wiesenen Referendare bestimmt; es soll denselben einerseits eine Uebersicht über den Geschäftskreis und die Thätigkeit dieser Behörde, andererseits die Möglichkeit gewäbren, bei Erledigung der ibnen über—⸗ tragenen Arbeiten in möglichst einfacher und zugleich zuverlässiger Weise sich darüber zu unterrichten, welche gesetzlichen u. s. w. Be⸗ stimmungen zu berücksichtigen und wo dieselben zu finden sind. Daß ein Bedürfniß nach einer solchen „Geschäftsinstruktion für die bei der Staatsanwaltschaft beschäftigten Referendare“, als welche der Verfasser das vorliegende Werkchen ursprünglich zum Gebrauche der ihm zur Beschäftigung überwiesenen Kollegen ent— worfen hatte, in der Praxis thatsächlich vorhanden ist, dürfte einem Zweifel nicht unterliegen; denn nicht nur ist die Art und Weise der staatsanwaltlig en Thätigkeit, deren Hauptgegenstand die Bearbeitung des täglichen Decernates bildet, eine von der richterlichen sebr ver—⸗ schiedene, so daß der nach Beendigung seiner landgerichtlichen Beschäf⸗ tigung der Staatsanwaltschaft zur Ausbildung überwiesene Referendar sich zunächst in eine ihm in der Regel fremde Art der Geschäfts—⸗ thätigkeit einarbeiten muß, sondern es sind auch die Gesetze, Ver— ordnun gen, Verfügungen und Reskripte, welche auf die Staats anwaltschaft bezügliche Bestimmungen enthalten, in so großer Anzahl vorhanden, daß es selbst dem älteren Praktiker schwer fallen dürfte, jede derselben stets im Gedächtniß zu haben. Um den obengedachten Zweck zu erreichen, hat der Verfasser die ein⸗ schlägigen gesetzlichen u. s. w. Bestimmungen nach Möglichkeit und soweit es erforderlich erschien, zu einem übersichtlichen Ganzen zusammengestellt und zwar, soweit es sich um die Hauptthätigkeit der Staatsanwaltschaft — die auf dem Gebiete der öffentlichen Strafrechtspflege — handelt, im Anschluß an das System der Straf⸗ prozeßordnung. Er ist sich wohl bewußt, daß er mit dieser seiner Arbeit etwas absolut Vollständiges nicht geleistet hat, einmal um deshalb, weil in Folge des Umstandes, daß die die Staatsanwalt schaft betreffenden Bestimmungen in den verschiedensten Sammlungen zerstreut sich vorfinden, ein Uebersehen dieser oder jener Vorschrifi fast unvermeidlich war, sodann aus dem Grunde, weil auf manche Bestim⸗ mungen überhaupt nur verwiesen, dagegen ihr Inhalt nicht mitgetheilt werden konnte. Allein, diese Mängel dürften die praktische Brauch barkeit des Werkchens im Großen und Ganzen nicht beeinträchtigen. Das Werkchen wird sich auch den älteren bei der Staatsanwaltschaft beschäftigten Juristen, sei es als Nachschlagebuch zum eigenen Ge⸗ brauch, sei es als Hülfsmittel bei der Leitung der Beschäftigung der ihnen überwiesenen Referendare, empfehlen.
— Von den im Verlage ron Orell, Füßli u. Co. in Zürich er— sckeinenden Europäischen Wander bildern“ sind wieder zwei Doppelhefte, Nr. 51/52 und Nr. 57sö58 (à 1 ½ ) erschienen. Das erste Wanderbild führt uns in das Centrum des Touristen⸗ verkehrs, an den Vierwaldstättersee. Dort steigt senktecht aus den blauen Fluthen zwischen dem Pilatus und dem Rigi der Bürgen⸗ stock hervor, eine Sommerfrische ersten Ranges, deren Schönheiten von dem Verfasser mit Wärme beschrieben und von J. Weber in 8 trefflichen Illustrationen und 2 Doppelbildern veranschaulicht sind. Das andere Heft bringt in 19 guten Illustrationen Chur und Umgegend, deren Geschichte, Meckwürdigkeiten und Vorzüge Dr. E. Killias mit Sachkenntniß, Treue und Lebendigkeit schildert. Das ansprechende Büchlein wird viele Kurgäste des Engadins und von Davos veranlassen, der alten Stadt und ihrer pittoresken Umgebung einige Tage zu widmen. Die Ausstattung beider Hefte, die auch mit Karten versehen sind, ist so elegant wie die aller vorhergehenden,
— Im Verlage von H. W. Müller in Berlin ist erschienen: „Pandekten“ von Heinrich Dernburg, ordentlichem Professor des Rechtes an der Universität Berlin. Erster Band; erste Lieferung. (2 4) — Den Jüngern und Freunden der gemeinrechtlichen Wissenschaft übergiebt der Verfasser hiermit die ersten Theile einer Darstellung der Pandekten, die er in kurzer Frist zu vollenden hofft. Seit Jahren stand der Gedanke dieses Werkes vor ihm. Aber zunächst nahm den Autor eine andere wichtize Aufgabe in An⸗ spruch. Als diese im Wesentlichen gelöst war, schien es ihm kaum möglich bei der vielfachen Thätigkeit, die er ausübt, Zeit und Kraft zu gewinnen, um eine Darstellung der Pandekten würdig zu vollenden. Doch der Gedanke ist mächtiger geworden als die Bedenken, die ihm entgegenstanden. Sowie die Arbeit begonnen, war der Verfasser durch sie gefangen. Welche Befriedigung, den Stoff, den er oftmals vorgetragen hatte, nunmehr nach allen Rich— tungen mit gespannter Kraft durchzudenken, Zweifel zu lösea, welchen er bisher nicht auf den Grund gehen konnte, Anschauungen feste Ge— ftalt zu geben, die bisher nur unbestimmtere Umrisse hatten! Nicht wenige Grundgedanken konnte er in seinem Buche über preußisches Privatrecht nur andeuten. Nun eist hatte der bekannte Rechtslehrer Gelegenheit, sie näher zu entwickeln, hie und da richtiger zu bestimmen. Denn die Ecörterung der Grundbegriffe kann zum großen Theile nur auf dem Boden des gemeinen Rechtes geschehen. Vor Allem war dem Herausgeber wichtig, daß er Manches weiter ausführen durfte, was er in seinen Vorlesungen über Pandekten nur kurz berühren konnte. Der studirenden Jugend ist dies Werk bestimmt. Gelingt es, sie im Studium zu fördern, so ist sein Ziel erreicht. Sollte auch der in der Praxis stehende Jurist in dem Buche Anregung und Unjterstützung finden, so wäre dies hocherwünscht. Dreierlei scheint dem Verfasser erforderlich, damit ein Buch über Pandekten den Zweck der Förderung des wissenschaftlichen Studiums voll erreicht. Ein solches Buch soll eine Anleitung zum gründlichen Studium des corpus juris civilis, insbesondere der justiaianischen Pandekten geben. Sowie wir liefer in dieses Werk einzudringen ver suchen, scheiden sich die einzelnen Juristen, deren Aussprüche aufgenommen sind, scharf und bestimmt als Individualitäten. Auch dem Studirenden sollten wir die alten Meister des Pandektenrechtes in ihrer Eigenart vorführen; er soll die einzelnen — einen Celsus, Papinian, Paulus und viele andere — achten und verehren lernen. Um dies anzubahnen, sind in diesem Buche zahlreiche Kernsprüche der klassischen Juristen abgedruckt, keineswegs blos um als Belegstellen für unsere Aus— führungen zu dienen. Sie sollen dem Stupirenden vertraut werden, wie die Worte unserer literarischen Klassiker, sie mögen zu einem dauernden Besitz derselben werden. Und wenn er sich der trefflichen Aussprüche freut, so sollen ihm auch die Namen derer gegenwärtig sein, denen er sie verdankt. Aus diesem Grunde ist hier jedem vollständig abgedruckten Spraäch der Name seines Urhebers keigefügt. So wird mancher angeregt, über das beschränkte Material, welches hier angeführt werden kann, hinauszugehen und die Quelle selbst in die Hand zu nehmen. Die Pandekten sollen ferner nicht in einer dürren Dogmatik bestehen, die Rechtssätze, um die es sich hier handelt, haben eine Entwickelungs— geschichte, die über zwei Jahrtausende hinausreicht. In einem zusammenfassenden Werk kann dies nicht in das Detail hinein durchgeführt werden. Aber bei jedem Schritt sollen wir bewußt blei⸗ ben, daß wir auf historisckem Boden stehen, daß es sich hier um die Geistesarbeit vieler Generationen handelt. Das Gewinnen dieser An— schauung ist das wichtigste Resultat, welches das juristische Universitäts- studium erzielen kann. Aus dem historischen Rahmen muß endlich das praktische Recht breit und konkret hervortreten. Denn die Pandekren sind nicht eine blos historische Lehre. Sie haben von jeher das System des gelten⸗ den Privatrechtes dargestellt. Diese Aufgabe müssen sie festhalten. Da⸗ her muß auch die Einwirkung des heutigen Reichsrechtes auf das System beachtet werden, nicht blos hier und da in mehr dilettantischer Weise, sondern folgerecht und planmäßig. Dabei handelt es sich nicht um Anführung jeder Einzelheit, sondern um das, was für das System von einschneidender Bedeutung ist. Auch die Praxis des Reichs gerichtes ist in den Bereich der Betrachtung zu ziehen. Hier tritt die Bedeutung der theoretischen Sätze besonders lebhaft hervor. Es ist dies ein Element, welches, richtig gewürdigt, auch dem theoretischen Studium förderlich sein kann. Neben der Geschichte und dem praktischen Rechte darf die Leuchte der Philosophie nicht fehlen. Aber Herrin darf sie auf dem Gebiete des positiven Rechtes nicht werden. Dies Buch ist nicht dazu be— stimmt, die ausgezeichneten Werke zu verdrängen, die wir auf dem Gebiete des Pandektenrechtes von den bedeutendsten Juristen der Gegenwart besitzen. Insbesondere war nicht beabsichtigt, die Zu—
sammenstellung der neueren Literatur zu wiederholen, welche Wind scheid in so vortrefflicher und fleißiger Weise giebt. Hier sollte vor⸗ zugsweise hervorgehoben werden, was für den Studirenden von be⸗ sonderer Wichtigkeit ist. Das Werk ist auf 2 Bände berechnet, von denen der erste (den allgemeinen Theil und die dinglichen Rechte um fassend) bis Ende d. J. vollständig vorliegen soll . e w mn, , — Die Schletter sche Buchhandlung Franck Wei⸗ gert in Breslau hat soeben ihren antiquarischen Anzeiger Nr. XIII. ausgegeben. Derselbe enthält ein alphabetisch geordnetes Verzeichniß von 564 Schriften (Nr. 450 — 1013), die den verschieden⸗ sten Wissensgebieten angehören und des verschiedenartigsten Inhalts sind. Dieselben beziehen sich auf die Geschichte (allgemeine, der deut · schen Nation, einzelner deutscher Staaten, mehrerer deutschen Kaiser, einzelner Landschaften und Städte, die Geschichte Frankreichs, Eng= lands, einzelner Ereignisse der Geschichte, wie z B. die Geschichte der Kreuzzüge, den deutschfranzösischen Krieg 1870 u, s. w.), Bio— graphien (Karl d. Gr., Friedrichs d. Gr.. Königin Luise, K. Katha— ring II., Dalberg. Ariosto, Mendelssohn⸗Bartholdy u. s. w.); ferner auf die Geographie verschiedener Länder, auf Philologie, Jurisprudenz (allg. preuß. Landrecht, preuß Privatrecht, röm. Recht) auf Völkerrecht, Handelsrecht, Religion, Philosophie (namentlich Kant), Literatur, Naturwissenschaft überhaupt und. Botanik, Mineralogie, Zoologie, Astronomie, Chemie insbes., Medizin einschl. Chirurgie, Physiologie, Landwirthschaft, Baulunst, Eisenbahnen, Kunst überhaupt und Musik und Malerei insbesondere, Numismatik, Novellen, Romane us s. w.; und betreffen verschiedene Landschaften Deutschlands, wie Preußen, Bayern, Württemberg, Schlesien, die Grafschaft Glatz, mehrere Städte, wie Berlin, Wien, Breslau und andere schlesische Städte, Elsaß Lothringen, Besterreich⸗Ungarn, England, Frankreich, Florenz, den Kirchenstaat, Spanien, Rußland, Polen, die Türkei, Amerika, China. Japan. Unter den aufgeführten Schriften befinden sich viele interessante und werthvolle, sowie auch mehrere sehr seltene.
Gewerbe und Handel.
Die Fenerversicherungsgesellschaft Colonia in Cöln hat von dem Betrage der Versicherungsvrämien, welche im Jahre 1883 von den bei ihr versicherten Justizbeamten eingegangen sind, wiederum die Summe von Eintausend und Achthundert Mark der JustizoffiziantenWittwenkasse überwiesen. .
Danzig, 25. April. (W. T. B.) Die Dividende der Marienburg⸗Mlawkger Eisenbahn pro 1883 ist heute auf ho für die Stammprioritäten und auf 20ôÄ für die Stammaktien festgestellt worden. ;
Antwerpen, 25. April. (W. T. B.) Wollauktion. 696 B. Buenos ⸗Ayres Wollen angeboten, davon 375 B. verkauft, 1742 B. Montevideo⸗Wollen angeboten, davon 892 B. verkauft. Preise unverändert. . . ; .
Madrid, 25. April. (W. T. B) Der Regierung sind neuerdings mehrfach Anerbieten von Vorschüssen und Anleihen. in jüngster Zeit auch von Seiten deutscher Bankiers, zugegangen. Doch lag angesichts der befriedigenden Finanzsitugtion kein Grund vor, diesen Anerbietungen näher zu treten. Die Regierung hat seit mehreren Monaten ein Guthaben von 43 Mill. Francs baar in der Bank, über welches trotz der Erfordernisse des laufenden Dienstes noch nicht disponirt ist. .
St. Peters burg, 26. April. (W. T. B.) Der Kaiserläche Ukas, betreffend die Emission der neuen 5prozentigen konsolidirten Anleihe, wird heute veröffentlicht. Der CEmissionscours ist 904 0e
New⸗York, 25. April. (W. T. B.) Baum wollen Wochenbericht. Zufuhren in allen Unioashäfen 21 000 B. Ausfuhr nach Großbritannien 19000 B., Ausfuhr nach dem Konti- nent 14000 B., Vorrath 578 000 B.
Submissivnen im Auslande.
I. Belgien. 1) Verwaltung der Staats⸗Fisenbahnen.
a. 7. Mai d. J. Mittags in der Börse zu Brüssel Vergebung der Lieferung von Drehscheiben von 4,80 m und 4,30 m Durchmesser nebst Zubehör. Abschätzungssumme ca. 24000 Fr. Vorläufige Kaution 1200 Fr. Auskunft beim Ingenieur, Direktor van Aelbroeck, rue Latérale Nr. 2 zu Brüssel, und bei der Commission de récep- tion des fers et bois, rne d'Idalie No. 38, zu Ixelles bei Brüssel. Preis der autographirten Pläne Fr. 0,25 pro Exemplar. Lastenheft 58 in der Expedition des „Reichs⸗Agzeigers.“ .
b. J. Mai d. Is., Mittags, in der Börse zu Brüssel Vergebung von Dachdecker⸗, Glaser⸗, Anstreicher⸗, Maler⸗ ꝛc. Arbeiten, der Liefe⸗ rung von Backsteinen, Dachziegeln, Kalk, Zink zc. auf verschiedenen Bahnstrecken, 12 Loose. Lastenheft Nr. 45 in der Expedition des „Reichs Anzeigers“. Abschätzung zusammen ca. 28 960 Fr. Vor⸗ läufige Kaution 1420 Fr. Auskunft bei den Ingenieuren Sartou zu Gent (Station) und van Aelbroeck, rue Latérale No. 2 zu Brüssel. Preis des Planes (, 90 Fr.
2) Verwaltung für Wegearbeiten.
12. Mai d. Is., Mittags, im Provinzial⸗Gouvernementsgebäude zu Antwerpen. Vergebung der Bepflanzung eines Theiles des Weges von Hersselt nach Station Herenthals. Abschätzung 4959 Fr. Vor— läufige Kaution 250 Fr. Lastenheft Nr. 14 käuflich bei der Admi- nistration des ponts et chaussées, rue de Louvain No. 24, zu
Brüssel. . Il. Spanien.
Am 27. Mai d. Is. findet im Lokale der Hafenbau⸗Direktion zu Huelva die in Nr. 303 des . Reichs-Anzeigers! von 1883 ange— kündigte Vergebung der dortigen Hafenarbeiten statt. Vorläufige Kaution: S7 520 Pesetas oder 5 oo des Betrages des offiziellen Kostenanschlags, baar zu deponiren bei der Staatskasse in Huelva. Definitive Kaution, zu zahlen von dem Unternehmer, dessen Offerte angenommen wird, bei der Staatskasse in Hueloa oder in Madrid innerhalb eines Monats in Geld oder in spanischen Staatspapieren: 10 060 des Ge— sammtbetrages der Offerte.
Verkehrs⸗Anstalten.
In Albert Goldschmidts Verlagsbuchhandlung, Berlin W., Köthenerstraße 32, ist von „Griebens Reise-⸗Bibliothek“ der 6. Band: Berlin, Potsdam und Umgebungen“, von Ernst Friedel, in 30. vermehrter und verbesserter Auflage erschienen (Preis geb. 2 ½6) Dieser umsichtig entworfene, zuverläͤssige Führer wird in der neuen Auflage nicht nur Fremden, sondern auch Berlinern, denen er für den geschäftlichen Verkehr reiches Material bietet, will kommen sein. Der Führer ist auch mit mehreren sauber ausgeführ— ten Plänen ausgestattet.
Bremen, 25. April. (W. T. B.) Der Da mpfer des Nord⸗ J n New⸗VYork eingetroffen.
Ham burg, 25. April. (W. T. B.) Der Postdampfer Frisia“ der Hamburg Amerikanischen Packetfahrt⸗ Aktiengesellschaft ist heute Mittag 12 Uhr, von New⸗Vork kom⸗ mend, auf der Elbe angekommen.
Berlin, 26. April 1884.
Der Centralverein für Hebung der deutschen Fluß und Kanalschiffahrt hielt am Freitag Abend im Bürgersaale des Rathhauses seine diesjährige Generalversammlung ab. Der Gencralsekretär Dr. Rentzsch skizzirte in seinem Bericht zunächst kurz die Thätigkeit des Ausschusses. Mitglieder des Vereins sind z. Zt. 43 Magistrate, 39 Handels kammern, 35 Aktiengesellschaften und Vereine und 565 Einzelmitglieder. Außerdem haben sich dem Verein 10 Zweig vereine angeschlossen, darunter der Rostocker mit 126, der Schlesische mit 138 und der Lübecker mit 120 Mitgliedern. Formale
Verhandlungen schweben noch über den Eintritt des 2100 Mitglieder
zählenden Westdeutschen Fluß. und Kanalvereins als Zweigverein. Vollzieht sich dieser Eintritt, so wird der Verein ca. 32 Mitglieder zählen. Der Redner warf sodann einen übersichtlichen Rückblick üer die Schiffahrtsverhältnisse des Vorjahres. Der Wasserstand war im vorigen Jahre in allen Flüssen im Großen und Ganzen ein normaler. Auch Fracht war genügend vorhanden, wenn auch, der sinan? zielle Erfolg den Wünschen der Schiffer nicht immer ent— sprach. Besonders gehoben hat sich der Verkehr auf dem Rhein und demnächft auf der Elbe. In Bezug auf die Re— gulirung unserer Ströme ist im letzten Jahre wieder Nennenswerthes geschehen. Der Ausbau der Weichsel ist gefördert, die Regunlirung der Oder und Elke wird in 2 bis 3 Jahren vollständig beendet sein. die Weserregulirung ist in Angriff genommen, und auch für den Rhein sind bedeutende Mittel zur Verfügung gestellt. Nur für die Donau ist so gut wie gar nichts gethan. Energisch hat man da— gegen nunmehr auch die Besseruag der Wasserverbältniffe in den Nebenströmen begonnen. Endlich ist auch für die be— stehenden Kanäle, wenn auch nicht in den genwünschten Di— mensionen, Manches geschehen, während die. Bestrebungen des Vereins, soweit sie sich auf den Bau neuer leistungsfähiger Kanälc beziehen, leider keinen Erfolg gehabt haben. Der Redner verbreitete sich eingehend über die viel erörterte Frage des Dortmund⸗Ems—⸗ Kanals und schloß dann mit dem Wunsche, daß der Verein, nachdem er fünfzehn Jahre emsig und fleißig gearbeitet und nachdem es ihm gelungen, die größeren Schwierigkeiten, den Indifferentismus und die Unkenntniß zu beseitigen, muthig weiter arbeiten möge, das, was ernste Männer in der Erkenntniß des Berechtigten und Nützlichen er= streben, werde und müsse zum Erfolge führen. — Reichstazsabgeordneter Sanitäts ᷑ Rath Dr. Thilenius sprach sodann über die Errichtung eines hydrographischen Instituts für das Binnenland. Zum Schluß wurden die üblichen Wahlen des ca. 130 Mitglieder zählenden Aus— schusses vorgenommen.
London, 24. April. (Allg. Corr.) Die internationale Ausstellung im Krystallpalast in Sydenham wurde gestern Nachmittag von dem Lordmayor von London in Gegenwart eines überaus zahlreichen Publikums eröffnet. Den Glanzpunkt der Er— öffnungsfeier bildete ein Monstre-Concert auf dem Händel⸗Oschester, welches von einem 260 Mitglieder starken Orchefter und 2250 Sänger und Sängerinnen zählenden Chore unter Leitung des Hrn. August Manns ausgeführt wurde. Die Ausstellung wird vermöge ihrer Vielseitigkeit zu den Attraktionen der Sommersaison zählen. Sie zerfällt in 33 Seltionen, an denen 800 britische und 650 ausländische Aussteller betheiligt sind. Von den Staaten des Aus— landes ist Oesterreich am Besten vertreten; die österreichischen Aus= stellungsgegenstände füllen einen Raum von 25 000 Quaratfuß. Deutschland ist ebenfalls gut repräsentirt, hauptsächlich in der Sektion für Musikinstrumente, wo fünfzig Klaviere deutschen Fabrikats stehen. Die Gemäldegalerie ist von einheimischen und fremden Künstlern un— gewöhnlich zahlreich beschickt. Bei einbrechender Dunkelheit wird die , von fünfzig Güicher'schen elektrischen Lampen fast taghell erleuchtet.
Das Deutsche Theater bringt in der nächsten Woche neu am Mittwoch, den 39.,, „Donna Diana“ von Moreto. Zagleich gastirt in diesem Stück zum ersten Male Hr. Dr. Max Pohl vom Deutschen Theater in Moskau in der Rolle des Perin. Als zweite Gastrolle wird Hr. Dr. Pohl am Sonnabend, den 3. Mai, den Fran; Moor in den „Räubern“ spielen. Ferner tritt am Donnerstag, den 1. Mai, Frl. Marie Barraud, bisher am Hoftheater in Neu⸗Strelitz, zum ersten Mal als Prinzessin Eboli in „Don Carlos“ auf. Fr. Niemann, von einem kurzen Urlaube zurückgekehrt, spielt wieder am Freitag, den 2. Mai, in den „Journalisten“', und am Sonntag, den 4, in Viel Lärm um Nichts“.
Krolls Theater. Die neuengagirten Mitglieder für die Oper sind jetzt vollzählig eingetroffen und die Proben zu der bevor⸗ stehenden Eröffnung der Saison im Gange. Am 3. Mai findet die erste Vorstelllung statt, wie bereits gemeldet: „Die lustigen Weiber von Windsor“ mit Fr. Mallinger als Gast. Der treffliche Bari⸗ tonist Hr. Heine vom Bremer Stadttheater singt auch diesmal die Rolle des Fluth, den Fallstaff Hr. Biberti, der hier früher schon an den Nibelungen-Aufführungen sich betheiligt hatte. — Hr. Kommissions⸗Rath Engel hat ferner umfassende Vorberei⸗ tungen getroffen, um in der neuen Saison dem Publikum auch außer den Opernaufführungen noch besondere musikalische Genüsse zu be⸗ reiten. Es sind zu diesem Behufe für die Garten-Concerte kontraktliche Abschlüsse mit den renommirtesten Militär⸗-Kapellen er⸗ folgt, wie mit den Kapellmeistern Hrrn. Selchow (Garde-Kürassier⸗ Regiment), Roßberg (4. Garde⸗Regiment z. F.), Meinberg (2. Garde⸗ Regiment z. F.) und Neese (Garde⸗Ulanen ⸗Regiment).
Belle⸗Alliance⸗ Theater Die Gäste vom Wallner⸗ Theater treten nur noch an 4 Abenden auf, und zwar bleibt die Posse „Unruhige Zeiten“‘ mit den Herren Emil Thomas und Oskar Blenke für diese Vorstellungen noch weiter auf dem Repertoire. Am Don⸗ nerstag, den 1. Mai, findet sodann die erste Aufführung des Lustspiel „»Der Schelm von Bergen“ unter der Oberregie des Hrn. Cmil Hahn statt.
Die Königliche Akademie der Künste brachte gestern in ihrem 6. und letzten Abonnements-Concert ein neues Oratorium von Friedr Kiel: „Der Stern von Bethlehem“ zur Auf— führung. Die Geburt Christi, nach Worten der heiligen Schrift, bildet den Inhalt des Textes, und das Werk war daher zugleich eine Ergänzung zu dem bekannten Oratorium „Christus“ desselben Kom— ponisten, das dem Leben, Wirken und Leiden des Erlösers geweiht ist. Die meisten Chöre sind auch in diesem neuen Werke in fugir—⸗ ter und kanonischer Form angelegt, in deren Beherrschung Kiel die Meisterschaft besttzt. Der Schluß des ersten Chors: „Die Himmel erzählen“, dann die Chöre: „Wo ist der eingeborne König“ und „Warum toben die Heiden“ waren in ihrer polyphonen Gestaltung von mächtigster Wirkung und erinnerten oft an die Größe Händelscher Werke. Eine freiere, mehr homophone Behandlung des Styls zeigten die beiden höchst schwungvoll komponirten Chöre: „Lasset uns frohlocken und „Ich bin die Wurzel der Geschlechter Davids“. Von den beiden Choralsätzen war im zweiten: „Ich stehe an deiner Krippe hier“ der Choral: „Es ist gewißlich an der Zeit“, jedoch mit veränderter Fassung zu Grunde gelegt. Das Werk wird gewiß als Weihnachte⸗ oratorium populär werden, zumal es seiner kürzeren Form wegen sich au für kleinere Gesangvereine empfiehlt. — Diesem Oratorium voraus ging die bekannte Symphonie von Spohr: „Die Weihe der Töne“ in welcher wieder der 2. und 3. Satz als Glanzpunkte hervortraten. Die Krieg“ musik mit dem Dankgebet am Schluß, endlich auch die Begraͤbniß· musik mit dem hier eingewebten Choral „Vasset uns den Leib be⸗ graben“ waren von ergreifender Wirkung. Fehlt nun auch dem ganzen Werke die kontrapunktische Kraft und der breite Periodenbau eines Beethoven, so bietet es doch Line Fülle interessanter und fein durch= geführter Melodien. Hr. Direktor Prof. Joachäm leitete den Chor und das Orchester der Hochschule mit gewohnter Sicherheit und Energie. Die Ausführung der Soloparthien durch Frl. Hilde⸗ brandt und Hrn. van Medem war lobenswerth anzuerkennen. Der Saal war gefüllt.
Redacteur: Riedel. Verlag der Expedition (Scholz). Druck: W. El snt? Sechs Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage).
Berlin:
Erste Beilage
zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger. Mn 98.
Berlin, Sonnabend, den 26. April
1884.
—
Nichtamtlich es.
Preußen. Berlin, 26. April. Die gestrige (18. Sitzung des Reichstages, welcher die Staats-Minister von Boetticher, von Scholz und Bronsart von Schellendorff nebst mehreren anderen Bevollmächtigten zum Bundesrath und Kom⸗ missarien desselben beiwohnten, wurde vom Präsidenten um A Uhr eröffnet. . .
Der Präsident theilte mit, daß die vom 20. Oktober 1883 datirte Kaiserliche Verordnung, betreffend die Aus— dehnung der Zollermäßigungen in den Tarifen A zu dem deutsch-sttalienischen und dem deutsch⸗spanischen Handels- und Schiffahrtsvertrage eingegangen sei.
Das Haus trat in die erste Berathung des Gesetz— entwurfs, betreffend die Fürsorge für die Wittwen und Waisen von Angehörigen des Reichsheeres und der Kaiserlichen Marine ein.
Der Abg. Dr. Meyer (Jena) erklärte: Der vorliegende Gesetzentwurf enthalte eine große Anzahl von Spezialfragen, deren Behandlung besser in der Kommission als heute hier im Plenum erfolgen werde, Er erlaube sich daher zu beantra— gen, die Vorlage der gleichen Kommission, welche das Militär⸗ pensionsgesetz zu berathen habe, zu überweisen. Einen Umstand könne er hier aber nicht unerwähnt lassen, nämlich den, daß in der Vorlage die Ergebnisse der Kommissionsverhandlungen aus dem vorigen Jahre keine Berücksichtigung erfahren hätten. Es seien an der Vorlage des Vorjahres eine Reihe von redaktionellen Aenderungen gemacht worden, namentlich über den Rechtsweg, welche die volle Zustimmung der Vertreter der verbündeten Regierungen erhalten hätten, und doch seien die⸗ selben für die neue Vorlage nicht benutzt worden. Darauf werde die Kommission zu sehen haben.
Hierauf ergriff der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Staats Minister Bronsart von Schellendorff das Wort:
Meine Herren! Ich habe auf diesen Vorwurf, daß die Resultate der Kommissionsberathung nicht Ausdruck gefunden haben in der neuen Vorlage, daß sie selbst in denjenigen Fällen, in welchen ein Widerstand Seitens der Vertreter der ver⸗ bündeten Regierungen nicht geäußert wurde, nicht in die jetzige Vorlage aufgenommen worden sind — hierauf habe ich nur zu bemerken: es sind ganz dieselben Gründe, welche uns veranlaßt haben, auch in der Vorlage des Pensionsgesetzes ab⸗ zusehen von der übrigens ja entgegenkommend behandelten Frage der rückwirkenden Kraft. Es lag kein Beschluß des Reichstages vor, son⸗ dern es sind nur Beschlüsse der Kommission; die Kommission hat nicht einmal Bericht an den Reichstag erstattet. Ich will mich also hier ganz bestimmt gegen den Vorwurf verwahren, daß irgend ein Mangel an Rücksicht gegen den Reichstag darin liegt, da der Reichs⸗ tag noch gar nicht gesprochen hat. ö
Der Abg. Dr. Meyer (Jena) erklärte, daß zwar von der späteren Kommission im Vorjahre kein Bericht an das Haus gelangt sei, wohl aber habe die erste Kommission einen Be— richt erstattet.
Demnächst nahm wiederum der Staats-Minister Bron⸗ sart von Schellendorff das Wort:
Ich mache darauf aufmerksam, daß das, was der Hr. Abg. Dr. Meyer (Jena) eben ausgesprochen hat, eine Kommission berührt, deren ganzes Werk zu einer thatsächlichen Wirkung gar nicht gelangt ist, weil ja das Reliktengesetz gerade wie das MilitärPensions—⸗ gesetz an eine neue Kommission gegeben wurde, und von dieser neuen Kommission, deren Arbeit doch entschieden die Arbeit der voraufgegangenen Kommission, wenn ich so sagen soll, rechtlich aufgehoben hatte, ist kein Bericht an den Reichstag er— stattet worden, und vor allen Dingen, worauf ich den Hauptwerth lege, es liegt kein Beschluß des Reichstages vor, denn der Bericht der ersten Kommission, auf welchen der Hr. Abg. Dr. Meyer (Jena) eben Bezug genommen hat, hat ja bezüglich des Militär⸗-Pensions gesetzes im vorigen Jahre auf Annahme gelautet, der Reichstag hat aber doch kein Bestreben gezeigt, diesem Kommissionsbeschlusse zu ent sprechen. Warum nun die verbündeten Regierungen ohne Weiteres dem Kommissionsbeschlusse entsprechen sollen, das vermag ich in der That nicht abzusehen.
Der Abg. Richter⸗Hagen bemerkte, wenn es sich nur um Fragen handelte, welche lediglich in den Kommissionen ver— handelt wären, so könnte man es der Regierung nicht ver— argen. Aber die Regierung habe auch die Vorschläge unbeachtet gelassen, denen das Haus zugestimmt habe. Redner erklärte, daß er selbst in der Kommission ein Amen⸗ dement gestellt habe, welchem auch Seitens des Kriegs⸗-Ministers zugestimmt worden sei. Trotzdem sei dies Alles pro nihilo gewesen. Unter solchen Umständen könne sich die Regierung nicht wundern, wenn so wenig Gesetze zu Stande kämen.
Der Abg. Dr. Windthorst erklärte, die Vorwürfe gegen die verbündeten Regierungen könne er nicht als begründet an—⸗ erkennen. Vom Kriegs⸗Minister sei ganz richtig anerkannt worden, daß der Reichstag keinen Beschluß gefaßt gehabt habe, und wenn ein solcher nicht vorliege, so sei auch kein Antrag an die Regierung vorhanden. Den früheren in der Kom⸗ mission gestellten Anträgen gegenüber werde die Regierung auch später gewiß dieselbe Stellung einnehmen wie damals.
Der Abg. von Köller trat der Ansicht des Abg. Dr. Windt⸗ horst bei, zumal die Wünsche, von denen der Abg. Richter ge⸗ sprochen habe, in der zweiten Kommission verhandelt worden seien, von der nicht einmal ein Bericht an das Haus gekommen sei. Die Beschlüsse der Kommission böten der Regierung noch keinerlei Garantie, daß es auch im Hause so weit gekommen sei. Der Abg. Richter habe selbst einmal gesagt, daß das Haus nicht an die Kommissionsbeschlüsse gebunden sei, worin derselbe natürlich ganz Recht gehabt habe. So könne die Re⸗ gierung aber auch von den Kommissionsbeschlüssen kaum Notiz nehmen. Bei den nächsten Verhandlungen der Kommission werde die Regierung sicherlich den damaligen Beschlüssen gegenüber denselben Standpunkt einnehmen.
Der Abg. von Bernuth wies darauf hin, daß die Kom— mission bereits bei Gelegenheit der Berathung des schon im vorigen Jahre in derselben Form wie heute vorgelegten Ge⸗ setzentwurfs dafür erachtet habe, daß §. 2 eine dem Gesetz nicht entsprechende Fassung habe. Redner bemängelte dann nament⸗ lich den Umstand, daß die Kommunalsteuerpflichtigkeit der Of⸗ siziere erst von deren Verheirathung an beginnen solle.
Der Abg. Richter (Hagen) hielt es für auffällig, daß die Regierung sogar nicht mal insoweit eine Verbesserung des Gesetzentwurfs für nothwendig erachtet habe, um die Beseitigung
der zahlreich darin enthalten gewesenen Druckfehler vorzunehmen. Auch hätte die Regierung in formeller Beziehung auf die früheren Beschlüsse der Kommission und des Hauses Rücksicht nehmen müssen. Redner rügte die Schaffung eines Privile⸗ giums der Offiziere, wodurch die letzteren in ungerechtfertigten Gegensatz zum ärmsten Beamten, dem man die Steuer ab⸗ nehme, gestellt würden.
Hierauf nahm der Staats-Minister Bronsart von Schellendorff das Wort:
Meine Herren! Ich muß nochmals ganz bestimmt Verwahrung dagegen einlegen, daß irgendwie Mangel an Rücksicht für den Reichs⸗ tag es gewesen ist, wenn dieses Gesetz in ganz derselben Form und demselben Wortlaut vorgelegt ist, wie im vorigen Jahre. — Ich habe bereits gestern Veranlassung gehabt, davon zu sprechen, daß es eine besondere Rücksicht der Höflichkeit gewesen ist, in einer Frage, die möglicher Weise eine Verbesserung des Gesetzes herbeiführt, in der Frage der rückwirkenden Kraft, dem Reichstage die Initiative zu lassen und auf diese Weise ihm das Verdienst ungeschmälert zu erhalten, seinerseits eine Verbesserung des Gesetzes herbeigeführt zu haben. Im Uebrigen aber, wenn der Hr. Abg. Richter daraus, daß ich dem Passus in der Kommissionsverhandlung keinen Widerstand entgegengesetzt habe, ohne Weiteres nun eine Verpflichtung der ver— bündeten Regierungen deduzirt, das Gesetz hier in einer ver— änderten Form vorzulegen, dann überschätzt er denn doch ganz erheblich die Stellung, welche ich in den Kommissions⸗ verhandlungen allein zu vertreten habe. Ich vertrete dort im Wesentlichen gerade wie hier nur die preußische Regierung, und die verbündeten Regierungen sind nicht ohne Weiteres verpflichtet, meinen Aeußerungen, die ich in der Kommission gemacht habe, nachher Folge zu geben. Also ist auch schon aus diesem Grunde meiner Meinung nach die Deduktion nicht richtig, daß die verbündeten Regierungen darum, weil die Vertreter, die in der Kommission anwesend gewesen wären, nicht gegen eine Sache gesprochen hätten, bei der Wieder⸗ vorlage des Gesetzes ohne Weiteres diesen Gegenstand, der in der Kommission zu keiner Differenz Veranlassung gegeben hat, auf— zunehmen hätten.
Der Abg. Frhr. von Manteuffel erklärte, es hätten keine rechtsverbindlichen Kommissionsbeschlüsse vorgelegen, wie der Verlauf der vorjährigen Verhandlungen beweise. Die Regie— rung sei nur korrekt verfahren mit der unveränderten Wieder— einbringung ihres Entwurfes.
Der Abg. Richter (Hagen) entgegnete, der Minister von Bronsart habe bei den vorjährigen Kommissionsberathungen verschiedenen Amendements nicht nur keinen Widerstand ent⸗ gegengesetzt, sondern sich, wie die Protokolle bewiesen, aus— drücklich mit ihnen einverstanden erklärt. Auch sei in der damaligen Kommission nicht nur die preußische, sondern es seien die Militär-Verwaltungen sämmtlicher größeren deutschen Staaten und die höchsten Reichsbehörden durch mehr als 15 Kommissarien vertreten gewesen; und da alle diese Herren zu den Erklärungen des Ministers von Bronsart geschwiegen hätten, so sei die Zustimmung der verbündeten Regierungen dazu wohl anzunehmen.
Die Vorlage wurde hierauf mit großer Mehrheit ber Kommission für das Militär⸗Pensionsgesetz überwiesen.
Es folgte die Fortsetzung der zweiten Berathung des der 7. Kommission zur Vorberathung überwiesenen Entwurfs eines Gesetzes, betr., die Aenderung des Gesetzes über die ein— geschriebenen Hülfskassen vom 7. April 1876.
Die Berathung wurde bei §. 33 wieder begonnen, dessen erster Absatz nach den Kommissionsvorschlägen lautet:
Die Kassen und ihre örtlichen Verwaltungsstellen unterliegen in Bezug auf die Befolgung dieses Gesetzes der Beaufsichtigung durch die von den Landesregierungen zu bestimmenden Behörden, mit der Maßgabe, daß mit den von den höheren Verwaltungs—⸗ behörden wahrzunehmenden Geschäften diejenigen höheren Verwal— tungsbehörden zu betrauen sind, welche nach Landesrecht die Auf— . oder Oberaufsicht in Gemeinde ⸗Angelegenheiten wahrzunehmen aben.
Dieser 5. 33 war bei der vorigen Berathung am Dienstag im ersten Theile angenommen worden, während die namentliche Abstimmung über den zweiten und von der Kommission hin⸗ . Theil die Beschlußunfähigkeit des Hauses ergeben
atte. Jetzt wurde dieser zweite Theil ohne namentliche Ab— stimmung nach der Kommissionsfassung angenommen.
Der Absatz 2 des 8. 33 lautet:
„Die Kassen sind verpflichtet, der Aufsichtsbehörde auf Verlangen jederzeit ihre Bücher und Schriften im Geschäftslokale der Kasse u . vorzulegen und die Revision ihrer Kassenbestände zu gestatten. “
(Dieser Absatz wurde mit einer Abänderung nach dem Antrage Buhl: das Wort „Schriften“ zu ersetzen durch „Ver⸗ handlungen und Rechnungen“, mit 123 gegen 101 Stimmen angenommen.)
Ebenso der Rest des 8. 33, welcher lautet:
„Die Aufsichtsbehörde beruft die Generalversammlung, falls . der durch §. 22 begründeten Verpflichtung nicht genÜgt.
Sie kann die Mitglieder des Vorstandes und der örtlichen Verwaltungsstellen, sowie die im Falle der Auflösung oder Schließung einer Kasse mit der Abwickelung der Geschäfte betrauten Personen zur Erfüllung der durch dieses Gesetz begründeten Pflich⸗ ten durch Androhung, Festsetzung und Vollstreckung von Geldstrafen bis zu einhundert Mark, sowie durch die sonstigen nach den Landes⸗ gesetzen ihr zustehenden Zwangsmittel anhalten.“
Ein Zusatz zu §. 33, beantragt von den Abgg. Büchte⸗ mann und Gen., wurde ebenfalls angenommen; derselbe
lautet:
Gegen die Androhung und Festsetzung von Geldstrafen bezw. Anwendung von Zwangsmitteln Seitens der Aufsichtsbehörden steht den Kassenvorständen der Rekurs zu; wegen des Verfahrens und der Behörden gelten die Vorschriften der §§. 20 und A der Reichs⸗ Gewerbeordnung.“
§. 34 lautet nach der Regierungsvorlage:
Mitglieder des Vorstandes, des Ausschusses oder einer örtlichen Verwaltungsstelle, welche den Bestimmungen dieses Gesetzes zu— widerhandeln, werden mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark be— straft. Haben sie absichtlich zum Nachtheil der Kasse gehandelt, so unterliegen sie der Strafbestimmung des §. 266 des Straf⸗ gesetzhuchs.
Die Leiter von Generalversammlungen, sowie von Mitglieder⸗ versammlungen (8. 196. 5. 21 Absatz 2, 3) werden mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark bestraft, wenn sie in der Generglversamm⸗ lung oder in der Mitgliederversammlung Erörterungen über öffent⸗
rung unter die Landesgesetze über das Vereins und Versammlungs—⸗ recht fällt.
Die Kommission beantragte, den zweiten Absatz dieses Paragraphen zu streichen.
Dagegen beantragten die Abgg. Frhr. von Hammerstein und Gen., den Absatz wie folgt zu sassen:
„Die Leiter von Generalversammlungen sowie von Mitglieder⸗ versammlungen (§. 19, 5. 21 Abs. 2 und 3) werden mit Geld⸗ strafe bis zu 39) „ bestraft, wenn sie in der Generalversammlung oder in der Mitgliederversammlung Erörterungen über öffentliche Angelegenheiten, welche mit der Organisation oder Verwaltung der Kasse nicht in unmittelbarem Zusammenhange stehen, zulassen oder nicht verhindern, wenn deren Erörterung unter die Landes⸗ gesetze über das Vereins und Versammlungsrecht fällt.“
Die Abgg. Löwe (Berlin) und Gen. beantragten, auch gegen die Straffestsetzung bezüglich §. 34 Al. 1 den Rekurs nach 85. 20 und 21 der Gewerbeordnung zuzulassen. Der Abg. Frhr. von Hammerstein befürwortete seinen Antrag. Die Stellungnahme seiner Partei zur Frage der Verhandlung öffentlicher Angelegenheiten sei schon in der Kommission von verschiedenen Seiten als ein charakteristisches Merkmal der feindlichen Haltung seiner Partei gegen die freien Hülfskassen bezeichnet worden. Diese Art der Argu⸗ mentation sei durchaus verkehrt, seine Partei wolle gerade die Kassen so ausgestalten, mit solchen Garantien umgeben, daß sie zweckentsprechend funktioniren könnten. Nachdem seine Partei im vorigen Jahre die freien Hülfskassen für berechtigt erklärt habe, der Zwangsversicherungspflicht zu genügen, müsse seine Partei sie auch vor Eventualitäten behüten, welche sie dieser Aufgabe entfremden könnten. Wie es scheine, sei schon seit langer Zeit die sozialdemokratische Bewegung bestrebt, die Leitung der freien Kassen in die Hände zu bekommen, und sie zu Agitationsheerden für ihre Parteizwecke zu machen; diese Thatsache gebe zu der Befürchtung Anlaß, daß die Kassen ihren Aufgaben in Zukunft nicht ohne erhebliche Stö⸗ rung gerecht werden dürften. Die freien Kassen seien ja ohnehin zum großen Theil Annexe weitverzweigter Organisa⸗ tionen mit unzweifelhaft politischer Vorgeschichte; letztere in Verbindung mit den Thatsachen aus jüngster Vergangenheit sprächen nur zu deutlich für seine Annahme. Im Anfang dieses Monats sei die Leitung der Kranken- und Hülfskasse des ursprünglich echt fortschrittlichen Volksbildungsvereins in Hamburg auf überraschend plötzliche Weise in die Hände der Sozialisten gerathen; die Generalversammlung habe eine Ma⸗ jorität von 800 Sozialdemokraten gegen 200 sonstige Kassen⸗ mitglieder ergeben. Daß dieses Beispiel Nachahmung finden möchte, sprächen die Sozialdemokraten ja mit unverhohlener Offenheit aus. Für die Verhinderung von Tumulten und Nachtheilen für die Kassenverwaltung, wie sie aus der Ver⸗ handlung politischer Angelegenheiten zweifellos erwachsen müßten, und bereits erwachsen seien, wolle seine Partei eben dem Leiter der Versammlungen die Verantwortlichkeit auf— legen, und da die Judikatur den Begriff „öffentliche An⸗ gelegenheiten“ sehr weit gefaßt habe, so habe er den Antrag in der angegebenen Weise umschrieben, die jedem Unbefange⸗ nen zweckmäßig und wohlbegründet erscheine.
Der Abg. Schrader betonte, der Antragsteller werfe, wie das jetzt fast Regel geworden zu sein scheine, politische und öffentliche Angelegenheiten durcheinander. Der Regierungs⸗ vorschlag sei der Kommission viel zu weit gegangen, indem derselbe eben die Erörterung von öffentlichen Angelegenheiten ganz allgemein untersage, und die Leiter der General versamm⸗ lungen mit Strafe bedrohe. Das heiße einen flagranten Rechtsbruch in Bezug auf die Gleichberechtigung aller Kassen begehen. Die Rechtsprechung begreife heute viel mehr unter dem Begriff „öffentliche Angelegenheiten“ nur politische; Alles, was nicht dem reinen Privatrecht angehöre, falle unter diesen Begriff. Was unter der von den Konservativen vor⸗ geschlagenen Einschränkung verstanden werden solle, wisse er nicht; es heiße das etwa „solche öffentliche Angelegenheiten, welche nicht öffentliche Angelegenheiten seien.“ Der Antrag schließe schlechterdings jede Besprechung eines Gegenstandes aus, der nicht strikte zu den Kassenangelegenheiten zähle; jeder belehrende Vortrag über Gesundheitspflege, über allgemeine Organisation von Kassen, und dergleichen werde damit un— möglich, und die ganze Einrichtung dadurch unkräftig zum Leben und zur Entwicklung gemacht. Zahlreiche Denun⸗ tiationen der Leiter und eine Kette unliebsamer Prozeduren würden die Folge sein. Am meisten aber werde es als Un⸗ recht empfunden werden, wenn man den freien Hülsfkassen versage, was den Ortskassen gewährt sei. Das Eindringen sozialdemokratischer Elemente werde aus ganz natürlichen Gründen durch keine Vorbeugungsmaßregel verhindert werden können. Auch in Berlin seien sie trotz des Sozialistengesetzes in den Kassen sehr stark vertreten, und der von Hamburg an⸗ geführte Fall des Ueberganges der Leitung einer Kasse in sozialdemokratische Hände werde durch den Antrag von Ham⸗ merstein gar nicht berührt. Hindere man die Arbeiter, in den Versammlungen ihre Angelegenheiten zu besprechen, sich über die einschlägigen Verhältnisse zu belehren, so schütte man das Kind mit dem Bade aus. Die ganze „soziale Reform“ kenn⸗ zeichne sich an dem hartnäckigen Festhalten dieser Zwangs⸗ bestimmung, die jetzt zum dritten Male wieder an das Haus gebracht sei, nachdem sie zweimal von der großen Mehrheit der Kommission verworfen sei. Er bitte den Antrag um des Prinzips der Gleichberechtigung willen abzulehnen, damit nicht den Arbeitern eine willkommene Handhabe zum Angriff gegen die Gesetze dargeboten werde.
Der Abg. Stolle erklärte, die freien Hülfskassen würden, wenn eine Bestimmung, wie die beantragte, in das Gesetz hineinkomme, noch mehr leiden, als sie schon jetzt litten. Die Rechte würde bei der Annahme des Antrages von Hammer⸗
stein noch reaktionärer sein als die „Kreuz⸗Zeitung“, denn
letztere halte die Verhandlungen über den Normalarbeitstag
für gesetzlich gestattet, während die Rechte nach ihrem Antrage sie in den Versammlungen der Hülfskassen verbieten wolle. Uebereifrige Beamte könnten darin leicht die Handhabe zu unermeßlichen Chikanen finden. Der Reichskanzler hebe immer hervor, daß er sich über die Bedürfnisse der Arbeiter am
liche Angelegenheiten zulassen oder nicht verhindern, deren Erörte⸗
besten aus Arbeiterkreisen selbst informire. Wie solle ihm das