63 Gewinne von 550 S6 auf Nr. 602. 3824. 7186. 8127. 8697. 11 961. 12475. 13 292. 16367. 17 324. 17 335. 19 333. 20 216. 23 818. 24140. 26 584. 27 682. 28 165. 29102. 29 701. 29817. 29 874. 33 230. 33 367. 33 496. 35 217. 37 744. 38 093. 39 000. 39 811. 39 812. 41 061. 42825. 43 512. 47 223. 51 017. 51 750. 53915. 54 150. 57 214. 58 160. 60 800. 61 630. 63 529. 65671. 66917. 67161. 69 131. 69 213. 70 329. 72 249. 76 530. 77 160. 78 385. 80 614. 82215. 83457. 84676. S4 916. S6 859. S9 849. 91 161. 94 658.
Vierter Bericht des Leiters der deutschen wissenschaftlichen Kom— mission zur Erforschung der Cholera, Geheimen Regierungs-⸗Raths Dr. Koch.
Calcutta, den 16. Dezember 1883.
Die mit der Untersuchung über Cholera beauftragte Kommission ist am 11. Dezember in Calcutta eingetroffen. Die Ankunft derselben erfolgte gerade beim Abgange der Post, so daß diese Meldung erst mit der nächsten, acht Tage später abgehenden Post geschehen konnte. Hierdurch ist es allerdings auch ermöglicht, Ew. Excellenz bereits über den Beginn der Thätigkeit der Kommission in Calcutta berichten zu können.
Die Kommission reiste am 13. November mit dem eng⸗ lischen Dampfer „Clan Buchanan“ von Suez ab und erreichte Calcutta am 11. Dezember. Das Schiff hatte in Colombo einen Aufenthalt von dritthalb Tagen und in Madras von fast zwei Tagen. Diese Gelegenheit hat die Kommission be— nutzt, um sich über die sanitären Verhältnisse dieser Orte, sowie über ihr Verhalten zur Cholera zu informiren, soweit dies bei der kurzen Dauer des Aufenthalts möglich war. In Colombo wurde keine Cholera angetroffen; den erhaltenen Mittheilungen zufolge soll die Insel Ceylon überhaupt seit etwa fünf Jahren ganz frei von Cholera gewesen sein und keineswegs, wie mehrfach angenommen ist, zu den endemischen Choleraheerden gehören. In Madras herrscht dagegen augenblicklich die Cholera, in der Stadt selbst anscheinend in mäßigem Grade, dagegen heftig in einigen Städten des südlichen Theiles der Präsidentschaft, hauptsächlich in Madura und Taujore. In den von der Kommission besuchten Hospitälern der Stadt Madras wurden zwar keine Cholerakranken angetroffen; aber es bot sich die erwünschte Gelegenheit, die Einrichtung des Gefängnisses zu besichtigen, sowie Erkundigungen über die Wasserversorgung und Kanalisation dieser Stadt, welche in der Geschichte der Cholera eine bedeutende Rolle spielt, einzuziehen. Außerdem erhielt die Kommission von dem mit den Choleraverhältnissen durch langjährige Erfahrung vertrauten Sanitary Commissioner sehr werthvolle Mittheilungen über das Verhalten der Cholera in der Präsidentschaft Madras, so daß der Aufent— halt in Madras ein für die Zwecke der Kommission sehr nütz— licher war.
Bei der Ankunft in Calcutta wurde die Kommission vom deutschen Konsul empfangen und am folgenden Tage zum Surgeon General with the Government of India begleitet. Dieser nahm die Kommission in sehr liebenswürdiger Weise auf und sicherte derselben die möglichste Unterstützung sowohl in Bezug auf Beschaffung der erforderlichen Arbeitsräume als der Verfügung über die in die Hospitäler Calcuttas ge⸗ langenden Cholerafälle zu. Er führte die Kommission nach dem Medical College Hospital, woselbst vorzüglich geeignete, mit Gas⸗ und Wasserleitung versehene Arbeitsräume ausgesucht und der Kommission zur Verfügung gestellt wurden. Am 13. Dezember konnte die Einrichtung des Laboratoriums ausgeführt und, da ein Cholerafall ins Medical College Hospital eingeliefert war, auch sosort mit den Arbeiten be— gonnen werden. Am 14. Dezember konnte bereits die Sektion einer vom General Hospital nach dem Medical College Hospital gesandten Choleraleiche und am nächsten Tage die Sektion von zwei weiteren Choleraleichen im Sealdah Hospital vorge— nommen werden. Mit dem hierdurch gewonnenen sehr reich⸗ lichen und für die in Aussicht genommenen Experimente vor— züglich geeigneten Material sind eine Anzahl Versuche in Gang gesetzt, und die Kommission befindet sich wieder in voller Thätigkeit.
Gegen Ende des November hatte die Zahl der Cholera— Todesfälle in Calcutta ihr Minimum erreicht; seitdem ist sie jedoch wieder im Zunehmen begriffen und nach dem Urtheil der hiesigen Aerzte werden in der nächsten Zeit stets so viele Cholerafälle in die Hospitäler gelangen, daß es der Kommission an Untersuchungsobjekten nicht fehlen wird. Sehr wesentlich ist es auch, daß sich der Obduktion von Choleraleichen in den hiesigen Hospitälern anscheinend gar keine Schwierigkeiten entgegenstellen, und daß die Obduktionen frühzeitig genug nach dem Tode vorgenommen werden können, um durch Fäulniß bedingte Störungen in der Untersuchung auszuschließen. In Berücksichtigung aller dieser Umstände bin ich davon überzeugt, daß in Betreff des Ortes zur Fortsetzung der Untersuchungen über Cholera keine bessere Wahl getroffen werden konnte.
Die ferneren Aufgaben, welche die Kommission in Hin— blick auf die Gewinnung praktisch verwerthbarer Resultate zu erledigen haben wird, habe ich zusammengestellt und erlaube mir dieselben Ew. Excellenz im Nachstehenden vorzulegen.
J. Mikrostopische Untersuchung eines möglichst zahlreichen Obduktionsmaterials zur Erweiterung und zur Prüfung der in Egypten erhaltenen Befunde über das Vorkommen von Bacillen in der Darmschleimhaut von Choleraleichen. Ins— besondere auch Versuche über spezifische Eigenschaften dieser Bacillen in mikroskopischer Beziehung, um eine sichere Unter— scheidung derselben von anderen in Gestalt und Größe ähn— lichen Bacillen zu gewinnen.
Il. Nachforschungen über das Vorkommen von Cholera hei Thieren. Wiederaufnahme der Infektionsversuche mit Cholerastoffen an verschiedenen Thiergattungen; namentlich auch mit Methoden, welche bisher noch nicht benutzt wurden, z. B. direkte Injektion in den Darm.
III. Gewinnung von Reinkulturen der im Darm der Choleraleichen gefundenen Bacillen und Benutzung dieser Reinkulturen zu Infektionsversuchen an Thieren.
IV. Bestimmung der biologischen Eigenschasten dieser Bacillen, insbesondere Sporenbildung, Lebensdauer, Ver⸗ halten in verschiedenen Nährmedien und bei verschiedenen Temperaturen.
V. Desinfektionsversuche, um die Bacillen im Wachsthum zu behindern resp. zu vernichten.
VI. Untersuchung von Boden, Wasser und Luft in ihren Beziehungen zum Cholera-Infektionsstoff, namentlich in Bezug auf die Frage, ob derselbe in den endemischen Choleragebieten
unabhängig vom menschlichen Körper, beispielsweise an be⸗!
stimmte Zersetzungsvorgänge im Boden gebunden, existi⸗ ren kann.
VII. Spezielle Nachforschungen über die Choleraverhält⸗ nisse in Indien und zwar:
a. Zusammenhang der Cholera in den endemischen Ge⸗ bieten mit besonderen Eigenthümlichkeiten der daselbst leben⸗ den Bevölkerung und ihrer Umgebung.
b. Choleraausbrüche in Gefängnissen, unter Truppen, auf Schiffen. .
c. Verhältnisse der im endemischen Gebiete der Cholera am meisten heimgesuchten sowie der von der Krankheit ver⸗ schonten Plätze.
d. Art und Weise der Verschleppung der Cholera über die Grenzen des endemischen Gebietes und die Wege, auf welchen die Verschleppung sowohl in Inrien, als über die Grenzen Indiens hinaus stattfindet (Die Kommission hat hierbei besonders die Beförderung der Infektion durch gewisse religiöse Gebräuche und die Ausbreitung der Krankheit durch das Pilgerwesen im Auge, ferner die Verbreitung durch Schiffahrt und auf Handelsstraßen.)
e. Die in Indien bewährt gefundenen Maßregeln zur Verminderung der Cholera in Gefängnissen und unter Trup— pen und die Bedingungen, unter denen in einigen indischen Städten, wie Madras, Pondichery, Guntur, Calcutta, eine auffallende Abnahme der Cholerasterblichkeit stattgefunden hat.
Die Kommission beabsichtigt für den Fall, daß die Unter⸗ suchungen über die mikroslkopischen Erreger der Cholera nicht zu dem Grade von Sicherheit gelangen, um praktischen Maß⸗ nahmen zu Grunde gelegt werden zu können, den unter VII. aufgeführten Punkten eine besondere Aufmerksamkeit zu widmen, um Ew. Excellenz dem nächst praktisch verwerthbare Vorschläge zur Abhaltung resp. zur Minderung der Choleragefahr für das Deutsche Reich unterbreiten zu können.
Dr. Koch. Geheimer Regierungs⸗Rath. An den Staatssekretär des Innern, Herrn Staats— Minister von Boetticher, Excellenz.
Beim Haupt⸗Telegraphenamt in Berlin sind die Ver⸗ suche, mit Dynamo—-⸗Elektrizität anstatt mit Batteriestrom zu telegraphiren, inzwischen fortgesetzt und neuerdings in ausgedehnterem Maße betrieben worden. Wir sind in der Lage über diese interessanten Versuche folgen— des Nähere mitzutheilen.
Als Stromerzeuger dienen zwei dynamo—lektrische Maschinen, welche so mit einander verbunden sind, daß der von der einen erzeugte Strom durch die andere geleitet wird, wodurch eine größere Konstanz des magnetischen Feldes und des erzielten Gesammtstromes erreicht wird. Der gegenwärtig zur Verwendung gelangende Strom besitzt eine Spannung von 40 Volts.
Um bei etwa eintretender unmittelbarer Berührung der Hin- und Rückleitung eine gefahrdrohende Erhitzung der Zu⸗ leitungsdrähte bez. bei plötzlichem Anwachsen des Stromes Beschädigungen der an den Betriebsleitungen liegenden Apparate oder der Leitungen selbst zu verhüten, ist in die Hauptzuleitung zur Dynamo-Maschine eine Bleisicherung ein— geschaltet, während vor den Betriebsapparaten Sicherheits⸗ vorrichtungen aus feinem Stahldraht angebracht sind. Beide Sicherungen wirken beim Auftreten sehr starker Ströme als selbstthätige Stromunterbrecher und gewähren somit unbe—⸗ dingten Schutz.
Während anfänglich zu den Versuchen oberirdische und mit Arbeitsstrom betriebene Leitungen benutzt wurden, sind neuerdings zu denselben vorzugsweise Kabelleitungen, sowie oberirdische Leitungen mit Ruhestrombetrieb herangezogen worden. Das Ergebniß aller dieser Versuche muß als überraschend günstig bezeichnet werden. So sind z. B. am 14. d. M. 4 mit Hughes⸗ und 9 mit Morse⸗Apparaten be⸗ triebene Kabelleitungen mit vollkommenem Erfolge gleichzeitig durch die Dynamo-Maschine gespeist worden. In Betrieb ge⸗ nommen wurden Leitungen von sehr verschiedener Länge und nach den verschiedensten Richtungen, z. B. nach Frankfurt (Main), Hamburg, Cöln (Rhein), Bremen, Emden, Dresden, Stettin, Coblenz, Aachen, Cuxhaven, Thorn, Elbing, Halle (Saale), Leipzig. Die höchste Zahl der gleichzeitig durch dieselbe Stromquelle gespeisten Leitungen beträgt 42 (unterirdische, oberirdische, mit Arbeits- oder Ruhestrom, Hughes⸗ und Morse⸗-⸗Apparaten betrieben und von den ver— schiedensten Längen und Widerständen), wo mit jedoch das Maxeihmum der Ausnutzung noch keineswegs er— reicht zu sein scheint. Am 18. d. M. ist dem Telegraphen⸗ amt im Börsengebäude hierselbst auf einer der vorhandenen Zuleitungen von dem Haupt⸗Telegraphenamt in der Jäger⸗ straße Dynamo⸗Elektrizität zugeführt worden, welche von dem Börsen-Telegraphenamt aus während der Börsenstunden zum Betriebe von 4 Hughes⸗ und 2 Morseleitungen mit voll— kommenem Erfolge gleichzeitig mit dem Batteriestrombetriebe auf den übrigen Leitungen benutzt worden ist.
Auf den mittels Ruhestroms betriebenen Leitungen waren im Anfange der Versuche die Batterien sowohl bei dem als Endstelle in denselben liegenden Haupt⸗ Telegraphenamt, als auch bei den Zwischenanstalten ausgeschaltet worden. Gegenwärtig dient die Dynamo⸗ Elektrizität nur zum Ersatz der beim Haupt⸗Telegraphenamt vorhandenen gemeinschaftlichen Ruhestsom-Batterie, während die Batterien der Zwischenstellen in den betreffenden Leitungen verbleiben.
Auch in diesem für die Fachleute besonderes Interesse darbietenden Falle erweist sich der von der Dynamo⸗Maschine gelieferte Strom nach den zur Zeit vorliegenden Versuchs⸗ ergebnissen als völlig geeignet, den Batteriestrom zu ersetzen bzw. in Gemeinschaft mit demselben zu wirken. Für die künftige Versorgung der Leitungen mit der erforderlichen Be⸗ triebs krast eröffnen sich hiermit weite Perspektiven.
Eine interessante Kollektion von Glasmosaiken aus der Fabrik von Th. E. Sander in Braunschweig, die gegenwärtig im Kunstgewerbe⸗Museum in der unteren Galerie des Lichthofes zur Ausstellung gelangt ist, macht weitere Kreise des Publikums zum ersten Mal mit einem neuen Zweige heimischer Kunstindustrie be⸗ kannt. Die vor geführten Proben veranschaulichen in charakteristischen Beispielen die Ergebnisse des von dem genannten Etablissement unternommenen Versuchs, eine Technik, die in neuerer Zeit eigentlich nur in Italien oder von Filialen italienischer Firmen geübt worden ist, auch bei uns einzubürgern oder — genauer gesagt — den aus Italien kommenden Arten der florentiner, der venetianer und der römischen Mosaik eine vierte, wiederum eigenthümliche Art zur Seite zu stellen. Mit der eingelegten Arbeit der florentiner Mosaik, bei welcher die einzelnen Theile des Ornaments je nach Bedarf in größeren
oder kleineren Stücken von verschiedener Form und Farbe ausge⸗ schnitten und in den Fond eingefügt werden, hat das neue Verfahren ebensowenig gemein wie mit der römischen Technik, die für ihre Schmucksachen 2c. die Muster aus möglichst feinen, eng aneinanderschließenden Stiften herstellt. Am ehesten ist es der durch Salviati in Venedig wieder eingeführten Glasmosaik verwandt, die seit Jahren auch bei uns für Zwecke deko⸗ rativer Kunst vielfach Verwendung gefunden hat. Im Gegensatz zu der Manier Salviati's, der die in der Masse gefärbten Glasplatten in größere oder kleinere Würfel zerschneidet und aus diesen die Zeich⸗ nung zusammensetzt, benutzt jedoch die Braunschweiger Fabrik als Material runde und quadratische Glasstäbchen, die sie in einer Anzahl bestimmter Stärkegrade anfertigt und schachbrettartig oder in sich kreu⸗ zenden Linien zusammenstellt, um sie schließlich durch eine Asphaltkitt⸗ masse an Stelle des sonst hierzu gebräuchlichen Mörtels fest zu ver⸗ binden. Durch diese Technik, die selbstverständlich im Wesentlichen auf geometrische Musterungen beschränkt bleibt, wird die eigenartige dekorative Wirkung der Arbeiten bedingt. Sie rufen da, wo die runden Köpfe der Stäbchen stehen bleiben und ein lebhaftes Spiel der Lichter und Schatten erzeugen, annähernd den Eindruck stark ver⸗ größerter Perlenstickereien hervor, während die abgeschliffenen und polirten Platten, bei denen der dunkle Asphaltgrund mitspricht, an ein in ein dichtes Netz gleich großer Zellen eingelassenes Email erinnern. Vermag die so erzielte Srnamentirung auch nicht die ungleich freier sich bewegende eigentliche Mosaik⸗ malerei zu ersetzen, so bietet sie doch für Füllungen nicht zu aus⸗ gedehnter Flächen, für Tischplatten, kleinere Friese, gemusterte Ein⸗ lagen in Steinarbeiten ꝛc. ein um so verwendbareres und ansprechen⸗ deres Dekorationsmittel dar, als das in den Glasstäben zur Ver⸗ fügung stehende reiche Material den mannigfachsten Wechsel farbiger Effekte gestattet und überdies durch die bei dem Verschmelen der ge— färbten Glasmasse sich ergebenden Zufälligkeiten der Abtönung noch einen besonderen Reiz gewinnt.
Der Verein zur Förderung der gemeinsamen Inter—⸗ essen der Blinden hielt am Sonnabend Abend im Bürgersaale des Rathhauses seine Jahresversammlung ab. Der Vorsitzende des Vereins, der röllig erblindete ehemalige Seminarlehrer Lehmann be— merkte in längerer Rede: Es sei nicht zu verkennen, daß die Kommune Berlin für die Unglücklichsten der Menschen sehr viel thue. Die Ber⸗ liner Blinden kosteten der Stadt jährlich 49 000 4, allein trotzdem ge⸗ schehe noch lange nicht genug, um den Blinden ihr trauriges Dasein etwas erträglicher zu machen; eine städtische Erziehungsanstalt für blinde Kinder gebe es noch nicht. Es sei hierbei zu erwägen, daß in Berlin weit über 800 Blinde existirten, die zum größten Theil den ärmeren Klassen angehören. Anläßlich dessen habe sich der Verein konstituirt, um für die Errichtung einer Erziehungsanstalt für blinde Kinder in Berlin zu sorgen. Obwohl der Verein bereits 252 Mitglieder zähle, so vermöge derselbe aus eigenen Mitteln selbstverständlich eine solche Anstalt nicht zu errichten. Der Verein habe sich deshalb an den Ober⸗Präsidenten Dr. Achenbach und den Polizei⸗Präsidenten von Madai mit der Bitte um Genehmigung einer Hauskollekte für die Stadt Berlin gewendet. Diese Genehmigung sei auch sogleich bereitwilligst ertheilt worden. Die Kollekte, die bereits in der nächsten Woche stattfinden werde, solle dem Verein zur Verwirklichung seiner Pläne die Mittel liefern.
Nertschinsk (Sibirien). 19. Januar. (W. T. B.) Gestern ist ein Transport von 100 Pud Gold und 50 Pud Silber nach St. Petersburg abgegangen. — Heute reiste der französische Reisende Josephe Martin hier durch, um nach Irkutsk zu gehen. Derselbe hat das Wüstenland von der Lena über das Sta⸗ nowoj⸗Gebirge bis zum Amur durchforscht und ein umfangreiches geographisches und geologisches Material gesammelt.
Boston, 19. Januar. (W. T. B.) Der Dampfer City of Columbus“ mit 81 Passagieren, von denen ein Drittel Frauen und Kinder waren, scheiterte gestern auf seiner Route von Boston nach Savannah bei dem Kap Gay⸗Head an der Westspitze der Insel Martha-Vineyard an der Küste von Massachusetts. 104 Personen kamen dabei um, darunter 55 Passagiere erster, 15 zweiter Kajüte und 34 Personen von der Mannschaft. 22 Personen wurden gerettet. Im Augenblick des Scheiterns stürzte Alles auf das Deck und wurden fast Alle von den Wellen fortgerissen. Unter den Er⸗ trunkenen befindet sich auch O. Jasigi aus Boston, türkischer General⸗ Konsul für die Union.
— 20. Januar. (W. T. B.) Der Kapitän des gescheiterten Dampfers „City of Columbus“ erklärt es für unwahr, daß der Steuermann seinen Posten am Steuerrade verlassen hätte. Nach den neuesten Feststellungen sind, wie zuerst gemeldet wurde, 104 Personen, nicht 119, umgekommen.
Vietoria⸗ Theater. Das prachtvolle Ausstattungsstück Excelsior“ erfreut sich, trotzdem die 100. Vorstellung nicht mehr fern ist, noch immer des lebhaftesten Besuch's; auch die gestrige Sonntags -⸗Vorstellung war, wie bisher stets, ausverkaust.
Im Neuen Friedrich ⸗Wilhelmstädtischen Theater ist die erste Aufführung der neuen Operette von F. v. Supps, „Die Afrika—⸗ Reise“, auf Donnerstag, den 24, angesetzt. In den Hauptrollen sind be⸗ schäftigt die Damen Collin, Elise Schmidt, Koch, P. Schmidt, sowie die Herren Swoboda, Steiner, Wellhof, Rosen. Die Ausstattung soll glänzend sein; außer dem darstellenden Personal kommen in dieser Operette 130 Statisten und Statistinnen auf die Bühne.
Das Interesse des Publikums für die Weihnachts-⸗Aus⸗ stellung im Krollschen Etablissement hat, da der Schluß heran⸗ naht, sich noch so gesteigert, daß beispielsweise am gestrigen Sonntage die Kasse bereits um 6 Uhr geschlossen werden mußte. Das Haus war ausverkauft, und Hunderte fanden keinen Einlaß mehr. Die Direktion hat sich in Folge dessen entschlossen, erst am nächsten Sonntag die letzte Vorstellung zu geben. — Wie bereits mitgetheilt, geht morgen, Dienstag, zum Benefiz des Hrn. Robert Guthery, aus Anlaß der 25jährigen Schauspielerthätigkeit desselben, Der Vetter“ von Benedix und ‚Der Zigeuner“ von Berla in Scene.
Im Circus Renz findet morgen, Dienstag, die letzte Vor⸗ stellung statt, und noch in derselben Nacht verläßt Direktor Renz mit seinem gesammten Personal und dem Manegenstaate Berlin, um in den von ihm im vorigen Jabre neu erbauten prächtigen Cirkus⸗ palast an der schönen blauen Donau überzusiedeln. Jedenfalls müssen wir dem Altmeister wie auch seiner durchweg tüchtigen Künstlerschaar bei deren Scheiden für die vielen genußreichen Stunden, die sie unserem Publikum während der diesmal nur kurzen Zeit ihres Hierseins bereitet haben, aufrichtige Anerkennung aus— sprechen; denn so schwer es auch ist, im Rahmen der Manege, auf dem Gebiete der Equestrik, der Akrobatik und Gymnastik immer Neues und Auserlesenes zu bieten, so hat der rastlos schaffende und kombinirende Geist des nimmer alternden Renz doch verstanden, sein Personal und seinen weltberühmten Marstall um manche neue, ge⸗ diegene Kraft und um verschiedene excellente Dressurnummern zu be⸗ reichern. So hat er sich namentlich mit seinem zuletzt ausgespielten Haupttrumpfe, der kostbaren Ausstattungspantomime „Zarina und Attala“, die er den Wienern als Willkommengruß entgegenbringt, hier wieder ein dauerndes Andenken gesichert.
Redacteur: Riedel. Verlag der Expedition (Kesseh. Vier Beilagen (einschließlich Börsen⸗·Beilage).
Berlin:
Druck: W. Elsner.
M 18.
Erste Beilage zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗-Anzeiger.
Berlin, Montag, den 21. Januar
ESS 4.
Aichtamtliches.
Preußen. Berlin, 21. Januar. Im weiteren Verlaufe der vorgestrigen C29.) Sitzung des Hauses der Abgeordneten wurde die zweite Berathung des Entwurfs des Staatshaushalts⸗Etats für 1884/85 mit . ea. des Etats der Eisenbahnverwaltung sfortgesetzt.
Die Einnahme enthält für Eisenbahnen, die für Rechnung bes Staates verwaltet werden, die Summe von 547 323 4236 S, für Eisenbahnen, bei welchen der Staat betheiligt ist, 5411 901 6, aus sonstigen Einnahmen 142 350 S, in Summa 552 877677
Der Etat hatte der Budgetkommission vorgelegen, die durch ihren Referenten, Abg. von Tiedemann (Bomst), die unveränderte Annahme beantragte.
In Bezug auf die Uebersicht der Normal-Transport⸗ gebühren für Personen und Güter auf den sür Rechnung des Staates verwalteten Eisenbahnen, welche gleichzeitig von der Regierung eingebracht ist, beantragte die Kommission in Ueber— einstimmung mit dem Beschluß des Landes-Cisenbahnraths in seiner Sitzung vom 16. November v. J.:
die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, eine statistische
Uebersicht vorzulegen, welche ermöglicht, über die finanziellen und
wirthschaftlichen Wirkungen der Beseitigung der bestehenden Un—
gleichheiten in den Normal⸗-Transport, und Expeditionsgebühren ein Urtheil zu gewinnen.
Der Referent Abg. von Tiedemann (Bomst) erklärte, der Mehrüberschuß des Jahres 1834/85 solle sich nach dem An— schlag auf 341 Millionen belaufen, oder nach Abzug der auf die Staatsschulden verwaltung übergehenden 21,8 Millionen auf 13,2 Millionen, pro Kilometer ein Besserung von 638 Die Einnahmen seien nach der Meinung der Kommission nicht zu niedrig veranschlagt. Im laufenden Jahre werde nach einer in der Kommission von der Regierung gegebenen Mittheilung, welche allerdings nur das erste Halbjahr betreffe, der Ueberschuß gegen 1882/53 15,9 Millionen für Personen⸗ und Güterverkehr betragen. Die Kommission habe beantragt, den Etat in Einnahme und Ausgabe unverändert zu geneh— migen. Bezüglich der dem Hause vorgelegten Normaltrans— portgebühren⸗Tarife habe sich die Kommission im Interesse der Beseitigung der nicht unerheblichen, aber doch nur für kleine Flecken bestehenden Differenzen der vom Landes⸗Eisen⸗ bahnrath am 15. November v. J. beschlossenen Resolution angeschlossen, und empfehle die Annahme derselben.
Der Abg. Büchtemann erklärte, die Veranschlagung der Einnahmen in dem Etat des folgenden Jahres gewähre kein Bild, welches sich später realisiren werde. Schon im vorigen Jahre sei von mehreren Seiten darauf hingewiesen, daß die Veranschlagung nicht zutreffend, weil zu niedrig sei, und auch schon die Etats früherer Jahre wichen von der Wirklichkeit so sehr ab, daß eine erhebliche Erhöhung der Einnahmen über den Etat des vorigen Jahres unzweifelhaft gerechtfertigt wäre. Nach einer Mittheilung bei Gelegenheit der Etats verhandlun— gen sei es wahrscheinlich, daß der Einnahme⸗Ueberschuß aus der Eisenbahnverwaltung im laufenden Jahre den Änschlag um 17 Millionen überschreiten werde. Aber auch dies gebe kein richtiges Bild der Thatsachen, weil schon in den früheren Jahren der Ueberschuß ein größerer gewesen sei, als die Etatsveranschlagung. Für 1883184 sei in den eigentlichen Betriebsverwaltungen ein Ueberschuß von 213 Millionen veranschlagt. Die oben aufgeführten 17 Millionen ein— gerechnet, würde der Ueberschuß für das laufende Jahr 230 Millionen betragen. In den Etat für 1884,85 seien nun aber nur 229 610 909 S als Ueberschuß eingestellt. Danach sei unzweifelhaft, daß die Veranschlagung für den Etat für 1884/85 selbst dann nicht zutreffe, wenn man den Standpunkt der Verwaltung bei der Veranschlagung adoptire. Nach den Ctatsberathungen sei die Steigerung der Einnahmen theils auf die veranschlagte Erweiterung des im Betriebe befindlichen Bahnnetzes, hauptsächlich aber auf die günstigen Ergebnisse des Abschlusses für 1882ñ83 und die in den verflossenen Mo⸗ naten des laufenden Jahres erzielten Verkehrsrefultate ge⸗ gründet. Er stehe im Wesentlichen auch auf diesem Stand— punkt. Es hätten sich nun aber im laufenden Jahre die Einnahmen gesteigert um rund 16 Millionen Mark. Es würde nun doch zulässig sein, zu den Einnahmen, wie sie nach der Meinung des Ministers für das laufende Jahr würden erreicht werden, jenen drei⸗ oder auch zweiprozentigen * lag an Verkehrssteigerung zu machen, den die Regierung elbst angenommen habe. Selbst bei einem Zuschlag von 2 Proz. würde eine Mehreinnahme von 10 Millionen sich ergeben, und an der Hand der Ergehnisse der letzten Jahre würde dieser Zuschlag sich erheblich höher stellen. Die Schwie⸗ rigkeit, den wirklichen Ergebnissen zu folgen, liege darin, daß bei Einnahmeerhöhungen sich auch die Ausgaben erhöhten, die letzteren aber könne der Landtag nicht zutreffend schätzen. Eine Veranschlagung der Ausgaben könne ja nur auf detail⸗ lirte Kenntniß der ganzen Verkehrsverhältnisse, der Zustände auf den einzelnen Stationen, der Fahrpläne u. s. w. ge⸗ gründet werden. Alle diese Verhältnisse seien dem Landtage nicht in ganzer Ausführlichkeit zugänglich. Aus diesen Gründen habe die Kommission, wie früher, so auch jetzt keinen höheren Ueberschuß eingestellt. Er frage den Minister, ob derselbe nicht auf Grund der Erhöhung des Ueberschusses im laufenden Jahre um 17 Mil⸗ lionen selbst meine, daß mit aller menschlichen Wahrschein⸗ lichkeit der Ueberschuß für 1884.85 sich höher stellen werde, als veranschlagt sei. Alle Parteien hier im Hause seien ja über einen größeren Ueberschuß selbstverständlich sehr erfreut, andererseits aber sei doch eine richtige Veranschlagung des Ueberschusses für die Maßregeln der Regierung und auch für den Landta auf anderen Gebieten von höchster Wichtigkeit. Freilich müßse auch die Veranschlagung der Ausgaben viel früher erfolgen, als die der Einnahmen, und in diesem Punkte werde der Minister schwerlich auf eine Aenderung einzugehen geneigt sein. Indessen hoffe er doch auf eine Aus⸗ kunst, zumal jetzt von dem laufenden Etat 8 Monate hinter uns lägen, und die Auskunft des Referenten sich nur auf das erste halbe Jahr bezöge. Allerdings liege gegenwärtig
die Eisenindustrie im Westen darnieder, und das würde einen gewissen Einfluß auf den Etat haben. Aber die Produktion habe sich bisher nicht vermindert, sondern es sei eine Bewe⸗ gung der Preise nach unten eingetreten, so daß man einen erheblichen Ausfall auf den Eisenbahnen noch nicht zu befürch⸗ ten brauche. Es dürfte also eine, wenn auch geringe Ein⸗ nahmesteigerung erfolgen, zumal Abänderungen im Gebiet des Tarifweseng nicht in Aussicht ständen. Zu Einnahmeausfällen werde die Verwaltung ja auch bei der vollständigen Durch führung der Normaltransportgebühren nicht selbst Veranlaf⸗ sung geben, wenn auch in einzelnen Fällen, wie etwa bei der Oberschlesischen Eisenbahn, geringere Kohlentarife für noth⸗ wendig würden erachtet werden. Dies Alles könne bei einem Etat von über 509 Millionen Einnahmen nicht sehr ins Ge⸗ wicht fallen. Die Protokolle des Landes-Eisenbahnraths seien, wie die Berathungen desselben, etwas dürftig ausgefallen. Der Eisenbahnrath habe die Vorlegung eines Nachweises über das gesammte Gebiet der Ausnahmetarife verlangt. Schon hier⸗ aus lasse sich erkennen, daß die Art und Weise, wie das Gesetz die Mitwirkung des Eisenbahnrathes bei Ausnahme⸗ tarifen konstruire, sehr bald unpraktisch werden werde, wenn der Landes⸗Eisenbahnrath erst nachträglich dazu komme, seine Meinung über Ausnahmetarife abzugeben.
. Der Regierungskommissar Geheime Ober⸗Regierungs-Rath Rapmund entgegnete, was die Ergebnisse des laufenden Jahres betreffe, so lasse sich für das dritte Quartal noch nichts Genaues angeben. Daß die Ausgaben in stärkerem Maße wüchsen als die Einnahmen, und der Ueberschuß dementsprechend geringer werde, sei nicht nur im allgemeinen zutreffend, sondern ergebe sich auch aus dem Etat selbst. Die Personalausgaben bei den verstaatlichten Bahnen, die Ausgaben für die Erneuerung der Bahnstrecken, für neue Betriebsmittel z2c. seien sehr erheblich stärker als die Einnahmen gestiegen. Naturgemäß müsfe sich dies Verhältniß immer ungünstiger stellen, je mehr Strecken dem Staatsbahnsystem zuwüchsen.
Der Abg. Schmidt (Stettin) bemerkte, die Verhandlungen des Eisenbahnraths, die dem Hause zum ersten Male zu⸗ gegangen seien, hätten ihn nicht voll befriedigt. Der Eisen— bahnrath hätte namentlich in einer so mißlichen Frage, wie die vorliegende, seine Beschlüsse ausführlicher motiviren follen. Aus der Presse sei hinreichend bekannt, daß man allgemein den Wunsch ausgesprochen habe, daß ein Normaltarif für den Personenverkehr für die verschiedenen Klassen und Züge der Eisenbahnen durchgesetzt werden möchte. Er möchte den Minister darauf hinweisen, daß bei 13 Bahnstrecken diese Gleichheit noch nicht bestehe, und ihn bitten, diese Frage in Erwägung . ziehen. Er wende sich zu den Einnahmen. Es sei oft der Wunsch ausgesprochen worden, es möge in Er⸗ wägung gezogen werden, ob die 1. Wagenklasse nicht, wenigstens bei einer Reihe von Bahnen, aufgehoben werden könnte. Aus dem Bericht über den Betrieb der Staatseisen—⸗ bahnen für das Jahr 1882/83 ergebe sich das Resultat, daß bei sämmtlichen für Nechnung des Staates verwalteten Bahnen nur 1 Proz. aller Reisenden die erste Klasse benutzt habe. Das Verkehrs-Ministerium würde sich ein Verdienst erwerben, wenn es die Abschaffung der ersten Klasse in Erwägung zöge. Dagegen sei er für eine weitere Ausdehnung der 4. Klaffe, die bei manchen Bahnen ganz fehle. Bei den Staats— bahnen, welche dem kleinen Verkehr dienten, sei in Folge des Fehlens dieser Klasse die ländliche Bevölkerung oft gezwungen, die 3. Klasse zu benutzen, und ihr Gepäck in der Expedition aufzugeben, wodurch Zeit und Geld verloren gehe. Ein fer— nerer Punkt betreffe speziell den Direktionsbezirk Berlin. In der Provinz Pommern sei in den Bezirken, in welchen die Post⸗ sendungen durch Landbriefträger bestellt würden, vielfach darüber geklagt worden, daß z. B. die Berliner Abendzeitungen und sonstige Sendungen später zur Bestellung gelangten, als in Russich⸗Polen, Belgien, Frankreich u. s. w., da, wenn die Nachtzüge in Pommern angelangt seien, die Landbriefträger schon aufs Land gegangen seien. Er würde also dem Verkehrs⸗ Ministerium zur Erwägung empfehlen, ob nicht von hier Abends 8 Uhr ein Zug abgelassen werden könnte, der in Danzig ?7 Uhr Morgens einträfe. Im Ministerium sei in Erwägung gezogen worden, verschiedene Züge, z. B. einen Nachtzug von Aachen nach Elberfeld, aufzuheben. Wenn also an der einen Stelle gespart werden könnte, könnten wohl für einen solchen Zug, wie er ihn vorschlage, Aufwendungen ge— macht werden.
Hierauf ergriff der Minister der öffentlichen Arbeiten Maybach das Wort: Der Herr Vorredner hat die Frage an mich gerichtet, weshalb ich nicht Bedacht darauf genommen hätte, die Normaltransport⸗ gebühren einheitlich zu gestalten. Ich erwidere ihm darauf, daß die einheitliche Gestaltung der Normaltransportgebühren eine Ängelegen⸗ heit von sehr weitgehender, auch finanzieller Tragweite ist, nicht minder wirthschaftlicher Tragweite, daß, um eine endgültige Ent— schließung fassen zu können, es über diesen Gegenstand sehr eingehender Vorarbeiten, insbesondere aber der Kenntniß desjenigen Feldes bedarf, auf welchem diese Normaltransportgebühren eingeführt werden sollen. Wir haben jetzt, Dank auch der Zustimmung des hohen Hauses, von Jahr zu Jahr das Gebiet, auf welches diese Normaltransport⸗ gebühren sich zu erstrecken haben würden, durch Verstaatlichung von Privateisenbahnen, durch den Bau neuer Eisenbahnen erweitert. Dieses Gebiet, soweit es sich um Neubauten handelt, zwingt uns in— deß zu Tarifverschiedenheiten. Wir können, wenn wir kor— rekt verfahren wollen. uns erst über jene Frage schlüssig machen, wenn das ganze Gebiet, für welches diese Rormal⸗ transportgebühr einzuführen ist, sich in unserer Hand befindet. Diesem Zeitpunkt sind wir ja nahe, und wir werden, Haben wir ihn erreicht, in der Lage sein, die Frage nach allen Seiten, auch namentlich nach der wirthschaftlichen Seite zu überlegen. Denn diese Regelung der Normaltransportgebühr würde — ich setze voraus, daß der Herr Abgeordnete nicht etwa gemeint hat, es soͤllen überall die irgendwo existirenden niedrigsten Sätze zur Anmendung kommen — hier und da Erhöhungen zur Folge haben, und diese Seite der Sache müssen wir 6 35 . 6 andes · Eisenbah ie Resolution, welche der Landes Eisenbahnrath beschlossen hat, das Ersuchen an mich zu richten, eine h 29 Ver⸗ schiedenheiten auf dem Gebiete des Tarifwesens zu geben, kann ich meinerseits aeceptiren und deshalb mich auch zustimmend erklären zu dem Vorschlage Ihrer Budgetkommission. Wir werden, wenn uns das Material vorliegt, zu überlegen haben, wie wir ohne Schädigung des Landes das Ziel, welches auch wir erstreben, nach und nach er⸗
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reichen können. Das aber wird nicht zweifelhaft sein, meine Herren, daß neben diesen Normaltranspertgebühren für eine ganze Menge von Artikeln Verkehrseinrichtungen, Verkehrsbedürfnissen, will ich sagen, man Ausnahmetarife nach wie vor wird bestehen lassen müssen.
Wenn der Herr Vorredner sich darüber beklagt hat, daß nach dem Ihnen vorliegenden Berichte über die Ergebnisse des Betriebes für das Jahr 1882183 die erste Wagenklasse so wenig benutzt werde, so stimme ich ihm bei. Ich will erläuternd nur hinzufügen, daß in dem Prozentsatz, der dert angegeben ist von der Gesammtfrequenz und der ersten Wagenklasse, die Reisen auf Freikarten sich nicht be finden. Und wenn er sich darüber beklagt, daß die Zahl der Frei⸗ karten in einem außerordentlich hohen Maße auftrete, so kann man ihm vielleicht auch darin beistimmen. Me nerseits bin ich bestrebt. das Freikartenwesen möglichst zu reduziren. Ich halte dasselbe nicht für gut, so wenig für das Publikum als für die Eisenbahnverwaltung selbst, nicht so sehr aus finanziellen Gründen, als aus Gründen der Ordnung. Aber, meine Herren, Sie wissen, daß wir vermöge der Gesetze oder vermöge einer Usance eine große Menge von der⸗ artigen Freikartenberechtigungen haben. Ich sehe ab von dem Personal der Eisenbahnen; ich verweise z. B. auf die Mit⸗ glieder des Landes ⸗Eisenbahnraths, auf die Mitglieder des Reichstags, welche bekanntlich auch Freikarten haben. Daß diese Zahl und in Folge dessen der Ausfall nicht ganz gering zu schätzen ist, mögen Sie daraus ersehen, daß nach einer statistischen Aufstellung, die approxi—⸗ mativ gemacht ist, die Reisen der Herren Reichstagsmitglieder, vor— ausgesetzt, daß sie auch sonst in der ersten Klasse fahren würden, un an Einnahmeausfall etwa 139. bis 140 000 M verursachen. Drel Klassen bestehen auf allen Sekundärbahnen, das beißt: eine 2. 3. und 4. Klasse; es fehlt dort nur die 1. Klasse. Die Eisenbahn— verwaltung könnte der Reduzirung der vier auf drei Wagen— klassen, wenn das Publikum damit einverstanden wäre, zustimmen. Ich glaube aber, das Publikum würde uns sehr bald, und namentlich das Publikum, welches dem internationalen Verkehr angehört, darüber die ersten Vorwürfe machen.
Der Herr Abgeordnete beklagt sich insbesondere auch, daß kein Nachtschnellzug über Stettin nach Danzig eingerichtet fei. Es sind ähnliche Anträge an mich gelangt, und von verschiedenen Seiten unterstützt worden, auf deren Auffassung Werth zu legen ich Grund habe. Wir haben deshalb die Angelegenheit sehr scharf überlegt, uns aber schließlich sagen müssen, daß angesichts des kolossalen Opfers, welches damit der Staatskasse, auferlegt werden würde, und ange⸗ sichts des Umstandes, daß in vielen anderen Tandestheilen, wo das Bedurfniß unzweifelhaft ein viel lebhafteres ist, Nachtkurir⸗ züge noch nicht bestehen, es nicht zu rechtfertigen sein würde, zur Zeit, ich sage, zur Zeit, diesem Antrage Folge zu geben. Der Verlust Danzig kommt ja nicht in Betracht, weil Danzig über Kreuz erreicht wird und über Stargard, jedenfalls nicht rascher erreicht werden würde, weil die Strecke durch Hinterpommern eingeleisig und nicht so ausgestattet ist, wie die über Kreuz. Der Verlust, der dadurch der Staats kasse erwachsen würde, wenn man die Zwischenstrecke von Stettin nach Danzig außer Betracht läßt, würde sich auf nahezu 40 000. jährlich belaufen. Meine Herren, dies übertragen auf alle diejenigen Landestheile, in denen, wie ich agte, Nachtzüge noch nicht befteben, denen wir aber würden solche Züge nicht versagen können, würde der Staatg⸗ kasse eine Baareinbuße von vielen Millionen jährlich zufügen, und diese vielen Millionen möchte ich für diesen Zweck, so lange es nicht unumgänglich nothwendig ist, nicht preisgeben. Denn wir werden dadurch außer Stande gesetzt, für die Erweiterung unseres Eisenbahn— wesens durch Neubauten von Sekundärbahnen zu sorgen, und zugleich das Sekundärbahnnetz in gehöriger Weise auszubauen. Das halte ich für die erste Pflicht der Regierung. Später, sind wir in diefer Beziehung auf den Punkt gekommen, den wir Alle wünschen, haben wir alle die Landestheile, welche jetzt Eisenbahnen noch nicht haben, — es sind deren sehr viele — mit den nothwendigen Eisenbahnen ausgestattet, dann, meine Herren, wollen wir uns überlegen, was wir für die weiteren Bequemlichkeiten der Landestheile, die jetzt noch keine Nachtzüge haben, thun können.
Der Abg. von Rauchhaupt beklagte sich darüber, daß die Streitfälle, wo es sich um Regulirung der Eisenbahnüber— gänge zwischen der Eisenbahnverwaltung und den betheiligten Grundbesitzern oder Gemeinden handele, stets Seitens der Eisenbahnverwaltung bis in die höchste Instanz getrieben wür— den. Es sei hier nun entschieden worden, daß, wo eine Ge— meinde die Regulirung der Eisenbahnübergänge versäumt habe, die Landespolizei für die Regulirung Sorge tragen sollte. Bei den hunderttausenden derartiger Fälle wäre ein Entgegenkommen der Eisenbahnverwaltung sehr wünschens— werth, und er (Redner) habe das Vertrauen zu dem Minister, daß derselbe ein solches Entgegenkommen anordnen werde.
Der Minister der öffentlichen Arbeiten Maybach ent— gegnete, der Gegenstand, den der Vorredner herührt habe, sei bisher nicht zu seiner Kenntniß gekommen; er könne deshalb sich heute nicht darüber aussprechen, welche Stellung er zu dieser Angelegenheit einnehmen werde, wenn sie an ihn gelangen werde. Das glaube er aber sagen zu dürfen, daß, wenn irgend eine Angelegenheit sich zu einer gütlichen Regulirung eigne, die auch leicht zu gewinnen sein werde bei beiderseitigem guten Willen, es gerade diese sein werde, und daß kein Grund vorliege, namentlich für die Eisenbahnverwaltung darüber den Gemeinden und Kreisen ihre Position zu erschweren. Er hoffe, daß die Sache an ihn kommen werde, dann werde er vielleicht hieraus Veranlassung nehmen, die Sache ex officio zu behandeln.
Der Abg. Büchtemann erklärte, die Landespolizeibehörden hätten bei diesen Angelegenheiten nicht immer rechtzeitig ein⸗ gegriffen. Ferner müsse er zwei von den Zeitungen er⸗ wähnte Fälle zur Sprache bringen, wo eine Anzahl der von den Bezirks-Eisenbahnräthen gewählten Mit⸗ glieder von den Ministern verhindert worden seien, in den Landes-Eisenbahnrath einzutreten, weil sie nicht mehr der betreffenden Kategorie angehörten. Diese Auslegung des Gesetzes scheine etwas engherzig; daran habe woht Niemand bei der Fertigstellung desselben gedacht. In Betreff der Freikarten . er sagen, daß das, was die preußische Verwaltung für die Reichstagsabgeordneten thue, sehr gering sei, dagegen sei ihm nicht bekannt, worauf überhaupt das Recht des Ministers beruhe, Freikarten zu gewähren. Die Einnahme könne nicht ad libitum herabgedrückt werden, soweit das nicht auf dem Tarif selbst beruhe. Daß die Beamten Freikarten haben müßten im Interesse des Betriebs, liege auf der Hand. Aber dem Minister sei eine gesetzliche Vollmacht für andere Fälle nicht gegeben. Er habe die Frage angeregt, weil sie mit Personen zusammenhänge; er bitte also, daß darüber Auskunft gegeben werde, ob die Freikarten auf gesetzliche Bestimmung ertheilt würden, oder ob das Verwaltungskarten seien.
Der Regierungskommissar Ministerial⸗Direktor Brefeld erwiderte, in Betreff des Bezirke⸗Eisenbahnraths bemerke er,