[R. G. Bl. de 1883 S. 159), betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung. ͤ
Der Antragsteller Abg. Dr. Baumbcch begründete bei Schluß des Blattes seinen Antrag.
— In der heutigen (875.) Sitzung des Hauses der Abgeordneten, welcher der Minister der öffentlichen Arbeiten Maybach, der Finanz⸗Minister von Scholz nebst mehreren Kommissarien beiwohnten, theilte der Präsident dem Hause mit, daß der Abg. Ottow gestorben sei. ;
Das Haus ehrte das Andenken des Verstorbenen in der üblichen Weise. .
Das Haus trat hierauf in die Tagesorhnung ein, deren erster Gegenstand war: die zweite Berathung des Gesetz⸗ entwurfs, betreffend die Feststellung eines Nachtrags zum Staatshaushalts-⸗Etat für das Jahr vom 1. April 1884/85.
Der Gesetzentwurf wurde nach kurzer Debatte unverändert
angenommen. ;
Es folgte die zweite Berathung des Gesetzentwurfs, be—⸗ treffen die Stempelsteuer für Kauf- und Lieferungsverträge im kaufmännischen Verkehr und für Werkverdingungsverträge.
Zu 8§. 1 bemerkte der Abg. Lohren, es sei unbestreitbar, daß in der Stempelsteuer⸗Gesetzgebung, betreffend Kaufvper⸗ träge im kaufmännischen Verkehr, große Verwirrung herrsche. Dieselbe habe ihren Grund vorzugsweise in dreierlei Ur⸗ sachen: 1) in der unklaren Fassung des Reichs⸗Stempel⸗ gesetzes vom 1 Juli 1881, 2) in dem Beschluß des Bundes⸗ raths vom 5. Juli 1882, und 3) in dem Erkenntniß des Reichsgerichts vom 25. Oktober 1880. Dabei träten offenbar zwei Fragen hervor: Welche Kaufverträge unter⸗ liegen heute dem Landesstempel, und wie hoch würde der Stempelsatz nach Annahme dieses Gesetzes sein? Auf diese beiden Fragen gebe die Regierungsvorlage weder im Gesetz, noch in den Motiven eine klare Antwort. Um hierüber klar zu werden, müsse man vor allen Dingen die Bestimmungen des Reichs⸗Stempelgesetzes vor Augen haben. Dort würden in F. 9 diejenigen Verträge namentlich aufgeführt, welche von der Reichs-⸗Stempelabgahe ausgeschlossen blieben, und dem Landesstempel unterworfen werden könnten. Er habe indeß nur das Wort genommen, um der preußischen Regierung für ihre, entgegenkommende Haltung seine besondere An⸗ erkennung auszusprechen, sie habe das fiskalische Interesse nur soweit aufrecht erhalten, als dies ohne Schädigung des Handels- und Waarenverkehrs geschehen könne; er hoffe, die preußische Regierung werde im Bundesrath dieselbe Stellung einnehmen, und dahin wirken, die großen technischen Härten des Gesetzes vom 1. Juli 1881 wieder zu beseitigen.
Der Abg. Zelle sprach sich in dem Sinne des Vorredners aus; er erlaube sich indeß noch eine Anfrage an die Regierung. Es werde in der Vorlage ein Unterschied gemacht zwischen den Verträgen, mo die Waare geliefert werde zum eigenen Gebrauch des Empfängers und wo sie zur weiteren Veräußerung geliefert werde. Wie solle nun der stempelpflichtige Verkäufer prüfen, ob der Käufer zu , , Gebrauche oder zur weiteren Veräußerung die
aare in Empfang nehme? . 3 Hierauf ergriff der Finanz⸗Minister von Scholz das ort:
Die letzte Frage des Herrn Vorredners, glaube ich, ist eine im Allgemeinen schwer zu beantwertende Frage. Das Reichsgesetz hat einmal diese Distinktion aufgestellt. Es hängt davon die Würdigung des Vertrages, der Anspruch des Stempels ab, ob thatsächlich das Verhältniß so oder so gestaltet ist, und es wird Aufgabe Derer sein, die solche Verträge schließen, und die Aufgabe der Behörden, die das Stempelwesen kontroliren, in concreto die . so gut sie können, festzustellen und der Sache zu Grunde zu legen.
Ich möchte mit zwei Worten noch der Kommission des hohen Hauses, die den Bericht erftattet hat, wie den beiden Herren Vor— rednern, den Dank der Königlichen Staatsregierung aussprechen für die wohlwollende Art und Weise, mit der diese allerdings ja kleine, aber nicht unwichtige Vorlage überall aufgenommen worden ist. Ich kann nur anerkennen, daß röllig in Harmonie mit den Ge— danken, die bei der ersten Anregung der Sache hier im Hause aus— gesprochen worden sind, der Verlauf derselben dann auch thatsächlich sich vollzogen hat. Ich nehme deshalb auch gern Gelegenheit, die aus dem Kommissionsbericht hervorgehenden, von den Herren Vor— rednern anerkannten Erklärungen der Königlichen Staatsregierung ausdrücklich meinerseits hier zu bestätigen. Im Uebrigen, meine ö kann ich die Klagen, die eben auch gehört worden sind, über
erwirrung, die in Bezug auf den Kontraktstempel im Reiche und im Lande bestehe, meinerseits nicht etwa in Abrede stellen wollen. Ich möchte auch glauben, daß von den drei Gründen, die der Hr. Abg. Lohren in dieser Beziehung aufgestellt hat, der erste, die Fassung des Reichs ⸗Stempelgesetzes mit der Tarifnummer 4, der bauptsächlichste Grund ist, und daß die beiden anderen Gründe, die Thätigkeit des Bundesraths und die Entscheidung des Reichsgerichts dabei nur gewissermaßen die sekundäre Bedeutung gehabt haben von Ereignissen, die mit Nothwendigkeit sich an die mangelhafte Gesetz gebung angeknüpft haben. ö
Ich darf noch ein Anderes hinzufügen, meine Herren; es ist das hier im Anfang der gegenwärtigen Session, bei der ersten Etats⸗ berathung auch der Regierung von Seiten des Hrn. von Schorlemer, wenn ich mich recht entsinne, in Erinnerung gehracht worden: die Nothwendigkeit auf diesem Gebiet kräftigere Mittel einzusetzen, um die Ziele, die damals mit dem Reichs-⸗Stempelgesetz nur unvoll—⸗ kommen oder gar nicht erreicht worden sind, zu erreichen. Beides, die Anerkenntniß der bestehenden Verwirrung, wie die Aner—⸗ kenntniß, daß die pekuniären Ziele, die mit dem Reichs— Stempelgesetz erreicht werden sollten, in der That nicht erreicht sind, hat die Königliche Staatsregierung fortgesetzt beschäftigt, wie ich Herrn von Schorlemer damals auch gleich antworten konnte, und hat die Regierung bestimmt, ihrerscits keinen Augenblick die Sorge aufjugeben, wie eine Verbesserung erreicht werden könnte. Die Verhandlungen in dieser Beziehung — das kann ich schon heute sagen — haben jetzt zu einem Ergebniß geführt, welches mich hoffen läßt, daß die vreußische Regierung in kürzester Frist beim Bunde rath mit einer Ergänzung, einer Novelle zu dem Reichs⸗Stempelgesetz hervortreten wird, welches wesentlich die Verwirrung, die da . und den mangelhaften Ertrag verhessern soll.
„1 wurde nach der Regierungsvorlage angenommen.
2 lautet nach der Regierungsvorlage, dem sich die
Kommission angeschlossen hatte:
Werkverdingungsverträge, Inhalts deren der Uebernehmer auch das Material für das übernommene Werk ganz oder stheilweise an⸗ zuschaffen hat, sind, Falls letzteres in der Herstellung beweglicher Sachen besteht, wie Lieferungsyverträge unter Zugrundelegung des für das Werk bedungenen Gesammtpreises zu versteuern.
Handelt es sich bei dem verdungenen Werk um eine nicht bewegliche Sache, so ist der Werkverdingungẽvertrag so zu . als wenn ein Lieferungsvertrag über die zu dem Werk erforderlichen, von dem Unternehmer anzuschaffenden be⸗ weglichen Gegenstände in demjenigen Zustande, in welchem sie mit dem Grund und Boden in dauernde Verbindung gebracht werden sollen, und außerdem ein Arbeitsvertrag abgeschlossen wäre. In dem Vertrage muß daher angegeben werden, wie viel von dem de dungenen Preise einerseits als Preis der erwähnten beweglichen
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Gegenstände in dem bezeichneten Zustande, und andererseits als Vergütung für die al dann noch mit denselben auszuführende Arbeit anzusehen ist. Fehlt es an einer solchen Angabe, so ist der = mm mmm, nach dem bedungenen Gesammtxreise zu ver⸗ wenden.
Hierzu lag folgender Antrag des Abg. Beisert vor:
Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen:
Den §. 2 zu streichen und statt dessen folgenden Paragraphen einzuschalten:
Verträge, inhalts deren der Uebernehmer eines Werkes auch das Material für das übernommene Werk ganz oder theilweise an⸗ zuschaffen hat, sind so zu versteuern, als wenn ein Arbeitsvertrag und außerdem ein Lieferungsvertrag über die zu dem Werke er⸗ forderlichen, von dem Unternehmer anzuschaffenden Materialien in demjenigen Zustande, in welchem sie zur Bearbeitung gelangen, ab⸗ geschlossen wäre. Von dem Lieferungsvertrage wird eine Stempel⸗ abgabe von R vom Hundert des Werthes erhoben. In dem Ver— trage muß daher angegeben werden, wieviel ron dem bedungenen Preise einerseits als Preis der erwähnten Materialien und anderer seits als Vergütung für die auszuführende Arbeit anzusehen ist.
Fehlt es an einer solchen Angabe, so ist der Lieferungsstempel nach dem bedungenen Gesammtpreise zu verwenden.
Dieser Antrag wurde indessen abgelehnt und der Para—⸗ graph und damit das ganze Gesetz unverändert angenommen.
Das Haus berieth sodann den dritten Bericht der Kom— mission für Petitionen.
Der Vorsitzende des volkswirthschaftlichen Vereins für Rheinland petitionirte um Verschärfung der Bestimmungen über die Sonntagsruhe.
Die Kommission beantragte, diese Petition der Staats— regierung zur Berücksichtigung zu überweisen.
Der Abg. Dr. Graf wünschte, daß die Petition der Re— gierung als Material überwiesen würde. Auch er und seine Freunde würden für die Sonntagsheiligung eintreten. In dieser Beziehung müsse allerdings noch viel gethan werden, namentlich in den Industriebezirken. Aber man dürfe auch nie vergessen, daß der Mensch nicht des Sabbaths wegen, sondern der Sabbath des Menschen wegen da sei. Unschuldige Vergnügungen am Sonntag dürften nicht gestört werden, schon im Interesse der Gesundheit der arbeitenden Bevölkerung.
Der Abg. Strosser hob hervor, daß allerdings durch die Gewerbeordnung bestimmt sei, Niemand solle zur Sonntags—⸗ arheit angehalten werden dürfen. Aber diese Bestimmung werde vielfach gebrochen, deshalb sei es unbedingt nothwendig, daß ein wirklicher Schutz der Sonntagsruhe hergestellt werde. Auch er wünsche, daß der Arbeiter den Sonntag auch zur Stärkung seiner Gesundheit benutze. Aber dazu bedürfe es nicht großer Extrazüge in weite Fernen, wie das hier in Berlin geschehe. Die Arbeiter könnten die nächsten Umgebungen aufsuchen, wo sie auch Erholung finden könnten. Man sage wohl, daß volle Sonntagsruhe das wirthschaftliche Leben Deutschlands schwer ichädigen werde. Aber diese Auffassung werde durch England und Nordamerika widerlegt, wo die strengste Sonntagsruhe herrsche und doch das wirthschastliche Leben in vollster Blüthe sei.
Der Regierungskommissar, Geheime Regierungs-Rath von den Brincken erklärte, daß sämmtliche Bezirksbehörden aufgefordert seien, zu prüfen, ob die bezüglich der Sonnzags⸗ heiligung bestehenden Vorschriften genügend bekannt seien, oder ob es sich empfehle, dieselben zu sammeln und zu puabli⸗ ziren. Des Weiteren sei angeregt worden, zu untersuchen, ob sich eine schärfere und einheitlichere Behandlung dieser Bestimmungen empfehle. Endlich habe man auch eine Nach— frage darüber angestellt, ob die bestehenden Bestimmungen ausreichend seien. In Bezug auf den letzten Punkt stimmten sämmtliche Berichte, die von den Behörden eingegangen seien, darin überein, daß eine Ergänzung der bestehenden Bestim— mungen nicht nothwendig sei.
Ein anderer Regierungskommissar hob hervor, daß der Frachtverkehr am Sonntag schon bedeutend einge— schränkt sei. Aber weiter zu gehen, als die Eisenbahn— verwaltung bereits gegangen sei, empfehle sich nicht, wenn man nicht bedenkliche Verkehrsstörungen herbeiführen wolle. Extrazüge für den Personenverkehr müßten am Sonntag abgelassen werden, damit nicht die große Zahl Derer, die am Sonntag zur Erholung das Freie aufsuchten, sich auf die ge— wöhnlichen Züge würfen.
Der Abg. on Tiedemann (Bomst) erklärte, daß er die Tendenz der Petition wohl billigen könne. Noch Vieles müsse geschehen, damit eine ordentliche Sonntagsruhe in Preußen hergestellt werde. Aber nach den Erklärungen, welche die Regierung abgegeben habe, halte seine Partei es nicht für ge— boten, durch eine Annahme des Kommissionvorschlages weiter zu gehen, als es die Regierung bereits gethan habe.
Der Abg. Bachem glauhte, daß man sich gegenüber der Frage der Sonntagsheiligung nicht mit einigen wohlwollen— den Redensarten abfinden könne. Man müsse mit konkreten Vorschlägen kommen, und das sei in der Petition geschehen. Er bitte deshalb den Beschluß der Kommission anzunehmen.
Der Abg. Dr. Frhr. von Heereman trat gleichfalls für den Antrag der Kommission ein.
Der Abg. Dr. Wagner hielt staatlichen Zwang für un—⸗ bedingt nothwendig, um eine volle Sonntagsheiligung herbei⸗ zuführen.
Nach einer kurzen Bemerkung Seitens der Abgg. Dr. Graf und Hitze wurde der Antrag der Kommission angenommen.
Hierauf vertagte sich das Haus um 12*/ Uhr auf Donner⸗ stag 10 Uhr.
— Nach der im Reichs⸗Eisen bahn-Amt aufgestellten in der Zweiten Beilage veröffentlichten Nachweisung der auf deutschen Eisenbahnen — ausschließlich Bayerns — im Monat März d. J. beim Gisenbahnbetriebe (mit Ausschluß der Werkstätten) vorgekommenen Unfälle waren im Ganzen zu verzeichnen: 10 Entgleisungen und 3 Zusammen—⸗ stöße auf freier Bahn, 19 Entgleisungen und 18 Jufammen⸗ stöße in Stationen und 128 sonstige Unfälle (Ueberfahren von Fuhrwerken, Feuer im Zuge, Kessel-Explosionen und andere Betriebs⸗Ereignisse, sofern bei letzteren Personen ge⸗ tödtet oder verletzt worden sind).
Bei diesen Unfällen sind im Ganzen, und zwar größten⸗ theils durch eigenes Verschulden, 135 Personen verunglückt, sowie 44 Eisenbahnfahrzeuge erheblich und 107 unerheb⸗ lich beschädigt. Es wurden von den 16044167 überhaupt beförderten Reisenden 2 getödtet, 2 verletzt, und zwar entfällt eine Tödtung und eine Verletzung auf die Reichs-Eisenbahnen in Elsaß-Lothringen, eine Tödtung auf die Württembergischen Staats-Eisenbahnen und eine Verletzung auf den Verwaltungs bezirk der Königlichen Eisenbahn-Direktion Cöln (rechtsrhei⸗ nisch, von Bahnbeamten und Arbeitern im Dienst beim eigeni⸗ lichen Eisenbahnbetriebe 22 getödtet und ö59 verletzt und bei Nebenbeschäftigungen 3 getödtet, 20 verletzt; von Steuer⸗ 2c. Beamten 1 getödtet, 2 verletzt; von fremden Personen (ein—
schließlich der nicht im Dienst befindlichen Bahnbeamten und Arbeiter) 7 getödtet und 7 verletzt, sowie bei Selbstmord⸗ versuchen 9 Personen getödtet und 1 verletzt.
Von den sämmtlichen Verunglückungen — mit Ausschluß der Selbstmorde — entfallen auf:
A. Staatsbahnen und unter Staatsverwal⸗ tung stehende Bahnen (bei zusammen 26 612,47 km Be⸗ triebslänge und 676 255 796 geförderten Achskilometern) 116 Fälle, darunter die größte Anzahl auf die Bahnstrecken im Verwaltungs bezirke der Königlichen Eisenbahn⸗Direktionen zu Breslau (15), Cöln (rechtsrheinisch) (15) und Hannover (14), verhältnißmäßig, d. h. unter Berücksichtigung der geför⸗ derten Achskilometer und der im Betriebe gewesenen Langen sind jedoch auf den Bahnstrecken im Verwaltungsbezirke der Königlichen Eisenbahn-Direktion Erfurt, der Reichs-Eisen⸗ bahnen in Elsaß⸗Lothringen und der Königlichen Eisenbahn— Direktion Cöln (rechtsrheinisch) die meisten Verunglückungen vorgekommen.
B. Größere Privatbahnen — mit je über 150 km Betriebslänge — (bei zusammen 2453,17 km Betriebslange und 42768 922 geförderten Achskilometern) 7 Fälle, darunter die größte Anzahl auf den Bahnstrecken der Hessischen Ludwigs⸗Eisenbahn (3), der Berlin⸗Hamburger Eisenbahn (2) und der Ostpreußischen Südbahn (l), auch verhält niß— mäßig sind auf diesen drei Bahnen die meisten Verun— glückungen vorgekommen.
C. Kleinere Privatbahnen — mit je unter 150 km Betriebslänge — (bei zusammen 1439, 95 kin Betriebs länge und 8 837 478 geförderten Achskilometern) 2 Fälle und zwar auf der Marienburg-⸗Mlawkaer und Tilsit· In flerburger Eisen⸗ bahn je ein Fall.
— Der Dampfer „Taormina“ mit dem Ablösungs— Tommando für S. M. Kbt. „Albatroß“ ist am 2. Mai cr. in Port Said eingetroffen und beabsichtigte, an demselben Tage die Reise nach Sidney fortzusetzen.
Hannover, 12. Mai. Der „Hannov. Kour.“ veröffent⸗ licht Folgendes: 8 ff
Se. Majestät der Kaiser und König haben mich durch telegraphische Ordre vom heutigen Tage zu beauftragen geruht, dem Fest-Eomilé und allen Betheiligten bei der Feier der Enthüllung des Krieger denkmals in Hannover Allerhböchstseinen Königlichen Dank und Allerhöchstseine Anerkennung für diesen Beweis der Vaterlandsliebe und des Gedenkens der Gefallenen auszusprechen.
Ich habe dies dem Fest-Comits durch den Vorsitzenden desselben, Landesdirektor von Bennigsen, bekannt gemacht. Allen Anderen aus Stadt und Land die bei der erhebenden Feier betheiligt waren, gebe ich auf diesem Wege hiervon Kenntniß.
Hannover, den 11. Mai 1884.
Albrecht, Prinz von Preußen, General der Kavallerie und kommandirender General des T. Armee Corps.
Unter den Beschlüssen des am 9. d. M. hierselbst zu⸗ sammengetretenen hannoverschen Städtetages ist von allgemeinerem Interesse eine vom Ober⸗Bürgermeister Lauen⸗ stein-Lüneburg beantragte Resolution: Das von der Staats— regierung dem Landtage der Monarchie vorgelegte Kommunal⸗ steuer⸗Nothgesetz wird von dem hannoverschen Städtetage mit Freude begrüßt, zumal durch dasselbe auch die bisherige Be— schränkung des Besteuerxungsrechts der hannoverschen Gemein— den rücksichtlich der juristischen Personen und Forensen be— seitigt werden soll.
Hessen. Darmstadt, 13. Mai. (W. T. B.) Die Erste Kammer hat das Enteignungsgesetz im Wesent— lichen in Uebereinstimmung mit den Beschlüssen der Zweiten Kammer angenommen, auch die Gesetzentwürse über die Erb— schastssteuer und Schenkungssteuer erledigt. Der Antrag Wasserburg auf Einführung des Einkammer—⸗ systems wurde abgelehnt, der Antrag Frank u. Gen. wegen Aufhebung des obligatorischen Charakters der Fortbildung s—⸗— schule angenommen.
Oesterreich⸗ Ungarn. Wien, 13. Mai. (W. T. B.) Das Abgeordnetenhaus hat heute die Bergbau— Novelle und das Meliorationsgesetz in dritter Lesung angenommen; letzteres nach der Erklärung des Präsidenten mit genügender Majotrität. Der Abg. Sturm hemerkte: die Linke halte sich überzeugt, daß die Majorität gegen das Gesetz gewesen sei, und ersuchte, die Ab—⸗ stimmung zu wiederholen, um den Schein einer Vergewaltigung zu vermeiden. Der Präsident erklärte, daß nach der Ver— kündigung des Resultats der Abstimmung eine wiederholte Abstimmung unstatthast sei, und daß er eine solche nicht vor⸗ nehmen lassen werde. Die Linke verließ nach dieser Erklärung den Saal und hielt alsdann eine Klubsitzung ab.
In der gestern Abend stattgehabten Sitzung des Sub— comité s, welches der Eisenbahnausschuß des Abge— ordnetenhauses zur Prüfung der Nordbahn vorlage eingesetzt hat, vertheidigten der Finanz⸗Minister und der Handels-Minister in eingehender Weise das zwischen der Regierung und der Nordbahn abgeschlossene Uebereinkommen und sprachen sich dabei auch gegen eine Verstaatlichung der Nordbahn aus. .
Pest, 12. Mai. (Wien. Ztg.) Der Fin anz-Ausschuß acceptirte heute den Gesetzentwurf, betreffend die Verwen⸗ dung der in Folge der Urbarialordnung oder auf Grund legislativer Genehmigung für aus den Staatsforsten ver— kaufte Holzbestände eingeflossenen Gelder, im Allgemeinen und Speziellen gemäß der Regierungsvorlage.
Schweiz. Bern, 13. Mai. (W. T. B.) Dem Vernehmen nach beräth der Bundesrath zur Zeit über die Gesetzgebung gegen Personen, die wegen Fürstenmordes nach der Schweiz geflüchtet sind.
Großbritannien und Irland. Lon don, 13. Mai. (W. T. B.) Das Oberhaus hat heute die Vieheinfuhr⸗ bill in der vom Unterhause amendirten Fassung definitiv angenommen. — Der Staatssekretär des Auswärtigen, Lord Granville erklärte: er finde keinen Unterschied zwischen seiner Antwort vom 1. Mai, betreffend die Konferenz, und der bezüglichen Erklälung des Premiers Gladstone. Lord Cairns verlangte eine offene Erklärung über den unklaren Punkt. Der Lordkanzler Lord Selborne bemerkte darauf: der Premier Gladstone habe mit seiner Antwort gesagt, daß, falls bei der Konferenz eine andere Frage als die finanzielle aufgeworfen und behandelt werden sollte, dies als eine neue Konferenz anzusehen sein würde.
Im Unterhaufe wurde das von Hicks-Beach bean⸗ tragte Mißtrauensvotum mit 303 gegen 275 Stimmen abgelehnt. Die Parnelliten stimmten gegen die Regierung.
— Der Unter⸗Staatssekretär Lord Fitzmaurice theilte mit, der Gouverneur von Dongola habe am 10. Mai Verstärkungen verlangt, und es sei deshalb ein Bataillon egyptischer Truppen von Assuan nach Wady Halfa und Korosko beordert worden. Späteren Meldungen zufolge hätten die Nachrichten von den bedenklichen Zuständen in Khartum und Berber einen ungünstigen Eindruck auf die Truppen ausgeübt. .
In der Nähe der Mauer des Arsenals von Woolwich ist heute ein Behälter von Weißblech aufgefunden worden, welcher etwa 40 zur Entzündung von Dynamit und Pulver verwendbare Zünder enthielt. Unweit davon fand man ein anderes Gefäß mit 7 Pfund einer erdigen Masse. Beide Behälter werden gegenwärtig im Arsenal untersucht.
Dublin, 13. Mai. (W. T. B.) Gestera Abend ist hier ein Mfann, Namens Macginn, verhaftet worden, als er mit einem 2 Pfund Pulver enthaltenden Behälter das Hauptthor des hiesigen Schlosses betrat. Der Behälter war mit einem Zünder versehen. Der Verhaftete ist heute zu einer Zmonatlichen Gefängnißstrafe verurtheilt worden.
Frankreich. Paris, 13. Mai. (W. T. B. Der Ministerrath hat beschlossen, einen Theil der in Tong⸗ king befindlichen Truppen staffelweise zurückzurufen, und es sind jür die Rücksendung eines Regiments die erforder— lichen Befehle bereits abgegangen. Durch Dekret des Prä⸗— sidenten Grévn ist die Errichtung von 2 Regimentern tonkinesischer Tirailleurs mit französischen Cadres an— geordnet worden.
Rußland und Polen. St. Petersburg, 13 Mai. (W. T. B.) Die deutsche „St. Petersburger Zeitung“ meldet, daß der russische Gesandte in Teheran dem— nächst mit der persischen Regierung wegen der durch die Er— werbung von Merw nothwendig gewordenen Grenzregu— lirung verhandeln wird.
Afrika. Egypten. Kairo, 13. Mai. (W. T. B.) Aus Suakim wird gemeldet: Osman Dig ma habe gestern mehrere befreundete Stämme angegriffen, die sich auf dem Wege nach dem bei Tamanieb fließenden Bache befanden; die Stämme hätten nach dem Verlust mehrerer Mannschaften 23 ö ergriffen und ihr Vieh in Osman Digma's Händen gelassen.
Seitungsstimmen.
Das „Leipziger Tageblatt“ schreibt über die Ver— längerung des Sozialistengesetzes:
.. Es darf als feststehend betrachtet werden, daß die große Mehr⸗ heit des deutschen Volkes mit dem Ergebniß der Abstimmung ein⸗ verstanden ist, und zwar in viel ausgedehnterem Maße, als das Stimmverhältniß im Reichstage anzudeuten scheint. Ein großer Bruchtheil der freisinnigen Wähler steht in dieser Frage nicht hinter den Ahgcordneten, welche gegen das Gesetz gestimmt haben, und des halb haben es auch die Reiseprediger der Freisinnigen bei ihren letzten Agitationsfahrten geflissentlich vermieden, sich über die Stellung der Partei zur brennenden Frage der Verlängerung des Sozialisten⸗ gesetzes zu äußern. Im Volke lebt die Ueberzeugung, daß durch die fortdauernde Geltung des Gesetzes Ruhe und Ordnung besser ver— bürgt sind als durch die Aufhebung oder Abänderung desselben. Als die Nachricht von der Annahme bekannt wurde, war die Befriedigung darüber auf den Gesichtern der Meisten zu lesen, auch solcher, die mit der inneren Politik des Fürsten Bismarck in wesentlichen Fragen nicht einverstanden sind; es war, als ob man von einem lange Zeit empfundenen Alpdruck befreit wäre. Andererseits war bei den Gegnern der Verlängerung nichts von Aerger oder gar von Erbitterung zu spüren, die erfolgte Annahme des Gesetzes brachte nur die Gewißheit darüber, was die Gegner erwartet hatten, wenn sie auch Das, was sie dachten, nicht äußerten. Der seit nunmehr sechs Jahren bestehende Zustand ist in der That auch für die Sozialdemokraten keineswegs unerträg⸗ sich, sie haben sich im Laufe der Zeit an Mäßigung und an eine Form des Auftretens gewöhnt, welche den bestehenden Ver— hältnissen angepaßt ist. Dadurch werden Störungen der öffent— lichen Ordnung vermieden und die berechtigten Ansprüche der Partei gelangen unter solchen Umständen weit leichter und sicherer zur Anerkennung, als es der Fall sein würde, wenn sie in brüsker und rückhsichtsloser Form erhoben würden. Es hindert auch nichts, allmählich eine mildere Praxis bei Handhabung des Gesetzes walten zu lassen, wenn die Partei von der ihr eingeräumten größeren Frei⸗ heit verständigen Gebrauch macht Der Abg. Geiser sagte am Sonn⸗ abend, daß der Züricher Sozialdemokrat“ seine Sprache mäßigen würde, wenn das Sozialistengesetz aufgehoben würde; seine jetzige Haltung sei nur eine Folge dieses Gesetzes, die sozialdemokratische Presse würde überhaupt, wenn ihr wieder Raum gegeben würde, einen Ton anstimmen, welcher keinen Anlaß zur Klage gebe. Vielleicht entspricht das den Wünschen des Abg. Geiser, aber wir erlauben uns doch, unsere bescheidenen Zweifel zu äͤußern, ob die Thatsachen mit diesen Wünschen übereinstimmen würden. Uebrigens ist ja der Versuch auch unter der Geltung des Sozialistengesetzes nicht ausgeschlossen, daß die Sozialdemokratie auch bei Verfolgung ihrer Parteizwecke die bestehenden allgemeinen Gesetze achtet und die vorhandene staatliche Ordnung als unantasibar gel: ten laßt. Sobald die revolutionäre Tendenz der Partei verschwindet, so fällt auch jeder Grund zur Klage auf Seiten der Ordnungsparteien fort. Fürst Bismarck hat in der Reichstags sitzung vom 9. Mai klar und bestimmt die Ziele bezeichnet, welche die verbündeten Regierungen in sozialpolitischer Beziehung verfolgen: Dem Arbeiter Arbeit zu sichern, so lange er gesund ist, ihm Schutz zu gewähren, wenn er krank ist, und ihn zu unterstützen, wenn er arbeitsunfähig ist. Dieses Anerbieten läßt an Annehmbarkeit gewiß nichts zu wünschen übrig, und es kann nicht fehlen, daß ein großer Theil der Sozialdemokraten dazu seine Zustimmung geben wird. . . .
Als eine besonders erfreuliche Wirkung der Übstimmung vom
10 Mai begrüßen wir die immer klarer hervortretende Thatsache, daß die Sozialpolitik der verbündeten Regierungen bedeutend an Boden gewonnen hat, man erkennt in immer weiteren Kreisen, daß die Ab— sicht, den Wünschen der Arbeiter auf gesetzlichem Wege Rechnung zu tragen, ein glücklicher und der allgemeinen Förderung würdiger ist. Auch dafür bricht sich mehr und mehr das Verständniß Bahn, daß die Lösung der sozialen Frage keine Parteisache ist, sondern daß vielmehr alle Partelen mit dem Arbeiter⸗ stande zur Erreichung des Zieles in friedlicher, ernster Arbeit zusammenwirken müssen. Der Anfang, die soziale Frage aus den Parteiprogrammen auszuscheiden, ist am 10. Mai bereits mit Erfolg gemacht worden = Die Wähler werden sich zunächst darüber vergewissern, wie die Kandidaten für den Reichstag in sozialpolitischer Beziehung denken, das sonstige Pꝛrᷓagramm wird davon steeng getrennt zu, halten sein. In diesem Sinne fassen wir auch die Erklärung des — 5 Bismarck auf, daß die politischen Parteien in Zukunft nteressengruppen werden weichen müssen. Wenn wir uns auch mit einer so radikalen Umgestaltung des Parteilebens nicht ein verstanden erklären können, so glauben wir doch, daß ein Körnchen Wahrheit in dieser Auffassung liegt, und das finden wir in der Noth— wendigkeit, die soziale Frage aus den Parteibestrebungen loszulösen und sie als ein Gebiet zu betrachten, auf welchem sich alle Freunde von Gesetz und Ordnung die Hände reichen müssen. Nur so werden wir der Schwierigkeiten der bevorstehenden Entwickelung Herr werden.
— Die „Berliner Politischen Nachrichten“ melden:
Der Verein deutscher Eisen⸗ und Stahlindustrieller hielt am Dienstag seine Generalversammlung unter Vorsitz des General- Direk⸗ tors Richter in Berlin ab. Dem von dem Geschäftsfübrer Fr. Rentzsch erstatteten Jahresbericht entnehmen wir, daß dem Vereine im abge⸗ laufenen Jahre 356 Mitglieder angehörten, welche 240 9090 Arbeiter beschäftigen und ein Anlage ⸗ und Betriebskapital von 1050 000 000 4 repräsentiren. Für heute wollen wir nur anführen, daß nach den statistischen Ermittelungen des Vereins in den noch nicht 5 Jahren, welche seit Einführung des neuen Zolltarifs verflossen sind, die Zahl der in den Werken beschäftigten Arbeiter um 33,2 0/0, die Gesammt⸗ löhne um 52,1 o und der Lohn des einzelnen Arbeiters um 14.20 gestiegen sind. Besonders bemerkentwerth ist es, daß trotz der un günstigen Konjunktur, der die Hüttenwerke in der zweiten Hälfte des Jahres 1883 unterworfen gewesen sind, die Zahl der Arbeiter, ebe nso wie die Auslohnung eine zum Glück nur unwesentliche Abschwächung erfahren, während sie bei den Maschinenbauanstalten weitere * schritte in der Steigerung erfahren haben. Wir werden auf den hoch⸗ interessanten Bericht jedenfalls noch eingebend zurückzukommen haben. Er bietet das sprechendste Zeugniß für die Rührigkeit, welche die große Eisenindustrie Deutschsands auf allen Gebieten entfaltet, wie für die Segnungen, welche die 1879 inaugurirte Wirthschaftspolitik für Arbeitgeber und Arbeitnehmer gebracht hat.
Archiv für Eisenbahnwesen. Heft 3. — Inhalt; Reise⸗ notizen über südrussische und rumänische Verkehrsverhältnisse, ins besondere über den Getreideverkehr. — Die Eisenbahnen Deutschlands und Englands in den Jahren 1880 und 1881. — Die Stenograpbie im Eisenbahndienst — Notizen: Die Statistik der Güterbewegung auf den deutschen Eisenbahnen. — Die Parkeisenbahn in London. — Eisenbahnen in Palästina. — Die Eisenbahnen im Großherzogthum Baden im Jahre 1382. — Die belgischen Eisenbahnen im Jahre 1882. — Roheinnahmen der italienischen Eisenbahnen in den Jahren 1883 und 1882. — Ueber die Eisenbahnen in Portugal. — Die Eisenbahnen in der Kolonie Victoria im Jahre 1882. — Recht- sprechung und Gesetzgebung: Rechtsprechung: Wegerecht (Erkenntniß des Ober Verwaltungegerichis vom 8. März 1884 — Gesetzgebung: Deutsches Reich. — Preußen. — Oesterreich. — Oesterreich⸗ Ungarn. — Belgien. — Italien. — Rußland. — Bücherschau: Besprechungen Eutz. K.. Der Bau der beveriscken Eisenbahnen rechts des Rheins. — Schreiber, J. F., Das Tarifwesen der Eisenbahnen. — Löper, C., Stammbuch der neueren Verkehrsmittel. — Mühlenfels, v. O.,. Die Haftpflicht der Eisenbahnen und die Unfallversicherung). — Ueber— sicht der neuesten Hauptwerke über Eisenbahnwesen und aus ver wandten Gebieten. — Zeitschriften. .
Centralblatt der Bauverwaltung. Nr. 19. — Inhalt: Nichtamtliches: Preisbewerbung für die Heizungs- und Lüftungs— anlage des neuen Reichstagsgebäudes in Berlin; J. — Ueber Dich— tung von Boden. — Vermischtes: Der Bau eines neuen Reichstags gebäͤudes in Pest. — Das Fredenhagensche Zimmer in Lübeck. — Eine neue Fangvorrichtung für kleinere Aufzüge.
Landtags⸗Angelegenheiten.
Die XVIII. Kommission des Hauses der Abgeord—⸗ neten zur Vorberathung des Gesetzentwurfs, betteffend den Ver kehr auf den Haupt- und Nebenlandstraßen und den in Gemäß— heit des 5. 15 des Gesetzes vom 26. Februar 1879 (Gesetz⸗Samml. S. 94) durch das Amtsblatt der Regierung zu Schleswig bekannt gemachten wichtigeren Nebenwegen der Provinz SchlesUwig⸗ Holstein, mit Ausnahme des Kreises Herzogthum Lauenburg, und den Schutz dieser Straßen und Wege, hat sich, wie folgt, konstituirt: Jacobs, Vorsitzender; Schütt, Stellvertreter des Vorsitzenden; See— husen, Schriftführer; Kasch, Bohtz, von Gerlach, Christophersen, Harders, Körner, Brandenburg, Scholz, Mundt, Hagen, Ottens.
Statistische Nachrichten.
Einer Nachweisung der Anleiheschuld der Stadt Berlin, welche die 9 Anleihen von 1828, 1866, 69, 1870, 74, 75, 76, 78 und 1882, sowie die bis (inde März d. J. erfolgte Schuldentilgung betrifft, sind nachstehende Mittheilungen entnommen: Die älteste An⸗ leiheschuld der Stadt Berlin ist entstanden in den Kriegsjahren von 1806/9. Sie wurde aufgenommen zur Bezahlung der der Stad auf— erlegten Kriegskontribution von 1 Million Thaler, sowie zur Deckung der sonstigen Kriegslasten; dieselbe war ursprünglich Hproz. Im Jahre 1829 wurden die alten Obligationen eingelöst resp. gegen vierprozentige Obligationen im Gesammtbetrage von 3 689 000 Thlr. eingetauscht. Die Tilgung und Verzinsung der Schuld erfolgte bis 1. Januar 1852 durch Verwendung der einkommenden Kommunal⸗ aceise. Durch Kabinets-Ordre vom 5. Juli 1852 wurde der jetzt Amortisationsplan genehmigt, wonach alljährlich nur 1 pCt. des Kapitals und der ersparte Zinsenbetrag zu tilgen sind. — Vom 1. Januar 1843 ab wurde der Zinsfuß auf 3½ pCt. reduzirt. Von 1836—1844 fanden 9 jährliche Verloosungen statt. Von da ab er— folgte die Tilgung durch Ankauf der Obligationen unter dem Pari⸗ course. Von dem ursprünglichen Schuldbetrage von 3 689 000 Thlr. oder 11 067 000 M½ dieser 31/2 proz. Anleihe de 1828 sind bis ultimo März d. J. getilgt 8 330 550 „M, so daß die restliche Schuld 2736 450 ½ betrug. — Die 4 proz. Anleihe de 1866 wurde in Folge der Mobilmachung der Armee ꝛc. mit Zinsen zu 5 pCt. zum Emissions— course vor 90 pCt. ausgegeben. Vom 1. April 1872 ab wurde der Zinssatz cuf 41 pCt., vom 1. Januar 1882 ab auf 4 pCt. herab gesetzt. Die Tilgung hat in 37 Jahren mit 1 pCt. des Kapitals und der durch die Tilgung ersparten Zinsen von 1870 ab zu erfolgen. Der ursprüngliche Schuldbetrag dieser Anleihe von 3 000000 Thlr. oder 9 000 000 M hatte sich bis ultimo März er. durch Amortisation von 1765 275 MS auf 7 234 725 M ermäßigt; zum 1. April er. wurden gekündigt 180 000 AM, so daß gegenwartig die Restschuld dieser Anleihe 7 054 725 ½ beträgt. — Die Anleihe von 1869 war ursprünglich zu 5 pCt. verzinslich; die Verzinsung wurde später auf 41½ pCt. und seit 1. Januar 1882 auf 4 pCt. ermäßigt. Die Tilgung erfolgt in 26 Jahren à 2 pCt. Der ursprüngliche An⸗ leihebetrag von 2 900 000 Thlrn. oder 6 000 09 „ hatte sich durch Tilgung Ende März er. um 5 096400 M vermindert und der Rest⸗ betrag nach Kündigung von 220 500 MS zum 1. April er. beläuft sich gegenwärtig auf 683 100 S — Die Anleihe von 1870, ursprünglich zu 5 pCt. verzinslich, wurde zur Vollendung des Rathhausbaues, des Baues des Krankenhauses und des Irrenhauses kreirt; der Zinsfuß wurde später auf 41 ½ pCt. und seit 1. Januar 1882 auf 4 pCt. her abgesetzt. Die Tilgung erfolgt in 26 Jahren à 2 pCt. Der ur— sprüngliche Betrag von 2 500 600 Thlrn. oder 7500 000 hatte sich durch Amortisation ult. März er. um 6 323 400 S6 vermindert und unter Abzug der zum 1. April er. gekündigten 273 600 M beträgt der Rest der Anleihe gegenwärtig 903 000 6 — Die 41 proz. An⸗ leihe von 1384 im Betrage von 30 000 000 M wurde zum Ankauf und zur Erweiterung der Berliner Wasserwerke kreirt. Der Reichs⸗ Invalidenfonds hat die ganze Anleihe übernommen; die Amortisation in Höhe von 1 pCt. jährlich nebst Zinsenersparniß erfolgt seit 1. Juni 1874. Ende März er. waren getilgt 3 692 000 Me, so daß der Rest dieser Schuld sich auf 26 308 000 S½ beläuft. — Die Anleihe von 1875, ursprünglich mit 4½ Ct. verzinslich, wurde zu Erweiterungsbauten der städtischen Gas- und, zum Bau höherer Lehranstalten, sowie zur Ausführung der Kanalisation im Radial system HI aufgenommen. Der gesammte Anleihebetrag von 24000000 M hatte sich ult. März er. um 3 80 1 300 ½ auf 20 148700 ermäßigt. Seit 1. Januar 1882 wurde der Zinsfuß auf 4 pCt. herabgesetzt; die Tilgung erfolgt mit 2 pCt. p. a. und Zinsenersparniß feit 1. Oktober 1577. — Die 4isa proz. Anleihe von 1876 im Betrage von 30 000 000 ½ wurde zur Ausführung der Erweiterungsbauten der städtischen Wasserwerke und Fortführung der Kanalisation auf⸗
genommen. Ende März d. J. waren 1ö 641 700 amortisirt, so daß der Rest dieser Anleihe betrug 28 358 300 M. Die Tilgung erfolgt mit 1 pCt. p. a. nebst Zinsenersparniß seit 1. Januar 1880. Nach Beschluß der Kommunalkehörden vom März d. J. soll die Konver⸗ tirung der Restbeträge dieser Anleihe von 412 auf 4 pCt. erfolgen, so daß vom 1. Januar fut. ab die Verzinsung nur noch 4 1Ct. beträgt. — Die Anleihe von 1878 im Betrage von 35 000000 4 wurde aufgenommen behufs Vollendung der städtischen Wasserwerke, für die Fortführung der Kanalisation, für die Erbauung eines mit Schlachthäusern verbundenen Viehhofs, für die Erbauung neuer dem Verkehr entsprechender Brücken, für den Bau und die Vollendung des städtischen Arbeitshauses zu Rummelsburg und der städtifchen Irrenanstalt zu Dalldorf und zur Vergrößerung des Betriebsfonds, der Stadt- Hauptkasse. Die Tilgung erfolgt mit 1LpCt. und Zinsenersparniß seit 1. Januar 1881. Diese Anleihe war ursprünglich mit 41 ½ pCt. verzinslich; der Zinsfuß der am 1. Juli 1880 noch unbegebenen 22 500 000 1½ wurde auf 4rCt. herabgesetzt; die Konvertirung der vorher bereits ausgegebenen 12300 009 1M auf 4 pCt. soll zum 1. Januar fut. erfolgen. Von letzterem Anleihetbheile waren ult. März cr. 500 000, von ersterem 1000000 S amortisirt, so daß der Rest der ganzen Anleihe de. 1878 betrug 33 500 000 M — Die 4proz. Anleihe von 1882 im Betrage von 45000000 M wurde aufgenommen behufs Fortführung der Kanalisation, für die 2 stellung fester Brücken, die Erweiterung der Wasserwerke, den Bau des Dienstgebäudes des Königlichen Polizei⸗Präsidiums, eines Kranken hauses im Süden der Stadt, mehrerer Markthallen und eines Hospitals und Siechenhauses, für die Vollendung des Vieh- und Schlachthofes und die Entschädigung der Schlachtberechtigten bei Einführung des Schlachtzwanges, sowie für die Bestreitung der Kosten, welche in Folge Ausführung der Stadtbahn erwachsen. Die Tilgung erfolat mit 1 pCt. p. a. nebst Zinsersparniß vom 1. Januar 188 ab. Am 7. Axril 1884 waren von dieser Anleihe noch im Magistrats Depositorium 23 710 000 6 vorhanden. — Die Gesammtsumme der Anleihebeträge von 1828 — 1882 beläuft sich auf 197 557 000 , davon waren ult. März er. getilgt 32 200 625 „6, so daß die Restschuld sich belief auf 165 366 375 66. Unter Abzug der am 7. April er. vorhandenen Bestände der Anleihe von 1882 (23710000 ½ ) beträgt die Anleiheschuld der Stadt Berlin gegenwärtig 141 656 375 60
Kunst, Wissenschaft und Literatur. Der Chemiker Würtz ist am 12. d. Mts. in Paris gestorben.
. — Im Maiheft des Anzeigers des Germanischen Na⸗ tional museums in Nürnberg“ (in Kommission bei F. A. Brockhaus in Leipzig) wird die beschreibende Uebersicht über die Samm- lungen des Museums fortgesetzt, und folgen in der systematischen Ordnung die Abtheilungen D und E, Malerei und Graphische Künste. Den ersteren Abschnitt ziert als Probe die Reproduktion eines schönen Altarflügels von Michael Wohlgemuth mit den Figuren zweier Hei— ligen, den anderen ein prächtiges Initial aus dem 12. Jahr⸗ hundert und ein Stück aus einer niederländischen Handzeich— nung des 15. Jahrhunderts, eine Kreuzabnahme darstellend, mit charaktervollen, sprechend lebendigen Köpfen. — Die Chronik des Museums hat über den Fortgang des Ausbaues, neuer Aufstellungen und Einrichtungen Folgendes zu melden: Nachdem die günstige Witterung die Wiederaufnahme der Bauarbeiten in diesem Jahre sehr früh gestattet hat, konnte der Saal der landes fürstlichen Städte, das Seitenstück des Saales der Reichsstädte soweit gefördert werden, daß er, wenn auch noch ein Theil der Dekoration fehlt, die nach und nach fertig gestellt wird, jetzt eingeräumt und bald dem Publikum wird übergeben werden können. Zur Zeit wird darin die Rosenbergsche Sammlung aufgestellt. Eben soweit ist die Haupttreppe am Ostbau gediehen; die Wände und Hallen dieses Treppenhauses sollen vorzugsweise zur Aufstellung der Abgüsse von Skulpturen des 16. und 17. Jahrhunderts benutzt wer⸗ den. Das von dem Reichskanzler Fürsten von Bismarck und den anderen Mitgliedern seines Geschlechts gesliftete Fenster, nach dem Entwurf von Professor Wanderer durch den Glasmaler Eisgruber gefertigt, ist bereits in diesem Treppenhause eingesetzt. — Daran reihen sich Notizen über neu angemeldete Jahresbeiträge, einmalige Geldgeschenke, den Zuwachs der Sammlungen, der Bibliothek und des Archivs Durch Ankäufe und Geschenke sowie über das Handelsmuseum und die diesem werdende Förderung. — Die Mittheilungen“ bringen einen Auffatz über Apotheken des IB. Jahrhunderts, von Hermann Peters in Nürnberg (mit 3 sorg— fältigen Facsimiles von alten Holzschnitten), ferner urkundliche Nach— richten von Hans Bösch über eine projektirt gewesene zweite Ausgabe der sogenannten Schedelschen Chronik, der bekannten, reich illustrirten und autgestatteten Nürnberger Weltchronik, durch Conrad Celtis, welche indessen aus unbekannten Gründen nicht zu Stande gekommen ist Am Schluß beschreibt Direktor Essenwein einen Springdolch aus dem 16. Jahrhundert, von dem eine Abbildung beigegeben ist. — Die nächste Nummer soll, wie angekündigt wird, (als Doppel- nummer) erst im Laufe des Monats Juli erscheinen.
— Neapel und seine Umgebung, geschildert von Rud. Kleinpaul., Mit ca, 150 Illustrationen. In 15 Heften zu je 1 4. Leipzig, Schmidt u. Günther. — Dieses reich ausgestattete und doch billige Werk liegt nunmehr abgeschlossen vor. In den letzten Heften, UL bis 15, wird uns das auß der Verschüttung wieder auferstandene Pompeji und die reizvolle Umgebung Neapels geschildert. An der Hand des gelehrten und lokalkundigen Führers machen wir einen Spaziergang durch die alte Stadt, befuchen das Forum mit der Basilien und den derschiedenen Tempeln, die Thermen, die schönen Privathäuser, die Bäcker und Fleischerläden, die Weinschenken, ver— schiedene Magazine, die Theater, das Amphitheater und zuletzt die Gräberstraße. Die alte Stadt wird vor unfern Augen mit all ihrem Luxus und ihren Merkwürdigkeiten wieder lebendig. Wir vertiefen uns in das private und öffentliche Leben und Treiben der Pompejaner und gewinnen dadurch ein recht anschauliches Bild des Lebens der alten Römer überhaupt. Sodann machen wir Ausflüge nach den herrlichsten Punkten des Golfes, wie Pozzuoli, Bajae. Cap Misenum, den reizenden Inseln Ischia, Procida und Fapri, fahren auf den an wunderbaren Aussichten so reichen Landstraßen von Castellamare nach Sorrento und von Salerng nach Amalfi Die vortrefflichen Holz schnittbilder unterstützen unsere Phantasie; wir vertiefen uns mit ganzer Seele in die Erinnerung an die in dieser herrlichen Natur sorglos verlebien, frohen genußreichen Stunden und nehmen hiermit Abschied von diesem Paradiese, das uns vom Verfasser, unterstutzt durch gute Illustrationen, so getreu geschildert worden ist.
Land⸗ und Forstwirthschaft.
Einer Zusammenstellung des im Bezirke des Hof-Jagd⸗ amtes in der Jagdsaison 1883.84 erlegten Wildes und Raub⸗ zeuges sind folgende Daten, zunächst betreffs der Hofjagden, entnommen: Cin Hauptjagen und zwei Lapptreiben auf der Schorf ⸗ heide am 9. und 10. November ergaben 65 Stück Hirsche, 23 Spießer, 195 Wild; an Damwild 5 Schaufler und 18 Spießer, zusammen 306 Stück. — Zwei Suchen mit der Findermeute im abgestellten Jagen im Saupark bei Springe (Hannover) am 17. November 1883 erzielten an Rothwild 1 Hirsch, 1 Spießer, 8 Wild, an groben Sauen 175, an geringen 72 Stück; zusammen 257 Stück. — Eine Suche mit der Findermeute im abgestellten Jagen, zwei Lapp⸗ und ein freies Treiben zu Colbitz ⸗ Letzlingen (Sachsen) am 253. und 24. Nov. ergab an Rothwild 14 Hirsche, 4 Spießer, 20 Wild, an Damwild 1535 Schaufler, 50 Spießer und 399 Wild; an groben Sauen 28, an geringen 129; zusammen 770 Stück. — Eine Suche mit der Findermeute im abgestellten Jagen und ein Hauptjagen zu Göhrde (Hannover) am 15. Dez. ergab 26 Hirsche, 4 Spießer, 20 Wild, an Damwild 135 Schaufler, 50 Spleßer und 399 Wild, ferner 28 grobe und 120 geringe Sauen; alles in allem 289 Stück. — Zwei abgestellte Treiben bei Königs- Wusterhausen am 8. Nov. ergaben an Dampild 103 Schaufler, 48 Spießer, 120 Wild, 88 grobe und 18 geringe Sauen; zusemmen 377 Stück. — Zwei Standtreiben im Feldiagdgehege bei Berlin (Britz: Buckow) am 11. Januar 1884 ergaben 467 Hasen und 1 Fuchs. — Ein eingestelltes Jagen im Grune⸗ wald bei Berlin ans 15. Jan. ergab 53 Schaufler, 42 Spießer, 2060 Wild, 1 Reh, 1 Hase, 1 Fuchs; zus. 300 Stück. — Auf Hof⸗