stimmung ihrer definitive Abstimmung keineswegs präju⸗ diziren.
Der Abg. Dr. Windthorst erklärte im Namen seiner poli⸗ tischen Freunde sich für Ueberweisurg des Antrags in die Kommission. Eine Bitte habe er aber an die Herren Ver⸗ treter von Berlin, ob sie rechts oder links säßen. Die Bitte gehe dahin, doch in die Verhandlungen hier nicht immer die Berliner Kommunalwverbältnisse hereinzuziehen; damit werde ür Berlin weder eine Ansehenserhöhung bezweckt, noch seien die Aeußerungen dazu angethan, besondere Sympathien für Berlin zu erwecken.
Der Abg. von Benda erklärte, der Standpunkt, den seine Partei zu der Frage einnehme, sei im Juni von seinem Kol⸗ legen Hobrecht ganz genau auseinandergesetzt worden, darum könne er sich mit der Erklärung begnügen, daß seine Partei der Meinung sei, der Antrag könne nur in kommissarischer Berathung in richtiger Weise behandelt werden.
Die Diskussion wurde geschlossen.
Zu einer persönlichen Bemerkung erhielt das Wort der Abg. Büchtemann, welcher sich gegen die Anspielungen des Abg. Cremer in Bezug auf seine Thätigkeit als Eisenbahn— Direktor verwahrte.
Der Abg. Ludwig Löwe wandte sich persönlich gegen den Abg. Cremer. Mit dem Ausdruck „vaterlandslose Räuber⸗ gesellschaft“ habe er solche Leute gemeint, die sich als be⸗ zahlte Subjekte für die Wahl hätten gebrauchen lassen. Na— men solcher Leute sei er gern bereit, respektablen Mitgliedern der Gegenpartei mitzutheilen. Ganz entschieden müsse er er— klären, daß er zu der englischen Gasgesellschaft nie in einer Beziehung gestanden habe. Auch er bedauere, daß die Ber⸗ liner Lokalverhältnisse hier berührt seien. Den Anfang habe aber am 6. der Minister von Puttkamer gemacht.
Der Abg. Cremer bemerkte, die Angriffe seien nicht von der Rechten, sondern von der Linken begonnen worden. Er habe nur mit der nöthigen Schärfe geantwortet. Die Insinuationen gegen seine Person hier zu beantworten, darauf wolle er verzichten. Eine Aeußerung über des Abg. Löwe Beziehungen zur englischen Gasgesellschaft habe er nie gethan.
Der Abg. Freiherr von Minnigerode bemerkte dem Abg. Löwe, daß es auf seiner Seite keinen Unterschied von „respektablen“ und nicht respektablen Mitgliedern gebe.
Der Abg. Cremer erwiderte dem Abg. Büchtemann, daß man es in Charlottenburg und Steglitz auf den Dächern pfeife, daß der Abgeordnete seine Siellung als Eisenbahn— Direktor zu Wahlbeeinflussungen benutzt habe. Das beweise auch das konservative Wahlresultat, seitdem der Abg. Büchte⸗ mann nicht mehr Direktor der Potsdamer Eisenbahn sei.
Der Abg. Dr. Virchow, der als Mitantragsteller das Schlußwort erhielt, bestritt, daß die Auflösung der Berliner Stadtverordnetenversammlung mit dem 8. 79 Ter Städte— ordnung vereinbar sei. Die Königliche Kabinetsordre vom 23. April d. J., betreffend die Auflösung der Stadtverordne— tenversammlung, verstoße in ihrem Inhalt gegen die aus— drücklichen Vorschriften der Städteordnung. Dort sei sofortige Auflösung vorgeschrieben, daher eine längere Frist zwischen dem Erlaß der Ordre und der Auflösung der Versammlung nicht gestattet; ferner sei bestimmt, daß die neu zu wählende Versammlung in denselben Wahlbezirken zu wählen sei, wie die frühere; es sei also auch eine Aenderung der Wahl— bezirke unzulässig. Es liege in dem Vorgehen der Regierung lediglich ein ganz willkürlicher Akt der Exekutive, der nicht nach den Gesetzen berechtigt gewesen sei. Sein Rechtsgefühl zwinge ihn, jetzt, nachdem vollendete Thatsachen einmal geschaffen seien, wenigstens einen Weg zu suchen, wie künftig ähnliche Ungesetzlichkeiten vermieden werden könnten. Ein konfervativer Gedanke sei die Berechtigung der Regierung zur Auflösung der Stadtverordnetenversammlung gewiß nicht. Die Rechte beklage sich, daß die Linke die Berliner Beschwerden hier im Hause vorbringe. Gebe es denn aber überhaupt einen Ort, wo man sonst noch vor dem Lande über derartige Un⸗ gesetzlichkeiten der Regierung klagen könne? Der Minister von Puttkamer sei unter dem Vorwande der Gerechtigkeit in das Gesetz eingedrungen, unzweifelhaft, weil derselbe nebenbei gehofft habe, in die Berliner Stadtverordneten versammlung einen wesentlichen Bruch zu bringen, den der Abg. Cremer jetzt als eine Wohlthat preise. Die Initiative dabei habe die sogenannte konservative Partei in der Stadt gehabt. Auch in der früheren Stadtverordnetenversammlung sei erörtert worden, wie man wohl die unzweckmäßige Eintheilung der Wahlbezirke ändern könne; aber solche Eile habe das nicht gehabt, und er habe die Empfindung, daß die unliebsamen Urtheile, welche von Seiten der höchsistehenden Männer der Regierung in Bezug auf die Stadt geäußert seien, die Angriffe auf die Miethssteuer, die Kanalisation, alle Einzelheiten der Verwaltung, daß diese Angriffe in der That eine zusammenhängende Kette bildeten, an der sich die Regierung allmählich fortbewegt habe, bis sie zu dem wunderbaren Entschluß gekommen sei, der in der endlichen Auflösung der Stadtvomerordnetenversammlung gereift sei. Vielleicht werde noch der Richter darüber ent⸗ scheiden müssen, ob die neue Versammlung zu Recht bestehe. Nur ein ganz rabigter Vertheidiger der Krone könne wün⸗ schen, daß eine Versammlung bestehe, die gegen das Gesetz zu Stande gekommen sei. An der Heftigkeit des Wahlkampfes sei hauptsächlich der Minister von Putt— kamer schuld; die Beamten desselben hätten die Neuwahl für einen Kampf gegen die alten Stadtvmrordneten gehalten, und sogar mit den Sozialdemokraten geslimmt. Wie stimme das mit dem Sozialistengesetz, und werde den Sozialdemokraten bei politischen Wahlen dieselbe Freiheit gelassen? Man nehme die Sozialdemokraten in Schutz, wo man sie brauche, sonst bekämpfe man sie. Er beantrage schließlich, die Kommission um sieben Mitglieder zu verstärken, da es sich um einen Gegenstand von so großer Tragweite handele.
Hierauf ergriff der Vize⸗Präsident des Staats-Ministeriums, Staats Minister von Puttkamer das Wort:
Ich bedauere sehr, daß ich durch einzelne Ausführungen des Herrn Vorredners genöthigt bin, von meinem Vorrecht, zu jeder Zeit das Wort zu nehmen, Gebrauch zu machen und die Debatte auf diese Weise wieder zu eröffnen. Ich habe mich nur gegen zwei Theile der Ausführungen des Hrn. Abg. Dr. Virchow zu wenden.
Er hat heute wiederholt die Behauptung aufgestellt — und ich mache darauf aufmerksam, ohne den Schatten eines thatsächlichen Nachweises zu erbringen — die Thatsache, daß eine Anzahl von Be⸗ amten gegen seine Freunde bei den Stadtverordnetenwahlen gestimmt kaben, sei doch wohl auf einen Druck von Seiten ihrer vorgesetzten Behörden zurückzuführen. In Zusammenbang mit der Reulich von ihm gemachten Aeußerung, daß die Schutzmannschaft kolonnen⸗ weise zur Wahl angetreten sei, glaube ich annehmen zu müssen, daß er hierbei vorzugsweise das biesige Polizei ⸗Präsidium gemeint habe. Es liegt mir im Interesse der öffentlichen Ordnung und Moral daran, hiergegen den ganz entschiedensten Widerspruch zu erbeben. Weil ja doch schließlich in dem Munde eines Herrn, wie
es der Hr. Dr. Virchow ist, jeder Vorwurf ein gewisses Gewicht hat, habe ich auf Grund und in — seiner neulichen Aeußerung Ver⸗ anlassung genommen, den Herrn Pelitzei⸗Präsidenten ausdrüdlich danach zu befragen, ob irgend ein greifbarer Anhalt dafür zorliege, daß der geäußerte Verdacht für begründet zu erachten sei. Der bat mir darauf in der positivsten Weise versichert, daß die einzige That - sache amtlich und nichtamtlich, die in dieser Bezi hung vorläge, ein Tagesbefehl des Pelizei⸗Obersten sei, wonach die Schutzmannschaft für bestimmte Siunden am Wabltage behufs Einhaltung der Aus⸗ übung ihres Wahlrechts dienstfrei gestellt werde. Alles andere ist abfolut erfunden, und die Gewährsmänner des Hrn. Dr. Virchow haben ihn falsch berichtet, wenn sie ibm gesagt haben, daß irgend eine Direktive angegeben sei von Seiten der vorgesetzten Behörde, die auf die Abstimmung einwirken könnte. Es hat sich auch Niemand um die Abstimmung der Beamten gekümmert, weil wir der Meinung gewesen sind, daß, wenn sie ihr Wahlrecht bei den Kommunalwahlen ausüben, sie mögen stimmen wie sie wollen, sich in der Ausübung ihres guten Rechts befinden, und daß die vorgesetzte Behörde keineswegs dazu berufen ist, Mahnungen zu ertheilen, oder eine Kontrole darüber auszuüben, wie die Wahl stattgefunden hat.
Der Hr. Abg. Dr. Virchow ging aber, und hiermit komme ich auf den zweiten Theil seiner Ausführung, noch einen Schritt weiter und gab zu verstehen, die Regierung hätte wohl hier einen ganz ent⸗ schiedenen Pakt mit der Sozialdemokratie geschlossen, indem sie mit verschränkten Armen gesehen habe, daß von einer Anzabl von Staats—⸗ beamten — ich weiß nicht ob sogleich oder bei den Stich wahlen für Mitglie⸗ der der sogenannten Arbeiterpartei gestimmt worden sei. Daran wurde die Bemerkung geknüpft, es sei sonderbar, daß, während auf politischem Gebiet die Sozialdemokratie verfolgt und ihr Wahlrecht verkümmert werde, man bei der Kommunalbewegung der sogenannten Arbeiter- partei vollkommen freie Hand gelassen habe. Ich kann dem Hrn. Abg. Dr. Virchew bierfür eine sehr einfache Erklärung geben. Die Regierung hat den Wunsch, genau nach dem Gesetze zu verfahren. Wer giebt uns denn das Recht, wenn hier bei den Kommunalwablen, sagen wir einmal, der vierte Stand sich zusammenthut und ganz be⸗ stimmte Beschwerden vorzubringen hat — wer giebt uns denn das Recht, solche Leute unter die Ss, 1 und 9 des Sozialistengesetzes zu subsummiren? Will der Abg. Dr. Virchow die Ver⸗ antwortung dafür übernehmen? Nein, wir haben nur denjenigen Strömungen innerhalb der sozialdemokratischen Be—⸗ wegung entgegen zu kreten, welche in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise auf, den Umsturz der bestebenden Staats oder Gesellschafts ordnung gerichtet sind. Der Hr. Abg. Pr, Virchow möge erst den Beweis führen, daß die Arbeiterpartei bei dieser Wabl⸗ bewegung irgend eiwas gethan oder geäußert hat, welches uns zu der Vermuthung Recht giebt, sie habe Bestrebungen der soeben charakteri⸗ sirten, unter das Sozialistengesetz fallenden Art verfolgt,
Der Hr. Abg. Br. Virchow' scheint es mit der Pflicht der Be⸗ hörden, die Gesetze zu beobachten, in diesem Falle überaus leicht zu nebmen, während er sonst immer der Erste ist, die Regierung in dieser Beziehung auf ihre Pflichten aufmerksam zu wachen. Ich hitte ihn, bevor er folche Andeutungen macht, sich das etwas näher zu überlegen und namentlich die Reichsgesetze etwas eingehender zu studiren; dann wird er finden, daß das Verhalten der Behörden auf diesem Gebiete nicht nur ein korrektes, sondern durchaus gebotenes gewesen ist.
Ein Antrag, die durch die Rede des Ministers wieder⸗ eröffnete Debatte zu schließen, wurde abgelehnt, und es erhielt das Wort der Abg. Dr. Virchow. Derselbe erklärte, was der Minister ihm vorwerfe, sei unzutreffend. Er verlange nur, daß der Minister von Puttkamer seine Organe nicht zu einer bestimmten Zeit das Gegentheil von dem thun lasse, was sie zu einer anderen Periode thäten. Die Arbeiterpartei habe in Berlin Flugblätter vertheilen lassen, über deren sozialistische Tendenz der Minister von Puttkamer nicht habe zweifelhaft sein können. Diese Flugblätter habe die Polizei erst nach der Wahl konfiszirt, als sie bereits gewirkt gehabt hätten. Er wisse ja nicht, ob jene Schutzleute, die erwähnt seien, Anti⸗ semiten oder Sozialdemokraten gewesen seien oder nicht. Aber es seien nur zwei Möglichkeiten denkbar: Entweder seien die Beamten, welche erst für die Bürgerpartei, dann für die So—⸗ zialisten gestimmt hätten, in sozialistischem Sinne umgestimmt, oder aber von ihren Vorgesetzten beeinflußt. Beides wäre gleich bedauerlich. Die juristische Seite der Sache habe der Minister von Puttkamer leider ganz unberührt gelassen.
Demnächst nahm der Staats-Minister von Puttkamer das Wort:
Ja, für mich ist unn eben die andere Seite die wichtigere, die⸗ jenige, welche sich auf die Angriffe bezieht, die der Abgeordnete Virchow auf die hiesigen Behörden und deren Thätigkeit während des letztverflossenen Wahlkampfes gerichtet hat.
Er hat an die Reihe seiner von mir widerlegten unrichtigen Be— merkungen eine neue unrichtige Thatsache geknüpft, und damit wahr⸗ scheinlich geglaubt, das Gewicht der ersten zu verstärken. Er hat ganz pofitiv erklart, die Polizei habe während des Wahlkampfes die Flug⸗ blätter der Arbeiterpartei nicht unterdrückt, während sie, nachdem der Wahlkampf vorbei gewesen sei, also die Flugblätter ihre Schuldigkeit gethan hätten, dann sofort zugesprungen wäre, und die demnächst er schienenen unterdrückt habe. Meine Herren! Es ist jedes einzelne von jener Partei während des Wahlkampfes erschienene Flugblatt auf die Frage hin, ob es gesetzlich zulaͤssig sei, dasselbe nach den grundlegenden Bestimmungen des Sozialistengesetzes mit Beschlag zu belegen, durch Justitiarien des Polizei⸗Präsidiums geprüft worden. In denjenigen Fällen, wo diese Frage bat vereint werden müssen, hat man die Flug⸗
lätter unbeanstandet erscheinen und verbreiten lassen, und in den⸗ jenigen Fällen, wo man geglaubt hat, sie beschlagnahmen zu müssen, sind sie mit Beschlag belegt worden. Das ist die einfache geschicht⸗ liche Thbatfache. Ich konstatire von Neuem, daß in dieser Beziehung die Behauptungen des Abg. Virchow unrichtig sind.
Ich will demselben noch etwas mittheilen, was ja in den Kreis dieser Betrachtungen gehört. Ich babe allerdings, nachdem der Hr. Abg. Virchow die für mich bisher unbekannte und auch indifferente That⸗ sache angeführt hatte, daß in einem Kreise Schutzleute für die Arbeiter partei gestimmt haben, den Hrn. Polizei ⸗Oberst Herquet zu mir bitten lassen und ihn über diesen Punkt befragt. Er hat mir zu— nächst — was ich übrigens von vornherein für bemerkenswerth gehalten habe — erklärt, daß von seiner Seite keinerlei Einwirkung auf seine Untergebenen stattgefunden habe, sodann hat er mir mit—⸗
etheilt, wie es ihm zu Ohren gekommen sei, daß in einzelnen Fällen bei einer Wahl bedauerlicher Weise der eine oder andere Schutzmann für den Kandidaten der Arbeiterpartei, nicht der Sozialisten gestimmt babe — ich trenne diese beiden Begriffe Arbeiter und Sozialdemokrat vollständig von einander. — Auf meine Bemerkung, daß dies doch höchst auffallend sei und was sich diese Leute dabei gedacht baben mögen, sagte er mir, nach seiner Meinung hätten diese Beamten, die doch ibr Wahlrecht hätten ausüben wollen, in einer Zwangslage gesteckt und wären mit Rücksicht auf den Cbarakter und die ganze Art der biesigen Kommunalbewegung dazu gelangt, die Bestrebungen der Arbeiterpartei auf diesem Felde für weniger bedenklich zu halten, als die der Fortschrittspartei, So ist der einfache Sachverhalt, an dem ich meinerseits eine Kritik zu üben keine Veranlassung habe.
Der Abg. Frhr. von Minnigerode erklärte, er müsse dem Antrage auf Verstärkung der Gemeindekommission wider⸗ sprechen, da er die Kommission in ihrer jetzigen Stärke für völlig ausreichend halte. Er glaube außerdem, daß der Abg. Virchow, wie neulich der Abg. Richter, das Schlußwort in einer den Verhältnissen nicht entsprechenden Weise benutzt habe. Wenn dem Antragsteller durch das Schlußwort schon ein privilegirter Platz eingeräumt worden sei, so wäre doch zu wünschen, daß derselbe diese Gelegenheit nicht dazu benutze, neue polemische Elemente einzumengen, auf die entweder eine
Replik nicht möglich sei, oder die zu einer unliebsamen Ver⸗ längerung der Debatte führen müsse.
Der Abg. Büchtemann bemeckte, der Abg. von Minnigerode verwechsele offenbar Antragsteller und Berichterstatter. Der Antragsteller habe das Recht, im Schlußwort sich gegen alle Angriffe zu vertheidigen, und der Abg. Virchow sei überhaupt erst deshalb auf gewisse Dinge näher eingegangen, weil der Minister sich bisher noch gar nicht geäußert habe. Die Aeußerungen des Abg. Virchow über das Verhalten der Polizei
egenüber den Wablflugblättern beruhten durchaus auf
ahrheit. Die Wahlflugblätter der Arbeiterpartei hätten einen entschieden sozialistischen Charakter getragen und von einem Wahlflugblatt wisse er bestimmt, daß es schon einige Tage vor der Wahl verbreitet gewesen sei, und daß erst seine zweite Auflage am Tage der Wahl konfiszirt sei. Daß eine direkte Wahlbeeinflussung auf die Beamten Seitens. der Vorgesetzten stattgefunden habe, sei durchaus nicht noth⸗ wendig. Die Schutzleute hätten ganz gut wissen müssen, wie sie zu wählen hätten, nachdem der Minister von Puttkamer im Hause erzählt habe, was denjenigen Beamten bevor⸗ stehe, die eine oppositionelle Stellung gegenüber der Regierung einnähmen. Gegen die Vorwürfe, welche man gegen die Berliner Einschätzungskommission erhoben habe, lege auch er entschiedene Verwahrung ein.
Der Abg. Dr. Windthorst betonte, man sei nun doch wieder mitten in diese Berliner Dinge hineingerathen. Mit der Ansicht des Abg. von Minnigerode über das Schlußwort sei er nicht einverstanden. Welche Bedeutung sollte das Schlußwort überhaupt für den Antragsteller haben, wenn derselbe sich nicht darin generell über die ganze Materie der Diskussion verbreiten könnte? Er sei ferner gewiß kein So—⸗ zialist; aber wenn die Arbeiterpartei, sei sie sozialistisch oder nicht, in den Kommunalwahlen auftrete, und sich dabei ganz auf den Boden der Reformen begebe, und den Boden der Gewalt verlasse, so sei das nur erjreulich und ein enormer Fortschritt. Er sei daher erstaunt, daß die Herren vom Fort⸗ schritt heute die Polizei angerufen und sich darüber beklagt hätten, daß dieser Arbeiterpartei, die sich auf den Weg der Reform begeben habe, nicht entgegengetreten worden sei.
Der Abg. Frhr. von Hammerstein erklärte, die Handhabung des Schlußworts müsse diskret sein, und könne er sich hier dem; Vorredner nicht anschließen. Auch er sei aber erstaunt, daß die Fortschriitspartei sich beschwert habe, daß die Polizei der Arbeiterpartei nicht entgegengetreten sei, welche in der Ber— liner Wahlbewegung nur ihre berechtigten Bestrebungen ver⸗ folgt habe, und dabei mindestens ebenso taktvoll gewesen sei, als eine der anderen streitenden Parteien. Die Fortschritts⸗ partei merke eben, daß in dem Moment, wo die Arbeiterpartei fich von umstürzlerischen Zielen loslöse und sich auf die Bahn der Reformbewegung begebe, eine Vereinigung der Gegensäãtze zwischen Fortschritt und Arbeiterpartei absolut unmöglich ge⸗ worden sei. Daher der heutige Angriff. Man werde der Fortschrittspartei das noch gedenken.
Der Abg. Dr. Virchow bemerkte, die Abgg. Windthorst und von Hammerstein hätten ihn mißverstanden. Darüber, daß die Sozialisten in den Kommunalwahlen aufgetreten seien, habe er nicht geklagt; er wolle im Gegentheil, es möge ihnen dieselbe Freiheit auch bei den politischen Wahlen gewährt werden. Er habe nur sich über das so ganz willkürliche, ein⸗ seitige und gefährliche Vorgehen der Regierung beschwert, welche dieselben Dinge heute für unzulässig, morgen für zu⸗ lässig ansehe. Auch er freue sich, wenn die revolutionäre Be⸗ wegung der Sozialdemokratie mehr und mehr eine Reform⸗ bewegung werde. Er selbst habe erst in voriger Woche dies in einer Versammlung hier erörtert. Er habe nicht den Schutz der Polizei een die Sozialdemokraten angerufen, viel⸗ mehr nur hervorgehoben, daß Sozialisten und Polizei ge⸗ ö worden seien, um gegen die Fortschrittspartei ins Feld zu ziehen.
Auf eine Anfrage des Abg. Rickert zur Geschäftsordnung, wie der Präsident die Frage des Schlußworts des Antrag⸗ stellers handhaben werde, erklärte der Präsident von Köller: Die Geschäftsordnung sage: „Antragsteller und Berichterstatter erhielten, wenn sie es verlangten, das Wort sowohl am Be⸗ ginn wie am Schluß der Diekussion.“ Sie ständen daher beide Male ebenso da wie jeder andere Redner. Wofern sie sich zur Sache hielten, könne er sie nicht unterbrechen.
Der Abg. Dr. Windthorst blieb dabei, daß die Herren von der Fortschrittspartei die Polizei gegen die Arbeiterpartei an⸗ en e hätten. Der Minister habe gesagt, daß das Polizei⸗
räsidium die betreffenden Flugblätter geprüft und danach ihre Statthaftigkeit beurtheilt habe. Die Polizei 6 also die be⸗ stehenden Gesetze benigne interpretirt zu Gunsten der Arbeiter⸗ partei und im Sinne derer, welche das Sozialistengesetz be⸗ jchränkt haben wollten. Diese Konsequenz habe der Abg. Virchow wahrscheinlich übersehen. Man müͤsse gegenüber der immensen und bedeutungsvollen Arbeiterbewegung sehr vor⸗ sichtig sein und allen berechtigten Ansprüchen überall entgegen⸗ kommen, so lange sich die Arbeiter in den Grenzen der Gesetze hielten. Nur wo ihre Ziele revolutionär würden, müsse man ihnen entgegentreten.
Hierauf nahm wiederum der Staats-Minister Puttkamer das Wort:
Zur Vermeidung und Verhütung jedes Mißverständnisses über die Thätigkeit der Polizei auf diesem Gebiete erkläre ich ausdrücklich, daß von einer Interpretation benigne keine Rede ist, sondern die Justitiarien des Polizei Präsidiums, welchen es obliegt, auf diesem Ge⸗ Fiete Beirath zu ertheiken, haben, durchdrungen von der Schwere der Verantwortung, die den Behörden das ,, , . auferlegt, ge⸗ prüft, ob der Inhalt der betreffenden Flugblätter objektiv geeignet war, zu einer Konfiszirung auf Grund des Sozialistengesetzes Anlaß zu geben. Das ist bei einzelnen Flugblättern verneint, bei anderen bejaht worden, und wenn ich in der letzten Rede des Hrn. Abg. Büchtemann über ein ganz bestimmtes Flugblatt, welches man, wie er meint, wegen der Wahlbewegung habe passiren lassen und dann nach Abschluß der Wahlbewegung erst konfiszirt habe, so erkläre ich diese mir sehr bekannte Thatsache ganz einfach dadurch, daß die Polizei in Beziehung auf den Inhalt dieses Flugblattes durch den aufgedruckten Kopf getäuscht worden ist, welcher genau überein⸗ stimmte mit einem Flugblatte anderen Inhalts. (Große Unrube links) Ja, meine Herren, wollen Sie das nicht anhören, oder wollen Sie es hören? (Glocke des Präsidenten) — daß die = , e. also erst nachträglich erkannte, daß ein Anlaß zum Einschreiten vorlag. Das ist der einfache Vorgang, der mir sofort amtlich berichtet wurde. Alfo es liegt in dieser Beziehung kein Grund vor, irgend einen Mangel an bona fides bei dem Verfahren der Polizeibehörde iu bebaupten. Ich bin der Meinung, daß wir nicht das Recht hatten, der sogenannten Arbeiterpartei in ihrer legitimen Thätigkeit in Bezug auf diese Kommunalwahl mit der Schärfe des Sozialistengesetzes ent= gegenzutreten. Wir wurden uns dadurch einer flagranten Gesetzes. verletzung schuldig gemacht haben. Im Uebrigen muß ich dem, was in dlefer Hinsicht don Hrn. Abg. Windthorst gegenuber dem Hrn. Pr. Virchow gesagt ift, vollkommen beistimmen. Es lag allerdings
von
in den Ausführungen des Hrn. Abg. Virchow eine Kritik der Polizei nach der Richtung bin, daß fi im vorliegenden Falle gegenüber der Arbeiterpartei ibre Schuldigkeit nicht gethan babe. Das ist voll⸗ kommen unrichtig. Wir baben ganz genau bei jeder einzelnen Ma— nifestation der Arbeiterpartei in ihren Verhandlungen sowohl wie in ibren Flugblättern geprüft, ob sie das Terrain der objektiven und ruhigen Wahlbewegung verlassen, und soweit wir uns davon über ⸗ zeugen mußten, daß dies nicht gescheben sei, haben wir uns nicht für berechtigt gehalten, ihr das mindeste Hinderniß in den Weg zu legen. Ich werde auch künftig in allen äbnlichen Fällen nicht blos selbst so verfahren, sondern auch den Herrn Polizei- Präsidenten ersuchen, die ganz richtige Linie, die er sich für seine Thätigkeit vorgezeichnet hat, nicht zu verlassen.
Der Abg. Frhr. von Minnigerode erklärte, die Fort⸗ schrittspartei könne nicht leugnen, daß sie die Beschränkung der Agitation der Arbeiterpartei bei den Berliner Kommunal⸗ wahlen lebhaft gewünscht habe. Wenn fie die Konfiskation der Broschüren verlangt habe, so sei das eben ein eminenter Appell des Fortschritts an die Polizei. Vorher hätten sich die Herren ja auch recht gern alle Konsequenzen des Sozialisten⸗ gesetzes gefallen lassen. Es hohe sich in Berlin um kom⸗ munale Zwecke gehandelt, während das Sozialistengesetz allgemeine politische Zwecke verfolge. Die Linke müßte sich mit der Rechten nur freuen, wenn die Arbeiter die Umsturz⸗ bestrebungen verließen, um im Hause auf praktischem Boden zusammenzuwirken.
Der Abg. Dr. Hänel bemerkte, der Vorredner habe soeben, beinahe wörtlich, eine Rede produzirt, welche der Abg. Virchow vor acht Tagen in einer Berliner Versammlung gehalten habe. Auch er begrüße es mit Freuden, daß die Arbeiterpartei bei den Kommunalwahlen sich auf den Boden der realen Politik gestellt habe. Der Abg. von Minnigerode könne also einen Gedanken Virchows schwerlich zu einer Polemik gegen die Fortschrittspartei benutzen. Er finde es unbegreiflich, wie die Beamten im Polizei⸗Präsidium nur den Kopf der Flugblä ter lesen und sich dadurch hätten täuschen lassen können; sie hätten doch natürlich den ganzen Wortlaut lesen müssen. Thatsache bleibe es, daß Flugblätter erst nach den Wahlen konfiszirt seien, vorher aber hätten ruhig erscheinen dürfen. Diese un⸗ gleichmäßige Handhabung der Gesetze bekämpfe er. Der Abg. Windthorst möge, wenn es sich um die Verlängerung des Sozialistengesetzes handele, mit Thaten seinen heutigen Stand⸗ punkt zum Sozialistengesetz festhalten!
Demnächst ergriff nochmals der Staats-Minister von Puttkamer das Wort: ;
Ich wollte nur dem Hrn. Abg. Dr. Hänel sagen, daß die Juristen des Polijzei⸗Präsidiums auch zu den Leuten gehören, die Keinen hängen, sie hätten ihn denn zuvor. Diejenigen Organe der Polizei, welche Sie als folche bezeichnet baben, die durch den äußeren Anschein der betreffenden Flugblätter getäuscht worden sind, sind Bzamte, welche auf den Straßen die Blätter in Beschlag genommen haben. Sobiel Umsicht wird der Hr. Abg. Hänel wohl den Beamten zutrauen können, wenn ihnen ein schriftliches Dokument zur Prüfung vorgelegt wird, daß sie nicht blos den Kopf, sondern auch den Inhalt lesen. Ich glaube also, es war das ein etwas unglücklicher Ausfall gegen den betheiligten Beamten. .
Der Abg. Dr. Langerhans fragte, wie jei es denn ge⸗ kommen, daß nicht nur Flugblätter der Arbeiterpartei erst zu⸗ gelassen und, nachdem sie gewirkt hätten, konfiszirt seien, son⸗ dern daß man auch die Versammlungen der Arbeiterpartei während der Wahlagitation geduldet, und nach stattgehabter Wahl weit friedlichere Versammlungen derselben Partei unter irgend einem Vorwand aufgelöst habe? Nur über diese ver— schiedene Handhabung desselben Gesetzes habe seine Partei ge⸗ klagt. Daß die Arbeiterpartei sich auf den Boden der Reform zu begeben anfange, freue auch seine Partei, Er meine noch heute, man hätte die Sozialdemokratie besser bekämpfen können, in ihrer verkehrten wirthschaftlichen Richtung, wenn man das Sozialistengesetz nicht erlassen hätte. . .
Der Abg. Dr. Wagner (Osthavelland) erklärte, die heutige Debatte sei insofern nicht ohne Interesse, als sie den Arbeitern zeigen werde, wo ihre wahren Freunde seien. (Lachen links) Die Linke lache, aber das Publikum draußen stimme in das Gelächter nicht ein. Heute sei die Linke einmal wider Willen offen gewesen. Zwar habe sie nachher versucht, den Rückzug anzutreten; allein es sei ihr nicht gelungen. Sie habe dem Bedauern Ausdruck gegeben, daß die Flugblätter der Arheiter⸗ partei nicht frühzeitig genug konfiszirt seien. Die Fortschritts⸗ partei habe, um die Beschlagnahme der Arbeiter⸗Flugblätter zu motiviren, auf das sogenannte Sozialistengesetz hingewiesen — er sage das sogenannte Sozialistengesetz, weil sich dasselbe
gar nicht gegen den Sozialismus an sich, sondern nur gegen gemeingefaͤhr liche Bestrebungen desselben wende — wo aber sei in jenen Flugblattern von solchen Bestrebungen etwas zu verspüren gewesen? Auch das Programm der Arbeiter sein rein sachlich. Wie sollte also ein Einschreiten der Polizei gegen diesel ben motivirt werden? Mit all den Redensarten, welche die Linke jetzt mache, täusche man Niemand. Keiner Partei habe das Sozialistengesetz so viel genützt als der Fortschrittspartei. Sie habe die Früchte desselben geerntet! Der Abg. Virchow habe dem Abg. Cremer noch den Vorwurf gemacht, daß der⸗ selbe von einer varteiischen Einschätzung gesprochen habe. So habe der Abg. Cremer sich nicht ausgedrückt; derselbe habe nur angedeutet, daß die Zusammensezung der Einschätzungs⸗ kommissionen die Besorgniß nahe lege, daß Lei der Ein— schätzung auch die politische Parteifärbung berücksichtigt werde. Er müsse sagen, daß in weiten Kreisen eine solche Befürchtung gehegt werde. Hier im Hause aber und vor der Bevölkerung im Lande wolle er nochmals konstatiren, daß die Linke Klage darüber geführt habe, daß das Sozialistengesetz nicht mit aller Schärfe gegen eine Partei in Anwendung gebracht worden sei, welche der Fortschrittspartei gegenüberstehe.
Die Debatte wurde hierauf geschlossen.
Persönlich bemerkte der Abg. Dr. Windthorst, ihm habe jede Insinuationsabsicht gefehlt. Er berufe sich aber auf den stenographischen Bericht, der beweisen werde, daß besonders der Abg. Virchow sich beschwert habe, es sei nicht früh genug gegen die Flugblätter der Arbeiterpartei eingeschritten. Daß er den Eindruck, welchen diese Erklärungen auf ihn gemacht, dem Hause mitgetheilt habe, dafür könne die Linke ihm nur dankbar sein, und wie er sehe, habe die Linke auch bereits mit Geschick den Rückzug angetreten. Wenn der Abg. Hänel geglaubt habe, ihn mit seinen Aeußerungen bezüglich des Sozialistengesetzes festnageln zu können, so irre derselbe sich. So leicht gehe das nicht. Aus seiner Rede werde die Linke entnehmen, daß er verschiedene Wege offen gelassen habe. Je nach den vorliegenden Umständen werde das Centrum einen derselben betreten. Heute aber schon die Stellung seiner Partei zum Sozialistengesetz klar zu legen, dazu läge keine Veranlassung vor.
Der Abg. Pr. Hänel, der nunmehr das Schlußwort noch⸗ mals erhielt, erklärte, die Rede des Abg. Wagner sei insofern von Interesse gewesen, als sie denselben Gelegenheit gegeben habe, einmal seine Methode zu entwickeln. Der Abg. Wagner habe mit der Konstatirung einer Thatsache begonnen. Der stenographische Bericht werde bald erweisen, daß diese Konsta⸗ tirung eine Unwahrheit sei. Der Abg. Virchow habe nicht gesagt, was der Abg. Wagner demselben untergelegt habe, sondern das direkte Gegentheil davon. Der Abg. Wagner . sich zuerst etwas unklar ausgedrückt, habe aber ofort einen erläuternden Zusatz gemacht, so daß über dessen wahre Meinung gar kein Zweifel aufkommen könne. Die fernere Meihode des Abg. Wagner gehe dahin, daß derselbe mit sehr schönen Redewendungen seiner Partei gefagt habe, sie wüßte gar nicht, was das Sozialistengesetz sei. Die Fortschrittspartei sei dem Abg. Wagner sehr dankbar für diese Belehrung, sie stehe auf der Höhe der Gemeinplätze, die man auch sonst von dem Abg. Wagner zu hören gewöhnt sei. Das müsse er freilich sagen, daß, wenn einmal Konfis— kationen sozialistischer Publikationen vorgenommen würden, die Reden des Abg. Wagner in erster Linie verdienten, diesem Schicksal zu verfallen. Ein Drittes in der Methode des Abg. Wagner bilde die einfache Verdächtigung. Es werde der Berliner Stadtverwaltung hier eine allgemeine Behaupiung von parteilicher Einschätzung produzirt. Glaube man, daß irgend eine Stadt im Lande existire, wo nicht irgend eine Person mit ihrer Einschätzung unzufrieden wäre? Solche Behauptungen, wie der Abg. Wagner dieselben mit Pathos vorgebracht habe, seien entweder nichtsnutzige Gemeinplätze (großer Lärm rechis, der Präsident erklärte den Ausdruck nichtsnutzig für nicht zulässig): .. dann wolle er sagen nichts nutzende Gemeinplätze, oder sie bekundeten, daß man den Muth nicht habe, zu sagen, was man wisse. Jedenfalls sei er sehr erfreut, daß der Abg. Wagner ihm Gelegenheit ge⸗ geben habe, seine ganze Methode einmal an einigen praktischen Beispielen darzuthun.
Persönlich bemerkte der Abg.. Dr. Virchow: der Abg. Wagner sei in wenig geschickter Weise von dem Abg. Cremer ausgegangen. Derselbe habe indessen zur Beschuldigung der
bringen können. Es berühre eigenthümlich, den Abg. Wagner sich in einer solchen Frage auf das Gerede weiter Kreise zu⸗ rückziehen zu sehen.
Der Abg. Pr. Wagner (Osthavelland) erklärte, ob er in geschickter Weise vorgehe oder nicht, darüber könne der Abg. Virchow das Urtheil ihm allein uberlassen. Er wiederhole nur, daß es eine Thatjache sei, daß weite Kreise die Befürch⸗ tung hegten, die nur aus Fortschrittlern zusammengesetzte Ein⸗ schätzungskommission berücksichtige die politische Parteistellung. Dem Abg. Hänel, der ihm seinen Pathos vorwerfe, rufe er zu: „Splitterrichterei!. Der Abg. Hänel werfe ihm vor, daß er nur mit Gemeinplätzen operire, aber er habe keinen Gemeinplatz vorgebracht. Wenn der Abg. Hänel weiter an⸗ gebe, der Abg. Virchow habe sich vielleicht nicht ganz korrekt ausgedrückt, so könne er mit dem Abg. Windthorst sagen: „er habe ihn ganz korrekt verstanden.“
Der Antrag wurde darauf der um sieben Mitglieder ver⸗ stärkten Gemeindekommission überwiesen.
Es folgte die Verlesung der vom Abg. Stengel einge⸗ brachten Interpellation, betreffend die Vorlegung eines Gesetz⸗ entwurfs über die Heranziehung der juristischen Personen zu den Gemeindeabgaben in den Land⸗ gemeinden der sieben östlichen Provinzen und der Provinz Schleswig-Holstein. Dieselbe lautet:
In der Sitzung des Hauses der Abgeordneten vom 8. März 1882, bei der ersten Berathung des Antrages wegen Annahme eines Gesetzentwurfs, betreffend die Heranziehung der juristischen Per⸗ sonen zu den Gemeindeabgaben in den Landgemeinden in den sieben östlichen Provinzen und der Provinz Schleswig⸗Holstein, stellte der Vertreter der Königlichen Staatsregierung die Vorlage eines Gesetzentwurfes, welcher nicht allein die in jenem Antrage angeregte Angelegenbeit, sondern auch andere Fragen der Kommunalbesteuerung regeln follte, bereits für die Session 1382/83 in sichere Aussicht.
Nachdem die vorige Session zu Ende gegangen ist, obne daß diese in allen Theilen der Monarchie sehnlich erwartete Vorlage gemacht ist, und auch zur Zeit noch Nichts darüber rerlautet, wann fie dem Landtage zugehen wird, erlaube ich mir die Anfrage iu stellen: .
Beabsichtigt die Königliche Staatsregierung, den versprochenen
Gesetzentwurf in dieser Session und zwar so frühzeitig vor⸗
zulezen, daß er von beiden Häusern des Landtages noch be⸗ rathen werden kann?
Der Abg. Stengel erklärte, die Entwickelung der Kom⸗ munal⸗Steuergesetzgebung habe nicht Schritt gehalten mit der wirthschastlichen Entwickelung; es seien dem Hause auch schon drei Mal darauf bezügliche Gesetzentwürfe vorgelegt worden, die aber niemals zu definitiver Erledigung gekommen seien, weil man sich uber den allgemeinen Theil derselben nicht habe einigen können. Vielleicht wäre es besser gewesen, einzelne Fragen zu erörtern, deren Erledigung allgemein als dringend anerkannt worden fei. Seine politischen Freunde hätten des⸗ halb schon in früheren Jahren den Versuch gemacht, die Frage der Besteuerung der juristischen Personen, die gerade in den östlichen Provinzen zu den lebhaftesten Klagen Veranlassung gegeben habe, zu regeln. Die Behandlung jeines Antrages am 8. März 1882 habe ergeben, daß im Hause noch weiter⸗ gehende Wünsche bestanden hätten, daß man den Antrag geo⸗ graphisch zu eng gefaßt habe. Auch die Regierung habe die ziothwendigkeit einer Aenderung anerkannt. Die Regierung habe damals erklärt, daß der Gesetzentwurf in derselben Session zwar nicht mehr vorgelegt werden könne, habe ihn aber für die abgelaufene Session 1882.83 in sichere Aussicht gestellt. Der Antrag sei damals der Gemeindekommission süiberwiesen, sei aber nicht zur Berathung gekommen, weil ja eine Vorlage in Aussicht gestanden habe. In der vorigen Sefsion sei dieselbe nicht von der Regierung vorgelegt, es verlaute auch jetzt nichts davon; die Beunruhigung der Be⸗ völkerung wache. Seine Partei sei so durchdrungen von der Nothwendigkeit der baldigen Regelung der Frage, daß sie die⸗
selbe immer wieder anregen werde, und wenn die Regierung nicht bald eine Vorlage einbringe, selbst einen Gesetzentwurf vorlegen werde.
Demnächst ergriff der Staats-Minister von Puttkamer das Wort. (Wir werden morgen diese Rede im steno⸗ graphischen Wortlaut bringen.)
Auf den Antrag der Äbgg. Dr. Lieber (Montabaur) und Pr. Meyer (Breslau) wurde die Besprechung der Interpellation beschlofsen, dieselbe wird aber erst in der nächsten Sitzung statt finden. ;
Hierauf vertagte sich um 4 Uhr das Haus auf Donner— stag 11 Uhr.
Einschätzungskommission auch nur leere Behauptungen bei⸗
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Preuß. Staats Anzeiger und das Central Handels⸗ register nimmt an: die Königliche Expedition dea Aeutschen Reichs Anzeigers und Königlich Preußischen Staats · Anzeigers:
Berlin sw., Wilhelm ⸗ Straße Rr. 32.
9 . für den Deutschen Reichs⸗ und Ton * Oeffentlicher
1. Steckbriefe und Untersuchungs- Sachen. 5. Industrielle Etablissements, Fabriken und
2. Subhastationen, Aufgebote, Vorladungen u. dergl. . 3. Verkäufe, Verpachtungen, Submissionen ete.
4. Verloosung, ꝛ ; X K n. 8. w. Von Sffentlichen Papieren.
Grosshandel.
literarische Anzeigen. 3. Theater-Anzeigen.
Amortisation, Zinszahlung e Sg. Familien- Nachrichten.
R nzeiger. Inserate nehmen an: die Annoncen ⸗Expeditionen des
Verschiedene Bekanntmachungen.
In der Börsen- beilage. E 8
„Invalidendank“, Nudolf Mosse, Haasenstein
& Bogler, G. L. Daube & Co., E. Schlotte,
Büttner K Winter, sowie alle übrigen größeren Annoncen Bureaux.
Eteckbriefe und Untersuchungs⸗Sachen.
lõa6s ꝛ
Steqchriefs ⸗Ernenerung. Der hinter den Steuer⸗ erheber Karl Rocholl, am 23. Januar 1844 zu Soest geboren, vom Untersuchunge richter beim Kgl. Landgericht J. hier unterm 15. September 1881 wegen Unterschlagung in den Akten V. R.· II. gö8 / 8I1 erlassene Steckbrief wird hiermit erneuert. Berlin, den 4. Dezember 1883. Königliche Staats anwaltschaft beim Landgericht J.
54467] ᷣ .
Steckbriefs ˖ Ernenerung. Der hinter den Schank⸗ wirth Bernhard August Rohr, geboren am 4. Juni 18538 zu Cadlau, Regierungsbezirk Breslau, wegen Betruges unter dem J. November 1857 in den Akten J. III. E. 144. 81 k Steckbrief wird hiermit erneuert. Berlin, 6. Bejember 1885. Königliche
5640
sache
1883. Landgerichte.
4465]
Steckbriefs ⸗ Erledigung. Der gegen den Maurer Julius Adolpb Reich wegen schweren Dieb⸗ stahls in den Akten L. R. L. 176. 83 unter dem 27. März 1883 erlassene Steckbrief wird zurück= genommen. Berlin, Alt ⸗Moabit Nr. 1112 (W.), den 11. Dezember 1883. Königliches Landgericht J. Der Untersuchungsrichter.
Bekanntmachung. Vorn gegen die unverehelichte Friederike Trumpf, gen. Buber, von hier. ist das Zeugniß des Handel?= manns August Encke aus Alt-⸗Salze erforderlich. zu 2000 0 Es wird ersucht, den jetzigen Aufenthalt desselben hierher anzuzeigen. ᷓ . Dezer Der Untersuchungsrichter bei dem Königlichen
hören, nämlich:
In der Voruntersuchungẽ⸗
Halberstadt, den 19. Dezember
Staatsanwaltschaft beim Landgericht J.
1. fs · Erledi 6 te efs Erledigung. Drẽchtlergesellen Ferdinand Anton Hermann Schenke wegen ÜUnterschlazung in actis 84. G. 1415 82 J. a. 314. 82 unter dem 31. Mai 1882 erlassene Steckbrief wird hierdurch zurückgenommen. Berlin, den 8. Dezember 1583. Königliches Amtsgericht L. Abtheilung 84.
Amtsgerichts in
berges, gelegen
Subhastationen, Aufgebote, Vor⸗ ladungen n. dergl.
1300 Der hinter den 3 des Notars strompholtz in Busendorf.
Gerichtliche Versteigerung.
In Ausführung eines Beschlusses des Kaiserlichen
1883 wird durch Notar Krompholtz in Busendorf in seiner Amtsstube, Vormittags 10 Uhr, bezüglich der Wiesen, geleg
mittags 3 Uhr zu Didingen in der zu versteigernden
200 4
Bußfendorf vom dritten Dezember
en Bann Wallerchen, und des Wein—⸗
Bann Koenigsmacher, und Nach Wohnhäusern, Stallung,
Mühle, bezüglich der Müble und Dependenzen am Mittwoch, den 16. Januar 1884, auf Anstehen des Rechtsanwalts Charles Berberich, zu Dieden⸗ hofen wohnhaft, als Verwalter der Konkursmasse des Franz Taver Alphons Hirtzmann, Müller, zu Didingen wohnhaft, zur öffentlichen Ver⸗ steigerung der nachbezeichneten Liegenschaften ge⸗ schritten werden, welche zu dieser Konkursmasse ge⸗
Bann Wallerchen: 1) 82 Ar 40 Centiar Wiese, Kanton Kittz, dit longnenr de Fintlach. Sektion O. Nummer 15 des Karasterplans, neben Anstößern und der Nied, taxirt
mann,
27) 44 Ar 30 Centiar Wiese, Canton au dessus an brenil de Fintlach sur le moulin, Sektion C. Nr. 16 des Katasterplans, neben der Wallerchen Gé⸗ meindewiese und der Nied, taxirt zu 1000 (66
3) 1 Ar 30 Centiar Wiese, Canton au dessus du brenil de Fintlach sur le moulin, Sektion C. Nummer 25 des Plans, neben der Nied, taxirt zu
Bann Koenigsmacher.
4) Ein Stück Weinberg, Canton de la chapelle, mit etwa 10 Ar Flächeninhalt, neben H. Wirbel und einem Wege, taxirt zu 207 (6
Mühle und Devendenzen.
5) Ein Komplex von Grundstücken, gelegen zu Didingen, genannt die Didingermühle, bestehend in einer Müble mit 6 Gängen, Lagerräumen, zwei Schuppen und Gärten. Das Ganze eingetragen in die Katastermutterrolle
unter Sektion B. Nummer 68, 69, 70, 71 und 1382 für einen Flächeninhalt von a. 12 Ar 820 Centiar Boden und b. 51 Ar 10 Centiar Oberfläche von Damin und Rand, C. 25 Ar 64 Centiar Garten.
6) Eine Wiese von 1 Hektar 33 Ar 60 Centiar, gelegen zu Didingen, genannt Mühlengarten, Sektion B. Nummer 72 des Plans. .
7) 1 Ar 62 Centiar Garten im Kanton Didinger⸗ garten, Sektion B. Nummer 123 des Plans, neben Mathias Vallich und Mathias Caudpʒ̃r..
Rummer 5, 6 und 7 werden zusammen taxirt auf 45000 ( ; ;
Die vollständigen Verhandlungen sind auf der Amtestube des unterzeichneten Notars zur Einsicht kostenfrei offen gelegt.
1 ö Der beauftragte Notar.
Krompholtz.
gewesener
lötmss] Verkaufs⸗Anzeige. In Sachen der Chefrau Kalbrever, Caroline, geb Henne, zu Hildesheim, Gläubigerin, gegen ; ihren Ehemann, den Lohndiener Kalbreyer daselbst, Schuldner, wegen Alimente, jetzt Subhastation, soll das dem Schuldner angeblich gehörige, am Altenmarkte hiesiger Stadt unter Hausnummer 1533 belegene Wohnhaus sammt Stallung und Hofraum und einem an der Alfelder Chaussee vor hiesizer