1883 / 285 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 04 Dec 1883 18:00:01 GMT) scan diff

her, ehe hier überhaupt von einem Antrag Knebel⸗von Huene, von der Interpellation des Herrn Schlieben im Herrenhause die Rede war, das landwirthschaftliche Ministerium veranlaßt, in Korrespondenz mit denjenigen Ministerien zu treten, zu deren Juständigkeit es gehört, diese Aufklärung durch amtliche Ermittlungen zu erwägen.

Es ist ja bekannt, daß die Grundbücher dem Justiz Ministerium unterstellt sind, die Katasterämter dem Finanz⸗Ministerium; es ist ebenso klar, daß nur durch das Zusammenwirken dieser beiden Be⸗ hörden sich überhaupt zutreffende Bilder firiren lassen. Es ist des⸗ halb schon im Juni 1881 meinerseits das Ersuchen an den Herrn Justiz⸗Minister gegangen, zunächst eine Statistik aufzunebmen über die alljährlich stattfindenden Subhastationen; ich darf mit Dank und Befriedigung konstatiren, daß der Herr Justiz Minister diesem Wunsch bereitwilligst nachgekommen, und daß in den Justiz— Ministerialblättern für die Jahre 1881/1882 bereits die Publikation über die stattgehabten Subbastationen veröffentlicht worden ist. Diese Publikationen haben, wie auch schon erwähnt worden, meines Er— ächtens nicht die wünschenswerthe Beachtung in dem Publikum gefunden, und es wiederbolt sich allerdings darin die Erfahrung, daß sehr häufig sehr weitgehende Ansprüche gemacht werden, Ermit— telungen anzustellen und daß die Ermittelungen, wenn sie vor⸗ liegen, eigentlich nur in einem sehr engen Kreise beachtet und benutzt werden. Die Uebersichten über die Jahre 1882/83 aus dem letzten Justiz⸗Ministerialblatt ergeben die Subhastationen innerhalb des Gebietes der alten Subhastations⸗ ordnung und außerhalb derselben gesondert; sie gehen zurück bis 1872 und erstrecken sich in summarischer Ferm bis 1882; sie ergeben inner halb der altländischen Provinzen also der 8 resp. 9 alten Provinzen mit Ausschluß des Aprellationsgerichtsbezirks Cöln; die neuen Provinzen Schleswig ⸗Holstein, Hessen⸗Nassau und Hannover sind ausgeschlossen in der Anzahl der Subhastationen von 1872 bis 1874 ein Herabgehen. Also in den Zeiten der allgemeinen wirthschaftlichen Prosperität hat auch die Zahl der Subbastationen erheblich abgenommen. Das Minimum wurde in den alt ändischen Provinzen im Jahre 1874 mit 15 054 Subhastationen erreicht. Von da ab findet eine beständige Steigerung statt bis zum Jahre 1878, wo die Zahl der Subhastatio—⸗ nen auf 29 169 gestiegen ist. Diese älteren Uebersichten geben blos die Zahl der Subhastationen, sie enthalten keine Trennung von länd⸗ lichen und städtischem Besitz, sie machen keine Angaben über Grund steuerreinertrag und Gebäudesteuerwerth, über Brandversicherungs— werth, noch auch über die Zahl der betroffenen Hektare. Diese ein— gehenderen Uebersichten sind erst auf die damals erfolgie Anregung des Herrn Justiz⸗Ministers in größerem Umfang angestellt worden, und ich darf mir wohl erlauben, aach schon um der Sache die nöthige Publizität zu geben, hier diese Zahlen kurz anzuführen. Also bis zum Jahre 1880 findet eine weitere Steigerung statt, die sich auf über 29 060 Fälle innerhalb der alten Provinzen belief. Im Jahre 1881 geht die Gesammtzahl der Subhastationen herunter auf 11 024 mit einem Flächeninhalt von 92 492 ha, einem Gebäude— steuernutzungswerth von 6404 000 mit einem Grundsteuer— reinertrage von 726 857 66 Wenn Sie diese Zahlen in Relation bringen mit dem Grundsteuerareal und mit dem Gebäudesteuer— werth der ganzen Monarchie, so ergiebt sich aus diesen Zahlen Folgendes: Die Größe der 1881 subhastirten Fläche beträgt den 328. Theil der gesammten Fläche der Monarchie oder 3,04 pro Mille. Der Gebäudesteuernutzungswerth der sub— bastirten Grundstücke beträgt den 283. Theil des gesammten Gebäudesteuernutzungswerthes der steuerpflichtigen Gebäude. Ich be— merke dabei, daß in beiden Fällen die grundsteuerfreien Liegenschaften, ebenso die gebäudesteuerfreien Liegenschaften nicht in diesen Zahlen einbegriffen sind, was aber die Richtigkeit des Bildes eher bestängt als vermindert.

Also in Bezug auf den Gebäudesteuer-Nutzungswerth ist das Verhältniß 3,5 pro Mille; der Grundsteuerreinertrag beträgt den 454. Theil des Gesammtertrages der grundsteuerpflichtigen Liegen schaften oder 2, pro Mille.

Diese Zahlen sind, wenn man sie mit denjenigen vergleicht, die z. B. aus dem Königreich Bayern gemeldet werden, nicht ungünstig, sie sind selbstverständlich auch nicht erfreulicher Natur aber immerhin sind die Schlüsse, die man aus den stattgehabten Subhastationen ziehen könnte, keineswegs derart, daß sie gerade einen bedrohlichen Zustand darstellen.

Was nun die Resultate des Jahres 1882 betrifft, so findet hier gegen 1881 eine ganz erhebliche Abnahme in allen diesen Zahlen statt. Im Jahre 1882 haben nur 8981 Subhastationen stattgefunden gegen 11000 im Vorjahre. Der Flächeninhal: ich werde blos die Tau— sende nennen, da die übrigen Zahlen nicht von Belang sind betrug im Jahre 1882 73 000 ha gegen 92 000 ha im Vorjahr. Der Ge— bäudesteuernutzungswerth betrug 4 7935090 gegen 6404900 im Vor— jahre; der Grundsteuerreinertrag betrug 523 009) M gegen 726 000 im Vorjahre. Von den subhastirten Grundstücken dienten zur Forst- und Landwirthschaft 4900 in dem 82er Jahr gegen 5722 im Vorjahre. Es ist also aus allen diesen Zahlen eine Abnahme der Subhastationen zu konstatiren. Ich bin nun weit davon entfernt, aus dieser einfachen Thatsache zu schließen, daß eine besondere Prosperität in den gesammten wirthschaftlichen Verhält— nissen seidem eingetreten wäre. Etz würde mir mit Recht eingewendet werden können, daß vielleicht die Zahl der Subhastationen auch ab— genommen hat in Rücksicht darauf, daß man es zur Subhastation nicht mehr hat kommen lassen, sondern vorher sich mit seinen Schuld⸗ nern außergerichtlich geeinigt hat. Das ist ein Moment, was in den meisten Zahlen allerdings nicht zur Erscheinung kommt. Aber ich glaube doch, man muß, wenn man statistische Zahlen sammelt, sie doch so weit gelten lassen, wie sie eben vorliegen, und so glaube ich trotzdem, ohne die Bedeutung der Zahlen zu überschätzen, berechtigt zu sein, auf eine mäßige Besserung der wirthschaftlichen Lage in dieser Beziehung zu schließen.

Diese Ermittelungen werden fortgesetzt und also auch seiner— zeit weiter publizirt werden. Daß es wünschenswerth wäre, auch den Grund der Subhastationen zu erfahren, wie es z. B. in der bayerischen Statistik geschehen ist, damit bin ich mit dem Herrn Vorredner völlig einverstanden; aber es scheinen dem große Schwierigkeiten entgegenzustehen, die ich vielleicht nicht vollständig in der Lage bin zu übersehen, die aber wenigstens von Seiten der Justizbehörde jederzeit geltend gemacht sind. Ob es möglich sein wird, die Ursachen der Subhastationen in größerem Umfang bei den späteren Uebersichten zu ermitteln und beizufügen, bin ich nicht in der Lage in Aussicht zu stellen; für erwünscht würde ich es allerdings halten, wenn es erreichbar ist.

Das ist also der eine Theil der Ermittlungen, die stattfinden ig Bezug auf die Lage der landwirthschaftlichen Bevölkerung. Eine weltere Reihe von Ermittlungen, und auch diese datiren bis in das Jahr 1881 zurück, wenigstens in ihren einleitenden Maßregeln, sind dann, wie ich dankbar anerkenne, unterstützt worden durch die aus den Häͤufern des Landtages und dem Landes-Dekonomiekollegium hervor— getretenen Bestrebungen. Diese Ermittelungn bezieben sich auf die Grundbesitzverhältnisse und auf die stattgehabten Par— zellirungen. In Bezug hierauf enthalten meines Erachtens die vorliegenden Berichte der landwirthschaftlichen Centralvereine wenn nicht ein erschöpfendes Material, doch immer ein Material, was einigermaßen ein Urtheil darüber gestattet. Ich glaube dieselhen dahin zusammenfassen zu können, daß die Parzellirungen, die gewerbs⸗ mäßigen sowohl, wie die, welche vielleicht durch Nothstände hervor . gerufen worden sind, sich gesteigert haben ungefähr bis zum Jahre 1875 oder 1876, also zufammenfallend mit einer großen wirthschaft- lichen Prosperität, daß sie dann in Rückgang gekommen sind eit dieser Zeit, und daß in den letzten Jahren weder gewerbsmäßige Aus— schlachtungen, weil unrentabel, noch Subhastationen das bewirkt haben, daß die Parzellirungen einen großen oder erschreckenden Umfang er— reicht hätten. Die Klagen über die großen Parzellirungen kehren, wenn man es genau perfolgt, eigentlich immer in denselben Gebieten wieder, in den Gebieten, wo schon vor 30, 40 Jahren über dieselben Mißstände geklagt wurde. Et ist das das linksrheinische Gebiet, der Westerwald, das ehemalige Kurfürstenthum Hessen, in dem auch schon zu damaliger Zeit Seitens der damaligen Landeks—⸗

regierung Anstrengungen gemacht sind, um diesen Parzellirungen zu begegnen. Gegenwärtig aber kann man nach diesen Berichten, glaube ich, wohl annebmen, daß die Parzellirungen keine erheblichen Fort— schritte machen.

Als das wesentliche Material, was zu Diensten gestellt werden kann, um über die Bewegung des Grundbesitzes ein deutliches Bild zu erhalten, möchte ich auf die im Gang begriffenen Vorarbeirungen durch das Statistische Bureau hinweisen: die neuen Ein— schätzungen, die bei Gelegenheit der letzten Gebäudesteuerrevision stattgefunden haben und die zugleich Angaben enthalten über die ge⸗ sammten Besitzverhältnisse. Ich habe mir bereits im Herrenhause auf die Interpellation des Herren Graf Schlieben die Auskunft zu ertheilen erlaubt, daß diese Resultate, dieses enorme Material zu⸗ nächst für zwei Regierungebezirke, nämlich für Aachen und Danzig, bearbeitet worden ist. Diese Resultate liegen vor, und ich hoffe, daß sie in Kurzem publizirt werden können. Ich boffe ferner, daß ich die Zustimmung der anderen betheiligten Minister dafür gewinne, daß dieses Material zugleich auch bearbeitet wird für die sämmtlichen übrigen Provinzen. Angreifbar wird auch dieses Material sein, aber immerhin wüßte ich doch keines, was werthvoller wäre für die Beurtheilung der Gesammtgrundbesitzverhältnisse, oder einen besseren Anhalt dafür gäbe, wie gerade dieses. Die von mir durchgesehenen Ermittelungen aus diesen beiden Re— gierungsbezirken scheinen mir wenigstens sehr werthvolle Resultate zu ergeben. Sie ergeben mindestens, daß die meisten Besitzungen den kleinen Besitzklassen angehören, welche sich etwa in Nachen bis zum Umfang von 20 Morgen bewegt. Bei Weitem die meisten Besitzer repräsentiren nicht den Latifundienbesitz, welcher dort überhaupt vor— handen ist. Eher konnte man die Befürchtung aussprechen, daß der Besitz vielfach zu klein ist, um eine Familie zu ernähren. Es ist dabei natürlich auch in Berechnung zu ziehen, daß das ein industrieller hochentwickelter Bezirk ist, in weldem der Fabrikarbeiter vielleicht vielfach ein kleines Haus und einen kleinen Garten hat, die ihm neben seiner Fabrikbeschäftigung noch einen kleinen Neben⸗ gewinnst abwerfen. Also insofern ist vielleicht auch der Eindruck des zersplitterten Besitzes kein solcher, der zu beunruhigenden Schluß— folgerungen Anlaß geben könnte. Etwas anders zwar ist das Bild, was diesen Ermittelungen für den Danziger Bezirk zu Grunde liegt. Aber auch hier, meine Herren, bewegen sich noch die größten Besitz⸗ klassen, sovohl der Kopfzahl wie dem Hektarenbesitz nach, innerhalb der mittleren Besitzklassen. Die mittlere Besitzklasse im Osten hat natürlich bei geringerem Bodenwerth ein viel größeres Hekiarareal als im Westen. Im Osten im dortigen Bezirk werden 220 Morgen Sandboden noch nicht mehr repräsentiren als vielleicht im Aachener Bezirk 10 oder höchstens 20 Morgen. Also insofern sind in den verschiedenen Gegenden die Verhältnisse sehr verschiedengrtige; in jedem Fall haben diese Ermittelungen über den Umfang und über die Bewegung des Grundbesitzes ihren Werth. Die Publikation wird demnächst, wie ich hoffe, erfolgen.

Weitere Ermittelungen sind fortzusetzen in Bezug auf die Ver— schuldungsstatistik. Daß wir uns hier auf dem allerschwierigsten Gebiet bewegen, das, glaube ich, wird jeder eingestehen, welcher sich überhaupt mit dieser Frage beschäftigt hat Und der Hr. Abg. von Rauchhaupt hat schon die Hauptpunkte hervorgehoben. Positiv können wir zunächst nur eine Hypothekarstatistik sammeln, und diese Hypothekenstatistik können wir natürlich nur da anstellen, wo Grund bücher vorhanden sind, was bekanntlich in cinem Theile der Monarchie nicht der Fall ist. Aber auch wenn wir diese Schulden, die in die Grundbücher eingetragen sind, vollständig zusammenrechnen und auf stellen, so ist es vollkommen richtig, daß sich damit noch keine ab— schließenden Bilder der Wohblstandsverhältnisse ergeben. Es ist eine bekannte Thatsache, daß eine Menge von Hypotheken ungelöscht in den Büchern stehen bleiben, der Wohlhabende läßt sie vielfach stehen, um nicht in den Ruf der Schuldenfreiheit zu geiangen, und der weniger Bemittelte läßt sie vielleicht stehen, um die Kosten zu sparen, aus Bequemlichkeit oder aus sonst einem SHrunde. Also insofern liefert auch die genaueste Hypothekenstatistik noch kein klares Bild über die Verhältnisse der Schuldenstatistik, sie bietet auch kein klares Bild der Vrhältnisse, weil wir nicht in der Lage sind, Vergleiche anzustellen mit früheren Jahren. Der Werth der jetzigen Ermittelungen wird meines Erachtens erst in 15 oder 20 Jahren vorhanden sein, wenn wir in der Lage sind, innerhalb derselben Bezirke zweite Ermittelungen anzustellen. Die Ermittelungen, wie sie angeordnet sind von Seiten des Herrn Justiz⸗Ministers und Finanz⸗Ministers auf mein Ansuchen, gehen vorzugeweise dahin: Es sind innerhalb der östlichen Provinzen 50 Amtsgerichtsbezirle ausgesucht worden, in denen die Grundbücher fortgeschrieben mit den Ka— tasterbüchern, also in Uebereinstimmung gebracht sind. Das ist darum nöthig, weil dort ein sehr wesentliches Moment für die Beurtheilung der Hypothekenlasten in dem Verhältniß derselben zum Bodenwerthe besteht. Die einfache Belastung ohne Grundsteuerreinertrag, der wiederum aus den Grundbüchern allein nicht zu ersehen ist, würde ein noch relativ unrichtigeres Bild geben, als es so der Fall ist. Es sind also 50 Amtsgerichts bezirke ausgesucht worden, in denen diese Voraussetzungen zutrafen, es sind ferner diese Amtsgerichtsbezirke so gewählt worden, daß sie womöglich typisch waren für die Bodenverhältnisse der betreffenden. Regierungsbezürke, also einmal wie Geest, und Marschboden, Höhen und Niederungsboden etwa repräsentiren. Diese Ermittelungen sind fast abgeschlosen; die M hrjahl der Amtsgerichtsbezirke haben ihre Berechnungen bereits eingeschickt und sin sind hier in der Ver— arbeitung begriffen in dem statistischen Bureau durch den Geheimen Rath Meitzen. Ich hoffe, daß diese Ermittelungen etwa fertig ge— stellt sein können bis zum Zusammentritt der nächsten Sitzung des Landes Dekonomiekollegiums, welches sich zweckmäßig wohl ferner eingehend mit dieser Frage beschäftigen wird, mit der Voraussetzung ratürlich, daß diese hohe Bersammlung auch von den dortigen Ermittelungen Kenntniß nimmt und ihrerseits diese weiter unterstützt Diese Ermittelung der Hypothekenschulden sind allerdings noch verschiedener Ergänzungen fähig, und, wie ich zugebe, auch bedürftig; es mird erforderlich sein, neben vem Grundsteuerreinertrag auch noch den jetzigen Verkaufs“ und Pachtwerth zu ermitteln. Dahingehend sind bereits Erlasse an die betreffenden Landräthe ergangen, die diese Ergänzungen für jene Ermittelung fordern, und ein großer Theil derselben ist auch bereits eingegangen. Also diese Ergänzungen werden auch einen wesentlichen und werthvollen Beitrag geben. Ich bin aber voll lommen der Meinung des Hrn. Abg. von Rauchhaupt, daß wir mit diesen Ermittelungen, wie immer, noch weit entfernt sind, ein ab— schließendes Bild zu gewinnen. Wir gewinnen mit diesen Ermitte⸗— lungen wohl ein Bild von der Hypothekenverschuldung, von der Per sonalverschuldung erfahren wir bei diesen Ermittelungen nichts. Mit diesen Ermittelungen aber auf dem Gebiete der Per sonalverschuldung begeben wir uns auf das allerschwierigste und velikateste Gebiet. Ich glaube, gerade die früheren Verhandlungen, die hier in einer Kommission deßs Abgeordnetenhauses auf Grund eines Antrages der Herren Abgg. Knebel und von Huene stattgefunden haben, ergäben, wie man völlig rath— los eigentlich gegenübersteht der Aufgabe, diese Ermittelungen in eine greifbare und zweckmäßige Form zu bringen. Ich darf wohl darauf hinweisen, daß dieser Kommissionsbericht vertrauensvoll der Regie⸗ rung überläßt, wie sie die Ermittelungen anstellen solle; eine Direktion irgend welcher Art hat die Kommissionsverhandlung ab— solut nicht ergeben. Ich würde sehr dankbar sein, wenn ich hier wei⸗ tere Direktiven darüber bekäme. Man muß einräumen, es ist eine herbe Zumuthung an Jemand, der verschuldet ist oder vielleicht auch nicht verschuldet, daß er über sein Vermögensverhältnisse so klipp und klar Auskunft geben soll, wie es erforderlich ist, um werthvolle Aufschlüsse zu gewinnen.

Ein werthvolles Material liegt ja, wie schon richtig bezeichnet worden ist, in den Einkommensnachweisen der Klassensteuerliste. Allein ich würde es doch nicht unbedenklich finden, wenn man diese Klassen— steuerliste ander als höchst summarisch für die Beurtheilung Über diese Verhältnisie benutzen wollte. Eine Publikation der Vermögens nachweise, wie sie die Klassen⸗ und Einkemmensteuerliste giebt, gleube ich, wird nicht zulässig sein, jedenfalls nicht in der Art, daß man jeden Censiten seinem Namen nach etwa ermitteln könnte. Ein

so tiefes Eindringen in die Privatverhältnisse ist doch nicht gerecht⸗ fertigt, zumal es sich doch hier nur um Sammlung von Informa- tionen handelt. Wenn wir den mit Schulden Belasteten in Aussicht stellen könnten, daß wir die Schulden bezahlen wollten, dann läge die Sache wesentlich anders.

Es werden diese Ermittelungen sich demgemäß in sehr beschei⸗ denen Grenzen zu halten haben. Und, wenn es erlaubt ist, meine Meinung zu sagen, so geht die dahin, daß es vielleicht zweckmäßig ist, in demselben Amtsgerichtsbezirke für welche diese hypothekarischen Ermittelungen stattagefunden haben, eine Ermittelung über die Personalschuldenverhältnisse in der vorerwähnten Art stattfinden zu lassen, ohne daß ein lästiges Eindringen in Privat verhältnisse dabei stattfindet.

Meine Herren! Das ist das Arbeitspensum, mit dem das land wirthschaftliche Ministerium zur Zeit auf diesem Gebiet beschäftigt ist, und Sie werden mir zugeben, daß es ein sehr umfangreiches ist und noch der vielseitigsten Ergänzung und Bearbeitung bedarf. Die Er— mittelungen, die wir dann gewinnen, werden dann sicher auch zur Kenntniß der Häuser des Landtages gelangen. Und so kann ich nur mit dem Wunsch schließen, daß all die Herren, die in der Lage sind, die Königliche Staatsregierung in diesem Bestreben zu unterstützen, uns die Unterstützung nicht versagen möchten.

Der Abg. Freiherr von Schorlemer⸗Alst bemerkte, wenn man sage, der Stand der Landwirthschaft sei nicht so schlecht, so sei dies immer noch sehr bedenklich. In betreff der Vieh⸗ zucht habe man schon oft die Bemerkung gemacht, daß die bestprämiirten Stücke auf den landwirthschaftlichen Aus— stellungen denen angehörten, die schon ganz bankerott seien. Wenn man den Uebelstand hervorhebe, daß die Chausseebaulasten im Osten größer als im Westen seien, so warne er davor, immer wieder davon zu sprechen, sonst würde der Westen kommen und wieder sagen, wie viel derselbe bezablt habe. Aber statt aller solcher Erwägungen wolle er lieber mit allen Parteien im Hause zusammen wirken. Der Ahg. Rickert sei zu dem Schlusse gekommen, daß derselhe mit den Konservativen nicht weiter kommen könne; es beruhe dies wohl auf Gegenseitigkeit, wenn er (Redner) glaube, daß die Konservativen mit dem Abg. Rickert auch nicht weiter kämen. Der Abg. Rickert habe ferner gesagt, daß die Land⸗ wirthe jetzt schon nachdenklich würden und zur alten Fahne zurückkehrten; wenn das die Fahne sei, die der Abg. Rickert schwinge, so glaube er das schwerlich. Im Uebrigen, glaube er, seien die Landwirthe dem Minister für das, was derselbe heute von den Uebeln im Grundbesitze gesagt habe, ihren Dank schuldig. Es handele sich darum, den bäuerlichen Grund— besitz zu erhalten, und was der Minister von der Sub— hastation gesagt habe, fordere zum größten Nachdenken auf. Nun glaube er aber, mit Versammlungen und schönen Re— solutionen könne man den Landwirthen nicht helfen, sondern nur mit Thaten. Das ganze Parteigetriebe auf diesem Gebiet lasse ihn kalt. Alle Parteien sollten lieber in thatkräftiger Hülfe für den kleinen Landmann zusammenwirken und die Phrasen bei Seite lassen. Der Abg. Rickert sage, es sei Un⸗ recht, den Landwirthen ihr Unglück vorzuerzählen, ohne die Heilmittel anzugeben. Er begreife wohl, daß die Klagen der Landwirthe dem Abg. Rickert sehr unbequem seien. Denn was bedeuteten sie? Einfach die Abrechnung mit einem abge— wirthschafteten liberalen Wirthschastssystem. Der Abg. Rickert habe sich neulich mit den Bestrebungen des deutschen Bauernvereins wesentlich identifizirt. Aber von Heilmitteln habe man noch nichts gesehen. Es seien Phrasen im Programm des deutschen Vauernvereins, wenn es heiße „die Bestrebungen der Agrarier seien für Latifundien und Großindustrie, und der deutsche Bauer solle sich diesen fremden Interessen nicht dienstbar machen“. Es freue ihn, daß hier der Abg. Rickert einmal erklärt habe, daß derselbe mit seinem liberalen Bauernverein gegen die Großindusitrie auftreten wolle. Das Wort Lati⸗ fun dien habe man wohl seines dunkeln Hintergrundes wegen gerählt, und weil der gewöhnliche Mann es nicht verstehe. Der Satz: „latifundia perdidere Romam“ würde nicht richtig sein, wenn nicht vorher in Rom der mittlere und kleinere Geundbesitz zu Grunde gegangen gewesen sei. Erst da⸗ durch seien Latifundien überhaupt möglich, und wenn nan den kleinen Grundbesitz erhalten wolle, so müsse man dahin wirken, daß keine Latisundien mehr entstehen könnten, daß namentlich derjenige Großgrundbesitz, der sich jetzt in den Händen des Kapitals befinde, den kleinen Bauer nicht auf— saugen könne. Ferner sei es eine Phrase im Programm des Bauernvereins, wenn gesagt werde, „es müsse ein neues Ge— meindeverfassungsgesetz gemacht werden, nach welchem die niedere ländliche Polizeiverwaltung in die Gemeindevertretung gelegt würde.“ Wie das dem Bankerott der Bauern abhelfen solle, verstehe er nicht. Dann werde im Programm „Freiheit der Vewegung im Grundbesitz verlangt, welche eine Vertheilung des Grundbesitzes nach Maß⸗ gabe der Entwickelung der Bevölkerung ermögliche, unbeschadet lokaler Gebräuche.“ Das sei geradezu das System Lassales. Es würde dadurch schließlich nur eine Zersplitterung des Kleingrundbesitzes bewirkt werden, und damit eine Aufsaugung desselven durch den Großgrundbesitz. Dann heiße es in dem Programm: „Die Staatsdomänen seien in kleinere, leistungs⸗ sähigere Besißhungen umzuwandeln, und dieselben geeigneter Weise durch Bauerngeschlechter aus überfüllten Distrikten des Staates zu kolonisiren.“ Welche Distrikte seien denn über⸗ haupt übervölkert? Doch die industriellen, wo die Arbeiter— bevölkerung dicht wohne. Wolle man denn nun gerade aus diesen In⸗ dustriebezitken einige Bauern herausnehmen, und auf die domänen setzen? Diese Redensarten seien nichts als Luftspiegeleien, die man den Leuten vormache. Es frage sich überhaupt, ob man nicht besser thue, wenn man Domänen parzellire, die Parzellen in Erbpacht zu geben, als sie zu verkaufen. Dann heiße es im Programm: „Die Jagd auf eigenem Grund und Boden sei aufrecht zu erhalten.“ Seines Wissens bestehe überall das Jagdrecht auf eigenem Grund und Boden, es handele sich nur um die Frage der Ausübung der Jagd, und wenn etwa der Abg. Rickert wolle, daß Jeder auf seinem parzellirten Grund⸗ stück schießen könne, so viel derselbe wolle, so würde der Abg. Rickert selbst unter seinen eigenen Freunden gut thun, zu Hause zu bleiben, derselbe könnte sonst sehr leicht angeschossen werden. Wenn es ferner im Programm heiße, die Jagd müsse zum Nutzen der Landwirth⸗ schaft und nicht zur Wildzüchtung stattfinden, so habe gerade das Centrum, und speziell er schon immer für den Schutz des Bauern gegen Wildschaden plädirt, das sei also nichts Neues. Die Linke gebrauche alle diese Schlagwörter nur gemäß dem alten Sprüchwort: „Mit Speck fange man Piääuse!“ Aber mit Speck fange man keine Bauern, namentlich keine westfälischen Bauern. Wolle man den Leuten wirk— lich helfen, dann müsse man zu Thaten ühergehen. Die Landschaften sollten als das beste reelle Mittel dienen, dem Grundbesitz aufzuhelfen. Die Leistungsfahigkeit derselben müsse erhöht, das Barlehnskassenwesen entsprechend verbessert

werden, ebenso das Versicherunaswesen, wie es sich in West⸗ falen gut bewährt habe. Durch Verbesserung des Rechtsschutzes, Verhinderung der Auebeutunrg werte viel Gutes geschafft werden. Gemeinschastlicher Bezug von Sämereien ꝛc. bringe viele Vortheile. Die Bildung durch die Schulen, die Ein— richtung von Winterschulen sei auch ein Punkt, der zur Besserung der Landwirthschaft beitrage. Solche Einrichtungen könne wan aber nur in Lokal und Piovinzialvereinen, nicht in großen Centralvereinen mit Nutzen verfolgen. Was die Linke mit dem neuen Bauernverein wolle, wisse er nicht. Was man in Bauernvereinen leisten könne, das könne man an den westfalischen Bauernvereinen sehen Er lade den Abg. Rickert allen Ernstes ein, der Generalversammlung, die nächstens statt⸗ finden werde, beizuwohnen, und garantire demselben nicht nur, daß derselbe nicht hinausgeworsen werde, sondern auch ruhig angehört werde, wenn derselbe auch ganz gegentheilige Meinungen äußere. Der Verein prüfe Alles, und behalte das Beste. Er meine seine Einladung an den Abg. Rickert also nicht ironisch, sondern, weil er von dem Abg. Rickert glaube, daß auch derselbe sich redlich bemühe, die Wahrheit zu er— kennen; und wenn derselbe die Wahrheit in Westfalen sehe, werde derselbe sie später auch hier im Hause vertreten. .

Der Abg. Dirichlet wandte sich zunächst gegen einige Aeußerungen der Abag. von Schorlemer-Alst und von Rauch— haupt. Für die Bauern im Osten habe der Landraih das Geschäft des Denkens übernommen. Von der gedrückten Lage der Landwirthschaft zu sprechen, sei leicht, ebenso wie von ge— drückter Lage der Handwerker, der Fabrikarbeiter u. s. w. Es sei bedenklich, als Basis der Schuldenstatistik solche Berichte zu nehmen, welche bemüht seien, die Schulden mög— lichst hoch anzugeben. Die Versuche, zu beweisen, daß die Lage des lan wirthschaftlichen Mittel esitzes eine schlechte wäre, sei den Herren der Rechten nicht gelungen. Der Abg. von Minnigerode, dem man überhaupt diese ganze Diskussien verdanke, habe sich mit den Eisenacher Verhältnissen befaßt. In witziger Weise habe derselbe den Abg. Parisius einen Bauern genannt. Der Abg. Parisius aber habe den Verhandlungen als Reichstagsabge— ordneter des Eisenacher Kreises beigewohnt. Der Abg. von Minnigerode habe denn auch die Behauptung gewagt, daß das Programm der Fortschrittspartei den Geundsatz enthelte: Rühre nicht an die Börse! Vom Abg. Quadt der Unrich— tigkeit dieser Behauptung überführt, habe der Abg. von Minnigerode sich auf Aeußerungen des Abg. Richter im Reichetag bezogen. Derseltze habe dort die Forderung aufge— stellt: keine neuen Steuern; und doch für eine Zuckersteuer und Spiritussteuer plädirt. Aber weder hier noch im Reichstag sei diese Forderung erhoben Der Abg. Richter habe aus⸗ drücklich erklärt, er bewellige keine neuen Steuern, es sei denn, daß eine Entlastung von anderen drückengen Steuern durch dieselben herbeigeführt werden könnte. Diesen Zusatz habe der Abg. v. Minnigerode aus Opportunitätsrücksichten, oder darum, weil derselbe seiner gespannten Aufmerksamkeit entgangen sei, fortgelassen. Es sei die Behauptung aufgestellt, daß der mittlere Grundbesitz von dem Großgrundbesitz hier zu reden verbiete die Bescheidenheit überschuldet sei. Aber alle Versuche, diese Behauptung zu beweisen, seien gescheitert. Man habe sich auf die Berichte des Landes Oekonomiekollegiums bezogen. Aber wo von einer Verschuldung an der Spitze einer der Berichte die Rede sei, da sprächen im Folgenden die einzelnen Daten dagegen. 16 Berichte sprächen sich über die Lage der Landwirthschaft absolut günstig aus, 7 lauteten ungünstig. Ein Bericht falle aus, der aus dem Arnswalder Kreise, weil derselbe nicht zu gebrauchen sei. Der Abg. von Meyer könne natürlich nichts dafür, derselbe habe ihn ja nicht gemacht. Recht auffallend sei, daß im Generalbericht sich ein Passus befinde über den wohlthuenden pekuniären Einfluß des Großgrundbesitzes auf den Kleingrundbesitz. Merkwürdigerweise stehe auf der folgenden Seite eine Tavelle, aus der sich ergebe, daß überall, wo der Groß— grundbesitz dominire, der Kleingrundbesitz erheblich verschuldet fai, un das stimme auch mit seinen (des Redners) eigenen Bemerkungen überein, daß ein freier, tüchtiger Bauern— stand nur da vorhanden sei, wo der Großgrundbesitz nur eine untergeordnete Rolle spiele. Der Ahg. von Schorlemer habe dem Hause das Beispiel einiger Gemeinden vorgeführt, die sich in trauriger Lage befänden. Allein was beweise das? Er könne dem Hause gleichfalls einzelne Beispiele vorführen, die das direkte Gegentheil darthäten, und vielleicht hätten diese Beispiele etwas mehr Beweiskraft. Wenn Jemand ge— fragt werde, ob es ihm schlecht gehe, und es werde ihm zugleich angedeutet, er werde staatliche Unterstützung erlangen, wenn er die Frage bejahe, so werde derselbe so leicht nicht sagen, daß seine Lage eine günstige sei. Der Abg. von Meyer habe bei seinem heutigen Angriff auf den Freihandel sein Gewissen etwas leicht mit einer bedenklichen Theorie be— schwicht igt. In einem Punkte stimme er mit dem Abg. von Miyer überein, daß der Wollimport aus Australien die Schafzucht im Osten unmöglich gemacht habe. Wenn also Schutzzolle für die Landwirthschaft überhaupt eine Berech— tigung hätten, so verdiene eim Zoll auf Wolle Berücksichti⸗ gung. Man würde dann aber auch bald erkennen, was die gepriesene Einigkeit zwischen Landwirthschaft und Industrie zu besagen habe.

Der Abg. Büchtemann wandte sich gegen die Schutzzölle, gegen bas Steuerwesen und gegen die Differentialtarife. Die Einfuhr ber Cerealien habe nach den Zollberichten nicht ab⸗ sondern zugenommen. Die deutsche Landwirthschast sei eben nicht im Stande, für den eigenen Konsum genügend Getreide zu bauen. Der Zoll werde vom Inland getragen. Die beabsich— tigten Statistiken würden wohl auch darüber Klarheit geben. Ein Nothstand der Landwirthschaft sei von keiner Seite konstatirt, nur Schwierigkeiten, in welcher dieselbe sich be— finde, seien nachgewiesen. Die Beseitigung derselben werde in erster Linie von der Befähigung ihres Besitzers abhängen. Die Meinung des Ministers, daß die Bescitigung der Diffe— rentialtarife der Landwirthschaft Nutzen gebracht, könne er nicht theilen, da der Import sich hauptsächlich auf den Fluß— und Seewegen vollzehe. Er bitte, den Antrag des Abg. Rickert, den Tit. 4 an die Budgetkommission zu verweisen, anzunehmen..

Der Abg. Rickert wies es zurück, als ob er mit der Ein— führung der Zollpolitik in diese Debatte begonnen hätte. Ün— erklärlich set es ihm, daß der Minister, der' vor noch gar nicht so langer Zeit selbst Freihändler gewesen sei, feine, des Redners freihändlerische Anschauungen nicht verstehen möge. Das Einverständniß zwischen den Abgg. von Schor— lemer und von Minnigerode sei sehr bemerkens⸗ werth. Bezüglich des Eisengcher Bauernvereins erkläre er hier, daß er denselben nicht verläugnet, sondern ge—

sagt habe, die Liberalen hätten an der Gründung keinen Antheil, aber versprochen, den Verein nach Kräften zu fördern. Er hahe auch keine vermehrte Parzellirung der Domänen ver⸗ langt, wohl aber gefragt, warum der Erlös für Domänen⸗ veräußerungen sich im vorliegenden Etat um eine Million Mark niedriger stelle?

Die Diskussion wurde geschlossen.

Persönlich bemerkte der Abg. von Meyer-Arnswalde: Daß sein Charakter als Freihändler nicht bezweifelt werden könne, würde man sehen, wenn es sich um Aufhebung der Eisenzölle handeln würde.

Der Abg. Parisius erklärte, daß er sich schon mehriach mit landwirthschaftlichen Dingen befaßt habe, und den ironi— schen Namen „Bauer“ also nicht verdiene

Der Abg. Freiherr von Minnigerode bemerkte, wenn ihn der Abg. Rickert gewissermaßen mit dem Abg. Freiherrn von Schorlemer-Alst Arm in Arm gesehen habe, so erkläre er, daß sie beide in der Wahl eines Dritten in ihrer Begleitung sehr wählerisch sein würden. Nach weiteren persönlichen Be⸗ merkungen der Abgg. Frhr. von Schorlemer-Alst und Rickert wurden Titel J und 2 des Kaxitel 1 der Einnahme des Etats der Domänen genehmigt, der Antrag des Abg. Rickert und Tit 4 „Erträge aus Domänen-Grundstücken, Mühlen und Fischereien 4787 472 S“ an die Bunget— kommission zu verweisen, aber mit großer Majorität abge— lehnt. Tit. 4 angenommen.

Hierauf veriagte sich das Haus um Uhr auf Dienstag 11 Uhr.

Die in der gestrigen (7.) Sitzung bei der zweiten Berathung des Entwurss des Staatshaushalts-Etats für 18841865 nach dem Abg. Rickert von dem Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten, Dr. Lucius, ge— haltene Rede hatte folgenden Wortlaut

Der Hr. Abg. Rickert hat mir eine gewisse Objektivität nach= gerühmt in meinen Berichten und in meinen Aeußerungen hier im Hause. Ich kann dieses Kompliment nur mit. der Bitte erwidern, daß der Herr Vorredner sich bei seiner Beurtheilung landwir hschaft: licher Verhältnisse derselber Objektivität befleißigen möchte, und nicht

aus einer Thatsache, die eine erfreuliche und anerkennenswerthe ist,

ohne weiteres auf eine übermäßige Prosperität im Ganzen schließe. Die Ucbersicht über Lie Domaäͤnenverpachtung ergiebt allerdings in diesenm Jahre eine erhebliche Steigerung der Einnabmen; es würde aber unberechtigt sein, aus diesem einen Faktum sofort auf eine allgemeine Prosperität. der. Landmirthschaft im Allgemeinen zu schließen. Symptomatisch aber ist diese Uebersicht allerdings. wenn man sie mit der nöthigen Einschränkung und Ob— sektivität deutet. Der Domänenbesitz repräsentirt einen schuldenfreien Besitz und großentheils auch einen steuerfreien Besitz. Dieses Mo— men bitte ich im Gedächtniß zu behalten. Außerdem ist das Blühen der Lantwirthschaft noch nicht vollständig identisch, es deckt sich nicht völlig mit dem Blühen des Grundbesitzes überhaupt. Ein verschul—

der landwirthschaftlichen Einnahmen noch nicht von einer Stei— gerung seiner Einnahmen objektiv absolut, sprechen und diese Verhaͤltnisse sind es gerade, die bei der allgemeinen Diskussion über die Lage der landwirthschaftlichen Bevölke⸗ rung in allererster Linie erörtert und berüctsichtigt werden müfsen. In dieser Hinsicht befinden wir uns seit einigen Jahren in einer fortwährenden Enquéte, der ich nur allgemeines Interesse und jede Oeffentlichkeit wünschen kann. In diesem Frühjahr noch sind ja im Landesökonomiekollegium die bezüglichen Berichte der land⸗ wirthsaftlichen Vereine der ganzen Monarchie, die einen dicken Band füllen, erörtert worden unter Zuziehung von Fachleuten und ich kann nur den Herren, die sich für diese Frage interessiren, das eingehende Studium dieser verschiedenen Ber chte empfehlen. Diesen Berichten lege ich allerdings einen besonderen Werth bei, weil sie aus Kreisen bervor⸗ gehen von Landwirthen, die entweder als Pächter oder als Besitzer selbst wirthschaften, die also in unmittelbarer Fühlung mit dem landwirthschaft⸗ lichen Gewerbe stehen und ich glaube, in diesen Berichten werden Sie doch eine ganze Reihe von erheblichen und berechtigten Gravamina finden, die auch aktlve Maßnahmen von Seiten der Staatsregierung recht- fertigen und motiviren. Das kann Niemand behaupten und das habe ich auch nie behauptet, daß die Technik der Landwirthschaft irgend— wo im Rückganget in Deutschland wäre; ganz im Gegentheil; wir können mit Genugthuung konstatiren, daß die landwitshschastliche Technik in einein sehr wesentlichen und erheblichen Fortschreilen ist. Wir dürfen sogar ohne Ueberhebung sagen, daß die Blüthen der landwirthschaftlich - technischen Gewerbe, der Zuckerindustrie. der Spiritusindustrie, der Fabrikation von Stärke, der Fabcikation von Stärkezucker, auf der höchsten Stufe stehen, und in keinem anderen Lande Überfroffen werden. Wir können geradezu behaupten, daß in dieser Beziehung Deutschland die land— wirthschaftliche Hochschule Europas geworden ist, nach der Ange— hörige anderer Nationen hingehen, um ihre Studien zu machen, und die Erfahrungen von hier auf ihr Gebiet zu übertragen vielfach wahrscheinlich zu unserem Nachtheil und zur künftigen Konkurrenz. Wenn man das allerdings anerkennt, daß wir in der Technik der Landwirthschaft sehr bedeutende Fortschritte machen und gemacht haben, Hoffentlich auch noch weitere machen, so ist damit nur das, manifestirt, daß es der landwirthschartlichen Bevölkerung keineswegs an Strebsamkeit und Tüchtigkeit fehlt, um die Ungunst der Peoduktionsbedingungen, die uns Klima und Besitzverhaltnisse vielfach auferlegen, zu üͤberwindean. Aber das ist ja gerade die Grenze, wo die landwirthschaftliche Bevölkerung mit Recht sich beklagt hat in früheren Jahren, daß ihre Jateressen nicht die wirksame Vertretung, nicht die Aufmerksamkeit in der Gesetzgebung und von Seiten der Staatsregierung gefunden haben, die ihre Prosperität befördert wie andere Interessen, welche wir zu— sammen vertreten werden. Ich glaube, gerade die Erfahrungen der letzten Jahre bestätigen die Richtigkeit dieser Klagen. Seitdem wir einen gewissen rechtmäßigen Schutz nach dieser Richtung haben, seit⸗ dem die langjährigen Klagen über das Vorhandensein der Differen⸗ tialtarife in Bezug auf Eisenbahnfrachkten von Seiten der Staagts— regierung eingehend erörtert worden sind, seitdem können wir aller · dings von einer Besserung der Verhältnisse in verschiedenen Beziehungen sprechen, ohne damit zugeben zu müssen, daß nun die Staatsregierung die Hände in den Schoß legen könnte und meinen, es sei alles vortrefftich und die Landwirthschaft könne sich allein weiter helfen, ohne weiterer staagtlicher Fürsorge zu bedürfen.

Ich habe gesagt, die Domänen repräsentiren einen theilweise steuer⸗ freien und theilweise chuldenfreien Besitz. ö

Ferner ist der Stand der Domänenpächter vermöge der Prü— fung, die über die ökonomische Qualifikation stattfindet, ehe sie eine Domänenpachtung übernehmen können, ein solcher, daß dieser Stand allerdings das landwirthschaftliche Gewerbe repräsentirt in seiner prosperirendsten Lage. Die Domänenpächter . ein hinreichendes Betriebe kapital nachweisen, ehe sie eine Wirthschaft äber— nehmen können. Sie befinden sich also nicht in der Lage, in welcher sich „V0 der großen und kleinen Grund besitzer befinden, daß sie mit einem ungenügenden Betriebskapital an— fangen. Also insofern kann man die Lage der Staats⸗Domänenverwal⸗ tung dafür als typisch auffassen, daß die Landwirthschaft in ihrer vollkommensten Entwicklung, daß sie technisch im Fortschreiten be . griffen ist, und daß sie auch in der Lage ist, eine steigende Rente ab—⸗ zuwerfen. Dieser steigenden Rente des schuldenfreien Besitzes stehen aber nicht die steigenden Lasten gegenüber, mit welchen der Privat— besitzer, der große und kleine, zu wirthschaften hat. Wenn der Hr. Abg. Rickert, der sich für diese Verhältnisse zu intere siren scheint, gerade diese Berichte des Landesökonomiekollegtums durchlesen will,

so wird er vor allem drei Punkte finden, die in fast allen Berichten

als solche wiederkehren, über die sich die Landwirthe beklagen trotz der gesteigerten Domäneneinnabmen.

Der erste Grund, der überhaupt für e Rückgang der Land⸗ wirthschaft in fast allen Berichten angeführt wird, ist einer, der absolut zutreffend ist, der leider staats seilig nicht influirbar ist oder viel- mehr glücklicherweise, denn sonst würde die Staatsregierung für das Wetter, die guten und schlechten Ernten auch verantwortlich gemacht

nerden der erste Grund ist der Hinweis, daß eine Reihe von

mittelmäßigen und schlechten Ernten stittgefun den kat. Das ist unbe— dingt richtig, wir haben in den letzten zwei Jahren das Glück gehabt, einigermaßen bessere Ernten zu haben.

Die zweite fast in allen Berichten wiederkehrende Klage ist die, daß zwar die Produkte in etwas in ihren Preisen gestie gen sind, aber nicht in dem Verhälmiß, wie die Produktionskosten.

Das ist meines Erachtens ganz unwiderlegbar. Wenn Sie in die Details dieser Berichte gehen, was ich hier nicht thun kann,

werden Sie in Bezug auf diese Steigerung eine ganze Reihe solcher l 9

Momente finden.

Außerdem aber sind es auch die besten Ansprüche, die in Bezug auf das Leben berechtigterweise gemacht sind. Nach dem Jahre 1870 ist nach jeder Beziehung vielleicht eine zu große Steigerung ein⸗— getreten, die aber bei den äußerst niedrigen Lebensansprüchen, die die landwirthschaftliche Bevölkerung überhaupt macht, sich doch immer, nur noch in sehr mäßigen Grenzen bewegt, in solchen Ansprüchen, daß sie mit denen anderer Bevölkerungskreise kaum in eine Linie zu stellen sind. Trotzdem diese mäßige Steigerung der Lebensansprüche an den Lebensunterhalt, in Bezug auf die Kindererziehung und der⸗ gleicken wenig mehr verlangt, trotzdem ist diese Steigerung schon außer dem Verhälmiß zu den verbesserten Einnahme- und Besitzverhältnissen.

Dann kommt aber ein sehr weites und das gewichtigste Gebiet: die Klagen über die gestiegenen Staats, Kommunal-, Armen⸗- und Schullasten.

In dieser Beziehung werden Sie in den Berichten besonders aus Westfalen, aus Oberschlesien, aus der Provinz Hannover und theil⸗ weise, wenn ich nicht irre, auch aus Westpreußen eine Reihe von Thatsachen finden, wonach die Kommunallasten den Grundsteuer⸗ reikertrag nicht allein erreichen sondern auch vielleicht übersteigen. Die Klage über die übermäßige Aufbürdung von Schullasten ist auch eine häufig wiederkehrende, besonders aus Westfalen. Ich habe keinen Grund, die Wahrheit der dort angeführten Thatsachen zu bezweifeln, ich glaube damit auch nicht gewissermaßen einen Angriff gegen die Königliche Unterrichtsverwaltung zu richten, aber wenn diese Be— richte ricktig sind, muß ich allerdings konstatiren, daß die Ansprüche in Bezug auf Schulleistungen vielleicht über die Leistungsfähigkeit hinaus gehen. Die Ansprüche in Beziehung auf Schulbauten und Aus— stattung der Stellen sind derart, daß einzelne Fälle mir im Gedächt— niß geblieben sind, wo nach den sogenannten Normativbestimmungen, weil 80 Kinder schon einen Lehrer haben müssen, Schulhäuser erbaut worden sind, Stellen kreirt wurden, die heute noch leer stehen. Das ist angeblich in einzelnen Fällen gesch hen, und diese Anführung hier führt vielleicht dazu, daß amtlich der Sache weiter nachgegangen

mird, ob es begründet ist, daß ein Schul bau z. B. einer ländlichen Gemeinde

in Schlesien das sechs⸗ oder achtfache des Grundsteuerreinertrages des NR

gesammten Flurertrages verschlungen hat. Wenn diese Thatsachen richtig sind, glaube ich, liegt in ihnen allerdings die Motivirung von einer

19 2 * * 3M 14 * 2 56 8 11. 1 Sar ö gewissen Unzufriedenheit in ländlichen Kreisen, daß ihnen in Beziehung 9 ö 7

deter Grundbesitzer kann auch bei einer mäßigen relativen Steigerung guf Kommunal, un Schullasten Dinge zugemuthet werden, die ihre

Leistungsfähigkeit übersteigen. Ich sehe allerdings in diesen Dar— stellungen die ernsteste Aufforderung an die Königliche Staatsregierung, Fürsorge zu treffen, daß diese Leistungen auf das mögliche Maß redu⸗ zirt werden möchten.

Es ist hier wiederholt von Beseitigung der Grundsteuer und dergleichen mehr geredet worden. Ich glaube nicht, daß für die Finanzverwaltung eine Beseitigung, oder auch nur eine Reduktion der Grundsteuer im größeren Umfang möglich ist

Ich würde, wenu ich nicht als Staats-Minister, sondern lediglich als Advokat der landwirthschaftlichen In. eressen hier stände,

vielleicht soweit gehen, zu sagen, die Grundsteuereinschätzung ist in

einigen Bezirken der Monarchie decart, daß ich zweifelhaft bin, ob sie richtig gegriffen ist, ob nicht in einigen Bezirken eine Revision der Grundsteuer angezeigt wäre. Das würde ich ohne Weiteres zu⸗ geben. Dagegen glaube ich allerdings, daß eine Regierung mit vollem Recht gegenüber dieser Steigerung der Kommunallasten diesen berechtigten Klagen gegenüber eine Steuerreform auf ihr Programm setzen kann, die es ermöglicht, auf einen Theil der Grund⸗ und Ge⸗ bäudesteuer zu Gunsten der belasteten Kommunen zu verzichten. Das ist eine Forderung, die sich durchaus vertheidigen läßt.

Als etwas, was unbedingt der Abstellung bedarf, würde ich das an⸗ führen, daß wenigstens die Grund- und Gebäudesteuer nicht zum alleinigen Maßstab der Repartition der Kommunallasten genommen wird. In dieser Beziehung finden Sie in einem Berichte, wenn ich nicht irre. aus einem westfälischen Kreise, die Thatsache angeführt, daß die Zu⸗ schläge zur Grund⸗ und Gebäudesteuer bei einem ländlichen Grund⸗ besitzer, der sich jedenfalls noch in den Grenzen eines bäuerlichen Besitzes bewegt, das Zwölffache des Klassensteuerertrages darstellen. Dabei wird erwähnt, daß dieser Grundbesitzer mit einer erheb⸗ lichen Schuldenlast belastet wäre. Folgende Gegenüberstellung ist ganz unbeweisbar: Derjenige, der aus Kapitalvermögen eine Rente von 1200 S hat, bezahlt nur Klassensteuer davon; der Bauerngutsbesitzer, der dieselbe Rente aus Grundbesitz hat, bezahlt außerdem die Grund und Gebäudesteuer, dann noch die Zuschläge davon, die das Maß seiner Leistungsfähigkeit überschreiten. Ich würde also glauben, die Regierung und die landwirthschaftliche Verwaltung steht durchaus auf gesundemn Boden, wenn sie sagt: das sind Verhältnifse, die die ernsteste Aufmerksamkeit der Regierung in Anspruch nehmen und die zu einer Abhülfe dringend mahnen, und ich bin gewiß, daß die Regierung, wenn sie mit einer entsprechenden Vorlage an die hohen Häuser des Landtages treten wird, auch eine allseitige Unterstützung finden wird, auch aus den zustimmenden Aeußerungen des Abg. Rickert eatnehme ich, daß er in diesem Punkte auf Seiten der Regierung stehen wird.

Der Hr. Abg. Rickert hat dann seine Enttäuschung ausge sprochen, daß nach dem Uebergang der Domänenverwaltung auf das landwirthschaftliche Migisterium nicht in größerem Umfang, wie ich seine Worte deute, mit Parzellirung und Verkauf von Grund⸗ stücken vorgegangen ist. Ich muß ja natürlich das Urtheil darüber, wie weit sich die Uebertragung dieses Verwaltungszweiges auf das land wirthschaftliche Ministerium bewährt bat, anderen Herren überlassen; ich würde aber doch glauben, daß die Domänenverwaltung bei dem Uebergang nicht verloren hat, weder nach fiskalischer Seite, noch nach der wesentlich volkswirthschaftlichen Seite. Das landwirthschaftliche Ministerium ist früher ohne eine eigene Verwaltung eigentlich ein Ministerinn ohne Hände und Füße gewesen, ohne eigene Organe der Thätigkeit. Erst durch die eigene Verwaltung wird der land wirthschaftliche Minister, mag er heißen wie er will, auf dem Laufenden erhalten über die Verhältnisse der Landwirthschaft und des Grundbesitzes. Keine Parzelle wird verkauft oder verpachtet, keine Stundung tritt ein, kein Pabterlaß, ohne daß der landwirthschaft— liche Minister diefer jetzigen Organisation unmittelbare Kenntniß davon erhalten und ohne, daß er in die Lage gesetzt wird, soweit seine Krafte reichen, Abbülfe werden zu lassen. Es versteht sich ganz von selbst, daß jeder Minister, ob es der Finanz Minister oder land wirthschaftliche Minister ist, daß er diesen wertbvollen Domänenbesitz. der doch die angenthme Summe von rund 30 Milltonen Mark Reinertrag bringt denn die landwirthschaftliche Verwaltung kostet nur ein Minimum, also die ganze Einnahme auf diesem Gebiete sind so zu sagen Netto -Einnahmen daß der Minister dieses Objekt gewissenhaft wahrnehmen wird, versteht sich von selbst. Er ist aber sehr wohl in der Lage, trotzdem die Verhältnisse mehr individuell zu behandeln, er ist in der Lage bei den Verpach⸗ tungen der Parzellen sehr wohl wirthschaftliche Rücksichten zu nehmen auf die Distrikte, in welchen die Parzellen liegen, und wenn ich auch nicht persönlich dozu neige, oder es für zweckmäßig halten würde, diesen werthvollen Besitz zu veräußern, wenn ich vielmehr der Mei⸗

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