter geführt worden ist? Sollte das nicht auch unsere Zuversicht und Kraft stärken, endlich auch das Angefangene zu vollbringen, was, wie der von mir citirte kluge Finanzpolitiker doch eigentlich mit Grund an⸗ nahm, riel leichter sein sollte als der Anfang? Ja, meine Herren, helfen Sie uns, belfen Sie uns mit aller Kraft — Sie werden Gelegenheit dazu haben — daß dem das deutsche Volk zusammenbaltenden Reich und un serem engeren Vaterland lieber früher als später der mögliche große Dienst ganz und voll geleistet werde, daß dem großen Staatsmann, der sich so unsterbliche Verdienste um Beide erworben hat, lieber früher als später in würdiger und bester Weise der Dank abgestattet werde, den wir ihm auch auf diesem Gebiet wahrhaft schulden!
Meine Herren! Im dritten Abschnitt des Etats finden Sie im Ganzen nur einen Mehrbedarf von 4376000 6 etatisirt, und wenn Sie erwägen, daß hiervon allein auf die Cirilpensionen in Folge des Gesetzes vom 31. März 1882 ein Mehr von 2900000 entfällt, so werden Sie geneigt sein, im Uebrigen anzuerkennen, daß die Gestaltung dieses Etats auch ein Zeugniß für die Spar⸗ samkeit und Zurückhaltung ablegt, welche geübt worden ist.
Das Extraordinarium finden Sie mit 465 Millionen Mark, also mit 3378 609 „ höher ausgestattet, als das des laufenden Jahres. Gleichwohl findet sich eine Positien nicht darin, die wir gern darin gesehen hatten und die Sie wobl Alle schon schmerzlich vermißt haben. Ich meine eine Position zur besseren Unterbringung dieser hohen Versammlung. Sie wollen darin nicht irgend ein Zeichen von Saumseligkeit oder Gleichgültigkeit auf Seiten der Regierung erbligen. Alle Mitglieder derselben, den Finanz⸗Minister einge⸗ schlossen, erfüllt, meine Herren, der Wunsch, diesem Bedürfniß so bald und so vollkommen wie möglich Rechnung zu tragen. Wir haben auch den aus der Mitte des Hauses hier angeregten Gedanken eines Neubaues auf dem Platze der Leipzigerstraße, der hinter dem Reichstagsgebäude liegt und die Hinzunahme eines Theiles des Gar— tens des Herrenhauses bedingen würde, weiter erwogen. Aber wir sind zu der Ueberzengung gelangt. daß dieser Platz nicht zur Ver⸗ fügung steht und auch nicht zur Verfügung gestellt werden kann, und haben deshalb ron einer weiteren Verfolgung des Projektes Abstand genommen. Wir haben anderweitig verfucht, Abhülfsmaßregeln möglich zu machen, sind aber zu unserm Bedauern auf unvorher— gesebene Hindernisse gestoßen. Wir geben aber gleichwohl die Hoffnung nicht auf, daß es uns doch bald gelingen werde, ein abhelfendes Projekt zu Stande zu bringen, und daß wir, weiter arbeitend, mit Hülfe von Kommissarien dieses Hauses, im Laufe dieser Session vielleicht noch dazu kommen, diese Lücke des Extra ordingriums in einer Ihnen Allen genehmen Weise auszufüllen.
Mit Sympathie, meine Herren, werden Sie jedenfalls die 500 CQ n begrüßt haben, die auch für das nächste Jahr wiederum zur Förderung genossenschaftlicher und kommunaler Flußregulirungen eingestelt sind; nicht minder, denke ich, die 200 000 S½ welche, wenn auch nicht äußerlich, so doch dem Sinne nach als erste Rate zur Förderung der Land- und Forstwirthschaft in der Eifel eingestellt sind. Aber auch die beiden großen Positionen im Kultusetat werden Sie, hoffe ich, nicht geneigt sein als Luxusausgaben anzuseben, sondern als nicht abzuweisende Verwendungen für große und hohe Aufgaben des Staats anerkennen. Sie verdanken die Einstellung in diesen Ctat besonderem Drange und besonderer Gunst der Umstände. Der Gunst, daß wir den Etat trotz ihrer ohne die Inanspruchnahme des Staatskredits balanziren können; der Gunst und dem Drang der Umstände in der anderen Richtung, daß es sich um die Wahr- nehmung ron Gelegenheiten handelt, die, wenn wir sie jetzt ver— säumen, vielleicht nie wiederkehren würden, und deren Versäumniß uns noch von den Nachkommen zu schwerer Verantwortung an— gerechnet werden würde.
Meine Herren! Im Großen und Ganzen wird das Bild des neuen Etats gegenüber dem Etat des laufenden Jahres durch einige wenige ganz runde Zablen leicht veranschaulicht: Der erste Abschnitt des Etats — die Betriebsverwaltung. — liefert ein Plus von 32 Millionen Mark; der zweite — Dotationen und allgemeine Finanz— verwaltung — erfordert 12 Millionen Mark mehr; der dritte 4 Millionen Mark und das Extraordinarium 3 Millionen Mark mehr —sbleibt von dem Ueberschuß der Betriebsverwaltungen Plus 13 Millionen Mark übrig. Daju Plus 19 Millionen Mark, meine Herren, um welche der dem neuen Etat zu Gute kommende Ver— waltungsüberschuß von 1882/83 höher ist als der dem laufenden Jahre zu Gute gekommene — giebt die 23 Millionen Mark mehr, eben die Summe mehr, die uns für das laufende Jahr fehlte und die wir eben deshalb im Etat des laufenden Jahres durch Anleihe haben aufbringen müssen.
An die Mittheilung dieses um so viel günstigeren Etatsabschlusses hat schon die Eröffnungsrede den doppelten Hinweis geknüpft: einer⸗ seits auf die noch mangelnde Wahrscheinlichkeit, daß die Etats der folgenden Jahre, auch ohne Anleihe balanzirend abzuschließen sein werden, und andererseits auf die völlige Gewißheit, daß den großen Bedürfnissen unseres Landes, die in der Erleichterung der Kommu—⸗ nallasten, der Verminderung der Schullasten, der allgemeinen Be⸗ amtenbesol dungs ⸗Verbesserung begriffen sind, mit den alleinigen Mit- teln des Partikularstaats Preußen überhaupt keine Befriedigung zu verschaffen ist.
Auf das letztere Moment, meine Herren, glaube ich in diesem Augenblick nicht weiter eingehen zu sollen, auf das erstere Moment aber möchte ich noch mit ein paar Worten zurückkommen.
.Wenn Jemand zufällig, meine Herren, die Rede, mit der ich im vorigen Jahre die Einbringung des Etats hier begleitete, noch etwas in Erinnerung hat oder nachgeschlagen haben sollte, so wird er viel⸗ leicht unter dem Eindruck stehen, als ob meine heutigen Ausführungen und Urtheile nicht ganz in Einklang ständen mit denjenigen, die ich im rorigen Jahre hier geäußert habe. Es wird vielleicht auch nicht an wohlwollenden Gönnern fehlen, die mit der Unterstellung zur Hand sind, daß ich damals schwarz oder wenigstens grau, heute rosig gefärbt habe, natürlich aus irgend welchen dunklen taktischen Mo⸗ tiven, wie mir das ja auch in meiner früheren Stellung im Reichs tage von einem Abgeordneten, natürlich noch viel mehr von einem Chorus der Presse zum Vorwurf zu machen versucht worden ist. Aber, meine Herren, ich unterhalte überhaupt nicht, und am allerwenigsten bei meinen amtlichen Darstellungen, irgend welche Beziehungen zu dem sonst höchst ehrenwerthen und hochwichtigen Färbergewerbe, ich kemühe mich redlich, die einfache ungeschminkte Wahrheit, wie ich sie selbst zu verstehen glaube, auch Ihnen darzulegen, und daber ist es mir von Werth, einer solchen, vielleicht nachher versuchten, Unter stellung von vornherein entgegenzutreten, und daher erinnere ich gern auch selbst meinerseits daran, wie ich im vorigen Jahre aus den Ihnen vorgeführten Thatsachen den Schluß für gerechtfertigt gehalten habe, daß wir, ganz abgesehen von den großen Bedürfnissen, die ich eben bezeichnet habe, in unserem Haushalt immer noch ein chronisches Defizit haben, welches nicht von selbst verschwinden könne. „Und, wird mir heute vielleicht eingeworfen, da ist es für 1884185 schon ganz von selbst verschwunden!“ Meine Herren, einem solchen Zweifler will ich nicht mit dem billigen, naheliegenden Cinwande begegnen, daß ein Jahr nichts beweise, daß wir jB schon das Jahr 1882/83 ohne Anleihe balanzirt haben, und daß wir im Jahre darauf doch wieder zu einer Anttihe von 23 Mil⸗
lionen baben unsere Zuflucht nehmen müssen; — nein, ich will einen solchen Zweifler spezieller widerlegen: ich will ibn daran erinnern, daß wir nach meiner beutigen Darlegung der wabrschein⸗ lichen Ergebnisse des laufenden Jahres für 1885/86 vielleicht sckon nicht auf irgend einen, jedenfalls nicht auf einen erheblichen Ver— waltungsüberschuß zu rechnen haben, daß uns also vielleicht die 13 Millionen Mark feblen werden, mit deren Hülfe wir beute das Balanziren des Eiats erzielen; ich will ihn weiter daran erinnern, daß wir in unserem finanziellen Verhältniß zum Reich sehr leicht wieder einen Rückschritt machen können, nicht als ob ich besorgte, die Einnabmen aus den Zöllen würden zurückgehen, — nein, ich habe das Vertrauen zu der guten Wirkung der Wirtbschaftepolitik die wir eingeschlagen haben, auch für die folgenden Jahre — aber, meine Herren, das Reich bat eine Anzahl auf die Dauer auch nicht zurückzuweisender Bedürfnisse, sie stehen vor der Thür des Reichs. etatz, Jeder kann sie sehen, der sie sehen will und, wenn es nicht gelingt, für die Reickseinnahmen bald erbebliche Verbesserungen zu erzielen, so laufen wir Gefahr, bei den Matrikularbeiträgen wiederum Erhöhungen für unsere Staatskasse in Rechnung stellen zu müssen. Endlich will ich einen solcken Zweifler daran erinnern, daß ich oder ein mir nachfolgender Finanz⸗Minister — sei er auch riel strammer, besser oder böser, wie Sie wollen — schwerlich im Stande sein wird, auf die Dauer das bisherige Maß von Zurückhaltung und Sxarsamkeit festzuhalten gegenüber den dringenden und zahlreichen Wünschen der anderen Ressorts, die, meine Herren, zumeist auch Ibre Wünsche sind, die gewiß zumeist auch mit Recht als die Wünsche des Landes bezeichnet werden können.
Jedes dieser drei Momente für sich kann sehr leicht die Unzu— länglichkeit in unserem Haushalt auch wieder zur äußeren Erscheinung in Form eines Defizits im Etat bringen. Aber noch ein anderes Moment können Sie schon in diesem Augenblick nicht in Abrede stellen wollen. Sie baben das Eisenbahn-Garantiegesetz doch nicht votirt in der Absicht, daß die Eisenbahn⸗Kapitalschuld mit den unendlich schwierigen und umständlichen Rechnungsoperationen, die uns dieses Gesetz auflegt, blos allmählich in eine allzemeine Staats⸗ schuld übersetzt werden soll, jene etwa blos auf dem Paxier getilgt werden soll. Nein, das ist der Zweck dieses Gesetzes gewiß nicht, darauf würde es aber wesentlich hinauslaufen, wenn auch die Etats der folgenden Jahre, wie der jetzt vorgelegte nur im Ka— pitel 36 die kleine Summe zur wirklichen Tilgung der Eisenbahn—⸗ schuld enthielte, die Ueberschüsse der Eisenbahn verwaltung im Uebrigen aber nur Verwendung fänden zur Deckung von Staatsausgaben, die sonst durch Anleihen gedeckt werden müßten. Auf diesen Erwägungen fußend, habe ich mich zwar rück⸗ haltlos und freudig zu der Auffassung bekannt, daß unsere Finanzlage sich günstiger gestaltet babe, viel günstiger, als wir im vorigen Jahre zu erwarten berechtigt waren; aber sie absolut, an und für sich, als eine günstige, eine befriedigende, als eine gleich günstige Abschlüsse auch für die folgenden Jahre rerbürgende zu bezeichnen — dazu vermag ich mich heute noch nicht zu entschließen.
Ich schließe mit einem Wort über die Ihnen bereits ange— kündigten, aber noch nicht zugegangenen Gesetzesvorschläge wegen anderweitiger Gestaltung der Klassen⸗ und Einkommensteuer und wegen Einführung einer Kapitalrentensteuer, — nicht, als ob ich Anlaß geben und dazu einladen wollte, die nachfolgenden Diskussio⸗ nen in breitem Raume und rorzugsweise auf diesen Gegenstand hin überzulenken; im Gegentheil, weil ich hoffe, mit einer darauf bezüg—⸗ lichen Mittheilung Dem vorbeugen zu können. Die erwähnten Gesetzes vorschläge, die Ihnen hoffentlich bald unterbreitet werden können, gehen im Wesentlichen dahin: 1) die Einkommen bis 1200 M von den direkten Personalsteuern zu befreien, 2) die Einkommen bis zu 10000 Æ in dieser Steuer zu ermäßigen und 3) bis ziemlich eben— dahin die Möglichkeit von Erleichterungen für die Steuerpflichtigen allgemein einzuführen. Die Ausfälle, welche dadurch der Staats—⸗ kasse entstehen, sollen gedeckt werden: 1) durch ein verbessertes Ver— anlagungsverfahren, 2) durch die Heranziehung der Aktiengesellschaften, die nicht der Eisenbahn oder Bergwerkssteuer unterliegen, zur Ein⸗ kommensteuer und 3) durch eine Kapitalrentensteuer. Die Vorberei⸗ tung der Ausführung dieser Vorschläge, wenn sie Gesetz werden sollten, ist nicht leicht und ist jedenfalls nicht in Tatzer Jit n.oglich— - As der früheste Termin der Ausführung der neuen Bestimmungen ist daher der 1. April 1885 in Aussicht genommen und auch nur in Aus— sicht zu nehmen. Die Berathung des Etats für 1884/85 kann also sehr wohl ohne hemmende Verknüpfung damit erfolgen, und für diese Berathung, meine Herren, bitte ich nur noch: Lassen Sie das Ge— meinsame unserer Aufgaben über dem Gegensätzlichen stehen, lassen Sie auch die ernsteste Kritik, zu der Sie sich veranlaßt finden, immer zugleich eine woblwollende sein.
Der Abg. Freiherr von Schorlemer⸗Alst bat zunächst, wie im vorigen Jahre, den Abgeordneten die Einberufung zum Landtage etwas früher, als nur 10 bis 12 Tage vorher zu⸗ gehen zu lassen. Das sei eine zu kurze Frist, um sich auf eine lange Wintercampagne vorzubereiten, zumal in letzter Zeit von offiziösen Blättern Verwirrung darüber verbreitet sei, ob zuerst der Landtag oder der Reichstag einberufen wurde. Damit wolle er selbstverständlich den Prä⸗ rogativen der Krone in keiner. Weise zu nahe treten. Das Ministerium sei mit einem Parlament nicht auf Rosen gebettet, das Parlament dem Ministerium gegen— über aber auch nicht. Der Etat biete zu erheblichen Be— merkungen zunächst keine Veranlassung und der Kampf werde wohl erst später bei den Steuervorlagen beginnen, es sei denn, daß der Abg. Rickert zum Wort komme, und den Kampf schon jetzt anfange. Der höhere Ertrag aus Holz sei aller— dings dadurch zu erklären, daß in sicherer Erwartung höherer Holzzölle die Holzhändler erhebliche Einkäufe gemacht hätten. Dagegen sei er bezüglich des Grundes für die Abnahme der Prozesse anderer Ansicht, wie der Minister: dieselben hätten wesentlich abgenommen wegen der zu hohen Kosten, namentlich bei geringeren Objekten. In welcher Weise das Armenrecht weiter eingeschränkt werden solle, darüber werde das Haus eine Erklärung der Regierung abzuwarten haben. Wenn nun auch die ‚. des Staates sich so günstig darstelle, so müsse er doch sagen: es sei nicht alles Gold, was glänze. Der Minister selbst habe über das erste reizende Bild der preußischen Finanzlage einen kalten Wasser— strahl geschüttet, damit man nicht zu große Hoffnungen hege: eigentlich arbeite man hier mit einem Defizit, wenn es nicht durch die Einstellung von Ueberschüssen und die Operation bei Abtragung der Eisenbahnschuld verschleiert würde, indem man die Schuld aus der rechten Westentasche in die linke stecke. Er fürchte, die guten Aussichten für dieses Etatsjahr würden sich für die folgenden nicht wiederholen. Die erfreulichen Ueberschüsse bei den Eisenbahnen seien hoffentlich erzielt, ohne nothwendige Ausgaben zu unterlassen, deren Unterlassung sich später rächen könnte. Andererseits stehe im Extraordinarium und vielleicht auch schon im Ordinarium eine Reihe von Aus⸗ gaben, die recht wohl unterbleiben könnten. Drei Posten wolle er nur hervorheben. Zum Ankauf von Speichern für Museumszwecke würden 2 600000 S, für Ankauf von Kunstsammlungen 2900 00 SP gefordert. Nach seiner Meinung müsse der Staat so wirthschasten, wie der Privatmann und nicht gleich Schulden machen, wenn seine Ausgaben und Einnahmen sich deckten. Es scheine ihm über— haupt, als ob das übrige Land zu stark für Berlin in Kon⸗ tribution gesetzt werde. Es entspräche aber den preußischen Traditionen gar nicht, Berlin in gleicher Art zur Hauptstadt machen zu wollen, wie dies mit Paris für Frankreich ge—
schehen sei. Die sür die Waffensammlung im Zeughaus ge⸗ forderten 467 500 4 seien durchaus überflüssig. Der Zweck der Ruhmeshalle sei die Sammlung der Trophäen der Armee, und nicht die Aufbewahrung schöner Waffen. So lange Nothstände im Lande beständen, seien derartige Luxus⸗ ausgaben nicht gestattet. Es müsse im Lande pein—⸗ lich berühren, wenn für die Nothstände in der Eifel nur 200 09 S6 gefordert, für Berlin allein aber fast 5 Millionen beansprucht würden. Der Etat konstatire wohl eine Besserung der Finanzlage des Staates, aber dies sei noch keine Besserung der Finanzlage der Bevölkerung. Die Lage der bäuerlichen Grundbesitzer gebe zu vielen Klagen Veranlassung. Die Belastung mit Kommunalsteuern und das Prinzip der Doppelbesteuerung lägen schwer auf dem bäuerlichen Grundbesitz. Dieser mache zwar große Anstrengungen, seine Rente zu heben; darin liege aber eine große Gefahr. Die krampfhaste Forcirung des Zuckerrübenbaues, und die Anlage ven Zuckerfabriken müsse schlimme Folgen haben, welch dann die Betreffenden desto schwerer treffen würden. Die hohe Doppelbesteuerung habe im Westen, z B. in West— falen, namentlich ihren Grund in den großen Ausgaben für Schulbauten und in der unverhältnißmäßigen Vermehrung der Lehrkräfte. Dabei werde aber der Volksunterricht nicht besser. Die statistischen Erhebungen über die Verschuldung des Grundbesitzes gäben ein trauriges Bild, das noch trau⸗ riger werde, wenn die gerichtlichen Hypothekenschulden in Be— tracht gezogen würden. Darum müßte das Erste eine Er— leichterung der Kommunallasien und der Doppelbesteuerung sein, ohne diese könne er auf eine andere Steuerreform nicht ein⸗ gehen. Das Drückendste seien nicht die Staatslasten, sondern die Kommunallasten, weswegen diese zuerst gemildert werden müßten. Die Thronrede stelle auch eine Kapitalrentensteuer in Aus— sicht. Er bedauere nur, daß nicht auch eine höhere Börsen— steuer in Aussicht gestellt werde. Wenn in der Thronrede gestanden hätte, die Regierung werde Sorge tragen, daß das an der Börse operirende und spielende Kapital höher besteuert werde, so hätte man aus dem ganzen Lande ein lautes Bravo gehört. Eingeführt könne sie werden, wenn man wolle, aber er fürchte, die Macht der Börse sei bereits so groß geworden, daß man es aufgebe, gegen sie anzukämpfen. Man möge die Macht der Börse zu rechter Zeit beschneiden, damit sie nicht in einer Weise anwachse, wie in den Nachbarländern, wo bereits die Finanz-Minister nicht ernannt werden könnten, wenn die Börsen— barone nicht ihre J. gäben, und wo die Börse sich sogar anmaße, auf die Rechtsprechung Einfluß zu üben. Die Kapital⸗ rentensteuer, auf die er zuerst im vorigen Jahre hingewiesen, wünsche er nicht so wie die Kapitalisten und die Presse, welche jetzt für eine höhere Besteuerung aus dem sundirten Ein— kommen eintreten und damit auch wieder den Grundkbesitz zu dieser Steuer heranziehen wollten. Das wäre keine aus— gleichende Gerechtigkeit, sondern das Mittel den Grund- und Häuserbesitz statt doppelt dreifach zu besteuern. Ihm komme es darauf an, daß das Einkommen aus mobilem Kapital, welches sich jetzt einer besseren Besteuerung entziehen könne, richtiger und höher angefaßt werde, und daß dann die Erträge daraus zur Erleichterung der Kommunallast und zur Besei— tigung der Doppelbesteuerung verwendet würden. Keine neue Steuer, wenn nicht zur Beseitigung oder Erleichterung anderer: das sei der Standpunkt seiner Partei. Er fürchte übrigens, daß aus dieser Kapitalrentensteuer nichts werde. Die Macht des Kapitals sei größer, als man meine. Man sehe jetzt schon, wie in der betreffenden Presse der Spieß um⸗
edreht werde. Dann komme dazu das wiederholte ger cher der Aspirationen auf Bildung einer Mittelpartei. Redner wünschte, sie doch endlich mit Fleisch und Bein vor sich zu sehen, er möchte sehen, wie mit ihr die soziale Reform durchgeführt werde. Aber das ewige Hinweisen und Machen— wollen sei der Ausdruck der wollenden, aber nicht könnenden Natur. — Man habe nun ein konservatives Ministerium (Ahg. Windthorst: Nein!), er nehme wenigstens an, daß das Ministerium darauf Anspruch mache. Dieses habe zu rechnen mit einer eingebildeten Mittelpartei. Was sei die Folge dieses Zustandes? Sehr viele Unterlassungssünden, ein stetiges Wachsen der Herrschaft des Kapitals und natürlich die Fortdauer des Kulturkampfes. So lange dieser leidige Zustand fortdauere, halte er sich für verpflichtet, darauf hin— zuweisen. Wenn die Regierung ein Herz für die ärmeren Klassen habe, wie sie doch sage, warum hebe sie dann nicht das Sperrgesetz auf, das so schwer auf den ärmeren Klassen laste? Diese fortdauernde Sperre in? Diözesen sei eine Ungerechtigkeit und Ungleichheit, der gegenüber diese Steuerlasten gradezu wie ein Hohn erschienen. Mache man der Sperre, diesem wirklich häßlichsten und unnobelsten Ausdruck des ganzen Kulturkampfes, ein Ende, aber auch dem Kulturkampf über⸗ haupt, welcher die Gemeinden auch materiell auf das Tiesste schädige, und von dem sich jetzt selbst die „Kölnische Zeitung“ losgefagt habe. Die Regierung und die liberale Partei blie— ben hinter der „Kölnischen Zeitung“ zurück, wenn man den Kultur⸗ kampf fortbestehen lasse. Die Thronrede spreche von gesicherten friedlichen Verhältnissen, wohl nach außen hin, denn im Innern sei, Gott sei es geklagt, davon keine Rede. Das Gleichgewicht im Budget sei eine schöne und angenehme Si—⸗ tuation, aber man wisse nicht, wie lange das dauere. Man habe schon mehrfach erlebt, wie Preußen aus dem tiessten Frieden in einen Krieg gestürzt sei. Man sehe drohende Wol— ken im Osten und Westen sich aufthürmen, gefüllt mit Elektri⸗ zität, jed en Augenblick könne ein Blitzstrahl niederfallen. Gott er⸗ halte dem Vaterlande den Frieden. Wenn Preußen aber genöthigt sei, die Grenzen des Vaterlandes gegen freventliche Angriffe zu vertheid igen, dann dürfe er die Versicherung aussprechen, daß die kat holischen Mitbürger voll und ganz ihre Schuldig⸗— keit thun wrirden, daß sie an Muth und Opferwilligkeit hinter Keinem zurückstehen würden. Aber nun sage er der Regie⸗ rung und dem Hause: Sorge man dafür, daß die Katholiken diese Pflicht er füllen könnten nicht mit dem bittern Gefühl wie jetzt für ein Vaterland, welches den Katholiken in dem, was ihm das Heiligste sei, im Glauben und in der freien Aus⸗ übung der Religiem, täglich die schwersten und schmerzlichsten Wunden schlage, Sondern daß die Katholiken es thun könnten mit freudigem Gefühl, mit wahrer Begeisterung. Er fordere die Regierung und das Haus auf, den Kulturkampf zu beenden, und das nothwendig te Gleichgewicht im preußischen Staat
erzustellen. 2 ö. Äbg. Frhr. vom Minnigerode sprach sein Bedauern
aus, daß er gezwungen sei, an dieser Stelle in der Redner— liste . ,, da er mit den Vorrednern vielfache Be⸗ rührungspunkte habe, und löeber ö den Gegnern zu Wort gekommen wäre. Für die kräftige Entwickelung der preußi⸗
en Finanzen spreche schon der eine üimstand, baß die großen kh af n gr dwrb eren und Gerichtskosten so leicht und!
ohne Anleihe zu überwinden gewesen seien. Was die großen Zuschüsse, die die Like vom Reich erhalte, betreffe, so sei jetzt allerdings viel von dem, was Preußen noch vor einigen Jahren als chimaärisch bezeichnet habe, zur That geworden, und von größtem Erfolge begleitet gewesen. Der Minister habe bereits betont, daß nicht nur ein Pfennig, sondern 100 Millio⸗ nen Pfennige vom Reich nach Preußen hinübergesprungen seien; er rektifizire dies blos dahin: es seien nicht 100 Millio⸗ nen, sondern 1000 Mill. Pfennige. Daß man es hier mit relati;n angenehmen Verhältnissen zu thun habe, dafür spreche auch die Höhe des Extraordinariums von 46815 Millionen. Dasselbe sei im Laufe der letzten Jahre ziemlich stetig gewachsen; der Etat für 1884385 weise das höchste Extraordi⸗ narium auf seit dem Etat von 1880 81. Das Jahr 187980 sei das letzte gewesen, wo der Liberalismus beim Etat mit Erfolg Pathe gestanden habe. Damals habe man eine An— leihe von 68 Millionen nöthig gehabt, und dabei habe ein Extraordinarium von 59 Millionen bestanden, so daß also schon im Voranschlag 9 Millionen des Ordinariums durch die Anleihe hätten mitgedeckt werden müssen. Trotz dieser an sich schon haarsträubenden Verhältnisse sei der Abschluß noch ungünstiger; das Jahr habe ungeachtet der Anleihe mit einem Defizit von über 8! Millionen geschlossen. Es seien also thatsächlich damals 1½ Millionen der regelmäßigen Ausga⸗ ben durch eine Anleihe gedeckt worden. Demgegenüber sei denn doch das heutige Ergebniß eine glänzende Rechtfertigung der neueren Finanzpolitik der Regierung, die durch seine (des Redners) Partei unterstützt worden sei. Es sei in der That ein recht namhafter Erfolg nach kurzer Zeit mit dieser Politck erreicht worden. Allerdings sei erst ein wesentlicher Schritt nach vorn gethan worden; vieles Nothwendige müsse noch gesche— hen, bis die ganze Reform zum Abschluß gekommen sei. Falsch sei es aber durchaus, daß der heutige Etat mit einem lächelnden und einem weinenden Auge an das Haus heran— trete. Vielmehr fingen die Liberalen, die den Konserva⸗ tiven lange Zeit mit lachendem Auge zugeschaut hätten, jetzt an mit beiden Augen zu weinen, wo sie sahen, daß ihre frühere Politik ein großer Mißerfolg gewesen, die konservative Politik aber von Ersolg begleitet sei. Der vorliegende Etat sei thatsächlich ein großer Erfolg der jetzigen Finanzpolitik; das werde selbst die nörgelndste Kritik nicht wegleugnen kön⸗ nen. Kleine Schwankungen möchten ja noch vorkommen; so viel stehe aber fest: während man früher zur Zeit der liberalen Finanzpolitik auf einem altmodischen Segelschiff gefahren sei, das seine schwere Takelage kaum habe tragen können, wirih⸗ schafte man jetzt mit einem recht befriedigenden Dampfschiff, welches zwar auch seiner Nahrung und Feuerung bedürfe, aber trotzdem recht kräftig den Kampf mit den Wellen auf— nehmen könne. Was den Etat im Einzelnen betreffe, so liege ja beim Domänenetat scheinbar ein erfreulicher Erfolg vor, indem die Pachterträge der Domänen um 464 000 M66 höher, als im Vorjahre veranschlagt seien. In der That aber seien unter den 45 Mehrertragsdomänen viele kleine han— noversche Höfe; und dann entfalle der Löwenantheil von 300 000 S6 des Mehrertrags auf die neu zu verpach— tenden Domänen der Provinz Sachsen, deren zum Theil aus dem Jahre 1847 datirende Pachtverträge jetzt abgelaufen seien. Im Uebrigen liefere ein Drittel der neu verpachteten Domänen bedeutend weniger Pacht als früher; das sei ein schlechtes Zeichen, denn gerade die Domänenverpachtung sei der genaueste Maßstab für den Werth von Grund und Boden. Wenn der Bauerntag in Eisenach sich auch mit diesen Verhältnissen be⸗ schästige, so könne er sich nur freuen. Die Herren in Eisenach möchten dann noch erwägen, ob die Agitationsmittel der Fort— schrittspartei, die nicht aus dem Bauernstand heraus entstanden seien, zum Nutzen des Bauernstandes verwendet worden seien. Was den Forstetat betreffe, so dauere ja der krankhafte Holzimport aus dem Auslande immer noch fort; der Brom— berger Kanal sei mit Hölzern überfüllt, und in nicht zu großer Entfernung von Berlin beginne man zum Theil schon damit, Brennholz durch Verkohlung zu verwerthen, um es nur über— haupt irgend wie benutzen zu können. Halte das Haus dem Forstbesitzer daher die Ueberschwemmung vom Auslande, ins⸗ besondere mit Nutzholz, vom Leibe! Nicht der Konsument würde nach Einführung des Holzzolls diesen tragen müssen, sondern die Nutzholzpreise würden gar nicht höher werden, als sie jetzt seien, vielmehr würden die Gutsbesitzer nur vieles Holz als Nutzholz besser verwerthen können, was jetzt als Brennholz verwendet werden müsse. Er hoffe, die Reichsregierung werde bald eine Barriere errichten, einen Riegel vorschieben, um die Produktion in Preußen gegen das ausländische Nutzholz zu schützen. Daß ferner die Bei⸗ träge der Forstverwaltung zu den Kommunallasten in diesem einen Jahre wieder um 23 000 S6 gestiegen, sei ein neuer Beweis für die ungesunde Steigerung, in der die Kommunal— lasten sich allenthalben immer noch befänden. Seine politischen Freunde und er wünschten auch, daß endlich die Summe von I50 000 S, welche wiederum zum Ankauf von Oedländereien im Extraordinarium des Etats ausgeworfen seien, in das Ordinarium übernommen, und damit diese Position auch for— mell im Etat als dauernd anerkannt werde. Zur Zeit der liberalen Aera sei die Landwirthschaft immer das Aschenbrödel der Gesetzgebung gewesen; das solle jetzt für alle Zeit anders werden. Beim Etat der direkten Steuern weise er darauf hin, weniger sür dies Haus als nach außen, daß die Aufhe— bung der beiden untersten Klassensteuerstufen und die wesent— lichen Erleichterungen, die für die übrigen Klassen- und Einkommensteuerpflichtigen eingeführt seien, vor Allem aber, daß die großen Zuwendungen, die Preußen vom Reiche erhalten habe, als Zeichen der Ge— sundung der gesammten Finanzlage, als neuer Erfolg der jetzigen Finanzpolitik anzusehen seien. Was die Frage der Er— höhung der Branntweinsteuer betreffe, so würden sich seine reunde und er einer Reform auf diesem Gebiete nicht wider⸗ etzen; aber nur wenn die nöthigen Garantien für den Schutz des laͤndwirthschaftlichen Brennereigewerbes gewährt würden. Der landwirthschastliche Gewerbebetrieb sei jetzt schon vielfach doppelt belastet; so durch die Grund- und Gebäudesteuer einerseits, die Gewerbestenler oder Zucker⸗ und Nübensteuer andererseits. Freilich, der Fortschritt sage: Was scheere ihn der Landwirth? Die ganze Steuerweisheit des Fortschritts reduzire sich ja auf den kleinen Satz: „Rühret man nur nicht an der lieben Börse!“ Die Seehandiung sei früher vielleicht zu weit gegangen in der Kapitalszurückziehung; das Institut müsse stets krästig genug bleiben, um den Börsenmächten entgegen— zutreten, namentlich, da man jetzt keine preußische Bank mehr habe, sondern eine Reichsbank, die nichts sei als eine Aktien gesellschaft, und die der Börse durchaus nicht genügend ent— gegentreten könne. Allerdings habe, insbesondere in Folge der preußischen Eisenbahnpolitik, das Börsentreiben in den letzten!
Jahren erheblich abgenommen; die heutigen sortwährenden Klagen der Börsenblatter seien das beste Zeichen für das wirthschaftliche Erstarken der Nation. Endlich seien die Leute gegenüber der Börse klug geworden. Auch hätten ja die Ueberschüsse der Eisenbahnverwaltung nicht zum mindesten bewirkt, daß der Etat günftig balancire. Die Linke wolle ja immer möglichst hohe Ueberschüsse im Etat sehen; aber die Linke ihrerseits habe dem Hause keine Mittel angeboten, wie solche Ueberschüsse zu erreichen seien. Er sreue sich übrigens, daß im Eisenbahnetat bestimmte Kategorien von Beamten irn Gehalt besser gestellt werden sollten; er hoffe, diese Verhältnisse würden auch weiter angemessen ge— regelt werden. Er danke auch dem Eisenbahn⸗-Minister dafür, daß derselbe Bestimmungen getroffen habe, um seinen Be⸗ amten eine auegiebigere Sonntagsruhe zu verschaffen. Daneben erfreue es ihn, daß der Eisenbahn-Minister keine fiskalische Politik treibe, vielmehr lediglich die allgemeinen Verkehrs— interessen zu fördern bestrebt sei. Möchte der Minister dar— auf bedacht sein, vielleicht auch Tarifermäßigungen, soweit es irgend angehe, insbesondere für größere Transporte, eintreten u lassen. Beim Etat der Bauverwaltung erkenne er als Vertreter des Ostens dankbar an, daß endlich eine Organisa⸗ tion der Wasserbaudirektion auch für die Weichsel ins Auge gefaßt sei, wie eine solche für Rhein, Oder und Elbe längst bestanden habe. Es werde diese Neuerung von wesentlichem Vortheil für die Regulirungsarbeiten an der Weichsel sein. Die Position sür 40 neue Dampfkesselrevisoren möchten feine Freunde und er der Budgeikommission überwiesen wissen. Was den Kultusetat betreffe, so bedürfe wohl die Pofsition von 100 009 6. für 19 neue Kreis⸗-Schulinspektoren einer kommissarischen Prüfung, zumal die ganze Ein— richtung der Kreis-Schulinspettoren nach seiner Auf— fassung nur ein Nothstandsinstitut sei. Die Steige— rung des Ordinariums des Kultusetats um 716 000 6 sei im Uebrigen im Verhältniß zu den Vorjahren mäßig, zumal wenn man bedenke, daß dieser Etat seit 1871 um 160 Proz. gestiegen sei. Man könne nämlich wirklich auch im Kultus— etat des Guten zu viel thun; es werde sich vielleicht beim Kapitel der Bauten, der Dienstwohnungen und der Universi— täten einiges noch streichen lassen. In den Bestrebungen, die auf forcirte Bildung berechnet seien, erkenne er die Gefahr, daß dadurch vielfach im Lande Unzufriedenheit erregt werde; auch sei ja die einseitige wissenschaftliche Entwickelung keines— wegs eine Garantie für größere moralische und bürgerliche Tüchtigkeit. Was die Forderungen für die Museen angehe, so sei er, im Gegensatz zu dem Abg. von Schorlemer, für die Erwerbung der Waffensammlung des Prinzen Carl; dieselbe werde zu so ausnahmsweise billigem Preise angeboten, daß hier auch eine ausnahmsweise Maßregel geboten erscheine, um die Sammlung in eine Hand zu bringen, wo sie dauernd dem öffentlichen Interesse diene. Doch rathe er im Uebrigen auf dem Gebiete der Kunst im Allgemeinen den Grundfatz der Vorsicht und der Sparsamkeit nicht zu verlassen. Er er— innere an die Technische Hochschule, die einen Kostenaufwand von 9 9000 09006 erfordert habe. Für die Kunstausstellung seien nicht einmal feuersichere Gebäude vorhanden. Bezüglich der Erwerbungen von Grundstücken für Museums-Neubauten in Berlin mache er ebenfalls Bedenken geltend. Die Kunst sei im Grunde doch nur ein schöner Luxus, wenngleich er ihr alle Huldigung darbringe. Wenn man mit so vielen, materiellen Anforderungen zu kämpfen habe, so müsse man doppelt bedenklich sein. Wenn nun aber einmal Neubauten sein sollten, so müsse man zunächst an die Kirchen denken. Die Aufschraubung des Kunstetats sei ein Werk der Liberalen, und die Konservativen hätten das Odium auf sich nehmen müssen. Daß man den Konservativen Unfruchtbarkeit und Unfähigkeit in der Gesetzgebung in die Schuhe schiebe, weise er zurück in Anbetracht dessen, was geleistet worden sei. Im Uebrigen halte er an dem in der Thronrede ausge— sprochenen Gedanken fest, daß die Kommunal- und Schul— lasten, die härter als alle anderen Lasten drückten, gemindert würden, er vertraue dabei auf eine dementsprechende Ent— schließung des Landtags. Die Diskussion der Kapitalrenten— steuer von Seiten der liberalen Presse grenze an das Lächer— liche. Mit demselben Rechte, mit welchem man stets von Groß- und Kleingrundbesitzern spreche, könne man auch von Groß- und Kleinhausbesitzern sprechen. Noch seien große und dringende Aufgaben in der Zukunft zu lösen. Er hoffe, daß dies gelingen werde, wenn nur das nöthige Vertrauen zur Regierung vorhanden sei. Er begrüße besonders die Stelle der Thronrede mit Freuden, welche von der gegenwärtigen friedlichen Situation handele. Er hoffe auf die Fortdauer dieses Zustandes, so lange die Politik sich in solchen Händen befinde, wie jetzt. Im Uehrigen zweifele auch er, an— knüpfend an die Worte des Abg. von Schorlemer, keineswegs daran, daß im eventuellen Falle eines Krieges alle Parteien geschlossen gegen den gemeinsamen Feind stehen würden.
Der Abg. Rickert erklärte, die Klage des Abg. von Minnigerode über dessen Platz in der Rednerliste sei ihm räthselhaft. Er habe den Abg. Minnigerode bei Beginn der Ausloosung auf der Liste hinter ihm verzeichnet und vor dem Abg. Wagner gesehen. Weshalb beklage sich der Abg. von Minnigerode nun noch öffentlich darüber, daß derselbe aus eigenem Willen seinen Platz verlassen habe? Ihm thue es auch leid, daß der Abg. Wagner nicht sein Vorredner ge— wesen sei, derselbe hätte ihm doch etwas mehr Stoff geboten, als der Abg. von Minnigerode. Mit den tausendmal wieder— holten und widerlegten allgemeinen Behauptungen des Abg. von Minnigerode sei wenig zu machen. Als Beweis, wohin die miserable Finanzwirthschaft geführt habe, habe der Abg. von Minnigerode nur den Etat von 1879ñ80 mit einem De— fizit von 17 Millionen erwähnt. Sei es denn eine Kunst, ein Defizit zu decken, wenn man 125 Millionen neuer Steuern erhebe? Mit solchen könne man ein noch größeres Defizit decken. Diese Finanzkunst stehe nicht hoch. Hätten denn nicht aber die Konservativen die sogenannte liberale Finanz- wirthschast in Allem mitgemacht und für Alles gestimmt? Der Abg. von Minnigerode rufe, der Liberalismus habe den Kultus— etat wesentlich in die Höhe geschnellt. In welchen Kreisen solle das wirken? Gebe es nicht konservative Männer auf der rechten Seite, die wie die Linke den Kultusetat erhöht hätten, wie die Regierung es gewollt habe, damit die Kinder etwas lernen könnten, und man gute Schulen habe? Dies sei dem Abg. von Minnigerode unangenehm, würden demselben die Leute zu klug? Die Rechte spreche fortwährend von hohen Schullasten der Kommunen. Die Ausgaben, die das Haus Hrn. Falk im Kultusetat bewilligt habe, seien dieselben nicht den Kom— munen zu gute gekommen? Hätte man damals den Etat nicht erhöht, so hätten die Kommunen mehr angespaunt werden müssen. Es sei unbegreiflich, wie der Abg. von Minnigerode