1884 / 113 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 14 May 1884 18:00:01 GMT) scan diff

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jagdamte⸗Jagden ergaben vier Standtreiben, eine Streife zu Fürsten wald bei Ohlau am 27. Dej. 288 Fasanen, 23 Hasen; zus. 311 Stück. Vier Kessel im Feld⸗Jagdgehege Kiekebusch bei Berlin erzielten 228 Hasen und 2 Füchse. Vier Standtreiben, ein Kessel im Feld⸗ jagdgehege Canne bei Berlin am 2. Jan. 1884 erzielten 116 Hasen, 1 Fuchs. Zwei Standtreiben in der Fasanerie Entenfang bei

otsdam am 7. Jan. ergaben 207 Fasanen, 1 Hasen, 1 Fuchs.

wei Standtreiben, zwei Kessel im Feldjagdgehege Bornim bei Potfdam am 12. Jan. ergaben 316 Hasen. Zwei Standtreiben, vier Kessel im Feldjagdgehege und Fasanerie bei Cassel erzielten 20 Fasanen, 426 Hasen, 16 Strichvögel, 2 Füchse, 4 Wiesel. Auf der Pürsche und Suche, bei kleineren Treib. und Uebungs Jagden, sowie in der Administration und durch Farg in Hochwildgehegen wurden erlegt an Rothwild S5 Hirsche, 27 Spießer und 141 Stück Wild; an Damwild 88 Schaufler, 141 Spießer, 295 Wild; an groben Sauen 44, an geringen 47. Ferner 134 Rehe, 2 Fasanen, 799 Hasen, 132 Rekhühner. 220 Strichvögel, 535 Reiher und Cor- morane, 200 Füchse, 15 Marder, 12 Iltisse 6 Wiesel, 114 Raub⸗ vögel. 579 verschiedene Thiere während der Saison. Ferner in den Jagd- bejtrken bei Potsdam 3 Hicsche, 9 Spießer, 23 Wild Rothwild, an Damwild 1 Schaufler, 2 Spießer, 1 Wild. Ferner 6 Rehe, 141 Fa⸗ sanen, 297 Hasen, 414 Rebhühner, 168 Strichvögel, 41 Füchse, 7 Marder, 29 Iltisse, 26 Wiesel, 96 Raubvögel und 332 Stück ver— schiedene Thiere. Im Feldjagdgehege bei Berlin, Ohlau. Cassel wurden während der Saison 3372 Stück Thiere erlegt. Die Summe aller in der Saison erlegten Thiere beläuft sich an Rothwild auf 180 Hirsche, 3 Spießer, 474 Wild; an Damwild auf 385 Schaufler, 301 Sxießer, 1015 Wild. Grobe Sauen wurden erlegt 421, geringe 337. Rehe gab es 147, Fasanen 814, Hasen 2873, Rebhühner 1836, Gänse, Enten, Schnepfen 2c. 425, Reiher und Cormorane 541, Füchse 293, Marder 33, Iltisse 72, Wiesel 155, Raubrögel 803, verschiedenes Zeug 11273; zusammen 12405 Stück. Hiervon entfallen auf die Strecke Sr. Majestät des Kaisers, Allerhöchstdessen Gesammtstrecke an Hochwild bis beute 369 Hirsche, 435 Wild, 798 Schaufler, 595 Damwild und 1884 Sauen beträgt, für die heurige Saison 35 Hirsche, 54 Wild, 91 Schaufler, 37 Damwild, 84 grobe und 49 geringere Sauen oder 350 Stück Hochwild.

Gewerbe und Handel.

Dortmund, 12. Mai. (Rhein-Westf. Ztg) Im Eisen— geschäft dauert die bessere Beschäftigung der Werke bei ruhigem, doch stetigem Verkehr an. In einigen Branchen haben sich dahei die Aufträge in solchem Maße vermehrt, daß eine weitere Befestigung der Notirungen und kleine Preisaufbesserungen eingetreten sind, während in anderen Geschäftszweigen die matte Tendenz der Vor— woche anhält. So ist die Lage des Roheisengeschäfts noch immer recht gedrückt. In Puddeleisen wird der Verkehr durch große Vor- räthe ungünstig beeinflußt und Bessemer⸗ und Gießereieisen leidet wieder mehr unter der englischen Konkurrenz, die zu Schleuderpreisen massenhaft anbietet, während Spiegeleisen geringerer Export-Nachfrage begegnet. Die heimische Eisenindustrie ist zwar immer noch ungleich besser situirt, als diejenige des Auslandes, mit Ausnahme Oesterreichs, aber zu einem frischen fröhlichen Aufschwunge wird sie wohl erst dann wieder gelangen, wenn die auswärtigen Märkte wieder belebter wer— den, da der inländische Bedarf, in so erfreulicher Zunahme derselbe auch immerfort ist, allein nicht der Leistungzfähigkeit unserer Eisen wecke entspricht. Die eingetretene kleine Belebung kommt haupt sächlich der Walzwerkbranche zu gute und namentlich dem Stabeisen, und Trägereisengeschäöft. Die Saar und Moselwerke hahen den Preis für Stabeisen von 4 S6 pro Tonne erhalten und im niederrheinisch-westfälischen Industriegebiet haben sich die No— tirungen weiter befestigt. Am meisten hat die Nachfrage in Facon⸗ eisen zu Bauzwecken zugenommen, weshalb das betreffende Kartell auch dazu übergehen konnte, den Träger⸗Grundpreis um 5 ( 0. pro Tonne zu erhöhen. Eine weitere Steigerung ist wegen des leb— haften Baugeschäfts in vielen Orten und damit auch eine fernere Preissteigerung zu erwarten. In Blechen besteht eine ziemlich be— friedigende Thätigkeit bei unveränderten Preisen fort. Die Draht— walzwerke sind zwar in Folge eigenen Bedarfs des In- und Aus— landes besser beschäftigt, doch bleiben die Preise wegen der großen Konkurrenz niedrig. Die Stalwerke sind noch immer um aus— reichende Aufträge in Eisenbahnmaterialien verlegen und daher viel fach ungenügend beschäftigt. Die Maschinen fabriken, Gießereien, Röhrenwalzwerke und Lokomotivfabriken haben für längere Zeit Auf— träge in Händen, erhalten auch regelmäßig neue Ordres, während die Waggonfabriken solche nur noch spärlich erhalten, aber auf Grund älierer Abschlüsse noch genügend zu thun haben.

New⸗Hork, 12. Mai. (W. T. B.) Weizenverschis⸗ fungen der letzten Woche von den atlantischen Häfen der Ver⸗— einigten Staaten nach Großbritannien 62 000, do. nach Frank—⸗ reich 7000, do. nach anderen Häfen des Kontinents 20 000, do. von Kalifornien und Oregon nach Großbritannien 15 000, do. nach an— deren Häfen des Kontinents 14000 Qrts.

New ⸗Vork, 13. Mai. (W. T. B.) Der Werth der Pro— duktenausfuhr in letzter Woche betrug 4 805 000 Dollars.

Verkehrs⸗Anstalten.

Bremen, 13. Mai. (W T. B. Der Dampfer des Nord⸗ deutschen Llovd „Rhein“ ist heute Vormittag 11 Uhr in Southampton eingetroffen.

Sanitätswesen und Quarantänewesen.

. Die Königlich unggrische Regierung hai für alle aus Ost⸗ indien kommenden Schiffe eine fünftägige Beobachtungs frist angeordnet.

Die Königlich spanische General Direktion für Woblthätig⸗ keit und Gesundheitspflege hat mit Bezug auf die abgeänderten Art, 30 und 35 des Sarstätsgesetzes und die Ordre vom 10. De⸗ zember 1874 unterm 21. April d. J. beschlossen, die Provenien zen von ganz Indien, an welchem Tage dieselben jenes Land auch verlassen haben mögen, für un rein zu erklären.

Berlin, 14. Mai 1884.

Konsulatsberichte.

Budapest, den 10 Mai 1884. Der „Közgazdasägi értesitö“ („Volkswirthschaftlicher An⸗ zeiger“ vom 8. Mai 1884 Nr. 19 veröffentlicht den in Ueber⸗ setzung untenstehend mitgetheilten Saatenstands bericht. Die Herbst-Weizensagten stehen im Lande dort, wo sie in Folge der vielen Regen nicht umgelegt murden, be— friedig end.

Bezüglich des Roggens ist die Klage allgemein, daß dieser schütter geworden ist.

Die Frühjahrssaaten entwickeln sich im Allgemeinen schön und berechtigen zu guten Hoffnungen.

Ueber Mangel an Fütterungsmaterial ist, insbesondere in Ober- Ungarn, die Klage allgemein.

Im Raps haben die Flöhe, namentlich in den Komitaten Hajdu, Kolozs, Weißenburg, größeren Schaden verursacht, im Komitat Bihar zeigt sich auch der Drahtwurm.

Im Allgemeinen kann man jedoch sagen, daß gegen die Verheerung der schädlichen Insekten die vielen Regen von guter Wirkung waren. .

Maikäfer zeigen sich sehr viele, und wenn auch über positive Schäden bisher keine Meldungen einliefen, so ist doch zu fürchten, daß die Obstbäume Schaden genommen haben.

PVreußische Klassenlotterie. (Ohne Gewähr.)

Bei der heute fortgesetzten Ziehung der 2. Klasse I70. Königlich preußischer Klassenlotterie fielen:

1 Gewinn von 30 000 S auf Nr. 64 2965.

1 Gewinn von 12000 M auf Nr. 89173,

1 Gewinn von 6000 M auf Nr. 69 283.

2 Gewinne von 1800 S auf Nr. 31 000. 60 365.

16Gewinn von 600 M auf Nr. 12810.

6 Gewinne von 300 6 auf Nr. 15 876. 25 695. 37 909. 40979. 43 696. 76111.

Die zehnte Mastvieb-Ausstellung in Berlin und die mit derselben verbundene Autstellung von Maschinen, Geräthen und Produkten für die Landwirthschaft und das Schlächtergewerbe, ver⸗ anstaltet vom Landwirthschaftlichen Provinzial⸗Verein für die Mark Brandenburg und die Nieder⸗Lausitz und dem Klub der Landwirthe zu Berlin, wurde auf dem Centralviehhof der Stadt Berlin heute Vormittag um 9 Uhr eröffnet. Das Arrangement der Ausstellung auf dem Gentralviehbofe war Ldasselbe wie in früheren Jahren; der Ausstellungsplatz ist mit Guirlanden, preußischen und deutschen Fahnen reich geschmückt und gewährt dem Beschauer einen angenehmen Anblick. Von dem Haupteingang von der Stadt her (mit der Pferdebahn Molkenmarkt⸗Viehhof) sind rechts von der Restauration das Rindvieh, links die Schafe und Schweine, und hinter der Restauration die Maschinen ausgestellt.

Preise sind ausgesetzt:!! von Sr. Majestät dem Kaiser und König die goldene Staatsmedaille als Züchter⸗Ehrenpreis für die höchste Gesammtleistung; (in Betreff dieser Medaille ist für dies Jahr eine Bestimmung getroffen, daß dieselbe demjenigen Aussteller zuerkannt werden soll, welcher die höchste Summe an Preisen für selbstgezüchtete Thiere erhalten hat). 2) Von dem . für Landwirthschaft. Domänen und Forsten Dr. Lucius sind dem Comits 11900 M aus Staatemitteln für Geldpreise, sowie 7 Bronze Statuetten, 1 Shorthom⸗-Stier, 1 Shorthom⸗Kuh, 1Rambouillet⸗Bock, 1 Orfordshiredown Bock, 1 Merino-⸗Schaf, 1 Vorkshire⸗Eber, 1 Berkshire⸗Schwein zu Züchter-Ehrenpreisen in den betreffenden Kategorien überwiesen worden. 3) Die Stadt Berlin gewährt für sechs Ehrenpreise 3000 S6. 4) Der vom Aus— stellungs Comité zur Erinnerung an den verewigten Vorsitzenden des Comités und Begründer der deutschen Mastoieh-Ausstellungen Her mann von Nathusius-Hundisburg gestiftete Nathusius-⸗Preis, eine goldene Medaille. 5) Vom Klub der Landwirthe ˖ Berlin eine silberne Zuckerschale. 6) Von dem Hof -⸗Schlächtermeister Bergmann-Berlin eine Bronzestatuette (Normal ⸗Mastschwein). 7) Von dem Schäferei⸗ , Behmer in Berlin ein Gipsmedaillon (gehörnter Merino— Boch.

Die Ausstellung ist reich beschickt: es sind 1357 Thiere ausge— stellt, und zwar 498 Stück Rindvieh, 224 Schafe und 228 Schweine; die Zahl der Aussteller beträgt 193. Die Aussteller vertheilen sich folgendermaßen: Königreich Preußen: Provinz Branden. burg 48 Aussteller (156 St. Rindvieh, 23 Schafe und 39 Schweine), Provinz Pommern 37 Aussteller (59 St. Rindvieh,. 5 Schafe und 42 Schweine); Provinz Schlesien 21 Aussteller (100 St. Rindvieh und 40 Schafe); Provinz Posen 17 Aussteller (33 St. Rindvieh und 13 Schafe); Provinz Hannover 9 Aussteller (9 St. Rindvieh); Provinz Westpreußen 9 Aussteller (26 St. Rindrieh 30 Schafe und 15 Schweine); Provinz Ostpreußen 6 Aussteller (22 St. Rindvieh und 11 Schafe); Provinz Sachsen 4 Aussteller (5 St. Rindvieh und 5 Schafe); Provinz Hessen⸗Nassau 1 Autsteller (11 Schafe und

7 Schweine); Provinz Schleswig⸗-Holstein 1 Aussteller (2? St. Rind⸗

vieh); Großherzogthum Mecklenburg- Schwerin 19 Aussteller (5 St. Rindvieh, 6 Schafe und 82 Schweine) Großherzogthum Mecklenburg ⸗Strelitz 12 Aussteller (1 St. Rindvieh, 43 Schafe und 135 Schweine); Herzogthum Braunschweig 3 Ausszeller mit 12 St. Rindvieh; Großherzogthum Sachsen-⸗-Weimar 2 Auesteller mit 4 St. Rindvieh; Großherzogthum Oldenburg 1 Ausstel⸗ ler mit 4 St. Rindvieh; Fürstenthum Lippe 1 Aussteller mit 5 Schafen; Königreich Sachsen 1 Aussteller mit 2 Schafen Königreich der Niederlande 1 Aussteller mit 10 Schafen. ö Von den Landwirthen haben am meisten ausgestellt: Rud. Reh—= feld⸗ Golzow (Prev. Brandenburg) 53 Nummern; dann Königl. Ober⸗Amtmann E. Preuß⸗Friedrichsaue bei Zechin (Proo. Branden« burg) 47 Nummern; Graf zu Eulenburg Liebenberg bei Löwenberg (Mark Brandenburg) 45 Nummern; Rittergutspächter C. Sattig⸗ Würchwitz bei Klopschen (Prov. Schlesien) 42 Nummern; A. W. Brauer ⸗Hohenhausen bei Ostrometzko. (Prov. Westpreußen) 29 Nummern; M. Schroeder⸗Neubrandenburg (Mecklenburg ⸗Strelitz) 25 Nummern; Opitz von Boberfeld⸗Witoslaw bei Alt-⸗Boven (Prov. Posen) 24 Nummern; Schopper⸗Neuhaus bei Woldegk (Mecklenburg⸗ Strelit) 2? Nummern; Geh. Kommerzienrath von Hansemann— Antonshof bei Poln.⸗Lissa (Prov. Posen) 19 Nummern. Außerdem ist die Ausstellung von 97 Fabrikanten und Ir— dustriellen mit landwirthschaftlichen Maschinen, Geräthen und Pro— dukten reich beschickt.

Der Berliner Zweigverein der Deutschen Meteoro⸗ logischen Gesellschaft hielt am Dienstag, den 6. Mai, seine 4 Versammlung ab. Der Vorsitzende, Geheime Ober ⸗Regierungs⸗ Rath Dr. Thiel, machte zunächst die Mittheilung, daß ein Mit- glied, Professor von Boguslawski, der Gesellschaft wenige Tage vor— her durch den Tod entrissen worden sei. Hierauf nahm Hr. Lr. Frölich das Wort zu einem längeren Vertrage über Messungen der Sonnenwärme. Der Vortragende erörterte zunächst die vom Pro⸗ fessor Langley vorgeschlagene Methode zur Messung der Sonnenwärme und führte aus, daß diese Methode zwar sehr geeignet sei, die Ver⸗ theilung der Sonnenwärme nach den verschiedenen Wellenlängen der Strahlen zu erkennen, daß sie aber was Langley aller— dings auch nicht beabsichtigt habe nicht ausreiche, eigent⸗ liche Maßbestimmungen der gesammten Strahlungsenergie der Sonne und ihrer Veränderungen zu liefern. Redner ging dann zu einer von ihm ausgebildeten und angewandten Methode über, welche darin besteht, daß nicht, wie bei Langley, die Energie der Strahlungen nach den eigzelnen Wellenlängen, son— dern ein gewisser thermischer Gesemmteffekt gemessen wird. Um den absorbirenden Einfluß der Erdatmosphäre unschädlich zu machen, werden die Mefssungen bei möglichst verschiedenen Höhen der Sonne ausgefübrt. Der von Frölich benutzte Apparat ist eine Thermo⸗ säule, verbunden mit einem Galvanometer, mit welcher Einrichtung bekanntlich sehr geringe Wärmeunterschiede gemessen werden können. Mittelst dieser Methode hat Dr. Frölich im Jahre 1883 einige Messungen der Sonnenwärme ausgeführt, aus welchen er den Schluß gezogen hat, daß die Sonne um die Mitte des August 1883, zur Zeit einer ver⸗ migderten Fleckenbildung, eine erheblich gesteigerte Strahlungskraft hatte. Hr. Dr. Hellmann erläuterte ein neues, näch seinen Angaben vom Mechaniker Fueß konstruirtes Reisebarometer und referirte über einige der wichtigsten neueren Publikationen aus dem Gebiete der Mekfeorologie und des Erdmagnetitzmus. Dle Zahl der Mitglieder des Vereins beträgt bereits 83.

Der Berliner Bezirksverein der Deutschen Gesell schaft zur Rettung Schiffbrüchiger hielt gestern Abend im Saale der Germania“, Leipziger Platz 12, seine Generalversamm⸗ lung ab. Dem hier vorgelegten Geschäftsbericht zufolge hat sich der Bezirksverein Berlin in den letzten Jahren einer besonders guͤnstigen Entwicklung zu erfreuen gehabt. Die Zahl der ordentlichen Mit—- glieder betrug in dem Geschäftsjahre 1880 31 714 mit Jahres- beiträgen von 3104 „; das letztverflossene Geschäftsjahr 1883/86

schloß ab mit einer Mitgliederjahl von 1814 und 810 * Jahresbeitrãgen. Besonders reichliche Einnabmen sind dem Bezirks. verein außerdem ars den Erträgen des Selbstschriften Albums Aus Sturm und Noth zugeflossen, welche sich abzüglich aller Unkosten auf 22 966 S belaufen baben. Die werthvollen Originale der Zeich nungen und Handschriften so vieler berühmter Fürsten, Staats manner, Gelehrter und Künstler befinden sich noch im Besitz des Bezirksvereins. Der Ausschuß erachtete es nicht für angängig, die Originale einzeln, etwa im Wege der Auktion zu veräußern, und wartet ein ausreichen des Angebot auf das Gesammtwerk ab. Die Gesellschaft war, wie be⸗ kannt, in besonders würdiger Weise auf der Hygiene ⸗Ausstellung ver⸗ treten und hat hier die allgemeinste Anerkennung gefunden, wie sie denn auch durch Verleihung der goldenen Medaille ausgezeichnet wor= den ist. Der Ausschuß hat bereits die nöthigen einleitenden Schritte gethan, damit die Gesellschast auch in dem hier zu begründenden Hygiene ⸗Museum Modelle ihrer Rettungs⸗ apparate ausstellt. In der im Vorjahre in Bremen abgehaltenen Delegirten Konferenz der Gesellschaft ist der Ausschuß des Bezirks⸗ vereins durch Abgeordnete vertreten gewesen, welke sich davon über zeugen konnten, daß die Gesammtverwaltung von einem vortrefflichen Geiste geleitet wird, und daß andauernd das Bestreben herrscht, durch möglichst vollkommene Ausrüstung der bestehenden Rettungs⸗ statlonen mit den besten Apparaten, durch Errichtung neuer Stationen an allen gefährdeten Punkten unserer Küste und durch musterhafte Organisation des Rettungsdienstes dem Verlust von Menschenleben bei Strandungen nach allen Kräften ent gegenzuwirken. Die Gesammtzahl der durch die Stationen der Ge⸗ sellschaft von dem Tode in den Wellen bewahrten Personen hatte denn auch Anfang dieses Jahres die Höhe von 1463 erreicht. Die General⸗ versammlung schritt fodann zur Neuwahl des Autschusses.

Leipzig, 153. Mai. (W. T. B.) Prozeß gegen von Kraszewski und Hentsch. Am Schluß der heutigen Sitzung wurde auf Beschluß des Reichsgerichts ein amtliches Schreiben verlesen, demzufolge bereits seit 1864 in Paris eine polnische Gesellschaft bestanden hat, deren Zweck die Wiederherstellung Polens war; dieselbe war in den Jahren 1865, 1870, 1873, 1877 und 1878 aktiv aufgetreten und hatte militärisch-statistische Notizen aus ganz Europa gesammelt. Nach Auflösung des Bureaus der Gesellschaft wurden die Mitglieder der selben von der französischen Regierung und namentlich von Gam⸗ betta benutzt, um ein Bureau für Nachrichten aus Deutschland, Oesterreich und Rußland zu organisiren. Der Mittelpunkt der Or⸗ ganisation war Dresden, und von Kraszewski wurden die Zahlungen an die Mitglieder besorgt. Kraszewski stellte dies im weiteren Ver⸗ lauf der Vernehmung in Abrede.

14. Mai. (W. T. B.) Auf Antrag des Vertheidigers Rechtsanwalts Dr. Saul, wurde der Zeuge Paul telegraphtsch vor⸗ geladen. Der Angeklagte Hentsch gab zu, die Mobilmachungès⸗ instruktion und das Reglement für die Pferdeaushebung an Adler ge⸗ liefert zu haben. Hierauf wurden Gutachten des General⸗Kommandos des III. Armee-Corps und des Kriegs. Ministeriums verlesen.

Im Neuen Friedrich⸗-Wilhelmstädtischen Theater tritt heute in der Repertoire⸗Operette „Der Marguis von Rivoli“ Frl. Gusti Zimmermann zum ersten Male als Adrienne auf. Die jugendliche Künstlerin ist bis jetzt nur in der ‚Nacht in Venedig“ erschie⸗ nen, und ez dürfte dieses weitere Debut somit immerhin Interesse er⸗ regen. Auf Freitag ist das Benefiz für Hrn. Karl Swoboda angesetzt. Der beliebte Künstler tritt an diesem Abend als Preton in der Operette „Der Marquis von Rivoli“ auf, deren schöner und an⸗ dauernder Erfolg zu einem großen Theil auf der frischen und humor— reichen Darstellung der Titelrolle durch den Benefizianten be⸗ ruht. Die Operette geht an diesem Abend in der anerkannt ausgezeichneten Originalbesetzung: Wellhof, Swoboda, Szika, Damen Koch, Kollin in Scene. An demselben Tage wird auch der mit allem Komfort und nit elektrischem Licht ausgestattete pracht— volle Sommergartzen des Theaters eröffnet, in welchem allabend⸗ lich großes Doppelconeert von der Theaterkapelle, unter der Leitung des Concertmeisters Hrn. Stiemer, und von dem Trompeter⸗Corps des 2. Garde-Feld⸗Artillerie⸗ Regiments, unter abwechselnder Leitung des Königlichen Musikdirektors Hrn. Lücke und des Stabstrompeters Hrn. Schinck, stattfinden. Diese Concerte beginnen an den Wochen ß 6, an den Sonntagen um 5 Uhr und dauern bis Abends

E.

Im Krollschen Theater wurde vorgestern Boieldieus an— wuthige kleine Oper „Die weiße Dame“ zum ersten Male in dieser Szaison aufgeführt. Das gesällige Tonwerk, welches bei unserem Publikum besonders beliebt ist, hatte das Haus um so mehr gefüllt, cls die Aufführung durch einige neu auftretende künstlerische Kräfte aoch an Intereßse gewann. Die Partie des George Brown“ lag in den Händen des Hrn. José Ledérer vom Stadttheater in Frankfurt a. M. Da dem Künstler ein guter Ruf voranging, erwartete man Bedeutenderes von ihm, als er in der That leisten kann. Zwar gebietet er über eine helle und klare Stimme, doch ist die Tonstärke nur eine mäßige, so daß der Künstler genöthigt ist, sehr schonend mit seinem Organ umzugehen; sonst klingt es leicht verschleiert und, besonders in, den Kraftstellen, bis weilen rauh. Auch was die dramatische Seite seines Könnens be⸗ trifft, kommt Hr. Ledorer über einen gewissen Grad von Bühnen— gewandtheit nicht hinaus; es fehlt seinem Spiel an Unsprünglich—⸗ keit und an innerer, frei aus der Seele sich entwickelnder Empfindung. Als „Anna“ erfreute Fr. Baumann durch ihre frische Stimme und ihren warmen Vortrag. Die Dame führte sich in jeder Beziehung als eine gut geschulte Sängerin ein, welche ihren Hörern immer eine abgerundete und gefällige Leistung darbieten wird, ohne gerade zündende Wirkungen hervorzubringen. Jedenfalls hat sie an diesem Abend ihre Aufgabe sehr angenehm gelöst und den all⸗ seitigen Beifall, der ihr zu Theil wurde, wohl verdient. Lobend zu erwähnen ist noch Frl. Frieda (Margarethe), welche ihr ‚-Spinn lied sicher und geschmackvoll zum Vortrage brachte, und Hr. Gill—⸗ meister, welcher den „Galveston“ schauspielerisch und gesanglich an⸗ semessen durchführte.

(Nat.-Ztg.) Das Philharmonische Orchester ist nunmehr kontraktlich das Orchester der neuen Philharmonischen Gesellschaft geworden, deren erste That es war, dem von der Wintercampaane überaus angestrengten Musikkörper drei Wochen Ferien zu geben. Am 22. Mal endigt diese Ruhepause, und am selben Tage (Himmel⸗ fahrtstag) beginnt das treffliche, durch neue Kräfte noch vervollkomm⸗ nete Orchester seine Sommerconcerte in der Florg in Charlot⸗ ten burg. Die Concerte in der Flora werden täglich stattfinden und bis zum 8. September dauern. Die Beliebtheit des Orchesters, seine interessanten Programme und der schöne Aufenthalt in der Flora werden den Concerten voraussichtlich einen bedeutenden Zuspruch sichern. Das Hrchester steht unter Leitung seines neuen Dirigenten Hrn. Rauchenecker.

Im Zoologischen Garten haben gestern, Dlenftag, die dies⸗ jährigen großen Militär -⸗Concerte begonnen. Dieselben finden, zum Besten der Pensions-Zuschußkasse für die Musikmeister des preußischen Heeres, durch die Infanterie⸗Musikeorps der hiesigen Garde Regimenter an jedem Dienstag, und Sonnabend durch Kavallerie⸗Musikeorps statt. An, den Donnerstagen konzertiren abwechselnd die Musikcorps des ö ö aus Potsdam und des 4. Garde⸗Regiments aus

pandau.

Redacteur: Riedel. Berlia:

Vier Beilagen (einschließlich Börsen · Beilage).

Erste Beilage

zum Deutschen Reichs⸗-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

M 113.

Berlin, Mittwoch, den 14. Mai

ISGS4.

Aichtamtliches.

Preußtzen. Berlin, 14. Mai. Im weiteren Ver⸗

laufe der gestrigen (26) Sitzung des Reichs—

tages wurde die dritte Berathung des Gesetzentwurfs, be— treffen den Feingehalt der Gold- und Silber⸗ waaren, auf Grund der in zweiter Berathung unverändert angenommenen Kommissionsbeschlüsse mit der Diskussion des 5. fortgesetzt.

8.7 lautet nach den Beschlüssen in zweiter Lesung:

Mit Geldstrafe bis zu Eintausend Mark oder mit Gefängniß

bis zu sechs Monaten wird bestraft: . ; 1) wer Gold oder Silberwaaren, welche nach diesem Gesetz mit einer Angabe des Feingehalts nicht versehen sein dürfen, mit einer solchen Angabe versieyt; . .

2) wer Gold oder Silberwaaren, welche nach diesem Gesetz mit einer Angabe des Feingehalts versehen sein dürfen, mit einer 3 als der nach diesem Gesetz zulässigen Feingehaltsangabe versieht;

24 wer gold⸗ oder silberähnliche Waaren mit einem durch dieses Gesetz vorgesehenen Stempelzelchen oder mit einem Stempelzeichen versieht, welches nach diesem Gesetze als Feingehaltsbezeichnung für Gold und Silberwaaren nicht zulässig ist; —f

4) wer Waaren feilhält, welche mit einer gegen die Bestim⸗

mungen dieses Gesetzes verstoßenden Bezeichnung versehen sind.

Mit der Verurtheilung ist zugleich auf Vernichtung der gesetz⸗

widrigen Bezeichnung oder, wenn diese in anderer Weise nicht möglich ist, auf Zerstörung der Waare zu erkennen.

Hierzu lag folgender Antrag des Abg. Lenzmann vor:

Der Reichstag wolle beschließen:

I) In 5.7 Rr. 4 an Stelle des Wortes welche“ die Worte:

von denen er weiß, daß sie“ zu setzen. 2) Dem 5§. 7 als vorletzten Absatz die Worte einzufügen: „Wer aus Fahrlässigkeit Waaren feilhält, welche mit einer gegen die Bestimmungen dieses Gesetzes verstoßenden Bezeichnung versehen sind, wird mit Geldstrafe bis zu 150 6 hestraft.

Der Abg. Lenzmann befürwortete seinen Antrag. Der— selbe bezwecke eine juristische Unklarheit im 8.7 zu beseitigen. Wolle die Regierung auch die Fahrlässigkeit bestrafen, so müsse sie auch eine Fahrlässigkeitsstrafe in das Gesetz bringen, wie er es beantrage. Aber die Fahrlässigkeit müsse mit anderem Maße gemessen werden, als das dolose Handeln. Dies ent— spreche auch der analogen Gesetzgebung über das Feilhalten verdorbener oder verfälschter Nahrungsmittel., Aus den be— theiligten Kreisen sei ihm und seinen politischen Freunden mitgeiheilt worden, daß es in vielen Fällen ganz unmöglich sei, zu prüfen, ob das von dem Fabrikanten zum Verkauf ge⸗ stellte Gold auch dem angegebenen Feingehalt entspreche. Es gebe Leute, die gar nicht in der Lage seien, überhaupt eine Probe zu machen. Der Auktionskommissar z. B. könnte auch wegen Fahrlässigkeit bestraft werden. Es sei also nöthig, die Unterscheidung zwischen dolosem und fahrlässigem Handeln klar und bestimmt hinzustellen und das letztere einer nur mäßigen Strafe zu unterwerfen. ö.

Der Bundeskommissar, Geheime Regierungs-Rath Bödiker entgegnete, wie in der zweiten Lesung, so bitte er auch heute den Antrag abzulehnen, da derselbe weder den Interessen der Betheiligten, noch den Anforderungen, der Gerechtigkeit ent⸗ spreche. Der Antrag beschränke die Wirkung des 5. 7 außer⸗ ordentlich und komme dem ausländischen Fabrikanten auf Kosten des inländischen zu Gute. Eine derartige Berück⸗ sichtigung der Fahrlässigkeit habe bisher noch nicht stattgefunden. Im Nahrungsmittelgesetz handele es sich theils um größere Strafen, die gleich mit Gefängniß und Zuchthaus begönnen, theils um den kleinen Marktverkehr, bei dem eine Fahrlässigkeit sehr leicht vorkommen könne. Aehnlich liege die Sache hei der Gewerbeordnung und beim Preßgesetz. Der Antrag entspreche auch nicht der Gerechtigkeit. Uebrigens werde ja der Richter stets in der Lage sein, nach Maßgabe der Schwere der Fälle bie Strafe zu bemessen. Außerdem sei bei der Schwere der Fahrlässigkeit, bei dem hohen Werth der Gegenstände, um die es sich hier handele, bei der Schwierigkeit der Unterscheidung des Überganges von der Fahrlässigkeit zum dolus, eine Strafe von 150 d entschieden viel zu niedrig gegriffen. Der 8.7 bezwecke ja, den Händler anzutreiben, daß derselbe mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln den Fabrikanten zwinge, vollgewichtige Waare zu liefern; eine so minimale Strafe aber gebe den nöthigen Antrieb weder sür den Händler, noch für den Fabrikanten. Damit komme er auf die Schädi⸗ gung der inländischen Fabrikation zu Gunsten der ausländi⸗ schen. Für den ausländischen Fabrikanten trete allein der Händler ein, und die Gesahr liege nahe, daß der ausländische Fabrikant dem inländischen Händler eventuell Straffreiheit zu—⸗ gesichert habe, indem er für ihn die Strafe erlege. Dadurch könne in der That eine Verschiebung der Konkurrenzverhält⸗ nisse zu Gunsten des Auslandes zu Stande kommen; also l n g diesem Gesichtspunkte aus bitte er, den Antrag ab— zulehnen.

Der Abg. Lenzmann führte dem gegenüber aus, daß der Inländer, im Falle derselbe dolo mals handele, doch noch immer auf Grund der von ihm beantragten ersten abändern⸗ den Bestimmung bestraft werden könne. ö

Der Bundeskommissar, Geheime Regierungs⸗Rath Bödiker erwiderte, der Vorredner habe seine Ausführungen absolut nicht widerlegt. Es sei sehr schwierig, dem inländischen Händler nach⸗ zuweisen, daß derselbe aus dem Auslande bezogene minder⸗ werthige Waare absichtlich verkaufe. Die Deduktionen des Vor⸗ redners könnten von ihm nicht als richtig anerkannt werden. Es gebe Fabrikbesitzer, welche ihr Personal auf das Strengste ver— pflichtet hätten, die aber bei vorkommenden Prozessen dennoch be⸗ straft wurden, weil man sie für das, was ihre Werkmeister gethan hätten, verantwortlich mache. Diese Frage würde von den Gerichten fortwährend so gehandhabt, und seien in Folge dessen nach dieser Richtung schon vielfach Petitionen von Fabrikanten eingegangen. Er bitte daher nochmals den Antrag abzulehnen.

§. 7 wurde nach Ablehnung des ersten Antrages Lenz⸗ mann und nachdem letzterer seinen zweiten Antrag zurück⸗ gezogen hatte, in der Fassung der Vorlage angenommen.

Ebenso der §. 8 und damit definitiv das ganze Gesetz,

Es folgte die dritte Berathung des Entwurfs eines Ge—⸗ setzes, betreffend die zur Erforschung der Cholera nach Egypten und Ostindien entsandte wissenschaft—

liche Kommission, auf Grund der in zweiter Berathung unverändert angenommenen Vorlage.

Der Abg. Dr. Virchow erklärte, er begrüße mit großem Vergnügen diese erste Gelegenheit, der Reichsregierung seine vollste Zustimmung aussprechen zu können. Die Reichs⸗ regierung habe hier ein großes Verdienst in gebührender Weise anerkannt, dabei aber in sehr bescheidener Weise ihre eigenen Verdienste bei dieser Angelegenheit in den Hintergrund ge— schoben. Sie sei es aber gewesen, die mittels des Reichs⸗ Gesundheitsamtes die Initiative ergriffen habe. Der Reichstag habe die Pflicht, es auszusprechen, und anzuerkennen, daß es deutschem Fleiße und deutscher Opfersähigkeit vorbehalten ge— wesen sei, einen Sieg zu erfechten auf einen Gebiete, das alle Völker berühre. Von rein wissenschaftlichem Standpunkte müsse er allerdings sagen, daß durch das bloße Experimentiren noch nicht festgestellt sei, daß das Vorhandensein des Bacillus den Ausbruch der Cholera bedinge. Die Reichsregierung anticipire da einen Erfolg, aber er folge ihr, er anticipire mit ihr denselben Erfolg. Es sei keine Epidemie vergangen, in welcher nicht solche Erhebungen stattgefunden hätten. Deutschland aber sei allen Anderen zuvorgekemmen, und es sei ein schöner Sieg, den Deutschland da auf friedlichem Gebiete erfochten habe. In hochherziger Weise habe Se. Majestät der Kaiser das anerkannt und in der Vorlage zum Ausdruck ge⸗ bracht. Redner hob hervor, daß die fremdländischen Expedi⸗— tionen nichts für die Einrichtung der ihnen aufgetragenen Aufgabe hätten leisten können, während die deutsche Expedition unter den erschwerendsten Umständen, getrieben durch den eigenen Forschungseifer, ein glänzendes Resultat erreicht habe. Redner warnte dabei aber vor der Annahme, daß mit der Ent— deckung dieser Bacillus sich nun eine vollständige Revolution in den bisherigen Maßnahmen gegen die Cholera vollziehen werde. Man kenne bereits seit langen Jahren die Baecillen vieler Krankheiten, so z. B. den Bacillus der Pocken länger als 30 Jahre, ohne daß sich deshalb eine Abänderung des bisherigen Heilsystems als nothwendig herausgestellt hätte. So gehe denn auch die preußische Regierung bei ihren Vor— beußungsmaßregeln gegen die Cholera, namentlich, was die in den See- und Grenzorten angeordneten prophylaktischen Maß— regeln anlange, schon seit langer Zeit von der Annahme aus, daß ein derartiger Organismus die Ursache der Cholera bilde. Er möchte den Wunsch aussprechen, daß nicht immer von Neuem in Zweifel gezogen werde, was durch die Erfahrung bestätigt worden sei, wie es in letzter Zeit mehrfach vorgekommen sei. Dann sei aber auch mehrfach eine gewisse Sicherheit hervorgetreten, daß die Cholera sich nicht fortpflanze. Gerade in diesem Augenblicke habe sich ein Fall ereignet, auf den er, falls es noch nothwendig sein sollte, die Aufmerksam— keit der Staatsregierung hinlenken möchte. Es sei wieder ein englisches Schiff, das „Crocodile“, das auf der Fahrt Cholera gehabt, von Calcutta dicekt nach England gekommen, ohne daß die englischen Sanitätsbehörden auf den Vorstationen ihre Schuldigkeit gethan, und das Schiff angehalten hätten. Für Europa hätte hieraus die größte Gefahr entstehen können, und wenn sie abgewendet sein sollte, so werde es mehr ein Zufall sein, als ein Verdienst der englischen Sanitätsbeamten. Etwas ähnliches werde, glaube er, nicht mehr vorkommen können, wenn man sich überzeugt habe, daß Cholera— keime sich unter den verschiedensten Dingen fort— pflanzen könnten, und daß die Gefahr nicht er— loschen sei nach Ablauf eines bestimmten Termins. Dies sei die Beschränkung, die er hinzufügen möchte. Wenn sich vielleicht in dem hohen Maße alle Erwartungen nicht unmittelbar bestätigen sollten, wenn es nicht gelingen sollte, sofort alle praktischen Maßregeln zu finden, welche die großen Seuchen und namentlich die Cholera von dem deutschen Boden fernhielten, so wolle er gern darin mit der Regierung übereinstimmen, daß schon die Abwehrmaßregeln eine besondere Stärkung erfahren, und daß sie auf sichere und überzeugende Weise von Allen festgestellt werden könnten. Und somit danke er noch einmal der Reichsregierung dafür, daß sie Hrn. Koch entsendet habe, und daß sie, nachdem es ihm gelungen sei, seine Aufgabe zu lösen, ihm auch den Dank des Vaterlandes darbringe. Bei dieser Gelegenheit habe man Anlaß daran zu denken, daß auch im deutschen Vaterland Seuchen anhaltend vorhanden seien, und daß die deutschen Aerzte mit ihnen fort⸗ dauernd im Kriege lebten. Auch da liege ein schwerer Kampf vor; und er dürfe vielleicht sagen, daß in dem Augen— blick, wo eine so ungewöhnliche Belohnung von der Regierung verlangt werde, die einzelnen Regierungen sich bewußt werden möchten, was sie denjenigen Aerzten schuldeten, die im Dienst gegen die Seuchen lebten. Nach dieser Richtung sei noch fast garnichts geschehen, und wenn sein Wort bei dieser Gelegenheit eine Wirkung ausüben sollte, so möchte es die sein, daß die Thränen mancher Wittwe gestillt, die Entwickelung manchen Kindes gefördert werde, indem man sich erinnere, unter welchen Umständen der Vater sein Leben im Dienste der Menschheit eingebüßt habe. Zum Schluß mache er noch auf die ungewöhnliche Form dieser Vorlage aufmerksam. Sonst seien solche Vorlagen stets als Nachtragsetats eingebracht. Er nehme an, daß zu dieser früheren Form künftig wieder zurück— gekehrt werde.

Der Abg. Frhr. von Unruhe (Bomst) schloß sich dem Dank, den der Abg. Dr. Virchow auegesprochen habe, an, in— dem er seine Legitimation hierzu darin sehe, daß er Gelegen— heit gehabt habe, die ersten Anfänge des jetzt so hochbewähr⸗ ten Mannes zu beobachten. Lange Jahre habe er mit dem jetzigen Geheimen Regierungs-Rath Dr. Koch in einer kleinen Kreisstadt in Holstein zusammengewirkt, dort habe derselbe die ersten Forschungen auf dem Gebiete der Untersuchung der Krankheitskeime gemacht. Das Gefühl der aufrichtigsten Freund⸗ schaft fei zwischen ihnen entstanden, und so habe er, nachdem der Geheime Rath Dr. Koch von Deutschland geschieden, mit herz—⸗ lichster Freude die Fortschritte, die derselbe auf dem Wege zum Ruhme inzwischen gemacht habe, begleitet. Er habe nur zu den gewichtigen von der Freude über den ruhmreichen Erfolg der deutschen Wissenschaft getragenen Worten des Abg. Dr. Virchow vom Standpunkt des Laien seine bescheidene Aeußerung hin⸗ zufügen wollen, um auszusprechen, daß nicht allein die deutsche Wissenschaft dem Hrn. Dr. Koch Anerkennung und Dank

zolle, sondern sich das ganze Deutsche Reich zu diesem Danke verpflichtet fühle.

Der Gesetzentwurf wurde ohne weitere Debatte genehmigt.

Es folgte die erste eventuell zweite Berathung des Ent— wurfs eines Gesetzes, betreffend die Abänderung der Maß- und Gewichtsordnung vom 17. August 1868.

Die Maß⸗ und Gewichtsordnung von 1868 hafte als Ge⸗ wichtseinheit das Kilogramm festgesetzt, daneben aber in An⸗ lehnung an das frühere Gewichtssystem das Pfund als Gewichtsgröße fortbestehen lassen. Für das Uebergangsstadium schien das nöthig, hat aber jetzt nach vierzehnjährigem Bestehen der Maß⸗ und Gewichtsordnung keinen Zweck; außerdem machen sich die Uebelstände der doppelten Gewichtsgrößen jetzt besonders empfindlich geltend, weswegen der vorliegende Gesetz⸗ entwurf das Pfundsystem ganz beseitigen, will und als Grund⸗ lage des Maßes und Gewichtes das Meter setzt. Ferner sind in dem Gesetzentwurfe die deutschen Bezeichnungen der Maße und Gewichte, wie „Stab“, „Neuzoll“, „Strich“, „Kette“, „Kanne“, „Schoppen“, „Faß“, „Neuloth“, nicht wieder auf— genommen, da dieselben notorisch im Verkehr gar nicht ge— braucht werden. Endlich soll der Entwurf den Zweck haben, die dringend nothwendige Neuredaktion der Aichordnung zu ermöglichen, welche auf vielfach unsicherer Grundlage ent— standen, einer Ergänzung bedarf.

Der Abg. Karsten erklärte, die Vorlage habe den Zweck, Unklarheiten aus der Konstruktion der bisherigen Maß- und Gewichtsordnung zu beseitigen; man habe früher noch ein gewisses Bedenken gehabt, fremdartige Ausdrücke allein für die Maßbestimmung anzuwenden, und die Dezimaltheilung allein einzuführen. Deshalb seien in der praktischen Aus—⸗ führung viel mehr Schwierigkeiten entstanden, als man habe voraussehen können. Die Vorlage solle nun diese Schwer⸗— fälligkeiten der älteren Redaktion beseitigen, und das reine Dezimalsystem einführen. Nur eine Ungleichmäßigkeit sei noch stehen geblieben: man habe nämlich noch sestgehalten an 1 Hektoliter und 1 Liter. Vom Standpunkt des Fach— mannes würde er sich hiergegen entschieden erklären müssen, denn diese Ungleichmäßigkeit könne zu Verwechselungen füh⸗ ren, und durchbreche das System. Es scheine indessen, daß lokale Wünsche die Konservirung dieser beiden Maße veranlaßt hätten, und so wolle er gern diese kleine Unbequemlichkeit mit in den Kauf nehmen, um das Gesetz als solches zu erhalten. Das Gesetz beabsichtige ferner die Beseitigung bisher bestande— ner Rechtzunsicherheiten. Nach der alten Maß⸗ und Gewichts⸗ ordnung sollten gewisse Stückelungen von Maßgrößen ange— wendet werden. Danach habe die Normalaichungskommission es zugegeben, daß früher einmal benutzte Maße noch weiter benutzt würden, weil sie in der Größe paßten. Es sei aber dabei die gesetzliche Nothwendigkeit eines gleichartigen Stem— pels für das Reich übersehen worden, und deshaib seien zahl⸗ reiche gerichtliche Konfiskationen wegen ungültiger Stempel vorgekommen, obwohl man materiell garnichts dagegen habe einwenden können. Dadurch seien viele Vermögensbeschädi— gungen veranlaßt worden; und derartige Härten wolle das Gesetz nunmehr beseitigen. Er möchte ferner noch eine An— frage an die Regierungen richten. In Bayern und ähnlich in Elsaß-Lothringen bestehe bekanntlich insofern ein anderes System, als im übrigen Deutschland, als in Bayern zur Aufrechterhaltung eines guten Zustandes der Maße und Gewichte verlangt werde, daß beide regelmäßig nachgeaicht würden. In Folge dessen, um keine großen Kosten zu ver— anlassen, sei der Tarif dort ein sehr niedriger. Im übrigen Deutschland überlasse man es dagegen jedem, für die Richtig—⸗ keit seiner Maße zu sorgen, dieselben also einfach zur Berich— tigung an die Aichämter zu bringen. Das könnten dann sehr viel längere Perioden sein; und deshalb seien die Tarife höher. Es wäre vortheilhaft, hier eine Einheit herbeizuführen, indem entweder das übrige Deutschland das bayerische System adoptire, oder Bayern das deutsche. Die periodische Nach⸗ aichung scheine ihm persönlich das Richtigere zu sein, da das Publikum vielfach zu träge sei, um auf die rechte Aufrecht— erhaltung der Maße und Gewichte den nöthigen Werth zu legen. Er bitte die verbündeten Regierungen, das ihrige zu thun, damit man auch hier recht bald eine einheitliche Ver— waltung für ganz Deutschland erhalte.

Der Bundeskommissar, Geheime Ober⸗Regierungs⸗Rath

Weymann erklärte, dieser von dem Vorredner hervorgehobene

Umstand habe die verbündeten Regierungen bereits beschäftigt, und dieselben hätten auch den Mangel einer periodischen Nachaichung anerkannt, würden auch auf Abhülfe desselben Bedacht nehmen. Dagegen erachteten dieselben gegenwärtig den Zeitpunkt für allgemeine Einführung einer so durchgrei⸗ fenden Maßregel noch nicht für gekommen.

Der Abg. Ruppert bat, den süddeutschen Verhältnissen mehr Rechnung zu tragen. Der jetzige Zustand sei doch ein ganz guter. Die Beseitigung von „Centner“ und „Pfund“⸗Bezeichnungen treffe den Kleinhandel sehr empfindlich. Das Nebeneinanderbestehen der behördlichen Ein⸗ richtungen und des Gebrauchs im Voike sei ganz gut möglich. Deshalb werde er in zweiter Lesung beantragen, die An⸗ wendung von Centner und Pfund auch wejter für zulässig zu erklären.

Das Wort wurde weiter nicht verlangt; das Haus trat sofort in die zweite Berathung des Gesetzentwurfes, und ge⸗ nehmigte die Aenderungen zu Artikel 1 und 3.

Artikel 5 setzt für Theile und Vielfache der Gewichts⸗ einheit die Bezeichnungen Gramm, Milligramm und Tonne fest.

Der Abg. Ruppert stellte den Antrag, die Anwendung von Centner und Pfund auch weiter für zulässig zu erklären, und motivirte denselben.

Der Abg. Frhr. von Ow bekämpfte den Antrag Ruppert, indem er sein Bedauern ausdrückte, in dieser Frage seinen süddeutschen Kollegen entgegen treten zu müssen. Das durch den Antrag bewirkte Nebeneinander der Rechnung nach der Pfund⸗ und nach der Grammreihe, in Verbindung mit der Benutzung der Dezimal⸗ und Centesimalwaggen, werde zu vielen Unordnungen und Irrungen führen. Namentlich werde der Verkehr mit den Nachbarländern dadurch sehr erschwert.

Der Abg. Dr. Reichensperger (Crefeld) erklärte, er bitte dem Antrage Ruppert zuzustimmen. So weit er sich um⸗