1884 / 136 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 12 Jun 1884 18:00:01 GMT) scan diff

Aichtamtliches.

Preußen. Berlin, 12. Juni. Im weiteren

Verlaufe? der gestrigen (30) Sitzuyg des Reichs⸗

tages begann das Haus die erste Berathung des von dem Abg. Dr. Windthorst eingebrachten Antrages betreffend die Aufhebung des Gesetzes über die Verhinderung der unbefugten Ausübung von Kirchenämtern, vom 4. Mei 1874. Derselbe lautet:

er Reickstag wolle beschließen; ö dem Ta*stebenden Gesetzentwurfe die verfassungs mäßige Zustimmung zu ertbeilen:

. ; Ge se tz, . betreffend die Aufbebung des Gesetes über die Verhindern? der

unbefugten Ausübung von Kirchenämtern, vom 4. Mai 1874. (Reichs ⸗Gefetzblatt de 1874 Seiten 43, 44) Dir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen 2c. ! . verordnen im Ramen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths und des Rei ; t:

Das Gesetz, betreffend die Verhinderung. der unbefugten Auẽ⸗ übung von Kitchenämtern, vom 4. Mai 1574 (Reich? ⸗Geser blatt Seiten 43, 44) wird aufgehoben.

§. 2.

Die auf Grund dieses Gesetzes ergangenen Verfügungen von

Landes polizeibebörden verlieren . Gültigkeit 8

Das gegerwärtige Gesetz tritt mit den kündigung in Kraft. . . . Der Abg. Pr. Windthorst befürwortete seinen, Antrag. Das FHesetz, dessen Aufhebung er hier beantrage, sei ja Jeinem Inhalt nach dem Hause bekannt, Nach dem Gesetze über die Verhinderung der unbefugten Ausübung von airchenämtern sei es zulässig, daß einem Deutschen das Staatsbürg,rrecht entzogen werden könne, lediglich deshalb, weil derselbe Amts⸗ handlungen, d. h. gültige Handlungen vorgenommen, Sakramente gespendet habe, ohne daß die hohe Staats behörde ihre Genehmigung dazu ertheilt habe. Er wolle sich enthal⸗ ten, die Gefühle zum Ausdruck zu bringen, die einen jeden Kätholtken bei dem Gefetz ergriffen. Er wolle sich nur darauf berufen, daß, als über die Aufhebung des Gesetzes hier zum ersten Male verhandelt sei, eine erhebliche Majoritãt fich für dieselbe geneigt gezeigt habe. Auch der Bundesrath habe nur nach langem Zögern geglaubt, die Annahme des Gesetzes verweigern zu mussen, und er sei begierig darauf, ob derfelbe heute noch auf dem Standpunkt seines früheren Beschluffes stehe. Die staatsrechtliche Frage habe er durch Vereinfachung der Sache zu umgehen versucht, und nur seinen früheren Antrag in Gesetzesform erneuert, um über den⸗ selben eine neue Beschlußfassung des Hauses herbeizuführen. Bei dieser erfien Begründung beschranke er sich auf diese wenigen Worte, er wolle abwarten, ob und in wie fern gegen seinen Antrag gesprochen werde. Eventuell werde er im Schlußwort Gelegenheit haben, auf die Sache weiter ein⸗ zugehen. . Der Abg. Hobrecht erklärte, indem er dem Vorredner für die Kürze und Einfachheit seiner Begründung danke, wolle er dem Hause ebenso kurz mittheilen, weshalb seine politischen Freunde sich zu dem Antrage ebenso wie bei der früheren Äbftimmung' ablehnend verhalten würden. Der xor zwei Jahren gefaßte Beschluß des Reichstages beweise auch jetzt, da sich namlich in der Zusammensetzung des Reichstages nichts geändert habe, daß die Regierung, wenn sie das Gesetz von 1874 aufzuheben Willens wäre, auch jetzt noch einer Majorität sicher wäre. Dieses Gesetz von 1874 enthalte nun einerseitẽ allerdings bedenkliche, andererseits aber auch solche Bestim— mungen, die er noch heute für durchaus zweckmäßig erachten müßsfe. Es gebe doch wahrlich kein humaneres Mittel, als daß die Regierung, wenn sie einem Geistlichen eine den Frie⸗ den siörende Amtsthätigkeit untersagen wolle, denselben aus dieser Thätigkeit entferne. Diese Entfernung sei zweifellos fowohl im Interesse der Gemeinde wie des Geistlichen selbst das beste Mittel. Jetzt liege im Antrage Windthorst nun ein nicht etwa nur auf Aenderung, sondern auf völlige Be⸗ seitigung des Gesetzes von 1874 gerichteter Antrag vor, und er könne darin eben weiter nichts ols eine De— monstration erblicken. Thatsächlich würde auch durch Aufhebung dieses Gesetzes der Rechtszustand, auf dessen Beseitigung es dem Antragsteller wesentlich ankomme, nicht geändert. Seine Partei wolle aber auch keinen Eingriff in die Gesetzgebung der Einzelstaaten machen, womit indessen noch durchaus nicht ausgesprochen sei, daß sie diese Gesetzgebung der Einzelstaaten für eine vorzügliche halte. Habe doch seine Partei sogar eine Revision der Maigesetze beantragt. Da noch so viel andere Mai⸗ gesetze in Frage kämen, um deren Beseitigung es der Partei des Antragstellers zu thun sei, so würde die einfache Beseiti—⸗ gung des einen hier in Rede stehenden Gesetzes auch noch nicht die von jener Seite erstrebte Besserung herbeiführen; Handele es sich hier doch einfach nur um die Bestimmungen betreffend die Vorbildung der Geistlichen. Nachdem nun die Regierung selbst den Boden, auf dem sie konsequenterweise bezüglich der Kirchengesetzgebung hätte bleiben müssen, ver— lassen habe, erscheine es fuͤr die Gesetzgebung nicht opportun, darin die Initiative zu ergreifen. Seine Partei habe im vorigen Jahre gegen die im Landtage zu Stande gekommene

Novelle zu den Kirchengesetzen, wofür die Regierung, die Kon⸗ servativen und das Centrum eingetreten seien, gestimmt, weil feine Partei besorgt habe, daß dieses Entgegenkommen doch keine guten Früchte tragen würde. Seine Partei hätte sich gefreut, wenn ihre damaligen Besorgnisse ünd Prophezeiungen zu Schanden geworden wären, leider aber seien sie nur zu richtig gewesen. Und doch könne seine Vartei sich das Verdienst vindiziren, daß sie den Weg zum Frieden nie erschwert habe, sie habe selbst versshnende Anträge ge⸗

tellt. Dagegen sei es eben nur die Partei des Antragstellers gewesen, welche den Frieden verhindert und der Regierung jeden Schritt zur Versöhnung erschwert habe. Wenn seine

Partei jetzt gegen den Antrag stimme, so wolle sie damit nicht den Kulturkampf verewigen, sondern sie thue es, weil durch Annahme des Antrags der Frieden doch in keiner Weise ge⸗ fördert werden würde.

Der Abg. Frhr. von Minnigerode bemerkte, seine poli⸗ tischen Freunde seien von jeher der Meinung gewesen, daß dieses Gesetz nur ein Kampfgesetz auf beschränkte Daner sein jollte. Nur in Bezug auf die Taktik und wie weit man gehen dürfe, herrsche noch eine verschiedene Auffassung. Aber wäh⸗ rend vor zwei Jahren nur ein Theil seiner Freunde dem An⸗ trag Windthorst zugestimmt habe, der andere Theil eine mo⸗ tivirte Tagesordnung beschlossen habe, hätten sich in? Laufe der Zeit die Verhältnisse fo entwickelt, daß heute wohl auch diejenigen seiner Partei, die damals für die motivirte Tages⸗

ordnung gewesen seien, für den Antrag Tindthorst votiren würden. Es trage zu die ser vermehrten Bereitwilligkeit seiner Partei, auf den Antrag einzugehen, wesentlich der jortgesetzte Rückgang der kirchenpolitischen Krisis in Preußen, sowie auch der Umstand bei, daß durch die neueren preußischen Gesetz das Exvatriürungsgesetz thatsächlich bereits fast gänzlich gegen⸗ stande los geworden sei. Er hoffe, daß auch der Bundesrath dem gewichtigen Votum des Hauses entsprechend künftig seine Stellung zu der Frage wesentlich modifiziren werde. .

Der Abg. Frhr. Langwerth von Simmern bezeichnete dieses Gesetz als noch härter und drückender als das Sozialisten⸗ gesetz. Es sei geeignet, den korporativen Geist in der katholi—⸗ schen Kirche, der gegen viele Elemente im Staate segensreich gewirkt habe, zu zerstören. Wenn die Liberalen einen Bundes⸗ genofsen für' die freiheitliche Entwickelung Deutsckands haben wollten, so müßten sie gegen dieses Ausnahmegesetz stimmen. Jetzt glaube man im katholischen Volke, daß von der Linken kein Heil für die Kirche zu erwarten sei. Es werde ein Moment kommen, wo alle Parteien würden zusammenstehen müssen, um sich der Staatsomnipotenz zu erwehren und die germanische Freiheit zu vertheidigen. Er bitte deshalb den Antrag Windthorst anzunehmen und dadurch die Mannhaftig⸗ keit und die Treue anzuerkennen, mit der das Centrum an einem Gute hange, das doch jedenfalls ein ideales Gut sei, das höher liege, als alle diese materiellen Dinge, in die man jeden Tag mehr zu versinken drohe.

Der Abg. Dr. von Jazdzewski sprach sich Namens der volnischen Fraktion für den Antrag Windthorst aus. Zuerst müße er dem Abg. Hobrecht bestreiten, daß das Gesctz ein weises, maßvolles und humanes sei, er halte es eher für ein gegentheiliges! Im Uebrigen könne er, sich auf die vorjährigen Aeußerungen bezehend, die Zustimmung seiner Fraktion zu dem Antrage erklären. Zuletzt möchte er noch um eine Er— klärung für das Vorgehen de— preußischen Kultus-Ministe— riums vom Bundesrathstische bitten, warum die Wohlthaten der Gesetze von 1882 und 1883, welche gewissermaßen die Folgen des Expatrimungsgesetzes aufböben, bei den Geisilichen in Posen-Gnesen nicht zur Anwendung kämen. Diese Geist— lichen ständen noch immer unter dem Banne dieses Gesetzes, trotznem markante Fälle, er glaube, es seien deren 40, zur Kenntniß des Kultus-Ministers gebracht worden seien. Er möchte die Gründe für eine so maßlose Hartherzigkeit hören, die man gerade gegen die Geistlichen dieser Diszese herrschen lasse; die⸗ selbe könne nur zur Unzufriedenheit der Bevölkerung führen, und es werde Sache der Vertreter des deutschen Volkes sein, auch schon aus diesem Grunde derartige Aus nahmezustände aufhören zu lassen.

Hierauf ergriff der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Staafs-Minister von Boetticher das Wort:

Meine Herren, die Anfrage, die der Herr Vorredner an den Bundesratkstisch gerichtet hat, kann eigentlich nur von der preußischen Regierung beantwortet werden, keiiebungsweise nur vom preußischen Herrn Kultus-Minister. Um aber in dieser Beziebung wenigstens meinen guten Willen zu zeigen und dem Brauche zu folgen, daß, so⸗ weit es möglich ist, ich auf Anfragen, die aus dem hohen Hause ge⸗ stellt werden, zu antworten bereit kin, will ich an der Hand einer 8

Rirtkeilung, Tie mir durch den preußischen Herrn Kultus ⸗Minister rden ist, Folgendes erklären.

Es ist ricktig, daß für eine größere Anzahl von rekludirten, inter— nirten und erratrürten Geistlichen durch den Hrn. Bischof von Kulm b⸗kufs Beseitizung der Anstellungshindernisse, der Antrag gestellt ist, die Wirkungen des Gesetzes von 1874 diesen Geistlichen gegenüber Es ist dies gescheben im Dezember vorigen Jahres und im preußischen Kultus⸗Ministerium sind an der Hand der von dem Herrn Bischof vorgelegten Nachweisungen die einzelnen Fälle geprüft worden, um demnaäͤchft darüber Entscheidungen zu treffen, ob die über die betreffenden Personen Besetzes von 1874 aufgehoben werden können. Daß bisher die Ent scheidungen noch nicht in einer größeren Zahl ergangen sind, allerdings, ich werde sogleich die Ehre haben, zu bemerken, in wie viel Fällen sie bereits ergangen sind ich sage, daß bis ber nicht in einer größeren Anzabl von Fällen Entscheidungen ergangen sind, liegt daran, daß die Angaben in den rorgelegten Nachwei sungen unvollstaͤndig und zum Theil recht unklar waren, so daß in einer von Fällen erst hat nachgeforscht werden müssen, wie e d

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großen Anzahl die Verhältnisse der einzelnen betheiligten Geistlichen lagen. Insbe—

fondere aber bängt die Verzögerung damit zusammen, daß bei Mehrzahl dieser Geistlichen gerichtliche Verurtheilungen vorliegen denen zunächft eine Begnadigung extrabirt werden muß, bevor über sie verkängten Maßregeln des Gesetzes von 1874 aus der Wel geschafft werden können.

Auf die Zwischenbemerkunz des Herrn Vorredners, daß bis jetzt noch in keinem Falle eine Entscheidung ergangen sei, kann ich i mittheilen, daß bisher seit Dezember und zwar bezüglich d sonen, die in der Nachweisung, die der Herr Bischof von Ku gereicht hat, verzeichnet waren, 10 Reklusionen und 21 Intern aufgehoben sind, und daß in diesen Tagen voraussichtlich noch r

Minifter das Geeignete deranlassen wird, um die Entscheidungen her⸗ beizuführen. Daß die Diözese Posen-Gnesen bei diesen Entscheidunge nicht nach gleichen Grundfätzen wie die übrigen Diszesen behandelt sei, ist mir unbekannt und bis zum Beweise, den der Herr Vorredner nicht erbracht hat, erlaube ich mir, dies zu bestreiten.

Der Abg. Richter (Hagen) erklärte im Namen seiner politischen Freunde, daß dieselben nahezu einmüthig für den Antrag stimmen und dadurch den Ausschlag geben würden, daß derselbe eine große Majorität hier in diesem Hause er— halte. Selbst diejenigen seiner Freunde, welche noch 1882 dagegen gewesen seien, seien jetzt auch dafür. Denn es habe sich seit 882 doch viel geändert; die Sachlage sei eine ganz andere geworden. Wie habe denn die Sache damals gelegen? Wenige Tage vor der Berathung des Antrages Windthorst sei damals der preußische Landtag mit einer Thronrede er— öffnet worden, in welcher eine Revision der Maigesetze in Aussicht gestellt sei. Wenn damals von der rechten Seite gegen den Antrag gestimmt worden sei, so habe dies zum Grunde gehabt, daß man das Ergebniß der Session habe ab— warten wollen. Zwischen damals, und heute lägen aber auf kirchenpolitischem Gebiete zwei Novellen, und die Rechtelage sei eine andere geworden. Die Bennungspflicht sei aufgehoben, das Vorbildungssystem sei durch eine Reihe von Dispensen moderirt, Bischöfe seien eingesetzt worden, ohne eidlich an die Maigesetze gebunden zu sein, das Sperrgesetz sei bis auf eine Diözese aufgehoben. Der Rechtszustand sei also ein ganz anderer geworden, und in diesen passe das Gesetz, das der Antrag Windthorst abge— schafft wissen wolle, nicht mehr hinein. Wenn jetzt eine solche Nachgiebigkeit gezeigt werde, so finde er es ganz gerecht— fertigt, wenn das Expatrürungsgesetz aufgehoben werde. Es sei ein Ausnahmegesetz schlimmster Natur, schlimmer als das Sozialistengesetz, denn es schaffe die schärfsten polizeilichen

kaßregeln gegen Personen, die sich doch in ihrem Handeln nicht im mindesten von verächtlicher Gesinnung gegen den Staat hätten leiten lassen. Die Erklärung des Abg. Hobrecht

babe ihn ungeheuer überrascht. Derselbe scheine für einen Kompromiß zu sein, denn gewisse Spitzen des Gesetzes wolle derselbe ja beseitigen, derselbe nenne, das Gesetz aber eine Errungenschaft! Der Abg. Hobreckt sage, es sei eine bumane, weise Maßregel! Das sei ja 1874, wo der Kultur⸗ kampf auf der Spitze gestanden habe, nicht gesagt worden. Dem Nationalliberalismus von heute sei es erst beschieden, dies zu sagen! Er prꝛotestire aber im Namen der Liberalen im Lande gegen eine solche Aeußerung! Einen solchen Ausspruch habe selbst ein Konfervativer nie gethan! Wenn die nationalliberale Partei etwa in solcher Weise auf die Gesetzae bung einwirken wolle, fo könne ja der Hobrecht'sche Gedanke recht fruchtbringend werden. Derselbe sage, man handele human an dem Geist— lichen, den man aus seiner Gemeinde entferne. Nun, viel— leicht würden auch einmal durch Gesetz ehemalige Minister⸗ kollegen aus humaner Rücksicht aus Berlin, oder wenigstens aus dem Umkreife von Lichterfelde entfernt. Tas Expatrürungs⸗ gesetz verletze jeden liberalen Katholiken. Der Abg. Hobrecht fage, die Auihebung des Gesetzes habe keine praktische Wirkung, da ja das Fortbestehen desselben ebenfalls keine solche habe. Und doch habe man vorhin erst vom Bundesrathstisch gehört, daß das Gesetz eine ganze MWasse Umständlichkeiten, deren Be⸗ seitigung schwer sei, verursache. Es müsse aufgehoben werden, denn seine Zerlegung in eine Summe von Dispensen be⸗ friedige Niemanden, und erscheine kleinlich und gehässig! Die Nationalliberalen sprächen immer von einer Revision der Maigesetze! Wie dächten sie sich denn diefe Revision? Er babe die Nationalliberalen schon flehentlich im Abgeordneten— hause gebeten, dem Hause darüber Aufklärung zu geben, aber Fi Nationalliberalen' behielten das Gebeimniß für sich, ebenso wie sie es mit der Börsensteuer thäten. Sie offenbarten es nicht inmal Ihrem Freunde, dem Reichskanzler! Das Schweigen der Frekkonservativen wundere ihn, vielleicht bekomme er aber zeute noch etwas darüber zu hören! Der Minister von Boetticher antworte nur auf einen nebensächlichen Punkt aus der Verwaltungspraxis; auf das, was eigentlich in Frage ftehe, die Stellung der Regierung zur Gesetzgebung, gehe der Minister nicht ein. Der Bundesrath hätte, als der selbe damals den Antrag abgelehnt habe, Gründe angeben sollen; wie würde es denn dem Minister gefallen, wenn die Fort— schrittspartei in den nächsten Tagen ohne Angabe von Gründen sich gegen die Bewilligung der Millionen für die Üüberseeischen Dam psschiffsverbindungen ablehnend verhalten würze. Den Liberalen gegenüber sei der Bundesrath viel gesprächiger als dem Centrum gegenüber. Seine Partei habe neulich ein Programm gemacht. Es habe seiner Vartei gar nichts daran gelegen, die Ansicht zu hören.

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des Bundesraths darüber Seine Partei habe die Herren nicht um ihre Meinung ge— fragt, habe nicht einmal einen Antrag an das Haus gebracht, aber feitenlange protokollarischh Erklärungen erlasse der Bundesrath als Antwort. Die Centrumspartei dagegen, wo sie hier in parlamentarischen Formen eine Gesetzesvorlage verlange, bekomme keine Antwort, Gründe zu hören. Die Sache liege einfach so: die Regierung hahe gar keine sachlichen Gründe jür die Ablehnung. Ihre ganze kirchenpolitische Haltung stehe im Dienst einer Parteitaktik, einer Parteipolitik. Für die Regierung sei die ganze Kirchenpolitik jetzt weiter nichts wie die dienende Magd ihrer allgemeinen Politik. Sie revidire etwas an der Kirchenpolitik, soweit es nöthig sei, um die Centrumspartei bei guter Stimmung zu erhalten; aber sie suche immer noch so viel zurückzubehalten, daß sie auch später noch etwas zu konzediren übrig behalte, um die gute Stimmung des Centrums wo möglich für andere Dinge zu erwerben, die ganz außerhalb der Kirchenpolitik lägen. So stehe die Sache. Man wisse jedenfalls, daß das, was mit den Ueberresten der firchenpolitischen Gesetzgebung erhandelt werden solle, nicht dasjenige sei, was seine Partei wolle, und deshalb könne es seiner Partei Niemand übel nehmen, wenn seine Partei diese Handelspolitik nicht unterstütze und den Handels werth jener Gesetze nicht dadurch erhöhe, daß sie ihre Aufhebung ablehne, Seine Partei habe wenigstens dieses Gesetz längst für reif zur Aufhebung ge— halten, und gerade, weil die Regierung für die Aufrechterhal⸗ tung dieses Gesetzes gar keine Gründe anführe, sollte man umfomehr für den Äntrag Windthorst stimmen. Denn mit Ausnahme der nationalliberalen Partei, die sich jetzt erst für den Inhalt des Gesetzes begeistere, habe es doch bisher Nie⸗ mand als eike Zierde der Gesetzgebung, als etwas Schönes, sondern höchstens als nothwendiges Kampfmittel betrachtet. Solche Ausnahmegesetze, solche exorbitanten Gesetze halte man höchstens so lange aufrecht, wie die Aufrechterhaltung un— mittelbar aus der Situation gerechtfertigt werden könne. Und wenn dies Gesetz auch nicht, wie das Sozialistengesetz, einen bestimmten Termin habe, fo liege es doch nahe, daß ebenso wie bei jenem Gesetz in jedem Jahre die Nothwendigkeit der Aufrechterhaltung bewiesen werden müßte. Wenn das von Seiten der Regierung nicht geschehe, so habe das Haus um so mehr Grund, dafür zu stimmen und sich dahin auszu—⸗ sprechen, daß ein solches Gesetz, wie dieses, sobald als möglich aus der deutschen Reichsgesetzgebung, zu deren Zierde es nicht gehöre, durch seine vollständige Aufhebung entfernt werde. Der Abg. Hobrecht erklärte, nachdem der Abg. Richter den Torwurf des Abg. von Jazdzewski gegen ihn wiederholt, und darauf eine ganze Ketté von Angriffen gegen ihn und seine politischen Freunde bastrt habe, sei er zu einer sachlichen Erwiderung genöthigt. Es habe ihn nicht gerade überrascht, daß Seitens des Vorredners auch bei dieser Gelegenheit die Spitze der Polemik gegen seine Partei gerichtet sei, es sei aber schr charaktẽristisch, auch für die jetzige Haltung der National liberalen, daß er unter ihrem Beifall sich so ausge sprochen habe. Wenn der Abg. Richter auf solche thatsächlichen Un⸗ richtigkeiten, auf solche Verkehrungen seiner (des Redners) Worte feinen Kampf stütze, dann werde er keinen Erfolg haben. Ex habe das Gesetz nicht ein weises, humanes, mildes genannt, er habe im Gegentheil gesagt, daß dieses Gesetz erhebliche be⸗ denkliche Punkte enthalte, aber er habe hinzugefügt, daß es auch Bestimmungen enthalte, die nach seiner Ueberzeugung weife und human seien, und daran halte er auch jetzt noch fest, daß gerade die Bestimmungen, welche die Ausweisung oder Aufenthaltsbeschränkung an Stelle des Gefängnisses als Zwangsmittel setzten, sich als humane darstellten und lange Zeit als humane auch von liberaler Seite bezeichnet, und an⸗ erkannt worden seien. Er habe hinzugefügt, daß er die Aus— schließung dec Gefahr administrativet Willkur für nöthig und wünschenswerth halte nur aus der falschen Voraussetzung, daß er etwas Anderes gesagt, sei die ganze Deduktion des Vor⸗ redners hervorgegangen. Der Abg. Richter habe ferner behauptet, die Ausführungen des Ministers von Boetticher seien der Be⸗ weis dafür, daß das Gesetz doch zur Anwendung gekommen sei. Ganz im Gegentheil habe der Minister bestatigt, was er

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ausgefübrt habe. Wie habe der Abg. Richter bestreiten können daß es angewandt worden sei? Alle hatten ja im preußiscen Land tage den Minister von Goßler die einzelnen Falle nennen hören; er habe nur gesagt, daß es in den letzten Jahren praktisch nicht zur Anwendung gekommen sei. Nun habe man seiner artei ferner zum Vorwurfe gemacht, warum sie denn nic mit selbständigen Revisionsanträgen hervorgetreten sei. Er halte es dagegen nicht für richtia, wenn aus dem Schoße der Volksvertretung im preußiscken Abgeordnetenhause, und noch weniger, wenn hier im Reichstage solche Anträge auf Aende— rung der kirchenpolitischen Gesetzgebung gestellt würden. Ueber das Verhältniß der Kirche, speziell der römisch⸗katholischen, zum Staate sei jetzt seit länger als zehn Jahren so eingehend debattirt, es sei eine solche Unsumme literarischer Arbeiten veröffentlicht worden, daß Jeder, der sich ernstlich mit diesen Fragen beschäftigt habe, sich auch ein Bild davon gemacht haben müsse, in welcher Weise er sich ihre Lösung denke. Aber wenn irgendwo eine Initiative der Volksvertretung unangebracht sei, so sei es gerade auf diesem Gebiete, wo für das freie Ermessen der Verwaltung unver— meidlich ein breiterer Spielraum bleibe müsse man möge sonst die diskretionaren Gewalten der Regierung noch so sehr einschränken wollen wo es auf die praktische Handhabung der Gesetze unendlich viel mehr anksmme, als auf deren Formuliruüng. Er habe sich auch von der event. Lösung jener Fragen ein Bild gemacht, aber er halte es namentlich für eine Partei, der jeder Einfluß auf die Regierung fehle, nicht für richtig, solche Vorschlage zu machen, und sich in einer be— stimmten Richtung zu engagiren. Aus diesem Grunde habe seine Partei vollkommen recht gethan, positive Anträge . einzubringen und auch auf diejenigen von konservativer Seite nicht einzugehen. Er habe damals im Landtage aber aus— drücklich hinzugefügt, daß dieses nicht in dem Sinne geschehen fortsetzen, oder den

sei, als ob seine Partei sen Kulturkampf Revisionsbestrebungen sich feindlich gegenüberstellen wollte.

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Der Abg. Schröder (Lippstadi) bemerkte, es sei na— mentlich vom Centrum, oft gesagt worden, daß die national— weise die Richtigkeit dieser Behauptung mehr, als die heutige

des Abg. Hobrecht. Der einzige Unterschied gegen früher zer, daß die Partei heute etwas bescheidener geworden sei, sich mit dem Torso des Kulturkampfes b inem zscheulichen, halblebendigen, übelrieckenden Fetisch. Was sei nun aber die Folge davon, wenn Jemand ihm mit einem solchen Dinge etwas vordemonstriren wolle. Er halte sich einfach die Nase zu und wende sich ab. Dieses Gefühl mache sich bei jedem gesund organisirten Menschen geltend. Ob die Na⸗ tionalliberalen das geschmackvoll fänden oder nicht, sei it völlig gleichgültig. Trotzdem sei er dem Abg. Hobrecht für seine heutige Rede dankbar, denn sie verstärke seine Hoffnung und sichere Erwartung, daß er es noch erleben werde, vielleicht schon bei den nächsten Wahlen, daß dieser ungeheure Irrthum, welcher den stolzen Namen National⸗ liberalismus trage, und der die deutsche Nation auf allen Gebieten geschadigt habe, einer wahren Freiheit Platz mache. Er werde an diesem Tage nicht trauern. Der Hauptfehler der Reichsregierung bei dem Kulturkampf habe wesentlich darin gelegen, daß der Reichskanzler auch die kirchlichen An⸗ gelegenheiten mit diplomatischen Mitteln behandelt habe. Der Reichskanzler sei ein sehr tüchtiger Mann. Niemand und keine Partei bestreite seine Kraft und Gewandheit auf diplo— matischem Gebiete. Wer hätte je im deutschen Reichstage von einem Blau-, Gelb⸗, Roth- oder Grünbuch gehört? Niemand habe das verlangt. Aber gerade weil der Neichskanzler ein so großer Diplomat sei, hegehe derselbe den Fehler, auch das kirchenpolitische Gebiet diplomatisch behandeln zu wollen. Nichts aber eigne sich weniger zu solcher Behandlung, als die religiösen Grundfragen. Da habe das Herz und das Ge— müth mitzusprechen, vor allen Dingen auch das brüderliche Bewußtsein, daß alle Deutschen eines Stammes seien. In der Diplomatie aber werde auf Herz und Gemüth nichts gehalten, da regiere der kalte Verstand. Und des halb bitte er, heute noch zahlreicher als vor zwei Jahren für den Antrag zu stimmen, damit auch der Bundesrath, wenn derselbe über— haupt noch auf eine gesunde und berechtigte Aeußerung des deutschen Volkswillens, den seine Partei vertrete, Gewicht zu legen beliebe, dieses Mal den Beschluß dieses Hauses nicht ac acta legen könne, sondern moralisch gezwungen werde, auf denselben einzugehen.

Der Abg. Richter (Hagen) erklärte, der Aba. Hobrecht

habe thatsachlich die vorhin von ihne citirten Worte gesprochen, und derselbe könne ihn des Mißverständnisses nickt anklagen. Der Abg. Hobrecht scheine mit seiner Rede so eine Analogie des Spitzhubenparagraphen im Auge gehabt zu haben, wonach, wenn man wegen bestimmter Vergehen verurtheilt sei, eine Beschränkung in Bezug auf den Aufenthalt zulassig sein solle. Wenn der Abg. Hobrecht davon gesprochen habe, daß hier eine Partei ihre Meinung niedergelegt habe, so sei es eigen⸗ thümlich, daß wahrend die Nationalliberglen außerhalb fo überaus gesprächig seien, sie um den heißen Brei der Kirchen⸗ politik sorgfaltig herumgegangen seien. Der Abg. Hohrecht meine dann, eine Partei, der jeder Einfluß auf zie Regie⸗ rung fehle, dürfe keine Initiative im Parlament ergreifen. Wie wunderbare Grundsätze! Er habe bisher immer umge⸗ kehrt gemeint, eine mit der Regierung zusammenwirkende Partei müsse gegen dieselbe gewisse Rücksichten nehmen, um deren Wege nicht zu kreuzen. Wenn nun aber eine Partei deswegen keine Initiative ergreifen könne, weil die Regierung völlig unabhängig von ihr die Initiative ergreife, dann soll⸗ ten die Nationalliberalen lieber überhaupt einpacken, dann hätten sie die Initiative in keiner Situgtion. - Dann thue der Abg. Hobrecht immer, als wenn er ihn persönlich angrei⸗ fen wollte oder seine Partei provozire. Im Gegentheil halte er den Abg. Hobrecht nur für gefährlich für die Partei, welche er führe (Glocke des Präsidenttn. ).... Der Prasident von Levetzow bat den Redner, das persön—⸗ liche Gebiet zu verlassen, und sich nicht mit der Stellung und den Aeußerungen der Mitglieder des Hauses außerhalb dieses Hauses zu beschäftigen.

Der Abg. Richter (Hagen) fortfahrend: er wünsche, daß der Reichskanzler sich diefe Lehre künftig auch einprägen möge, dann wurde in den Reden des Reichskanzlers überhaupt wenig Sachliches übrig bleiben. Uebrigens sei er durch den Abg. Hobrecht provozirt worden. i

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Wenn die nationalliberale Partei draußen im Lande gegen seine Partei in die Posaune stoße und Angriffe der schärfsten Art gegen dieselbe kehre, hier aber den Friedlichen spielen wolle, so werde er die Nationalliberalen hier, wo es sich gehöre, darüber zur Verantwortung ziehen. Es sei gerade der Abg. Hobrecht gewe en, der auf dem Partei⸗ tage als Referent über den Antrag seiner Partei vorgeworfen

nan k . ,, ,,, ; dessen Partei unterscheide. Das sei nicht der Fall; seine Vartei

Im Schlußworte sprach der Abg. Dr. Windthorst den

Was der Abg. Hobrecht gesagt habe, berühre ihn schmerzlich. Wenn der Abg. Hobrecht nicht begreife, wie das Centrum die ttiative ergreifen könne, so alaube er, daß die Nationalliberalen

gegen solche Gesetze, wonach man eine große Minorität wie Sxitzbuben interntre, ergriffen. Er spreche an alle Blätter die Bitte aus, die Rede des Abg. Hobrecht mit großen Lettern zu drucken. Die Aeußerungen, welche von dem intellektuellen Urheber der ganzen Maigesetze, dem Abg. Miguel, aus—

gegangen seien, ließen ihn erkennen, was seine Partei von dieser Seite zu erwarten habe. Wenn der Abg. Miquel die Reden des Abg. Hobrecht lesen würde, so wurde derselbe jedenfalls sagen? Gott behüte ihn vor seinen Freunden. Ge— rade für seine (des Redners) Parteigenossen wäre das Zusam— menstellen der Reden der Abgg. Richter und Hobrecht von Nutzen. Man sage immer, man sei bereit zu revidiren, im ent— scheidenden Momente sei man aber dagegen

sei es klar geworden, daß die Herren die

gebung aufrecht erhalten und nur gan; unwesentliche andern wolten, damit es scheine, als hätten sie ett

Es sei aut, daß diese Verhältnisse heute klar gew 16 5 l

6 ee . Vd . namentlich im Hinblick auf die bevorstehenden Wahlen. )

14 Abg. Hobrecht habe die Leidenschaften nicht erregen wollen, derselbe habe aber doch gerade alle die Punkte gestreift, die seine Partei am meisten seit Jahren berührt hätten. Er wolle aber nicht darauf eingehen, um die gute Uebereinstimmung in der großen Majorität, die sich für seinen Antrag erklart

habe, nicht zu stören. Er hätte gewünscht, daß auch die

Freikonse zativen si * 25 82 t hätten 12* . ö 6

Freikonservativen sich geäußert hatten, aber hervorragende e

Mitglieder dieser Partei hatten ihm erklärt, daß sie seinen

Antrag billigen würden. Aus der Abstimmung werde man ja die Stellung derselben entnehmen, er würde es beklagen, wenn auch jetzt noch diese Partei in diesem Punkte mit den Nationalliberalen zusammenginge. Dann hätte er endlich dringend gewünscht, daß die Regierung erkläre: „sie gebe das Gesetz auf!“ Gerade darin, daß die Regierung Las nicht thue, hätte der Abg. Hobrecht Grund finden n , das Gesetz zu beseitigen. Zum Schluß danke er nochmals den Herren, welche feiner Partei heute in solcher Weise zu Hülfe

gekommen seien. . Die erste Berathung wurde geschlossen und das Hau trat sofort in die zweite ein.

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Zu 5§. 1 bemerkte der Abg. Dr. Reichensperger (Krefeld) dem Abg. Hobrecht gegenüber, er sei demselben schon so ojt entgegengetreten, daß er ihn heute seiner Selbstbetrachtung überlassen wolle. Auf dem Gebiete der Kirche it

die Nationalliberalen nichts gelernt und nichts vergessen. Der Reichstag habe sich nur zweimal mit dem Kulturkampf zu befassen gehabt, das seien zwei dunkle Punkte in der Reichs⸗ gesetzgebung. Den einen auszulöschen, sei heute Gelegenheit geboten. Er hoffe, daß auch der Bundesrath zustimmen werde, möchte Gott ihn nach dieser Richtung erleuchten und ihm den rechten Weg zeigen, derselbe sei nicht schwer zu finden.

In namentlicher Abstimmung wurde §. 1 mit 217 gegen 40 Stimmen angenommen.

ow v als 25 npolitik hätten = 5

Zu 8. 2 erklärte der Abg. Freiherr von Minnigerode, daß seine Freunde gegen den Paragraphen stimmen würden, da derselbe dem Gesetze rückwirkende Kraft geben würde.

Der Abg. Dr. Blum führte aus, gegenüber, welche heute von rechts und links gegen die Na— tionalliberalen gemacht würden, möchte er doch darauf hin— veisen, daß Diejenigen, die diese Angriffe machten, vor zehn Jahren für das Gesetz gestimmt hättsn. Wenn die Verhält— nisse heute so wären, wie sie damals ih ienen seien, würde er nochmals seine 3 ig zu dem Gesetz gehen. Der Kampf des Centrums sei immer gegen die Grundvesten des Staates gerichtet, darum sei seine Partei für die Auf⸗ rechterhaltung des Expatriirungsgesetzes, und zwa so lange, bis die preußische Regierung selbst erkläre, daß sie des Gesetzes nicht mehr bedür Man mache den Nationalliberalen immer den Vorwurf der Veränderlichkeit. Er glaube, man müßte doch endlich anerkennen, daß seine Partei konsequent sei. Seine Partei sei es nicht, die um die Stimmen des Centrums buhle! Der Abg. Windthorst thäte gut, sich nicht in die Parteisachen der Nationalliberalen zu mischen und von außer dem Hause stehenden Führern in sprechen.

Der Abg. Dr. Windthorst erklärte, die Nationalliberalen

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seien es, welche die erorbitantesten Ausnahmegesetze aufrecht erhalten wollten. Man kenne ja diese Liberalen, die den Liberalismus im Munte führten, aber in der That die

ärgsten Tyrannen seien. Bei der Grundsteinlegung zum neuen Reichstagsgebäude sei von allen Seiten zur Eintracht ermahnt worden, alle Parteien des Reiches sollten als Brüder bei einander wohnen. Glaube der Vorredner, daß dies mög— lich sei, wenn die nationalliberalen Grundsätze, die schon petrefakt geworden seien, in Geltung bleiben würden? Inter— eßant sei es, daß der Vorredner gegen eine Einmischung feinerseits in die Ängelegenheiten der nationalliberalen Partei protestirt habe. Er habe auf einen der abwesenden Partei⸗ führer nur hingewiesen, weil man an gewissen Stellen glauwe, daß derselbe die Partei mit einem neuen Geiste überschüttet habe. Aus seinen Aeußerungen glaube er annehmen zu können, daß derselbe mit dem Kulturkampfe jetzt wenigstens nicht mehr ganz einverstanden sei. Er nehme Veranlassung, darauf hin⸗ zuweisen, damit die Süddeutschen von dieser heutigen Leistung des Nationalliberalismus oder des „Nationalismus“ denn einzelne Mitglieder der Partei gingen ja soweit, daß sie den Lideralismus ganz streichen wollten Kenntniß nähmen. Wenn so der Haß gegen die katholischen Mitbürger zum Grund— satz erhoben werde, wenn so der Kampf gegen die Kirche fort⸗ gesetzt werde, dann werde man dadurch die Grundvesten des Reichs erschuüttern. Dagegen, daß die nationalliberale Partei jede Iniative ausgebe, wolle er garnichts einwenden; er ditte nur die Zeitungen, diesen neuen Satz, der aus Baden komme, abzudrucken. Daß der Abg. von Minnigerode Skrupel in Bezug auf 8. 2B habe, bedauere er. Auch wenn man ihn sireiche, würden die auf Srund des Gesetzes erlassenen Polizei⸗ verfügüungen ihre Bafis verlieren. Er halte den 8. 2 gar nicht für nöthig, aber auf Wunsch eines Freundes, und um gar keinen

2 R, 7 2 2 Tor 2 * . 7901 —2* . Zweifel aufkommen zu lassen, habe er denselben aufgenommen. Er bitte ihn ebenso wie den 3. L anzunehmen.

Der Abg. Richter (Hagen) bemerkte, auch er wolle wie der Abg. Hobrecht die unveräußerlichen Rechte des Staates nicht aufgeben; nur sei seine Partei in dem, was sie für un⸗ veräußerlich halte, nicht abhängig von den wechselnden Ansichten des Reichskanzlers. Die Nationalliberalen wollten die Initiative in dieser Gesetzgnebung der preußischen Regierung überlassen. Diese Bescheiden heit auf kirchenvpolitischem Gebiete sei um so rührender bei den Nationalliberalen, als der Reichs⸗ kanzler sie der nationalliberalen Partei selbst garnicht zumuthe. Der Reichskanzler widme den Nationallikeralen freundliche

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Worte, aber aus der Schüssel dürfe diese Partei nicht essen. Sie sei dazu bestimmt, die Schüssel aun Er wünsche, daß die nationalliberale Partei ihre Beschei lieber auf dem Gebiete der Steuergesetze bekunde, daß

U ir

auch nicht dem Reichskanzler vorgreife, dadurch, daß Kanzler eine Schüssel mit neuen Steuerprojekten v

3 * * J 5 . 2 1 2 2 . 1 was die Folge habe, daß das Haus noch länger mit V

geplagt werde, als demselben lieb sei. Das habe die nati liberale Partei mit ihrem Heidelberger Programm allein ver⸗ schul det!

Der Abg. Dr. Blum erklärte dem Abg. Wind: horst gegen⸗ über, daß ihm nichts ferner liege, als Haß gegen die Partei des Centrums. Sein Streben gehe vielmehr dahin, in deutschen Landen solche Zustände zu schaffen, daß die ver schiedensten Parteien, und daß namentlich auch die verschiedenen

75 0 2 3 . . 21 ** Kirchen ohne Haß eneinander leben könnten

inander en tonn

Zustand halte er aber nur dann für möglich,

schreitungen des Hasses gehörig verhinder

und der Staat stark genug sei, sie zu r

Partei wolle keinen Zustand, der an den

erinnere. Dem Abg. Richter erwidere

Partei bei der Heidelberger Erklärung ke

allgemeine Verkehrssteuer gedacht habe, so

jetzt dem Bundesrath vorliege. Auf die mineralogisch

gleiche des Abg. Windthorst gehe er nicht ein; ihm von sein Standpunkt aus könne nichts versteinerter vorkommen, als die Ansicht des Abg. Windthorst. Wenn derselbe seiner Partei endlich vorgeworfen habe, seine Partei hole sich außer— halb des Hauses ihre Instruktion, so frage er den Abg Windthorst bloß, ob sich nicht das Centrum seine Instruktion sogar von außerhalb der deutschen Reichsgrenzen hole?

Der Abg. Richter (Hagen) bemerkte, er habe dem Abg Blum und seinen Freunden gerade vorgeworfen, daß sie durch die Heidelberger Erklärung eine allgemeine Begeisterung fur eine höhere Börsensteuer erweckt hätten, ohne irgend Jemand klar sagen zu können, was sie darunter verständen. So viel hatten die Nationalliberalen doch den Reichskanzler als prak— tischen Mann kennen müssen, daß derselbe das Feuer der Begeisterung für neue Steuern, das die Nationalliberalen angefacht hätten, sofort benutzen würde, um seine kaltgestellten älteren Vorlagen daran wieder aufzuwärmen, und dem Hause vorzulegen.

Der Abg. Dr. Windthorst erklärte, daß die National— liberalen sich von außerhalb Rath holten, habe er nicht ge— tadelt. Er billige es im Gegentheil vollkommen, daß der, der sich nicht selbst zu rathen wisse, sich von Andern rathen lasse. Ess sei übrigens recht interessant, daß die Rathgeber der nationalliberalen Partei, die Herren von Bennigsen und Miquel, verglichen würden mit der Stelle, von der das Cen—

w ich seinen Rath hole. S8. 2 wurde darauf angenommen. Auch F§. 3 fand die

Zustimmung des Hauses.

trum

Es folgte die Berathung des Antrags der Abgg. Acker— nann und Genossen, betreffend die Errichtung von Ge— werbekammern. Der Antrag lautet

Der Reichs alle heichließ

amern eingeführt werden. 5 * * 89 12 23 85 1 beantragten Meyer und Genossen:

w 4 R zu dem Reichstage 1 deN eL SsIass ein 8 * . * 3. 6274 = s vorzulegen, durch z umten Gewerbestande herrorgebende Gewerbekammern eingeführt d ro ege? Vewertdelammern e 2 .

erner die Abgg. Kayser und Genossen: w hieß Q * mnelichẽ 51

1 J Fer m Lig Ser- v C CC CLI Sed

RN 3 .

Reichsfanile

g tten eiter ern errichtet werden.

Der Abg. von Kleist-Retzow erklärte, für andere produktive

Stände hätte man seit I olche Institutionen, wie der

heutige Antrag sie für de werbe, und insbesondere

das Handwerk, vorschlage. Der Ha sstand

Handelskammern, die Landwi e Dekono

8 = . *. Einer derartigen kollegialen Vertretung bedürfe werker, der nur in der Zusammenfassung seines ganzer

CC. a * 20 . 83 1 5 1. w Die einzelnen Innungsverbe rt 1

.

für sich allein ohnmächtig sei, noch in weit höherem Maße.

rbände verträten stets nur di i⸗ teressen der betreffenden Innungen. Es sei noch ein geme sames Organ für die Interessen

iterefsfsen des ganzen Standes als

solches erforderlich. Es sei von fachn ; =

schlagen worden, daß von der Landwirthschaft,

industrie, dem Kleingewerbe und dem Handel je nach ihrer

Bedeutung vier große Gruppen zu bilden seien, welche dann .

r (vr g s- 6 Groß⸗

gemeinschaftlich ihre Erklärung über die verschiedenen wirth— schaftlichen Fragen der Regierung gegenüber abgeben sollten. Das Gewicht eines solchen Organs der Regierung gegenüber wäre gewiß ein großes; aber er sei überzeugt, daß keiner der in dieser Organisation vertretenen produktiven Stande mit einer solchen Vertretung zufrieden ware. Der ein⸗ zelne Stand bedürfe einer Interessenvertretung für sich, nicht nur, um der Regierung gegenüber seine Forde— rungen geltend zu machen; es gebe auch wichtige Angelegenheiten genug, die innerhalb des Standes zu ver— handeln seien, und es sei auch vielfach eine einseitige Vertre⸗

j tung des Standes nach außen erforderlich Auch würde er nicht wünschen, daß Großindustrie und Handwerk in derselb Organifation vertreten wären, nach dem Prinzip, daß Hechte und Karpfen nicht zusammengehörten. Der Antrag wolle eine Srganisation gerade für das Kleingewerbe herstellen. Auch die Liberalen, welche ja eine möglichste Beseitigung der vo— lizeilichen Einmischung aus gewerblichen Dingen wollten, könnten ruhig dem Antrage zustimmen, denn der Vertretungs⸗ körper, den der Antrag zu schaffen wansche, solle durchaus frei neben der Regierung stehen. Den Antrag Kayser aber bitte er dringend, abzulehnen. Derselbe sei kein Unterantrag,