liegen. Schon in der ersten Märzhälste, besonders in der zweiten Woche dieses Monats stellte sich Frühlingswitterung ein und mit Ausnahme Galiziens und der Bukowina, wo im Wesentlichen Fröste und Schnee bis Mitte des Monats an⸗ ielten.
9 Die Saaten und zwar Raps und Klee ebenso, wie Weizen und Roggen, haben im Allgemeinen sehr gut über⸗ wintert und stehen nun recht schön, großentheils vielversprechend, nur in manchen Gegenden wegen anhaltender Trockenheit etwas dürftig.
Die Vegetation auf den Wiesen ist in manchen günstigen
Lagen schon erwacht, doch kann dies bisher nur als Ausnahme zelten. ; Der Anbau der Sommersaaten hat bereits selbst in Böhmen in vielen Lagen begonnen, und in den größeren Thälern Südtirols ist sogar die Aussaat von Gerste und Hafer schon beendet.
Im südlichen Mähren werden schon Zuckerrüben an⸗ ebaut.
ö In den meisten Lagen der Eingangs bezeichneten Länder⸗ gruppen wurden bisher zwar die Sommersaaten selbst noch nicht bestellt, wohl aber die Aecker zur Saat vorbereitet, so daß dem Anbau im Allgemeinen besser vorgearbeitet erscheint, als dies gewöhnlich der Fall ist.
Dasselbe gilt auch von der Bukowina, insofern dort der Herbst diesen vorbereitenden Arbeiten günstig gewesen war.
Das Schneiden der Reben ist theils im Zuge, theils schon beendet, ebenso in Sübtirol das Anbinden derselben.
Die Obstbäume zeigen reichlichen Fruchtknospenansatz mit Ausnahme jener Gegenden, in welchen dieselben im Vorjahre sehr reichlich getragen hatten, wie z. B. in der Gegend von Brixen.
Achte Sonderausstellung im Kunstgewerbe⸗Mu⸗ seum. (Schluß) Als man nach dem völligen Verfall der Glasmalerei, der mit dem Ende des 17. Jahrhunderts herein⸗ brach, sich um die Wende des 18. und 19. Jahrhunderts der verlorenen Technik von Neuem zuwandte, konnte das Ver⸗ ständniß für die ihr eigenthümlichen Stylgesetze nur sehr allmaͤhlich wieder gewonnen werden. Bezeichnend ist es hierfür, wie eine der originellsten und geistreichsten Arbeiten der Ausstellung, der 1846 entstandene, unausgeführt gebliebene Entwurf von Adolf Menzel für ein Fenster des Doms zu Magdeburg, den Empfang Tilly's am Portal des Domes schildernd, in AÄuffassung und Behandlung das moderne realistische Historienbild ohne Weiteres auf die Glas⸗ malerei überträgt. Daß hier die Komposition an sich in keiner Weise die Bestimmung des Bildes als Kirchenschmuck vermuthen läßt, macht den Mißgriff in diesem Fall noch deutlicher als in anderen gleichzeitigen Arbeiten. Im Grunde genommen beherrscht er jedoch die gesammte Produktion dieser Periode in gleicher Weise auch da, wo die Komposition sich durchaus in den Formen kirchlicher Kunst bewegt. wie es u. a. der von Cornelius herrührende Entwurf zu einem Chorfenster für den Dom zu Aachen beweist. Es bedarf einer geraumen Zeit, ehe der Zwiespalt zwischen Kunst und Handwerk wieder überwunden, der Giefgreifende Unterschied zwischen den An— forderungen der auf sich selber stehenden Oelmalerei und der an die Eigenschaften des Materials gebundenen Ausführung des Bildes in gefaͤrbtem und bemaltem Glas ron Neuem begriffen und das Bewußt— sein der in der besonderen Technik wurzelnden Bedingungen der Glas— malerei sowie der besonderen Aufgabe, die das fertige Produkt der⸗ selben zu erfüllen hat, wieder lebendig wachgerufen wird. Erst die neuere kunstgewerbliche Bewegung hat auch auf diesem Gebiet die er— freulichsten Erfolge erzielt, so daß jetzt wieder die Zahl der Arbeiten im Zunehmen begriffen ist, die ihre glückliche Wirkung einem ver— ständnißvollen Studium der alten Vorbilder verdanken.
Den anscheinend sichersten Weg zu diesem Ziel, der allerdings zugleich die Gefahr nahelegt, von der Bahn einer gesunden und lebendigen künstlerischen Entwickelung sich am weitesten zu verlieren, sehen wir in Arbeiten eingeschlagen, wie sie in großer Menge der Nachlaß von Johann Klein darbietetet. Im Jahre 1823 in Wien geboren, fand er seine Ausbildung auf der dortigen Akademie unter der Leitung von Führich und Kuppelwieser. Den Einflüssen, die damit auf ihn einwirkten, kam seine eigene Neigung entgegen, und so entwickelte sich sein Talent, von vornherein auf die religiöse Malerei gerichtet, in innigster Anlehnung an die Kunstweise Führichs, die dem Beschauer der ausgestellten Blätter immer wieder in den verschiedensten Kompositionen entgegentritt. Mehrfache Studienreisen aber brachten Klein in immer nähere Beziehungen zu den Meistern mittelalterlicher Kunst, deren Wand⸗ und Glasmalereien er in Vene⸗ dig, im Dom zu Gurk in Kärnten, in Soest und Braunschweig, in Klosterneuburg, im Wiener Stephansdom. in Krakau u. s. w. studirte. Die biographische Charakteristik, die Essenwein, der Direktor des Germanischen National-Museums, in dem Führer der Ausstellung dem Andenken Kleins widmet, weist darauf hin, wie diese Studien in doppelter Weise ihre Wirkung übten. Die engere Verbindung zwischen Kunst und Handwerk, wie sie jener Periode eigenthümlich ist, erschien Klein immer mehr als erstrebenswerthes Ziel, und so schloß er sich mit lebendigem Interesse den vorzugsweise vom Rhein ausgehenden Be— strebungen zur Wiederbelebung der mittelalterlichen Kunst an, die, zunächst für den Bedarf der Kirche, dem neueren Kunstgewerbe die förderndsten Anregungen brachten. In den Dienst der hier sich bie⸗ tenden Aufgaben stellte er sein ganzes künstlerisches Vermögen, und die Ausstellung seines Nachlasses giebt ein Bild von der außer— ordentlichen Produktion, die er entfaltete. Neben Entwür⸗— fen zu Wandgemälden und Glasmalereien entstanden in reicher Fülle solche zu kirchlichem Geräth jeder Art für die Ausführung in edlem Metall, in Email, Mosaik und Stickerei. Dazu treten ferner noch andere gleichartige Entwürfe, bei denen es sich bald um den Aufbau eines gothischen Altars, bald um Buchtitel oder Gedenkblätter handelt. Durchweg erfreut in diesen Arbeiten das Verständniß für die handwerkliche Technik der Ausführung sowie für die besondere Behandlungsweise, die das Material erfordert, und vor züglich gilt dies denn auch von den Entwürfen für Kirchenfenster, die zu Hunderten von dem Künstler gearbeitet wurden, in erster Linie für Westfalen und Rheinland, wo in den . der Thurmhalle des Cölner Doms eine seiner bedeutendsten Arbeiten der Vollendung entgegengeht, dann aber auch für die verschiedensten an— deren Theile Deutschlands, für Oesterreich und Ungarn, für Frank— reich, Ober-Italien c. Wohl ist in diesen Entwürfen, wo sie sich nicht blos im gezeichneten Karton, sondern in farbiger Ausführung darbieten, die in der Schule des Künstlers wurzelnde Vernachlässigung eines vollen koloristischen Empfindens deutlich zu spüren; in der Art und Weise der Komposition, in der Auffassung des ganzen Bildes als einer teppich artigen Füllung der gegebenen Flächen, in der Erfindung und Ver— theilung des reichen ODrnamentwerks für Fonds und Umrahmungen wird dagegen der in der mittelalterlichen Kunstübung aus dem inne— ren Wesen der Glasmalerei erwachsene Styl derselben hier in hohem Grade wieder lebendig. Ohne Frage gehen die Klein— schen Entwürfe nach dieser Seite hin über andere gleichzeitige Arbeiten weit hinaus. Trotz aller Tüchtigkeit aber fällt es ihnen doch schwer, den modernen Beschauer zugleich als Schöpfungen zeit— genössischer Kunst zu fesseln, und sicher ist es nicht blos äußeren Verhältnissen zuzuschreiben, daß der Künstler nur in engeren Kreisen die seiner Begabung, seinem ausdauernden Fleiß und Streben und seiner ungewöhnlichen Produktivität entsprechende Schätzung fand. Wie die Vertiefung in die Kunst des Mittelalters seinen Entwürfen ihren siylistischen Werth verleiht, so entäußert er sich bei diesen Studien zugleich mehr und mehr der eigenen Individualität zu Gunsten der dabei liebgewonnenen Kunstformen einer hinter uns liegenden Periode, die er oft bis fast zur Täuschung getreu zu repro—
duziren weiß. Die sorgliche Nachbildung des Gegebenen aber vermag auch hier nicht eine lebendige Fortentwickelung zu ersetzen.
Es würde zu weit führen, die im Anschluß an den Kleinschen Nack laß vorgeführten Arbeiten im Einzelnen ihrem Werth nach zu würdigen. Unter den Entwürfen zu Kirchenfenstern fordert von bereits vor längerer Zeit entstandenen Arbeiten die greße farbige Zeichnung für das von Ihren Kaiserlichen und Königlichen Hobeiten dem Kronprinzen und der Kronprinzessin dem Cölner Dam gestiftete Fenster von C. J. Milde Beachtung. Eine sebr glückliche Ge⸗ sammtanlage und gute Vertheilung der Massen zeigt ferner das den⸗ selben Hohen Stiftern zu verdankende Fenster für die Kirche zu Bornstedt von Schaper in Hannover. Einem umfassenden Restaurations⸗ Entwurf für ein Fenster des Halberstädter Doms gesellt C. Elis sodann die Zeichnungen und Farben⸗ skizzen zu dem für denselben Dom kürzlich in dem König— lichen Institut für Glasmalerei ausgeführten Lutherfenster, das in den figürlichen Scenen bei absichtlich befangener Zeichnung nicht ohne Geschick den naiven Ton populärer Darstellungen jener Zeit zu treffen sucht. Ein Fenster sür die Stiftskirche zu Hamm, von C. Schäfer im Sinne stylgerechter Anlehnung an edelste gothische Formen componirt, ist nur in einer kleinen aqua— rellirten Zeichnung ausgestellt, die indeß eine vortreffliche Anordnung auch in Bezug auf die farbige Wirkung nicht verkennen läßt. Im Gegensatz zu diesen Entwürfen bringt es der von L. Grunert für ein dem Dom zu Brandenburg zur Erinnerung an die goldene Hochzeit Ihrer Majestäten des Kaisers und der Kaiserin von den Domherren gestistetes Fenster mit der Dar stellung der Hochzeit zu Kana zu keinem rechten Gleichgewicht zwischen dem gothischen Ornament und dem großen Hauptbilde, das auch bei ruhigerer Behandlung sich doch noch zu selbständig herauslösen würde. Eine stattliche Zahl von Fenstern für Profangebäude ist sodann von J. Schaller, von H. Stöckhardt, von L. Burger, von A von Heyden und von E. Ewald aucgestellt, darunter Arbeiten, die auch in der Ausführung längst allgemein bekannt geworden sind, wie die Fenster für das Restaurant des Architekten⸗ hauses in Berlin von Stöckhardt und die für den ‚Kurfürstenkeller“ in Berlin von Ludwig Burger, dessen bekannte Kunstweise auch durch die für reiche Berliner Prioathäuser ausgeführten Glasmalereien mit Darstellungen aus dem Gebiet der Allegorie, der Sage und der Dichtung ansprechend vertreten ist. Von A. von Heyden fesseln neben dem großen Karton des Fensters für den Kaiserpavillon der Wiener Weltausstellung von 1873 vornehmlich drei kleine Farbenskizzen durch die glückliche Berechnung eines reichen und harmonischen koloristischen Effekts. Am entschiedensten aber ist die der gesammten modernen Pro—⸗ duktion am nächsten liegende Gefahr, das Bild als solches auf Kosten der ornamentalen Gesammtwirkung hervorzudrängen und zugleich in der Farbe trüb und schwer zu werden, in den aus reichem Orna— mentenwerk mit figürlichen Medaillons komponirten Fenstern von Ewald vermieden, unter denen die für den Speisesaal des Kronprinz— lichen Palais ausgeführten in erster Linie stehen. Wie sie an die italienische, so . sich endlich noch einige keck und frisch behan— delte Entwürfe des Königlichen Instituts für Glasmalerei unter Lei— tung seines Vorstehers Maler Bernhard in der vornehmlich aus der heutigen Münchener dekorativen Kunst bekannten, erfolgreichen Weise mehr oder weniger frei an die deutsche Renaissance an, wobei nur der kleine Maßstab der Skizzen kaum ein ganz sicheres Urtheil über die von der fertigen Ausführung zu erwartende Wirkung gestattet. Be— sondere Beachtung aber verdienen neben diesen Entwürfen noch die Photographien moderner englischer Glasgemälde, die von Neuem das große Talent der heutigen englischen Malerei für dekorative Flächen⸗ behandlung auch in großen figürlichen Kompositionen beweisen und eine wenigstens in Bezug auf Zeichnung und Raumvertheilung ebenso stylgemäße wie charakteristische Ausbildung der Glasmalerei reprä— sentiren.
Dem Bericht des Berliner Krippen⸗-Vereins über die Säuglingsbewahranstalten (Krippen) für das Jahr 1883 sind folgende Mittheilungen entnommen: Die beiden Krippen des Vereins, in der Anklamer und Fruchtstraße gelegen. zeigten, was ihr inneres Leben anbetrifft, wünschenswerthes Gedeihen. Der Gesundheitszustand der Kinder war im Ganzen zufriedenstellend. Von den ausgedehnten Epidemien des Jahres blieben die Pflegebefohlenen nicht völlig ver—— schont. Aus der Zahl der in der Krippe II aufgenommenen Kinder sind im Frühjahr mehrere dem damals herrschenden Scharlachfieber erlegen. Die in 1882 ins Leben getretene Einrichtung, welche den Vereinsdamen eine direkte Einwirkung auf die Beaufsichtigung und Pflege der Kinder eröffnet, bat sich sehr bewährt. Was die Frequenz der beiden Anstalten anbetrifft, so entfielen an Verpflegungstagen auf Krippe JI 7392, gegen 7485 in 1882, und auf Krippe II 4897, gegen 4793 in 1882. — Der Verein hatte auch im I 1883 mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen. Die Beiträge der Mitglieder und die Erträge der Hauskollekten sind hinter dem Voranschlage erheblich zurückgeblieben. Bei der gleichen Frequenz der Krippen wie im Vor⸗ jahre ist es ermöglicht worden, die Gesammtausgaben mit 11561 . gegen 12795 M. in 1882 zu bestreiten, ein Resultat, welches nur durch die erheblichen Zuwendungen an Vikualien und sonstigen Geschenken von Seiten der Freunde und Mitglieder des Vereins zu erzielen war. Es blieb aber trotzdem ein Defizit übrig, welches nur durch abermalige Veräußerung eines der Werthpapiere des Ver— eins sich beseitigen ließ; der Kapitalbestand desselben hat sich deshalb wieder um 17060 4M¶ L vermindert, doch schließt dem gegenüber die Jahresrechnung ult. 1883 mit einem Baarbestande von 868 A6 Dem Verein verbleibt an Kapitalvermögen nur noch eine aus einem Legat dee l hrnde Summe von 15 000 „ in 4*s᷑iger preußischer konsol.
nleihe.
Der Verlag des „Offerten-Blattes für die Offiziere der deut schen Armee“ (Nobiling u. Isaae in Berlin C., Schleuse Nr. 12) hat die Hälfte des 2 S 409 jährlich betragenden Abonne⸗ m entspreises zu einer Stiftung „Kameradschaft“ bestimmt, die den Zweck hat, hülfsbedürftige Wittwen und Kinder verstorbener Offiziere und im Offiziersrange stehender Militärbeamten zu unter— stützen. Die Kontrole über den richtigen. Eingang dieser Abonne— mentshälfte und die Veiwaltung der Stiftung soll in den Händen eines aus fünf Offizieren bestehenden Kuratoriums ruhen.
Dem dreiundfünfzigsten Jahresbericht über die Hufelandschen Stiftungen für nothleidende Aerzte und Arztwittwen, sowie über die bei denselben mitverwaltete Dr. Ignatz Braunsche Stiftung entnehmen wir zunächst einen Auszug aus der Rechnung der Stiftungskasse zur Unterstützung für Aerzte. Der Abschluß ergiebt an Einnahme 216300 M Hypotheken, 44 900 M. Werthpapiere, 28 424 MÆ 59 5 baar, in Summa 289 624 M6. 59 5. Die Aus⸗ gaben betrugen 16207 46 46 5. Der Bestand beläuft sich also auf 273 417 ƽ 13 53. — Die Abrechnung über die Braunsche Stiftung ergiebt einen Bestand von 10 160 M 08 3. — Der Auszug aus der Rechnung der Stiftungskasse zur Unterstützung bedürftiger Arzt— wittwen weist an Einnahmen 130202 S 50 auf, an Ausgaben 18 402 M 50 3; mithin beträgt der Bestand 111 800 M — Die Nach— weisung der im Jahre 1883 eingegangenen Beiträge für die ärztliche Unterstützungsanstalt der Hufelandschen Stiftung ergiebt für 2158 Mitglieder aus 57 Regierungsbezirken resp. Landdrostelen die Summe von 7270 S. — Die Nachweisung der im Jahre 1883 aus der Hufe— landschen Stiftung für nothleidende Aerzte gezahlten Pensionen und Unterstützungen ergiebt für die betr. Bezirke die Summe von 7650 auf 40 Unterstützte. — Die Nachweisung der in demselben Jahre ein⸗ gegangenen Beiträge für die Wittwen-Unterstüßungsanstalt der Hufe— landschen Stiftung ergiebt für die betr. Bezirke die Summe von 6362 S auf 1913 Mitglieder. Die Nachweisung der 1883 aus der Hufelandschen Stiftung für Arztwittwen gezahl— ten Pensionen und Unterstützungen ergiebt die Summe von 18402 ½ 50 8 für 216 Unterstützte. — Aus Veranlassung der mannig— fach vorkommenden Beitrags leistungen unter 3 A6 macht das Direk— torium wiederholt darauf aufmerksam, daß ein Anspruch auf Unter⸗
stützung bei der Hufelandschen Unterftützungsanstalt für Aerzte neben dem Nachweise der Nothlage laut §. 2 deren Statuts an einen jähr⸗ lichen Beitrag von in een 3 * an die Anstalt für Aerzte ge⸗ knüpft ist und daß der Wittwe eines Arztes laut 5. 1. 5 und 6 des maßgebenden Planes für die Wittwen ˖Unterstätzungöanstalt bei nach⸗ zuweisender Bedürftigkeit nur in dem Falle eine Unterstützung ge währt werden kann, wenn der verstorbene Arzt neben einem Beitrag von mindestens 3 M jährlich an die ärztliche Unterstützungsanstalt auch einen gleichen Beitrag an die Wittwen⸗Unterstützungsanstalt fortlaufend jährlich geleistet hat.
Hamburg. Für die von dem Verein für Hamburgische Geschich te veranstaltete Aus stellung Aus der Franzosenzeit“ sind bereits zahlreiche Gegenständ eingeliefert oder wenigstens angemeldet, und es darf als Beweis des lebhaften Interesses, welches das Unter⸗ nehmen des Vereins in allen Kreeisen erregt, nicht unerwähnt bleiben, daß die erste Anmeldung von Ausstellungsobjekten von einem Koffer⸗ träger ausging. Auch auswärts findet die Ausstellung Theilnahme; so sind z. B. aus Lüben interessante, auf die vertriebenen Hamburger und auf die Gründung der hanseatischen Legion bezügliche Schriftstücke zu erwarten. Ueberhaupt verspricht die Ausstellung gedruckter und schriftlicher Erinnerungen sehr reichhaltig zu werden. Auch die aus⸗ gestellten Bilder werden großes Interesse erregen, da — abgesehen von der werthvollen Sammlung des Vereins — auch die bedeutendsten hiesigen Privatsammlungen vertreten sein werden, insbesondere hat Hr. Heinrich Starck seine berühmte Porträtsammlung freundlichst jur Ver⸗ fügung gestellt. Für die Abtheilung. Waffen und Uniformstücke“ werden die von der Sammlung Hamburgischer Alterthümer bergeliehenen Gegen⸗ stände den Grundstock abgehen, doch ist hier die Betheiligung Privater besonders wünschenswerth, da leider nur sehr Weniges erhalten ist, was uns die Uniformirung der hanseatischen Legion, des damaligen Bürgermilitärs u. s. w. zur lebendigen Anschauung bringen kann. Manches vergessene Stück mag sich noch in Privathänden befinden oder vielleicht gar in altem Gerümpel unbeachtet liegen, und es ist drin⸗ gend zu wünschen, daß der neulich vom Verein für Hamburgische Ge⸗ schichte erlassene Aufruf den Erfolg hat, die Besitzer solcher Gegen⸗ stände zu deren Hervorsuchung und Ausstellung zu veranlassen.
Die Ausstellung des Vereins der Künstlerinnen und Kunstfreundinnen ist bis inkl Sonntag, den 30. März, ver⸗ längert worden. Die Verloosung findet am Montag, den 31. März, Vormittags 10 Uhr,s statt.
Ende 1882 ist von Dorp⸗Solingen aus an sämmtliche evangelischen Pfarrer Deutschlands ein Cirkular gerichtet worden, in welchem unter Darlegung des herrschenden Nothstandes die dringende Bitte ausgesprochen ward, zum Bau einer evangelischen Kirche daselbst eine, wenn auch kleine Beisteuer zu geben. Da bis jetzt erst 191 Pfarrer Gaben übersendet haben, die Noth aber dringend ist, so wäre es sebr erwünscht, wenn die betreffenden Pfarrer dem in dem Girkular ausgesprochenen Wunsche recht bald willfahren möchten. Gaben nimmt Pfarrer Dransfeld zu Dorp, Post Krahenhöhe, ent— gegen.
Heute Nachmittag 3 Uhr fand auf dem Kasernenhofe des Kaiser Alexander Garde⸗Grenadier⸗Regiments Nr. 1 in der Alexanderstraße Nr. 56 die Uebernahme des Regiments durch den neuernannten Commandeur Oberst von Unruhe, bisher Chef des Generalstabes des IX. Armee⸗Corxps statt. Hierzu waren vorher die Fahnen des Regiments durch eine Compagnie mit der Regiments⸗ musik aus dem Königlichen Palais abgeholt worden, wohin dieselben nach Beendigung der Regiments Uebernahme wieder abgebracht wurden.
Im Neuen Friedrich Wilhelmstädtischen Theater erschienen gestern in der Hofloge wiederholt Ihre Königlichen Hoheiten der Landgraf und die Landgräfin von Hessen nebst der Prinzessin Elisabeth und dem Prinzen Wilhelm von Hessen, ferner Ihre Hoheiten der Erbprinz und Prinz Eduard von Anhalt. Die Hohen Herrschaften wobnten der 54. Aufführung von Suppsé's „Afrikareise bis zum Schlusse bei.
Belle ⸗Alliance- Theater. In Folge der Repertoirever⸗ änderung im Wallner -Theater kann das Volkestück „Berlin, wie es weint und lacht“, welches noch immer vielen Beifall findet, vorläufig nur noch morgen gegeben werden, soll jedoch später wieder zur Auf— führung gelangen. Am Sonnabend geht zum ersten Male der Schwank, „O diese Mädchen“, von Rosen, in Scene.
Das Belle-Alliance⸗-Theater hat die Reihe der Novi⸗ täten, welche es in dieser Saison dem nach neuen Erzeugnissen der Bühnenliteratur verlangenden Publikum zu bieten pflegte, durch die Wiederaufnahme eines alten Stückes unterbrochen und zwar, wie bei der Wahl des betreffenden Werkes nicht zweifelhaft sein konnte, mit Erfolg. Das alte Volksstück von Berg und Kalisch „Berlin wie es weint und lacht“ übt noch immer seine Zugkraft aus und findet eine gute Aufnahme bei dem Publikum, welches sich diese Abwechselung in dem tagtäglichen Menu der Durchschnittslustspiele gern gefallen läßt und sich wieder einmal mit Behagen an der kräftigen, einfachen Kost, wie sie ein derartiges Stück bietet, ergötzt. Das Volk sieht sich gern selber dargestellt mit seinen dem wirklichen Leben entnommenen Wesen und Treiben, seinen Freuden und Leiden, und wird daher einem guten Volksstück niemals seinen Beifall versagen. Es ist daher erklaͤrlich, daß die Volksstücke sich so lange auf dem Repertoire erhalten und bei ihrer jedesmaligen Aufführung guter Aufnahme sicher sein können. Was den Reiz derselben wesentlich erhöht, ist vor allen Dingen die zu ihnen in jeder Weise passende Musik, welche dem Charakter des Volks⸗ thümlichen Rechnung trägt. Dies gilt insbesondere von der Conradi'schen Musik, welche durch ihre frischen, heiteren Weisen den Ton des Stückes gut trifft und wesentlich zu dem Erfolge desselben beiträgt. Das flotte Spiel der Darsteller, insbesondere der Mitglieder vom Wallner⸗Theater verfehlt ebenfalls seine Wirkung nicht. Hr. Gutheiy ist ein ausgezeichnet komischer Hauswirth und Stadt verordneter und giebt den Quisenow mit bekannter Vollendung; er wird durch Frl. Wisotzki, als Frau Quisenow, mit vielem Humor unterstützt. Hr. Mietzner als Rechtsanwalt Schlicht, Hr. Gallewẽski als sein Sohn Bernhard, die Damen Löffler und Hiller, sowie das gesammte übrige Personal zeichnen sich durch lebendiges Spiel und glücklichen Humor aus.
Die Sing-Akademie wird am Sonnabend, den 5. April, Abends 64 Uhr, J. S. Bach „Passionsmusik' nach dem Evangelium St. Matthäi aufführen. Einlaßkarten zu 4,50 S6. (Loge 3,50 MS) verkauft der Hauswart.
der Singakademie ein Concert von Helene Geisler, unter Mit⸗ wirkung der Concertsängerin Miß Hattie Schell und des Professor Wirth, statt. Zur Aufführung gelangen: 1) Sonate, G- dur, Op. 96, für Klavier und Violine, Beethoven. 2) a. Schäferlied, Haydn. b. Aufträge, Schumann. 3) Fantasie, Op. 17, Schumann. 4 a. Bar⸗ carole, Spohr. b. Tambourin, Leclair. 5) a. Nocturne, G-dur. b. Impromptu, Fis-dur. c. Fantasie, F. moll, Chopin. 6) a. „Wer pocht so leis' ans Fensterlein', Naubert. b. „‚Hör' ich das Liedchen klingen“, Leßmann. e. Märznacht, Taubert. 7) Rhapsodie hongroise, Liszt. Billets zn 4, 3 und 2 6 sind in der Hof⸗Musikalienhand⸗ lung von Ed. Bote u. G. Bock zu haben.
Redacteur: Riedel.
Verlag der Expedition (Kesseh. Sechs Beilagen (einschließlich Börsen Beilage).
Berlint Druck: W. Elsnty
zu besorgen.
Zweite Beilage zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Stuats-Anzeiger.
M 75.
Berlin, Donnerstag, den 27. März
LESS 4.
Aichtamtliches.
Preußen. Berlin, 27. März. In der gestrigen (12) Sitzung des Reichstages trat das Haus in die Beraf hung des von den Abgg. Dr. Barth⸗Dirichlet eingebrach⸗
ags ein: un . wolle beschließen: den Herrn Reichskanzler zu ersuchen;
beim Bundesrath zu beantragen, die in den S5. 30 und 31 des Ge⸗ etzes, betreffend die Besteuerung des Tabacks, vom 16. Juli 1879 fete eg, ,, nunmehr in rollem Umfange Finführung zu bringen. int Gf 296 Barth befürwortete seinen Antrag. Der⸗ selbe stimme wörtlich mit dem von ihm und Dr. Buhl vor etwa Jahresfrist eingebrachten, und vom Reichstage am 16. Februar 1883 angenommenen Antrage überein, und die Gründe von damals sprächen für denselben heute nur noch in erhöhtem Maße. Dem damaligen Beschluß sei der Bun— desrath nur bis zu einem gewissen Grade entgegengekommen: derselbe habe die Ausfuhrvergütungassätze von 1883 um etwas erhöht, aber die so erhöhten und mit dem 1. Dezem⸗ ber 1883 zur Geltung gelangten Sätze seien immer nur zwei Drittel der Vergütungssätze, welche im Tabacksteuergesetz von 1879 vorgesehen gewesen seien. Der Erfolg der unvoll⸗ kommenen Einführungen der Ausfuhrvergütungssãätze werde naturgemäß auch ein unvollkommener sein. Der vor 1879 sehr erhebliche Export sowohl an Rohtaback, wie an Taback⸗ fabrikaten werde auch in Zukunft, so lange die vollen Ver⸗ gütungssãätze nicht eingetreten seien, nur verhältnißmäßig sehr gering sein. 1883 seien z. B. an Cigarren nochmals wieder tirca 500 Ctr. weniger ausgeführt als im Jahre 1882. Die Gründe, welche die verbündeten Regierungen his⸗ her den Wünschen des Reichstages wie der Interessen⸗ ten auf Gewährung der vollen Ausfuhrvergütung ent⸗ gegengefetzt hätten, liefen alle. auf einen einzigen Gesichtspunkt hinaus, nämlich den fiskalischen. Man meine, daß, so lange als noch Tabackvorräthe vorhanden seien, von denen sich annehmen lasse, daß sie unter dem früheren gerin⸗ geren Zollsatz eingeführt seien, oder einem geringeren Steuer⸗ satz, als der heutige sei, unterlegen hätten, die, Steuerkasse er⸗ hebliche Verluste erleiden würde, wenn man die höchsten Aus⸗ fuhrvergütungssätze von 1879 einführen würde. Dieser fiskalische Gesichtspunkt werde von ihm vollständig gewürdigt; er sehe nur nicht ein, daß wirklich derartige Ausfälle in den Reichsfinanzen eintreten würden, wenn jetzt schon der Bundes⸗ rath im Sinne seines Antrages vorgehen würde. Es sei ein bestimmtes Quantum inländischen und ausländischen Tabacks im Lande, das zur Ausfuhr oder zur Konsumtion gelangen müsse. Im ersteren Falle komme immer an die Stelle jedes Pfundes ausgeführten Tabacks oder Tabackfabrikate ein an⸗ deres Pfund, welches zu dem jetzt bestehen den Zollsatze dem höchsten Zolle unterworfen sei. Es könne unter solchen Um⸗ ständen, da die Ausfuhrvergütungssätze immer noch geringer seien, als die Zollsätze, der Steuerkasse ein Schaden nicht er⸗
wachfen, es sei denn der sehr minimale Schaden, welchen die
Steuerkasse zu tragen habe von dem Momente ab, wo sie bis heute die vollen Steuerrücksätze vergüte, und bis zu dem Mo⸗ mente, wo der neue Taback zu den höchsten Steuer- resp. Zoll⸗ sätzen eingeführt werde, resp. zur Produktion gelange. Da dies der einzige Grund sei, welchen die verbündeten Regie— rungen seinem Antrage entgegensetzten, so hoffe er, daß es bei nochmaliger Betrachtung der Sachlage ihnen möglich sein werde, fich auch auf seinen (des Redners) Standpunkt zu stellen, und die Ausfuhrvergütungssätze nach dem Wunsche der Inter⸗ essenten jetzt auf den gesetzlichen Fuß, zu stellen, zumal die Annahme, daß noch namhafte Quantitäten inländischen Tabacks aus der Zeit vor 1882, resp. noch namhafte Quantitäten der vor 1879 eingeführten Rohtabacke in Deutschland existirten, heute noch viel weniger als vor einem Jahr zutreffe. Er bitte deshalb, seinen Antrag anzunehmen, und zugleich die Vertreter der verbündeten Regierungen, demnächst im Bundes⸗
rath auch für seine Anschauungen mit einzutreten.
Hierauf ergriff der Reichskanzler Fürst von Bismarck das Wort:
Bevor einer der anderen Herren Mitglieder und Kommissarien des Bundesraths das Wort über die technische Seite der Sache ergreift, erlaube ich mir einige Worte über die Form des Antrages zu sagen, die meiner Ansicht nach mit dem bestehenden Reichsstaats⸗ recht nicht vollständig übereinstimmt. Dieselbe geht dahin:
Der Reichstag wolle beschließen, den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, beim Bundesrath zu beantragen.
Ich will zunächst nur im vorliegenden Falle den Grund an— führen, der mich davon abhalten würde, einen solchen Antrag zu stellen. Derselbe würde nämlich in der gewünschten Form die Natur eines Exzitatoriums an den Bundesrath haben, welches ich, als Vor= sitzender desselben, in Bezug auf seinen Geschäftsgang geltend machte;
es würde damit die Voraussetzung ausgesprochen sein, daß der Bundeß⸗ rath aus eigenem Antrieb nicht schnell genug die ihm gesetzlich ob— liegende Aufgabe erfüllte. Der Bundesrath ist nun aber mit der Sache unausgesetzt beschäftigt gewesen, sein letzter . sist, glaube ich, kaum drei Ponate alt, ist im Dezember gefaßt, ist sorgfältig erwogen worden und hat eine Erhöhung der Ausfuhr— vergütung zur Folge gehabt, und der nächste Beschluß, der den Ueber⸗ gang in den künftigen Normalzustand der vollen Ausfuhrvergütung herbeiführen wird, steht in ganz Kurzem bevor. Es könnte durch die Amrmahme eines solchen Antrags den Anschein gewinnen, als ob der Bu udesrath nicht proprio motu darauf gekommen wäre, dem Taback⸗ prod vzenten sein ihm gesetzlich zustehendes Recht rechtzeitig zu ge— währem, sondern als ob es der Anregung der Herren Antragsteller Dr. Varth und Dirichlet bedurft hätte, um den Bundesrath an die rechtzeirige Pflichterfüllung zu erinnern. Ich, würde eine Ungerech⸗ tigkeit gegen diese sehr arbeitsame Behörde begehen, wenn ich, als ihr Vorsitzender, einen solchen Antrag stellen wollte. Auße rdem liegt darin eine, wie ich glaube, der Verfassung nicht entsprechen de Auffaßsung der Stellung des Reichskanzlers. Es ist mir ja häusäg, namentlich von Angehörigen der Partei, von der dieser Antrag ausgeht, vorgeworfen worden, daß ich auf Erweiterung meiner Machtbefugnisse bis zur Stellung eines Hausmeiers, — oder wie die ezeichnung forist lautete — bedacht wäre. Die Herren thun ja aber selbst Alles, um die Stellung des Reichsranzlers breiter und ge⸗ fürchteter zu machen, indem Sie Ihre Wünsche, die an den Bundesrath gehören, in der Regel an den Reichskanzler richten, bald in der freund⸗ lichen Form des „ Erfuchens“, bald in der barscheren einer. Aufforderung“. ch bin dazu gar nicht berufen, Ihre Aufträge an den. Bundegsrath Sie haben einen viel direkteren Weg. Sie fassen Ihre
Beschlüsse und theilen Sie durch Ihr Präsidium dem Bundesrath mit. Die vorliegende Form wäre ungefähr dieselbe, als wenn im Bundes⸗ rath beschlossen worden wäre, Ihren Herrn Präsidenten zu ersuchen, er möge hier einen Antrag stellen, dies oder das zu beschließen. Beide gesetzgebenden Körper stehen in der Verfassung mit gleichen Rechten in dieser Beziehung gegenüber. Der Bundesrath ist dem Reichstag gegenüber das andere gesetzgebende Haus und man kann mir, der ich nicht als Reichskanzler, sondern als preußischer Bevollmächtigter zum Bundesrath hier anwesend bin, nicht ein Kom⸗ missorium ertheilen, im Bundesrathe gewisse Anträge zu stellen. Ich kann Anträge im Bundesrath nur auf Veranlassung Sr. Majestät des Kaisers resp. Königs von Preußen stellen, je nachdem sie ge⸗ schäftsleitende des Reichskanzlers sind, — abgesehen von gewöhnlichen Anträgen, die jedes Mitglied stellen könnte. Ich habe nicht den Beruf, bestimmte Reichtstagsbeschlüsse dort zu vertreten. — Wohl bin ich gern bereit, die Beförderung zu übernehmen; aber ich kann weder mitwirken bei solchen Reichsbeschlüssen, noch kann ich hier eine Verpflichtung übernehmen — und das würde ich thun, wenn ich dazu schwiege, — Anträge in einem bestimmten Sinne zu stellen, von denen ich noch nicht weiß, ob der Kaiser und König damit einverstanden ist, und von denen ich weiter auch nicht meiß, ob das preußische Staats⸗Ministerium, mit dessen Ermächtigung und Uebereinstimmung allein preußische Anträge gestellt werden könnten, ihnen zustimmen wird. Es könnte — nur um unsere staatsrechtlichen Beziehungen klar zu legen, er—⸗— greife ich hier das Wort — es könnte in dem An⸗— trage Barth eben so gut statt des Reichskanzlers steben: den Königlich württembergischen Bevollmächtigten zum Bundesrath oder irgend einen anderen zu ersuchen — Sie wünschen durch einen Reichstagsbeschluß einen im Bundesrath zu stellenden Antrag hervorzurufen. Meines Erachtens ist der Weg einfacher und kürzer, daß Sie in Form einer Resolution oder eines Antrages auf gesetzliche Bestimmung Beschluß fassen; dieser Beschluß wird unwei⸗ gerlich dem Bundesrath behändigt und von seiner Seite durch einen Beschluß, der ihnen späterhin mitgetheilt werden wird, erledigt wer den. Ich möchte nur den Reichskanzler hier aus dem Gefecht ziehen und verhindern, daß die Figur desselben für solche Augen, die die Verfassung nicht genau lesen, größer erscheint, als sie in der That ist, und ihren Schatten auf die Autorität des Bundesraths wirft.
Der Abg. Dr. Buhl hob ꝝ hervor, daß im vorigen Jahre genau derselbe Antrag, und genau in derselben Form gestellt, und eine Antwort darauf vom Bundesrath ertheilt worden sei. Die Form des Antrags sei die in der Regel im Reichstag übliche. Der Antrag wolle dem Bundesrath nicht vorwerfen, daß derselbe nicht Diligence genug prästire, sondern es solle nur gesagt werden, daß die Majorität des Reichstags, wenn sie den Antrag annehme, von anderen Ansichten ausgehe, als der Bundesrath, und ein derartiges Votum abzugeben, werde der Reichstag auch stets in der Lage sein. Was den Antrag selbst betreffe, so erinnere er nur daran, daß bei nicht baldiger Gewährung der gesetzlichen Ausfuhrvergütungssätze der deutsche Tabackexport völlig die ausländische Kundschaft verlieren würde, und dieselbe nur mit Mühe oder gar nicht sich wieder erwerben könnte. Komme es aber dahin, so werde nicht nur die deutsche Tabackindustrie und der deutsche Tabackbau, sondern es würden namentlich auch die Reichsfinanzen geschädigt. Der inländische Tabackbau mancher Gegenden hänge so mit deren Produktions⸗ kraft zusammen, daß derselbe ohne Bedrohung der letzteren nicht eingeschränkt werden könne. Verliere Deutschland die ausländische Kundschaft, so werde der deutsche Taback ganz vollständig für die innere Konsumtion verwendet werden müssen; es würde dann kein deutscher Taback mehr erportirt, und entsprechend weniger ausländischer Taback nach Deutschland importirt werden, und damit würden den Reichsfinanzen er⸗ hebliche Ausfälle an den Zöllen entstehen. Wie schon der Abg. Barth angedeutet habe, sei der Taback eben ein Artikel, dessen Produktion in Deutschland für den deutschen Konsum nicht ausreiche; also für jedes Pfund Taback, das von Deutschland ausgeführt werde, müsse eine entsprechende Menge ausländi⸗ schen Tabacks in Deutschland importirt werden, der dann den hohen und die Ausfuhrvergütung übersteigenden Zollsätzen unterliege. Von einer Schädigung der Reichsfinanzen im Falle der Annahme des vorliegenden, den Export deutschen Tabacks fördernden Antrags könne also keine Rede sein. Bei der Berathung der Tabacksteuervorlage im Jahre 1879 hätten auch die Vertreter der verbündeten Regierungen sich wesentlich auf seinen heutigen Standpunkt gestellt. Es werde aber auch von Seiten des Fiskus nicht behauptet werden können, daß die jetzigen Quantitäten fremden Tabacks noch so bedeutend seien, daß schreiende Ungerechtigkeiten entständen. Für die Landwirthschaft hätte die Gewährung der vollen Rückvergütung eine recht große Bedeutung, denn die Lage der Landwirthschaft, der Taback bauenden Bevölke⸗ rung, sei in diesem Jahre so schlecht, der Verkauf so außer— ordentlich schwierig, daß einer Ueberproduktion für die Zu⸗ kunft sicher gesteuert werde, daß sicher zu erwarten sei, daß der Tabackbau, wenn derselbe überhaupt zu weit ausgedehnt werden könne, in Zukunft in seine natürlichen Grenzen zurück— gedrängt werden müsse. Es bestehe andererseits sogar ein Bedürfniß, daß normale Verhältnisse wieder einge⸗ führt würden, da sonst der Tabackbau in seiner Fortexistenz geradezu gefährdet würde, und das wäre fur die Gegenden, wo der Tabackbau gegenwärtig das Hauptmittel sei, um den Bauern, namentlich den kleinen Bauern, Geld in die Hand zu geben, eine schlimme Aussicht. Es würden dadurch die ganzen Produktionsverhält— nisse der dichtbevölkertsten Gegenden in solcher Weise ver⸗ schoben werden, daß ohne eine große Auswanderung eine weitere Ernährung dieser Bevölkerungskreise gar nicht mög⸗ lich wäre. Wenn er also einerseits zugeben müsse, daß die schreiende Ungerechtigkeit einer zu weit gehenden Export⸗ prämie nicht gewährt werden solle, so müsse er auf der anderen Seite hervorheben, daß ein dringendes volkswirth⸗ schaftliches Bedürfniß bestehe, die Verhältnisse möglichst bald in ihre natürlichen Bahnen einzulenken; und er glaube, daß die Verhältnisse jetzt so lägen, daß man wohl durch ein Votum des Reichstages den Bundesragtb auffordern könne, von neuem die Frage zu prüfen, ob nicht für den Tabackexport die volle Rückvergütung gewährt werden könne. Er könne bei dieser Gelegenheit doch nicht umhin, auf eine kleine neue Einführung in die Gewohnheiten des Reichstages aufmerksam zu machen. Dieser Antrag sei schon im vorigen Jahre vom Abg. Barth in Gemeinschaft mit ihm und dem Abg. Sander gestellt. Um den vorliegenden Antrag
selbst nicht zu gefährden, und das Haus nicht glauben zu lassen, daß er den Antrag in diesem Jahre für unzweckmäßig gehalten habe, glaube er hier ausdrücklich konstatiren zu sollen, daß die Absicht bestanden habe, den Antrag in der laufenden Session wieder einzubringen. Er habe bei seiner seitherigen parlamentarischen Praxis nicht die Uebung gehabt, seine Person zu sehr in den Vordergrund treten zu lassen. Wenn er eine Sache vertreten wolle, so sei es ihm vollständig recht, wenn sie von anderer Seite aufgenommen werde. Es wäre ihm sogar sehr erwünscht, wenn diese ganze Angelegenheit auf eine ge⸗ schicktere Weise dieses Jahr vertreten werden sollte, als es voriges Jahr bei ihm als dem Hauptantragsteller, der Fall gewesen sei. Er halte sich aber für verpflichtet, bei dieser Ge⸗ legenheit auf die neue Gewohnheit in dieser Richtung auf⸗ merksam zu machen. Bei einem anderen Antrage werde er dasselbe Monitorium an die Parteifreunde des Antragstellers wiederholt zu stellen haben.
Demnächst nahm der Reichskanzler Fürst von Bismarck das Wort:
Ich glaube, der Herr Vorredner hat aus ganz denselben Grün⸗ den das Wort ergriffen wie ich, nämlich um in Bezug auf eine Sache, über welche eine Meinungsverschiedenheit weder in diesem Hause, noch im Bundesrathe vorhanden ist, zu konstatiren, daß es nicht die Herren Antragsteller allein sind, welche den in ihrem An⸗ trage ausgesprochenen Wunsch hegen. Die letzte Wendung des Herrn Vorredners hat mich darüber erst aufgeklärt. Ich verstand sonst bis dahin nicht recht, warum er mit solcher Wärme eine Sache vertheidigte, über die meines Wissens gar keine Mei⸗ nungsverschiedenheit vorbanden ist. Der Antrag erinnert mich etwas an das französische Sprüchwort: „enforcer des portes ouvertes“, es ist, als ob die Herren die Thüren erst ein⸗ schlagen müssen, die vollständig breit und offen stehen, als ob der Bundesrath seinerseits die Absicht haben könnte, die jetzige unvoll⸗ ständige Vergütung noch eine lange Zeit beizubehalten, und als ob es erst des Antrages Dr. Barth-⸗Dirichlet bedurft hätte, um den Betheiligten die Wohlthat der vollen Ausfuhrvergütigung zuzuführen. Es könnte das ja die größten Mißverständnisse bei den künftigen Wahlen ver⸗— anlassen.
Es könnte den Anschein gewinnen, als ob gerade diese Herren sich ausschließlich für das Wohl des Tabackbaues interessiren, als ob die anderen Fraktionen, z B. die, der der Herr Vorredner angehört und von der im vorigen Jahre ein solcher Antrag gestellt worden ist, weniger, und am allerwenigsten die verbündeten Regierungen dafür Interesse hätten. Ich kann Ihnen nur wiederholen, daß im Bundes⸗ rath auch ohne diesen Antrag die Entscheidung sofort erfolgen wird. Stufenweise vorzugehen, war die gesetzliche Pflicht des Bundesraths. Die vorletzte Stufe ist zurückgelegt im Dezember; wenn 3 bis 4 Mo⸗ nate darauf die allerletzte erfolgt, so ist das zeitig genug, und diese Birne wäre auch ohne das Schütteln durch diesen Antrag gefallen.
Was nun die staatsrechtliche Seite der Sache anbelangt, die ich vorhin berührte, so ändert eine Ueblichkeit nichts an den Bestim⸗ mungen der Verfassung. Ich habe früher auf die Form so viel Ge⸗ wicht nicht gelegt; aber nachdem ich habe vernehmen müssen — und seit der Zeit bin ich durch Krankheit meist verhindert worden, hier anwesend zu sein — nachdem ich habe vernehmen müssen, daß man von sehr kompetenten — ich kann wohl sagen, gelehrten — Geschichts⸗ kennern mich einer Machterweiterungsbestrebung zeiht, bin ich ent⸗ schlossen, genauer darauf zu halten, daß Niemand dem Reichskanzler eine Attribution, eine Kompetenz beilegt, die ihm verfassungsmäßig nicht zusteht. Meine Herren, ich werde mich bemühen, den Reichs⸗ kanzler, der aus Bequemlichkeit im Geschäft in der parlamentarischen Stilistik ein sehr in den Vordergrund tretender Begriff geworden ist, der gewissermaßen über seine verfassungsmäßige Größe aufgebläht ist, diesen Reichskanzler zu verkleinern, vielleicht kleiner zu machen, als Ihnen hier lieb sein wird. ⸗
Der Abg. Dr. Windthorst beantragte, der Reichstag wolle beschließen, mit Rücksicht auf die von dem Reichskanzler ab⸗ gegebenen Erklärungen über den Antrag Barth zur Tages⸗ ordnung überzugehen. Interessant seien die Erklärungen des Reichskanzlers insbesondere in Bezug auf die Verfassung, und er könne nicht umhin, seine hohe Befriedigung über dieselben auszusprechen. Das Haus sei durchaus in ein anderes Fahr⸗ wasser gelenkt, und es sei das nicht blos bei solchen Anträgen geschehen, sondern noch viel mehr bei der Abfassung der Ge⸗ setze, und in diesen habe allerdings der Reichskanzler eine Stel⸗ lung allmählich bekommen, die derselbe nach der Verfassung nicht haben sollte. Wenn er früher darauf aufmerksam gemacht habe, so sei es in der Regel zurückgewiesen; es hätten namentlich bei der Partei, welche die unitarische Richtung verfolge, den Nationalliberalen, seine Anschauungen keinen Anklang gefunden. Heute habe nun der Reichskanzler selbst die Initiative ergriffen, und er begrüße das mit Freuden, denn derselbe habe mit seinen Ausführungen in allen Punkten vollkommen Recht. Sollte sein erster Antrag auf motivirte Tagesordnung nicht angenommen werden, so stelle er ferner den Antrag, daß man sagen möge, der Reichstag wolle beschließen, den Bundesrath zu ersuchen. und dann weiter, wie es im Antrage Barth heiße. Damit würde das Haus den Anschauungen des Reichskanzlers oder richtiger den Anschauungen der Verfassung entsprechen.
Der Abg. Dr. Barth erklärte, der vorliegende Antrag laute genau so wie derjenige, welcher dem Reichstage im vorigen Jahre vorgelegen habe. Auch damals habe es ge⸗ heißen, den Reichskanzler zu ersuchen, beim Bundesrath zu beantragen u. s. w. Inzwischen habe der Reichskanzler am 1. Mai 1883 ein Schreiben an den Reichstag geschickt, in welchem es gehießen habe, daß der Kanzler jeden Gesetzentwurf und jede für den Bundesrath bestimmte Mittheilung zur Kenntniß des Kaisers, und zur Berathung des Bundesraths bringen wolle. Der Antrag habe gar nichts weiter gewünscht, als daß der Reichskanzler demgemäß auch in diesem Falle verfahren möge. Dem Abg. Buhl erwidere er, daß er gerade, weil er nicht im Mindesten daran gezweifelt habe, daß die Freunde des Abg. Buhl mit diesem Antrage einverstanden seien, und also einen Werth auf die Mitunterzeichnung nicht legten, diesen Antrag ohne Weiteres gestellt habe. Eine Provokation habe ihm ferne gelegen. Der Reichskanzler habe gesagt, daß es gar nicht des vorliegenden Antrages bedurft hätte, um den Bundes rath zu einer pflichtmäßigen Prüfung dieser Angelegzenheit zu bewegen, und daß dieser Antrag deshalb zum mindesten lier sei. Gerade weil der Bundesrath vor 4 Monaten einen Beschluß dahin gefaßt habe, daß die volle Ausfuhrvergütung noch nicht eintreten könne, müsse für dies Haus eine Veranlassung vorliegen, in einer erneuten Verhandlung zu versuchen, den