1884 / 45 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 21 Feb 1884 18:00:01 GMT) scan diff

Viesem Muster, das der Osten selbst von Sanndver bezogen vabe! Das habe er gesagt und halte es aufrecht. Die Abgg. Ludowieg und Lauenstein hätten gesagt, der 5. 246 gehe gegen ihr konstitutionelles Gewissen. Es möge sehr fein sein dieses Gewissen; er fürchte, sie hätten es immer nur ad hoc, das seinige wenigstens habe gegen 5. 242 nicht das Mindeste ein⸗ zuwenden, zumal man eine ganz analoge Bestimmung in Bezug auf die Provinz Poser habe. Der 5. 243 enthalte auch keine allgemeine Ermächtigung, Gesetze im Wege der Verordnung durch den König zu machen, sondern es heiße darin, daß das Institut der Amtsvorsteher nach Maßgabe der Bestimmungen der Kreisordnung durch Königliche Verordnung auf Antrag des Provinzial-Landtags zu erfolgen habe. Die Wirkung dieser Königlichen Verordnung beziehe sich also nur auf Ven Einführungstermin für einen bestünmten Theil des Gesetzes, jeder andere materielle Inhalt sei ausgeschlossen. Wie wolle sich denn das konstitutionelle Gewissen der Herren mit dem 5. 29 abfinden, der den Distriktskommissar durch Ministerialverord⸗ nung einführe, also etwas viel Schlimmeres, Krasseres vor⸗ schreibe? Unmöglich könne doch Jemand, der gegen 8. 244. konstitutionelle Bedenken habe, für 5. 28 stimmen. Staunen ergreife ihn bei dieser Verhandlung über wie solle er sagen den nicht guten Willen, Gott bewahre ihn zu sagen, die Unfähigkeit, das Institut der Amtsvorsteher in seinem wahren Gehalt darzustellen, und das Wunderbare sei, daß gerade der Minister des Innern durch seine Darstellung den Widerstand der Hannoveraner gegen das Institut rechtfertige. Wenn die Auffafsung des Ministers von den Amtsvorstehern richtig wäre, so könnte er die Abneigung der Hannoveraner dagegen verstehen, der Minister thue so, als ob die Amtsvor⸗ steher ein eigentlich aristokratisches Element seien, als ob der Amtsvorsteher immer identisch mit dem großen Gutsbesitzer wäre. Das sei falsch. Wo bleibe denn da die Ge⸗ meinde? Das Institut sei doch wesentlich die In— kommunalisirung der örtlichen Polizeiverwaltung. Der Widerstand der Hannoveraner sei eben zum Theil ein ganz künstlicher, beruhend auf dem Verkennen der wirklichen Verhältnisse. Die Hannoveraner nähmen die Vorlage auch nur mit schwerem Herzen an, weil sie dächten, später könne ihnen sonst noch Schlimmeres passiren. Wenn sie aber jetzt noch einige Jahre warteten, bis die Kreisordnungen für diejenigen Provinzen kommen würden, bei denen die Regie⸗ rung nothwendigerweise die örtliche Polizeiverwaltung an die Kommunen anknüpfen müsse, was würde ihnen das dann schaden? Aus Opposition gegen die Nicht kommunalisirung ber Ortspolizei wolle seine Partei die Möglichkeit der Ein⸗ führung der Amtsvorsteherschast. Alle, die ein Interesse oder gar ein Necht auf kommunale Verwaltung der Orts polizei Hätten, müßten mit seiner Partei stimmen. Diese Nichtein⸗ führung der Amtsvorsteher in Hannover sei nicht nur den Prinzipien der Kreisordnung, sie sei jeder gesunden kommu⸗ Aalen Entwickelung zuwider, und deshalb werde seine Partei einer derartigen Kreisordnung nicht zustimmen. Wenn eine Kommunalverwaltung ihre Polizei in fremde büreaukratische Hände lege, heiße das nichts anderes, als daß die Gemeinde das Geld gebe, und die Herren Staatsbeamten damit wirthschafteten. Dies gelte gerade am meisten von der Wohlfahrtspolizei auf dem Lande. Nun gebe er ja zu, daß mit 5§. 24 a. eigentlich nichts gewonnen sei. Es sei der Versuch, einer künftigen Gesetzgebung eine gewisse Direktive zu geben; denn daß derselbe ausführbar wäre, ohne daß eigentlich Neues in dieser Gesetzgehung hinzutrete, davon könne gar keine Rede sein. Aber 8. 242. sei auch das Legislatorische Dokument, das man den hannoyerischen Parti⸗ Fularitäten zugestehe; daß das, was hier geschaffen werde, nicht in Konsequenz gezogen werden solle. Dafür sei dieser Para— graph äußerst wichtig. Es heiße: Diese hannoverischen Par⸗ tikularisten hätten durchaus etwas Partikularistisches der han⸗ növerischen Gesetzgebung abgetrotzt. Aber den Gedanken: „Gott bewahre uns, daß man diesen Partikularismus auf die anderen Provinzen ausdehnt!“ finde er auch in 5. 242. angedeutet, darum nehme er denselben an und halte diese Andeutung für viel wichtiger als alle formellen Bedenken.

Die Diskussion wurde geschlossen.

Der Abg. Pr. Windthorst bemerkte (persönlich) dem Ahg. Hänel gegenüber, daß die eigentlichen Partikularisten in die⸗ ser Frage nicht im Centrum, sondern bei den Nationallibe⸗ ralen säßen. Der Minister habe versichert, daß der Abg. von Hammerstein-Loxten sein Vertrauen besitze. Auch er vertraue demselben voll und ganz, weil er denselben fur einen der ehrenhaftesten Männer Preußens halte. Aber in dieser Sache Habe derselbe sich ganz der nationalliberalen Anschauung an— geschlossen.

Der Abg. von Lenthe erklärte, daß der Provinzial-Land⸗ tag dem Vorschlage der Regierung nur zugestimmt habe, weil derselbe das Institut der Amts vorsteher nicht gekannt habe.

Der Abg. Frhr. von Zedlitz und Neukirch (Mühlhausen) betonte, durch den Schlußantrag sei er verhindert worden, Den von ihm gestellten Antrag zu begründen. Er werde sich diese Freundlichkeit merken. Dieselbe erkläre sich vielleicht daraus, daß der Abg. von Rauchhaupt sich vor einer Kritik Des Antrages Abg. von Rauchhaupt gefürchtet habe.

Der Abg. von Rauchhaupt erklärte, er könne dem Abg. von Zedlitz versichern, daß nicht die Furcht vor seiner Kritik seine Partei bewogen habe, den Schlußantrag zu unterstützen. Seine Partei habe die Sache für völlig erschöpft gehalten und geglaubt, daß auch die Freikonservativen keinen neuen Grund Veizubringen vermöchten.

Der Abg. Frhr. von Zedlitz und Reutirch (Mühlhausen) entgegnete, der Abg. von Rauchhaupt beweise nur, daß der⸗ selbe die Sache nicht ordentlich verstehe. Allerdings ließen sich noch neue Gründe gegen den Paragraphen beibringen, durch den das Verordnungsrecht der Krone in außergewöhn⸗ licher Weise beschränkt werde.

Der Abg. von Rauchhaupt erklärte, es sei ein Unterschied zwischen falschen und richtigen Gründen. Was der Abg. von Zedlitz jetzt gesagt, beweise nur, daß derselbe gewillt gewesen sei, dem Hause etwas Falsches vorzutragen.

7 besonderer Abstimmung wurde hierauf der Antrag von Zedlitz abgelehnt und 5. 242. mit 168 gegen 120 Stim— men angenommen.

Die S§. 25 28 wurden ohne Debatte genehmigt.

5. 28 lautet nach der Fassung der Kommission:

Die im 5§. 78 Absatz 3 Der Hannoverschen Städteordnung vom 24. Juni 1568 begründete Befrigniß der Regierung, den Bezirk der

für eine Stadt beftehenden Pol izelverwaltung im Falle des Be⸗

dürfnisses über die Grenzen des Stadtgebietes hinaus zu erstrecken, 1 Provinzialrathe im Einverständnisse mit dem Minister

s Innern zu; an den betreffer den, gegenwärtig bestehenden Ver— hälraissen wird nichts geändert. Auch 4 der Minister des Innern befugt, für ostfriesische Inseln, für das Jadegebiet, sowie für Theile

der Kreise Ilfeld, Bleckede, Osterkolz und Grafschaft Benkbeim die örtliche Polizeiverwaltimig besonderen Staats beamten Hülfs⸗ beamten des Landratbes zu übertragen. Dasselbe gilt auch für Theile anderer Kreise. falls der Kreistag darauf anträgt und der Prorinzialrath zustimmt.

Die Gemeinde⸗ und Gutsvorsteher des betreffenden Distriktes sind in diesem Falle verbunden, den Anweisungen und Aufträgen des Hülfs beamten, welche derselbe in Gemäßbeit seiner gesetzlichen Befugnisse in Diestangelegenheiten an sie erläßt, nachiukommen und können hierzu von ihm, unter Anwendung der den DOrtspolizeibehörden nach §. 133 des Gesetzes über die allgemeine Landesverwaltung vom 350. Juli 1883 zustehenden Zwangsmittel, mit Ausnahme der Haftstrafe, angehalten werden.

Ein Ordnungkstrafrecht gegen die Gemeinde⸗ und Gutsvor⸗ steher, somie die Befugniß zum Erlasse ortspolizeiliche⸗ Vorschriften (§. 5 der Verordnung vom 20. September 1867, Ges. Samml. S. 1529) steht dem Hülfsbeamten nicht zu. Auch verbleibt dem Qndralhe die Befugniß, in dem Distrikte des Hülfsbeamten als Ortspolizeibehörde unmittelbar einzuschreiten.

Hierzu beantragte der Abg. Barth, zu den Kreisen, in denen Hülfsbeamte mit der örtlichen Polizeiv erwaltung betraut werden sollen, „Geestemünde“ hinzuzufügen.

Ferner beantragte der Abg. Hr. Windthorst:

Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen:

die Schlußworte des ersten Absatzes, den die Kommission beantragt habe: „dasselbe gilt auch für Theile anderer Kreise, falls der Kreistag darauf anträgt und der Provinzialrath zustimmt“ zu streichen.

Der Abg. Dr. Windthorst glaubte, daß die Kommission versucht habe, durch den von ihr beantragten Zusatz die Lücke auszufüllen, die durch den Wegfall des Instituts der Amts⸗ vorsteher entstanden fei. Allerdings werde sich das Bedürfniß einer besseren Wahrnehmung der Ortspolizei sehr bald fühl⸗ bar machen. Der zukünftige Landrath in Hannover werde dazu von seinem Amtssitz aus nicht im Stande sein. Der Abg. von Meyer habe ganz Recht, wenn derselbe den Landrath als einen Distriktskommissarius charakterisire. Der Landrath werde versuchen mit dem Landgensd'armen die Aufgaben der Ortspolizei zu erfüllen. Da nun der Landgensd'arm mehr unterwegs sei als der Landrath, so werde der eigentliche Träger der Ortspolizei der ambulirende Gensd'arm werden, ihn werde man in Hannover an Stelle der alten, guten Poli⸗ zeiverwaltung erhalten. (Zuruf: Amtsvögte,) Man habe aller⸗ dings die Amtsvögte gehabt, aber auch das Bemühen, dieselben, soweit möglich, zu entfernen. Er bleibe des halb dabei, daß man in Hannover Amtsvorsteher erhalten oder Institutionen schaffen müsse, die es ermöglichten, die Ortspolizei auf kommunale Organe zu Übertragen. Die Bürgermeister hier im Hause hätten gut reden. Sie hätten in der Stadt die Polizei in der Hand. Der Abg. Hänel habe ihnen deshalb mit Recht zugerufen: Was man in den Städten habe, müsse auch dem Lande ge⸗ geben werden. Nach den Erklärungen des Abg. von Grote begreife er nicht, wie man sich noch auf das Votum des Pro⸗ vinzial-Landtags beziehen könne, der speziell über diese Frage gar nicht abgestimmt habe. Auch ihm hätten Mitglieber des Landtags erzählt, daß sie von der Bedeutung des Amts⸗ vorstehers keine richtige Vorstellung gehabt hätten. Die Reden, die män heute von' allen Parteien gehört habe, bewiesen, daß das Institut der Amtsvorsteher die wesentliche Grundlage der Selbstverwaltung sei. Recht bedauere er, daß der Abg. Ludowieg erklärt habe, Hannover sei nicht im Stande, die Aufgabe des Amtsvorstehers zu erfüllen. Der Abg. von Grote follte dech einmal hingehen in die Gegenden, wo die Selbstverwaltung urwüchsig sei, z. B. in, das Land Hadeln. Er wolle nicht, daß die Ortspolizei in die Hand der Staatsbeamten gelegt werde. Der Abg. Schläger stimme dem zu; das beweise, daß nan in großen Städten andexs denke, als in Einbeck und in Hameln. Er als Hannoveraner würde sich schämen, eine solche Aeußerung zu thun, wie man sie vom Abg. Ludowieg gehört. Den Zusatz, den die Kom⸗ mission zu §. 29 gemacht habe, bitte er abzulehnen.

Der Abg. Dirichlet erklärte sich gegen den Zusatz der Kommission, weil der Kreisausschuß durch denselben in die Lage gebracht werden könne, über die Verfügung des Land⸗ raths zu Gericht zu sitzen. Sollte die Ueberweisung der Klage an den Bezirksausschuß erfolgen, so würde dadurch eine Ver⸗ schleppung der Streitfrage eintreten.

Der Regierungs⸗Kommissar Geh. Ober⸗Regierungsrath Haase erklärte, zuständig werde bei Streitigkeiten über der— artige Verfügungen der Bezirksausschuß sein; einer Verschlep⸗ pung derselben sei dadurch vorgebeugt, daß in den meisten dieser Fälle das Beschlußverfahren an die Stelle des Streit⸗ verfahrens getreten sei.

Der Abg. Frhr. von Zedlitz und Neukirch (Mühlhausen) hielt den Zusatz der Kommission für unglücklich. Das Institut staatlicher Hülfsbeamten dürfe nur ein äußerster Nothbehelf fein. Die Regierung habe auch nicht gefunden, daß ein Be— dürfniß über die einzelnen von ihr bezeichneten Fälle hinaus bestehe. Sollte sich weiter die Nothwendigkeit ergeben, Hülfs—⸗ beamte neben dem Landrath zu bestellen, so sollte von der Regierung der Weg eingeschlagen werden, daß ein Theil der polizeilichen Funktionen auf den Gemeindevorsteher übertragen werde.

Der Abg. Dr. Brüel bat im Widerspruch mit dem Abg.

indthorst, den Kommissionsbeschluß anzunehmen. Die Re⸗ gierung habe anfangs vorgeschlagen, daß es ihrem Ermessen anheimgestellt werde, in allen Kreisen solche Hülfs⸗ beamte zu bestellen. Dagegen habe sich der Pro⸗ vinzial-⸗ Landtag in der richtigen Erkenntniß gewehrt, daß mit der Ertheilung einer solchen Befugniß der Polizei⸗

willkür Thür und Thor geöffnet werde. Die Regierung habe

alsdann bestimmte Kreise bezeichnet, in denen die Einführung polizeilicher Hülfsheamten nöthig sein werde. Die Kommission habe indessen befunden, daß außer den speziell bezeichneten Kreisen sich noch andere finden könnten, in denen die Be⸗ stellung von Hälfsbeamten nöthig werde, um die Handhabung der örtlichen Polizei wirksam zu machen. Deshalb der Zusatz der Kommission, den er anzunehmen bitte.

Der Abg. Dr. Windthorst erklärte sich gegen den Zusatz, weil er eine tiefbegründete Ähneigung gegen polizeiliche Sub⸗ alternbeamte habe. Man lasse sich zu sehr durch das Wörtlein „Hulfsbeamte“ bestechen, während es sich in Wahrheit um Surbalternbeamte handele, die aus den Militäranwärtern her⸗ vorgegangen seien.

Ver Regierungskommissar Geheime Ober⸗Regierungs⸗Rath

Haase erklärte, 6. die Regierung mit dem Antrage des Abg. Barth, einen solchen Hülssbeamten auch für Geestemünde zu bestellen, einverstanden sei.

Der Referent der Kommission Abg. Barth führte imm Schlußwort aus, daß, nachdem man bie Polizeiaufsicht durch den Landrath angenommen hahe, man nunmehr dem 5. 29 in der Kommissionssassung zustimmen müsse, der namentlich den

durch Wassersnoth bedrohten Landestheilen augenblickliche Hülfe durch die Behörde schaffen wolle.

Die Diekussion wurde geschlossen.

In persönlicher Bemerkung wandten sich die Abgg. Ludowieg, Lauenstein und von Eynern gegen den Abg. Windt⸗ horst mit dem dringenden Ersuchen, sie mit persönlicher Kritik und unsachlichen Angriffen zu verschonen.

Der Abg. Lauenstein bezeichnete dieselben, soweit sie der Abg. Windthorst „in seinem Verdruß“ gegen ihn gerichtet, als unwahre Verdächtigungen.

Der Abg. von Eynern verwahrte sich dagegen, daß der Abg. Windthorst ihm die Einmischung in hannöversche Ver⸗ hältnisse zu untersagen sich herausgenommen habe.

Der Abg. Dr. Windthorst erklärte, er verschränke dem Abg. von Eynern dieses Recht keineswegs; der Abg. von Eynern solle es aber in der Reihenfolge der Redner, nicht durch Interjektionen wahrnehmen, und er (Redner) werde sich die Erlaubniß nehmen, den Abg. von Eynern ferner zur Ord⸗ nung zu verweisen, wenn er solche Unterbrechungen mache. Er (Redner) sei auch keineswegs ärgerlich, auch nicht verdrieß⸗ lich, im Gegentheil sehr vergnügt gestimmt, weil die Debatten von gestern und heute in der Heimath darüber aufklären würden, wer die alten Institutionen vertrete und wer sie zer⸗ störe; daß Letzteres vorwiegend von den Bürgermeistern ge⸗ schehe, müsse ebenfalls in der Heimath erkannt werden. Die Bürgermeister seien heute wie gestern für diese bureaukratische Kreisordnung eingetreten und wenn sie ferner im Provinzial— Landtag das Regiment führen würden, so würden die Hülfs⸗ beamten in übergroßer Zahl ernannt werden. Das sei keine ö sondern eine Darstellung der wirklichen That— achen.

Der Abg. von Eynern verbat sich ein für allemal die Anmaßung des Abg. Windthorst, ihn zur Ordnung zu ver⸗ weisen.

Der Antrag Barth auf Einschaltung von Geestemünde wurde angenommen, ebenso der Antrag Windthorst; 5§. 29 wurde mit großer Majorität in dieser Fassung genehmigt, des⸗ gleichen 8§5. 30—72.

§. 73 lautet nach der Vorlage, dem sich die Kommission angeschlossen hatte:

Der Landrath beruft die Kreistagsabgeordneten zum Kreistage durch besondere Einladungsschreiben, unter Angabe der zu verhan— delnden Gegenstände, führt auf demselben den Vorsitz, leitet die Verhandlungen und handhabt die Ordnung in der Versammlung. In Behinderungsfällen übernimmt der dem Dienst- beziehungsweise Lebensalter nach älteste anwesende Kreisdeputirte den Vorsitz.

Mit Ausnahme dringender Fälle, in welchen die Frist bis zu drei Tagen abgekürzt werden darf, muß die Einladung sämmtlichen Kreistagsabgeordneten mirdestens 14 Tage vorher zugestellt werden. Gegenstände, die nicht in die Einladung zum Kreistage aufgenommen sind, können zwar zur Berathung gelangen, die Fassung eines bin⸗ benden Beschkusses über dieselben darf jedoch erst auf dem nächsten Kreistage erfolgen.

Anträge von Kreistagsabgeordneten guf Berathung einzelner Gegenstände sind bei dem Landrathe anzubringen und in die Ein—

sadung zum nächsten Kreistage aufzunehmen, insofern sie vor Erlaß

der Einladungsschreiben eingehen. Der Landrath ist verpflichtet, jährlich wenigstens einen Kreistag anzuberaumen, außerdem aber ist er hierzu berechtigt, so oft es die Geschäfte erfordern. Die Zu— sammenberufung des Kreistages muß erfolgen, sobald dieselbe von einem Viertel der Kreistagsabgeordneten oder von dem Kreis—⸗ ausschusse verlangt wird.

Von einem jeden anzusetzenden Kreistage hat der Landrath dem Regierungs-Präsidenten unter Einsendung einer Abschrift des Ein— ladangsschreibens Anzeige zu machen.

Der Abg. von Meyer (Arnswalde) bemerkte, der Land⸗ rath sei in der alten Kreisordnung schon ziemlich kalt gestellt, und nur das Herkommen, das besser sei, als das Gesetz, habe den Landrath vor einer gründlichen Erschütterung seiner Stell ung bewahrt. In Hannover dürfte es dem Landrath

sehr viel schlechter gehen, wenn derselbe, wie 3. 73 vorschreibe,

auf dem Kreistag kein Stimmrecht haben solle. Nehme man dazu, daf der Landrath jetzt, wo ihm die Ortspolizei übertragen werde, zu einem Suhalternen der Amtsrichter gemacht sei, die seine

Thätigkeit vollständig aufheben könnten, daß ferner der Landrath

aber die Stäbte von 4 10 000 Seelen nicht mehr die Auf— sicht führe, so sollte es doch den Hannoveranern nur angenehm

sein, dein Landrathe wenigstens im Kreistage Stimmrecht zu

geben. Auf die Wahl in den Kreistag, die der Landrath doch. nicht zu erwarten habe, sollte man ihn nicht vertrösten. Es sei ja schon eine Anomalie, daß ihm das Stimmrecht nicht ohne Weiteres zustehe. Am Rhein dürfe jeder Bürgermeister in der Gemeindeversammlung mitstimmen, auch wenn derselbe büreaukratisch ernannt sei, gebe er auch bei Stimmengleichheit den Ausschlag. Er (Redner) empfehle den Hannoveranern, solchen Antrag zur dritten Lesung zu stellen. Man habe ja diese ganze Stellung aus besonderen konstitutionellen Gesichts⸗ punkten dem Landrath gegeben; der Landrath solle im Kreis⸗ tage Parlament und Minister spielen; seine Hauptaufgabe folhe, wie in der Nationalversammlung ein demokratisches Pütglied einmal bezüglich der Minister gesagt habe, darin be⸗ stehen, sich in der Kammer angreifen zu lassen. Ihm scheine es aber ganz ungefährlich, auch einem büreaukratischen Land⸗ rath Unparteilichkeit zuzutrauen. Seien doch auch sämmtliche Präsidenten dieses Hauses, die auf Grund schwankender Ma⸗ joritäten gewählt seien, stets unparteiisch gewesen, und der Vorwurf der Parteilichkeit sei ihnen höchstens von ihren eigenen Parteigenossen gemacht worden.

§. 73, sowie der Rest des Gesetzes wurden ohne Debatte angenommen.

Die Kommission beantragte folgende Resolutionen:

Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen:

1) Das Haus der Abgeordneten bezeugt der Königlichen Staatsregierung den Wunsch, daß von der Befugniß, welche durch die Königliche Verordnung über die Polizelverwaltung in den neu erworbenen Provinzen vom 20. September 1867 dem Minister des Innern beigelegt ist, dahin,

in Gemeinden, in welchen die örtliche Polizeiverwaltung durch

eine Stagtsbehörde oder einen Staatsbeamten geführt wird,

einzelne Zweige der örtlichen Polizeiverwaltung den Gemeinden ur eigenen Verwaltung unter Aufsicht des Staats zu überweisen, in der Provinz Hannover ein möglichst ausgiebiger Gebrauch ge— macht werde, unbeschadet übrigens einer späteren gesetzlichen Er⸗ weiterung der ortspolizeilichen Befugniß der Gemeindevorsteher.

2) Die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, den Sitz des Kreises Linden nach Wennigsen zu legen.

„) Die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, den Sitz des Kreises Grafschaft Bentheim nach Neuenhaus zu legen.

Die erste Resolution wurde ohne Diskussion angenommen.

Dagegen wurden die zweite und dritte Resolution ver⸗ worfen, nachdem sich der Abg. Dr. Müller (Hannover) gegen die erstere, der Abg. Dr. Frhr. von Schorlemer⸗-Alst gegen die letztere erklärt hatten.

Damit war die zweite Berathung der Kreisordnung für Hannover beendigt.

Hierauf vertagte sich das Haus um 4 Uhr auf Donnerstag 11 Uhr.

Die in der gestrigen (51.) Sitzung des Hauses der Abgeordneten bei der zweiten Berathung des Ent⸗ wurfs einer Kreisordnung für die Provinz Han⸗ nover nach dem Abg. von Liebermann von dem Vize⸗Präsi⸗ denten des Staats Ministeriums, Staats⸗Minister von Putt⸗ kamer gehaltene Rede hatte folgenden Wortlaut:

Meine Herren! Ich erlaube mir, in diesem Stadium der Dis⸗ kussion bereits das Wort zu nehmen aus zwei Gründen: Erstens habe ich das hohe Haus um Entschuldigung zu bitten, wenn ich nachher wegen unauffchiebbarer Staatsgeschäfte mich eine Zeitlang entfernen muß und vlelleicht nicht mehr in der Lage bin, die nachfolgenden Herren Redner zu hören. Zweitens aber haben die beiden Herren Vorredner, die ich soeben zu hören die Ehre hatte, so viel Gesichtspunkte in die Diskussion gebracht, daß ich den Standpunkt zu entwickeln in der Lage bin, der die Regierung dem §. 24 und dem von der Kom⸗ misston beschlossenen 8. 4 gegenüber einzunehmen hat.

Ich konstatire also zunächst mit Befriedigung, daß die Kommission den Grundgedanken der Vorlage, soweit er sich mit der Organisation der örtlichen Polizeiverwaltung beschäftigt, acceptirt hat, das heißt, die in Hannover historisch begründete Ortspolizeiverwalturg durch Staats⸗ beamte aufrecht zu erhalten, und den Amtsvorsteher wenigstens in diesem Gesetz nicht zu einem Institut zu erheben. Ich begrüße das mit um so größerer Freude, als, wenn der Beschluß ein gegentheiliger gewesen wäre, wenn die Kommission die organische Einführung des Instituts der Amtsvorsteher vorgeschlagen haben sollte, ich natürlich die Bitte ausgesprochen haben würde, die Vorlage zur Umarbeitung an die Regierung zurückgehen zu lassen, weil die selbstverständliche Folge die gewesen sein würde, wenn die Regierung überhaupt sich mit? dem Institut der Amtsvorsteher in Hannover befreunden könnte, dann die Kreisbildung einer gründlichen Revision zu unterwerfen und die Einführung der jetzt von der Regierung acceptirten Eintheilung der Propinz in kleine Kreise rückgängig zu machen. Indeß das ist, wie ich mit Befriedigung konstatire, nicht der Fall, und ich habe mich daher im Wesentlichen mit dem §. 24 a zu beschäftigen.

Ich sehe ganz ab von dem Bedenken, welches man gegen diesen Paragraphen erheben könnte wegen seiner ganz außergewöhnlichen Form. Ich glaube, daß es in der ganzen preußischen Gesetzgebung bisher ohne Vorgang ist, ein Programm aufzustellen und die dem⸗ näͤchstige eventuelle AÜusführung dieses Programms in die Hände der Krone zu legen mit Zustimmung eines provinziellen Organs. Wenn ich mir die bisherige preußische Gesetzgebung vergegenwärtige, kann ich nur einen einzigen, allerdings sehr wichtigen Vorgang ins Gedächtniß zurückrufen. Das ist das Gesetz, welches in die Hände Sr. Majestãät des Königs die Befugniß legte, eine Erste Kammer zu bilden, bloß nach dem Gesichtspunkte, daß die Krone an die Ernennung erblicher und lebenslänglicher Mitglieder gebunden war. Aber dieser Vorschlag geht doch darüber noch hinaus, denn er will eine künftige Regelung vorbehalten durch die Krone, in dem entgegengesetzten Sinne wie das zur Berathung stehende Gesetz ent⸗ hält. Wie gesagt, meine Herren, ich kann ja von meinem Stand⸗ punkt aus ein Bedenken materieller Art hieraus nicht entnehmen, Denn ich erkenne an, daß das Haus mit dem Votiren eines solchen F§z 24a der Krone eine Befugniß delegiren würde, welche die Macht⸗ stellung der Krone in keiner Weise beeinträchtigt, im Gegentheil erweitert. Ich würde also als Diener der Krone kein Interesse haben, mich dagegen auszusprechen, aber ich habe mich für verpflichtet ge⸗ halten, auf diese außerordentliche parlamentarische Lage in Bezug auf §. 24 a aufmerksam zu machen, damit nicht etwa der Vorwurf nach⸗

her erhoben würde, daß das von Seiten des verantwortlichen Ministers vernachlässigt worden wäre.

Indessen, meine Herren, ich kehre zu der Sache zurück und sage Folgendes: Wenn man den Satz aufstellt, daß bei einer Neuorga⸗ nisation der ländlichen Ortepolizeiverwaltung die beste Form die der chrenamtlichen Verwaltung sei, so darf ich kühnlich behbrtvten daß solche Bemerkung Niemandem gegenüber überflüssiger wäre als mir, denn ich bin von vornherein ein warmer Anhänger der Kreisordnung von 1872 gewesen und habe mich bemüht, sie in den Grenzen der mir damals auferlegten amtlichen Befugnisse zur Durchführung zu bringen. Frlcuben Sie mir, meine Herren, daß ich zur Bekräftigung dessen, was ich spaͤter gegen den 8. A noch auszuführen habe, hier zu erinnern an die historische Entwickelung, welche diese Angelegenheit in den Kreis⸗ ordnungsprovinzen genommen hat. Als wir vor das große Problem ge⸗ stellt waren, an die Stelle der dem Untergang verfallenen Patrimonial⸗ poltzei in den östlichen Provinzen der Monarchie etwas zu setzen, meine Herren, da erhoben sich sofort die großen Schwierigkeiten, welche bei jeder Lösung einer großen politischen Aufgabe, eines großen sozialen Problems zu entstehen pflegen. In der Negation, in der Verwerfung und Aufhebung der alten gutsherrlichen Polizei war Allet einig mit sehr geringen Ausnahmen. Ich dar erinnern, daß, soviel ich mich der Sache entsinne, eigentlich der Führer der konservativen Oppo: sition Hr. von Gerlach der einzige war, der mit voller Bestimmtheit die alten ständischen Institute aufrecht erhalten wollte. Also ich kann sagen, im Großen und Ganzen war Alles einig in der Bejahung der Nothwendigkeit, wir müssen die gutsherrliche Polizei den gegenwär— tigen Verhältnissen gegenüber aufheben. Aber nun entstand die große Frage: Was setzen wir an die Stelle? und da sind alle die Ge sichtspunkte, die jetzt hier bei der Aufstellung der hannöverschen Kreisordnung erhoben werden müssen, auch damals naturgemäß zur Erörterung gekommen. Meine Herren, in den mitteleuropäischen Staaten mit unseren sozialen und Kulturverhältnissen giebt es meiner Meinung nach nur drei Formen, in denen die Ortspolizeiverwaltung auf dem Lande geführt werden kann: entweder man setzt den höher gebildeten Staatsbeamten, also nach unseren Begriffen den Landrath oder den Amtshauptmann an die Spitze eines größeren Distrikts, giebt ihm etwa Hülfsbeamte zur Seite, die ihn aber nur als mecha⸗ nische Hülfe unterstützen und erreicht damit eine Organisation auf einem größeren Gebiete, oder man theilt die hestehenden Kreise und auch die Aemter in wenige, aber immerhin noch größere Bezirke und übergiebt die Verwaltung dieser Bezirke bes oldeten Subalternbeamten was ich für die unvollkommenste Form erachten möchte oder man wendet sich an die Opferwilligkeit der Eingesessenen selbst und kreirt das Institut einer ehrenamtlichen Polizei. Ich muß in Abrede stellen, daß die Verhältnisse im Jahre 1872 und die allgemeine Stimmung über die Einführung des Instituts der ehrenamtlichen Amtsvorsteher durchweg so gelegen hätten, wie der Hr. Abg. Dr. Gneist es heute hat darstellen wollen. Es ist ja richtig, große Gruppen unserer länd⸗ lichen Berölkerung waren in sehr ernstem Zwelfel darüber, ob ein dech damals sich als ein Sprung ins Dunkle darstellender Schritt von so ungeheurer Wichtigkeit wie die Aufhebung der alten guts⸗ herrlichen Polizei und die Einsetzung derselben durch ehren⸗ amtliche Funktionäre sich, bewähren würde. Aber daß auch, nach⸗ dem über dieses Prinzip einmal entschieden war, sich eine weitere und dauernde Abneigung, gegen die Ueber⸗ nahme dieser Funktion von Seiten Derjenigen, denen sie zuge⸗ dacht war, kundgegeben hätte, meine Herren, das ist nicht richtig, ich kann aus meiner Erfahrung selbst bekunden, daß, sowie die Würfel gefallen waren, sich im Großen und Ganzen die gesammte lassen Sie es mich mit dem englischen Ausdruck bezeichnen, er trifft es am besten die gesammte ländliche gentry mit einer über alles Lob erhabenen Opferwilligkeit der Erfüllung dieser Aufgabe zugewandt hatte, abgefehen von irgend welchen politischen Tendenzen. Die siberalen Gutsbesitzer in Ostpreußen haben das mit derselben Hin—⸗ gebung gethan wie die ultrakonservativen Gutsbesitzer Hinterpommerns, und das Resultat also ist gewesen eine dauernde Ausgleichung

und befriedigende Gestaltung der Verhältnisse. Aber, meine Herren, eines habe ich doch hierbei zu bedenken, und ich glaube, ich werde keinem Widerspruch begegnen, wenn ich das offen ausspreche: Die

ehrenamtliche Verwaltung der Ortsvolizei ist eine eminent aristokra— tische Einrichtung natürlich nicht im enghegrenzten Sinne irgend eines Standesprivilegiums, sondern in dem Sinne, daß sie auf die Dauer wirksam und fruchtbringend nur ausgeübt werden kann von Denen, die in Bezug auf Bildung, Unabhängigkeit und Opferwilligkeit an der Spitze der Nation stehen.

Also die Folge davon ist, daß nur in solchen Landestheilen, wo die thatsächlichen Voraussetzungen hierfür in vollem Umfange gegeben sind, man auch mit vollem Vertrauen auf dauernde, gedeihliche Wirksamkeit das Institut der Amtsvorsteher einführen kann.

Nun, meine Herren, muß ich doch das Bild, welches der Abg. Pr. Gneist vorber in Bezug auf die völlig ausreichende Auswahl der Organe der örtlichen Polizeiverwaltung, das heißt der Amtsvorsteher in den alten Landen uns enlrollt hat, doch nach meiner Erfahrung einige kleine Vorbehalte hinzufügen. Es ist richtig, im Großen und Ganzen hat sich die Institution bewährt, aber in denjenigen Theilen der alten Lande der Hr. Abg. Pr. Gneist hat sie ja vorher geschildert wo die besitzende gentry sehr dünn gesäet ist, wo die Auswahl eine sehr geringe nur hat sein können, da hat man doch auch schon nach dem nicht ganz unbedenklichen und einigermaßen mißlicken Institut der berüchtigten kommissarischen Amts vorsteher greifen müssen, das heißt also, in Ermangelung der wirk— lichen, für das Amt von Natur voraus bestimmten Verwalter eine Art von ortepolizeilichen Funktionen, auf welche genau die Schilderung paßt, die der Abg. De. Gneist vorher von den Subälternfchreibern gemacht hat. Und ich glaube, meine Herren, daß man sich nun die Frage vorzulegen bat; ist es nicht richtig, daß man sich mit großer Vorsicht die Verhältnisse eines Landestheils, den man mit einer neuen Organisation versehen will, betrachten, und diefen Landestheil daraufhin prüfen muß, ob in ihm nun wirklich all die Elemente der ehrenamtlichen Ortepolizeiverwaltung in dem Um⸗ fange vorhanden sind, daß man ihm voll vertrauen lann, damit man ibm nicht statt einer Wohlthat ein Uebel zufügt. Denn das werden

die Herren doch alle mit mir annehmen, daß, wenn und wo man sich überzeugen muß, daß innerhalb der besitzenden Bexölkerung die Elemente der unentgeltlichen örtlichen Polizeiverwaltung nicht in vollem Umfang vorhanden sind, man aber dennoch den Staats⸗ beamten eliminirt daß dann ein Uebelstand zu bedauern sein würde, den wir auf allen Seiten des Hauses als Subalternschreiber⸗ regiment verwerfen. Von diesem Gesichtspunkt aus muß ich mir denn doch die Verhältnisse Hannovers etwas näher ansehen. Ich stütze mich dabei in erster Linie natürlich auch auf die Begutachtung der berufenen Organe, wenngleich ich dem Hrn. Abg. Gneist die Konzession machen will, daß dieses Votum nicht durchweg zutreffend sein mag, denn ich muß anerkennen, daß bei der Behandlung unserer altländischen Gesetzhebung sehr viel pessimistische Blicke in die Zukunft auch von den Korporationen gethan sind, die sich in der Zukunft nicht bewährt haben. Es, könnte also auch möglich fein, daß der Provinzial-Landtag in Hannover in der bisherigen Zusammensetzung und in der Stimmung, in der er sich befunden, zu weit gegangen ist in der vessimistischen Beurtheilung des Vorhandenseins von Organen für die örtliche Polizeiverwaltung. Aber, meine Herrer, ich stütze mich bei der Vertheidigung der Ansicht, daß die Amtsvorsteher, wenigstens für absehbare Zeit für Hannover nicht passen, auf die thatsächlichen Ermittelungen, die die Regierung hat anstellen können. Ich gehe also davon aus, daß im Großen und Ganzen der Großgrundbesitz in einem Lande in reichem Maße vor— handen sein muß, wenn man das Institut der Amtsvorsteher auf ihn reduziren will. Nun wird Niemand bestreiten, daß, wenn man die große Gruppe der Kreisordnungsprovinzen einerseits, und Hannover andererseits betrachtet, so wird einzelne sokale, geographische, topographische Verhältnisse ausgenommen doch immer behauptet werden müssen, daß der Großagrundbesitzer in den' östlichen Provinzen in unendlich viel größerem Umfang und in unendlich viel größerer Bedeutung vorhanden ist als, in Hannover. Ich glaube, den Satz wird Niemand bestreiten, der die Verhältnisse kennt. Egs' fragt sich nur, wer wird sich entschließen, die politischen Konfequenzen dieser Thatfachen zu ziehen. Die Regierung hat es eben mit dem Vorschlage gethan, die Amtsvorsteher in der Provinz Han⸗ nover nicht einzuführen, und zwar aus der Besorgniß, der Provinz damit statt einer Wohlthat ein Uebel zuzufügen. Nun, meine Herren, erkenne ich ja vollständig an, daß ja davon gar keine Rede sein kann, das Institut der Amtsvorsteher ausschließlich zu begründen auf den

sogenannten Großgrundbesitz wir wärden damit auch in en östlichen Provinzen einst ans Ziel gekommen sein —, sondern man wird auch eine größere Anzahl sagen wir mal der Aus⸗ druck wird ja wohl erlaubt sein bäuerlicher Besitzer mit zu dem

Ehrenamt heranzuziehen heben. Ich erkenne an, meine Herren, daß diefe sozialen Gruppen der Bevölkerung in Hannover in einer Be⸗ deutung und in einer Kulturstufe sich vor uns präsentirt, welche nun wiederum ihrerseits den betreffenden sozialen Gruppen in den östlichen Provinzen überlegen ist, es kann keine Rede davon sein, das irgend⸗ wie ableugnen zu wollen. Es ist richtig, und meine eigenen Erfah⸗ rungen, so weit ich sie auf zahlreichen Reisen in der Provinz Han⸗ nover habe machen können, auf denen ich versucht habe, gerade mit diesen Schichten der Bevölkerung persönlich in Berüh⸗ rung zu kommen, haben mich belehrt, daß allerdings in Hannover der kleine Grundbesitzer, soweit, er sich in einer wohlhabenden Position befindet, also der wohlhabende Bauer, auf einem Bildungsgrade steht, welcher das Gefühl des Ueberblicks über die Gesammtheit der ihn umgebenden Verhältnisse erweckt, und im Durchschnitt über das Bildungsniveau unferer bäuerlichen Besitzer in den östlichen Provinzen hervorragt. Ich speeche dies selbstverständ⸗ lich offen aus, damit Sie in aller Vollständigkeit die Elemente über ehen können, aus denen das Votum der Regierung sich zusammen— setzt. Ich erkenne allo an, daß theilweise der Mangel des Groß grundbefiges als ein Substrat und Instrument für die örtliche Po⸗ fizeiverwaltung in Hannover ausgeglichen wird durch das reichere Vorhanvdensein einer gebildeten bäuerlichen Bevölkerung. Aber, meine Herren, eine andere Frage ist die, ob trotz der von mir ge schilderten Vorzüge diese Gruppen der Bevölkerung im Großen und Ganzen recht geeignet ist, mit ortspolizeilichen Funktionen betraut zu werden, namentlich auch von dem Gesichts⸗ punkte aus, daß ihr, soweit meine Erfahrung reicht, ein unzerstörbarer Widerwille innewohnt, solche Funktionen zu übernehmen, sowohl pafsiv wie aktiv, wenn ich mich so ausdrücken darf. Es ist ja bekannt, daß in Hannover diejenigen kleinen Grundbesitzer., welchen man die Uebernahme der ehrenamtlichen ortspolizeilichen Funktionen ansinnen würde, das nicht wollen; man würde also dann auf den vom Hrn. Abg Gneist, wenn auch mit einiger Uebertreibung, gekennzeichneten Standpunkt kommen, daß es sich hier um Ueberwindung eines Wider standes handeln würde; aber vor allen Dingen muß ich behaupten, daß diejenigen Elemente der ländlichen Bevölkerung, welche als pares inter pares gewissermaßen unter die Amts vorsteher⸗ schaft der kleinen ländlichen Besitzer kommen sollten, dagegen den äußersten Widerstand erheben würden. Das haben mir alle Unterredungen, die ich mit kompetenten Hannoveranern gehabt habe, thatsächlich bewiesen, und ich bin davon vollkommen überzeugt, das würde in den Gruppen der Administrirten wenn Sie einmal den Ausdruck der französischen Technik gestatten wollen eine sehr starke Opposition dagegen hervorrufen, unter die Ortspolizeigewalt eines in Bildung und fozialen Einfluß ihnen gleichstehenden Mannes zu ge— rathen. Wenn ich nua zu diesen Elementen in meiner Vorlagz noch binzufüge, daß in Anerkennung dieser unzweifelhaft uns bedrohenden Nachtheile höchst wahrscheinlich die . der Einführung der Amts⸗ vorsteher die sein würde, daß wir in großem Umfange von dem Institut der kommissarischen Amtsvorsteher würden Gebrauch machen müssen, so kann ich nur sagen, die Staatsregierung hat sich und das gilt namentlich dem einstimmig, gefaßten Votum des Provinzial ⸗Landtags gegenüber nicht entschließen können, Ihnen die Einführung des Instituts der Amtsvorsteher vorzuschlagen, obwohl wie wir jg bereimillig und freudig anerkennen, daß sich dasselbe in den alten Provinzen durchaus bewährt hat.

Wenn das nun richtig ist, wenn also auch die Kommission in

Anerkennung dieses sich nicht hat entschlleßen können, jetzt die Ein⸗ fübrung der Amtsvorsteher zur Einführung vorzuschlagen, dann, meine Herren, frage ich: hat es nicht seine großen Bedenken, ein Zukunfts⸗ programm in demselben Gesetz, wo diese Frage verneint wird, in be⸗ jabendem Sinne denn das soll es doch sein aufzustellen? Was thut denn der Provinz Hannover vor allem noth? Und das haben auch die Herren, auch Hr. Windthoerst anerkannt, daß sie endlich mal zur Rube kommt in Bezug auf organisatorische Fragen. Ich erkenne vollk:mmen an, daß die 1867 dort gesckehene Bildung der Kreise, wie sie jetzt bestehen, wo allein und nur aus rein mechanischen Grün⸗ den verschledene ÄAemter zusammengefügt sind und dem Amtshaupt= mann des einen Amtes auch die Verwaltung der Militär⸗ und Steuersachen den Übrigen Aemtern des Kreises mit übertragen ist, cines der unglückseligsten Gebilde gewesen ist, worauf wir nur je verfallen konnten. Die Regierung, das muß ich anerkennen, trägt ja dafür mit die Verantwortung und jenes Vergehen läßt sich nur aus dem damaligen Mangel der Erfahrung entschuldigen; daß wir alsfo auß diesem Zustande herauskommen müssen, darüber kann kein Zweifel sein. Wird aber dies anerkannt, so muß doch vor Allem ein Zustand geschaffen werden, der rie Bürgfschaft der Dauer für absehbare Zeiten in sich trägt. Wohin würde aber die Annahme des §. 24a führen? Unzweifelhaft dahin, daß in der Provinz Hannover sich die Meinung verbreitet, die Institution und Organifation, die wir jetzt geschaffen haben, ist eine Durchaus unvollkommene und muß möglichst rasch durch bessere ersetzt werden, und die Folge ist eine Unsicherheit der Stimmung, welche, glaube ich, mit dem Worte Agitation, welches Hr. Dr. Gneist an⸗ wandte, durchaus nicht unrichtig bezeichnet ist, und vor diesem Zu⸗ stande möchte die Staatsregierung die Provinz Hannover sehr gern bewahrt sehen. Wir erkennen an und das ist auch die unvermeidliche Folge großer Staatsveränderungen für die einverleibten Provinzen —, daß Hannover bis auf einen gewissen Grad zum Versuchsfelde administrativer Exveri⸗ mente gemacht ist. Ich erinnere an das eben Gesagte. Aber um so dringender halten wir das Bedürfniß, endlich zur Ruhe zu kommen und Organisationen zu schaffen, welche, was gewiß nicht ver⸗ kannt werden kann, die innere Bürgschaft der Dauer in sich, tragen. Denn, meine Herren, man mag mit dem Hrn. Abg. Gneist die Mög⸗ sichkeit, daß der Landrath die Ortspolizei wirksam und fruchtbringend und für das öffentliche Interesse nützlich ausüben kann, bezweifeln so viel man will, aber die Thatsache widerspricht dem doch. Gerade aus den provinziellen Verhältnissen Hannovers heraus kann ich doch den Beweis führen, daß Jahrhunderte diese Form der Polizeiverwal⸗ tung die Bevölkerung befriedigt und wirksam funktionirt hat, und ich glaube, die bloße Behauptung, daß durch die Vervielfältigung der polizeilichen Aufgaben diese von Tag zu Tag schwieriger werden, kann unmöglich dazu ausreichen, den Grundsatz, der sich in Hannover be—⸗ währt hat, zu widerlegen. Ich habe ja vorher anerkannt und thue das aus vollem Herzen, daß die ehrenamtliche Polizeiverwaltung eine Perle unserer Einrichtungen ist. Aber soweit zu gehen, daß man sagt, wie der Hr. Abg. Gneist, die ganze übrige Slbstverwaltung, also die obrigkeitliche Aufsicht und die Thätigkeit der Verwaltungsgerichte und Alles, was darum gruppirt ist, ist gewissermaßen illusorisch, wenn man nicht die bürgerliche lokale Polizeiverwaltung daneben hat, daß sich aus der Alles ausbaut, meine Herren. das kann ich absolut nicht anerkennen. Es sind diese beiden Gruppen von Gesichtspunkten von einander durchaus zu trennen. Man kann eine durch Staats beamte ausgeführte Polizei haben und andererseits der Bevölkerung den vollen rechtlichen Schutz gewähren und dauernd gewähren, welcher in dem Organismus der obrigkeitlichen Selbstverwaltung liegt, und ich bin deshalb der Meinung, daß es unrichtig ist, eine unlösbare Ver⸗ bindung zwischen den beiden Institututen zu behaupten, einerseits der ehrenamtlichen Ortspolizeiverwaltung und andererseits die Kreisauf⸗ sichts verwaltung im übrigen. Dies, meine Herren, sind die Gründe, auJ denen die Regierung glaubt, daß auch die Aussicht auf eine solche Ausdehnung wenigstens jetzt in diesem Gesetz nicht formulirt werden follte. Was künftige Zeiten uns bringen, meine Herren, das kann Riemand übersehen. Sie sozialen Veränderungen in unserem jetzigen Leben vollztehen fich so rasch, daß wir nicht wissen können, was heute in 50 Jahren für Gruppirungen sein werden. Aber diese Aufgaben braucht man nicht in dem Gesetz zu er⸗ wähnen, sondern, wenn die mal an uns herantreten werden, dann wird man eben durch gesetzgeberische Vorlagen diesen Aufgaben Genüge zu thun verfuchen. Aber im Augenblick halte ich es in der That für schädlich, die Provinz Hannover durch einen solchen Blick in die Zukunft von derjenigen Beruhigung zurückzuhalten, die ihr gerade auf dem Gebiet der politischen Organisation in so hohem Maße noth thut.

Statistische Nachrichten.

Ueber das Viehkapital im Königreich Bayern ent⸗ nehmen wir der Zeitschrift des Königlich bayerischen statistischen Bureau (15. Jahrg. 1883 Nr. 4) Folgendes: Mit der am 10. Januar dieses Jahres stattgefundenen Viehjählung war gleichzeitig eine Er⸗ mittelung über den darchschnittlichen. Verkaufswerth sämmtlicher Thiere und das durchschnittliche Lebendgewicht der Rinder und Schweine verbunden. Aus diesen durch die Bezirkscomitees des land · wirthschaftlichen Vereins bethätigten Angaben liegt nun die Zu— sammenstellung für das Königreich fertig vor, und es berechnet sich daz gesammte Viehkapital im Lande auf 797 087 234 46, welches sich folgendermaßen zulgnimensehzt. E sind vorhanden an Pferden 19978 Stück Fohlen, unter 1 Jahr alt, 21 442 Pferde,! bis noch nicht? Jahre alt, R748 Pferde, 2 bis noch richt 3 Jahre alt, 4007 Zuchthengste, 3 Jahre alt und älter, 293 141 andere Pferde, 3 Jahre alt und älter, zusammen 356 31g Pierde überhaupt. Der Gesammtwerth aller Pferde beläuft sich auf 160712 146 (S6, zum durchschnitt⸗ sichen Verkaufswerthe pro Stück von 451 66 Ferner 83 Stück NMaulthiere und Maulescl, welche einen Gesammtwerkth ron 22 009 4 u einem durchschnittlichen Preise von 265 6 pro Stück repräsen⸗ ziren. An Eseln giebt es 152 Stück Esel zu einem Gesammtwerth „on 15 51 „e und dem Durchschnittspreis vro Stück zu 190,7 C6 An Rindern 960 487 StückKälber unter s Wochen, 218 686 Kälber bis 6 Monat, ö88 318 Jungvieh unter 2 Jahr. 32 395 Bullen 2 Jahr und älter, 14223 7651 sonstige Stiere und Ochsen. 1583 456 Kühe, zusammen 3 Gz? 098 Stück Rinder. Der Gesammtwerth für diese ganze Zahl beläuft sich auf 561 749 533 46, während der Durchschnittspreis pro Stück 185 6 betrug. An Schafen giebt es 38274 Stücke feine Wollschafe unter 1 Jahr, und 69 749 darüber; 41 977 veredelte Fleischschafe unter 1 Jahr, 108 0966 darüber; 221 196 andere Schafe unter 1 Jahr, 698 973 darüber, insgesammt 1178279 Stück Schafe, deren Gefammtwerth sich auf 21 116 818 6 beläuft, während der Durch⸗ schnittspreis für ein Stück 18 6 beträßt. An Schweinen sind vor⸗ handen überhaupt 1038 344 Stück zu einem Gesammtwerth von 56 325 357 S6, während der Einzelwerth 484 6 beträgt. An Ziegen sind vorhanden 220 818 Stück überhaupt, deren Gesammtwerth sich auf 3 146 070 M zu einem Durchschnittspreise von 14,2 6 für das einzeine Stück beträgt. Das Leben dgewicht der 3 037 093 Stüc Rinder überhaupt beträgt 1798 076 926 Pfd. Das Lebendgewicht Fer 2778 421 Schweine, welche 1 Jahr und älter sind. beträgt 54 633 092 Pfd. zum durchschnittlichen Gewicht von 186,2 Pfd.