—
aber möglich sein, wenn den Arbeiterversammlungen die Besprechung ihrer Interessen verboten seien? Wenn die Regierung nicht dahin gelange, die Arbeiter als gleichberechtigt mit den übrigen Staats— bürgern zu behandeln, so würden die Arbeiter nie Vertrauen zu der Sozialreform der Regierung bekommen. Wenigstens müsse doch im Gesetz eine Erklärung zu erwarten sein, was denn unter „öffentlichen Angelegenheiten“ zu verstehen sei. Ebenso wie man gestern gesagt habe, daß kein Unterschied zwischen adligen und nichtadligen Offizieren existire, ebenso existire kein Unterschied zwischen Sozialdemokraten und Ge— werksvereinlern. Sie seien Alle einig in der Vertretung der Interessen des vierten Standes. Deshalb sei die Furcht vor sozialdemokratischen Einfluß in den Hülfskassen eine über— flüssige. .
Hierauf ergriff der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Geheime Ober⸗Regierungs-Rath Lohmann das Wort:
Meine Herren! Die Ausführungen des Herrn Vorredners wären, glaube ich, verständlicher und mehr am Platze gewesen, wenn es sich gegenwärtig um eine Bestimmung handelte, wodurch den Arbeitern überhaupt die Erörterung öffentlicher Angelegenheiten untersagt werden sollte; denn er hat in allen seinen Ausführungen immer so gethan, als ob nach Annahme dieser Bestimmung für die Arbeiter überhaupt keine Möglichkeit mehr bliebe, 6ffentliche An— gelegenheiten unter sich zu erörtern. Bekanntlich ist diese Voraus setzung unrichtig, denn es steht den Arbeitern, wie allen übrigen Mitglie⸗ dern der bürgerlichen Gesellschaft, voliständig frei, Versammlungen zu berufen und in diesen öffentliche Angelegenheiten zu erörtern. Von den Einschränkungen, welche das Sozialistengesetz dabei macht, brauche ich hier nicht zu reden, denn die haben mit diesen Dingen nichts zu thun Davon ist nicht die Rede, sondern es ist davon die Rede, daß die Erörterung öffent- licher Angelegenheiten, welche in Versammlungen, die eigens vazu berufen sind, ganz willkommen oder ganz ungefährlich sein kann, abgewiesen werden soll für diejenigen Versammlungen, welche der Verwaltung des Hülfskassenwesens dienen und, meine Herren, in den Berathungen Ihrer Kommission, hat darüber gar keine Meinungsverschiedenheit bestanden, daß es den Kassen nicht zum Vortheil gereichen würde, wenn solche öffentlichen Angelegenheiten in ihren Versammlungen erörtert würden. Man ist einstimmig der Meinung gewesen, daß es im Interesse der Kassen selbst liege, wenn derartige Erörterungen von ihren Versammlungen fern gehalten werden.
Wenn die Mehrheit Ihrer Kommission dennoch geglaubt hat, die von den verbündeten Regierungen vorgeschlagene Bestimmung streichen zu sollen, so sind dabei hauptsächlich zwei Gründe m aßgebend gewesen, einmal hat man gesagt, daß die befürchteten Mißbräuche in der That nicht eintreten würden, man könne zu den Arbeitern das Vertrauen haben, daß sie selbst dieser Gefahr entgegentreten würden. Sodann hat man gesagt, daß, wenn diese Gefahr dennoch eintreten sollte, die bestehenden allgemeinen Gesetze ausreichen würden und ausreichen müßten, um dieser Gefahr, wie anderswo, so auch hier entgegenzu— treten. Gegen die Bestimmung selbst hat man geltend gemacht, daß es unzulässig sei, Personen, wie sie bei der Verwaltung der Kassen in Frage kommen, einer Strafbestimmung zu unterstellen, deren Tragweite sie meistens zu beurtheilen nicht im Stande sein würden.
Nun, meine Herren, was den ersten Einwand anbetrifft, so steht doch die Auffassung, daß die Gefahr, von der hier die Rede ist, in der That nicht vorhanden sei, wie schon vorhin von Hrn. von Ham— merstein ausgeführt ist, mit den thatsächlichen Verhältnissen in offen barem Widerspruch. Alle Welt weiß, daß gegenwärtig unter den politischen und sozialpolitischen Parteien die schärfste Konkurrenz stattfindet in dem Bestreben, die freien Hülfskassen in ihre Hände zu bekommen, und daß dies geschieht in der Hoffnung, aus der Verwal⸗ tung der freien Hülfskassen Kapital zu schlagen für ihre politischen Interessen.
Meine Herren, wenn die Herren Abgeordneten von der sozial— demokratischen Partei jetzt bei verschiedenen Gelegenheiten versucht haben, die Aeußerungen ihrer Parteimitglieder, welche dieser Auf— fassung Ausdruck gegeben haben, in einem anderen Sinne zu deuten, so werden Sie dafür nirgends Glauben finden. Ich glaube auch nicht, daß sie mit dieser Behauptung Glauben finden werden bei den? jenigen Herren, welche allerdings in der Kommission und auch hier das Vorhandensein der von mir bezeichneten Gefahr am bestimmteften geleugnet haben; denn, meine Herren, diese ihre Auffassung setzt sich in entschiedenen Widerspruch mit einer öffentlichen Erklärung, welche von Führern ihrer Partei gerade in der Zeit, als der Kampf um Nie freien Hülfskassen am allerheftigsten geführt wurde, ausgegangen ist und in der allerschärfsten und klarsten Weise diese Gefahr vor aller Welt offen hingestellt hat. Ich kann es mir nicht versagen, aus dieser Erklärung, wie ich es schon in der Kommission gethan habe, auch hier einige Sätze doch hervorzuheben.
Meine Herren! Der „Reichsfreund“, also ein Blatt der früheren Fortschrittspartei, vom 9. Februar d. J. sagt nach einer Reihe' von
Erörterungen, die gegen die centralen Kassen, die hauptsächlich in
Hamburg ihren Sitz haben, gerichtet waren, folgendes:
Für die Sozialistenführer sind die Krankenkassenvereine nicht Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck. Es werden durch diese Kassen mittelbar in einer zwar durchaus gesetzlichen, aber für die eigentliche Bestimmung dieser Kasse schäd⸗ lichen Weise politische Beziehungen vermittelt. Politische Parteiagitation hat ihre volle Berechtigung, aber folche politische Organifationen sollten nirgends mit wirthschaftlichen Organisa⸗ tionen verquickt werden. Die Erwerbs⸗ und Wirthschaftsgenossen schaften nach den Grundsätzen von Schulze⸗-Delitzsch würden nie mals ihre große Wirksamkeit und Bedeutung erlangt haben, wenn sie nicht jede auch nur indirekte Beziehung zu politischen Zwecken von sich fern gehalten hätten.
Meine Herren! Das ist geschehen unter der Herrschaft einer Be=
stimmung, die sich im Genossenschaftsgesetze findet, ganz ähnlich, wie
sie jetzt vorgeschlagen wird. Die Organisation der deutschen Arbeiter für ihre besonderen wirth⸗ schaftlichen Interessen in freien Verbänden hat wesentlich darum keinen erheblichen Umfang und keine größere wirthschaftliche Be⸗ deutung zu erlangen vermecht, weil die Sozialisten überall ihre Partei⸗ und Wahblinteressen in solche Drganisationen hinein— zutragen bemüht sind. Mit besonderen Spekulationen auf be⸗ stimmte Wahlen werden solche Verbände zur Wahrung wirth⸗ schaftlicher Interessen gegründet, die sozialistischen Agitatoren treten alsbald an die Spitze. Nur fo lange das Agi⸗ tationsinteresse vorhanden ist, entfalten die Verbände eine Wirksamkeit, nachher erlischt die Bewegung wie Strohfeuer. Die praktischen Engländer verfahren gerade entgegengesetzt. Dort halten die Arbeiter von ihren wirthschaftlichen Interessenverbänden und Vereinen alle poljtischen Bestrebungen und Wahlinteressen fern. Infolgedessen sind die dortigen Arbeitervereine, Berufs genossen⸗ schaften, Gewerkyereine, oder wie sie sonft heißen mögen, in Wahr⸗ heit, eine wirthschaftliche, den Verbänden der Arbeitgeber eben⸗ hürtige Macht geworden. Darum, Ihr deutschen Arbeiter, wollt Ihr nicht das Interesse der Krankenpfleger und Eurer wirthschaft⸗ lichen Berufsgenossen der Politik und dem Interesse politischer Agitatoren opfern, so hütet Euch vor den Centralkassen der Sozial⸗ demokraten!
Meine Herren! Es wird den Herren von der Partei schwerlich gelingen, durch irgend eine Retraktion dasjenige, was sie in dieser offentlichen Kundgebung gesagt haben, abzuschwächen; und ob nun diejenigen Kassen, welche hauptsächlich von Herren jener Partei ge⸗ leitet werden, nicht auch derselben Gefahr ausgesetzt sind, das will ich hier nicht weiter untersuchen; aber bekannt ist, la es von ande⸗ ren Seiten auch behauptet wird, und, meine Herren, daß in Zeiten politischer Erregung und namentlich bei Wahlen, wo ja üÜüber⸗ haupt meist alle Mittel recht sein müssen, diese Gefahr sehr nahe liegt, das wird Niemand zu bestreiten vermögen. Unter diesen Umständen glaube ich, wird man den verbündeten Regierungen
Recht geben müssen, wenn sie es als ihre Pflicht erkennen, gegen diese Gefahr Vorsorge zu treffen und eine Bestimmung in das Gesetz hineinzubringen, welche dieselbe möglichst ausschließt. Dagegen baben die Herren, welche fur die Streichung der Bestimmung in der Kommission gestimmt baben, und welche auch jetzt ent⸗ schloffen zu sein scheinen diese Bestimmung zu streichen, den Satz aufgestellt, es müsse auf diesem Gebiet nur mit denselben Mitteln gegen die Gefahr gekämpft werden, welche auch anderswo angewandt würden; und das sei die allgenleine Gesetzgebung über das Ver— sammlungä⸗ und Vereinsrecht. Es ist das ja namentlich auch von Hrn. Schrader vorhin in seinen Ausführungen besonders betont, daß es sich hier darum handle, die Gleich berechtigung der Arbeiter zu verletzen gegenüber anderen Klaͤssen. Nun, meine Herren, kann ich durchaus keine Verletzung der Gleichberechtigung darin finden, wenn man eine besondere Institution gründet, welche allen Klassen zugäng— lich ist, aber mit Rücksicht auf die Gefahren, die mit dieser Institu⸗ tion verbunden sein können, besondere Maßregeln ergreift, damit sie nicht zu politischen und sonstigen Agitationen benutzt werde. Meine Herren, darin liegt nicht die allermindeste Verletzung der Gleich— berechtigung. .
Auch der Hr. Abg. Schrader hat in seinen Ausführungen meines Erachtens nicht gehörig unterschieden zwischen dieser Bestimmung und einer Bestimmung, welche überhaupt den Arbeitern die Erörterung öffentlicher Angelegenheiten verkümmert. Wollen die Arbeiter öffent⸗ liche Angelegenheiten erörtern, so bleibt ihnen dazu immer Raum, sie brauchen aber diese Erörterung nicht hineinzutragen in die Verhand— lungen der Kassen.
Nun, meine Herren, wie steht die Sache, wenn die Behörden nun wirklich für ihren Kampf gegen die unzweifelhaft vorhandene Gefahr angewiesen würden auf die bestehenden Versammlungs⸗ und Vereinsgesetze. Daß diese Gesetze überhaupt Anwendung finden können, bezweifle ich durchaus nicht; aber, meine Herren, dasjenige, was nach der Auffassung der verbündeten Regierungen von diefen Versammlungen ausgeschlossen sein muß, das auszuschließen sind Sie durchaus nicht im Stande. Denn, meine Herren, nach allen Gesetzen über Versammlungs. und Vereinsrecht, die mir bekannt sind, würde es keiner Kasse verwehrt sein, in den Versammlungen ihrer Organe öffentliche Angelegenheiten zu erörtern, sobald nur die betreffende Versammlung bei der Polizei angezeigt wäre. Ich glaube aber, daß es entschieden vom Uebel sein würde, wenn diese Kassenversammlungen öffentliche Angelegenheiten traktiren dürften unter der Voraussetzung, daß sie nur eine Anzeige bei der Polizei machen. Die öffentlichen Angelegenheiten müssen über—⸗ haupt ausgeschlossen sein von den Verhandlungen dieser Organe, denn sonst werden Elemente in das Kassenwesen hineingetragen, die eben nicht hineingehören. Ich möchte z. B. wissen, welchen Vortheil es haben könnte für die Entwickelung und das Leben der Kassen, wenn in ihren Versammlungen Diskussionen gepflogen würden über den Normalarbeitstag, eine Frage, die mit der Kasse absolut nichts zu thun hat, die aber auch zu den öffentlichen Ange⸗ legenheiten gehört, die der Hr. Abg. Stolle in den Versammlungen der Kassen zur Erörterung gebracht wissen will.
Nun kommt aber noch ein weiterer Umstand hinzu. Wenn Sie die Behörden für ihre Wirksamkeit gegen die bezeichnete Gefahr auf die bestehenden Gesetze verweisen, so ist die Unsicherheit, von der Sie geredet haben, in der die Betheiligten sich dabei befinden, außer— ordentlich viel größer, denn die Voraussetzungen, unter denen die Gesetze über das Versammlunge⸗ und Vereinsrecht auf die hier in Frage stehenden Versammlungen Anwendung finden, sind jedenfalls nicht ganz ohne Zweifel, und die Betheiligten würden daher viel schwerer zu erkennen vermögen, ob sie sich einer straf⸗ baren Handlung schuldig machen oder nicht, als in dem Falle, wo klar und deutlich in dem Gesetze steht, die Erörterung oͤffentlicher Angelegenheiten ist ein für allemal von diesen Organen ausgeschlossen. Dann, meine Herren, haben sie eine deutliche Warnungktafel, die Jeder, der den guten Willen hat, auch zu berücksichtigen im Stande ist. Mir scheint, die verbündeten Regierungen konnten nicht korrekter handeln, als wenn sie die ihnen obliegende Aufgabe dadurch zu erfüllen suchten, daß sie dem Reichstage eine Be— stimmung vorschlugen, welche bereits in ein bestehendes Gesetz zu ähnlichem Zwecke aufgenommen ist, wie ich völlig zugebe, mit einer Abänderung, aber mit einer Abänderung, welche durchaus nothwendig ist, wenn die Bestimmung überhaupt ihren Zweck erfüllen soll. Denn für die Folgen, welche die Erörterung öffentlicher Angelegenheiten in den Organen der Kassen hat, ist es ganz gleichgültig, ob sie sich an gestellte Anträge anschließt oder davon unabhängig ist, und deshalb ist es eine unzulängliche Bestimmung, wenn in dem Genossenschafts⸗ gesetze nur gesagt wird, „die Erörterung von Anträgen, welche öffentliche Angelegenheiten betreffen; damit würde hier überhaupt nichts ausgerichtet werden.
Nun, meine Herren. was die behauptete Unfähigkeit der bethei⸗ ligten Personen anbettifft, sich über die Strafbarkeit dessen, was sie unternehmen, Rechenschaft abzulegen, so glaube ich, geht man da doch zu weit in der Unterschätzung des Verständnißvermögens der Arbeiter. Es geschieht das gerade von denjenigen Herren, die sonst sehr geneigt sind, die Intelligenz der Arbeiter sehr hoch zu stellen, nämlich wenn es sich darum handelt, ihnen die möglichst freie Bewegung in der Verwaltung der Kassenangelegenheiten zu geben. Da wird gewöhnlich die Behauptung aufgestellt, das wissen die Arbeiter selbst am besten, sie wissen selbst am besten zu beurtheilen, was für ihre Kassen gut ist und was nicht. Hier handelt es sich blos darum, daß die betheiligten Personen, und es sind das, wie ich hervorhebe, die Leiter der Kassen beziehungsweise der örtlichen Verwaltungsstellen, von denen man doch annehmen kann, daß sie auf einer etwas höheren Stufe stehen als die Gesammtheit der gewöhnlichen Mitglieder, es handelt sich also blos darum, daß diese Personen so viel Einsicht haben, öffentliche Ange⸗ legenheiten, die mit ihren Kassen nichts zu thun haben, zu unter⸗ scheiden von ihren Kassenangelegenheiten, und diese Angelegenheit in ihren Versammlungen nicht zur Sprache bringen und nicht zur Sprache bringen lassen, und wo es geschieht, diese Erörterung ab— schneiden.
Es ist nicht richtig, wenn der Hr. Abg. Schrader sagt, eine ge⸗ legentlich Berührung würde schon nnter diese Strafbestimmung fallen. Es heißt hier: „die Erörterung öffentlicher Angelegenheiten“. Wenn solche in den Mitgliederversammlungen nur gelegentlich berührt werden und der Vorsitzende sagt einfach: ich mache darauf aufmerk⸗ sam, daß das nicht zulässig ist, so ist die Sache abgethan und! allcz in Ordnung. Ich glaube also, die Unterscheidung zu machen, welche hier nöthig ist, werden unsere Arbeiter und namentlich ihre Führer bei dem allgemeinen und fleißigen Gebrauch, den sie in den letzten Jahren von dem Versammlungsrecht bereits gemacht haben und der doch diese Unterscheidung bereits in Fleisch und Blut hat übergehen lassen sehr wohl im Stande sein.
Meine Herren! Ich habe keinen Zweifel, daß die verbündeten Regierungen sehr gerne geneigt sein werden, jede Vecbesserung, die Sie zu dieser Bestimmung etwa beschließen sollten, soferne sie nur überhaupt noch den Zweck erfüllt, anzunehmen. Ich zweifle auch nicht, daß der Antrag, der von den Herren von Hammerstein und Genossen gestellt wird, bei den verbündeten Regierungen Annahme finden würde. Aber, meine Herren, ich bitte Sie, entzi⸗hen Sie sich der Aufgabe, einer offenbar vorliegenden, und wie ich meine, gar nicht zu leug—Q nenden Gefahr zu begegnen, entziehen Sie sich dieser Aufgabe nicht dadurch, daß Sie einfach die von den verbündeten Regierungen vor⸗ 6 Bestimmung streichen, ohne etwas besseres an ihre Stelle zu setzen.
Der Abg. Frhr. von Maltzahn⸗Gültz erklärte, wenn hier gesagt worden sei, daß derartige Bestimmungen, wie sie die KLommission abgelehnt habe, nicht in das Gesetz über die Hülfskassen hineingehörten, so möchte er demgegenüber darauf hinweisen, daß der Organismus der Hülfskassen doch sehr zu politischen Zwecken benutzt worden sei. Wenn nun bie Linke wirklich die Politik aus den Berathungen der Hülfskassen aus— schließen wolle, warum stimme die Linke denn nicht dem An⸗
trage Hammerstein zu? Ueber die präzise Fassung lasse sich ja
allerdings noch reden. Einen ungerechtfertigten Dru
die Vorstände der Hilfskassen = * — ben gf gegen Bestimmung nicht erblicken, es sei im Gegentheil damit den Vorständen eine passende Handhabe geboten, um die Politik aus den Versammlungen fernzuhalten. Der Ein⸗ wand, daß derartige Bestimmungen in das Hülfskasfen. gesetz hinein gehörten, sei also unzutreffend, und es erscheine vielmehr durchaus gerechtfertigt, daß das Haus bei den zu i nnn Abänderungen des Gesetzes alle bisher gewonnenen Erfahrungen zu Hülfe ziehe. Habe man den Hülfe kassen ge⸗ wisse weitgehende Rechte bewilligt, so müßten 'ich dieselbnn auch gewisse Beschränkungen auferlegen lassen. In Bezug auf die wegen der etwaigen strafrechtlichen Konsequenzen ge äußerten Bedenken bemerke er, daß die Strafen ja nicht von den Verwaltungsbehörden, sondern vom Strafrichter festgesetzt würden. .
Der Abg. Löwe (Berlin) bemerkte, der Antrag Hammer—
stein wolle der Vorlage den Charakter eines Ausnahmegesetzes geben. Warum lasse man es nicht bei dem Vereinsgesetz be⸗ wenden, welches durchaus genügende Garantien gegen Aus⸗ schreitungen der Kassenversammlungen auf politischem Gebiese ge⸗ währe? Dem Sozialistengesetz wollten auch die Konservativen nur einen provisorischen Charakter geben; im Widerspruch mit diesem Standpunkte wollten die Herren jetzt eine Bestimmung aus dem Sozialistengesetz in das Hülfskassengesetz hinüber nehmen, und dadurch die Arbeiter dauernd einem Ausnahme⸗ recht unterwerfen. Die Arbeiter selbst seien nicht mehr so dumm und verständen ihre Interessen zu wohl, als do ß sie selbst sich den Gefahren aussetzen sollten, welche die sozial— demokratische Agitation in den Kassenversammlungen für sie mit sich bringen würde. Die bisherigen Erfahrungen ließen keineswegs die Schutzmaßregeln des Antrages von Hammer⸗ stein nöthig erscheinen. Die Regierung und die Konservativen hätten auch gerade bei der Sozialpolitik, die sie jetzt derfolg⸗ ten, durchaus keine Ursache, neue Streitpunkte mit der Ar— beiterwelt zu schaffen. Was den von seiner Partei beantrag⸗ ten Zusatz betreffe, so sei derselbe die Konsequenz des vorhin zum 5. 33 beschlossenen Zusatzes. Es sei mehrfach zweifelhaft geworden, ob bei Verhängung dieser Strafen ein prozeffua— lisches Verfahren stattfinde. Deshalb wolle er die Sache in die Wege des Verwaltungsstreitverfahrens weisen. Der Bundeskommissar Geh. Ober-Reg⸗Rath Dr. Meyer führte aus, daß die Bestrafungen auf Grund dieses Paragraphen lediglich im prozessualischen Wege erfolgen könnten. Die Zweifel, die früher darüber bestanden Und dahin geführt hätten, in dem 8. 34 ausdrücklich zu sagen „gerichtlich bestraft/, seien durch die neue Prozeßgesetzgebung weggefallen. Der he— antragte Zusatz werde gerade ein in den verschiedenen Staaten verschiedenes Verfahren herbeiführen, weil die S§. 20, 21 der Gewerbeordnung nicht das Verfahren selbst regetten, son dern nur gewisse Grundsätze aufstellten, welche die Einzelstaaten bei Regelung des Verfahrens zu beachten hätten.
Der Abg. Löwe (Berlin) bemerkte, diese Erklärung habe er vom Bundesrathstisch nur provoziren wollen. Mit Rücksicht darauf ziehe er seinen Antrag zurück.
Der Abg. Dr. Windthorst erklärte, für den Gedanken, der dem Antrag Hammerstein zu Grunde liege, werde er eintreten. Die Krankenkassen könnten sich nur dann gedeihlich entwickeln, wenn politische Fragen von ihren Erörterungen fern blieben. Er habe aus der Diskussion, und besonders aus den Reden der Sozialdemokraten, den Eindruck gewonnen, daß die Sozialdemokraten gerade diese Kassen als Form der sozialisti⸗ schen Agitation ausnutzen wollten. Wenn man solchen Be⸗ strebungen nicht entgegentrete, so werde man nach weniger als drei Jahren das ganze Krankenkassengesetz aufheben
müssen. Er werde daher vorbehaltlich der Redaktion dem An—
trag Hammerstein zustimmen.
Der Abg. Dr. Hirsch betonte, über diese Stellungnahme des Abg. Windthorst sei er um so mehr verwundert, als seine Fraktionsgenossen in der Kommission sich gegen den Zusatz ausgesprochen hätten. Gerade der Abg. Windthorst sollte sich doch davor hüten, hier ein Ausnahmegesetz für die Arbeiter einzuführen. Um ein solches Ausnahmegesetz aber handele es sich hier, denn sonst müßte man den Zusotz Ham⸗ merstein auf alle Vereine und besonders auch auf die Berufs⸗ genossenschaften ausdehnen.
Hierauf, nahm der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Staats-Minister von Boetticher das Wort:
Meine Herren! Wenn irgend etwas zu der Vermuthung führen könnte, daß der Antrag des Hrn. Abg. von Hammerstein resp. das Alineg 2 S. 34 der Reglerungsvorlage doch seinen guten Grund hat, dann ist es, — glaube ich — der Eifer, mit welchem der Herr Abg. Dr. Hirsch gegen diese Bestimmung aufgetreten ist. Es handelt sich hier in der That um eine ganz einfache Frage, und zwar um eine solche, die in ihrem Fundamente auch von dem Hrn. Abg. Dr. Hirsch und den übrigen Mitgliedern von der linken Site des Hauses als eine berechtigte anerkannt ist. e
Ich habe nun zunächst, bevor ich auf die Sache selbst eingehe, unter den vielen emphatischen Aeußerungen des Hrn. Abg. Dr. Hirsch nur eine zu berühren, und das ist die, daß er der rechten Seite des Sauses und den verbündeten Regierungen den Vorwurf gemacht hat, daß wir den Arbeiter nicht hören wolten, daß wir es verhindern wollten, daß er sich über seine Interessen und seine Wünsche aus⸗ spreche und daß, — was auch schon aus einer früheren Rede durch— klang, — ‚es darauf abgesehen sei, den Arbeiterstand zu unterdrücken. Nun, meine Herren, der Gang der sozialpolitischen Gesetzgebungs⸗ versuche, wie sie von den verbündeten Regierungen gemacht worden sind, sollte sie davor schützen, daß man ihnen einen solchen Gedanken unterschiebt. Aber ich werde auch Veranlassung haben, Ihnen grade an der Hand der Vorschrift, um die es sich handelt, den Nachweis zu führen, daß keineswegs die Unterdrückung, sondern grade die Freiheit, die Rücksicht auf die Freiheit es gewesen ist, welche den Vorschlag der verbündeten Regierungen diktirt hat. Meine Herren, dieser Beweis ist nicht schwer zu führen. Erstens sst die Thatsache an sich nicht bestritten, daß politische Parteien den Versuch gemacht haben, die freien Hülfskassen für ihre Zwecke zu benutzen, das hat auch der Hr. Abg. Hirsch uns zugestanden. (Widerspruch links.)
Ich, habe ihn fo verstanden, als ob allerdings Fälle vorgekommen wären, in denen mit den Hülfskassen politische Propaganda gemacht wäre. Wenn das nicht der Fall ist, nun gut, Fann lasse ich also diese Bemerkung fallen und wende mich dahin, Ihnen zu sagen, in— n die Vorschrift des zweiten Alinea des §. 34 gerade der Frei⸗ heit dient.
Meine Herren! Daß die Absicht besteht, die Hülfskassen und namentlich soweit sie schon jetzt vorwiegend unter sozialdemokratischer Leitung sich befinden, für die Sozialdemokratie zu fruktifiziren, das haben wir aus verschiedenen Reden, die im Lande von Führern der soialdemokratischen Partei gehalten worden sind, entnommen und wir haben uns gesagt, daß, wenn wir auch den Arbeiter, auch nicht den Sozialdemokraten, gar nicht hindern wollen, seine Interessen in Rede und Gegenrede, soweit dies die Gesetze zulassen, zum Ausdruck zu hringen, doch die Hülfskafen nicht der geeignete Srt ind, um öffenk— liche Angelegenheiten, die nicht mit dem Kassenwesen selbst in Ver bindung stehen, zu erörtern. Wir haben ung! gesagt; — und das ist der Punkt, auf den 'ich bitte, das Augenmerk zu
üichten, — daß es den Leitern dieser Kassenversammlungen unmöglich gestattet sein kann, die Mitglieder da zu nöthigen, sich an Digkussionen zu betheiligen, die mit der Aufgabe, die sie in der Kaffe rahrzunehmen haben, außer jeder Beziehung stehen. Meine Herren, ich glaube, diesen Gesichts punkt werden Sie doch etwas in den Vorder⸗ Rund stellen müssen. Es ist in der That, was Sie wollen, indem
Sie die freie Aktion der Leiter der Versammlung auch
mf. Gebieten. die außerhalb des Kassenwesens liegen, ujulassen haben, gerade ein Zwang, den Sie denjenigen Mitgliedern gegenüber statuiren, die eben eine solche Diskussion nicht wollen. Das, was die Generalversammlung der Kasse und die Mit— Jllederversammlung der Kasse zu thun hat, ist die Wahrnehmung der Interessen der Kasse und ihrer Mitglieder, mithin ein ganz eng be— srenzter Kreis, und wir wollen die Generalversammlung auf diesen Kreis beschränken und wollen damit jedem einzelnen Mitgliede die Freiheit geben, nicht gezwungen zu werden, an Diskussionen Theil zu nehmen, die über diesen Kreis hinausgehen.
Meine Herren, der Hr. Abg. Hirsch irrt, wenn er annimmt,
daß eine besendere Feindseligkeit gegen die freien Kassen bei den
verbündeten Regierungen vorwaltet, ich kann positiv versichern,
daß, nachdem einmal die Zulassung der freien Kassen durch das Krankenversicherungsgesetz ausgesprochen ist, wir so lange, wie die
zeben, was ihnen nach dem Gesetze zusteht, keinen Anlaß haben, den
freien Kassen feindselig entgegenzutreten. Darauf aber allerdingZs) müssen wir dringen, daß die freien Kassen sich auf den Kreis der
ibnen durch das Gesetz angewiesenen Wirksamkeit beschränken, daß sie keine Uebergriffe machen und daß sie durch eine verständige und zweck— gemäße Verwaltung darauf sehen, daß sie dauernd leistungsfähig ge— halten werden zur Erfüllung der Aufgabe, die ihnen das Kranken—
lassengesetz zuweist.
Meine Herren, ich bitte Sie also darnach, diese Vorschrift, sei
es in der Gestalt des Antrags des Hrn. Freiherrn von Hammerftein, mit dem, wie ich glaube, die verbündeten Regierungen sich wohl werden befreunden können, sei es in der Gestalt des Alinea 2 der Regierungsvorlage anzunehmen.
Wenn darauf Bezug genommen ist, daß schon unter das Vereins— * . . . gegeben ist, so wäre alles dieses noch nicht geeignet, meine Be⸗
und Verlammlungsrecht die Versuche fallen, politische Angelegenheiten in den Bereich der Diskussion der Kassenmitglieder zu ziehen, so hat bereits der Hr. Abg. Windthorst das Nöthige dagegen ausgeführt. Und in der That grade der Zweifel, ob auch die Ueberwachung von geschlossenen Versammlungen — und es sind dies geschlossene Ver⸗ sammlungen — nach dem Vereinsgesetze zulässig sei, hat dazu ge— führt, hier den Zweifel auszuschließen. Wenn dieser Zweifel aus— geschlossen wird, so giebt er den Arbeitern und den Mitgliedern der Kassen eine viel größere Sicherheit, als wenn Sie ihn durch den Abstrich dieser Bestimmung weiter binausführen.
D Ih S yiede 2 kein T raeko en J 1h ; 14 ö . h ; ; Der Abg. Stolle wiederholte, daß kein Fall vorgekommen Barter bezüglich der freien Hulsefhsssen hat. Ich Vin allerding, n feilt
Bedauern auch hier angewiesen auf Zeitungsreferate, aber ich kann ja
sei, wo Vorstände von Hülfskassen wegen politischer Agitation bestraft seien, und versicherte, die Annahme des Antrages von Hammerstein werde die Arbeiter mit der Sozialreform der Reichsregierung nicht befreunden, sondern Unzufriedenheit unter dieselben und in die Kassen bringen.
Der Abg. Dr. Windthorst erklärte, wenn der Abg.
Destimmung wehrten. Er sei kein eu Ausnahmegesetze. Er sei auch dafür, daß das Sozialistengesetz
möglichst bald aufgehoben werde, das habe er durch seine ̃ berger hat sich in einer Versammlung — ich glaube, es war in Elber⸗
Wann das geschehen
Anträge in der Kommission bewiesen.
könne, werde von den Herren selbst abhängen, um es aber zu beschleunigen, möchte er die Agitation von den Kassen fern⸗ halten. Andererseits möchte er aber auch die Polizei fern halten, und den Arbeitern ermöglichen, sich selbst zu über— wachen.
Der Abg. Dr. Hirsch führte aus, daß man es der linken Seite des Hauses nicht verdenken könne, wenn sie allen Be— stimmungen, welche die freie Bewegung der Hülfskassen ein⸗ schränken könnten, entgegentrete. In Arbeiterkreisen herrsche nun einmal das Gefühl, daß die Regierung den freien Hülfskassen nicht wohlwolle. Habe doch ein württembergischer Regierungs⸗ Rath, Hr. Schicker, in einer Versammlung von Fabrikanten einen Vortrag über das Krankenkassenwesen gehalten und dabei in Bezug auf die freien Hülfskassen gesagt, daß sie geeignet seien, das ganze System der Krankenversicherung zu durch— brechen, und daß man deswegen zwar nicht dem Fortbestehen der schon vorhandenen, wohl aber der Bildung neuer Hülfs— kassen entgegenwirken müsse; die Fabrikanten hätten es ja in der Hand, diejenigen Arbeiter, welche Mitglieder der freien
n . el . ; ; 65 ꝛ freien Kassen die Gewähr dafür bieten, daß sie den Arbeitern das Hülsefassen scien, nicht in Arbeit zu nehmen. Wenn ein
Mitglied des Bundesraths so spreche, dann könne man es der Linken nicht verdenken, daß sie und alle Freunde der freien Hülfskassen derartige polizeiliche Beschränkungen in das Gesetz nicht aufnehmen wollten.
Demnächst ergriff der Staats-Minister von Boetticher das Wort:
Meine Herren! Der Herr Vorredner wird nicht erwarten, daß ich ihm auf diese Bemerkung, die er über ein Mitglied des Bundes⸗ raths gemacht hat, irgend etwas antworte. Ich bin nicht darüber
unterrichtet, was der Königlich württembergische Bundesrathẽbevoll⸗ mächtigte in der Versammlung, über die er einen Bericht hier mit⸗
getheilt hat, gesagt hat. Aber selhst wenn der Wortlaut der Aeuße⸗ rung des Herrn Regierungs⸗Rath Schicker so wäre, wie es da an—
hauptung, daß die verbündeten Regierungen keine Veranlassung haben, den Hülfskassen feindlich gegenüber zu treten, zu widerlegen. Es
ist das eben eine persönliche Meinungsäußerung, der Hr. Regierungs—⸗ Rath Schicker ist jedenfalls nicht als Bundesrathshevollmächtigter in diese Versammlung gegangen, und er mag auf einem Standpunkt stehen, auf welchem er will: die Auffassung der verbündeten Regie rungen wird dadurch in keiner Weise alterirt und noch weniger widerlegt.
Ihm Nebrigen habe ich der Aufforderung des Hrn. Abg. Stolle zu entsprechen, ihm einige Daten zu geben über die Intentionen, welche seine
ebenso wie der Hr. Abg. Hirsch sagen: da ihnen nicht widersprochen ist,
so nehme ich sie vorläufig für wahr an. — Nach dem einen Zeitungs—
referat über eine Versammlung, die in Cöln stattgefunden hat, hat ein sozialdemokratischer Abgeordneter — ich glaube, es ist der Herr
Abg. Bebel gewesen — sich über den Gegenstand ausgelassen. Das
Dr. Hirsch und der Abg. Stolle so sicher seien, daß in den Referat lautet folgendermaßen:
Hülfskassen keine Politik getrieben werde, so wisse er nicht, warum sich die Herren so sehr gegen die beantragte Freund der
Er bekämpfte sowohl die Betheiligung an den Gemeinde⸗ und Ortskrankenkassen wie an den Fabrikkrankenkassen und empfahl auf das Ausdrücklichste den Beitritt zu den freien eingeschriebenen Hülfskassen, die ein besonderes Hülfs« und Agitations— mittel für un sere weiteren Zwecke werden können.
Aber diese Aeußerung steht nicht allein da. Auch Hr. Grillen—
feld — (Zurufe bei den Sozialdemokraten: Gefälschte Berichte) folgendermaßen ausgesprochen — natürlich vorausgesetzt, daß dieser Bericht richtig ist; das ist ja die Voraussetzung, von der ich aut— gehe, aber wie gesagt, ich habe bis jetzt noch nicht gehört, daß dieser Bericht widerrufen wäre — er hat also gesagt: Die Welt ist rund — so etwa schloß Redner — „Ausnahme⸗ gesetze dauern nicht ewig. Mit den freien Hülfskassen aber errichten wir ein solides Bollwerk, auf welches sich eine bedeu— tend weitergehende Bewegung aufbauen kann.“
Nun, meine Herren, ich glaube, wenn von zwei Abgeordneten dieses Hauses, Führern der Partei, solche Intentionen ausgesprochen werden, so wird man wenigstens den Regierungen es nicht verdenken können, wenn sie sich mit der Frage beschäftigt haben, ob es wirklich Aufgabe der freien Hülfskassen sein kann, als Stützpunkt für politische Propaganda zu dienen.
Wir haben die Frage, ganz so wie der Hr. Abg. Dr. Windthorst, ver⸗ allgemeinert; wir wollen keine Maßregel gegen die sozialdemokranische Partei vorschlagen, sondern wir sind der Meinung, daß überhaupt die freien Hülfskassen der Politik fern bleiben sollen. Wenn der Hr. Abg. Dr. Hirsch daran erinnert hat, daß sich ein gleiches Prozedere auch rücksichtlich anderer Vereine, die bestehen, empfehle, daß es konsequent sein würde, auch diesen die Beschäftigung mit öffentlichen Angelegen⸗ heiten zu untersagen, so hat er an mir in dieser Beziehung einen treuen Bundesgenossen. . ;
Der Abg. Grillenberger erklärte, dieser Bericht sei falsch. Er habe gesagt, daß die Krankenkassenbewegung als Grund⸗ lage einer vernünstigen gesunden Sozialreform gelten könne, auf welcher weiter gebaut werden könne. Im Namen Bebels könne er erklären, daß derselbe den Bericht über seine Rede als gefälscht erklärt habe.
Absatz 1 des 5 34 wurde angenommen.
Der Antrag Hammerstein wurde hierauf mit 132 ge 100 Stimmen abgelehnt, ebenso wurde der Absatz 2 des 5. in der Regierungsvorlage abgelehnt.
Die folgenden Paragraphen bis zum Artikel 13, neu dem Gesetze hinzugefügt, wurden unverändert angenomm
Artikel 13 lautet:
»Die Statuten bestehender eingeschriebener Hülfskassen, welche den Vorschriften dieses Gesetzes nicht genügen, sind der erforderlichen Abänderung zu unterziehen. .
Kassen, welche dieser Verpflichtung nicht bis zum 1. Januar 1885 genügen, sind von der höheren Verwaltungsbehörde unter Bestimmung einer mindestens sechswöchentlichen Frist dazu auftu— fordern und können nach unbenutztem Ablauf dieser Frist geschlossen werden. Die Schließung erfolgt nach Maßgabe des 8. .
Hierzu beantragte der Abg. Heydemann folgenden Zusatz:
„Werden bestehende Krankenkassen, welche Sterbegelder nicht blos im Falle des Todes der Mitglieder selbst an deren Hinter— bliebene, sondern auch den Mitgliedern im Falle des Todes ihrer Ehefrauen und Kinder gewähren, innerhalh eines Jahres nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes in eingeschriebene Hülfe kassen umge⸗— wandelt, so können diese bisherigen Leistungen mit der Maßgabe beibehalten werden, daß das Sterbegeld im einzelnen Falle das Zehnfache der wöchentlichen Unterstützung, auf welche das Mitglied Anspruch hat, nicht überschreitet.“ ;
Dieser Zusatz wurde abgelehnt, Art. 13 und der Rest des Gesetzes ohne Debatte unverändert angenommen.
. 1 vertagte sich das Haus um 55 Uhr auf Montag hr.
Preuß. Staats⸗Anzeiger und das Central⸗Handels⸗
des Neutschen Reichs-Anzeigers und Königlich Breußischen taats-Anzeigers:
Grosshandel.
Literarische Anzeigen.
8. Verschiedene Bekanntmachungen.
Theater- Anzeigen. In der Börsen-
* an 9 3. s. * . 8 . ie 89 2 8 ö . . P 96 2
f ng. De entli 23 An er gef f ĩ . en , n gn
Inserate für den Deutschen Reichs⸗ und Königl. 23 Inserate nehmen an: die Annoncen⸗CExpedittonen de—
„Invalidendank“, Rudolf Mosse, Haasenstein
j ĩ ; önigliche Expedition Steckbriefe und Untersuchungs-Sachen. 5. Industrielle Etablissements, Fabriken und t ᷣ ene nn, , ne, n, e, 2. Subhastationen, Aufgebote, Vorladungen & Vogler, G. L. Daube & Co.. E. Schlotte
n. dergl. . 3. Verkäufe, Verpachtungen, Submissionen ete.
Büttner K Winter, sowie alle übrigen größeren Annoncen · Bureanux.
Berlin 8W., Wilhelm Straße Nr. 32. R
Verloosung, Amortisation, Zinszahlung * u. 8. w. Von öffentlichen Fapieren.
Familien- Nachrichten. beilage. 2
*
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Subhastationen, Aufgebote, Vor⸗ ladunnge u. dergl.
19845 Bekanntmachung. .
Civ. Nr. 10 871. Durch Beschluß Großh. Amts- gerichts hier vom Heutigen Nr. 10 870 wurde der vermißte Ludwig Lang, Schreiner von Spöck für verschollen erklärt und dessen Vermögen den nächsten Erbberechtigten gegen Sicherheit in fürsorglichen Besitz gegeben.
Karlsruhe, 23. April 1884.
F. Frank, Gerichtsschreiber Gr. Amtsgerichts.
19806 Im Namen des Königs!
In Sachen, betreffend das Aufgebot der Post Abtheilung III. Nr. 14 c. des Grundbuchs von Groß Schoendamerau Nr. 29, erkennt das Königliche Amtsgericht zu Ortels— burg durch den Amtsrichter Zernik, da unter dem 12. November 1883 das Aufgebot:
Auf dem Grundstück Schoendamerau Nr. 19 stan⸗ den Abtheilung III. Nr. 8 für die Samuel und Catharina, geb. Gutowski, Wysolmierski'schen Ehe—⸗ leute 86 Thaler 15 Sgr. Kaufgelderrest auß dem gerichtlichen Vertrage vom 9. Juni 1853, bestätigt den 25. April 1854, zinsfrei zufolge Verfügung vom 25. April 1854 ohne Bildung eines Hypotheken dokuments eingetragen.
Diese Post ist bei Schließung des Grundbuchblatts Schoendamerau Nr. 19 auf das Grundbuchblatt Schoendamerau Nr. 29 übertragen worden und dortselbst unter Abtheilung 1II. Nr. 14 0. eingetra— gen. Der Kaufgelderrest sollte inhaltlich des Ver⸗ trages vom 9. Juni 18563 nach dem Tode der Wysolmierski'schen Eheleute an deren Erben gezahlt werden.
„Nach der Behauptung des eingetragenen Grund stückseigenthümers sind die Samuel und Catharing Wysolmierski'schen Eheleute bereits im Jahre 1868 gestorben und von der Post 153 6 bezahlt, während der Rest mit 106 S 50 3 noch ungetilgt ist. Als Intestaterben der Samuel und Catharina Wysol · miertkischen Eheleute sollen hinterblieben sein: I) der Knecht Samuel Wysolmierski in Alt⸗ Keykuth, Y die Gottliebe, verehelichte Gusek, 3) die mittlerweile kinderlos verstorbene Wil helmine, 4) die Caroline, 5) der Jacob, . Geschwister Wysolmierski, die Erben zu 2, 4 und 5 sollen vor Jahren nach Rußland verzogen und dort verschollen sein, erlassen ist.
Da in dem auf mehr als 3 Monate nach der Einrückung des Aufgebots in dem öffentlichen An zeiger des Königsberger Regierungs ⸗Amtsblatts, in
die Hartung'sche Zeitung zu Königsberg anberaum— ten, durch jene Einrückungen und durch Aushang an der Gerichtsstelle öffenilich bekannt gemachten Ter— mine, der zugleich zum Erlaß des Ausschlußurtheils bestimmt war, nur die Antragsteller, beziehungsweise dessen Bevollmächtigter, sich gemeldet und Erlaß des Ausschlußurtheils beantragt hat, und diesem An— trage bei erfolgter Erfüllung der gesetzlich vorge— schriebenen Formen und Fristen Statt zu geben war, für Recht: Diejenigen, welche sich zu der oben bezeichneten Hypothekenpost nicht gemeldet haben, werden mit ihren Ansprüchen und Rechten auf die— selbe ausgeschlossen und zwar bezüglich des angeblich getilgten Theils der Post in Höhe von 153 4. Die Kosten des Aufgebotsverfahrens fallen dem Antragsteller zur Last Ortelsburg, den 28. März 1884. Zernik, Amtsrichter.
1 0 1 io Bekanntmachung.
Durch Ausschlußurtheil des hiesigen Gerichts vom 17. April 1884 sind die Inhaber der nachstehend bezeichneten Hypothekenpost:
17 Thlr. 3 Sgr. 7 Pf. Restvatererbtheil des Annus Spingies mit 5o½ Zinsen auf Grund es Erbrezesses vom 18. Januar 1810 und Ver— handlung vom 3. Oktober 1812 gemäß Ver— fügung vom 12. Oktober 1823 eingetragen auf Nausseeden Nr. 3 und bei Zuschreibung dieses Blattes auf die Fläche 2 a. b. c. bei Johannik⸗ berg Nr. 1 Abth. III. Nr. 11 übertragen am 24. Dezember 1881, mit ihren Ansprüchen auf dieselbe ausgeschlossen.
Tilfit, den 17. April 1884.
Königliches Amtsgericht. 1IV.
iss! Belanntmachung.
In der Bieneck'schen Hypotheken -Aufgebotssache Nr. 5 Seiffert dorf ist die Hypothekenurkunde über 65 eυ 40 3 zuerkannte Forderung, eingetragen auf Grund des rechtskräftigen Erkenntnisses des König⸗ lichen Kreisgerichts zu Ohlau vom 15. Februar 1877 für den Kaufmann Julius Breslauer zu Ohlau am 26. Mai 1877 in Abthl. III. Rr. 7 des dem Stellenbesitzer August Bieneck gehörigen Grundstücks Nr. 5 Seiffersdorf für kraftlos erklärt.
Ohlau, den 18. April 1884.
Königliches Amtsgericht.
(19511 Im Namen des Königs!
Auf den Antrag der Ehefrau Anstreicher Friedrich Koch, Elisabeth, geborne Janknecht, zu Neheim erkennt das Königliche Amtsgericht zu Neheim
durch den Königlichen Amtsrichter Engelbrecht für Recht:
Die folgenden Hypothekendokumente über die im Grundbuche von Neheim Bd. II. Bl. 45 Rubr. III. Nr. 2 und 3, jetzt Bd. XI. Bl. 37 Abtheilg. III. Nr. La. und b. eingetragenen Posten und zwar:
a. das Dokument vom 3. Mai 1838 über 70 Thaler Courant zu 50e Zinsen Abfin— dung der Maria Franziska Rüsewald zu Neheim aus dem gerichtlichen Erbvergleiche vom 15. März 1834, das Dokument vom 3. Mai 1838 über 50 Thaler Gemeingeld zu 500 Zinsen und Kosten für den Küster Heinrich Wilmes zu Neheim aus der gerichtlichen Obligation vom 6. Mai 1826, werden für kraftlos erklärt und werden die Kosten des Aufgebotsverfahrens der Antragstellerin auf— erlegt.
19825 Oeffentliche Zustellung.
Der Kaufmann Heinrich Pariser zu Berlin, Brü— derstraße 12, vertreten durch den Rechtsanwalt Lustig daselbst, Roßstraße Nr. 34 J., klagt gegen den Eigen⸗ thümer Carl Tancke, früher zu Berlin, Mauerstraße 23, jetzt unbekannten Aufenthalts, wegen Bewilli⸗ gung der Auszahlung einer hinterlegten Summe von 150 M, mit dem Antrage auf Verurtheilung des Beklagten, darin zu willigen, daß die von dem Schuhmachermeister Philipp Krämer bei der König— lichen Vereinigten Konsistorial⸗, Militär, und Bau— kasse hier hinterlegten Miethsbeträge pro November und Dezember 1883 mit zusammen 150 M, nebst den aufgelaufenen Zinsen, an den Kläger ausgezahlt werden, und auf vorläufige Vollstreckbarkeitserklä⸗— rung des Urtheils, und ladet den Beklagten zur mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits vor das Königliche Amtsgericht J. zu Berlin, Jüdenustraße 58, II. Treppen, Zimmer 31 a., auf den 4. Juli 1884, Vormittags 10 Uhr.
Zum Zwecke der öffentlichen Zustellung wird diefer Auszug der Klage bekannt gemacht.
Berlin, den 22. April 1884.
Lüdecke, Gerichtsschreiber des Königlichen Amtsgerichts J. Abtheilung 33. 19828 Oeffentliche Zustellung.
Nr. 4369. Die Ehefrau des Schreiners Roman Abert, Antonie, geb. Weißenburger, von Au a. Rh., vertreten durch Rechtsanwalt Armbruster, klagt gegen ihren genannten Ehemann Roman Abert, zur Zeit an unbekannten Orten abwesend, wegen Vermögens zerrüttung durch Ueberschuldung und wegen daraus entspringender Gefahr für die Ergänzung ihres Ein— bringens und Befriedigung ihrer Ersatzansprüche, mit dem Antrage auf Ausspruch der Vermögens⸗ absonderung und ladet den Beklagten zur mündlichen
Verhandlung des Rechtsstreits vor die II. Civilkam⸗
mer des Großherzoglichen Landgerichts zu Karls ruhe auf Montag, den 7. Juli 1884, Vormittags 8§ę Uhr, mit der Aufforderung, einen bei dem gedachten Ge⸗ richte zugelassenen Anwalt zu bestellen. Zum Zwecke der öffentlichen Zustellung wird dieser Auszug der Klage bekannt gemacht. Karlsrnhe, den 21. April 1884. Amann, . Gerichtsschreiber des Großherzoglichen Landgerichts,
19815 Oeffentliche Zustellung.
Die Handlung Gebrüder Kübler et Comp. zu Frankfurt a / O, Große Scharrnstraße 85, vertreten durch den Justiz⸗Rath Riebe hierselbst klagt gegen den J. Zoellner, früher in Klein⸗Lübbichow bei Drossen, jetzt unbekannten Aufenthalts, wegen 473,60 S nebst 60/9 Zinsen vom 1. März 1884 ab und Protestkosten mit 6,50 M mit dem Antrag, den Beklagten unter Auferlegung der Prozeßkosten zu verurtheilen, an die Klägerin bei Vermeidung der Zwangsvollstreckung 473,60 S nebst 60 Zinsen vom 1. März 1884 ab und 650 S6 Protestkosten zu zahlen und das Urtheil für vorläufig vollstreckbar zu erklären, und ladet den Beklagten zur mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits vor die II. Civil kammer des Königlichen Landgerichts zu Frank— furt a. / O., Logenstraße Nr. 6, Zimmer Nr. 28 auf
den 27. Augunst 1884, Vormittags 9 Uhr. mit der Aufforderung, einen bei dem gedachten Ge⸗ richte zugelassenen Anwalt zu bestellen. .
Zum Zwecke der öffentlichen Zustellung wird dieser Auszug der Klage bekannt gemacht.
Frankfurt a. O., den 22. April 1884.
Richter, Gerichtsschreiber des Königlichen Landgerichtä, II. Civilkammer. 19820 Oeffentliche Zustellung.
Der Arbeiter Alex Bienia zu Ujest, vertreten durch den Häusler Vincent Marek zu Lichinia, klagt gegen den Müllergesellen Paul Deugosch, früher zu Sodol⸗ mühle bei Kattowitz, jetzt unbekannten Aufenthalts, aus dem notariellen Kaufvertrag vom 26. Februar 1872 um das Miteigentbum an der Stelle Blatt 8 Deschowitz, mit dem Antrage auf
1) Gewährung lebenslänglicher, freier Wohnung,
so lange Kläger ledig bleibt,
2) Zahlung eines Kaufgelderantheils von 225 4 und ladet den Beklagten zur mündlichen Verhand⸗ lung des Rechtestreits vor das Königliche Amts- gericht zu Leschnitz auf
den 24. Juni 1884, Vormittags 10 Uhr.
Zum Zwecke der öffentlichen Zustellung wird dieser Auszug der Klage bekannt gemacht.
Mika, Gerichtsschreiber des Königlichen Amtsgerichts.