1884 / 6 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 08 Jan 1884 18:00:01 GMT) scan diff

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Amerika. (W. T. B.) Ein Telegramm der Times“ aus Philadelphia meldet: Gestern wurde im Reprä⸗ sentantenhause eine Bill eingebracht, wonach der Prä— sident, wenn eine fremde Regierung den Import amerika⸗ nischen Pökelfleisches verbietet, befugt sein soll, die Einfuhr von Weinen, Liqueuren und anderen Erzeugnissen dieses Landes in die Unionsstaaten zu verbieten und das Verbot aufrechtzuhalten, bis die erwähnte Beschränkung aufgehoben ist.

Afrika. Egypten. Kairo, 6. Januar. (W. T. B.) Wie das ‚Reutersche Bureau“ meldet, wurde der eng⸗ lische Generalkonsul Baring heute Vormittag von dem Khedive in Audienz empfangen und theilte demselben die Antwort der englischen Regierung auf die Note der egyptischen Regierung vom 2. d. mit. Die eng⸗ lische Regierung besteht darauf, daß die Truppen von Khartum bis zum zweiten Nil⸗Katarakt zurückgezogen werden.

7. Januar. (W. T. B.) Das Ministerium hat sein Entlassungsgesuch überreicht Der Khedive hat dasselbe angenommen, die Minister aber ersucht, die Geschãfte bis zur Ernennung ihrer Nachfolger fortzuführen. Ueber die Bildung eines neuen Kabinets wird vom Khedive mit Riaz Pascha sowie mit Nubar Pascha und Ayub Pascha unter⸗ handelt.

Zeitungsstimmen.

Das „Deutsche Tageblatt“ brachte in der Neujahra⸗ nummer einen Artikel über die deutschen Handwerkerverbände,

dessen Einleitung lautet:

Von den erfreulichen Erscheinungen in der inneren Politik, die das verflossene Jahr aufzuweisen hat, ist nicht an letzter Stelle das neue Leben zu erwähnen, welches aus den Ruinen des Handwerks auf— zublühen beginnt. Es scheint wirklich, als habe sich die Regierung in ihren Hoffnungen nicht getäuscht, als sie die Einführung der obligatorischen Innung zur Zeit wegen jeglichen Mangels einer Organisation und der überaus großen Schwierigkeit der Grenzregulirung zwischen Fabrik- und Handwerksbetrieb für unmöglich haltend, Verbesserungen der Gewerbeordnung herbeiführte, die, vom Handwerkerstande selbst aus giebig benutzt, erst einmal wieder klare Verhältnisse und freie Orga—⸗ nisationen schaffen sollten, an die sich weitere gesetzgeberische Maß— nahmen anschließen könnten. .

. .. Es hat sich in der That gezeigt, daß die Gewerhefreiheit noch nicht ganz die Handwerker zu unfreien Lohnarbeitern herab gedrückt hat, und daß es nur einer mäßigen Bethätigung der Für⸗ sorge der Regierung bedurfte, um eine kräftige und gesunde Bewe— gung unter den Handwerkern entstehen zu lassen. So haben wir einen deutschen Stellmacherbund, einen Bund der deutschen Drechsler, die Verhände der Schmiede, Schornsteinfeger, Tischler, Schneider und seit September dieses Jahres auch einen deutschen Schuhmacher Innungsbund. Mancher dieser Verbände zählt seine Mitglieder nach Tausenden, der zuletzt gegründete deutsche Schuhmacher⸗Innungsbund zählt in den 4 Monaten seines Bestehens allein schon über sechs⸗ tausend Mitglieder und täglich werden neue Anschlüsse gemeldet. Es regt sich mächtig im lieben deutschen Vaterlande unter unseren braven Handwerkern, hoffen wir, daß der Kampf dieser viel geprüften Männer gegen die Gefahren des Manchesterthums nicht nur ein nachhaltiger, sondern auch ein siegreicher sein möge.

Dem „Deutschen Wollengewerbe“ wird aus Aachen berichtet:

Der allgemeine Geschäftsgang in der Tuchbranche war für das Jahr 1883 wohl ein zufriedenstellender zu nennen und scheint auch für die demnächstige Saison nicht ungünstiger zu werden. . . . . Auch ist das Exportgeschäft sowohl in glatten Streichgarnen, sowie beson⸗ ders in Kammgarnen sstückfarbig und wollfarbig) wieder fehr lebhaft, und wird der Markt in diesen Sachen drüben hauptsächlich von Eng— land und Deutschland beherrscht, Frankreich ist daselbst momentan sehr desavouirt. Vorläufig kann man wohl noch mit Bestimmtheit die Kammgarn-Musterung als die maßgebende hinstellen.

Der in Altwasser, also in einer Gegend mit besonders regsamer Industrie, welcher auch der Bergbau nicht fehlt, er⸗ scheinende „Schlesische Gebirgs⸗Kurier“ sagt in einem für seinen Bezirk geschriebenen Rückblick auf das Jahr 1883 u. A.:

Im Erwerbsleben ist mit Ausnahme der Pausen, welche in Folge des Hochwassers auf einzelnen Gruben eintraten, eine Stockung nicht vorgekommen, da sonst regelmäßig gefördert wurde und in den hiesigen Fahriken das ganze Jahr über regelmäßig gearbeitet und zu Zeiten die Arbeiterzahl sogar erhöht wurde“ ;

Aus Dresden wird der „Schlesischen Zeitung“ berichtet: .

Im Oktober 1883 wurden im Königreich Sachsen von 188 Spar— kassen in 84 907 Posten 7260 155 ½ 60 3 ein und in 45 429 Posten 6 418 964 20 3 zurückgezahlt. Demnach überstiegen in dem ge⸗ nannten Monate die Einzahlungen die Rückzahlungen um 841 191 , 40 3. Während der Monate Januar bis Oktober wurden überhaupt I6 7186 194 M 563 3 ein- und 71 384 667 M 50 zurückgezahlt; im Vergleich mit dem Vorjahre (1882) betrugen die Einzahlungen 609 934 A 26 3 und die Rückzahlungen aber 3 844 259 MS 63 3 weniger, so daß trotz der Verminderung der Einzahlungen die Ersparnisse, welche im Oktober 1883 in Sparkassen angelegt wurden, immerhin als nicht gering anzusehen sein dürften.

Aus Bielefeld (Mitte Oktober) wird dem „Deutschen Handelsarchiv“ geschrieben:

Im verflossenen Quartale sind im Allgemeinen keine Erschei⸗ nungen zu Tage getreten, welche auf eine wesentlich veränderte Lage der geschäftlichen Thätigkeit von Industrie und Handel im diesseitigen Bezirke gegen das vorangegangene schließen lassen. Eine Ausnahme macht nur das Fett und Fleischwaarengeschäft, welches un— günstig beurtheilt wird, weil die Händler, die vor dem Inkrafttreten des Einfuhrverbots für Produkte der amerikanischen Schweinezucht auf Spekulation angesammelten großen Vorräthe zu den jetzigen niedrigen Preisen nicht verkaufen wollen, beziehungswelse es ohne Ver⸗ lust nicht können. .

Die mechanischen Flachsspinnereien und Leinenwebereien sind mit Aufträgen hinreichend verselen und in vollem Betriebe; die Möbel Plüschweberei kann der Nachfrage nicht in der wünschens⸗ werthen schnellen Weise genügen, die Ergebnisse der Tafelglashütten bleiben stetig befriedigend. Die Maschinen⸗ und Nähmaschinenfabri⸗ ken waren vollauf beschäftigt, haben aber mit einer scharfen Kon= kurrenz zu kämpfen, welche einen angemessenen Gewinn noch nicht er— übrigen läßt. ;

== In der mechanischen Weberei bewegte sich das Geschäft analog den früheren Quartalen. Die Produktion nahm wieder etwas zu, der Absatz war zufriedenstellend. Die durchschnittlich befriedigen, den Ernteerträgnisse berechtigten zu der Annahme eines normalen , so daß für den Rest des Jahres die Arbeitsgelegen⸗

eit und lohnender Verdienst nicht fehlen wird. .

Die Nachfrage in Stückleinen war eine recht rege; die Bleichen konnten die Fabrikanten nicht so prompt bedienen, als es verlangt wurde. Zudem macht sich der Mangel an guten Webern von Quartal zu Quartal fühlbagrer. ... .

In glatten Seidenstoffen war das Geschäft in Deutschland wãh⸗ rend der Monate Juli und August bezüglich des Absatzes befriedigender als seither; die Konfektionsbranche verbrauchte vief zu Putzzwecken und Unterfutter. ...

Die Lage der Möbel⸗Plüschindustrie war auch in diesem Quartale eine gleichmäßig gute.

An die Leistungs fähigkeit derselben wurden wieder solche An⸗ sprüche gestellt, daß die Arbeitskräfte dazu nicht ausreichten und die

Statistische Nachrichten.

Die deut sche Auswanderung über deutsche Häfen und Ant— werpen betrug, nach Mittheilung des Kaiserlichen Statistischen Amts, im letzten Monat November 868683, in den 11 Monaten Januar bis November 162 077 Personen; im gleichen Zeitraum des Vorjahres (1882) wurden 10 068 bezw. 189 531 deutsche Auswanderer über die bezeichneten Häfen befördert.

Das neueste Heft der Statistik des Deutschen Reiches veröffent⸗ licht Nachweisungen uber Pꝛ loduktion und Besteuerung des inländischen Rübenzuckers, sowie Einfuhr und Aus— fuhr von Zucker im deutschen Zollgebiet für dag Campagnejahr 1882863. Diesen Nachweifungen sind einige Er— läuterungen vorausgeschickt und einige Tabellen angefügt, welche die entsprechenden Hauptresultate mit den der Vorcampagnen bis 1871372 rückwärts vergleichen. Es ist daraus zu entnehmen, daß 1882/83 innerhalb des Zollgebiets 358 Rübenzuckerfabriken im Betriebe waren, 15. mehr als in der Vorcampagne, und daß von denselben 343 den Rübensaft mittelst des Diffusionsverfahrens ausgezogen haben. Im Ganzen wurden verarbeitet rund 57,5 Millionen Doppel⸗-Cenfner frische Rüben gegen 62,7 Millionen in der Vorcampagne, und hieraus wurden gewonnen 8 351 646 Doppel-Centner Rohzucker aller Produkte gegen 5 997 222 Doprel · Center in der Vorcampagne. Dazu ist zu bemerken, daß unter diesen Mengen auch alle diejenigen Zuckermengen enthalten sind, welche im Lause der Campagne in den betreffenden Fabriken aus der Entzuckerung der Melasse gewonnen wurden und zwär nicht nur der eigenen und der aus der Rübenverarbeitung der betreffenden Campagne resultirenden Melasse, sondern auch derjenigen, welche von anderen Fabriken aufgekauft wunde und aus frühcren Campagnen stammte. Die Zahl derjenigen Fabriken, welche neben der Rübenver— arbeitung Melasse entzuckerten, betrug 192 (187 in der Vorca mpagne), und von diesen haben 124 mittels des Osmoseverfahrens, 50 mittels Elution, 8 mittels des Substituttongverfahrens, 6 des Fällungs⸗ verfahrens und 4 des Strontianitverfahrens den Zucker aus der Melasse dargestellt Daneben waren, soweit bekannt, noch 4 Zucker⸗ raffinerien mit Melasseentzuckerung beschäftigt, die von diesen hierbei gewonnenen Zuckermengen find jedoch, da die Produktions⸗ Statistik sich lediglich auf die Rüben verarbeitenden Zucker abriken bezieht, in den oben angegebenen Mengen nicht enthalten.! Der Ver⸗ brauch des Zollgebiets ist unter Zurechnung der Einfuhr und Ab— setzuag der Ausfuhr für das Campagnejahr 1882/83 auf 3 692 144 Doppel ˖⸗ Centner oder 8,1 kg Rohzucker auf den Kopf der Be—⸗ völkerung berechnet, für 138182 auf 2910 456 Doppel ·Centner oder 644 kg auf den Kopf, und für den Durchschnitt de- 12 Campagnen 1871172 bis 1882183 auf 2 862 863 Doppel-⸗Centner oder 6,7 kg Rohzucker auf den Kopf. Da übrigens Zucker ein lagerfähiger Ar⸗ tikel ist, so können leicht unverbrauchte Vorräthe von einem Jahr in das andere übergehen; der berechnete Verbrauch wird daher nicht für jedes einzelne Jahr mit dem wirklichen Konsum Üüher⸗

einstimmen. Gewerbe und Handel.

Auf den 23 Berliner Wochenmärkten befinden sich nach einer amtlichen Aufstellung 10233 Marktstände und zwar 4618 ron Obste und Grünkramhändlern, 2099 von Schlächtern, Fleischwaaren⸗ und Wildhändlern, 1314 von eigene Produkte feilhaltenden Bauern und Gärtnern, 803 von Butter⸗, Käse⸗, Hering. ꝛ2c. Händlern, 301 von Fischern und Fischhändlern, 469 von Vorkost⸗ Eier⸗ und Brod⸗ händlern und 393 von Händlern mit Blumen und lebenden Vözeln. Aufgeführt werden endlich noch 536 Händler mit Holwaaren, Pan— tinen, Bast, Rohr und dergl. Der am stärksten besuchte Merkt ist der Dönbofsplatz, den 1361 Marktverkäufer besuchen. Es folgen dann der Gensd ' armenmarkt mit 1217, der Alexanderplatz mit 849, der Andreasplatz mit 594, der Magdeburgerplatz mit 988, der Abendmarkt auf dem Pappelplatz mit 582, der Tagesmark‘ ebendort mit 567, der Markt am Halleschen Thor mit 545, der Oranienplatz mit 471 bezw. 517 und der Markt am Teutoburgerplatz mit 441 Verkäufern. Die übrigen Märkte werden von weniger als 400 Händlern besucht.

Die Deutsche Bekleidungs-⸗Akademie in Dresden wurde im verflossenen Jahre 1883 vor 355 Schülern und Schülerinnen besucht. An den verschiedenen Lehrkursen nahmen Theil: 235 Schüler an dem Kursus der Zuschneidekunst für Herrenbekleidung, 92 Schüler und Schülerinnen an dem Kursus der Zuschneidekunst für Samen kleider und Kindergarderobe, 24 Schüler und Schülerinnen an dem Kursus der Zuschneidekunst für Leibwäsche, 98 Schüler und Schüle⸗ rinnen an dem Kursus für kaufmännische Arithmetik und Buchführung. Nach Ländern geordnet vertheilt sich die Schülerzahl wie folgt: Bra— silien 2, Belgien 2. Dänemark 4, Rußland 5, Schweden 2, Schweiz 5, Niederlande 5. Anhalt z, Baden 9, Bayern 26, Bremen 2, Braun— schweig 5, Elsaß 2, Hamburg 2, Hessen 11, Lippe 3, Lübeck 3 Mecklenburg 2. Oldenburg 1, Desterreich-Ungarn 35, Preußen 176, Sachsen, 36, sächsische Fürstenthümer 12, Württemberg 38.

. 7. Januar. (W. T. B.) Die Verschisffungen von Roheisen betrugen in der vorigen Wöche 205 gegen 7506 Tong in derselben Woche des vorigen Jahres.

Br aLford, . Janugt. (W. T. B) Wolle stetig, ruhig. Garne fest bei mäßigem Geschäft, Stoffe ruhig. Verkehrs⸗Anstalten.

Hamburg, J. Januar. (W. T. B. Der Postdampfer zMbätia“ der Hamhurg-⸗Amerikanischen Pacetfahrts⸗ Aktiengesellschaft hat, von New⸗Jork kommend, heute früh 8 Ubr die Seilly⸗Inseln passirt.

Liverpool, 7. Januar. (W. T. B.) Der hier eingetroffene Dampfer ‚Bothnia“ berichtet: er habe am 29. v. M. einen vier⸗ mastigen Dampfer unter Segel getroffen, welcher der am 15. v. M. von New⸗9York abgegangene Dampfer Celtie“ sein dürfte. Wegen widriger Winde würde die Fahrt eine langsame sein.

Sanitätswesen und Qunarantänewesen. Die Regierung von Argentinien hat für alle aus Brasilien sowie Montevideo und anderen Häfen Uruguays eintreffende Schiffe bis auf Weiteres eine 3 tägige Quarantäne festgesetzt.

Ein Dekret der Regierung zu Montevideo, welches sämmt⸗ lichen aus Stadt und Provinz Buenoz Aires kommenden Fahrzeugen eine Quarantäne von 10 Tagen auferlegte, ist nach kurzem Bestande wieder aufgehoben worden. Die portugiefifche Reglerung hat die Häfen von Peru vom 25. Nobember 1883 ab als von gelbem Fieber frei erklärt.

Berlin, 8. Januar 1884

Die periodischen Ausstellungen des rbeinischen Kunstvereins für das Jahr 1854 werden stattfinden: zu Mannheim vom 1, bis 22. April einschließlich, Heidelberg vom 27. April big 18. Mai einschließlich. Hanau vom 25. Mai bis 12 Juni einschließ⸗ lich, Darmstadt mit Offenbach a. Main vom 18. Jun! bis 29. Juli einschließlich, Baden Baden vom 27. Juli bis 19. August einschließ⸗ lich, Karlsrube vom 16. bis 31. Auqust. einschließlich, Freiburg im Breisgau vom 6. bis 28. September einschließlich und Mainz vom 5. bis 31. Oktober einschließlich.

Die Kunstvereine zu Baden-Baden, Heidelberg. Karlsruhe und Mannheim unterhalten außerdem permanente Aus stellungen. Näheres wird durch die einzelnen Kunstvercine oder den Prãsidenten des rheinischen Kunstvereins, Geheimen Ober-⸗Baurath Pr Müller zu Darmstadt bereitwilligst mitgetheilt werden.

Am 8. d. M. verschied hierselbst der ehemalige Königliche Ballet meister Paul Taglioni.

St. Peters burg, 7. Januar. (W. T. B) Nach einer Mel⸗ dung aus Omsk trafen die Lieutenants Garber und Schütz mit den Leichen des Kapitäns Delong und feiner neun Ge— fährten gestern dort ein. Eine Deputation der geographischen Sektion überreichte den Begleitern eine Beileidsadresse.

Libau, 7. Januar. (W. T. B) Der deutsche Dampfer Emma“, mit Eisen von Rotterdam kommend, ist heute Nacht hier gestrandet. Die Mannschaft wurde gerettet, das Schiff ist leck.

New⸗York, 7. Januar. (W. T. B.) In Belleville, im Staate Illinois, ist heute das Nonnenkloster „Zur unbefleckten Empfängniß“ abgebrannt. Die Insassen wurden von Panik ergriffen; mehrere Zöglinge und Lehrerinnen, welche sich durch einen Sprung aus dem Fenster zu retten versuchten, getödtet oder tödtlich verletzt, andere sind verbrannt. Soweit bis jetzt bekannt, sind 22 Zöglinge und 5 Nonnen umgekommen.

Im Königlichen Opernhause finden, wie das „Berl. Fremdenbl.“ meldet, bereits die Orchesterproben zur Walküre“ von Richard Wagner statt. Frl. Lillt Lehmann wird in dieser Woche ihre künstlerische Thätigkeit wieder aufnehmen; sie beabsichtigt zu— nächst einige ernste Rollen zu singen und später in der Entführung aus dem Serail“ und in „Cosi fan tutte‘ von Mozart aufzutreten. Die Reihenfolge der im Königlichen Schauspielhause tzur Aufführung gelangenden Novitäten und Neueinstudierungen ist fol⸗ gende: ‚Das Recht des Stärkeren“, von Paul Heyse (am Freitag), „Was ihr wollt von Shakespegre, Der Mohr des Czaren“ von Richard eß. Die erste Aufführung des neuen Ballets Nurjane“ von Guillemin findet spätestens zu Anfang Februar statt.

Fr. Hedwig Niemann trat nach langer Krankheit aestern zum ersten Male wieder an ihrer neuen Heimstätte, im Deutfchen Theater auf. Zur Antxittsrolle hatte die Künstlerin „Das Lorle“ in dem bekannten und beliebten Schauspiel Dorf und' Stadt“ ge⸗ wählt, „Dorf und Stadt“ ist eins der wirkungsvollsten, allerdings an Rührung überreichen Theaterstücke, welches die Verfasserin Fr. Charlotte Birch-Pfeiffer nach einer Auerbachschen Erzählung mit großer technischer Geschlcklichkeit und Feinfühligkeit dramatisirt hat. Als unvergleichliche Darstellerin des naiven und treuherzigen Lorle ist Fr. Niemann dem Berliner Publikum längst bekannt und als solche oft kritisch gewürdigt worden. Gestern Abend hatte sich denn auch eine sehr zahlreiche Zuhörerschaft zusammengefunden, um die Gestalt des herzberückenden Dorfkindes mit seinen Freuden und Leiden von Neuem vor ihren Augen erstehen zu sehen. Das fröhliche, warmfühlende Schwarzwäldlermädchen gewann mit seiner vollen be⸗ strickenden Heiterkeit und Naivetät, mit feinen bald schelmischen, bald treuherzigen Blicken und dem schüchternen, verlegenen Zupfen an Schürze und Brusttuch alle Herzen für sich; abermals fah man aus dem unerfahrenen Dorfkinde allmählich die schwergeprüfte Frauenfeele hervorquellen, welche in erschütternden Tönen ihr zertrümmertes Glück beklagt. Fr. Niemann hatte aus dieser zweiten Hälfte der Rolle eine köstliche Figur herausgearbeitet, welche in ihrer grenzenlosen Liebe und Wahr⸗ haftigkeit an das Heldenhafte streift. Ihr Spiel der Empfin— dungen, welche auf ihren Zügen auftauchen und verschwin—⸗ den, war so unvergleichlich wie nur je zuvor. Die Künst— lerin wurde bei ihrem Erscheinen vom Publikum mit Wärme begrüßt und reicher Beifall begleitete ihre weiteren Leistungen. Der „Maler Reinhardt“ fand in Hrn. Sommerstorf einen trefflichen Darsteller, welcher die schwierige Rolle mit Gefühl und maßvollem Anstande zur Anschauung brachte. Die behäbige Gemächlichkeit und das warmherzige Gefühl, welches Hr. Förster meisterhaft zum Ausdruck zu bringen vermag, traten in feinem ÄUndenwirth“ in Wort und Geberde charakeristisch und ansprechend zu Tage. Hr. Wessels Stephan Reichenmeier) forelrte Ton und Gesten etwas zu sehr, und brachte seine Partie dadurch zum Theil um ihre Wirkung. Eine anmuthige und gefühlvolle Darstellerin der Ida“ war Frl. Jürgen; die Leistung der jungen Künstlerin wäre noch bedeutender gewesen, wenn sie die innere leidenschaftliche Erregung weniger andauernd und heftig in Aeußerlichkeiten auszuprägen verfucht hätte. Im Ganzen war die Darstellung eine recht gelungene und erweckte die lebhafte Theilnahme und den reichen wohlverdienten Beifall des Publikums. .

Am Sonntag, den 13. Januar, Abends 7 Uhr, veranstaltet der hiesige Opernverein“ in der Aula des Friedrichs⸗Werderschen Gymnasiums, Dorotheenstraße 14, zum Besten des „‚Allge⸗ meinen Blindenyereings⸗ eine Aufführung der beliebten Oper Zam pa“ von Herold. Billets zu 1 6s sind zu haben in der Hof— Musikalienhandlung der Herren Bote & Bock sowie bei dem Vor⸗ sitzenden des „Allgemeinen Blindenvereins“, Hrn. Domorganssten C; Franz, Universitätsstraße Nr. 3. In den Räumen des Gym⸗ nasiumz findet am Abend der Aufführung ein Billetverkauf nicht statt. Bei dem wohlthätigen Zweck, dem die Aufführung dient, ist für dieselbe eine rege Theilnahme zu erwarten.

Im Concerthause kommt morgen eine sehr interessante Novität zur Aufführung, nämlich die dritte der englischen Suiten vom Altmeister Sebastian Bach. Der verstorbene Joachim Raff hat dieselbe höchst wirksam für großes Orchester bearbeitet. Die Haupt⸗ nummer des reichhaltigen Programms bildet Raffs fünfte Symphonie, Lenore, genannt, ein Werk, welches seit dem ersten Erscheinen (im Concerthause) sich der Gunst des Publikums in hohem Maaße zu erfreuen hatte.

Cireus Renz. Die am Sonnabend zum Benefiz der Familie Hager stattgehabte Gala⸗Vorstellung war sehr gut besucht und nahm einen überaus glänzenden Verlauf. Hr. J. W. Hager, welcher zum ersten Male in dieser Saison die Springfahrschute mit den bei⸗ den englischen Vollblutstuten „Fida“ und „Helene“ mit gewohnter Eleganz ritt, sowie Fr. Amanda Hager⸗Renz, die in der rei⸗ zend arrangirten spanischen Schulquadrille „bolero de Andalusia“ mitwirkte, und die jugendliche Clotilde Hager, welche den feurigen Asgar“ in allen Gängen der hohen Schule ritt, wurden mit Ovatio⸗ nen aller Art, unzähligen Hervorrufen und Lorbeerkränzen von rlesigen Dimensionen ausgezeichnet. Ueberhaupt zeigte sich das Publikum auch im weiteren Verlaufe des Abends sehr animirt und zollte dem ge⸗ sammten Künstlerensemble den regsten Beifall.

Redacteur: Riedel.

Verlag der Expedition (Kessel). Druck! W. Elsner.

Sechs Beilagen (einschließlich Börsen⸗ Beilage).

Berlin:

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Erste Beilage zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

Berlin, Dienstag, den 8. Januar

1884.

S rund züge für den Entwurf eines Gesetzes über die Unfallversicherung der Arbeiter nebst Begründung.“)

Der Inhalt zerfällt in 8 Hauptabschnitte und zwar:

I. Allgemeine Bestimmungen, betreffend Umfang der Versicherung, Gegenstand der Versiche⸗ rung und Umfang der Entschädigung, Träger der Versicherung.

II. Bildung der Berufsgenossenschaften, betreffend Feststellung der versicherungspflichtigen Betriebe, Bildung der freiwilligen Berufsgenossen⸗ schaften, Bildung der Berufsgenossenschaften durch den Bundesrath, Regelung der Verwaltung der Berufs⸗ genossenschaften, Abänderung des Bestandes der Berufsgenossenschaften, Theilung des Risikos, Ver⸗— wendung der Beiträge zu fremdartigen Zwecken.

III. Mitgliedschaft des einzelnen Be⸗ triebes; Betriebsveränderun gen, betreffend Mitgliedschaft, Genossenschaftskataster, Betriebs⸗ veränderungen.

IV. Arbeiterausschüsse und Schiedsgerichte betreffend Arbeiterausschüsse, Schiedsgerichte.

V. Feststellung und Auszahlung der Ent⸗ schädigungen, betreffend Anzeige und Untersuchung der Unfälle, Entscheidung der Vorstände, Berufung gegen die Entscheidung der Vorstände, Entscheidung des Schiedsgerichts, Rekurs an das Reichs-Versicherungs⸗ amt, Veränderung der Verhältnisse, Fälligkeits— termine, ins Ausland verzogene bezw. ausländische Entschädigungsberechtigte, Unpfändbarkeit der Ent— schädigungs forderungen. Auszahlungen durch die Post, Liquidationen der Post, Umlagen, Abführung der Beträge an die Postkassen.

VI. Unfallverhütung Urberwachung der Betriebe durch die Genossenschaften, betreff end b Ueberwachung der

etriebe.

VII. Das Reichs Versicherungsamt. VIII. Schluß und Strafbestimmungen.

J. Allgemeine Bestimmungen. Umfang der Versicherung.

1) Die Unfallversicherung erstreckt sich auf alle in Bergwerken, Salinen, Aufbereitungsanstalten, Stein⸗ brüchen, Gräbereien (Gruben), Fabriken und Hütten⸗ werken beschäftigten Arbeiter und Betriebsbeamten, auf letztere jedoch nur, sofern ihr Arbeitsverdienst 2000 ½ nicht übersteigt.

Betriebsbeamte mit einem 2000 ½ übersteigenden Arbeitsverdienst können auf Grund statutarischer Bestimmung (Ziffer 12) gegen Unfälle versichert werden. Für Arbeiter und Betriebsbeamte, welche nach Maßgabe dieses Gesetzes versichert sind, und für ihre Hinterbliebenen tritt das Haftpflichtgesetz vom 7. Juni 1871 außer Kraft.

Als Fabriken gelten insbesondere diejenigen Be— triebe, in welchen die Bearbeitung oder Verarbeitung von Gegenständen gewerbsmäßig ausgeführt wird, und in welchen zu diesem Zweck entweder mindestens drei zu versichernde Personen unter gleichzeitiger Verwendung von Dampfkesseln oder durch elementare Kraft bewegten Triebwerken oder ohne eine solche mindestens zehn zu versichernde Personen regelmäßig beschäftigt werden.

Welche Betriebe außerdem als Fabriken im Sinne dieses Gesetzes anzusehen sind, entscheidet das Reichs—⸗ Versicherungsamt (Giffer 44).

Für Betriebe, welche mit einer Unfallgefahr nicht verbunden sind, kann durch Beschluß des Bundeß—⸗ raths die Versicherungspflicht ausgeschlossen werden.

2) Auf Beamte, welche in Betriebsverwaltungen des Reichs, eines Bundesstaates oder eines Kom— munalverbandes mit festem Gehalt und Pensionz⸗ berechtigung angestellt sind, findet das Unfallversiche⸗ rungsgesetz keine Anwendung.

Wird solchen Beamten und deren Hinterbliebenen bei Unfällen in Folge gesetzlicher oder statutarischer Bestimmung eine Pension oder eine Entschäͤdigung gewährt, welche hinter dem nach Maßgabe dieses Gesetzes sich ergebenden Entschädigungsbetrage nicht zurückbleibt, so steht denselben ein weitergehender Anspruch aus dem Unfall auf Grund des Haft⸗ pflichtgesetzes vom 7. Juni 1871 nicht zu.

Gegenstand der Versicherung und Umfang der

Entschädigung.

3) Gegenstand der Versicherung ist der nach Maß⸗ gabe der nachstehenden Bestimmungen zu bemeffende Ersatz des Schadeng, welcher durch eine Körper⸗ verletzung oder durch Tödtung entsteht.

Der Schadensersatz besteht

2. im Falle der e nf,

) in den Kosten des Heilverfahrens vom Beginn der 14. Woche nach Eintritt des Unfalls ab;

2) in einer bei völliger Erwerbsunfähigkeit sz o/o, bei theilweiser Erwerbsunfähigkeit höchstens 50 / des durchschnittlichen Arbeits verdienstes betragenden Jahresrente, wobei der Mt täglich übersteigende Betrag nur mit einem Drittheil zur Anrechnung kommt;

b. im Falle der Tödtung:

1) in einem Pauschquantum

zum Ersatz der

) Die wichtigsten neu in den Entwurf auf⸗ enommenen Bestimmungen sind nach den „Berl. ol. N. hier durch den Druck (durchschossen) her⸗ vorgehoben.

Beerdigungskoften. Dasselbe besteht in dem Zwan—⸗ zigfachen des durchschnittlichen täglichen Arbeits— verdienstes;

2) in der Gewährung einer Jahresrente von 20 0/0 des durchschnittlichen Arbeitsverdienstes des Ver⸗ storbenen an die Wittwe und von 10 an jedes hinterbliebene Kind bis zum zurückgelegten 15. Lebens⸗ jahre, bezw. von 15 06½, wenn das Kind auch mutter⸗ los ist, wobei jedoch die Renten zusammen 50 0 des Arbeitsverdienstes nicht übersteigen dürfen;

3) in der Gewährung einer Jahresrente von 20 Prozent des Arbeitsverdienstes des Verstorbenen an bedürftige Ascendenten. k

Im Falle ihrer Wiederverheirathung erhält die Wirtwe den dreifachen Betrag ihrer Jahresrente als Abfindung. dn . .

Als Arbeitsverdienst gilt der vom Verletzten während des letzten Jahres bezogene Lohn mit der Maßgabe, daß bei Festsetzung der Entschädigung der von der höheren Verwaltungsbehörde nach Anhörung der Gemeindebehörde für die Arbeiterklasse, welcher der Beschädigte angehört, ermittelte durchschnittliche Tegelohn zu Grunde zu legen ist, falls dieser den Betrag des von dem Beschädigten bezogenen durch schnittlichen Tagelohns übersteigt.

In gleicher Weise ist dieser von der höheren Ver⸗ waltungsbehörde festgesetzte Tagelohn der Ent⸗ schädigung zu Grunde zu legen, wenn der Verletzte in dem Betriebe nicht ein volles Jahr, von dem Unfall zurückgerechnet, beschäftigt war.

Bei Personen, welche wegen noch nicht beendigter Ausbildung keinen oder einen geringeren Lohn be— ziehen, gilt als Jahresverdienst das Breihundertfache des von der höheren Verwaltungsbehörde nach An⸗ hörung der Gemeindebehörde festzusetzenden orts—⸗ üblichen Tagelohns gewöhnlicher Tagearbeiter.

Dem Verletzten steht ein Anspruch auf Ent⸗ schädigung nicht zu, wenn er den Unfall vorsätzlich herbeigeführt hat. Die Ansprüche der Hinter⸗ bliebenen werden hierdurch nicht berührt. .

4 An Stelle der vorerwähnten Leistungen kann bis zum beendigten Heilverfahren freie Kur und Verpflegung in einem Krankenhause gewährt werden und zwar:

a. für Verunglückte, welche verheirathet sind oder bei einem Angehörigen ihrer Familie wohnen, wenn die Art der Verletzung Anforderungen an die Be— handlung oder Verpflegung stellt, welchen in der Familie nicht genügt werden kann,

b. für sonstige Verunglückte in allen Fällen.

. Für die Zeit der Verpflegung des Verunglückten in dem Krankenhause haben dessen Ehefrau, Kinder und Ascendenten denselben Anspruch auf Entschädi⸗ gung, welcher nach Ziffer 3 b 2 den Hinterbliebenen eines Verunglückten zusteht.

Träger der Versicherung.

5) Die Versicherung erfolgt auf Gegenseitigkeit durch die Unternehmer der unter 1 fallenden Be— triebe, welche zu diesem Zweck in Berufsgenossen— schaften vereinigt werden. Jede Berufßgenossenschaft erstreckt sich in der Regel über das ganze Reichs gebiet und umfaßt alle Betriebe derjenigen Industrie⸗ zweige, für welche dieselbe errichtet ist.

Betriebsanlagen, welche wesentliche Bestandtheile verschiedenartiger Industriezweige umfassen, sind der⸗ jenigen Berufsgenossenschaft zuzutheilen, welcher der Hauptbetrieb angehört. 3

Die Berufösgenossenschaften haben die juristischer Personen.

6) Die Mittel zur Deckung der von den Berufe—⸗ genossenschaften zu leistenden Entschädigungsbeträge und der Verwaltungskosten werden durch Beiträge aufgebracht, welche auf die Mitglieder nach Maßgabe der in ihren Betrieben von den Versicherten ver— dienten Löhne und Gehälter, sowie der statuten— mäßigen Gefahrentarise (3iffer 134) jährlich um— gelegt werden. irn, as

Wird eine Genossenschaft dauernd leistungs— unfähig, so gehen ihre Verpflichtungen auf das Reich über. Darüber, ob dieser Fall vorliegt, ent— scheidet der Bundesrath.

II. Bildung der Berufsgenossenschaften. Feststellung der versicherungspflichtigen Betriebe. I) Zum Zweck der Ermittelung sämmtlicher ver—⸗

sicherungspflichtiger Betriebe sind die Unternehmer binnen einer im Gesetz zu bestimmenden Frist ver⸗ pflichtet, dieselben unter Angabe des Gegenstandes und der Art des Betriebes, sowie der Zahl der durchschnittlich darin beschäftigten Personen bei der unteren Verwaltungsbehörde anzumelden.

Für die nicht angemeldeten Betriebe hat die untere Verwaltungehehörde die Angaben nach ihrer Kennt niß der Verhältnisse zu beschaffen.

Ein nach den Gruppen, Klassen und Ordnungen der Reichs⸗Berufsstatistik geordnetes Verzeichniß sämmtlicher unter Ziffer 1 fallenden Betriebe ihres Bezirks ist von der unteren Verwaltungsbehörde der oberen Verwaltungsbehörde und von diefer nach stattgefundener Revision dem Reichs⸗Versicherungt⸗ amt einzureichen.

Bildung der freiwilligen Berufsgenossenschaften.

8) Die Bildung der Berufsgenossenschaften erfolgt auf dem Wege der Vereinbarung der Betriebsunter⸗ nehmer unter Zustimmung des Bundesraths.

Die Zustimmung des Bundesraths kann versagt werden:

a. wenn die Anzahl der Betriebe, für welche die Berufsgenossenschaft gebildet werden soll, oder die Anzahl der in denselben beschäftigten Arbeiter zu gering ist, um die dauernde Leistungsfähigkeit der

Rechte

Berufsgenossenschaft in Bezug auf die bei der Unfall⸗ versicherung ihr obliegenden Pflichten zu gewähr⸗ leisten;

b. wenn Betriebe von der Aufnahme in die Be⸗ rufsgenossenschaft ausgeschlossen werden sollen, welche wegen ihrer geringen Zahl oder wegen der geringen Zahl der in ihnen beschäftigten Arbeiter eine eigene leistungsfähige Berufsgenossenschaft zu bilden außer Sande sind und auch einer anderen Berufsgenossen⸗ schaft zweckmäßig nicht zugetheilt werden können.

9) Die Beschlußfassung über die Bildung der Be⸗ rufssgenossenschaften erfolgt durch die zu diesem Zweck zu einer Generalversammlung zu berufenden Be⸗ triebsgenossen mit Stimmenmehrheit. In derselben hat jeder Unternehmer oder Vertreter eines Betriebes, in welchem nicht mehr als 20 Personen beschäftigt werden, eine darüber hinaus bis zu 200 für je 20 und von 200 an für je 100 mehr beschäftigte Per⸗ sonen eine weitere Stimme. Abwesende können sich durch stimmberechtigte Berufsgenossen vertreten lassen. Anträge auf Einberufung der Generalver⸗ sammlung sind an das Reichs⸗Versicherungsamt Ziffer 44) zu richten. Denselben ist Seitens des Reichs⸗Versicherungsamts, sofern nicht der Fall unter Ziffer Sa vorliegt, stattzugeben, wenn Die⸗ selben innerhalb der durch das Gesetz festzusetzenden Frist und mindestens von dem zehnten Theil der Betriebsunternehmer derjenigen Industiezweige, für welche die Bildung der Berufsgenossenschaft bean⸗ tragt wird, oder von solchen Betriebsunternehmern, die mindestens den fünften Theil der in diesen In⸗ dustriezweigen vorhandenen Arbeiter beschäftigen, ge⸗ stellt worden sind.

Findet das Reichs⸗Versicherungsamt bei der Prü⸗ fung von Anträgen auf Einberufung der General— versammlung, daß der unter Ziffer 8b vorgesehene Fall vorliegt, so hat dasselbe die Unternehmer der dabei in Betracht kommenden Betriebe zum Zweck der Beschlußfassung über die Abgrenzung der Berufs⸗ genossenschaft zu der Generalversammlung mit ein⸗ zuladen. .

10) Auf Grund der unter Ziffer erwähnten Verzeich⸗ nisse werden die Betriebsunternehmer nach Maßgabe der Bestimmungen unter Hiffer 9 von dem Reichs—⸗ versicherungsamt zur Generalversammlung unter Angabe der ihnen zustehenden Stimmenzahl einzeln eingeladen.

Die Generalversammlung findet in Gegenwart eines Vertreters des Reichs ⸗Versicherungsamts statt. Derselbe eröffnet die Versammlung, welche unter i. Leitung aus ihrer Mitte einen Vorstand wählt.

Der Vorstand übernimmt die Leitung der Ver handlungen, bei welchen der Vertreter des Reichs—⸗ Versicherungsamts jederzeit zu hören ist.

Die Generalversammlung hat über den auf Bil⸗ dung der Berufsgenossenschaft gerichteten Antrag, welcher zu ihrer Einberufung Anlaß gegeben hak, sowie über die aus ihrer Mitte dazu etwa gestellten Abänderungsanträge Beschluß zu fassen.

Ueber die Verhandlungen ist ein Protokoll aufzu⸗ nehmen. Dasselbe ist durch den Vorstand dem Reichs-Versicherungsamt einzureichen, welches daf— selbe dem Bundesrath behufs der nach Ziffer 8 erforderlichen Beschlußfassung vorlegt.

Bildung der Berufsgenossenschaften durch den

Bundesrath.

I) Für diejenigen Industriezweige, für welche innerhalb der im Gesetz festzusetzenden Frist An⸗ träge auf Einberufung der Generalversammlung zur freiwilligen Bildung einer Berufsgenossenschaft nicht gestellt worden sind, werden die Berufsgenossen⸗ schaften durch den Bundesrath nach Anhörung von Vertretern der betheiligten Industriezweige gebildet . XEbenso sind durch den Bundesrath Berufsgenossen⸗ schaften für diejenigen Industriejweige zu bilden, für welche auf Grund von Beschlüssen der Generalver— sammlung innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Frist vom Bundesrath genehmigte Genossenschaften nicht zu Stande kommen.

Regelung der Verwaltung der Berufs⸗ genossenschaften.

12) Die Berufsgenossenschaften regeln ihre innere Verwaltung, sowie ihre Geschäftsordnung durch ein von der Generalversammlung ihrer Mitglieder (Ge⸗ nossenschaftsversammlung) zu beschließendes Statut.

Das Genossenschaftsstatut bedarf zu feiner Gültig“ keit der Genehmigung des Reichs⸗Versicherungsamts.

Bis zum Zustandekommen eines gültigen Ge nossenschaftsstatuts finden die Vorschriften un ter Ziffer 9 und 10, soweit sich dieselben auf das Stimmrecht der Genossenschaftsmitglieder, auf die Einladung derselben und auf die Betheiligung eines Vertreters des Reichs ⸗Versicherungsamts an den Verhandlungen beziehen, auch auf die Genossenschafts⸗ versammlungen Anwendung.

13) Das Genossenschaftsstatut muß außer dem Namen und dem Sitze der Genossenschaft die Be— zeichnung der Industriezweige enthalten, für welche die Genossenschaft errichtet worden ist.

Dasselbe muß außerdem Bestimmung treffen:

a. über die Bildung des Genossenschaftsvorstandes und über den Umfang der Befugnisse desselben;

b. über die Berufung der Genossenschaftsversamm⸗ lung, sowie über die Formen der Beschlußfassung derselben; ;

C. über das Stimmrecht der Berufsgenossen in der Genossenschaftsversammlung;

das Statut kann die für die erste Generalver , vorgeschriebene Abstufung des Stimm⸗ rechts (3iffer 9) abändern, auch bestimmen, daß die

Genossenschaftsversammlung aus einer von den Be⸗ rufsgenossen gewählten Vertretung, insbesondere auch

aus Abgeordneten der etwa gebildeten Genossen⸗ schafts sektionen bestehen soll;

d. über den Maßstab für die Vertheilung der Genossenschaftslaften.

Jede Genossenschaft hat für die einzelnen In⸗ dustriezweige und Betriebsarten je nach dem Grade der mit denselben verbundenen Unfallgefahr ent⸗ sprechende Gefahrenklassen zu bilden und nach den⸗ selben die Höhe der zu leistenden Beiträge abzu⸗ stufen. Außer der nach Gefahrenklassen zu be⸗ messenden Höhe der Unfallgefahr müssen für die Vertheilung der Genossenschaftslasten die Löhne und Gehälter der versicherten Personen maß⸗ gebend sein. Die Eintheilung in Gefahrenklassen und die Feststellung des Verhältnisses derselben zu einander (der Gefahrentarif) sind nach Ablauf von längstens zwei Jahren und sodann mindestens von fünf zu fünf Jahren einer Revision zu unterziehen.

Die Ergebnisse derselben sind der Genossenschafts⸗ versammlung zur Beschlußfassung vorzulegen. Die von derselben hierüber gefaßten Beschlüsse bedürfen der Genehmigung des Reichs⸗Versicherungsamts.

Löhne und Gehälter, welche den Betrag von durchschnittlich 4 „M für den Arbeitstag übersleigen, dürfen über diesen Betrag hinaus bei der Verthei⸗ lung der Genossenschaftslasten nur mit einem Dritt theil vergl. Ziffer 3 Litt. a Nr. 2) in Anrechnung gebracht werden;

e. über das von den Organen der Genossenschaft bei der Einschätzung der Betriebe in die Gefahren⸗ klassen (Gefahrentarif) zu beobachtende Verfahren. Gegen die Einschätzung steht die Berufung an das Reichs⸗Versicherungsamt offen;

f. wenn die Genossenschaft in Sektionen getheilt werden soll, über die Abgrenzung, Organisation und Zuständigkeit der Sektionen, sowie über die Zustän— digkeit der örtlichen Genossenschaftsorgane (Ver⸗ trauensmänner); .

g. über die von den Genossenschaftsmitgliedern alljährlich zu bewirkende Einsendung von Arbeiter⸗ und Lohnnachweisungen für die Zwecke der Umlage— berechnungen, und über die Art der Hebung der Mitgliederbeiträge;

h, über die Folgen von Betriebseinstellungen be— züglich der Zugehörigkeit zur Genossenschaft;

i. über die Aufstellung der Jahresrechnung, sowie über deren Prüfung und Abnahme; ;

k. über die Ausübung der der Genossenschaft zu⸗ stehenden Befugnisse zum Erlasse von Vorschriften behufs der Unfallverhütung und zur Ueberwachung der Betriebe. ;

Beschlüsse der Genossenschaftsversammlung, welche die Abänderung oder Ergänzung des Statuts be⸗ treffen, bedürfen der Genehmigung des Reichs⸗ Versicherungsamts. .

Durch das Statut kann für den Fall der Bil dung von Sektionen bestimmt werden, daß die zu leistenden Entschädigungen bis zu 50 b derselben von der Sektion getragen werden müssen, in deren Bezirk die Unfälle eingetreten sind.

14 Kommt innerhalb einer festzusetzenden in ein von dem Reichs⸗-Versicherungsamt genehmigtes Statut nicht zu Stande, so wird dasselbe auf den Vorschlag des Reichs⸗Versicherungsamts vom Bundes⸗ rath erlassen.

So lange die Wahl der gesetzlichen Organe einer Genossenschaft ordnungsmäßig nicht vollzogen ist, oder so lange diese Organe die Erfüllung ihrer ge⸗ setzlichen oder statutarischen Obliegenheiten ver⸗ weigern, hat das Reichs⸗Versicherungsamt die letzte⸗ ren auf Kosten der Genossenschaft wahrzunehmen.

16) Die Mitglieder der Vorstände der Beruf⸗ genossenschaften und der Sektionen, sowie die Ver⸗ trauensmänner verwalten ihr Amt als unentgeltliches Ehrenamt. Baare Auslagen werden ihnen ersetzt.

Abänderung des Bestandes der Berufs⸗ genossenschaften.

16), Nach erfolgtem Abschluß der Organisation der Berufsgenossenschaften sind Aenderungen in dem Bestande der letzteren unter nachstehenden Voraus⸗ setzungen zulässig:

a. Die Vereinigung mehrerer Genossenschaften er⸗ folgt auf übereinstimmenden Beschluß der betheilig⸗ ten Genossenschaftsversammlungen. Zum Inkraft⸗ treten der Vereinigung ist die Genehmigung des Reichs Versicherungsamts erforderlich.

b. Die Ausscheidung einzelner Industriezweige aus einer Genossenschaft und die Zutheilung derselben zu einer anderen Genossenschaft ist auf Beschluß der beiden betheiligten Genossenschaftsversammlungen mit Genehmigung des Reichs⸗Versicherungsamts zu⸗ lässig, sofern durch diese Ausscheidung die Leistungs⸗ fähigkeit der ersteren Genossenschaft in Bezug auf die ihr obliegenden Pflichten nicht gefährdet wird.

C. Wird in den Fällen zu a und b die Vereini⸗ gung mehrerer Genossenschaften oder die Ausschei⸗ dung einzelner Industriezweige aus einer Genossen⸗ schaft und die Zutheilung derselben zu einer anderen Genossenschaft auf Grund eines Genossenschafts⸗ beschlusses beantragt, dagegen von der anderen be⸗ theiligten Genossenschaft abgelehnt, so entscheidet auf Anrufen der Bundesrath.

d. Wollen die Unternehmer einzelner Industrie⸗ zweige aus der Genossenschast, welcher sie angeboren, ausscheiden, um eine besondere Genossenschaft zu bilden, so haben sie dies bei der Genossenschaft zu beantragen. Ueber den Antrag hat die Genossen⸗ schaftsversammlung zu beschließen. Der Beschluß der letzteren ist dem Bundesrath vorzulegen, welcher nach Anhörung des Reichs⸗Versicherungsamts dar⸗ über entscheidet, ob nach Maßgabe der Bestimmun⸗ gen unter Ziffer 8 dem Antrage stattzugeben ist

oder nicht.