Berlin, 28. Februar 1884
Die milden Winter Berlins seit 1720 Von Dr. G. ellmann. (Sey -Abdr. aus der Zeitschr. d. Kgl. Statist. Bureaus, abrg. 1883, II. IV)
Die für die Jahreszeit ungewöhnlich milde Witterung, deren wir uns seit dem Oktober 1883 bis jetzt fast ununterbrochen erfreuen, ist im Laufe des Januar 1884 hinsichtlich der Intensitãt ihrer Ab⸗ weichung von normalen Verhältnissen fo fehr gesteigert worden, daß der Winter 1883/84 zu den entschieden milden gerechnet werden muß. Wie es bei außerordentlichen Erscheinungen zu geschehen pflegt, hat sich auch dem jetzigen abnormen Winterwetter das Interesse der weitesten Kreise in erböbtem Maße zugewendet, und hat es an müũnd⸗ lich und schriftlich an mich ergangenen Anfragen, bisweilen weit- gehendster Natur, über die Ursache, den Verlauf und die etwaigen Folgen der ungewöhnlichen Witterung wahrlich nicht gefehlt. Ich habe daraus unmittelbare Veranlassung genommen, eine kleine Untersuchung über den Charakter milder Winter anzustellen, die zu einigen allgemeinen Refultaten von theoreftscher und praktischer Bedeutung geführt hat. ÜUm die Frage vorerst nicht zu com- pliciren und um über die berührten Erscheinungen von wesent⸗ lich aktuellem Interesse recht bald etwas Positives sagen zu können, habe ich mich bei dieser Studie nur auf die Berliner Beob⸗ achtungen gestützt, welche allerdings die längste Reihe aus Nord⸗ deutschland repiäsentiren. Wenn auch die Berücksichtigung ander⸗ weitiger Beobachtungen zur Erhöhung der Sicherheit und der Präzision der erlangten Schlüsse ohne Zweifel beigetragen haben würde, so ist doch nicht zu befürchten, daß die Resultate nur ganz lokalen Werth haben; denn wir wissen aus eingehenden Untersuchungen, daß ungewöhnliche Witterungserscheinungen nicht sporadisch an diesem oder jenen Orte, fondern vielmehr über großen Gebieten, allerdings mit allmählich abnehmender Intensität, gleichzeitig auftreten. Wir dürfen daher annehmen, daß die nachfolgenden Betrachtungen für den mittleren Theil des nord⸗ deutschen Flachlandes Gültigkeit behalten.
Bei Untersuchungen vom Charakter der vorliegenden ist der Ausgangspunkt, d. h die scharfe Umgrenzung des Begriffes milder Winter“, „kalter Sommer“. „kalter Winter u. f. w. für den Erfolg von wesentlichem Belang. Es könnte in unserem Falle Vielen angemessen erscheinen, auf den sogenannten metcoro⸗ logischen Winter, welcher die Monate Dezember, Januar und Februar umfaßt, zurückzugehen und denjenigen mild zu nennen und als Aus⸗ gangespunkt der Untersuchung zu wählen, welcher eine über den viel⸗ jährigen Durchschnitt liegende Mitteltemperatur aufweist. Solche Winter sind sehr häufig, häufiger als zu kalte; allein bei der großen Mannigfaltigkeit der Erscheinungen, wie, sie die Natur im Laufe der Jahre uns darbietet, würde diefe Gruppe milder Winter die heterogensten Fälle in sich begreifen; denn in einem dreimonatlichen Zeitraum, dessen Mitteltemperatur den Ausschlag geben soll, kommen häufig Perioden von zu großer Kälte und zu großer Wärme in den allerver⸗ schiedensten chronologischen Anordnungen und Verschiebungen vor, welche sich gegenseitig kompensiren und im Mittel nicht unmittelbar in Erscheinung treten. Der Begriff „milder Winter“ wurde daher enger gefaßt und auf die bekannte Dreitheilung des Winters in einen Vor-, Mittel⸗ und Nachwinter gestützt. Diese Unterscheidung hat sich bereits bei den Untersuchungen über strenge Winter, die ja ungleich häufiger, als solche über milde, seit den ältesten Zeiten geführt worden sind, als sehr vortheilhaft und für unfer Klima angemessen erwiesen. Mit Rücksicht auf die Verhältnisse des jetzigen Winters 1883/84 ist deshalb nur derjenige Winter als mild angesehen worden, in dem die Mitteltemperatur sowohl des Dezembers als auch des Januars über der normalen lag. Solche Winter hat es in Berlin sei dem Jahre 1719 mindestens 38 gegeben, ich sage mindestens; denn es sind in dieser überaus werthvolen thermometrischen Beobachtungsreihe leider einige Lücken vorhanden (1722 = 27. Mai⸗Dezember 1729. No⸗ vember 1750, November und Dezember 1751, 1752 - 54 und 8 Monate des Jahres 1755). Bei dem häufigen Wechsel der Beobachter und der Instrumente in einer fo langen Reihe war eg unthun⸗ lich, ein allgemeines Mittel aller Beobachtungen in den 155 Jahren bis 1883 zu bilden und auf dieses die Abweichungen in den einzelnen Jahren zu beziehen, es wurden vielmehr für die Aufzeichnungen bis zum Jahre 1847 einschließlich die⸗ selben vier Systeme adoptirt, welche bereits auf Seite XIX *) der ersten Publikation des preußischen meteorologischen Instituts ange⸗ nommen sind, während die Beobachtungen feit 1848 auf das 35jährige Mittel 1848 — 82 bezogen wurden.
In der folgenden Tabelle sind die 38 milden Winter Berlins seit 1720 in chronologischer Reihenfolge zusammengestellt. Die Zahlen bedeuten Abweichungen vom Mittel in Celsiusgraden, und zwar posi⸗ tive, daß die Temperatur zu hoch, negative, daß dieselbe zu niedrig war. Außer den eigentlich in Betracht kommenden Monaten des Mittelwinters sind die beiden jeweilen vorhergehenden Monate Ok— tober und November sowie die sieben folgenden Februar bis August mit aufgenommen worden.
Winter.
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CO —
November Dezember
3 85 16
81
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1720/21 1733/34 1736/57 1748/49 1755/56 3 175855 —,2 1760/61 1763/64 1768/69 177172 1772/75 177374 1778/79 1787/88 1789,90 1793,94 1795/96 180506 — 1806,07 180708 1821/22 182324 /
2
1,5 —– 08 - 0, — 1,6 – 0, 8 - 1, 1 - 1,0 – *, 0,3 0
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1856/37 1842/43 184 3144 1545,46 1550651 isi ß 1365 65 153,75
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) Bericht über die in den Jahren 1848 und 1849 auf den Stationen des meteorologischen Instituts im preußischen Staate an⸗ gestellten Beobachtungen. Berlin 1851. Folio.
Dieses Material soll nun jur Beantwortung der beiden Fragen dienen: . .
I) welches ist der allgemeine Typus unserer milden Winter? und
2) welchen Einfluß baben dieselben auf die Witterung der folgenden Jahreszeiten, inebesondere des Sommers? ᷣ
Zunächst erseben wir, daß milde Winter im obigen Sinne des Wortes jiemlich häufig sind; in der lückenlosen Beob⸗ achtungsreihe von 1755 bis jetzt, also in 129 Jahren, bat es deren 34 gegeben. d. h. vdurchschnittlich 1 pro 38 Jahre, oder 10 in 38 Jahren. Allein an ein Innehalten eines regel⸗ mäßigen Intervalles von etwa 4 Jahren zwischen zwei aufeinander folgenden milden Winter ist nicht zu denken; 3,8 repräsentirt eben nur einen Mittelwerth, der, wie so häufig, in Wirklichkeit gar nicht vorkommt.
Vom milden Winter 1807/8 sind 13 Jahre und vom milden Winter 1851/52 14 Jahre bis zum nächsten vergangen, wogegen es neunmal vorgekommen ist, daß zwei aufeinanderfolgende Winter mild waren, und sechsmal, daß zwischen zwei milden Winter nun ein nicht milder lag. Man erkennt hieraus (am deutlichsten aus einer geeigneten graphischen Darstellung), daß milde Wintern gern gruppenweise zu zweien oder dreien auftreten, eine Eigenschaft, die auch für andere nichtyeriodische Witterungserscheinungen charakteristisch ist.
Eine entschiedene Zu⸗ und Abnahme in der Häufigkeit milder Winter in der letzten Jeit zeigt sich nicht deutlich: auf die 66 Jahre von 1755 — 1821 entfallen deren 17 und die gleiche Zahl auf die 63 seitdem verflossenen Jahre. Eine kleine Ungleichheit in der zeitlichen Vertheilung macht sich nur insofern bemerklich, daß die milden Winter in den drei Jahrzehnten von 1826 bis 1851 häufiger (12 von 1820,21 bis 1851,52) waren, als in den vorhergehenden (5 von 1790,91 bis 1819,59) und nachfolgenden 6 von 1883/84) Perioden gleicher Dauer.
1790 war an milden Wintern wie stattet ist, an einen regelmäßigen We Aufeinanderfolge der milden Winter die nächste Zukunft zu machen, dahingestellt.
Eine zweite Thatsache, welche bei Durchsicht der obigen Tabelle sogleich in die Augen springt, ist die lange Dauer milder Winter. Unter den 38 Wintern von 1720/31 bis 1883.84 giebt es 29 oder 76 0υάλC, bei denen auch schon der November zu warm war, und immer noch 14 oder 370,9, deren abnorme Wärme gar schon mit dem Oktober begann und bis zum Januar anhielt; diese Fälle um— fassen die Jahre mit mildem Vor und Mittelwinter. Andererfeits kommt es sogar noch häufiger vor, daß auf einen milden Mittelwinter ein gleichfalls milder Nachwinter folgt. Man kann 51 gegen 19 wetten, daß nach einem milden Dezember Und Januar auch noch der folgende Februar zu warm sein wird., und 57 gegen 43, daß sowohl Februar als auch März denselben milden Charakter wie Dejember und Januar haben werden. Schließlich kann man noch fragen, wie oft dauerte die milde Witterung alle vier Monate November bis Februar hindurch? Unfere Tabelle antwortet darauf: 21 Mal. Aus alledem entnehmen wir, das milde Winter in der Regel von langer Dauer sind; die milde Witterung, welche oft schon im November beginnt, hat das Bestreben, sich als folche den Winter hindurch zu behaupten.
Wir gehen nun zur Erledigung der zweiten oben gestellten Frage: welchen Einfluß hat ein milder Winter auf die Witterung der nach— folgenden Jahreszeiten?
Untersucht man ganz allgemein den Einfluß eines milden Mittel⸗ Winters auf die Temperatur des folgenden Februar, März, April, Mai, Juni, Juli und August, so findet man unter unseren 37 Fällen
7 Mal oder 190, einen kalten Februar 4 38 . März 41 April 56 ⸗ Mai 46 Juni 51 Juli 51 August.
Obschon vorstehende Zahlen ein gewisses Gesetz bekunden und namentlich die Wahrscheinlichkeit eines kalten Mai nach mildem Win— ter anzeigen, lege ich auf diefes summarische Resultat doch wenig Werth, eben weil alle milden Winter so zu sagen in einen Topf ge— worfen sind. Es kommt, wie sich gleich zeigen wird, nicht blos auf das Quale, sondern auch auf das Quantum hierbei an.
Die milden Winter sind, außer von ungleicher Dauer, namentlich auch von sehr verschiedener Intensität. Läßt man als Maß dieser letzteren die Summe der positiven Abweichungen der Monate Dezember und Januar gelten, so ergeben sich alle mög— lichen Abstufungen und Uebergänge von einem Extrem (1,4 Winter 18313 32) zum anderen (12,9 Winter 1795/96).
Wird nun das oben gewählte und zunächst liegende Prinzip der chronologischen Anordnung mit dem nach der Intensität vertauscht, so gewahrt man auf den ersten Blick, welch ent— schiedenen Einfluß gerade diefe auf die Gestaltung der Witterung in den folgenden Monaten hat. Bei wenig milden Wintern ift die Beeinflussung eine durchaus andere, als bei sehr warmen. Es dürfte genügen, zwei Gruppen in dieser Beziehung zu unter— scheiden; die erste umfaßt alle diejenigen Fälle, bei denen die Summe der Abweichungen des Dezember und Januar O bis 50, die zweite jene, bei denen die gleiche Summe mehr als Ho beträgt. Das numerische Verhältniß der Fälle beider Kategorien ist 21 zu 16. Es ergiebt sich alsdann das interessante Resultat: in 100 Fällen folgt auf einen
mäßig milden Winter (Summe 0-50) (Summe 5 - 120)
4 Mal ein kalter Februar 12 Mal ein kalter Februar März 44 März April 56 April Mai 44 Mai Juni 3838 Juni Juli 31 Juli
-. August 56 August.
Das Resultat ist ein überaus bestimmtes und bekundet aufs Schärfste den entschiedenen Gegensatz, welcher in der Beeinflussung des Wetters durch einen mäßig milden und durch einen sehr milden Winter besteht.
Es würde zu weit führen, alle Einzelheiten obiger Uebersicht interpretiren zu wollen; es mag hier nur, weil unser Hauptinteresse diesem Punkte zugewendet ist, hervorgehoben werden, wie verschieden die Aussichten auf einen warmen Sommer nach mildem Mittel- winter, je nach feiner Intenfität, sich gestalten. Auf einen mäßig milden Winter folgt häufiger ein kalter, als ein warmer Sommer, und auf einen sehr warmen Winter folgt sehr wahrscheinlich auch ein warmer Sommer. Ja, man kann sogar behaupten, je wärmer ein Winter ist, um so wahrscheinlicher wird auch der folgende Som⸗ mer zu waim sein. Die vier am meisten und die vier amn wenigsten warmen Winter, sammt dem jeweiligen Sommerwetter scharakterisirt durch die Abweichungen der Temperatur, wie oben), folgen hierunter:
Dezember 4 Januar Juni Juli 179596 1340 0,5 0,6 1833/34 9.4 15 4,6 1824/35 . 1821/22 8 . 6,9
sehr warmen Winter
i —
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C S DN Cν,·!
August Sommer
8.
1 *
1831/32 1771/72 1768/69 1850/51
—* 4 1 * — 65 — 66
Diese Gegensätze sind sicherlich böchst interessant, ja sie werden geradeju frappant, wenn man erfährt, daß der heißefte Sommer, den Berlin bieber gehabt hat (1834), auf den zweitwãrmsten Winter folgte und daß, umgekehrt, dem kãltesten Sommer (1851) ein nor mäßig milder Winter voranging.
Faßt man die Abweichungen der einzelnen Monate Februar biz August zu natürlichen Gruppen zusammen, innerhalb deren positiye und negative sich kompenstren können, nämlich Februar und März zum Nackwinter, Ayril und Mai zum Frübsabr und Juni, Jul, August, als die wichtigsten Vegetations. und Erntemonate, jum Sommer, so erhält man ganz ähnliche Resultate.
Die 21 mäßig milden Winter sind charakterisirt durch die Mittel. werthe der Abweichungen Dej. 4 Jan. Febr. 4 März April 4 Mai Mai Juli August
3.6 1, go = 040 0 Bo
. Jö . *
und durch die Wahrscheinlichkeit einer negativen Abweichung Gu kalt 29 00 62 0so 67 osß,
während für die 16 sehr warmen Winter folgende Zahlen gelten
7, 30 2, 20 0.20 1,20
31 0 38 0so 31 0sPo
Vorstehende Ergebnisse unserer kleinen Untersuchung stehen mit der landläufigen Meinung des Publikums in direktem Wider- spruche. Der Lale ist geneigt, nach einem recht milden Winter einen küblen Sommer zu erwarten, und zwar, weil nach seinei Mei⸗ nung eine Art von Kompensation' im Laufe des Jahres eintreten müsse. In diesem Sinne ist dies jedoch nicht der Fall; das „kühl“ bildet wohl einen Gegensatz zu dem mild“, aber die Ursachen beider Erscheinungen sind nicht verschieden, sondern gerade dieselben. Darüber zum Schlusse noch einige Bemerkungen.
Wir wissen, daß bei heiterem Himmel an den kurzen Tagen im Winter die tägliche Einstrahlung durch die Sonne die durch nächt ˖ liche Ausstrahlung des Erdbodens verloren gegangene Wärme nicht zu ersetzen vermag, während umgekehrt im Sommer die Ein⸗ strahlung die Ausstrahlung übertrifft. Die Temperatur kann im Winter daher nur gesteigert werden, wenn die Ausstrahlung ver— mindert wird, im Sommer nur erniedrigt werden, wenn die Einstrahlung verkleinert wird. Beide Effekte werden aber durch eine häufige und dichte Wolkendecke erzielt; in jenem Falle wird durch dieselbe die Ausstrahlung des Erdbodens, in diesem die Einstrahlung der Sonne verhindert. In der That weiß Jeder aus Erfahrung, daß ein warmer Winter trübe und feucht ist, wie es ja auch der gegenwärtige in reichlichem Maße wieder bewiesen hat, und daß, in gleicher Weise, ein kühler Sommer und ein regnerischer Sommer nabezu identische Begriffe sind. Wenn also, wie der Volksglaube es will, nach einem sehr milden Winter ein kühler Sommer folgen soll, müßte der trübe und regnerische Witterungscharakter des milden Winters auch im Sommer bestehen bleiben. Das ift jedoch, wie wir oben sahen, für gewöhnlich nicht der Fall. Von der Wirkung auf die Ursache zurück— gehend, können wir daher etwas populärer uns auch so ausdrücken: Je weniger im Winter die Sonne hat scheinen können, um so wahr— scheinlicher wird sie häufiger im Sommer scheinen.
Der Deutsche Landwirtbschaftsrath nahm in Betreff des bäuerlichen Grundbesitzes 2c. gestern folgende Resolution an: Der Landwirthschaftsrath wolle in Verfolg des in der vorigen Sitzung an die Reichsregierung gerichteten Antrages und der vom Herrn Reichssekretär des Innern ertheilten Antwort den Herrn Reichskanzler ersuchen, faͤmmiliche Bundesregierungen zu Er— hebungen, und zwar nach einem möglichst einheitlichen System darüber zu vermögen:
a. wie hoch die gegenwärtige hypothekarische Verschuldung des ländlichen Grundbesitzes an und für sich und im Verhältniß zum gegenwärtigen Besitzwerthe und
b. wie hoch die gegenwärtige Belastung des ländlichen Grund— ., mit staatlichen, kommunalen und Genossenschaftsabgaben sich stellt).
In der im Abgeordnetenhause amtlich gelehrten vereinfachten (Neu⸗) Stolzeschen Stenographie beginnt ein theoretischer Unterrichtskursus für Damen und Herren am Dienstag, den 4. März, Abends 83 Uhr, im Hörsaal 1 der Königlichen Gewerbe⸗ Akademie, Klosterstraße 361. Derselbe wird 12 Lektionen umfassen, die Dienstag und Freitag Abend von 8 bis 95 Uhr abgehalten werden. Wegen der bevorstehenden Verlegung der Technischen Hoch⸗ schule nach Charlottenburg wird diefer Kursus voraussichtlich der letzte sein, welcher von dem langjährigen Leiter der Akademie, Hrn. L. Loepert, gepr. Lehrer der Stenographie, dort abgehalten werden wird. Eintrittskarten (6 M inkl. Lehrbuch) sind zu haben im Abgeordnetenhause, Leipzigerstraße 75, im Invalidendank“, beim Kastellan Hrn. Kutscher, Klosterstraße 366, und bei Beginn im Hörsaal.
Das neue Ballet von Charles Guillemin, Nurjahd“ (Musik von Oscar Eichelberg), welches gestern im Königlichen Opern⸗ hause zur ersten Älufführung kam, hat vielen Beifall gefunden. Ueber das Ballet sowohl wie uber das von Ingeborg von Bronsart in Musik gesetzte Goethesche Singspiel „Jery und Bätelv‘ lassen wir einen eingehenderen Bericht folgen.
ta Belle⸗Alliance⸗ Theater. Die für Sonnabend geplant gewesene erste Aufführung des Schwanks Nur amerikanisch“ ist noch auf einige Tage hinausgeschoben worden, da der auf dem Repertoire 8 ö „Mit Vergnügen“ allabendlich noch den größten Beifall findet.
Das dritte Konzert der Fr. Amalie Joachim im Kroll— sichen Theater findet am Sonntag, den 2. März, statt. Dasselbe bringt wiederum ein Programm von hochkünstlerischem Werth. Die gefeierte Sängerin hat in dasselbe diesmal folgende Lieder aufgenommen: Nachtstück von Schubert, Winterlied von Mendels— sohn, 6 Schumann'sche Lieder aus dem Eichendorf'schen Liederkreis, 2 Balladen von Löwe („Prinz Eugen“ und „Heinrich der Vogler), Lieder von Brahms (- Liebestreu“, „Blinde Kuh“, „Therese“, . Des Liebsten Schwur‘ z, von Dworschak „Die Lerchen, von Reubert Abendlied der Mutter“, von Reinecke „Klein Anna Kathrin“, Pressel's „Mei Muetter mag mi net‘ und Mendelssohn's Gruß“. Frl. Marianne Eißler wird“ die Faust - Phantasie von Sarafate, das Nocturne von Chopin-Sarasate und (ne Rhapsodie hongroise von Miska Hauser spielen.
Redacteur: Riedel.
Berlin:
Verlag der Expedition Ref fe. Druck r W. Elsner.
Drei Beilagen (einschließlich Börsen⸗ Beilage), sowie die Ziehungsliste der Münsterban⸗Lotterie zu Um.
zun Deutschen Reich 2 51.
Erste Beilage
er und Königlich Preuf
rlin, Donnerstag, den 28. Fehrnar
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chen Staats⸗Anzeiger. .
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Aichtamtẽliches.
Preußen. Berlin, 28. Februar. Im weiteren Verlaufe der gestrigen (55.) Sitzung des Haufes der Abgeordneten nahm das Haus die Berichte der ver— schiedenen Kommissionen über Petitionen entgegen. .
Der Fischereipächter W. van Elsbergen aus Grieth, welcher vom Fiskus verschiedene Strecken im Unterrhein gepachtet hat, petitionirt wegen Ermäßigung des ausbedungenen Pacht. reises und führt unter den Motiven für diese seine Bitte auch die von den holländischen Fischern geübte Naub— fischerei auf, welche ihn in ganz außerordentlicher Weise schädige.
Die Petitionskommission beantragte, die Petition sowohl bezüglich des Gesuches des Petenten, als auch gleichzeitig behufs Erörterung der Frage zur Berücksichtigung zu über⸗ weisen, wie der Raubfischerei in den holländischen Rhein— mündungen abgeholfen werden kann.
Nach kurzer Begründung dieses Antrages durch den Referenten Abg. Wessel bemerkte der Abg. Dr. Lotichius, daß er dem Antrage des Petenten sympathisch gegenüberstehe, und sich den Beschlüssen der Kommission voll und ganz anschließen könne. Die Raubfischerei, wie sie Seitens der holländischen Fischer betrieben werde, sei derartig, daß die Klagen der Rheinfischer ganz berechtigt seien. Die holländisch en Fischer wendeten das son. Zregensystem an, welches darin bestehe, daß von einem Ufer zum anderen große Netze ausgespannt würden, welche den Rhein vollständig absperrten, und dann, wenn sie mit Fischen gefüllt seien, mit kleinen Dampfbooten eingebracht würden. Durch die Äbsperrung könne der Lachs den Rhein nicht hinauf und die preußischen Fischer hätten den Schaden. Vor 10 bis 15 Jahren sei der Lachsfang an der Loreley und bei Caub noch bedeutend gewesen, heute sei derselbe dort fast ganz Null. Nur bei Hochwasser, wenn die Netze zur Absperrung nicht reichten, treffe man in jenen Ge— genden noch auf Lachse. Er glaube daher, es liege im Inter⸗ esse der gesammten Rheinfischerei, daß die preußische Negie⸗ rung bei der holländischen Alles versuche, um eine schonendere Handhabung der Lachsfischerei bei der letzteren auszuwirken.
Der Regierungskommissar Janisc)
Ober⸗Forstmeister erwiderte, zunächst müsse er im Auftrage seines Chefs erklären, daß dieser es auf das Lebhafteste bedauere, heute hier nicht anwesend sein zu können. — Der Beschluß der Kommission zerfalle in zwei Theile, deren erster die Petition des Fischerei⸗ pächters van Elsbergen selbst, der andere die holländische Raubfischerei behandle und wünsche, daß der letzteren ein Ziel gesetzt werde. Er glaube, der letzte Theil finde im ganzen Lande Anklang. Er könne versichern, daß es für die Regie⸗ rung einer solchen Anregung, wie sie der Kommissionsbeschluß enthalte, nicht bedürfe. Denn sie beschäftige sich mit dieser heiklen Frage schon seit Jahren. Er sei aber nicht in der Lage, hier anzugeben, in welchem Stadium die schwebenden Verhandlungen ständen, nur das könne er sagen, daß ein Resultat leider bis jetzt noch nicht erreicht worden sei. Was den sonstigen Antrag der Kommission betreffe, so sei die Regierung weder in der Lage, den . Pacht⸗ vertrag des Petenten aufzuheben, noch den Pachtzins zu ermäßigen. Der Petent habe selbst erklärt, er habe bis zum Jahre 1878 ein gutes Geschäst gemacht; erst von 1879 ab sei die Lachsfischerei illusorisch geworden. Es sei nun frei⸗ lich richtig, daß die Holländer im Allgemeinen Rau! fischerei trieben; jedoch nicht erst seit 1579. Es fehle deshalb an jedem Maßstab, daß die von Holländern betriebene Fischerei gerade im Jahre 1879 die Veranlassung zu Rückg schästs des Petenten gegeben habe. Bei aller Si die Rheinfischerei könne doch nach Ansicht der Regierung Spezialfall nicht berücksichtigt werden. . .
Der Abg. Fritzen erklärte, auch aus seinem Wah Rees sei ihm eine Menge Material über die preußischen Fischer durch die holländischen zugegangen, 8 dem Hause später in einer Petition unterbreiten werde. Für heute wolle er sich darauf beschränken, seine Zustimmung zu dem Kommissionsantrag auszusprechen. ö
Der Abg. Kieschke bemerkte, er glaube, die Landesvertre⸗ tung habe alle Veranlassung, sich hierbei auch ihrer seits dar⸗ über auszusprechen, wie wenig das Verfahren der hollän⸗ dischen Regierung mit dem übereinstimme, was man von befreundeten Regierungen, von verwandten Volksstämmen verlangen könne. Nicht blos auf dem Gebiete der. Nlhein⸗ fischerei; in vielen anderen Fällen habe die preußi che Ne⸗ gierung seit langen Jahren stets Veranlasung gehabt, 96 über das Verhalten der holländischen Regierung aufs Bit— terste zu beklagen. Er erinnere an die Verhandlungen über die Schiffahrt auf den Rheinmündungen, er, erinnere an die bitteren Klagen über den schamlosen Nachdruck, der in Holland ausgeübt werde, so offen, wie in keinem anderen Lande, und alle Versuche der preußischen Regierung seien ver geblich gewesen. Wenn alle Unterhandlungen resultatlos ge⸗ blieben seien, so müsse die Landesvertretung mit doppeltem Ernst betonen, wie sie es für die Pflicht der Regierung halte, mit allen Mitteln, durch diplomatische Schritte oder auf an⸗ deren Wegen, auf Besserung hinzuwirken. Werde eine solche energische Anregung von allen Seiten des Hauses der Regie⸗ rung gegeben, so werde die letztere das nur dankbar anerken— nen können. .
Die Diskussion an er fen, und der Antrag der Kommission mit großer Majorität genehmigt. , . . e ,,, im Landkreis Wiesbaden beabsichtigte, ihren seit 1815 bestehenden Friedhof durch Du legung einer schon im Gemeindebesitz befindlichen . vergrößern; die Bezirksregierung versagte iedeoch . Genehmigung, weil der Kirchhof nicht, wie 1862 . sei, mindestens 1900 Fuß vom Hrte jelbst entfernt sei. Db⸗ wohl jene Vorschrift die Entfernung von 1000 Fuß, oder 3090 m nur „soweit thunlich“ festgehalten wissen will, ist die Entscheidung der Regierung doch in allen Instanzen siegreich eblieben. . . . Die Gemeinde petitionirt nun beim Hause, dahin, ihrem Vorhaben Unterstützung zu leihen; die Pelitionskommission hat indeß mit 12 gegen 5 Stimmen beschlossen, den Ueber⸗ gang zur Tagesordnung über die Petition zu empfehlen.
Der Abg. Lieber (Hochheim) beantragte Ueberweisung der Petition an die Regierung zur Berücksichtigung. — t Der Abg. Westerburg stellte den Antrag, die Petition der Regierung zur nochmaligen Prüfung der örtlichen Ver⸗ hältnisse zu überweisen, ob nicht ohne Gefährdung der öffent⸗ lichen Interessen die Gewährung der versagten Eclaubniß thunlich erscheine. * Der Regierungs-Kommissar Geh. Oher⸗Medizinalrath Dr. Eulenberg führte aus, die Lage des Kirchhofes in der Nähe des Ortes und die Bodenbeschaffenheit des Kirchhofes hätten die Regierung veranlaßt, vom Standpunkt der öffent⸗ lichen Gesundheitspflege die Vergrößerung des alten Kirchhofs nicht zu genehmigen, vielmehr eine neue Anlage zu verlangen. ie Aufgabe der öffentlichen Gesundheitspflege bestehe in n n Es worden, Kirchhof habe noch Krankheiten erzeugt, e sei aber doch illusorisch. Epidemien kämen gerade in der lähe von Kirchhöfen am leichtesten zum Ausbruch. Diese Befürchtung sei im vorliegenden Falle um so mehr vorhanden, als es sich um einen die Verwesung sehr wenig befördernden Lehmboden handele. In dem Lehmboden entwickele sich die feuchte Fäulniß mit den verschiedensten Fäulnißprodukten, so daß Fäulnißherde entständen, die vermieden werden müßten Warum sollte man also durch Vergrößerung des alten Kirch hofs in der Nähe des Ortes neue Fäulnißherde schaffen? Alle zinalpersonen, denen diese Frage vorgelegt sei, hätten sich dahin ar ß der
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Boden des
dem Regierungs—⸗
kommissar ein, daß ohne eine spezielle Untersuchung der lokalen Verhältnisse des Friedhoses die Erlaubniß zur Vergrößerung versagt worden sei; wolle das Haus den Antrag auf Berück⸗ sichtigung nicht empfehlen, so möge es wenigstens aus Billig— feitsrüchsichten den Antrag Westerburg zum Beschluß erheben. hob hervor, daß die für die Vergrößerung des Todten—
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24
Hattersheim
Landgemeinde, deren Bevölkerung nicht
gewachsen sei und der die Neuanlage große Kosten verursachen
würde. Befürchtungen für die Gesundheit seien nicht vorhan⸗
den, da die Bevölkerung sich stets tropñz der Nähe des Kirch— hofs der besten Gesundheit erfreut habe, ;
Der Regierungskommissar Ober-Präsidialrath Halbey ent⸗ gegnete, ein Unterschied zwischen der Neuanlegung eines ð hofs und der Vergrößerung eines bestehenden könne
Es lägen erhebliche Bedenken
statuirt werden.
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innerhalb geschlossener Ortschaften verboten habe. Die fromme Sitte des Mittelalters, die Todten auf den die Kirchen umgebenden Plätzen zu beerdigen, hal ein neue⸗ rer Zeit immer mehr den gesundheitspolizeilichen Nücksichten wei⸗ chen müssen, und heute seien überall Vorschriften über eine gewisse Entfernung der Friedhöfe von den bewohnten Ortschaften in Giltung. An sich sei ein Friedhof nicht nothwendiger Weise eine sanitäre Gefahr für die Umgebung, iachdem die bezüg— lichen Polizeivorschriften überall strikte durchgeführt seien, aber im vorliegenden Falle seien mehrfache erschwerende Umstände mit in Betracht zu ziehen, so der lehmige Boden ind die Höhe des Grundwasserstandes; diese Umstände sprächen dafür, uber die Hattersheimer Petition zur Tagesordnung überzugehen. Der Abg. Dr. Langerhans bemerkte, er möchte nur kurz uf einige wissenschaftliche Gutachten hinweisen. Es sei in Generalversammlung des Deutschen Vereins für öffent⸗ he Gesundheitspflege über die Anlage von Kirchhöfen in Nähe bewohnter Orte gesprochen worden, wobei man zu em Resultat gekommen sei, daß wirkliche Gefahren durch Oriedhossanlagen nur bei ungeeigneter Bodenbeschaffen⸗ jeit vorlägen. Dieser Ansicht sei fast gar nicht wider— sprochen worden. Es sei auch eigentlich noch niemals nachze⸗ wiesen worden, daß die Nähe von Friedhofsanlagen Schaden gebracht habe. Es sei darauf hingewiesen worden, daß nasser Lehmboden zu Begräbnißplätzen sehr ungeeignet sei, während auf dem erwähnten Kongreß sich die entgegengesetzte Meinung geltend gemacht habe. In der That sei über diese Fragen die Gesundheitswissenschaft noch nicht einig. Im Gegensatz zum Abg. Dr. Graf sei er der Meinung, daß nicht die Ge⸗ meinde Hattersheim, sondern die Regierung zum Nachweise der Uebelstände verpflichtet sei. Redner schloß mit. dem Wunsche, die Petition der Staatsregierung zur Berücksich— tigung zu überweisen; falls dies abgelehnt werde, aber wenigstens den Antrag Westerburg anzunehmen. Der Regierungskommissar Geh. Ober⸗Medizinal⸗-Rath Dr. Eulenburg wies darauf hin, daß in dem vom Vorredner citirten Gutachten ausdrücklich hervorgehoben sei, daß ein Kirchhof nur dann unschädlich sei, wenn günstige Bodenver⸗ hältnisse vorhanden seien. Gerade auf die Reinhaltung des Bodens gingen jetzt alle Bestrebungen hinaus, und es sei nicht einzusehen, weshalb gerade hier eine Ausnahme statuirt werden sollte. Von der Gemeinde seien die zu hohen Kosten für eine neue Kirchhofsanlage als Hinderungsgrund hin⸗ gestellt worden, aber das größte Kapital sei doch die Gesundheit. Nachdem noch die Äbgg. Westerburg und Dr. Lieber (Montabaur) in erster Linie für den Antrag Lieber (Hoch: heim), Abg. Götting für den. Antrag Westerburg plamdirt hatten, wurde der Antrag Lieber auf Berücksichtigung der
Petition angenommen, der Antrag der Kommüission auf eber— gang zur Tagesordnung also abgelehnt.
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und vom Landgericht J. in Berlin, Bracklow und Genassen, um Vermehrung der etatsmäßigen Stellen für Unterreamte bei den genannten Herichten beantragte die Justiz⸗ kommission zur Tagesordnung überzugehen. Der Referent Abg. Beisert berichtete, daß die Justiz⸗ kommission den Uebergang zur Tagesordnung in Rücksicht auf eine Erklärung des Justiz-Ministers heschlossen habe, wonach
Letzterer unter Anerkennung der Billigkeit der von den Pe⸗
tenten erhobenen Ansprüche auf eine Remedur der bezüglichen Verhältnisse durch die zum April in Aussicht genommenen Gerichtskassen hinweise, welche letzteren Neuanstellungen von Beamten erforderlich machen würden.
Der Antrag der Kommission wurde ohne Debatte an⸗ genommen. — .
Bezüglich einer Petition der Gerichtsdiener des Amts⸗ gerichts , früheren Exekutoren des Stadtgerichts in Berlin, um Gewährung der früher bezogenen Fur ktionszulage ohne Anrechnung eines Theiles derselben auf das Gehalt ibrer jetzigen Stellen, beschloß das Haus: in Erwägung, daß bei Festsetzung des Diensteinkommens der Gerichtsdiener ledig⸗ lich nach den gesetzlichen Bestimmungen verfahren worden sei⸗ daß aber eine gesetzliche Regelung der gesammten Besoldungs⸗ verhältnisse der Beamten in Aussicht g sei, zur Tages⸗ ordnung überzugehen.
Die Gemeinde
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ferenten A
zeichnungen des Sonder⸗ burger Kreistages der Gebrauch der dänischen Sprache neben der deutschen gestattet werde auf die Dauer gewisser Jahre. Petenten begründeten ihre Bitte hauptsächlich mit Hinweis auf die dänische Nationalität des Volkes in Alsen und Sundemwitt. ; Der Referent Abg. Frhr. von Lyncker empfahl als An⸗ trag der Gemeindekommission Uebergang über die Petition Tagesordnung, da das Verlangen der Petenten mit dem 28. August 1876, betreffend die Geschãftssprache n, unvereinbar sei; auch die acht Petenten keines— wegs die Majorität des Sonderburger Kreistages hinter sich hätten. . Der Abg. Lassen beantragte, die Petition der Königlichen Staatsregierung zur Berücksichtigung zu überweisen. Redner begründete seinen Antrag damit, daß die Bevölkerung von Alsen und Sundewitt dänischer Nationalität sei, und von jeher dänisch gesprochen habe. Es sei eine Ausnahme, wenn Jemand dort einigermaßen korrekt deutsch sprechen könne. Dies treffe auch bei den Vertretern auf dem Sonderburger Kreistage zu. Bis zum Erlaß des Sprachengesetzes vom 28. August S876 seien die Verhandlungsprotokolle hier sowohl in als geführt worden. eb dänischen Die Folge Dei l — iben müßten. Hieraus ergebe sich zu rechtfertigender Mißstand. Ahg. Kantak erklärte, der Berichterstatter habe nichts Neues zur Motivirung des Uebergangs zur Tagesordnung gegeben, sondern lediglich den Inhalt des Ko nmissionsberichts wiederholt. Damit sei aber die Berechtigung des Antrags Lassen nicht widerlegt. Man habe doch durch Statuirung einer zulässigen Ausnahme für die Dauer von 20 Jahren bereits selbst die Härte anerkannt, die in der ohne Uebergang erfolgenden zwangsweisen Einführung einer neuen Geschäfts⸗ sprache für die Bevölkerung liege. Warum wolle man denn
diese Ausnahme für den Kreis Sonderburg, bezüglich dessen die Anführungen des Abg. Lassen ganz zutreffend seien, nicht gelten lassen? Für den Fall der Ablehnung des Antrages Lassen bitte er, denselben der Regierung wenigstens zur Er⸗ wägung zu überweisen. .
; 6 Regierungskommissar, Geh. Regierungsrath Noell widerlegte die Aussührungen des Abg. Lassen unter Hin⸗ weis auf die thatsächlichen Verhältnisse, welche die Verord⸗ nung der Regierung in Bezug auf den Sonderburger Kreis⸗ tag durchaus rechtfertigten. Das Gesetz vom 28. August 1876 erkläre die deutsche Sprache zur Geschäftssprache aller Behör⸗ den, eine Ausnahme könne unter Umständen nur für die Dauer von höchstens 20 Jahren gestattet werden. Man habe diese Ausnahme, nämlich den Gebrauch der dänischen neben der deutschen Sprache, im Kreise Sonderburg nun auch bei den Landesvertretungen, den Schulvorständen und den Landgemeinden gestattet, wogegen es an jeder Veranlassung fehle, für die Kreisvertretung, welche sich aus dem durchweg der deutschen Sprache mächtigen Theile der Bevölkerung rekru⸗ tire, den Gebrauch des Dänischen neben dem Deutschen zuzu⸗ lassen. Die Petition bezwecke lediglich eine durch die Ver⸗ hältnisse nicht gerechtfertigte Agitation. Er bitte, dem Antrage des Abg. Lassen und des Abg. Kantak nicht zu entsprechen und den Kommisfionsantrag anzunehmen.
Der Koꝛnmissionsantrag wurde angenammen und die An⸗ träge Lassen und Kantakt aögewiesen. .
Hierauf vertagte sich um 4/4 Uhr das Haus auj Donnerstag 11 Uhr.