1884 / 101 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 29 Apr 1884 18:00:01 GMT) scan diff

Zeit vorhanden sei, ebenso auch Kiefernholz, daß dagegen Schweden das Aspenholz schon eine Reihe von Jahren aus Rußland und Ostpreußen beziehe, weil das nöthige Material Deutschland produzire also erstens eine gute Waare, zweitens produzire es dieselbe auch in ge⸗ Die große deutsche Industrie leide aber zum Theil sehr unter dem Eingangszoll, der fast gleich Null sei, und durch die großen Zölle, welche das Ausland für den Diese Zölle seien auch schon in den Motiven angegeben worden, er brauche nur auf Rußland, die Schweiz und Schweden zu verweisen, und gleichzeitig auf Frankreich, wo ein Früher habe die deutsche Fabrikation einen großen Export nach China und Japan gehabt, zur Zeit habe dieser Verkauf dahin fast ganz aufgehört. l bitten, sich doch davon zu überzeugen, daß die deutsche In⸗ dustrie an bedenklichen Kalamitäten leide. Zollerhöhung zu willigen, um die Industrie so vor weiteren . Der Zoll würde sich ohne die Erhöhung auf 10 bis 20 Proz, billiger stellen, als früher, denn früher sei er vom Bruttogewicht, jetzt werde derselbe Er bitte, schon aus Billig— keitsgründen der deutschen Industrie den Schutz und die Unterstützung, welche ihr durch die Zollerhöhung zu Theil werde, zu gewähren, daß sie vor weiterer Schädigung bewahrt bleibe, er bitte daher, für den §. 6, in welchem die Zoll— erhöhung enthalten sei, zu stimmen.

Der Abg. Dr. Baumbach bemerkte, er habe schon in der ersten Lesung darauf hingewiesen, daß die entsetzliche Phos⸗ phornekrose noch immer vorkomme, und daß seltsamerweise in demselben Maße, wie die Gefahr, auch die Gleichgültigkeit der Arbeiter gegen dieselbe wachse, so daß viele schon genug zur Abwehr gethan zu haben glaubten, wenn sie beständig Für die Zollerhöhung könne er nun Man wolle

nicht mehr vorhanden sei.

nügender Menge.

Export erhebe.

Monopol bestehe. Er wolle daher

Schädigungen zu bewahren.

.

vom Nettogewicht berechnet.

e

w, mee dee

* . 66 66 P

etwas Taback kauten. heute so wenig stimmen, wie in erster Lesung. hier einen Zollschutz für eine Industrie, die ihrer Gefährlichkeit wegen nicht begünstigt werden solle, man prämiire eine In⸗ dustrie, die man zugleich auf den Aussterbe-Etat setze. mache den Zweck des Gesetzes wieder zu einem guten Theile illusorisch. Der Zoll treffe ja nicht nur die Phosphorzünd⸗ eine solche Bestimmung hätte sondern alle Zündhölzer, also auch die sogenannten Schwedischen. Außerdem werde der Hausindustrie durch diesen Zoll nicht genützt. Würden die Hausindustriellen zu Fabrikarbeitern, so bekämen sie doch nur den ortsüblichen Tagelohn, und auch wenn sie⸗ kleinen Fabrikanten würden, bleibe der höhere Zoll einflußos, da die ganze Produktion der Hausindustrie hauptsächlich auf den Hausirhandel berech⸗ net sei. Der Zoll würde also nur den großen Fabrikanten, den gefährlichsten Konkurrenten des Kleinbetriebs, zu gute Nun führe man zu Gunsten der Ersteren an, daß sie zur Anlage kostspieliger Einrichtungen verpflichtet werden Aber sie seien ja doch bereits nach der Reichs-Ge— werbeordnung verpflichtet, Vorkehrungen zum Schutz der Ar— beiter gegen Krankheiten und Unfälle zu treffen, und wenn man sie für bloße Pflichterfüllung prämiiren wolle, so müsse das geradezu demoralisirend wirken. gleichzeitig mit

allenfalls noch

Wohin sollte es führen, dem Vorschlage den Kreisen auftauchende

betroffenen schutzzöllen auf dem man vorgehen sollte, um Mißstände, wie die hier beregten, Die Vertheuerung der Zündhölzer werde sich allerdings nur nach Pfennigen berechnen, aber in Tausenden von Haushaltungen spielten diese wenigen Pfennige in der Jahresbilanz eine sehr große Rolle, und auf diese Weise werde ein wichtiges Lebensbedürfniß durch den Zoll in der That vertheuert. Als seine Partei 1882 den Antrag auf Aufhebung des Schmalzzolles gestellt habe, sei seiner Partei von allen Seiten, selbst von den Nationalliberalen entgegengerufen: Wo bleibe die ehrliche Probe? und selbst das Heidelberger Pro— gramm proklamire noch in gewissem Sinne die Unantastbar— keit des Zolltarifs. Durch die „ehrliche Probe“ scheine man aber nur zum Quietismus verurtheilt zu sein. bündeten Regierungen wollten für sich volle Aktionsfreiheit behalten! Sie hätten seit 1879 den Weinzoll, den Mehlzoll, den Holzzoll gebracht, und kämen jetzt wieder mit diesem Holz— Seine Partei wolle aber vor allem keine weitere Belastung von nothwendigen Lebensbedüfnissen und darum werde sie gegen die vorgeschlagene Zollerhöhung stimmen.

Hierauf ergriff der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Ge⸗ heime Ober⸗Regierungs-⸗Rath Lohmann das Wort:

Meine Herren! Die hier in Frage stehende Zollerhöhung ist nach meiner Auffassung durchaus unabhängig von der Stellung, die Jemand im Allgemeinen zur Zollpolitik einnimmt; sie ist eine Erhöhung, die lediglich veranlaßt wird durch eine besondere gesetzgeberische Maßregel. Es ist allerdings von jener Seite in der ersten Lesung und soeben auch wieder von dem Herrn Vorredner behauptet, daß die Zollerhöhung gerade im Widerspruch stehe mit der Tendenz dieses Gesetzes. Meine Herren, ich werde mir gestatten, Ihnen nachzuweisen, daß die Zollerhöhung durchaus in rationellem Zusammenhange mit dem ganzen Zwecke Der nächste Zweck dieses Gesctzes ist nicht etwa, die Fabrikation der Weißphosphorhölzchen zu unterdrücken, son— dern sie so einzurichten, daß die Gefahr der Phosphornekrose befeirigt Meine Herren, um diesen Zweck zu erreichen, werden An— forderungen an die Fabrikation gestellt werden, theilweise in diesem Gesetze und theilweise durch Verordnungen, welche noch zu erlaffen

Weißphosphorhölzer

diese Weise an unsere eigene Industriellen Anforderungen stellen, an die auswärtige Industrie wenn, wir die Etschwerung der Produktion, welche unseren eigenen Fabrikanten daraus entsteht, nicht auf irgend eine Weise ausgleichen, so machen wir sie gegenüber der auswärtigen Induftrie konkurrenz unfähig, oder mindestens weniger konkurrenzfähig. Das einzige Mittel aber, diese Erschwerung auszugleichen, ist die Erhöhung des ZJolles. sagt man, ein weiterer Zweck dieses Gesetzes ist doch auch, es soll der Uebergang der Konsumtion von den zu den Sicherheitshölzein befördert werden, und das wird nicht in dem Maße geschehen, wenn durch den Zoll die Lage gesetzt werden, noch fernerhin die Weißphosphorhölzer mit Nutzen fabriziren zu können. aber nicht, sondern, wenn wir den Zoll auf die Weißph osphorhölzer nicht erhöhen, so wird der Ausfall, der vielleicht bei der inländischen Fabrikation entsteht, nicht gedeckt werden durch einen Mehrverbrauch zern, sondern durch die Einfuhr auswärtiger Weiß⸗ g noch ebenso billig sein werden, wie sie es jetzt sind, wenn eben der Zoll nicht erhöht wird; also, meine Herren, wenn wir die indirekte Wirkung des Gesetzes J haben . er reis Weißphophorhoölzer steigen soll, daß er erhöht werden soll im Ver⸗ hältniß zu dem Preig der Sicherheitshölzer, so müssen wir diefe Zoll⸗ erhöhung einführen, damit nicht von auswärts die billigen Phosphor— zündhölzer hereinkommen. Nun kann man allerdings sfagen, diese in— direkte Wirkung würde doch in vollem Maße nur dann hervortreten,

zu beseiligen.

zoll en miniature!

dieses Gesetzes steht.

tionskosten

nicht gestellt werden, und

eißphosphorhölzern abrikanten in die Meine Herren! So steht die Sache

von Sicherheitshöl phosphorhölzer, die künfti

wenn lediglich der Zoll auf Weißphosphorhöljer erhöht würde und nicht auch der auf die Sicherheitsböljer. Indessen ganz wird diese Wirkung der Zollerhöhung nicht dadurch ausgeschlossen, daß diese aus · gedehnt wird auf die Sicherheitshölzer. Denn der Zoll ist ein Gewichtszoll und ist ein gleicher für beide Arten, und da der Werth der Sicherheitshöljer ein höherer ist, wie der der Weiß⸗ phosphorhölzer, so wird auch die Erhöhnng des Preises für die Weiß phosphorhölzer verhältnißmäßig größer sein, wie für die Sicherheits—⸗ hölzer. Es wird also dieser Preisunterschied durch die Ausdehnung der Zollerböhung auf die Sicherheitshöljer nicht ausgeglichen werden. Es wird immerhin eine gewisse Erhöhung des Preises der Weiß⸗ phosphorhölzer übrig bleiben, wenn auch nicht in der Weise, daß der Unterschied, welcher gegenwärtig in dem Preise beider Arten besteht, völlig ausgeglichen und somit der Preis eines „nothwendigen Lebens bedürfnisses bis zu dem Betrage erhöht wird, der sich jetzt in dem Preise der Sicherheitsbölzer darstellt. Nun, meine Herren, ist das richtig, noch stärker würde die Wirkung sein, wenn man den Zoll auf die Sicherheitszündhölzer garnicht erhöhte. Aber abgesehen von den zoll— technischen Gründen, welche für die gleichzeitige Erhöhung des Zolles für beide Arten sprechen, sollten wir doch auch die Lage unserer In⸗ dustrie in dieser Beziehung nicht außer Acht lossen. Wenn wir den Wunsch haben, daß der Gebrauch der Weißphosphorhölzer immer mehr durch den der Sicherheitshölzer ersetzt werde, so müssen wir doch weiter wünschen, daß der Ausfall an Weißphosphorhölzern nicht durch auswärtige Sicherheits hölzer gedeckt wird, sondern durch die von unserer einheimischen Industrie produzirten Sicherheitshölzer. In der Beziehung steht aber unsere Industrie augenblicklich noch unter ungünstigeren Bedingungen als die auswärtige und namentlich die schwedische.

Einmal steht unserer Industrie das Vorurtheil entgegen, welches gegenwärtig für die schwedischen Zündhölzer besteht. Wenn auch richtig ist, daß manche schwedischen Zündhölzer besser sind, als deutsche, so ist das Vorurtheil in dieser Allgemeinheit doch nicht be— gründet; aber wie jedermann weiß ist gegen ein solches Vor— urtheil nur sehr schwer anzukämpfen; wird aber durch die Zoll— erhöhung und die dadurch eintretende Preiserhöhung der schwedischen Streichhölzer das Publikum genöthigt, sich den deutschen Sicherheits zündhölzern mehr zuzuwenden, dann wird das Vorurtheil bald über- wunden sein. .

Der andere Umstand, welcher in Betracht kommt, ist der Mangel an geeignetem Holzmaterial für die Herstellung sogenannter schwedischer oder Sicherheitszündhölzer. In dieser Beziehung kann ich den Aus— führungen der Herren Dr. Frege und von Massow nicht beitreten. Nach den den verbündeten Regierungen vorliegenden Ermittelungen muß man ganz bestimmt annehmen, daß augenblicklich dieses Holzmaterial in Deutschland nicht im genügenden Maße vorhanden ist, daß also in dieser Beziehung die auswärtige Industrie augenblicklich eine günstigere Stellung hat, namentlich die schwedische, welche dieses Holz theils aus unmittelbarer Nähe, theils mit dem billigsten Wassertransport von Finnland bezieht; aber, meine Herren, es ist durchaus die Hoffnung nicht ausgeschlossen, daß es unserer Industrie über kurz oder lang gelingen werde, auch in der Richtung der schwedischen ebenbürtig zu werden. Ich glaube freilich nicht, daß unsere Forstwirthschaft durch die forstmännische Kultur der Espe dies erreichen wird, wohl aber ist eine begründete Ausficht vorhanden, daß der Ersatz des Espenholzes durch andere Hölzer auf den Punkt ge— bracht werden kann daß auch unsere Industrie das geeignete Material in unmittelbarer Nähe haben wird. Man kennt schon jetzt verschie⸗ dene Holzarten, wie die Weimuthskiefer, die Erle und Birke, von denen man annimmt, daß sie bei richtiger Behandlung einen vollen Ersatz für das Espenholz zu liefern im Stande sind; aber, um den Uebergang der Industrie zu diesem Material möglich zu machen, muß man sie in die Lage versetzen, Versuche machen zu konnen, die natürlich Geld kosten und deshalb nur gemacht werden können von einer Industrie, welche sich in einer gesicherten und günstigen Lage befindet. Und von diesem Gesichtspunkte aus kann man auch die Erhöhung des Zolles auf die Sicherheitshölzer als durchaus in der Tendenz dieses Gefetzes liegend bezeichnen. Die Hauptsache bleibt allerdings die Erhöhung des Zolles auf, die Weißphosphorhölzer, welche unbedingt nöthig ist, um unseren Weißphosphorzündholzfabriken die Konkurrenz mit dem Auslande durch Einführung dieses Gesetzes nicht zu erschweren.

Der Abg.. Büchner erklärte, die deutsche Zündhölzer— Industrie sei nicht bestrebt oder nicht im Stande, das zu er— reichen, was Schweden erreicht habe, sie entspreche der letzteren auch nicht annähernd: und nun komme die Regierung noch mit einer Zollerhöhung! Der Kommissar habe auf die Schwierigkeit hingewiesen, welche aus dem Mangel an ge— eignetem Holz entspringe. Derselbe hätte konsequenterweise zu dem Schluß kommen müssen, daß das nöthige Holz zollfrei in das Land von außerhalb einzulassen sei. Man gebe der deutschen Industrie billigeres Holz, dann werde sie die Kon— kurrenz mit Schweden mit Erfolg aufnehmen können.

Die Diskussion wurde geschlossen; und 8. 6 mit 135 gegen 1109 Stimmen angenommen. Damit war die zweite Be— rathung des Gesetzentwurfs, betr. die Anfertigung und Ver— zollung von Zündhölzern beendigt.

Es folgte die dritte Berathung des Gesetzentwurfs, be— treffend die Abänderung des Gesetzes über die ein— geschriebenen Hülfskassen vom 7. April 1876, auf n der in zweiter Berathung über denselben gefaßten Be— schlüsse.

In der Generaldiskussion erklärte der Abg. Grillenberger, er sei der Ansicht, daß man mit der Novelle zum Hülfskassen— gesetz wohl eigentlich nur die Absicht gehabt habe, das freie Hülfskassenwesen zu verdrängen. Die Erscheinung, daß die Arbeiter durchgängig für die freien Hülfskassen eingetreten seien, habe dann auch die Konsequenz gehabt, daß die Regierung den Hülfskassen das Dasein so sauer wie möglich gemacht, und die polizeiliche Aufsicht als maßgebend hingestellt habe. Als Grund dafür sei die angebliche Fruktifizirung der freien Hülfs— kassen durch die Sozialdemokratie hingestellt. Allerdings eine sonderbare Begründung! Und doch dürften diese polizeilichen Maßnahmen, die namentlich in Bezug auf die General— versammlungen der Hülfskassen so überaus streng seien, ganz ihren Zweck verfehlen. Müßten übrigens danach nicht auch in Bezug auf alle Orts- und Krankenkassen gleiche Maßregeln ergriffen werden? Glaube man denn, daß man durch solche Kennzeichen des tiefsten Mißtrauens das Vertrauen der Ar⸗ beiter zur sozialen Reform der Regierung gewinnen werde? Sei es denn möglich, daß der Arbeiter unter polizeilicher Auf— sicht überhaupt frei über die Hülfskassen und die Ordnung seiner eigenen Angelegenheiten debattiren könne? Aus den unbedeutendsten Anlässen sei der Anlaß zur Auflösung ge— nommen. Es sei durchaus kompromittirend für die Kassen, und würdige sie in der öffentlichen Meinung herab, wenn die Polizei jeder Zeit mir nichts Dir nichts in die Geschäfts— räume und die Kassenlokale der Hülfskassen dringen und da— selbst Visitation abhalten könne. Seine Partei werde, da es ihr nicht gelingen werde, diese reaktionären Bestimmungen aus dem Gesetzentwurf hinauszubringen, gegen denselben stimmen, namentlich da sich darin eine prinzipielle Ungerech— tigkeit gegen den Arbeiter dokumentire. Und dann befinde man sich auch in einem großen Irrthum, wenn man etwa an⸗ nehme, daß die Gelder der Kassen je zu volitischen Agitations⸗ zwecken verwendet werden könnten. Der Arbeiter sei sehr eifersüchtig auf seine Kassen, und Wehe dem Sozialdemokraten, der es wagen sollte, aus diesen Kassen für politische Zwecke zu schöpfen. Man stelle, indem man sich solche Praämisse an⸗

eigne, den Arbeiter als unehrlich hin, und dagegen müsse seine Partei energisch Protest erheben. Seine Partei werde, falls die erwähnten Bestimmungen nicht beseitigt werden, gegen das ganze Gesetz stimmen.

Der Abg. Frhr. von Hammerstein bemerkte, seine Partei ihrerseits unterscheide zwischen dem Arbeiterstande als solchem und den sozialdemokratischen Arbeitern; seine Partei wolle in der Vorlage diejenigen Arbeiter schützen, welche vor der sozial⸗ demokratischen Agitation wenigstens in den Kassenangelegen⸗ heiten bewahrt zu bleiben wünschten. Man könne auch in dieser Vorlage, welche ein organisches, dauerndes Gesetz wer— den solle, Bestimmungen aufnehmen, die sich an das doch nur provisorische Sozialistengesetz anschlössen. Nach dem Artikel des „Reichsfreundes“ zu schließen, welcher sich gegen die Ein— mischung politischer Dinge in Kassenfragen ausgesprochen habe, müsse doch auch die Fortschrittspartei in dieser Sache auf die Seite der Rechten treten; leider sei das nicht der Fall. Er warne die Fortschrittspartei davor, gegen den konservativen Antrag zu stimmen, und damit den Schein zu erwecken, als träte sie für die Arbeiter ein. Die Fortschrittspartei würde doch gewisse Erfahrungen nicht vergessen haben, die sie selbst früher bei Versammlungen der Gewerkvereine mit den Sozial— demokraten, die sie aus den Gewerkvereinen herausdrängten, gemacht hätte. Er bitte also, für den konservativen Antrag zu stimmen.

Der Abg. Lipke hob hervor, daß bei diesem Gesetze alles auf die Handhabung ankomme. Der Minister von Boetticher habe zwar erklärt, daß er den Hülfskassen nicht feindlich gegen— überstehe und er (Redner) schenke dieser Versicherung voll— kommen Glauben. Aber anders würden vielleicht die Unter— behörden verfahren, und bis jetzt hätten dieselben für den schöpferischen Gedanken der freien Hülfskassen nur geringes Verständniß gezeigt.

Demnächst nahm der Lohmann das Wort:

Meine Herren! Ob es nöthig sein wird, zur Ausführung dieses Gesetzes besondere Vorschriften zu erlassen, vermag ich jetzt nicht zu übersehen; jedenfalls wird es aber nicht nöthig sein, die einzelnen Regierungen aufzufordern, ihre Unterbehörden anzuweisen, daß fie der Errichtung von freien Hülfekassen keine Hindernisse in den Weg legen sollen. Das würde soviel heißen, als die Behörden anzuweisen, ihre Pflicht zu thun, was bekanntlich ganz selbstverständlich ist.

Wenn ich auch zugebe, daß der Bescheid, der uns vorhin vor— gelesen ist, durchaus irrthümlich ist, so kann ich doch nicht ohne Weiteres annehmen, daß diese irrthümliche Auslegung der Gesetze eine beabsichtigte war, daß derselben eine Chikane zu Grunde liege und nur eine solche Chikane würde überhaupt einen Anlaß geben können, die Behörden in dieser Weise zu instruiren. Der Bürger— meister hat sich wahrscheinlich geirrt in dem Sinne einer Verfügung, welche ihm rom Regierungs ⸗Präsidenten zugegangen sein wird des Inhalts: da viele eingeschriebene Hülfskassen vom 1. Dezember ab nicht mehr als solche gelten werden nach dem betreffenden Paragraphen des Krankenversicherungsgesetzes, so ist Denjenigen, welche ihre Statuten revidiren wollen, und deshalb mit Anträgen kommen, wenn sie solche Kassen sind deutlich zu machen, daß es nicht richtig ist, wenn sie jetzt ihre Statuten revidiren, weil sie dieselben am 1. Dezember noch einmal wieder revidiren müssen. Wahrscheinlich bat der Bürger— meister die Kassen verwechselt und geglaubt, diese Kasse gehöre auch zu der fraglichen Art. Wenn er den Leuten statt dessen gesagt hätte, ihr thut wohl, nicht jetzt dieses Statut prüfen zu lassen, fondern so lange zu warten, bis die Revision des Hülfskassengesetzes beendet ist, so würde das richtiger gewesen sein, aber bösen Willen kann ich da nicht ohne Weiteres annehmen.

Der Abg. Nichter (Hagen) erklärte, die Fortschrittspartei sei gegen den 8. 34 der Vorlage, um den es sich hauptsächiich handle, aus denselben Gründen, weshalb sie gegen jede über— flüssige Polizeieinmischung überhaupt sei. Der Abg. von Ham— merstein habe an Vorgänge aus dem Jahre 1869 erinnert. Damals habe der bekannte Hr. von Schweitzer in Berlin einen Arbeitertag abgehalten, in welchem derselbe die hiesigen Arbeiter zur Bildung von Strikevereinen veranlaßt habe. Die Maschinenbauer hätten sich davon aber ausgeschlossen, und statt der Strikvereinigungen Vereine für die Wahrnehmung ihrer Berufsinteressen verlangt. Bei der Organisation dieser letzteren Vereine, durchaus im Gegensatz zu Hrn. von Schweitzer, seien den Maschinenbauern da— mals fortschrittliche Abgeordnete, Schultze⸗-Delitzsch u. A., zu Hülfe gekommen. Trotzdem könne die Fortschrittspartei als politische Partei niemals die Verantwortung übernehmen für Vereine, die mit Politik an sich gar nichts zu thun hätten. Es sei daher ganz falsch, zu sagen, die damaligen Gewerk— vereine hätten unter fortschrittlicher Leitung gestanden. Wenn Hr. von Schweitzer und Genossen gegen diese Gewerkvereine Sprengungsversuche veranstaltet hätten, so sei das gleiche auch den Versammlungen des Abg. Stöcker begegnet, und geschehe stets, wo es den sozialdemokratischen Führern nicht passe, daß eine Versammlung abgehalten werde. Das Interessante damals sei nur gewesen, daß der Minister des Innern und die Polizei zu jenen Vergewaltigungen des freien Vereins— rechts durch die Sozialdemokraten sich wohlwollend neutral verhalten hätten, weshalb sich denn auch später Graf Eulen— burg damit entschuldigt habe, daß er damals die sozial— demokratische Bewegung eine Zeit lang habe gehen lassen wollen, damit alle Welt sehe, was es damit für eine Bewandtniß habe. Uebrigens habe der Abg. Bebel bekanntlich gesagt, daß Hr. von Schweitzer lediglich ein im Solde der Regierung stehender Agent gewesen sei. Der Sozialismus sei künstlich durch das Verhalten der Regierung großgezogen worden; und die Rechte sollte sich nicht über die sozialdemokratische Bewegung beschweren, die sie wesentlich mit verschulde. Auch das Centrum sollte bedenken, daß die Maßregeln, die es hier gegen die freien Hülfs⸗ kassen unterstütze, schließlich gegen alle Vereine überhaupt gerichtet werden könnten, und konsequenterweise gerichtet werden müßten. Ein jeder Verein bringe irgend einer politischen Richtung schließlich Nutzen; das ergebe sich schon stets aus der Persön⸗ lichkeit des Vorsitzenden, dem Bekanntwerden der Mitglieder unter einander u. s. w. Wenn die Vereine sich noch so streng auf dem Boden der Gesetze hielten, würden sie doch bei allen Wahlen immer irgend welchen politischen Einfluß haben. Der Strafparagraph, den die Rechte vorschlage, werde nur zu den gehässigsten Denunziationen und persoͤnlichen Streitigkeiten Veranlassung geben. Und wenn man einen solchen Para⸗ graphen irgendwo nöthig haben sollte, dann wäre es doch gewiß zu allererst der Fall bei den konservativen landwirth⸗ schaftlichen Vereinen. Dort werde am meisten Politik ge⸗ trieben, dort werde systematisch agitirt, und das Vereinsgesetz fortwährend verletzt. Hüte sich also die Rechte, mit der Polizeiaufsicht über die Vereine ihrerseits an⸗ zufangen. Die Rechte bedenke gar nicht, wohin das führe. Es würde der Rechten sicherlich nichts nützen, hier den Krankenkassen einen Schlag zu versetzen. Entweder müsse man. den Vereinen überhaupt ein gewisses Maß von Freiheit lassen oder lieber gleich das ganze

Geheime Ober⸗Regierungs⸗Rath

können.

trägen heranzieht und das ist die Form, in der die Gemeinde ihr Recht,

daß die freie Kasse das Recht haben solle, sich eine derartige Bescheinigung

Vereinswesen unter Polizeiaufsicht stellen. irgendwo, gelte das „principiis obsta iss daß sie mit dem Sozialistengesetz bankerott sei, daß sie nichts damit machen könne: da wolle sie nun in das Vereins wesen solche Polizeibestimmungen einführen. Auch die Anhänger bes Sozialistengesetzes müßten aber gegen diese Polizeiaussicht sein, denn auch sie hätten das Sozialistengefetz nur als Pro⸗ visorium schaffen wollen; hier solle aber eine Bestimmung in ein dauerndes Gesetz definitiv hinüber genommen werden.

Damit schloß die Generaldiskussion.

In der Spezialdiskussion wurden die Art. 1 und 2 ohne Debatte genehmigt.

en, ü. lautet:

„Die Absätze 3 und 4 des §. 4 des inte esetzes werde durch folgende Bestimmungen . e, , , .

Abänderungen des Statuts unterliegen den gleichen Vor— schriften. Ueber die Zulassung einer Abänderung, durch welches der Sitz der Kasse verlegt werden soll, hat die Behörde des alten Sites zu entscheiden. ö

Die Zulassung einer Kasse, welche örtliche Verwaltungsstellen einrichtet, ist bei derjenigen Verwaltungsbeyörde zu erwirten, in deren Bezirk die Hauptkasse ihren Bezirk nimmt.

Auf Antrag der Kasse hat die höhere Verwaltungsbehörde bei der Zulassung zugleich zu bescheinigen, daß das Statut den Vor— schriften des 5. 75 des Gesetzes, betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter vom 15. Juni 1883, genügt. Für diese Bescheinigung gelten die Vorschriften des Absatzes 2.

Der dritte Absatz ist auf Beschluß des Hauses in zweiter . hinzugefügt, der ganze Paragraph von der Kommission ormulirt.

Statt des Schlußsatzes in Artikel 22 beantragten die Abgg. Dr, Hirsch und Genossen Folgendes zu setzen:

„Wird die Bescheinigung verfagt, so sind die Gründe mitzu⸗ theilsn. Gegen die Versagung steht der Rekurs gemäß Ab⸗ satz 2 zu?,

während die Abgg. Frhr. von Maltzahn⸗Gültz und jenossen beantragten: den Absatz 3 zu streichen.

Der Abg. Frhr. von Maltzahn⸗Gültz erklärte, des Krankenkassengesetzes habe nicht den Wortlaut, Attest, wie es hier verlangt werde, leicht werde gegeben wer⸗ den können. Die Mitglieder sollten nur dann nicht gezwun⸗ gen sein, den Gemeindekrankenkassen beizutreten, wenn sie einer Hülfskasse angehörten, die ihren Mitgliedern gegenüber mindestens dieselben Leistungen übernommen habe. Wenn nun auch das Statut einer solchen Kasse die Zenehmigung gefunden habe, so könne es doch jeden Augenblick wieder ge⸗ andert werden. Eine Bescheinigung der höheren Verwaltungs⸗ behörde würde also gar keinen Zweck haben, und er bitte, seinen Antrag auf Streichung dieser Bestimmung anzunehmen.

Der Abg. Dr. Hirsch bemerkte: Die Bestimmung im Ab— satz 3 sei nichts Anderes, als was jetzt im §. 11 des Hülfs⸗ kassengesetzes enthalten sei; nachdem das Haus diesen Para⸗ graphen gestrichen habe, sei es eine natuͤrliche Konsequenz, daß es einen Ersatz schaffe. Die Bestimmung solle dazu dienen, Ungleichheiten zu vermeiden, sonst könnte die eine Gemeinde ein Statut so, die andere anders beurtheilen, und die ver— schiedene Auslegung würde für die Arbeiter große Unsicherheit in der Krankenunterstützung schaffen, sie würden dadurch zum großen Theil der Wohlthaten des Gesetzes beraubt. Das Urtheil ein und derselben höheren Verwastungsbehörde müsse maßgebend sein. Deshalb bitte er, den dritten Absatz mit der von ihm vorgeschlagenen Aenderung anzunehmen.

Demnächst nahm der Geheime Ober⸗Regierungs⸗Rath Lohmann das Wort:

Meine Herren! Sie werden sich erinnern, daß der Antrag, aus dem diese Bestimmung hervorgegangen ist, erst unmittelbar vor der weiten Lesung zur Kenntniß der Versammlung und auch zu unserer Kenntniß gekommen ist. Ich führe das an, um damit zu erklären, daß der Inhalt dieses Antrages in der zweiten Berathung nicht vollständig klar gestellt ist, auch von mir nicht; ich habe in der That den Inhalt desselben nicht vollständig klar aufgefaßt und, meine Herren, ich gehe noch einen Schritt weiter, ich glaube auch, daß die Herren Antragsteller von einer irrthümlichen Voraussetzung ausgegangen find, und daß ihnen auch jetzt der Inhalt ihres Antrags noch keineswegs klar ist. Wenn Sie die Güte haben wollen, mir eine kurze Zeit Ihre freundliche Aufmerksamkeit zu schenken, so glaube ich Ihnen diez nachweisen zu

Die Herren Antragsteller beabsichtigen nach den Mitthei— lungen in der zweiten Lesung und nach dem, was soeben der Herr Vorredner vorgetragen hat, zweierlei. Sie wollen einmal verhindern, daß ein Arbeiter, der einer freien Hülfskasse an⸗ gehört, wel he in Wirklichkeit den Erfordernissen des §. 75 genügt, don einer Gemeindekrankenversicherung oder von einer Ortskranken“ kasse nicht, wenn auch nur vorläufig zu den Beiträgen herangezogen wird. Sie wollen dann weiter verhindern, daß eine freie Hülfskasse, welche in der Absicht, dem F. 75 des Krankenversicherungsgesetzes zu genügen, ihr Statut ändert, in Folge eines Irrthums sich nachher in der Erreichung dieser Absicht getäuscht sieht. Zu dem Zwecke wollen Sie nun den Kassen das Recht einräumen, von derjenigen Be— hörde, die ihre Zulassung ausspricht, zugleich eine Bescheinigung dar— über ausstellen zu lassen, daß sie dem 5. 75 des Krankenversicherungs⸗ gesetzes entsprechen.

Nun, meine Herren, behaupte ich, daß diese Wirkungen in Folge dieser Bestimmungen überhaupt gar nicht eintreten würden, und um Ihnen das zu zeigen, bitte ich Sie, sich die Bestimmungen des §. 58 des Krankenversicherungsgesetzes zu vergegenwärtigen. Nach, diesem Paragraphen sind Streitigkeiten über“ die Ver— pflichtung zur Leistung von Beiträgen von den ÄAufsichts— behörden zu entscheiden, und gegen die Entscheidung der Aufsichts⸗ behörde findet der Rechtsweg statt. Also, wenn eine Gemeinde einen Arbeiter, der behauptet, einer freien Hülfskasse anzugehören, zu den Bei⸗

Hier,

wenn

der §. 75 daß ein

den Mann zur Krankenversicherung oder zur Ortskrankenkasse heran⸗ zußiehen, überhaupt zur Geltung bringt, also wenn Sie den Mann ju Beiträgen hera nzieht, so hat der die Entscheidung der Aufsichts⸗ behörde anzurufen, und wenn er mit deren Entscheidung nicht zufrieden ist, so kann er klagen beim Richter.

Nun, meine Herren, können Sie doch durch eine Bestimmung,

ausstellen zu laͤssen, unmöglich die im Krankenversicherungsgesetze der Aufsichtsbehörde und dem Richter übertragene Funktion der Ent⸗ scheidung über solche Streitigkeiten aufheben. Für die Aufsichts behörde und den Richter wird diese Bescheinigung, die Sie fordern, weiter nichts sein als ein Beweismittel, welches seine Kraft sofort verliert, wenn die Aufsichts behörde oder der Richter durch eigenes Studium des Statuts fich überzeugt, daß die Aufsichtsbehörde sich geirrt habe.

enn Sie etwas weiteres als ein solches Beweismittel erreichen wollen, meine Herren, so müssen Sie die Bestimmung durch andere Bestimmungen ergänzen. Unter keinen Umständen könnte diese Er— WUnzung aber dahin gehen, daß die Entscheidung über die einzelnen

treitigkeiten, die nach 5. 58 in Frage kommen, den zuständigen

ehörden entzogen werden soll, denn diese einzelnen Streitigkeiten kann die höhere Verwaltungsbehörde, welche die Bescheinigung aus« stellen soll, nicht im Voraus entscheiden. Dese Streitigkeiten müssen unter allen Umständen von den im 8. 58 bezeichneten Behör den entschieden werden, denn bei der Frage, wer Recht hat, kommt nicht blos das eine Moment, welches Sie im Auge haben, in

Die Rechte fühle,

andere Momente, unter Umständen z B. die Frage, ob die Behau tung des Arbeiters, daß er dieser Kasse angehöre, richtig sei. Also, meine Herren, so läßt sich die Sache auf feine Weise machen. Sie könnten nur zu der Ergänzung kommen, welche dasjenige herstellte, was ich schon bei der zweiten Berathung irrthümlich in der bean tragten Bestimmung fand, nämlich eine Ersetzung der materiellen Anforderungen, welche im 5. 75 des Kran kenversicherungsgesetzes gestellt werden, durch ein formelles Erforderniß, nämlich die Bei⸗ bringung einer Bescheinigung. Aber, meine Herren, wenn das Vor— gehen, die Bestimmung in diesem Sinne zu ergänzen, sich auch als ausführbar erweisen sollte, würde es denn dadurch gerecht⸗ fertigt sein? würde es gerechtfertigt sein, mit einer solchen Bestimmung in die ganze Ordnung, welche das Kranken⸗ versicherungsgesetz für diese Dinge gefchaffen hat, einzugreifen? würde es namentlich gerechtfertigt fein, Gemeinden und Srisgkranken— kassen das ihnen im Krankenversicherungsgesetz eingeräumte Recht, über diese Fragen die Entscheidung des Richters herbeizuführen, ein⸗ fach zu entsiehen und eine allgemeine Bescheinigung der höheren Ver— waltungebebörden an die Stelle der Entscheidung des Richters zu Ken lediglich deshalb, weil das hier nun einmak gerade den freien Hülfskassen besser paßt, deren Vertreter sonst immer mehr geneigt sind, den Rechtsweg gegenüber der Entscheidung der Verwaltungs— behörde vorzuziehen?

Wenn sich dazu wirklich der Reichstag entschlösse, falls nämlich der Herr Antragsteller noch vor der Abstimmung die Bestimmung er⸗ gänzte, wie sie ergänzt werden müßte, um diefen Erfolg zu haben, unter welchen Voraussetzungen sollten dann die Aufsichtsbehörden und der Richter bei ihrer Entscheidung an die Besckeinigung gebunden sein? Würden Sie eine solche Gebundenheit feftstellen wollen, so müßten Sie doch jedenfalls dafür sorgen. daß der Aufsichtsbehörde und namentlich dem Richter auch der Beweis geliefert werde, daß die beigebrachte Bescheinigung wirklich in der Form von der höheren Verwaltungsbehörde ausgestellt sei.

Sie können doch nicht verlangen, daß der Richter diesen Beweis als geführt ansieht, wenn ibm ein beliebiges gedrucktes Exemplar eines Hülfskassenstatuts vorgelegt wird, unter dem eine solche Be⸗ scheinigung abgedruckt ist; und auf der andern Seite können doch die Kassen nicht jedem ihrer Mitglieder ein authentisches Exemplar dieser Bescheinigung in die Hand geben. Ferner, meine Herren, noch ein Bedenken. Daß eine einge⸗ schriebene Hülfskasse dem 5. 75 des Krankenversicherungsgesetzes ge— nügt, das ist keine Eigenschaft, welche einmal erworben, dieser Hülfs⸗ kasse unwandelbar anhaftet, fo daß in dem Zustande, welchen die höhere Verwaltungsbehörde bescheinigt hat, nicht auch eine Aenderung eintreten könnte. Von einer Aenderung ist vorher schon die Rede gewesen, wenn nämlich die Kasse ibre Statuten ändert; aber da kann man vielleicht muß

9 n r sagen: dann sie von neuem bei der höheren

. Verwaltungsbehörde die Zulassung bewirken, und da läßt sich die Sache vielleicht machen, daß auch die Bescheinigung revidirt wird. Aber, meine Herren, die Sache kann auch anders kommen. Es kann auch der Satz des ortsüblichen Tagelohnes an demjenigen Orte geändert werden, wo die Kasse ihren Sitz hat, und wenn das in der Weise geschieht, daß die Unterstützungs⸗ sätze dieser freien Hülfskasse nicht mehr den Anforderungen des 5. 75 genügen, dann haben Sie eine eingeschriebene Hülfskasse, welche eine vorschriftsmäßige Bescheinigung von der höheren Verwaltungsbehörde hat, welche den Thatsachen widerspricht. .

Ich glaube nicht, meine Herren, daß unter diesen Umständen es möglich sein wird, den Richter und die Aufsichtsbehörden an das zu binden, was die höhere Verwaltungsbehörde in dieser Weise be⸗ scheinigt hat; man müßte doch mindestens beiden die Freiheit lassen, sich den Beweis erbringen zu lassen, daß der ortsübliche Tagelohn ö sei, der er gewesen, als diese Bescheinigung ausgestellt wurde.

Wenn der Herr Abg. Hirsch vorhin in so erregter Weise das Bedürfniß geltend gemacht hat, hier für die freien Kassen doch in irgend einer Weise eine Sicherheit zu schaffen, meine Herren, so er⸗ witere ich ihm: die Befriedigung dieses Bedürfniffes liegt zum greßen Theil, in der Aufmerksamkeit der bei den freien Hülfs⸗ kgssen Betheiligten. Der Gebrauch der Freiheit ist niemals‘ obne Gefahr, und wer lieber in einer solchen freien Hilfskasse sein will, als in einer Zwangskasse, der wird eben die Gefahren, die damit ver⸗ bunden sind, in den Kauf nehmen müssen, dagegen läßt sich nun ein— mal nichts machen. Aber ich glaube doch, die Herren einigermaßen beruhigen zu können über diese Gefahren, soweit sie bei diesem Punkte in Frage kommen.

Zunächst ist die eine Gefahr, die der Herr Abg. Hirsch vorher gerade so besonders betont hat, gar nicht vorhanden. Meine Herren! Wenn der einzelne Arbeiter, der einer freien Hülfskasse angehört, welche wirklich dem 5. 75 des Kranken versicherungsgesetzes genügt, von einer Gemeinde oder einer Ortskrankenkasse oder einer Fabrikkranken⸗ kasse zu Beiträgen herangezegen wird, so kann er sofort die Ent⸗ scheidung der Aufsichtsbehörde darüber beantragen, und, meine Herren, selbst in dem Fall, daß die Aufsichtsbehörde irrthümlich gegen ihn entscheiden sollte, und er gegen diese Ent⸗ scheidung den Rechtsweg beschreitet, so würde der Entscheid der Auf— sichtsbehörde nicht vorläufig vollstreckbar sein, sondern die Beschreitung des Rechtsweges hat Suspensiveffekt, wie fie in §. 58 des Kranken⸗ versicherungsgesetzes lesen können, indem daselbst die Entscheidung nur in dem Falle für vorläufig vollstreckbar erklärt ist, wo es sich um Streitigkeiten handelte, welche die Unterstützungen betreffen, nicht die Beiträge.

Meine Herren! Was den anderen Punkt betrifft, daß die Kasse sich darin irren könnte, ob sie wirklich dem 8§. 75 durch ihre Sta⸗ tuten genüge, so wird mir Jedermann zugeben, das ist in erster Linie Angelegenheit der Kasse und es ist ein Verlangen, was durchaus nicht gerechtfertigt ist, daß die Behörden dafür aufkommen sollen, daß die Kasse sich in dieser Beziehung nicht irrt. Ich glaube, daß dieses Verlangen umsaweniger gerechtfertigt ist, als die Aufmerk— samkeit, die dazu gehört, um einem solchen Irrthum zu entgehen, durchaus nicht so groß ist. Es handelt sich um ganz wenige Punkte. Die Kasse muß das leisten, was die Gemeinde⸗Krankenversicherung fordert, und das ist: freie ärztliche Behandlung und Arznei, ein Krankengeld vom dritten Tage nach dem Tage der Erkrankung in Höhe der Hälfte des ortzüblichen Tagelohnes; dies beides für mindestens 13 Wochen und ohne Karenzzeit; endlich die Zahlung des Krankengeldes muß wöchentlich postnumerando geschehen. Es ist denn noch zu be— achten, daß diejenigen freien Hülfskassen, welche nicht freien Arzt und Arzenei geben, statt der Hälfte Dreiviertel des ortsüblichen Tagelohns zu geben haben. Das ist Alles! Wenn die Kassen darauf auf⸗ merksam sind, und das gehört sich, so sind sie vor jedem Irrthum

sicher.

Endlich, meine Herren, will ich den Herren Antragstellern doch auch noch die Beruhigung geben, daß die verbündeten Regierungen, deren Mißgunst gegen die freien Kassen der Herr Abg. Hirsch vorhin nicht schwarz genug malen zu können meinte, doch auch schon für diesen Fall etwas vorgesehen haben, und daß eine Maßregel bereits eingeleitet ist, welche auch den eingeschriebenen Hülfskassen zu Gute kommt. Es sind nämlich von der Königlich preußischen Regierung die böheren Verwaltungsbehörden angewiesen, die freien Hülfskassen ihres Bezirks, und zwar nicht blos die einge⸗ schriebenen, sondern auch die anderen, um die man sich hier nicht be⸗ kümmert hat, also daß die freien Hülfskassen des Bezirks, welche den Anforderungen des §. 75 nach dem Urtheil der höheren Verwaltungs—⸗ behörden genügen, in ein Verzeichniß zusammengestellt werden, und daß dieses Verzeichniß allen Aufsichtsbehörden zugestellt wird, damit Riese einen Anhaltepunkt für ihre Prüfung der ragen haben, ob Jemand von der Krankenversicherung frei ist oder nicht. Weil es nun aber eine Reihe dieser Kassen giebt, welche ihren Wirkungskreis über den Bezirk einer höheren Verwaltungsbehörde hinaus erstrecken, so ist ferner jede höhere Verwaltungsbehörde angewiesen, diejenigen Kassen, die ihren Wirkungskreis über ihren Bezirk hinaus erstrecken, beim Handels⸗Minister zur Anzeige zu bringen. Alle diese Kassen werden dann wieder in ein Verzeichniß aufgenommen, und diefes geht

Betracht, ob die Kasse nämlich dem §. 75 genügt, sondern auch noch

allen höheren Verwaltungsbehörden zu, um bei den den Auf⸗

i tigt zu werden. glich preußischen Regierung ist von dem anzler den übrigen verbündeten Regierun theilt und dabei der Vorschlag gemacht, kassen, die ihren Wirkungetreis über den staats hinaus erstrecken,

Im Reichs amt des ein Verzeichniß aufgeste zugeht, und auf diese Weise können welche überhaupt dem 5. Verzeichnisse aufgenommen werden, Ich glaube, was zur Sicherung der Lage

sichtsbebörden zuzufertigenden Verzeichnissen berücksick Diese Maßregel der Köni gen mitge⸗ es sollen alle freien Hülfs. Bereich des einzelnen Bundes⸗ dem Reichsamt des Innern mitgetheilt wer⸗ Innern wird wieder von allen diefen Kassen lt, welches den einzelnen Bundes regierungen sämmtliche freien Hüifskassen, 75 des Ges welche den Aufsichte behörden zugehen daß hierdurch alles geschehen ist. der freien Hülfskassen in dieser Be—

meine Herren,

diejenige Bestimmung, um die es sie nach der Meinun ten soll, und daß durch eine Widerspruch Krankenversicherungsgesetzes, geändert werden können. von Maltzahn entsprechen

Der Abg. Schrader wün denn diese Verzeichnisse sollten, daß

sich jetzt handelt, dasjenige nicht g der Herren Antragsteller enthal⸗ Ergänzung in diesem Sinne ein ent Bestimmungen welche auf diesem Wege jedenfalls Ich bitte Sie daher, dem Antrage d diese Bestimmung zu streichen. schte Aufklärung darüber, ob zugleich die Mittheilung enthalten der einzelnen Hülfskassen den be— Krankenkassengesetzes entsprächen Gewißheit darüber treffenden Hülfskasse asse beizutreten. Die der verbündeten Re⸗ fach, bald als schwierig hingestellt. und Täuschungen könnten g schützen wie andere Kassen. egierungs-Rath Lohmann der 5. 58 greife hier Der § 58 sei der einzig um diese Sache zu regeln. wenig vorbereitete Be

die Statuten treffenden Paragraphen des Die Arbeiter müßten doch haben, ob sie als Mitglieder ihrer be trotzdrem verpflichtet seien, einer Zwangsk Entscheidung hierüber werde von Seiten gierungen bald als sehr ein Gegen Fälschungen beiterkassen ebenso weni Der Geh. Ober⸗R wenn der Vorredner meine, so verstehe er das nicht. es überhaupt gebe, gerechtfertigt, eine so Antrag der Kommission zu treffen. Der Abg. Dr. Bu Vorschlag der Re sei, sich doch vielleicht i verknüpften Kreise die Annahme des empfehle, der gewisse Unklarheite rung, namentlich bezüglich währenden Bescheinigung, Krankenversicherung gegebenen Vorschriften

oder nicht.

entgegnete, nicht Platz, e Weg, den Es sei nicht stimmung nach dem

hl war der Ansicht, daß, wenn der g auch vielleicht der formell richtigere Kassen und der damit Kommissionsentwurfs n des Entwurfs der Regie⸗ ssen eventuell zu ge—

m Interesse der

der den Ka daß das Statut den entspreche, be⸗

Der Geheime Ober-Regierungs-Rath L die Behörden erhielten ein Verzeichniß von welche dem 5. 75 des Krankenka Verzeichniß werde allen Gutachten genüge für alle Fälle. Zusätze für überflüssig.

Der Antrag Hirsch wurde mit 127 gegen 113 Stimmen angenommen unh in dieser Gestalt, nachden des Absatz 3 nach dem der ganze F.

Die Artikel 3 bis 7

Artikel 8 will nach 5 den Paragraphen einschieben:

§. 19a. Die Kasse kann für bestimmte Bezirke örtlich waltungsstellen errichten und densel

ohmann erwiderte, denjenigen Kassen, ssengesetzes genügten, dieses zu Grunde gelegt, und es Deshalb halte er die vorgeschlagenen

l die Streichung Antrage Hammerstein abgelehnt war,

wurden ohne Debatte angenommen. es bestehenden Gesetzes folgen—

ben folgende Befugnisse er⸗

itrittserklärungen und nehmen, sowie Handzeichen Schreib §. 6 Absatz 1 zu beglaubigen;

2) die Kassenbeiträge zu erheben, über Stun tzungen auszuzahlen, sowie die eingehenden uf einer durchschnittlichen halben Jahres- cke des Betriebes zu verwahren und anzulegen. 3) Einrichtungen zur Wahrnehmung der Krankenkontto

Austrittserklärungen entgegen zu ensunkundiger in Gemäßheit des

. dungsgefuche zu entscheiden, die Unterstü Gelder bis zum Bela ausgabe zum Zwe

Frhr. von Maltzahn⸗Gültz beantragte hinter dem , r“ folgende Einschaltung zu machen: „vorbehalt⸗ lich anderweiter Verfügung des Vorstandes über diesel ben.“ Der Antrag Maltzahn und danach geändert der Artikel 8 wurde angenommen, e

Worte „Gelde

benso ohne Debatte die Artikel

Im Artikel 12 ist in zweiter Le dem §. 33 im ersten Absatz folgende Die Kassen und ihre ortlichen Verwa in Bezug auf die Befolgung dieses Gese durch die von den Landesreglerungen zu bestimmenden mit der Maßgabe, daß mit den von den höheren Ver behörden wahrzunehmenden Geschäften diejenigen höheren sind, welche nach Landesrecht die Auf— eraufsicht in Gemeindeangelegenheiten wahrzunehmen

sung beschlossen worden, Fassung zu geben:

ltungsstellen unterliegen tzes der Beaufsichti

tungsbehörden zu betrauen sicht oder Ob

tzahn⸗Gültz und Genossen

Die Abgg. Freiherr von Mal „mit der Maßgabe“ ab zu

beantragten, den Schluß von:

Der Antrag wurde abgelehnt, ebenso ein fernerer An— trag des Abg. von Maltzahn-Gültz und Genossen, wonach die in der Regierungsvorlage enthaltene Bestimmung über die Bestrafung der Leiter von Generalversammlungen, welche in

der zweiten Lesung gestrichen war, werden sollte.

Der Rest des Gesetzes wurde ohne D und schließlich das Gesetz im G Es solgte die Berathung folge Hirsch und Genossen vorgeschlagenen „Den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, bei den verbündeten ß die Anweisungen zur Ausführung baldigst erlassen und die Verwaltungs und Gemeinde die Schritte behufs Zulassung ein.

aufgenommen

ebatte genehmigt, anzen angenommen.

nder von den Abgg. Dr. Resolution:

Regierungen dahin zu wirken, da dieses Gesetzes behörden aufgefordert werden, geschriebener Hülfskassen zu beschleunigen.“

wurde von dem Bevollmächtigten

Bundesrath, Stagats-Minister von Boetticher mit folgen⸗

den Worten eröffnet: Meine Herren! Der Herr Reichskanzler hat Ihnen neulich die gesetzt, aus welchen er selche Aufforderungen, wie in dieser Resolution gestellt werden, nicht übernehmen kann. Ohne diese Gründe hier wiederholen zu wollen, habe ich deshalb zu erklären, daß ich nicht dafür bürgen kann, daß dem Ersuchen, wenn es der Reichstag beschließen sollte, Folge gegeben werden wird. hat, daß die Resolution materiell ganz über= Sie haben aus meinem Munde und aus dem Munde gen gehört, daß, so viel an uns ist, alles geschehen Ausführung des Krankenkassengef chführung des jenigen Gesetzes, dem Sie Ich halte deshalb die

Auffassung, welche

Gründe auseinander

glaube aber auch in der T

meines Herrn Kolle wird, was zur Bes erforderlich ist und was zur Bur jetzt Ihre Zustimmung gegeben, Resolution auch aus diesem Grunde für überflüů Der Abg. Dr. Hänel erklärte, gegen die kanzler und heute der Staatssekretär ver⸗ st erheben, da Uebrigens ersuche die Re⸗

chleunigung der geschehen muß.

neulich der Reichs

treten hätten, möchte er hiermit feierlich Prote sie der Verfassung widerspreche.

8