1884 / 70 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 21 Mar 1884 18:00:01 GMT) scan diff

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in den Ruhestand tretende Religionadiener. Zum Ersatz für ein aus der Verwaltung des Reichs In validen fonds aus⸗ scheidendes Mitglied wurde ein neues Mitglied dieser Ver⸗ waltung gewählt. Den Anträgen der Ausschüsse, betref⸗ send die Abänderung von Tara⸗Sätzen und betreffend Abänderung des Regulativs für Theilungslager, den Gesetz— entwürfen wegen Abänderung des Militarpensionsgesetzes und des Reichsbeamtengesetzes, und über die Fürsorge für die Wittwen und Waisen von Angehörigen des Jleichshrerls und der Marine, sowie den Verträgen mit Belgien, betreffend den gegenseitigen Schutz der Rechte an Werken der Litera—⸗ tur und Kunst, und betreffend den gegenseitigen Schutz der gewerblichen Muster und Modelle, er⸗ theilte die Versammlung die Zustimmung. Eine Ein⸗ gabe, betreffend die Zollbehandlung von Säcken, sowie die durch Resolution des Reichstages vom 1. September v. J. der Reichsregierung zur Erwägung überwiesenen Petitionen, be⸗ treffend die Rückerstattung von Zoll für Rosinen und Ko— rinthen, wurden abschlägig beschieden. Nachdem für die Ver—⸗ handlungen im Reichstage Kommissarien gewählt worden waren, faßte die Versammlung schließlich Beschluß über die geschäftliche Behandlung zahlreicher Eingaben von Privaten.

Der Schlußbericht über die gestrige Sitzung des Reichstages befindet fich in der Ersten Beilage.

In der heutigen (10) Sitzung des Reichstages, welcher der Reichskanzler Fürst von Bismarck, der Vize-⸗Prä—⸗ sident des preußischen Staats Ministeriums, Staats⸗Minister von Puttkamer, der Staats-Minister von Boetticher sowie mehrere andere Bevollmächtigte zum Bundesrath und Kom⸗ missarien beiwohnten, theilte der Präsident zunächst den Ein⸗ gang eines Schreibens des Reichskanzlers mit, in welchem die Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung des Müllers Tafelmaier zu Siebenmühl und des Dienstknechtes M. Hublocher zu Moosen wegen Beleidigung des Reichstages nachgesucht wird.

Das Haus trat sodann in die Tagesordnung ein, deren erster Gegenstand die Fortsetzung der ersten Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Verlängerung der Gültigkeitsdauer des Gesetzes gegen die gemein— gefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie vom 21. Oktober 1878, war.

Das Wort nahm zunächst der Abg. Dr. Hänel, dessen Rede bei Schluß des Blattes noch fortdauerte.

Das Herrenhaus hielt heute seine 10. Sitzung, welcher die Staats⸗Minister Maybach, Dr. Lucius, Dr. Fried⸗ berg und von Scholz, sowie zahlreiche Regierungskommissarien beiwohnten. Nach Erledigung einiger geschäftlichen Mitthei⸗ lungen trat das Haus sofort in die Tagesordnung ein.

Der erste Gegenstand derselben war der mündliche Bericht der Kommission für Eisenbahnangelegenheiten über den Bericht über die Bauausführungen und Beschaffungen der Eisenbahnver— waltung während des Zeitraums vom 1. Oktober 1882 bis dahin 1883. Der Berichterstatter Herr Stumm gab eine gedrängte Uebersicht des Inhalts des Berichts und empfahl, denselben durch Kenntnißnahme sür erledigt zu erachten. Das Haus schloß sich ohne Debatte diesem Antrage an.

Der fersere Gegenstand der Tagesordnung war die Be⸗ rathung des Staatshaushalts-Etats für das Jahr vom 1. April 185485. Der Generalberichterstatter der Budget⸗ kommission, Graf von Zieten-Schwerin, gab eine Uebersicht über den Etat, wie derselbe aus dem anderen Hause her— übergekommen sei, und empfahl: a. den Etat in der Fassung, in welcher derselbe aus den Berathungen des Abgeordnetenhauses hervorgegangen ist, anzunehmen; b. dem Gesetzentwurf in derselben Fassung die verfassungs⸗ mäßige Zustimmung zu ertheilen, (. die Üebersicht der Nor— maltransportgebühren für Personen und Güter auf den für Rechnung des Staates verwalteten Eisenbahnen, die Denk— schrift, betreffend die in der Zeit vom 1. Oktober 1881 bis zum 1. April 1883 erfolgten Bauausführungen an denjeni— gen Wasserstraßen, über deren Regulirung dem Landtage be— sondere Vorlagen gemacht worden sind, und die Verhandlungen des Eisenbahnraths durch Kenntnißnahme für erledigt zu er— achten, und d. dem Vertrage über die Korrektion der Rhein— stromstrecke zwischen Bingen und Mainz die verfassungsmäßige Zustimmung zu ertheilen.

Das Haus trat hierauf sosort in die Spezialberathung der einzelnen Etatspositionen ein. Die Etats der Domänen⸗ verwaltung, der Forstverwaltung und der Centralverwaltung der Domänen und Forsten wurden ohne Debatte genehmigt. Bei dem Etat der direkten Steuern verwies bei der Position der klassifizirten Einkommensteuer Graf zur Lippe auf die in den letzten Jahren erfolgte unverhältnißmäßig hohe Steigerung dieser Steuer gegen die früheren Jahre; er befürchte, daß ein derartiger Umstand einmal später zu einer allgemeinen Demoralisation führen könne.

Der Finanz⸗Minister von Scholz erwiderte darauf, daß, wenn in dieser Darlegung etwa die Annahme enthalten sein solle, daß Seitens der Staatsregierung eine absichtliche Verschärfung der Steuer veranlaßt worden sei, so sei das ein Irrthum, denn die Regierung sei durchaus nicht in der Lage, irgend einen Ein⸗ fluß auf die Steuerveranlagung auszunlben, könne deshalb auch keine derartige Mahnung acceptiren.

Bei der Position der Erhebung der Gerichtskosten brachte Graf zur Lippe zur Sprache, daß die Erhebung der Gerichts⸗ kosten nicht mehr durch die Steuerbehörden, fondern nunmehr wieder durch die Gerichtsbehörden selbst erhoben würde.

Der Justiz-Minister Br. Friedberg erwiderte, daß die Staatsregierung zu diesem Modus auf Wunsch der Landes vertretung zurückgegangen sei, daß dieses Verfahren zwar augenblicklich noch auf manche Schwierigkeiten stoße, da die Richter sich mehrfach dagegen sträubten, weil sie es als eine Degradation ansähen, daß er jedoch die Hoffnung hege, dieser Uebelstand werde sich mit der Zeit beseitigen lassen—

Die Etats der Verwaltung der direkten Steuern, der indirekten Steuern, der Lotterieverwaltung, der Seehandlung, der Münzverwaltung und der Berg⸗, Hütten- und Salinen⸗ verwaltung wurden bei Schluß des Blattes ohne Debatte genehmigt.

In der heutigen (68.) Sitzung des Hauses der Abgeordneten, welcher mehrere Regierungskom⸗ missarien beiwohnten, wurde zunächst der Vertrag zwischen der Königlich preußischen und der e glich hessischen Regierung über die Korrektion der Rheinstromftrecke zwischen Bingen und Mainz berathen.

Die Abgg. Br. Lotichius und Dr. Thilenius erklärten sich mit dem Vertrage vollständig einverstanden.

Der Abg. Dr. Hammacher machte Bedenken dagegen geltend, daß die ganze Breite des Wasserspiegels des Rheines erhalten werden solle; bei einer derartigen Korrektion werde nicht die für die Schiffahrt erforderliche Tiefe von 2 Metern erreicht werden.

Der Vertrag wurde genehmigt. .

Das Haus ertheilte dann in Bezug auf die Rechnungen der Kasse der Ober⸗Rechnungskammer für 1882.83 Decharge, erklärte den 35. Bericht der Staatsschuldenkommission für 1882.83 durch Kenntnißnahme für erledigt und die Wahlen der Abgg. Vollerthun und Wiedwald (Elbing) für gültig.

Hierauf vertagte sich das Haus um 121, Uhr auf Mon⸗ tag 11 Uhr.

Rach einem Circularerlaß des Ministers des Innern, vom 11. d. M., ist der in der Circularverfügung vom 1. Ok— tober 1872 ausgesprochene Grundsatz, daß die Behörden sich der Empfehlung bestimmter Versicherungs— gesellschaften sowohl Beamten als dem Publikum gegen— Über zu enthalten haben, in neuester Zeit wiederholt außer Acht gelassen worden. Der Minister hat deshalb Veranlassung genommen, die Befolgung des in Rede stehenden Grundsatzes in Erinnerung zu bringen.

Bayern. München, 20. März. (W. T. B.) Die Kammer der Reichsräthe erledigte heute den Kultus⸗ etat und stellte dabei einige für die Univerfitäten München und Würzburg gestrichene Postulate wieder her. Die Be— schlüsse der Abgeordnetenkammer wegen Ertheilung des kon— fessio nellen Geschichtsunterrichts an den Gymnasien und wegen Gestattung der Separatvorbereitung für Präpa⸗ randenschüler wurden mit großer Majorität abgelehnt.

Die Kammer der Abgeordneten erledigte den Etat der Pensionen, Sustentationen und Unterstützungen nach den Anträgen des Ausschusses. Die Interpellation des Abg. Off über die Getreidezölle erklärte der Minister des Innern demnächst beantworten zu wollen.

21. März. (W. T. B.) Die Kammer der Abgeordneten hat den von der Kammer der Reichs— räthe über eine staatliche Mobiliar-Brandver—⸗ sicherungsanstalt gefaßten Beschlüssen zugestimmt. Der Abgeordnete von Stauffenberg erklärte, daß er auch diesem Beschluß gegenüber seinen früheren verneinenden Standpunkt einnehme. Der Abg. Off fuchte durch die Schäd⸗ lichkeit und das Ungenügende in den Statuten und den Ein— richtungen mancher Privatgesellschaften die Nothwendigkeit der Errichtung staatlicher Anstalten nachzuweisen.

Sachsen. Dresden, 20. März. Das „Dresdner Journal“ veröffentlicht folgendes, heute Nachmittag 1/6 Uhr ausgegebenes Bulletin über das Befinden des erkrankten Prinzen Georg, Königliche Hoheit:

Der Hautausschlag hat sich weiter entwickelt und trägt voll— kommen den Charakter eines Masernexanthemk, T. 40, 09, P. 100. Der hohe Kranke klagt viel über Kopfschmerz, bedrohliche Erschei— nungen sind aber nicht vorhanden.

Dr. Fiedler.

Die Erste Kammer genehmigte heute den Berg- Hütten⸗ und Münzetat durchweg nach den Beschlüssen der Zweiten Kammer. Dem von der letztern anläßlich eines von den Abgg. Vize⸗Präsißent Dr. Pfeiffer und Käuffer gestellten Antrags bezüglich der Errichtung eines Gefundheits— museums gefaßten Beschlusse trat die Kammer nicht bei; sie begnügte sich vielmehr damit, den Antrag Pfeiffer⸗Käuffer der Staatsregierung zur Erwägung zu übergeben. Zum Schluß wurde über das Resultat verschiedener Vereinigungsverfahren Bericht erstattet. Hinsichtlich des Eisenbahnprojekts Geithain— Lausigk-Leipzig war dasselbe resultatlos geblieben. Die Kammer beschloß jedoch mit 21 gegen 20 Stimmen die Ab— lehnung des Antrages der Majorität ihrer 2. Deputation, bei dem frühern Beschlusse stehen zu bleiben, und trat gegen 1 Stimme dem Beschlusse der Zweiten Kammer bei.

Die Zweite Kammer nahm zunächst den Bericht über verschiedene Differenzpunkte mit den Beschlüssen der Ersten Kammer in Bezug auf das Subhastalionsgesetz und das Kostengesetz dazu entgegen, indem sie den Beschlüssen der Ersten Kammer auf Antrag ihrer Deputation beitrat. So⸗ dann ließ die Kammer eine Anzahl von Petitionen auf sich beruhen, nachdem sie bezüglich der Petition der Gemeinde Lindenau um Abänderung des Wahlrechts in den Land—⸗ gemeinden einstimmig den Beschluͤssen der Ersten Kammer beigetreten war.

21. März. (W. T. B.) Das heute früh über das Befinden des Prinzen Georg veröffentliche Bulletin lautet:

Prinz Georg hat die Nacht zwar unruhig verbracht und fast gar nicht geschlafen, das Fieber ist jedoch von 404 auf 39 herab gegangen. Der Masernausschlag hat sich über den ganzen Körper ausgebreitet; katarrhalische Erscheinungen fehlen fast ganz, und das

Bewußtsein ist klar.

21. März. (W. T. B.) Die Zweite Kammer hat die Regierung zur Uebernahme des Betriebes einer von der Regierung von Sachsen-Altenburg zu erbauenden Eisen⸗

bahn von Ronneburg nach Meufelwitz ermächtigt.

Hessen. Darmstadt, 20. März. (W. T. B.) Die Vermählung der Prinzessin Viekoria von Hessen mit dem Prinzen von Battenberg ist nunmehr definitiv auf den 17. k. M. festgesetzt.

Oesterreich⸗ Ungarn. Wien, 19. März. (Wien. Ztg.) Im Eisenbahnausschuß wurde gestern die General⸗ debatte über die Regierungavorlage, betreffend die Zugeständ— nisse und Begünstigungen für Lokalbahnen, zu Ende ge⸗ führt und der Abg. Ritter von Kozlowski zum Referenten gewählt. Der Branntwein steuerausschuß beschäftigte sich gestern mit dem 5. 25 der Regierungs vorlage. Im Inter— esse der größeren landwirthschaftlichen Brennereien Galiziens stellte der Abg. Ritter von Czajkowski einen Zusatzantrag, nach welchem allen landwirthschaftlichen Brennereien über 45 hl eine Uebergangsfrist von einem Jahre gewährt wird, so daß sie erst mit 1. September 1885 verpflichtet wären, die Produktensteuer einzuführen. Der Berichterstatter Abg. Jahn sprach sich für diesen Antrag mit der Beschränkung aus, daß blos den Brennereien von 45 bis 60 hl versteuerten Gährraumes jene Uebergangsfrist gewährt werden solle. Der Abg. Auspitz plaidirte diesfalls für 45 bis S0 hl, womit sich der Abg. Ritter von Czajkowski konformirte. Bei der Abstimmung würde der Antrag Czajkowski-Ruspitz angenommen und im Uebrigen §. 25 nach dem Wortlaute der Regierungsvorlage acceptirt.

Die „Wiener Abendposi“ ist gegenüber der gegentheiligen Meldung eines Morgenblatts zu der Erklärung ermächtigt, daß die Finanzverwaltung mit dem Golbedarf für den Aprilcoupon der Goldrente vollständig gedeckt ist.

GSroßbritannien und Irland. London, 20. März. W. T. B.) In der heutigen Unterhaussitzung verlas

Lord Hartington ein Telegramm des Generals Graham, worin derselbe erklärt, daß weder in dem Gefecht von El Teb, noch in demjenigen von Tamanieb den verwun⸗ deten Arabern ein Leid geschehen sei, außer wenn sie eng— lische Soldaten angegriffen hätten. Die Araber hätten aber keinen Pardon gegeben und keinen Pardon genommen, und die englischen Soldaten seien zu ihrer Selbstvertheidigung ge— zwungen gewesen, die Araber zu tödten. Was die telegraphische Ver⸗ bindung zwischen Kairo und Khartum anlange, so sei dieselbe noch unterbrochen; in der Umgegend von Berber scheine es mehr oder weniger unruhig zu sein. Der Generalkonsul Baring habe indeß noch in jüngster Zeit konstatirt, daß er trotb der Unterbrechung der telegraphischen Verbindung binnen 2 bis 3 Tagen mit General Gordon zu korrespon— diren im Stande sei; die Regierung habe seitdem von Baring nichts erfahren, was jene Erklärung modifiziren könnte. Im weiteren Verlaufe der Sitzung legte der Parlamentssekretär der Admiralität, Campbelt⸗ Bannermann, das der Hauptsache nach bekannte Marine— Budget vor und erklärte, daß sich unter den neu zu kon⸗ struirenden Schiffen mit leichtem Geschütz zu bewaffnende Torpedokreuzer von 1430 t befänden, die besonders durch ihre Torpedovorrichtung mächtig sein sollten. Außerdem sei auch der Bau von mit Torpedobooten versehenen Ävisos beabsich— tigt. Ferner solle die Flotte Mitrailleusen erhalten, welche 10 sechspfündige Granaten in der Minute abfeuern könnten. . die Herstellung von 200 solcher Geschütze feien bereits die ufträge ertheilt.

Eine heute Nachmittag im Kriegs-Ministerium ein— egangene Depesche des General Graham aus Sua— im, von heute, sagt: nach Meldungen aus Handu k hätten

sich heute drei zu den Stämmen der Samara und Amrar ge⸗ hörige Scheiks mit 17 ihrer Anhänger der Regierung unter— worfen. Mahmud Ali Bey versichere, daß morgen, wo der Scheik Morgani mit seinem Bruder nach Handuk käme, noch weitere Unterwerfungen erfolgen würden. Ueber den Gesund⸗ heitszustand der ihm untergebenen Truppen sagt General Graham in derselben Depesche, der Krankenstand sei unter 2 Prozent.

Ein Telegramm der „Daily News“ aus Suakim, vom heutigen Tage, bestätigt die bereits aus Kairo gemeldete Nachricht, daß die Bemühungen Digma Paschas, den heiligen Krieg zu predigen, gescheitert seien und die meisten seiner Anhänger ihn verlassen haben. Digma Pascha selbst habe sich mit nur wenigen Personen in das Innere zurück— gezogen.

Bei der Ersatzwahl eines Deputirten in Cambridge— shire, an Stelle des bisherigen Sprechers des Unterhauses, Brand (liberal), ist der von den Konservativen aufgestellte Kandidat Thornhill mit 3815 Stimmen gewählt worden. Der liberale Gegenkandidat Coote erhielt 28912 Stimmen.

21. März. (W. T. B.) Die „Times“ spricht sich dahin aus, daß die egyptische Armee nutzlos sei, so lange die Anwesenheit der britischen Truppen zur Verhinderung eines allgemeinen Zusammenbruches in Egypten nothwendig sei. Sie empfiehlt deshalb die Auflöfung der egyptischen Armee, durch welche Maßregel sich auch das jährliche Defizit in den egyptischen Finanzen beseitigen lasse.

Frankreich. Paris, 20. März. (W. T. B.) Die Deputirten kammer lehnte heute den Antrag, bei der am Dienstag erfolgenden Wahl der Budgetkommission das Listenskrutinium anzuwenden, was auch eine Ver— tretung der Minorität in der Kommission ermöglicht haben würde, mit 319 gegen 201 Stimmen ab. Die Berathung der Interpellation über Madagaskar wurde auf nächsten Montag festgesetzt.

Das Journal „Paris“ glaubt versichern zu können, daß die militärischen Operationen in Tongking nach der Besetzung von Honghog als beendet angesehen werden würden.

(Fr. Corr.) „Paris“ bringt folgende Note: „Es ist heute gewiß, daß Angesichts der Situation, welche die Englän— der sich im Rothen Meere geschaffen haben, die fran— zösische Regierung von den Souveränetätsrechten über DObock, welche der Vertrag vom 11. März 1862 ihr verleiht, Gebrauch machen wird. Der Kommandant des „Infernet“ hat vom Marine-Minister dahin gehende Befehle erhalten und bis zur Ernennung eines französischen Residenten wird der erstere die civilen und militärischen Gewalten in seiner Hand vereinigen. Das Kanonenboot „Etendard“, das in Toulon ausgerüstet wurde, um das Levantegeschwader zu verstärken, wird sich unverzüglich nach Obock begeben, um dort bis auf Weiteres zu bleiben.“

Göln. Ztg) Der Marine-Minister hat von dem . von Cochinchina folgende Depesche er—

alten:

„Saigon, 18. März. Gestern bin ich mit der cochinchinesischen lotte aus Kam bodscha zurückgekehrt. Mir wurde der herzlichste mpfang vom Könige von Kambodscha zu Theil, und in jeder Zu—

sammenkunft betheuerte er seine Opferwilligkeit für Frankreich. Die Feste waren prachtvoll. Ich übergab die Geschenke der Kolonie Cochinchina. Alle Geschäfte wurden abgemacht. Wir einigten uns über die Gründung einer gemischten Gerichtsbehörde, der alle Vergehen in Sachen der indtrekten Steuern unterbreitet werden sollen. Diefes Gericht besteht aus zehn französischen Beamten, von denen einer Präsident ist, und zwei Man. darinen. Der Vertrag bestimmt in 99 Artikeln die Regeln des von dem Gericht zu befolgenden Verfahrens und vervollständigt den Ver⸗ trag von 1883, der unsern Landesangehörigen und den Europäern bei ihren Streitigkeiten mit den Afiaten keinen ge— nügenden Schutz gewährt und der französischen Verwaltung keinen Einfluß auf die Unterthanen des Königs von Kambodscha giebt. Die Nachricht von der Einnahme von Baeninh traf am 14. in P. Nomte⸗Peuk ein. Alle Häuser wurden beflaggt und erleuchtet; drei Salven der Flotille wurden abgefeuert, auf welche die Artillerie von Kambodscha antwortete. Der König Norodon drückte feine große Freude aus und erhoffte den endgültigen Sieg unserer Armer in Tongking. Chacles Thompson, Gouverneur von Cochinchina.

Spanien. Madrid, 20. März. (W. T. B.) Nach hier vorliegenden Meldungen aus den verschiedensten Theilen des Landes herischt überall Ruhe und Ordnung. Das Vorgehen der Regierung bei den jüngsten Verhaftungen soll, gutem Vernehmen nach, den Zweck gehabt haben, die revolutionären Bestrebungen, welche sich seit den bekannten Vorgängen im August v. J. gezeigt haben, in ihrem Zu— sammenhange möglichst klar zu stellen.

Italien. Rom, 20. März. (W. T. B.) In der beutigen Sitzung der Deputirten kammer theilte der Minister⸗Präsident Depretis mit, daß Angesichts der parlamentarischen Lage das Ministerium dem Kön ig seine Demission überreicht und der König sich die Entscheidung noch vorbehalten habe. Das Ministerium werde bis dahin auf dem Platze bleiben und die gewöhnlichen Angelegenheiten erledigen. ;

20. März, Abends. (W. T. B.) Der „Moniteur de Rome“ verbffentlicht ein Cirkularschreiben der Propaganda an die Bischöfe und Chefs der katho⸗ lischen Missionen, in welchem mitgetheilt wird, daß die Propaganda durch die Konvertirung ihres unbeweglichen Vermögens dazu genöthigt werde, administrative Stellen zur Empfangnahme von Legaten und Schenkungen im Aus⸗ lande zu errichten und wonach solche Filialstellen sich be— finden sollen bei den Nuntiaturen in Wien, München, Paris, Madrid, Lissabon und Haag, bei dem Agenten des päpstlichen Stuhls in Malta, bei den Kardinal-Erzbischöfen in London und Dublin, bei dem päpstlichen Vikar in Kon— stantinopel, bei den Erzbischöfen von Mecheln, Algier, Sidney, New⸗York, San⸗Francisco, Quebeck, Toronto, bei dem Inter⸗ nuntius in Rio de Janeiro und bei den apostolischen Dele⸗ girten in Buenos⸗Ayres und Quito.

21. März. (W. T. B.) Der König konferirte im Laufe des gestrigen Nachmittags mit Tecchio und Coppino, den Abend mit Cairoli und heute früh mit Dirudini (von der Rechten). Mancini soll, wie die „Agenzia Stefani“ erfährt, nicht geneigt sein, die Bildung eines neuen Kabinets zu übernehmen.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 20. März. W. T. B.) Auf eine von Israeliten des Kreises Boltawa eingereichte Petition um Sistirung der Ver— fügung der Gouvernementsregierung Poltawa, wonach solche Israeliten, die kein unbewegliches Eigenthum besitzen, aus den Dörfern auszuweisen seien, ist jetzt ein Ukas des Senats ergangen, der die Ausführung jener Verfügung der Regierung bis dahin beanstandet, wo eine objektive Erörterung und Untersuchung des Bittgesuches stattgefunden haben werde. ;

21. März. (W. T. B.) Der General⸗Adjutant, Graf Wladimir Adlerberg, der Aeltere, ist gestern gestorben.

Schweden und Storwegen. Christiania, 20. März. (W. T. B.) Das Reichsgericht sprach heute den Staat s⸗ rath Vogt schuldig, sein Amt verwirkt zu haben. Die Ent— scheidung des Reichsgerichts stützt sich auf dieselben gesetzlichen Bestimmungen, auf Grund deren die Verurtheilung des Staats⸗Ministers Selmer erfolgte.

Seitungsstimmen.

Der „Post“ wird aus der Provinz Sachsen, u. d. 16. Marz, mitget heilt:

Im Etablissement Waldschlößchen bei Erfurt tagte heute der landwirthschaftliche Verein Waldschlößchen. Zu der Versammlung hatten sich außer ca. 109 Vereinsmitgliedern noch ca. 400 Mitglieder anderer benachbarter landwirthschaftlicher Vereine eingefunden. Nach anderen Besprechungen sprach Hr. Oekonomiekommissarius Dr. Franz (Weimar) über die „Schwächen und Bedenklichkeiten des Eisenacher Bauernprogramms. Dem Vortrage folgte eine lebhafte Diskusston, aus der eine Resolution mit einstimmiger Billigung hervorging, welche sich mit der ganzen Wirthschaftspolitik des Reichskanzlers einverstanden erklärte, Auf Aufforderung des Hrn. Direktors Ritze Kirchheim) brachte hierauf die Versammlung auf Se. Majestät den Kaiser ein dreifaches begeistertes Hoch aus, und ferner beschloß man, folgendes Telegramm an den Reichskanzler Fürsten Bismarck zu richten:

„Der landwirthschaftliche Verein Waldschlößchen bei Erfurt und die mit ihm tagenden zahlreichen Mitglieder vieler benachbarter land⸗ wirthschaftlichen Vereine, sowie die anwesenden Gäste, welche sich in der heutigen Versammlung entschieden gegen die Tendenzen des sog. Allgemeinen deutschen Bauernvereins ausgesprochen haben, begrüßen Ew. Durchlaucht als den wahren Freund der Landwirthschaft, er⸗ hoffen von der bisherigen Wirthschaftspolitik Ew. Durchlaucht eine segensreiche Entwickelung sowie die Beseitigung der gegenwärtigen Nothlage der Landwirthschaft, und versprechen, Ew. Durchlaucht im Kampfe gegen die der Landwirthschaft feindlichen Elemente treu zur Seite zu stehen.“ , . ,

Wie die „Weimgrische Zeitung“ mittheilt, ist hier— auf unter dem 17. d. M. folgende Antwort eingetroffen:

Euer Wohlgeboren und allen an dem Telegramm vom 16. d. betheiligten Herren danke ich verbindlich für den Ausdruck Ihrer Zustimmung und die Zusage Ihcer Unterstützung. So lange mir Gott die Kraft dazu schenkt, werde ich an der nach dem Willen Sr. Majestät des Kaisers eingeschlagenen Wirthschaftspolitik fest— halten und insbesondere auch darauf hinarbeiten, daß die Interessen der landwirthschaftiichen Bevölkerung, welche zwei Drittel unferer Nation darstellt, in der Gesetzgebung diejenige Berücksichtigung finden, welche eine so große Mehrheit beanspruchen darf. von Bismarck.

Die Stimmung der gemäßigt Liberalen in Kaisers— lautern wird durch einen Berichterstatter der Süddeuts chen Presse“ folgendermaßen gekennzeichnet:

Um allen Mißverständnissen vorzubeugen, dürfen wir nicht länger zurückhalten mit der Erklärung, daß heute die nationalliberale Partei in unserem Wahlkreise Hrn. von Stauffenberg, den Bundesgenossen C. Richters. als einen politischen Gegner betrachtet, dessen Be⸗ kämpfung Pflicht eines jeden Wählers ist .. . Die Partei Richter= Stauffenberg will den Fürsten Bismarck von seinem Platze drängen. . . Hr. von Stauffenberg aber wird so billig sein, uns zu verzeihen, daß wir ihn bei solchem Streben nicht unterstützen können, denn“ wir wünschen, daß Fürst Bismarck noch lange lebe und im Amte bleibe.

Dem „Deutschen Handelsarchiry“ wird aus Halle a. S. (Anfang Januar) berichtet:

Die für die Weizen stärke fabrikation gehegten guten Erwar— tungen für das Herbst und Wintergeschäft haben sich durchaus nicht erfüllt, und war das Resultat im vergangenen Quartale ein sehr un— günstiges. Trotz der billigen Weizenpreise bleibt bei dem niedrigen Werthe des Fabritats kein Nutzen für den Fabrikanten, und dazu ift der Absatz noch schleppend. Die Konkurrenz der Reisstärke und die wegen der großen Kartoffelernte billige Preisstellung der Kartoffel⸗ stärke wirkten erdrückend auf die Fabrikation der Weizenstärke. und auch eine rentable Verwerthung des Futters war den Fabrikanten nicht möglich, weil wegen der reichen Kartoffelvorräthe sehr viel Schweine auf dem Lande gemästet werden und der Preisstand für Fettvieh naturgemäß herabgeht. Wegen der Unrentabilität in der Fabrikation lassen die meisten Fabriken nur die Hälfte arbeiten. J

Unsere Maschinenfabrikation steht nach wie vor in Blüthe und sind vornehmlich die Fabriken, welche sich mit der Lieferung ganzer Zuckerfabriken⸗Anlagen beschäftigen, noch reich mit lohnenden Aufträgen versehen. Die sehr günstige Lage unserer Maschinenfabriken beruht vor Allem darauf, daß fie fters gewisse Spezialitäten besonders für Zuckerfabriken, chemische und Spritfabriken gepflegt und darin solche Vollkommenheit erreicht haben, daß sie auf dem Weltmarkt gegen die Konkurrenz mit Erfolg auftreten können. Zur Zeit kommt der Maschinenfabrikation noch der Niedergang der Eisenpreise bei unveränderten Preisen für die Maschinen besonders zu statten.

Die Klagen der Kesselschmiederei über unlohnenden i dauern an. In den Wintermonaten ist dieser Fabrikation szweig dur den Fortfall der Reparaturen überhaupt wenig beschãftigt.

Der Geschäftsgang in den Thonwaarenfabriken war wäb—

rend des abzelaufenen Vierteljahres zufriedensiellend. Eine Auf— besserung der Preise ist zwar nicht eingetreten und steht auch wegen der starken Konkurrenz nicht zu erwarten; indeß trat bei der anhaltend milden Witterung eine Störung im Versandt der Fabrikate nicht ein, und sind die Lagerbestände demzufolge so außerordentlich mäßig, daß die Fabriken den Winter über stark arbeiten können, um das Lager wieder zu vervollständigen. Von Wichtigkeit für die Fabrikation war im vergangenen Jahre die Fortsetzung der Kanalisatlon einiger Städte, sowie der Bau von Eisenbahnen und Fabriken. Ebenso war der Bedarf der Landwirthschaft ein größerer als in früheren Jahren. Man hofft, daß diese allmählich ein immer größerer Konsument der Thonwaarenarfikel werden und daß letztere auch auf weitere Ent⸗ fernungen hin die aus anderen Material gefertigten Röhren, Krippen, Tröge und dergleichen verdrängen werden. Die Braunkohlen⸗Industrie mit ihren Nebenzweigen hat sich im vergangenen Jahre eines recht günstigen Resultats zu erfreuen gehabt, okwohl bescheidene Preisrückgänge in einzelnen Produkten der Mineralõl· und Paraffinfabrikation zu bemerken gewesen sind. Eine solche rückläufige Bewegung ist indeß natürlich, wenn aus vorüber— gehenden Gründen eine übermäßige Steigerung vorausgegangen war und ist durchaus nicht als ein Anzeichen far den Niedergang der In— dustrie überhaupt anzusehen.

gi Klarkohle, deren Absatz sich allerdings nicht sehr weit über das Produktionsgebiet erstreckt, trat gegen die früheren Jahre in Folge vermehrter Fabrikthätigkeit befonders in den Zuckerfabriken ein erhöhter Konsum ein. Eine Preissteigerung war allerdings nicht da⸗ mit verbunden, indessen begnügte sich der Grubenbefitzer schon mit dem erhöhten Absatz, da er den Klarkohlen handel weniger für einen lukrativen Theil seines Geschäfts, als vielmehr für ein Mittel be— trachtet, seinen Arbeitern einen regelmäßigen Verdienst während des ganzen Jahres zu erhalten. . .. .

Kann schon der Erfolg des eigentlichen Kohlenhandels als ein günstiger bezeichnet werden, so läßt sich dieses noch mehr von der mit den Braunkohlen zusammenhängenden Leuchtstoff ⸗Fabrikation sagen; man datirt diese günstige Wendung unserer Mineralölindustrie auf die seit dem Jahre i879 befolgte Wirthschaftspolitit zurück. Es verging allerdings zunächst eine längere Zeit, ehe sich die an die Zollgesetzgebung geknüpften Hoff nungen erfüllten, nachdem aber die roch unverzollten Bestände konsumirt waren, kamen auch die erwar⸗ teten Erfolge zur Geltung. Recht sichtbar wird dieser Einfluß, wenn man die Preise des amerikanischen Petroleums mit denen unseres Solaröls, welches in unmittelbarem Abhängigkeitsverhältniß zum Petroleum fteht. vergleicht. Es betrugen nämlich die Preise pro Centner:

Solarõöl leco Weißenfels:

5,94 M,

Petroleum unverzollt loco Bremen: 1 1 J 130; 8, 84

Aehnliche Verhältnisse traten auch für Paraffin ein, so daß dieser Artikel jetzt wieder als hauptsächlichste Stuͤtze für unsere Mineralöl— industrie betrachtet werden kann.

Der Preis für Paraffinöle zur Oelgasbereitung und zu Schmier— zwecken war in der Annahme einer Ueberproduktion in den Fahren 1881 und 1882 sehr gedrückt und bis auf 3 M pro Centner herab gegangen. Je mehr sich die Handelswelt von der Unrichtigkeit dieser Annahme überzeugte, um so mehr besserten sich unter immer reger werdender Nachfrage die Preise und erreichten dieselben die Höhe von 6 „M und darüber. Seit Jahren nimmt aber im Auslande, nament— lich in Galizien und am Kastpischen Meere, die Gewinnung von Paraffinölen gewaltige Dimensionen an und äußert ihren

Einfluß bereits in einer, unsere Industrie stark bedrohenden

Weise. Es wird daher als eine zeitgemäße Rothwendigkeit angesehen, daß mit Beginn des neuen Jahres auch auf diesen Artikel ein Ein— gangszoll von 3 M pro Centner brutto gelegt ist. Eine Steigerung des Preises erwartet man allerdings hierdurch für unsere Gas, und Schmieröle nicht, da dem Preise von etwa 6 S pro Centner durch das Steinkohlengas und durch die bessere Qualität ausländischer Schmieröle Einhalt geboten wird, indeß würde sich die Industrie schon mit dem Fernhalten der ausländischen Produkte vom deutschen Markte begnügen.

Die Träger der Braunkohlen-Industrie benutzen übrigens die jetzige günstige Geschäftslage dazu, die früher schon geplante bessere Gestaltung der Arbeiterverhältnisse durchzuführen, und bethätigen dieses durch Gewährung höherer Löhne, durch reichere Dotationen 'an Wohlthätigkeitsinstitute und durch Zuwendung von Unterstützungen zc. in besonders geeigneten Fällen.

Aus Dresden wird der „Schlesischen Zeitung“ geschrieben:

Nach den Mittheilungen des sächsischen statistischen Bureaus betrugen im Königreich Sachsen die Einzahlungen der Sparkassen während des Jahres 1882 insgesammt 88 404 3060 M, die Rückzahlun— gen 87 134 896 6, während sich im Jahre 1883 die Einzahlungen auf 38 859 937 „½, die Rückzahlungen aber auf 83 980 023 4 beliefen. Es ist also der früher im Verhältniß zwischen Einzahlungen und Rückzahlun— gen konstatirte Rückgang nicht nur zum Stillstand gekommen, fondern bereits durch ein erhebliches Einzahlungsplus ersetzt worden. In den Jahren 1877 bis 1879 hatte der Ueberschuß der Einzahlungen durchschnittlich nur eine Million Mark betragen, im Jahre i881 war an seine Stelle sogar ein Minus von mehr als einer Million Mark getreten, im Jahre 1882 hatte sich dann wieder ein Plus von etwas mebr als einer Million eingestellt, im Jahre 1883 aber sind nahezu 6 Millionen mehr ein als zurückgezahlt worden. Es ist dies ein neuer erfreulicher ö. der fortschreitenden Gesundung unserer wirthschaftlichen Ver—

ãltnisse.

Reichstags ⸗Angelegenheiten.

Dem Reichstage ist folgender Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Prisengerichtsbarkeit, vorgelegt worden?

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen ze. ; verordnen im Namen des Deutschen Reichs, nach erfolgter Zu— stimmung des Bundesraths und des Reichstags, was folgt:

ö Die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der in einem Kriege gemachten Prisen erfolgt durch besondere Behörden (Prisengerichte).

Der Sitz der Prisengerichte, ihre Zusammensetzung. das Ver fahren vor denselben, sowle die Verpflichtung anderer Behörden des Reichs oder der Bundesstaaten, in Prisensachen mitzuwirken, wer den durch Kaiserliche Verordnung bestimmt.

Begründung.

Darüber, ob eine Prise fur rechtmäßig zu erachten sei, wird nach feststehendem Herkommen der Seestaaten von befonderen Behörden (Prisengerichten) entschieden. Es bedarf solcher Behörden in jedem unter Mitwirkung maritimer Streitkräfte geführten Kriege selbst dann, wenn die Kriegführenden, wie dies in neueren Kriegen mehrfach geschehen ist, auf die Ausübung des eigentlichen Seebeuterechts ver⸗ zichten. Denn auch in diefem Falle wird dem Rechte niemals entsagt werden, Schiffe aufzubringen, welche Kriegskontrebande führen oder sich des Blockadebruchg schuldig machen. Es ist daher dafür Sorge zu tragen, daß im Kriegsfalle Deutsche Prisengerichte sofort in Thätigkeit treten können

Behufs Regelung der hier in Frage stehenden Verhältnisse ist in Preußen der Allerhöchste Erlaß vom 20. Juni 1864, betreffend die Genehmigung eines Prisenreglements, sowie der Bestimmungen über

das Verfahren in Prisensachen ergangen (Pr. G-S. 1864 S. 369 ff.). Durch diese Vorschriften wird indeß dem oben hervorgehoßenen Be— dürfnisse gegenwärtig, nachdem die früher Königlich preußische Marine durch die Reichsverfassung zu einer einheitlichen deutschen Kriegs marine umgewandelt ist, wenigstens insoweit, als es sich um die hier allein in Betracht zu ziehenden Bestimmungen Über das Verfahren in Prisensachen handelt, nicht mebr Genüge geleistet

Die Anwendung der Vorschriften, welch? Räber die Errichtung des Prisenraths und des Ober Prifenraths, fowie Über das von diesen Behörden einzuhaltende Verfahren gegeben sind, würde schon aus dem Grunde auf Schwierigleiten stoßen können, weil inzwischen die damalige Behördenorganisation wesentlich verändert ist.

Mit Rücksicht hierauf erscheint es nothwendig, den Gegenstand von Reichswegen neu zu regeln. Die gesetzliche Grundlage dafür zu schaffen, ist der anliegende Entwurf bestimmt.

Der 8.1 desselben setzt fest, daß die Entscheidung über die Recht⸗ mäßigkeit der in einem Kriege gemachten Prisen durch besondere Be⸗ hörden (Prisengerichte) erfolgt, und bringt damit den im Wesen der Sache liegenden und von der Gesetzgebung der übrigen Seestaaten anerkannten Grundsatz zum Ausdruck, daß der prisengerichtlschen Ent= scheidung die Bedeutung und Wirksamket eines Rechtsspruchs zu⸗ kommt, welcher einer weiteren Prüfung und Anfechtung vor anderen 4 insbesondere vor den ordentlichen Gerichten, unbedingt ent⸗ zogen ist.

Im Uebrigen sieht der Entwurf davon ab, die Bildung der Prisengerichte, das Verfahren vor denselben, sowie die Verpflichtung anderer Behörden zur Gewährung der Rechtshülfe oder sonstigen Mitwirkung in Prisensachen im Einzeln zu regeln, behält vielmehr nach dem Vorgange auswärtiger Seestaaten (j. B. Frankreichs, Loi relative aux constestations sur la validitè des prises maritimes, du 26 Vent. an 8, art. 2 und Italiens, Codice per la marina mer- cantile, vom 25. Juni 1865 Art. 225 die bezüglichen Vorschriften dem Verordnungswege vor und gewährt damit die Möglichkeit, die selben für jeden Kriegsfall der jeweils obwaltenden besonderen Sach⸗ lage anzupassen.

Schon der Umstand, daß nicht nur auf die eigenen Verhältnisse Rücksicht zu nehmen ist, sondern auch auf diejenigen etwaiger Ver⸗ bündeter, läßt es als nothwendig erscheinen, daß der Kaiser bezüglich der in Frage stehenden Anordnungen nicht durch gesetzliche Bestimmungen beschränkt sei.

Landtags⸗Angelegenheiten.

Die XII, Kommission des Herrenhauses zur Vor— berathung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes vom 13. März 1878, betreffend die Unterbringung verwahrlofter Kinder hat sich, wie folgt, konstituirt: Graf von Brühl, Vor— sitzender; von Kleist⸗Retzow, Stell vertreter des Vorsitzenden; von Borcke,

chriftführer; Friedensburg, Stellvertreter des Schriftführers; von Rochow, Graf von Schlieben, Graf von der Schulenburg Angern, Graf von der Schulenburg⸗-Beetzendorf, Freiherr von Maltzahn, Freiherr von Tettau, Adams, Freiherr von Manteuffel⸗Krossen, Graf von dem Bussche-Ippenburg, Freiherr von Wintzingeroda⸗Knorr, Graf von Zieten⸗ Schwerin.

Bei der im 8. Breslauer Wahlbezirk (Neurode, Glatz, Habelschwerdt) stattgefundenen Ersatz wahl für den verfforbenen Rittergutsbesitzer und Landesältesten von Ludwig zu Neuwaltersdorf ist der Rechtsanwalt Porsch in Breslau (Centrum) mit 430 von 447 abgegebenen Stimmen zum Mitglied des Hauses der Abgeord⸗ neten gewählt worden.

Statistische Nachrichten.

Nach Mittheilung des Statistischen Amts der Stadt Berlin sind bei den hiesigen Standesäm tern in der Woche vom d. März. bis inkl. 135. März cr. zur Anmeldung gekommen: 1. , . 880 Lebendgeborene, 30 Todtgeborene, 559

erbefälle.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Das „Stande samts-Lexikon für das Königreich Preußen. (Stat. Corr) Das vorbezeichnete, foeben vom Königl. statistischen Bureau ausgegebene Werk hat die Aufgabe, einem im amtlichen Verkehre der Verwaltungsbehörden und Königl. Standes⸗ ämter hervorgetretenen Bedürfnisse entgegenzukommen und zuverlãässige Auskunft darüber zu ertheilen, zu welchem Standes amts⸗Bezirke die ein⸗ zelnen Städte, Landgemeinden und Gutsbezirke des preußischen Staates gehören. Zu diesem Zwecke enthält der zweite Abschnstt des Lexikons ein alphabetisch geordnetes Verzeichniß sämmtlicher preußischen Städte und sonstigen Kommunaleinheiten und weist durch zwei Ziffern deren Zugehörigkeit zu einem bestimmten Kreise und Standeßamts« Bezirke des ersten Abschnittes nach. Dieser erste Abschnitt umfaßt das nach Provinzen, Regierungs⸗ u. s. w. Bezirken und Kreisen bezw. Oberämtern geordnete Verzeichniß der am 1. Juli 1883 im preußischen Staate vorhanden gewesenen Standesämter. Die Kreise und Oberämter sind dabei für den ganzen Staat durchlaufend numerirt, ebenfo innerhalb jedes Kreises oder Oberamtes die nach ibrer amtlichen Benennung geordneten Standesämter. Für jeden Standesamtsbezirk sind der Sitz des Standesbeamten der Postort, das Amtsgericht und die Bevölkerungszahl nach dem Ergebnisse der Volkszählung vom 1. Dezember 1880 nachgewiesen, und außerdem ist zur Darstellung des Geschäftsumfanges des betreffenden Standesamts angegeben, wie viele Lebend, und Todtgeburten, Cheschließungen und Sterbefälle nach den amtlichen Nachweisungen während des Jahres 1883 in die Standesregister eingetragen worden sind.

Bei der Herstellung des Stan desamts Lexikons für den preußischen Staat ist auf die richtige Schreibweife der Ramen der Kommunal einheiten ganz besondere Sorgfalt verwendet worden. Es wird schwer gelingen, nach dieser Richtung hin allen Wünschen voll gerecht zu werden, da sür eine beträchtliche Anzahl von Ortsnamen sow-hl innerhalb der einzelnen Verwaltungszweige wie auch bei der Be— völkerung drei, vier und mehr verschiedenartige Schreibweisen im Ge— brauche sind. Abgesehen von einigen aus flawischen Sprachen über⸗ kommenen und verschiedenartig geschriebenen Endungen mußte nament⸗ lich über die Schreibweise der wechselnd mit Kr oder C im Anlaute geschriebenen Namen Entscheidung getroffen werden. Bei diesen Namen ist nun dem K der Vorzug gegeben worden, sobald es sich um Namen deutschen slawischen Ursprunges oder um völlig germani⸗ sirte Namen romanischen Ursprunges handelte, so daß nur die nicht germanisirten Namen romanischen Ursprunges, z. B. Courl im Land⸗ kreise Dortmund, mit dem als K anlautenden C geschrieben worden sind. Diese Schreibweise der Eigennamen entspricht einem gelegent lich der Aufstellung der Grundsätze für das neue Ortschaftsverzeichniß des preußischen Staates im Jahre 1871 gefaßten, höheren Ortes ge⸗ nehmigten Beschlusse der statistischen Zentralkommission, dessen moͤg⸗ lichste Beachtung im allgemeinen Interesse liegt.

Durch. Vermittelung des japanischen Konsulats sind der Nat. Stg.‘ die Jahresberichte der Üniversität von Tokio in Japan (Tokio Daigaku) für die Jahre 1881,82 und 1882,83 zuge⸗ gangen. Dieselben enthalten einen kurzen historischen Ueberblick. einen Universitätskalender, eine kurze Beschreibung der Organisation, einen Plan der verschiedenen Unterrichtskurse, endlich eine Liste der Studenten, der Graduirten, der ins Ausland geschickten Studenten ꝛc. Die Universität hat vier Fakultäten: die der Gesetze?, Wissen · schaft'. . Literatur und Medizin. In der ersten wird Jurisprudenz und Staatsrecht, in der zweiten Mathematik, Geologie, Bergbau und Mineralogie, in der ditten Philosophie, Politik, Volkswirthschaft und japanesische sowie chinesische Literatur gelehrt. Außerdem bestehen Kurse in der Geschichte Japans, der Geschichte des alten Rechts